7. März 2007 Neuss-Grevenbroicher Zeitung
Von Fehlern und dem Giftmüll
Neuer Zündstoff in den Auseinandersetzungen um die Verbrennung von Hexachlorbenzol aus Australien in der RVAD.
VON CHRIS STOFFELS
Dormagen – Hektische Betriebsamkeit am Dienstagmorgen bei einigen Bürgern und im Chemiepark Dormagen. Eine Statistik des Landesamtes für Naturschutz, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) hatte massive Steigerungen beim Ausstoß der Restmüllverbrennungsanlage (RVAD) im Dormagener Chemiepark verbreitet.
Der Ausstoß von Schwefeldioxid sollte danach von 24 Kilogramm 2000 auf fast fünf Tonnen 2004 gestiegen sein, der von Stickstoffdioxid von 58 Kilogramm auf über 67 Tonnen und der von Kohlenmonoxid von 7 Kilogramm auf 2,2 Tonnen.
Nach Darstellung von Christian Zöller, Pressesprecher des Chemieparks und Joachim Beyer, Leiter der RVAD, treffen diese Steigerungen nicht zu. Zöller: „So gab es kaum Veränderungen der Emissionswerte zwischen den Jahren 2000 und 2004 in dem dargestellten Umfang.“
Das Landesamt korrigiert diese Zahlen. Sein Sprecher Eberhard Jacobs auf Anfrage gegenüber der NGZ: „Die Zahlen für das Jahr 2000 sind definitiv falsch.“ Möglicherweise sind nach einer Übermittlungsfehler unrichtige Daten für das Jahr 2000 in das System eingestellt worden.
Nach den Worten von Joachim Beyer bewegen sich die Emissionen der RVAD „deutlich unter den gesetzlich vorgeschriebenen Konzentrationsgrenzwerten“. Sie werden laut Beyer zum Teil um die Hälfte unterschritten, zum Teil erreichen sie nur 20 Prozent der Grenzwerte.
Unterdessen geht das politische Tauziehen um die HCB-Verbrennung aus Australien weiter.
Rechtlich sieht der zuständige Staatssekretär im Ministerium für Umwelt- und Naturschutz, Landschaft und Verbraucherschutz, Dr. Alexander Schink, kaum Möglichkeiten, die Genehmigung für den Transport und das Verbrennen zu vermeiden.
Schink war am Montagabend zu Gast in der Dormagener CDU-.Fraktion. Dort, wie bereits vor einigen Tagen im Umweltausschuss des Landtages erläuterte er, dass die Genehmigung erteilt werden muss, wenn nicht bestimmte, eng umrissene Einwände, entgegen stehen.
Das könnte hier unter anderem gegeben sein, wenn „das Prinzip der Nähe und der Grundsatz der Entsorgungsautarkie“ Vorrang genießen. Das ist aber eine Frage, für die Bundes-Umweltminister Sigmar Gabriel zuständig ist.
NRW-Minister Eckard Uhlenberg hat Gabriel angeschrieben, aber noch keine Antwort erhalten. Schink im Ausschuss: „Verlautbarungen entnehmen wir, dass Herr Gabriel solchen Abfallimporten wohl eher aufgeschlossen gegenübersteht.“
Einwände des Landes wie Kapazitätsprobleme oder ein Verstoß gegen nationale Vorschriften sind laut Schink nicht vorhanden. „Nach Recht und Gesetz“ liegen dafür keine Hinderungsgründe für eine Entsorgung in der RVAD vor.
Allerdings ist dafür ein Antrag der australischen Regierung nötig. Und der liegt noch nicht vor. Schink hat aber vor der CDU-Fraktion in Dormagen deutlich gemacht, dass ein reines Gefälligkeitsschreiben für das australische Unternehmen Orica, bei dem das HCB anfällt, nicht genüge: „Dieser Antrag wird von uns genauestens geprüft.“
Das habe er gegenüber der australischen Botschaft deutlich gemacht. In diese Prüfung einfließen wird vor allem auch die Frage, ob Australien nicht selbst in der Lage ist, HCB zu entsorgen.
Nach Angaben des Leiters der Dormagener Agenda 21 und früheren Grünen-Ratsmitglied, Manfred Puchelt, sei das möglich. Der Landesregierung liegen darüber offenbar keine Erkenntnisse vor.
Puchelt und andere Gegner der HCB-Verbrennung befassen sich weiter mit der Rolle des Dormagener Landtagsabgeordneten Karl Kress (CDU) in dieser Frage.
Sie sind der Ansicht, dass Kress einseitig das Wort für seinen ehemaligen Arbeitgeber Bayer ergreife und die Interessen des Chemiekonzerns vertrete. In seinem Fall müsse die Frage der Befangenheit geklärt werden.