Keine Auskunft über das BAYER-Pestizid SIVANTO
Das UMWELTINSTITUT MÜNCHEN e. V. erbat vom „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) Auskunft über das neue Pestizid SIVANTO des Leverkusener Multis. Da dieses in dem Verdacht steht, auf Bienen genauso schädlich zu wirken wie die derzeit mit einem Teilverbot belegten Konzern-Produkte GAUCHO und PONCHO, wollte der Umweltschutz-Verein wissen, wie es mit dem Zulassungsverfahren steht. Das BVL hielt sich da jedoch bedeckt. Zur Begründung verwies es auf die Verpflichtung zur Wahrung von BAYERs Geschäftsgeheimnissen. Diese Antwort hat auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bereits einmal erhalten, als sie beabsichtigte, Einblick in den zwischen dem Global Player und der Universität Köln geschlossenen Kooperationsvertrag zu nehmen. Und genauso wenig wie damals die CBG ließ es jetzt das Umweltinstitut dabei bewenden und klagte auf Herausgabe der Informationen.
Von Christine Vogt (UMWELTINSTITUT MÜNCHEN)
Menschen, Tiere und Pflanzen leiden unter dem massiven Einsatz von Pestiziden in der konventionellen Landwirtschaft. Eine Agrarwende hin zu einer umweltverträglichen und nachhaltigen Art der Kultivierung von Ackerfrüchten ist längst überfällig. Dass die Erzeugung von Lebensmitteln auch so möglich ist, zeigen die Ökobauern und -bäuerinnen. Solange die Chemikalien aber eingesetzt werden, sind UmweltschützerInnen auf Informationen etwa darüber angewiesen, ob Zulassungen von neuen Giften bevorstehen. Denn nur dann können sie aktiv werden, bevor Schäden entstehen und gezielt gegen Neuzulassungen vorgehen.
Genau darum geht es bei einem Streit, den das UMWELTINSTITUT MÜNCHEN e. V. und das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) seit über einem Jahr führen: um Zulassungsverfahren für zwei neuartige Insektengifte. Das Amt möchte dem Umweltschutzverein keine Informationen darüber herausgeben. Inzwischen ist der Streit ein Fall für die Gerichte. Das Umweltinstitut hat im März 2017 Klage gegen das BVL wegen des Verstoßes gegen das Umweltinformationsgesetz eingereicht.
Neue Bienengifte
Bei den neuen hochwirksamen Insektengiften handelt es sich um Cyantraniliprol und Flupyradifuron. Sie führen bereits in geringen Mengen zum Tod von Insekten, indem sie deren Nervensystem angreifen. Die Wirkungen dieser neuen Pestizide auf Honigbienen und wilde Bestäuber sind damit ähnlich verheerend wie diejenigen der mit Teilverboten belegten Neonicotinoide Imidacloprid und Clothianidin von BAYER sowie Thiamethoxam von SYNGENTA.
Der Wirkstoff Flupyradifuron wurde vom Leverkusener Multi entwickelt und ist für Bienen derart giftig, dass bereits ein einziger Teelöffel ausreicht, um sechs Millionen Tiere zu töten. Auf nationaler Ebene stehen Zulassungen für konkrete Pestizid-Mischungen mit dieser Substanz derzeit noch aus. In anderen Staaten wie den USA oder Kanada ist der Einsatz des Pestizids SIVANTO, das Flupyradifuron enthält, hingegen schon möglich. Der Wirkstoff Cyantraniliprol, den DUPONT entwickelt hat, ist auch ohne offizielle Zulassung in Deutschland schon länger im Einsatz. Sogenannte Notfall-Zulassungen und Sonderregelungen für Importe von gebeiztem Saatgut machen dies möglich.
Geschäftsgeheimniskrämerei
Bereits im vergangen Jahr verlangte das UMWELTINSTITUT MÜNCHEN Auskunft über den Stand der Zulassungsverfahren für Pestizide mit den neuen Wirkstoffen Cyantraniliprol und Flupyradifuron in Deutschland. Doch das BVL verweigerte die Auskunft mit folgender Begründung: Schon die Information, ob überhaupt ein Zulassungsantrag vorliegt, sei ein Geschäftsgeheimnis der Herstellerfirmen. Das Umweltinstitut sieht darin einen Verstoß gegen die Auskunftspflichten nach dem Umweltinformationsgesetz und klagt vor dem Verwaltungsgericht in Braunschweig auf Herausgabe der Informationen. Über Pläne, die sich tatsächlich oder möglicherweise auf die Umwelt auswirken, können sich Bürger und Bürgerinnen nämlich laut Gesetz Informationen einholen. Und der Einsatz von Pestiziden ist eindeutig mit Auswirkungen auf die Umwelt verbunden: Ökosysteme werden nachhaltig geschädigt und die Vielfalt zahlreicher Tier- und Pflanzen-Arten nimmt dramatisch ab.
Es betrifft alle
Behörden anderer EU-Staaten gehen mit Informationen über Zulassungsanträge von Pestiziden deutlich transparenter um als das BVL: Sie stellen diese in einer öffentlich zugänglichen Datenbank der EU bereit. Wenn sich das BVL mit seiner Argumentation durchsetzt, erfahren Umweltschutz-Organisationen wie das Umweltinstitut erst dann von Zulassungsverfahren für neue Pestizide, wenn diese bereits im Einsatz sind und Schaden anrichten. Die Zerstörung der Ökosysteme betrifft uns alle – deshalb sollte auch ein jeder das Recht haben zu erfahren, ob die Behörden gerade die Zulassung von Pestiziden prüfen. Das Umweltinstitut wird darum erstmalig in einem Grundsatz-Verfahren klären lassen, ob das BVL Genehmigungsanträge einfach zum Geschäftsgeheimnis erklären kann.
HERVORHEBUNG:
Behörden anderer EU-Staaten gehen mit Informationen über Zulassungsanträge von Pestiziden deutlich transparenter um als das BVL