Lanxess-Werk in Addyston/USA
Anwohner protestieren gegen Störfälle und Luftverschmutzung
Mehrere hundert Unfälle in neun Jahren, drei Giftwolken innerhalb weniger Monate – dies ist die Störfall-Bilanz der Chemiefabrik Addyston im US-Bundesstaat Ohio. Regelmäßig verheimlichte die Werksleitung den Austritt krebserregender Stoffe. Der Umweltverband Ohio Citizen Action protestiert gegen die Vergiftung der umliegenden Gemeinden und mobilisiert die Bevölkerung.
von Philipp Mimkes
107 meldepflichtige Unfälle allein im vergangenen Jahr. Drei Störfälle, bei denen große Mengen krebserregender Stoffe austraten, innerhalb von vier Monaten. Jährlich 700 Tonnen Emissionen von Schwefeldioxid, Stickoxiden, Kohlenmonoxid und Feinstäuben im „Normalbetrieb“ – dies sind die Eckdaten der täglichen Vergiftung rund um das Chemiewerk Addyston im Bundesstaat Ohio. Die Kunststoff-Fabrik wurde 1996 von der BAYER Corporation übernommen. Nach der Ausgliederung der Chemie-Sparte des Konzerns im vergangenen Herbst gehört sie nun zur Lanxess AG.
Ruth Breech von Ohio Citizen Action, einem Umweltverband mit mehr als 100.000 Mitgliedern: „Das Werk befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft von einem Kindergarten und einer Schule. Allein im letzten halben Jahr traten mindestens neun Mal giftige Chemikalien aus.“ Breech fordert die Firma auf, die Kontamination der Umgebung sofort zu stoppen und jegliche Störung sofort bekannt zu geben. Mitglieder des Verbands sandten rund 11.000 Briefe an das Unternehmen und forderten ein Ende der Verschmutzung von Luft und Wasser.
Die Proteste kulminierten, als Lanxess einräumen musste, dass bei einer Störung im vergangenen Herbst eine halbe Tonne Acrylnitril ausgetreten war. Obwohl zur selben Zeit in unmittelbarer Nähe ein Volksfest mit hunderten von Besuchern stattgefunden hatte, wurde die Öffentlichkeit erst Monate später informiert. Im Dezember traten erneut 700 Pfund der Chemikalie aus, eine großräumige Untersuchung der Gesundheit der Bevölkerung fand indes nicht statt. Acrylnitril ist krebserzeugend und kann die Lungen- und Nervenfunktion schädigen. Bei weiteren Unfällen traten Budadien, Styrol und organische Lösemittel aus.
Die Umweltbehörde des Bezirks Hamilton, in dem Addyston liegt, forderte die Werksleitung ultimativ aus, bis zum 18. April einen Plan vorzulegen, wie weitere Austritte von Acrylnitril ausgeschlossen werden können. Im Falle weiterer Gift-Austritte wurden Strafen angekündigt. Auch Die US-Umweltbehörde EPA nahm eine Untersuchung des Werks vor. Umweltschützer forderten den Rücktritt der Werksleitung, da diese trotz gegenteiliger Versicherungen die Unfallserie nicht beendete. „In einem Gespräch Anfang Dezember räumte die Werksleitung ein, dass der Acrylnitril-Unfall im Oktober nicht hinnehmbar sei. Zwei Groß-Unfälle in den vergangenen Monaten zeigen jedoch, dass sich nichts zum besseren gewandelt hat. Nun muss die Werksleitung ausgetauscht werden, genug ist genug“, so Ruth Breech weiter.
Axel Köhler Schnura von der Coordination gegen BAYER-Gefahren ergänzt: „Die Vernachlässigung von Gesundheit und Umwelt zugunsten von Konzernprofiten hat bei BAYER und LanXess System. Durch die angekündigten Sparmaßnahmen wird die Sicherheitslage in den Lanxess-Werken voraussichtlich noch prekärer. Die Produktion gefährlicher Stoffe wie Acrylnitril oder Phosgen hat nichts in der Nähe von Wohngebieten zu suchen”. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren, die seit den 80er Jahren einen Ausstieg aus der Chlorchemie fordert, sprach das Thema auch auf der BAYER-Hauptversammlung am 29. April an.