german-foreign-policy.com, 27. April 2017
LEVERKUSEN| Eigener Bericht Heftige Proteste begleiten die bevorstehende Übernahme des US-Agrarkonzerns Monsanto durch die deutsche Bayer AG. Bayer, bereits jetzt eines der größten deutschen Unternehmen, wird seine Marktmacht durch die Übernahme noch weiter ausbauen können: Wenn der Deal wie geplant Ende 2017 abgeschlossen ist, wird Bayer unter anderem 25 Prozent des Weltmarkts für Pestizide, 30 Prozent des Weltmarkts für Agrarfrüchte und 90 Prozent des Weltmarkts für genmanipulierte Pflanzen kontrollieren. Das Unternehmen wird zum weitaus umsatzstärksten Agrarkonzern der Welt. Der Deal hat auch außenpolitische Folgen: Er stärkt die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen. Die Leverkusener Firma hat bereits im Januar mit dem damals noch designierten US-Präsidenten Donald Trump über neue Geschäfte verhandelt; sie stellt nach der Monsanto-Übernahme neue Investitionen in den Vereinigten Staaten in Höhe von rund acht Milliarden US-Dollar in Aussicht. Kritiker warnen, der Deal gehe zu Lasten von Kleinbauern, die noch weiter in die Abhängigkeit getrieben werden, und von Verbrauchern, die voraussichtlich unter steigenden Preisen zu leiden haben. Für den morgigen Freitag ist eine Protestkundgebung gegen die Bayer-Hauptversammlung in Bonn angekündigt.
Rekordbilanz
Die Leverkusener Bayer AG, einer der größten deutschen Konzerne, hat im vergangenen Jahr eine neue Rekordbilanz erzielt. Der Konzernumsatz stieg im Geschäftsjahr 2016 um 1,5 Prozent auf fast 46,8 Milliarden Euro. Zugleich nahm das operative Ergebnis (EBIT) – ohne Berücksichtigung von Sondereinflüssen – um 15,2 Prozent auf 8,13 Milliarden Euro zu. Ein besonders starkes Wachstum konnte Bayer im Geschäftsbereich Pharmaceuticals erzielen, dessen Umsatz um 8,7 Prozent auf 16,4 Milliarden Euro in die Höhe schnellte. „Wir konnten das Geschäft in allen Regionen merklich ausbauen“, wird der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann zitiert.1 Vergleichsweise schwach schnitt der Konzern jedoch im Agrargeschäft ab, dessen Umsatz absolut auf 9,92 Milliarden Euro schrumpfte und sich nur währungs- und portfoliobereinigt halten konnte. In Lateinamerika ging das Bayer-Agrargeschäft sogar um währungsbereinigt 6,9 Prozent zurück. Trotz der Agrar-Durststrecke rechne man für das Geschäftsjahr 2017 „mit einer Fortsetzung der positiven Entwicklung“ und der Zunahme des Gesamtumsatzes auf mehr als 49 Milliarden Euro, gab Baumann zu Protokoll.
Agrarkonzern Nummer eins
Mit der bevorstehenden Übernahme des US-Agrarkonzerns Monsanto baut die Bayer AG nun ihre Marktmacht weiter aus. Bereits 2014 hatte sie mit dem Kauf ihres US-Pharmakonkurrenten Merck ihre Stellung deutlich gestärkt; der Vorgang zählte mit einem Preis von 14,2 Milliarden US-Dollar zu den zehn größten deutschen Auslandsübernahmen überhaupt. Für Monsanto wird Bayer nun 66 Milliarden US-Dollar zahlen; es handelt sich damit um die größte Auslandsübernahme in der Geschichte der Bundesrepublik. Außerdem rundet der Kauf, wie es in der Wirtschaftspresse heißt, den Umbau des Konzerns „vom chemisch-pharmazeutischen Mischkonzern zum Spezialisten rund um die Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze ab“.2 Vor allem in der Agrarbranche, die sich wegen des mutmaßlichen Anstiegs der Weltbevölkerung um drei Milliarden Menschen bis 2050 Hoffnungen auf langfristig lukrative Geschäfte macht, kann Bayer nach dem Kauf auftrumpfen: Gemeinsam mit Monsanto konnte die Firma zuletzt einen Agrar-Jahresumsatz von 23,1 Milliarden US-Dollar erzielen; die chinesische Chemchina kommt gemeinsam mit der von ihr übernommenen Syngenta (Schweiz) lediglich auf 14,8 Milliarden US-Dollar, die fusionierenden US-Riesen Dow Chemical und Dupont auf nur 14,6 Milliarden US-Dollar. Bayer und Monsanto halten gemeinsam einen Anteil von rund 25 Prozent am Weltmarkt für Pestizide, einen Anteil von gut 30 Prozent am Weltmarkt für genveränderte und konventionelle Agrarfrüchte sowie einen Anteil von mehr als 90 Prozent am Weltmarkt für genmanipulierte Pflanzen. Zudem erhält Bayer durch Monsanto Zugriff auf Schlüsseltechnologien im Bereich genmanipulierten Saatguts und insbesondere beim „digital farming“, einem Zukunftsbereich der Agrarwirtschaft.3
Transatlantische Bindungen
Von außenpolitischer Bedeutung ist, dass der Bayer/Monsanto-Deal die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen stärkt. Bayer war bereits 2015 mit einem US-Umsatz von 14,1 Milliarden US-Dollar der siebtgrößte deutsche Konzern in den Vereinigten Staaten. Bereits die bloße Übernahme von Monsanto wird die dortige Stellung der Firma weiter konsolidieren. Im Januar hat Bayer darüber hinaus – kurz nach einer Zusammenkunft von Vorstandschef Baumann mit dem damals noch designierten US-Präsidenten Donald Trump – angekündigt, gemeinsam mit Monsanto in den USA gut acht Milliarden US-Dollar in die Forschung zu investieren.4 Für Bayer überaus günstig ist zudem, dass Monsanto in Lateinamerika eine starke Position innehat – dort also, wo der deutsche Konzern zuletzt Einbrüche verzeichnen musste. Allerdings ist die US-Firma, die weltweit aufgrund ihrer Anwendung von Gentechnologie sowie wegen ihrer Geschäftspraktiken scharf kritisiert wird, in Lateinamerika besonders unbeliebt. Immer wieder haben Menschen dort dagegen protestiert, dass Monsanto hochgiftige Agrochemikalien verkauft und Bauern mit seinem patentierten Saatgut in die Abhängigkeit treibt. Zuletzt gingen Mitte 2015 Hunderttausende in Lateinamerika auf die Straße, um die Praktiken des Konzerns anzuprangern.5 Halten die Proteste an, dann treffen sie in Zukunft Bayer.
Die Folgen
Die mutmaßlichen Folgen von Bayers Monsanto-Übernahme für Bauern und Verbraucher haben Kritiker exemplarisch am Beispiel Südafrikas untersucht. Wie eine aktuelle Analyse zeigt, ist unter dem Druck der gewaltigen Marktmacht von Bayer/Monsanto damit zu rechnen, dass die Preise für Saatgut weiter steigen. Dabei könnten spürbare Preiserhöhungen „eine dramatische Auswirkung“ insbesondere auf Kleinbauern haben, die auf kommerzielles Saatgut angewiesen sind. Folgen sind dann auch für die Verbraucher zu befürchten, an die die höheren Kosten weitergegeben werden: Südafrika, vor allem aber auch weitere afrikanische Länder, in denen Bayer/Monsanto sich eine stärkere Stellung sichern könnten, leiden bereits jetzt unter armutsbedingter Nahrungsunsicherheit. Darüber hinaus sei damit zu rechnen, dass weitere Bauern in die Abhängigkeit von dem riesigen Agrarkonzern getrieben würden, heißt es weiter.6 Einer nachhaltigen Landwirtschaft, wie sie dringend erforderlich sei, stehe das Entstehen eines alles dominierenden Agrargiganten ohnehin im Weg – nicht nur in Südafrika.
Proteste
Die morgige Hauptversammlung des Bayer-Konzerns, bei der auch die Monsanto-Übernahme auf der Tagesordnung steht, wird von massiven Protesten begleitet. Konzernkritiker, darunter etwa die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG), rufen zu einer Protestkundgebung vor dem World Conference Center Bonn (WCCB) auf, in dem die diesjährige Hauptversammlung stattfinden soll. Bayer hat sich den Platz vor dem WCCB von der Stadt Bonn billig vermieten lassen, so dass er abgesperrt werden und die Kundgebung in eine Seitenstraße abgedrängt werden kann. Kritiker sprechen von einer „Konzern-Bannmeile“, die das milliardenschwere deutsche Unternehmen nun gegen demokratischen Protest abschotten soll. Für Samstag ist außerdem eine Demonstration in Berlin angekündigt, die sich, wie die Kundgebung am Freitag, vor allem gegen Bayers Monsanto-Übernahme richtet. „Die voranschreitende Konsolidierung des Saatgutmarktes und der Lebensmittelindustrie“, so heißt es im Aufruf zu der Demonstration, „sichert nicht die Zukunft der Ernährung der Menschheit“: „Sie bedroht sie.“7
1 Weiteres Rekordjahr für Bayer – Übernahme von Monsanto auf gutem Weg. presse.bayer.de 22.02.2017.
2 Der 66-Milliarden-Dollar-Deal ist fix. www.handelsblatt.com 14.09.2016.
3 S. dazu Westgeschäfte.
4 Bayer-Monsanto to Invest $8 Billion in US. www.industryweek.com 17.01.2017.
5 Demos gegen Monsanto in ganz Lateinamerika. amerika21.de 01.06.2015.
6 The African Centre for Biodiversity, Rosa Luxemburg Stiftung: The Bayer-Monsanto merger: Implications for South Africa’s agricultural future and its smallholder farmers. Johannesburg, February 2017.
7 Stop Bayer/Monsanto! www.cbgnetwork.org.