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ND

Neues Deutschland, 05.08.03

Pharmariese unter Druck

Coordination gegen Bayer-Gefahren beobachtet seit 25 Jahren den Chemiemulti am Rhein

Der Chemiekonzern Bayer hat schon viel Schaden angerichtet: Verletzungen von Menschenrechten und die Verschmutzung von Flüssen zählen dazu. Unbeobachtet bleibt er dabei nicht. Seit 25 Jahren legt sich die Coordination gegen BAYER-Gefahren mit dem Multi an.

Ein Netzwerk, weit- und engmaschig mit vielen anderen Organisationen verknüpft, legt sich mit einem Weltkonzern an – und zieht dabei nicht den Kürzeren. Seit einem Vierteljahrhundert beobachtet die in Düsseldorf ansässige Coordination gegen BAYER-Gefahren (CGB) den weltweit agierenden deutschen Pharmariesen und macht immer wieder auf Anrüchiges aufmerksam. Auf einer Internetseite in mehreren Sprachen und der Zeitschrift „Stichwort Bayer“ will der Verein zeigen, dass die einst als „Fortschritt der Menschheit“ bejubelte Entwicklung chemischer Großproduktionen zu einer „modernen Geißel“ zu werden droht. Gesundheitsschäden, Umweltverseuchung, Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung gehen laut CGB mit der weltweiten Expansion der großen Chemie- und Pharmakonzerne einher.

Begonnen hat es mit der Vergiftung der Wupper …
Begonnen hat alles vor 25 Jahren in Wuppertal, wo Bayer ein Werk betreibt. Die Wupper wurde immer verdreckter und giftiger, immer mehr Menschen erkrankten. Eines Tages explodierte ein Kessel mit Salzsäure. Gift drang in die Wohnungen ein, Vögel fielen tot vom Himmel. Das brachte das Fass zum Überlaufen: Es bildetet sich eine Bürgerinitiative, die gegen die Umweltverseuchung lautstark protestierte. Aus dieser Initiative entstand die Coordination gegen Bayer-Gefahren, die seit 1983 dem Koloss am Rhein zusetzt.

Rund um den Globus verfolgen die Mitglieder die Aktivitäten des Herstellers von Aspirin, eines der Hauprodukte. Wenn irgendwo auf der Welt Widerstand gegen eine Bayer-Fabrik entsteht, leisten sie Hilfe. Und Jahr für Jahr meldet sich auf den Hauptversammlungen der Leverkusener Bayer AG die Coordination zu Wort und gibt einen alternativen Geschäftsbericht heraus.

Inzwischen zählt der Verein in Deutschland rund 1000 Mitglieder. Als Netzwerkorganisation koordiniert die CBG inzwischen 10000 Initiativen und Gruppen auf der ganzen Welt. Gemeinsam werden Informationen über echte und vermeintliche Sünden des Konzerns zusammengetragen und ausgewertet. Philipp Mimkes, der als einziges bezahltes hauptamtliches CBG-Mitglied das Düsseldorfer Büro besetzt, erhält täglich Anfragen zu Bayer-Themen aus aller Welt. Er ist einer der sechs Vorstände, die den harten Kern der CBG bilden.

Zwischen dem Konzern und der CBG herrscht eisiges Schweigen. Bayer kämpft mit harten Bandagen. „Diffamieren, Drohen, Isolieren“, so beschreibt Mimkes die Verteidigungspolitik des Konzerns. Als von Moskau gesteuert habe der Pharmariese lange Zeit seinen Kontrahenten hingestellt. Ein Argument, das heute nicht mehr zieht. Jetzt werde den Kritikern jede Qualifikation abgesprochen: „Egal, mit wie vielen Doktoren- oder Professorentiteln einer ausgestattet ist – seine Kritik ist und bleibt nach Bayer-Auffassung immer unqualifiziert, unwissenschaftlich und unhaltbar.“

Große Stiftungen, berichtet Mimkes, wie zum Beispiel die der evangelischen Kirche würden unter Druck gesetzt, damit sie der CBG keine Gelder geben. Bayer habe sogar damit gedroht, seinen Angestellten nahe zu legen, aus der Kirche auszutreten. Der Kampf zwischen Bayer und der CGB wurde und wird auch juristisch ausgefochten. Nach einer Welle von Klagen und Gegenklagen hat die Coordination in einem Schlüsselverfahren vom obersten deutschen Gericht, dem Verfassungsgericht in Karlsruhe, Recht bekommen. Inhalt des Streits: Bayer hatte Ende der 80er Jahre die CBG wegen eines Flugblatts auf „Rufschädigung“ verklagt. Das Verfahren ging durch alle Instanzen und um eine runde halbe Million DM. 1992 entschieden dann die Verfassungsrichter, dass die Kritik der CBG begründet und vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt sei – eine „Rufschädigung“ also nicht vorliegt. Das Urteil hat der Organisation Luft verschafft.

Einen Dialog zwischen den Kontrahenten gibt es nicht – die Vorstellungen, die man voneinander hat, scheinen verhärtet, schwer auflösbar. Und in der alltäglichen Auseinandersetzung werden die Feindbilder wieder und wieder bestätigt und reproduziert. Wie objektiv kann und will man einander noch einschätzen? Philipp Mimkes weiß genau, dass Bayer nicht nur Schattenseiten hat, „aber der Konzern wirft einen großen Schatten, auf den das Netzwerk überall auf der Welt aufmerksam macht. Sachlich hat sich Bayer mit uns leider noch nie auseinander gesetzt“.

Bayer wird von keiner Instanz kontrolliert
Welche Kritik übt der CGB an Bayer? In dem Konzern, so Mimkes, sehe man einen Schrittmacher der chemischen Industrie und ein Beispiel für multinationale Konzernpolitik, deren Tun keine Instanz wirksam kontrolliert. „Die Regierung von Nordrhein-Westfalen frisst Bayer aus der Hand“, so das Vorstandsmitglied. Der CGB hingegen stellt ethische Forderungen an den Konzern. Dazu zählen die Menschenrechte, die soziale Sicherheit und der Umweltschutz. „Eine Organisation wie unsere, die sich ausschließlich auf die Beobachtung eines Konzerns konzentriert, ist weltweit einmalig“, sagt Mimkes.

Eins aber fehlt der CGB – und das ist Geld. Als gemeinnützig wird sie nicht anerkannt, und immer mehr Förderer kürzen wegen finanziellen Nöten die dringend benötigten Spenden. Stirbt vielleicht am „schnöden Mammon“ bald ein Netzwerk, das 25 Jahre erfolgreich einem Konzern auf die Finger schaut?

Coordination gegen BAYER-Gefahren; Postfach 150418;
40081 Düsseldorf, Tel.: (0211) 333911; Fax: -333940;
E-Mail: info@cbgnetwork.org

Von Robert Meyer