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[Monsanto] Der MONSANTO-Marathon

CBG Redaktion

Imperium & Weltmacht

Die Mühen der Ebenen

Der MONSANTO-Marathon

Der BAYER-Konzern kommt nach eigener Aussage mit seiner MONSANTO-Übernahme gut voran. Um das Verfahren noch einmal zu beschleunigen, machte er dem neuen US-Präsidenten Donald Trump seine Aufwartung und versprach dem Politiker Arbeitsplätze in die Hand. Trotzdem sieht sich die Akquisition noch mit so einigen Hindernissen von Seiten der Kartell-Behörden konfrontiert. Und auch der Widerstand von Gruppen und Initiativen aus der ganzen Welt gegen die Transaktion nimmt zu.

Von Jan Pehrke

Der BAYER-Konzern hat sich in seiner über 150-jährigen Geschichte noch immer mit den Zeitläufen arrangiert, um sein auf Profit ausgerichtetes Geschäftsmodell nicht zu gefährden. Ob Kaiserreich, parlamentarische Demokratie oder Faschismus, ob Friedens- oder Kriegszeit – immer fand das Unternehmen Mittel und Wege, ökonomischen Nutzen aus der jeweiligen historischen Konstellation zu ziehen. Im „Dritten Reich“ ging das sogar so weit, in der Nähe von Auschwitz ein eigenes KZ zu unterhalten und daraus ZwangsarbeiterInnen zu rekrutieren.
Da gibt es dann auch keine Berührungsängste mit Donald Trump – schließlich hatte sich der Global Player dem neuen US-Präsidenten schon durch eine Wahlkampf-Hilfe für die Republikaner in Höhe von 433.000 US-Dollar empfohlen (SWB 1/17). Und so machte BAYER-Chef Werner Baumann dem Politiker am 11. Januar 2017 persönlich seine Aufwartung, um ihm den Plan des Leverkusener Multis, MONSANTO zu übernehmen, näherzubringen. Dabei hatte er mit Hugh Grant auch den Boss des Agro-Riesen aus St. Louis im Schlepptau, dem bei diesem Plausch die undankbare Rolle zufiel, die Wonnen der Unselbstständigkeit zu bekunden. Womit die beiden Trump betören konnten, wussten sie ganz genau, hatte dieser doch zuvor schon einige Konzern-Herren mit Forderungen nach US-Jobs zur Ordnung gerufen. Darum lieferten Baumann und Grant. „Die Vereinigten Staaten sind im Landwirtschaftsbereich global führend, und die Kombination von BAYER und MONSANTO wird diese Rolle unterstreichen und sicherstellen, dass die USA ihre hervorgehobene Stellung als Anker dieser Industrie behalten“, hieß es in einem gemeinsamen Statement der Firmen. Forschungsausgaben von acht Milliarden Dollar binnen der nächsten sechs Jahre in dem Land kündigten die Manager an und beschrieben das als Investitionen in „Innovationen und Menschen“. Mehrere Tausend gut bezahlte Hightech-Arbeitsplätze versprachen Baumann und Grant.

„Trumps Anbiederer“
Auf diese Weise kam BAYER zu der zweifelhaften Ehre, als erstes deutsches Unternehmen den knapp bemessenen Platz der bevorzugten Kommunikationsform Trumps, der Twitter-Nachricht, erobert zu haben. „Die BAYER AG hat nach dem Treffen mit dem gewählten Präsidenten Donald Trump Investments und das Schaffen von mehr US-Jobs zugesichert, als letztes Unternehmen einer ganzen Reihe“, setzte der Politik-Novize ab. Ein „unwürdiges Spektakel“ nannte die FAZ diese Wirtschaftsdiplomatie von BAYER und anderen Gesellschaften daraufhin. „Seit der Wahl lassen sich reihenweise Unternehmen zu vermeintlich großen Ankündigungen hinreißen, um dem neuen Präsidenten zu gefallen“, kritisierte die Zeitung unter der Überschrift „Trumps Anbiederer“. Die Risiken und Nebenwirkungen beschrieb das Blatt ein paar Zeilen später: „Sie nehmen es in Kauf, dass er ihre Zusagen als Ergebnis seines Verhandlungsgeschicks darstellt, auch wenn es nicht stimmt. Sie helfen ihm, Twitter-Interventionalismus als erfolgreiche Wirtschaftspolitik erscheinen zu lassen. Sie lassen sich vor den Karren eines Präsidenten spannen, der in seiner Antrittsrede ein Zeitalter des neuen Protektionismus ausgerufen hat.“
Wohlweislich sprach die Frankfurter Allgemeine von „vermeintlich großen Ankündigungen“, denn Baumann hatte Trump nichts Neues erzählt. So räumte er bei der Bilanz-Pressekonferenz am 22. Februar 2017 dann auch ein: „Wir haben keine Versprechungen gemacht, die über das hinausgehen, was wir im September bei der Bekanntgabe der Transaktion gesagt haben.“ Trotzdem befürchtete der BAYER-Betriebsrat, das Job-Versprechen des Vorstandsvorsitzenden im Zuge seiner transatlantischen Charme-Offensive würde auf Kosten bundesdeutscher Arbeitsplätze gehen. „Wir erwarten (...) vom BAYER-Vorstand, dass er die Zusagen einhält, die er der Belegschaft im Mai bezüglich Kündigungsschutz und Standort-Sicherung gemacht hat“, erklärte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Oliver Zühlke. Aus ganz anderen Gründen beurteilten einige WirtschaftsexpertInnen die Arbeitsplatz-Zusagen des BAYER-Chefs skeptisch. „Ein Unternehmen, das nach einer Akquisition mehr Beschäftigte braucht, suggeriert, dass der Deal ineffizient ist (...) Der Aufbau von Stellen würde ein Grund sein, den Deal zu verhindern statt ihn zu befördern“, schrieb etwa der Kartellrechtsprofessor John M. Newman.
Die eigentliche Zielgruppe von Baumanns Aktion, die Finanzmarkt-AkteurInnen, urteilten erwartungsgemäß positiver über das Treffen. „Mission erfüllt“ hieß es in diesen Kreisen. „Die BAYER AG (...) scheint dem Deal festeren Boden verschafft zu haben, indem sie Präsident Trump Investitionen und den Erhalt von amerikanischen Jobs zusicherte, gab MarketWatch die Ansicht von InvestorInnen und AnalystInnen wieder. Einer allerdings glaubte schon viel früher an die Sache: Warren Buffet. Der nach Bill Gates zweitreichste Mann der Welt hatte über seine Firma BERKSHIRE HATHAWAY bereits im September 2016 mehr als 800 Millionen Dollar in MONSANTO-Aktien gesteckt.
Sicherheitshalber engagierte der Leverkusener Multi aber noch vier neue KommunikationsberaterInnen für die Pflege der politischen Landschaft in den USA und zwangsverpflichtete MONSANTO, bei den PR-Maßnahmen mitzumachen. Und so musste dann der Konzern, der sich Jahrzehnte lang konsequent vor der Öffentlichkeit abgeschottet hatte und sogar sorgfältig darauf achtete, im Internet keine Bilder von seiner Firmen-Zentrale in St. Louis kursieren zu lassen, auf einmal JournalistInnen die Türen öffnen und Image-Pflege betreiben. Mit warmen Worten wie „Ich finde es toll, dass ich jetzt von meiner Arbeit erzählen darf“, begrüßten die ForscherInnen jetzt die ReporterInnen. „Wir tun viele gute Dinge und den Leuten, die hier arbeiten, liegt die Menschheit wirklich sehr am Herzen. Trotzdem werden wir verteufelt“, klagten sie und bemühten sich redlich, eine andere Seite von MONSANTO zu zeigen. Wie sehr ihnen die Menschheit am Herzen liegt, demonstrierten die WissenschaftlerInnen unter anderem mit ihrer Arbeit an einer Zwiebel, die beim Schneiden nicht mehr auf die Tränendrüse drückt. Aber da die beiden Unternehmen den 66-Milliarden-Dollar-Deal mit Vorliebe als ein Projekt vermarkten, das sich als eine Art börsennotierter Welthungerhilfe versteht, setzte sich der US-Gigant bei den Lokalterminen vor allem als Entwicklungshelfer in Szene, den nichts so sehr umtreibt, als die Ernährungsprobleme der Menschheit zu lösen.
Jenseits solcher publizistischen Nebelkerzen lässt BAYER jedoch keinen Zweifel daran, an der Unternehmenspolitik festhalten zu wollen, die MONSANTO zurecht den Beinamen „Evil Empire“ eingebracht hat. So hat der Leverkusener Multi gar nichts dagegen, LandwirtInnen Lizenz-Verträge für Saatgut aufzuzwingen und die Gerichte zu bemühen, falls die Bauern und Bäuerinnen es dann wieder aussäen, ohne zu zahlen. „MONSANTO hat ein völlig neues Geschäftsmodell etabliert und marktfähig gemacht“, lobt Baumann. Selbst die Klagen gegen FarmerInnen rechtfertigt er: „Wenn man ein solches Verhalten als Unternehmen toleriert, entzieht man dem Geschäftsmodell die Basis. MONSANTO hat nur seine Rechtsposition verteidigt“. Gegen Glyphosat hat der Große Vorsitzende ebenfalls nichts. „Ein sehr gutes und auch gut erforschtes Herbizid von MONSANTO, das auch weiterhin seine Daseinsberechtigung haben wird“, befindet er. Gegenteilige Einschätzungen, etwa als krebserregendes Pestizid, seien nicht auf wissenschaftlicher Basis erfolgt, so der Ober-BAYER im Interview mit Die Zeit. Und dass sich in Indien schon hunderttausende FarmerInnen umgebracht haben, weil sie das teure, aber nur wenig Erträge einbringende Gentech-Saatgut von MONSANTO in den Ruin getrieben hat, streitet der Manager schlichtweg ab. „So etwas wird nicht dadurch wahr, dass NGOs sich gegenseitig bestätigen und in ihrer Kritik noch bestärken“, meint er.
Gelänge die Übernahme, so hätte das neue Konstrukt die Möglichkeit, solche Praktiken mit noch mehr Markt-Macht durchzusetzen. Die Geschäftszahlen von 2015 zugrunde gelegt, erzielen die Landwirtschaftssparten von BAYER und MONSANTO zusammen einen Umsatz von 23,1 Milliarden Dollar. Damit kann niemand aus der Branche mithalten. Bei den Pestiziden erreichen BAYER und MONSANTO zusammen einen Marktanteil von rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte und konventionelle Ackerfrüchte einen von rund 30 Prozent. Allein die Gen-Pflanzen betrachtet, erlangen die beiden Konzerne vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine Monopol-Stellung. Und diese hofft Werner Baumann vor allem in China nutzen zu können, wenn das Reich der Mitte im Zuge des SYNGENTA-CHEMCHINA-Deals wie erwartet seinen Widerstand gegen die Laborfrüchte aufgeben wird. Zudem hätte der Leverkusener Multi durch die Akquisition Zugriff auf das riesige Reservoir an Pflanzen-Saaten, das MONSANTO zusammengetragen hat, und wäre so imstande, Mutter Natur tüchtig in die Parade zu fahren. Der Leverkusener Multi aber möchte von diesen Befürchtungen nichts wissen. Er streitet schlichtweg ab, durch die Übernahme eine dominante Position zu erlangen. „Es wird weiterhin intensiven Wettbewerb in der Branche geben“, meint der BAYER-CROPSCIENCE-Leiter Liam Condon.

EU will genau prüfen
Die Kartell-Behörden, denen die Genehmigung der Transaktion obliegt, scheinen daran so ihre Zweifel zu haben. Nicht zuletzt deshalb zeigt sich Werner Baumann zwar zuversichtlich: „Bei der vereinbarten Übernahme von MONSANTO kommen wir gut voran“, appelliert aber doch schon mal vorsorglich an die Geduld seiner AktionärInnen: „Die Übernahme von MONSANTO ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“ Und es liegen so einige Hindernisse auf der Strecke, die Umwege erfordern. In den USA, wo das Prüfverfahren schon läuft, sieht sich der Konzern beispielsweise schon gezwungen, mehr Geschäftsbereiche abzugeben, als zunächst geplant. Hatte er ursprünglich einkalkuliert, sich von einem Sortiment in einem Umfang von bis zu 1,6 Milliarden Dollar Umsatz trennen zu müssen, um die Kartell-WächterInnen gnädig zu stimmen, so ist der Multi in seiner Rechnung nun bereits bei 2,5 Milliarden angelangt.
In Brüssel kam der Konzern bei seinem Marathon-Lauf nicht einmal aus den Startblöcken. Die Wettbewerbsbehörde der Europäischen Union hat Anfang 2017 die Annahme des BAYER-Antrags verweigert, weil wichtige Unterlagen fehlten. Der weitere Ablauf dürfte ebenfalls nicht störungsfrei verlaufen, wie die ManagerInnen von SYNGENTA, CHEMCHINA, DOW und DUPONT schon zu erfahren hatten. Da kommt also so einige Arbeit auf Volker Koch-Achelpöhler zu, den der Leverkusener Mulit im Februar 2017 zu seinem neuen Chef-Lobbyisten in EU-Angelegenheiten bestallte. Der EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis kündigte jedenfalls schon einmal an, die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager werde sich auch BAYSANTO „sehr, sehr genau ansehen“. Bereits unmittelbar nach Bekanntgabe des Deals hatte die sozial-liberale Politikerin aus Dänemark klargestellt, dafür Sorge tragen zu wollen, „dass die Landwirte und Verbraucher die Auswahl zwischen verschiedenen Saaten haben und sie nicht einem einzigen Produzenten und einer einzigen Art von Pestiziden gegenüberstehen“.
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) schaltete sich zugleich in den Prozess ein. Sie forderte Vestager in einem Offenen Brief auf, sich nicht in einer kleinteiligen Prüfung des MONSANTO-Kaufs und der anderen Deals zu ergehen und die Vorgänge jeweils bloß mit der Auflage, sich von einigen Geschäften zu trennen, abzuschließen, sondern die Transaktionen schlichtweg zu verhindern. In dem Schreiben, das die Coordination gemeinsam mit der schweizer Initiative „Brot für alle“ verfasste, welche die Übernahme von SYNGENTA durch CHEMCHINA zu stoppen sucht, heißt es unter anderem: „Bereits heute beherrschen sechs transnationale Konzerne die Weltmärkte für Pestizide und Saatgut. Nach Abschluss der geplanten drei Fusionen wären es noch vier. Deren Marktbeherrschung und Kontrolle über das Ernährungssystem wäre immens. Sollten alle Übernahmen zustande kommen, würden die betreffenden drei Firmen über 65 Prozent des globalen Pestizid-Markts und fast 61 Prozent des kommerziellen Saatgutmarkts beherrschen. Bei einzelnen Nutzpflanzen und Pestiziden wäre die Konzentration noch weitaus größer.“ Und die Wettbewerbskommissarin fand in ihrem Briefkasten überdies nicht nur diesen Offenen Brief, sondern auch ähnliche Appelle von BÜNDNIS 90/Die Grünen, FIAN und FRIENDS OF THE EARTH EUROPE. Und das MONSANTO-Tribunal, das im letzten Herbst 29 ZeugInnen zu den Machenschaften der US-Firma vernahm (SWB 1/17) und seine Schlussfolgerungen daraus der Öffentlichkeit am 18. April präsentieren will, sandte ebenfalls Post in die belgische Hauptstadt. Es forderte Margrethe Vestager – mit Durchschlag an den Leverkusener Multi – in einer Eingabe auf, „sicherzustellen, dass BAYER im Falle einer Übernahme die volle juristische Verantwortung übernimmt“ für das, was MONSANTO in den letzten Jahren so verbrochen hat.
Allein auf dem kleinen Dienstweg in Brüssel dürfte die neueste Konzentrationswelle im Landschaftsbereich aber kaum zu stoppen zu sein. Darum gab es in den letzten Monaten noch eine Vielzahl von Aktionen auf der Straße gegen das BAYER-Vorhaben. Am 11. Oktober demonstrierten LandwirtInnen mitsamt ihrer Schweine vor dem BAYER-Stammsitz in Leverkusen gegen den Deal. Drei Wochen später statteten AktivistInnen der Initiative EZLN der Niederlassung des Leverkusener Multis im belgischen Diegem einen Besuch ab und gestalteten die Eingangshalle mit etwas Laub, Erde und Geäst um. Und am 18. Januar 2017 fanden sich LandwirtInnen, ImkerInnen und andere AktivistInnen vor der Berliner BAYER-Zentrale ein und forderten: „BAYER und MONSANTO – bleibt uns vom Acker.“ Auch die „Wir haben es satt“-Demonstration drei Tage später schrieb sich diese Parole auf die Fahnen.
Kulminieren werden diese Proteste aber bei der BAYER-Hauptversammlung, die am 28. April im Bonner „World Conference Center“ (WCCB) stattfindet. Schon am Tag zuvor ist in der Kölner Universität eine Diskussionsrunde zum Weltagrarmarkt mit TeilnehmerInnen wie dem Träger des Alternativen Nobelpreises, Nnimmo Bassey und dem nordrhein-westfälischen Umweltminister Johannes Remmel angesetzt. Und beim AktionärInnen-Treffen selbst muss der Agro-Riese sich vor und in der Halle auf einiges mehr gefasst machen als in den letzten Jahren ...

[BAYER/Monsanto] Stop BAYER/MONSANTO!

CBG Redaktion
Presseerklärung vom 22.03.2017 Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V. Navdanya International IFOAM – Organics International

»Stop BAYER/MONSANTO!«

Demonstration und Protestaktionen anlässlich der Hauptversammlung der BAYER-Aktionäre am 28. April 2017 in Bonn

Nach dem Umzug des BAYER-Konzerns von Köln-Deutz ins Bonner WCCB, anbei unser erster Aktionsüberblick. Immer mehr Organisationen aus den Bereichen bäuerliche und ökologische Landwirtschaft, Umweltschutz, NGOs, Gewerkschaften, soziale Basisinitiativen und studentische Organisationen wie der Allgemeine Studierendenausschuss der Universität zu Köln, haben mittlerweile vielfältige Proteste rund um die BAYER-Hauptversammlung angekündigt. Größere Konzerne, größere Proteste „Die beschlossene Übernahme von Monsanto durch den BAYER-Konzern verbreitert dieses Jahr sichtbar die Protestfront“ sagt Axel Köhler-Schnura für die Coordination gegen BAYER-Gefahren. In und vor der BAYER-Aktionärsversammlung in Bonn wird die (CBG) wie in den letzten 32 Jahren Proteste organisieren – diesmal auch eine Demonstration und ein ganzes Veranstaltungs- und Protestprogramm in mehreren Städten. Bereits beim „Internationalen Monsanto-Tribunal“ in Den Haag im Oktober 2016 kündigten viele Organisationen angesichts der Monsanto-Übernahme ihre Unterstützung für Proteste in BAYERs „Heimat“ Deutschland an. BAYER-HV zieht nach Bonn – der Protest auch! Am 22. Februar gab BAYER nun kurzfristig in seiner Pressekonferenz zur Hauptversammlung bekannt, am 28.4. von der Kölner Messe ins Bonner World Conference Center (WCCB) zu ziehen. „Dahinter steht womöglich auch die Erwägung des Managements, aus der Großstadt Köln an einen ‚ruhigeren Ort‘ zu ziehen, um Proteste klein zu halten. Da kann ich ihnen auch als Bonner sagen: Daraus wird nichts!“ sagt dazu Mitorganisator Simon Ernst vom ver.di-Bezirksfachbereichsvorstand Bildung, Wissenschaft und Forschung in NRW-Süd. „Wir werden laut vernehmbar am Ort des Geschehens, direkt in und vor der Aktionärsversammlung protestieren und laden alle dazu ein, früh aufzusteh’n und uns dabei zu unterstützen! Demonstration am 28.4. auf dem Platz der Vereinten Nationen Für die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat Ernst mittlerweile eine Demonstration am Vormittag des 28.4. direkt vor dem WCCB angemeldet. Er fragt: „Können wir es etwa still hinnehmen, wenn die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit der Profitwirtschaft einiger globaler Riesenkonzerne wie BAYER und MONSANTO geopfert werden?“. Köhler-Schnura dazu: „Durch die Megafusion entsteht ein Monopol im Bereich des gentechnisch hergestellten Saatguts und der Pestizide und damit eine unkalkulierbare Gefahr für die Ernährung der Menschheit.“ BAYER will Monsanto-Image aufpolieren BAYER will jetzt das schmutzige Image von Gentechnik und Monsanto in Frankreich und vor allem hier in Deutschland aufpolieren. „Dieser BAYER-Kampagne wollen wir einen Strich durch die Rechnung machen!“ sagt Axel Köhler-Schnura für die CBG, und weiter: „Das kann am Ende auch gewaltig nach hinten losgehen für BAYER. Auch der Protest ist jetzt ja angesichts der Übernahme immer mehr vernetzt und zunehmend aufgefordert, zusammenzugehen und mit globalem Widerstand zu antworten.“ Der AStA der Uni Köln ruft ebenfalls zu den Protesten auf ...und ist Mitveranstalter des Townhall-Meetings am 27.4. Die Referentin für Ökologie und Nachhaltigkeit des AStA Joanna Dommnich: „Ich finde es ist äußerst kritisch zu bewerten, dass ein gewinnorientiertes Unternehmen wie Bayer zum Beispiel durch einen geheimen ‚Kooperationsvertrag‘ mit der Universität zu Köln Einfluss nimmt auf eine öffentliche Hochschule. Universitäten haben in der Gesellschaft auch die Aufgabe, Wissen-(schaft) kritisch zu hinterfragen und neu zu denken. Dies ist in einem solchen Abhängigkeitsverhältnis nur eingeschränkt oder sogar überhaupt nicht möglich.“ Kontakt: Simon Ernst, se@cbgnetwork.org, Tel 0151-10734531 Anbei: Aktionsüberblick Aktionsüberblick online

[Proteste 28.4.] Wir wollen Demokratie statt Konzernmacht!

CBG Redaktion

Presse-Information vom 22.02.2017

Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V.
Navdanya International
IFOAM – Organics International: Weltweiter Dachverband für biologischen Landbau

Bündnis kündigt für den 28. April Proteste gegen BAYERs MONSANTO-Deal an

Wir wollen Demokratie statt Konzernmacht!

Ein breites Bündnis nimmt die BAYER-Hauptversammlung am 28. April zum Anlass für Protest-Aktionen gegen die geplante MONSANTO-Übernahme. Während der Leverkusener Multi am heutigen Mittwoch seine Bilanz für das Geschäftsjahr 2016 präsentiert und seinen Investoren den MONSANTO-Deal als gute Geld-Anlage präsentiert, macht ein Netzwerk verschiedener Initiativen gegen das Projekt mobil. Unter dem Motto „BAYER und MONSANTO – Hände weg von unserem Essen!“ kündigt es rund um das AktionärInnen-Treffen Widerstand gegen die Transaktion an.

Wie immer gibt es zur Hauptversammlung Proteste vor der Kölner Messehalle und Reden zur Nicht-Entlastung des Vorstandes auf der AktionärInnen-Versammlung selber. Parallel dazu findet in der Domstadt auch eine Demonstration mit dem einen oder anderen Trecker statt. Zudem plant das Bündnis eine Podiumsveranstaltung in der Kölner Universität. Sogar für Berlin kündigt es eine Kundgebung an. Ob der BAYER-Stammsitz Leverkusen ebenfalls mit Besuch rechnen muss, steht dagegen noch nicht fest.

„Wir wollen gesundes Essen! Aber Pestizide von BAYER und MONSANTO wie z. B. Glyphosat belasten unsere Lebensmittel, es droht Gentechnik durch die Hintertür und LandwirtInnen werden in den Ruin getrieben. Monokultur und Agrar-Industrie – Nein danke!“, erklärt Simon Ernst, Sprecher des „Koordinierungskreises der BAYER/MONSANTO-Demo“.

Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) erwartet infolge des MONSANTO-Erwerbs zudem Arbeitsplatz-Vernichtungen. Überdies sind nach Ansicht Köhler-Schnuras Einnahme-Verluste der Standorte-Städte zu befürchten: „Bisher hat BAYER noch jeden Großeinkauf von der Steuer abgesetzt“. Einzig das ökonomische Gebot, alljährlich die Renditen zu steigern, steht dem Diplom-Kaufmann zufolge hinter den jüngsten Entwicklungen. „Dieser Druck von Seiten der großen Finanzinvestoren wie etwa BLACKROCK treibt das zynische Monopoly-Spiel um das wichtigste Gut der Menschheit – die Ernährung – an.“

Die Organisatoren suchen noch nach Unterstützung für die Aktionen. Und die BesitzerInnen von BAYER-Aktien bittet die CBG um Stimmrechtsübertragungen, damit sie die Vorstandsriege in der Hauptversammlung mit möglichst vielen Beiträgen von Konzern-KritikerInnen konfrontieren kann.

Mehr Infos zu BAYER Monsanto

[Offener Brief] Offener Brief an die EU-Kommission

CBG Redaktion

Düsseldorf und Bern, den 16.2.2017

Margrethe Vestager
European Commission
Rue de la Loi / Wetstraat 200
1049 1049 Brussels
Belgium

Sehr geehrte Frau Vestager,

Wir wenden uns an Sie, weil die Wettbewerbsbehörde der EU in den nächsten Wochen zur geplanten Übernahme von Syngenta durch die chinesische ChemChina Stellung nehmen muss. Zudem stehen mit der Fusion der US-amerikanischen Dow und DuPont und der Übernahme von Monsanto durch Bayer zwei weitere geplante Merger im Agrarsektor vor dem Abschluss. Damit steht eine beispielslose Marktkonsolidierung bevor, die zu einem noch mächtigeren Oligopol führen würde. Die unterzeichnenden Organisationen fordern Sie deshalb auf, diese geplanten Übernahmen und Fusionen in ihrer Gesamtheit zu betrachten und sie aus den unten aufgeführten Gründen abzulehnen. Eine Einzelfallprüfung reicht nicht. Es darf keinesfalls bei ein paar Auflagen an jeweils einzelne der drei entstehenden Firmen bleiben. Bayer und Monsanto beispielsweise haben diese von Anfang an einkalkuliert und sogar schon genau auf einen Umsatz von höchstens 1,6 Milliarden Dollar beziffert. Sie rechnen offenbar damit, sich von Teilen des Baumwoll- und Rapsgeschäfts sowie von weiteren kleinen Bereichen trennen zu müssen1. Damit könnte der umfassenden Dominanz dieser Firmen aber kein Einhalt geboten werden.

Bereits heute beherrschen sechs transnationale Konzerne die Weltmärkte für Pestizide und Saatgut. Nach Abschluss der geplanten drei Fusionen wären es noch vier. Deren Marktbeherrschung und Kontrolle über das Ernährungssystem wäre immens. Sollten alle Übernahmen zustandekommen, würden die betreffenden drei Firmen über 65 % des globalen Pestizidmarktes und fast 61 % des kommerziellen Saatgutmarktes beherrschen2. Bei einzelnen Nutzpflanzen und Pestiziden wäre die Konzentration noch weitaus größer3. Diese Marktkonzentration hätte negative Auswirkungen auf den Wettbewerb und die Innovation sowohl in der EU als auch global. Die Forschung und Entwicklung würde sich noch stärker nur auf ein paar wenige Pflanzensorten und kommerziell nutzbare Eigenschaften fokussieren, die Forschungsagenda durch die geballte Marktmacht diktiert und noch stärker und auf die Bedürfnisse der Firmen zugeschnitten. Die Auswirkungen auf die BäuerInnen und VerbraucherInnen wären massiv. BäuerInnen hätten immer weniger Auswahl beim Saatgut und müssten mehr für Betriebsmittel zahlen, wie es bereits jetzt in den USA der Fall ist4. Dies würde wiederum zu höheren Preisen und einem kleineren Angebot für die VerbraucherInnen führen. Doch eine Vielfalt der Pflanzensorten ist essentiell für die Stabilität des Systems und damit sich die Landwirtschaft an die sich verändernden Umweltbedingungen und neuen Herausforderungen wie bspw. dem Klimawandel anpassen kann. Dieser Konzentrationsprozess stellt eine Bedrohung für die Welternährung und für die Zukunft der Landwirtschaft sowohl in Europa als auch weltweit dar.

Darüber hinaus bitten wir Sie zu berücksichtigen, dass diese Übernahmen das Lobbying für Agrargifte und Agrogentechnik stärken würden. Bayer und Syngenta sind die beiden größten Hersteller von Neonicotinoiden, deren Beitrag zum Bienensterben immer deutlicher wird. Monsanto ist der weltweit größte Hersteller des umstrittenen Herbizids Glyphosat, Syngenta jener des in der EU verbotenen Herbizids Paraquat. Diese Kombination führt oft dazu, dass auch umstrittene oder gar verbotene Produkte wider besseres Wissen weiter im Handel bleiben. Zusammen halten die drei Konzerne Monsanto, Bayer und Syngenta heute schon einen großen Teil der Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen. Wir sehen in den geplanten Zusammenschlüssen eine Gefahr für die demokratische Gestaltung der Zukunft der weltweiten Landwirtschaft und speziell für die künftigen Aushandlungsprozesse Agrogentechnik und Pestizide betreffend.

Sie und damit die EU müssen sich auch mit der Rolle beschäftigen, die Blackrock, Vanguard und andere Finanzinvestoren bei der Transaktion spielen. Mit ihren großen Anteilen an Bayer, Monsanto und Syngenta gelten diese Finanzakteure als Treiber solcher Fusionen. Der Leiter der bundesdeutschen Monopolkommission, Achim Wambach, fordert deshalb bezüglich Monsanto und Bayer: „Der US-Investor Blackrock ist an beiden Unternehmen zu sechs bis sieben Prozent beteiligt. Hier schließen sich also zwei Unternehmen zusammen, die zu Teilen dem gleichen Eigentümer gehören (...) Das sollten die Behörden beachten5.“ Blackrock und andere große amerikanische Vermögensverwalter stehen auch hinter dem Verkauf von Syngenta. Im Zentrum steht dabei die Aktionärsrendite.

In diesem Sinne halten wir es für notwendig, dass die Wettbewerbskommission bei der Begutachtung des Prüfantrags auch die Folgen mitberücksichtigt, welche die jeweilige Übernahme für die Beschäftigten hätte. Denn während die AktionärInnen profitieren, gehört zu den „Synergieeffekten“ solcher Fusionen immer auch die Einsparung von Arbeitsplätzen. So hat Bayer auch schon die Schließung von Labors im US-amerikanischen Cropscience-Hauptquartier in Betracht gezogen6. Darüber hinaus dürfte das Erfordernis, die durch den Kauf von Monsanto angehäuften Schulden abzutragen, in der näheren Zukunft zu Verkäufen von Unternehmensteilen und Rationalisierungsmaßnahmen durch Bayer führen. Und trotz entgegengesetzter Versprechen ist davon auszugehen, dass die geplante Übernahme durch ChemChina längerfristig auch Stellen von Angestellten Syngentas gefährdet.

Die Renditeorientierung der großen Finanzakteure führt außerdem zur Fokussierung auf Ausgaben- und Steuerverminderung. So kommunizierte Bayer 2014 bei seiner letzten großen Akquisition, dem Erstehen einer Merck-Sparte7: „Bayer rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuereinsparungen.“ Die Aktiengesellschaft hat in der Folge die Ausgaben für den Erwerb tatsächlich von der Steuer absetzen können. Ähnliches ist jetzt bei der Monsanto-Übernahme zu befürchten. Die Standorte hätten so unter den Transaktionen ebenfalls zu leiden. Denn obwohl Bayer an seinem Stammsitz Leverkusen oder Syngenta in Basel bereits heute kaum noch Gewerbesteuern zahlen, würde dieser Trend durch diese Fusionen noch verstärkt.

Der Monsanto-Manager Dr. Robert T. Fraley hatte die Vorgänge in der Agrarindustrie bereits 1996 so kommentiert8: „Dies ist nicht nur eine Konsolidierung von Saatgutfirmen, sondern eine Konsolidierung der gesamten Nahrungskette.“ Mehr als 20 Jahre später ist diese Konsolidierung noch weiter fortgeschritten. Eine Handvoll Konzerne hat sich den Zugriff auf die Welternährung gesichert. Die EU hat mit ihrem Votum jetzt die Chance, ein Zeichen für eine Umkehr zu setzen. Wir appellieren an Sie als verantwortliche Wettbewerbskommissarin, diese Gelegenheit zu nutzen!

Wir danken Ihnen im Voraus für Ihre Antwort auf unseren Offenen Brief.

Mit freundlichen Grüßen,

Bernard DuPasquier,
Geschäftsführer Brot für Alle

Jan Pehrke
Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren

Weitere Unterzeichner:
Multiwatch
Public Eye
Swissaid
Fastenopfer
Seeds Action Network Germany
Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG)
Blauen Institut
IG Saatgut
Forum Umwelt und Entwicklung
Pestizid-Aktions-Netzwerk e. V.
Bündnis für Gentechnikfreie Landwirtschaft
pro natura
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e. V.
Agrar Koordination
Gen-ethisches Netzwerk

- Bayer (2016). Transcript Bayer AG Meet Management 2016. Sept 20, 2016. www.investor.bayer.com/securedl/14257;
Triangle Business Journal (2016). Monsanto CEO on Bayer buyout: “There is very little overlap”. Oct 5, 2016. http:www.bizjournals.com/triangle/news/2016/10/05/monsanto-ceo-on-bayer-buyout-theres-very-little.html

- ETC Group (2016). Merge-Santo: New Threat to Food Sovereignty. March 23, 2016. http:www.etcgroup.org/content/merge-santo-new-threat-food-sovereignty

- Erklärung von Bern (2014). Saatgut – Bedrohte Vielfalt im Spannungsfeld der Interessen. https:www.publiceye.ch/fileadmin/files/documents/Saatgut/Doku_Saatgut_D_Web.pdf

- Business Insider (2017). Trump could approve a giant merger that's scaring American farmers http:uk.businessinsider.com/bayer-monsanto-merger-trump-farmers-worried-2017-2?r=US&IR=T

- Rheinische Post (2016). ZEW-Chef Achim Wambach im Interview. „Bayer-Kartellprüfung dürfte viele Monate dauern“. http:www.rp-online.de/wirtschaft/bayer-kartellpruefung-duerfte-viele-monate-dauern-aid-1.6297209

- Triangle Business Journal (2016). Monsanto CEO on Bayer buyout: “There is very little overlap”. Oct 5, 2016. http:www.bizjournals.com/triangle/news/2016/10/05/monsanto-ceo-on-bayer-buyout-theres-very-little.html

- Bayer (2014). Bayer will Consumer-Care-Geschäft des US-Konzerns Merck & Co., Inc. übernehmen und vereinbart strategische Pharma-Kooperation im Bereich sGC-Modulatoren. https:www.bayer.at/de/medien/pressenews/bayer-will-consumer-care-geschaeft-des-us-konzerns-merck-co-inc-uebernehmen.php

- Mammana, Yvan (2014). Concentration of market power in the EU seed market. A study commissioned by the Greens/EFA Group in the European Parliament. http:greens-efa-service.eu/concentration_of_market_power_in_EU_see_market/

[BaySanto] STICHWORT BAYER 01/2017

CBG Redaktion

Griff nach der Marktmacht

Mit dem Kauf von MONSANTO steigt der BAYER-Konzern zum mit Abstand größten Agrar-Unternehmen der Welt auf. Der Konzentrationsprozess der Branche erreicht damit einen vorläufigen Höhepunkt.

„Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir von der Qualität des Managements, der Qualität der Produkte, der Stärke der Innovationskraft und auch von der Kultur MONSANTOs sehr überzeugt sind“, erklärte BAYER-Chef Werner Baumann zum Abschluss der Übernahme-Verhandlungen mit dem US-amerikanischen Agro-Unternehmen. 128 Dollar zahlt der Leverkusener Multi pro Aktie – das bedeutet einen kräftigen Aufschlag gegenüber dem derzeitigen Kurs. Der Kaufpreis summiert sich so auf 66 Milliarden Dollar. 19 Milliarden davon will BAYER durch eine Eigenkapital-Erhöhung aufbringen; den Rest über Kredite von CREDIT SUISSE, der BANK OF AMERICA/MERRILL LYNCH und anderen Geldhäusern.
Der Deal ist der vorerst letzte Akt im neuerlichen Monopoly-Spiel der Agro-Industrie, die Aufzüge davor hatten DUPONT & DOW und CHEMCHINA & SYNGENTA bestritten. Im Düngemittel-Bereich schlossen sich POTASH und AGRIUM zusammen, und auch bei den Herstellern von Landmaschinen kam es zu Aufkäufen und Joint Ventures. In diesem Sektor beherrschen aktuell die Top 3 der Branche 50 Prozent des Weltmarkts.

„Endkampf um Marktanteile“
War die Konzentrationswelle vor 20 Jahren hauptsächlich von der Gentechnik getrieben, die den Zugriff auf Saatgut-Firmen verlangte, um in den Besitz des „Rohstoffes“ für die Laborfrüchte zu gelangen, so löste die schlechte Ertragssituation der LandwirtInnen das jetzige Revirement aus. In den USA rechnet das Landwirtschaftsministerium für dieses Jahr mit Einkommensrückgängen im zweistelligen Bereich auf das Niveau von 2009, was zur Kauf-Zurückhaltung bei Pestiziden und anderen Betriebsmitteln führt. Argentinien und Brasilien, die beiden größten Anbau-Länder in Lateinamerika, gehen derweil durch mehr oder weniger große Wirtschaftskrisen, und auch China kämpft aktuell mit sinkenden Wachstumsraten.
In einer solchen Situation erscheint es BAYER & Co. nicht sinnvoll, in den Ausbau der eigenen Kapazitäten zu investieren und etwa neue Pestizid-Fabriken zu bauen. Und da auch Arbeitsplatz-Vernichtungen und andere Rationalisierungsmaßnahmen die Renditen nicht mehr in dem von den Finanzmärkten gewünschten Maße erhöhen, gehen die Unternehmen auf Einkaufstour. „Wenn Du keine andere Option hast, mache einen Mega-Deal“, so resümiert der Wirtschaftsmedien-Konzern BLOOMBERG die Gedankengänge in den Chef-Etagen. Auf diese Weise können die Firmen nämlich selbst in Zeiten der Flaute noch Boden gutmachen. Von „einer Art Endkampf um Marktanteile“ spricht die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in diesem Zusammenhang.
Kämen alle Transaktionen vollumfänglich zustande, was noch nicht ausgemacht ist, da die Zustimmung der Kartellbehörden und in manchen Fällen auch diejenige der AktionärInnen – bei MONSANTO findet die entsprechende Versammlung am 13. Dezember statt – noch aussteht, ginge der Leverkusener Multi als klarer Sieger aus diesem Endkampf hervor. Die Geschäftszahlen von 2015 zugrunde gelegt, erzielen die Landwirtschaftssparten von BAYER und MONSANTO zusammen einen Umsatz von 23,1 Milliarden Dollar. Damit kann niemand aus der Branche mithalten. Die frisch vermählten Paare bzw. arrangierten Zwangsehen SYNGENTA/CHEMCHINA und DUPONT/DOW folgen mit weitem Abstand (14,8 bzw. 14,6 Milliarden), und auf Rang vier landet abgeschlagen BASF mit 5,8 Milliarden. Bei den Pestiziden erreichen BAYER und MONSANTO zusammen einen Marktanteil von rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte und konventionelle Ackerfrüchte einen von rund 30 Prozent. Allein die Gen-Pflanzen betrachtet, erlangen die beiden Konzerne vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine Monopol-Stellung. Entsprechend besorgt reagierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). „Wir schlagen Alarm: ‚Wer das Saatgut kontrolliert, beherrscht die Welt’, hat Henry Kissinger einmal gesagt. Durch die Übernahme droht ein weltweites Lebensmittel-Monopol. Die Welternährung gerät in ernste Gefahr“, so Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG.

Risiken und Nebenwirkungen
Der Deal hat jedoch noch weitere negative Folgen. „Der Merger wird den Landwirten wehtun“, sagt Jim Benham von der INDIANA FARMERS UNION: „Je mehr Konsolidierung wir bei den Anbietern unserer Betriebsmittel haben, desto schlimmer wird’s.“ Nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums haben sich allein die Preise für Mais- und Baumwoll-Saatgut in den vergangenen 20 Jahren vervierfacht. Und BAYER schickt sich an, diese Tradition fortzusetzen. Der Chef von BAYER CROPSCIENCE, Liam Condon, schloss gegenüber der New York Times weitere Preis-Steigerungen auch gar nicht erst aus. Allerdings versicherte er scheinheilig, der Konzern würde den FarmerInnen dafür in jedem Fall einen Mehrwert bieten.
Überdies reduziert die Übernahme die Produkt-Vielfalt. Die oligopol-artigen Strukturen haben jetzt schon einen riesigen Innovationsstau mit sich gebracht, und die neue Übersichtlichkeit dürfte die Malaise noch verstärken. An eine Landwirtschaft ohne Chemie verschwenden die Unternehmen sowieso keinen Gedanken, sie schaffen es noch nicht einmal, Ersatz für ihre Alt-Mittel zu finden. BAYERs Glufosinat oder MONSANTOs Glyphosat haben schon über 40 Jahre auf dem Buckel. Deshalb trotzen immer mehr Unkräuter diesen Substanzen. Den LandwirtInnen bleibt so nichts anderes übrig, als die Gift-Dosis zu erhöhen. Und der Leverkusener Multi leugnet diesen Tatbestand keineswegs. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächen-Kulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, so der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler. Warum denn auch nach Neuem suchen, wenn es kaum Konkurrenz gibt und der Zugang zu dem, was Stüblers Boss Werner Baumann „den Profit-Pool der Branche“ nennt, so bequem ist? Der vom Leverkusener Multi mitgegründete Chemie-Monopolist IG FARBEN ging seinerzeit den Weg, zur Sicherung der Innovationskraft miteinander im Wettstreit um Entdeckungen liegende Abteilungen aufzubauen, dies scheint für Baumann & Co. bisher jedoch keine Option zu sein.

Synergie-Effekte
Die Beschäftigten von MONSANTO und BAYER müssen sich ebenfalls auf härtere Zeiten einstellen, obwohl Baumann am Tag der Vertragsunterzeichnung verkündete: „Dieser Zusammenschluss bietet eine großartige Gelegenheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Zunächst einmal sehen sich die rund 140.000 Belegschaftsangehörigen der beiden Konzerne mit den bei solchen Deals immer wieder gerne beschworenen Synergie-Effekten konfrontiert. Diese taxiert der Leverkusener Multi auf 1,5 Milliarden Dollar schon drei Jahre nach dem Vollzug der Übernahme. Dabei entfallen 1,2 Milliarden auf Kosten-Synergien und 300 Millionen auf Ertragssynergien. Wie viele Jobs das genau kostet, konnte der Vorstandsvorsitzende noch nicht sagen: „Das haben wir (...) nicht in Arbeitsplätze umgerechnet.“ Einspar-Potenziale sieht der Global Player aber unter anderem bei der Infrastruktur, bei den IT-Aufwendungen, beim Vertrieb, beim Einkauf und in der Forschung. So kündigte Liam Condon schon einmal die Schließung von Labors im US-amerikanischen Cropscience-Headquarter an, das in North Carolinas „Triangle Research Park“ liegt.
Da sich das Sortiment der beiden Unternehmen jedoch kaum überschneidet, dürften sich die unmittelbar mit dem Vollzug der Übernahme verbundenen Job-Streichungen zunächst einmal in Grenzen halten. Größere Unbill droht erst später, wenn die Kartell-Behörden den Deal prüfen und vor der Aufgabe stehen, trotz des neuen Big Players wenigstens Reste von Wettbewerb in dem Sektor zu retten. BAYER und MONSANTO selber kalkulieren schon ein, sich von Geschäften in einem Umfang von bis zu 1,6 Milliarden Umsatz trennen zu müssen. Sollten sich aber die Wettbewerbskommission der EU und ihre Pendants in den anderen Ländern nicht daran orientieren und stattdessen eigene Rechnungen anstellen, könnte es noch mehr werden. Wenn dieses Paket dann irgendwann zu BASF oder einem anderen Agro-Riesen wandert, beginnt der zweite Akt im Spiel um die Synergie-Effekte, und für einen Teil der Beschäftigten dürfte dieser ohne Happy End ausgehen.
Damit nicht genug, entsteht Druck auf die Belegschaft auch durch die hohen Schulden, die der Leverkusener Multi sich in Sachen „MONSANTO“ aufgebürdet hat. Vernichtung von Arbeitsplätzen in diesem Zusammenhang hat der Konzern nur für die Bundesrepublik ausgeschlossen. „Rationalisierungsmaßnahmen zur Finanzierung der Akquisition werden in Deutschland nicht stattfinden“, heißt es in einer mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossenen Vereinbarung. Das Abstoßen einzelner Sparten treibt der Global Player jedoch bereits kräftig voran. Noch während der Verhandlungen mit dem MONSANTO-Management hat er bekanntgegeben, sich vom Dermatologie- und vom Kontrastmittel-Geschäft trennen zu wollen. Auch die Tiermedizin-Abteilung steht auf der Kippe. Pläne für solche „De-Investitionen“ mit den entsprechenden Entlassungen existieren zwar teilweise schon länger, aber die MONSANTO-Übernahme macht ihre Realisierung zweifelsohne dringlicher und sicher auch umfangreicher. Zudem sind Effizienz-Programme, also weitere Job-Streichungen, zur Verringerung der Schuldenlast zu befürchten. Vor welche Probleme BAYER die Finanzierung des Deals stellt, machten die Schwierigkeiten deutlich, die der Konzern mit der Platzierung seiner vier Milliarden Euro schweren Wandelanleihe am Markt hatte. Er musste den institutionellen Investoren dafür eine Verzinsung von 5,625 Prozent bieten, was prompt den Aktien-Kurs auf Talfahrt brachte. Seine Rendite-Ziele jedenfalls hat die Aktien-Gesellschaft zur Beruhigung der Finanzmärkte schon eine Woche nach der Vertragsunterzeichnung hochgesetzt.
Nicht nur deshalb teilt die Belegschaft die Begeisterung des Managements keineswegs. „Wir legen uns mit dem Teufel ins Bett“, „Das passt nicht zusammen“ – mit solchen Reaktionen konfrontierte die Wirtschaftswoche den Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning. Der jedoch wiegelte ab: „Das spiegelt nicht die Stimmung bei BAYER wider. Nachdem der Vorstand die Transaktion eingehend erläutern konnte, hat die Übernahme bei den Mitarbeitern sehr viel Zustimmung erfahren.“ Wenn das wirklich so wäre, hätte der Konzern den Beschäftigten jedoch kaum untersagen müssen, mit JournalistInnen über den MONSANTO-Deal zu sprechen. Und als die Zeitschrift mit Verweis auf die Trennung von der Chemie- und der Kunststoff-Sparte den Dauerumbau beim Chemie-Multi ansprach und fragte: „Müssen Manager heute kreative Zerstörer sein?“, war Wenning not amused. „Das Wort ‚Zerstörer’ stört mich“, antwortete er und hob zu Erfolgsstorys über die Abspaltungen LANXESS und COVESTRO an.
Die Standort-Städte müssen sich ebenfalls auf so einiges gefasst machen. Ihnen ist die letzte Einkaufstour des Multis noch in denkbar schlechter Erinnerung. Unmittelbar nach dem Kauf der MERCK-Sparte mit den nicht rezeptpflichtigen Arzneien hatte der Multi nämlich verkündet: „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen.“ Und prompt hat er die Akquisition dann auch von der Steuer abgesetzt, dabei die erweiterten Möglichkeiten der „Unternehmenssteuerreform“ von 2001 nutzend, für die der ehemalige BAYER-Finanzchef Heribert Zitzelsberger als Staatssekretär im Finanzministerium eine wesentliche Verantwortung trug. Vor allem den Stammsitz Leverkusen trieb der MERCK-Erwerb deshalb noch einmal tiefer in die Verschuldung.
All diese Risiken und Nebenwirkungen lassen nicht einmal die wirtschaftsfreundlichen Zeitungen unberührt. Die Faz, an dessen Vorläufer, der Frankfurter Zeitung, die IG Farben bis zu 49 Prozent der Geschäftsanteile hielt, sieht „die Ego-Strategie einfallsloser Manager auf der Suche nach Boni auf dem Fusionspfad“ am Werk und zweifelt daran, ob die Probleme der Welternährung auf diesem Weg zu lösen sind: „Für Innovationen braucht man Größe nicht.“ Das Handelsblatt listet derweil die Vielzahl der nicht eben erfolgreichen Merger auf, und die New York Times verweist dazu auf eine Studie der Rating-Agentur STANDARD & POOR’S, wonach das neue Unternehmensganze oftmals weniger ist als die Summe seiner alten Teile. „In general ‚M & A’-Deals underperform“, mit diesen Worten zitiert das Blatt den STANDARD & POOR’S-Analysten Richard Tortoriello. Zu dessen Befund von der Zeitung befragt, gab sich ein BAYER-Sprecher zugeknöpft – er lehnte jeden Kommentar ab.
Sogar Finanzinvestoren wie JUPITER und HENDERSON sprachen sich gegen den MONSANTO-Kauf aus, weil sie sich vom Pharma-Geschäft einträglichere Renditen versprechen und um die Arznei-Investitionen bangen. Nicht einmal bei BAYER selbst herrschte Einigkeit über den Coup. Der frühere BAYER-Chef Marijn Dekkers lehnte die Übernahme im Gegensatz zu Baumann und dem Aufsichtsratschef Werner Wenning ab und zog deshalb seinen ohnehin schon geplanten Abgang noch einmal vor. Der von ihm verpflichtete PR-Chef Herbert Heitmann ging ebenfalls, nicht ohne dem „‚Pre-MONSANTO’-BAYER“ auf Twitter eine Träne nachzuweinen.

Die Rolle von BLACKROCK
Aber wer trieb den Deal dann voran? Das waren vor allem die großen Finanzmarkt-Akteure mit dem Branchen-Primus BLACKROCK an der Spitze. Der Vermögensverwalter gebietet über rund fünf Billionen Dollar. Diese Summe, hinter der das Kapital von Groß- und KleinaktionärInnen, von Rentenfonds, vor allem aber auch vieler Ultra-Reicher steckt, übersteigt das Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik um mehr als das Dreifache.
Die Mutter aller Investment-Gesellschaften hält sich nicht mit Detail-Analysen auf wie JUPITER und andere Unternehmen. Sie durchleuchtet nicht die Produkt-Pipelines der Global Player auf der Suche nach besonders zukunftsträchtigen Anlage-Möglichkeiten und hält auch nicht nach besonders attraktiven Firmen Ausschau. So reichen ihr fünf Angestellte zur Betreuung der ca. 600 Unternehmensbeteiligungen in Europa, während bei HERMES EQUITY ein Beschäftigter für bloß zehn bis zwanzig Firmen zuständig ist. Der Finanz-Mogul agiert anders. Er hat Aktien fast aller großen Konzerne im Depot und investiert hauptsächlich in Fonds, die Aktien-Indizes wie den Dax oder den Dow Jones nachbilden.
BLACKROCK gehören nicht nur BAYER-Papiere im Kurswert von ca. 5,2 Milliarden. Euro, sondern auch MONSANTO-Aktien für rund 2,6 Milliarden. Euro. Beim Leverkusener Multi nimmt er damit die Position des größten Investors ein, beim US-Multi die des zweitgrößten. Andere Finanz-Investoren halten ähnliche Crossover-Beteilungen mit entsprechenden Interessen. VANGUARD zum Beispiel ist die Nr. 1 bei MONSANTO und die Nr. 4 bei BAYER, CAPITAL bei beiden Unternehmen die Nr. 3. Sie sitzen somit an beiden Seiten des Verhandlungstisches und können ihre Profite somit bestens optimieren.
BLACKROCK agiert als eine Art ideeler Gesamtkapitalist, dem am Maximal-Profit des großen Ganzen liegt. Übernahmen und Fusionen sind dabei das probate Mittel. Diese treibt der Konzern bei jeder Gelegenheit voran. Jüngst forderte er solche Transaktionen etwa im Finanz-Sektor. „Der europäische Banken-Markt ist überbesetzt, deshalb müssen auch grenzüberschreitende Fusionen möglich sein“, verlangte der BLACKROCK-Manager Philipp Hildebrand Anfang des Monats in der Faz. Im Zuge der Verhandlungen zwischen BAYER und MONSANTO erhöhte er rasch seinen Aktien-Anteil von fünf auf sieben Prozent. Bei dem Kauf-Angebot von 128 Dollar pro Papier streicht der Vermögensverwalter allein dadurch rund eine Milliarde Euro ein. Vor allem aber setzt er bei seiner Strategie auf das, wovor die LandwirtInnen so viel Angst haben: steigende Preise. Mit den höheren Margen steigen nämlich die Profite.
Und genau das strebt BLACKROCK nicht nur mit dem Forcieren von Mergern, sondern auch mit den flächendeckenden Branchen-Engagements an – äußerst erfolgreich, wie der Finanz-Ökonom Martin Schmalz in einer Studie herausfand. Der Dozent der University of Michigan untersuchte die Folgen eines verstärkten BLACKROCK-Investments in Flug-Gesellschaften und wies überdurchschnittliche Preissteigerungsraten nach. Und die machen zur Freude des Anlegers die ganze Branche profitabler, während der Konkurrenzkampf um Markt-Anteile für einen so breit aufgestellten Finanzinvestor wie BLACKROCK nur ein Nullsummenspiel darstellt.
BLACKROCK realisiert also ein höchst attraktives Geschäftsmodell. Allerdings ist es in letzter Zeit etwas in Verruf geraten. „Die Monopol-Kommission sieht ein wesentliches wettbewerbsverzerrendes Potenzial“, heißt es im diesjährigen Hauptgutachten der Kartellwächter über BLACKROCK & Co. Achim Wambach, der Leiter der Kommission, fordert deshalb von der Wettbewerbsbehörde der EU, deren Treiben auch zum Gegenstand des Prüfverfahrens zur Genehmigung des MONSANTO-Deals zu machen. „Der US-Investor BLACKROCK ist an beiden Unternehmen zu sechs bis sieben Prozent beteiligt. Hier schließen sich also zwei Unternehmen zusammen, die zu Teilen dem gleichen Eigentümer gehören. Außerdem halten BLACKROCK und andere institutionelle Anleger gleichzeitig an allen großen Konkurrenten dieser beiden Unternehmen Anteile. Das sollten die Behörden beachten“, sagte er der Rheinischen Post. Und zumindest die US-amerikanische „Federal Trade Commission“ hat schon einmal angekündigt, das Agieren des Vermögensverwalters in den Blick nehmen zu wollen. Der Finanz-Konzern selbst weist dabei alle Anschuldigungen zurück. „Die Idee, dass wir unsere Anteile auf ganze Industrie-Zweige verteilen, (...) anstatt zu versuchen, aus jedem einzelnen Investment das Beste herauszuholen, ist falsch“, so BLACKROCK-Sprecher Ed Sweeney. Als der The Street-Journalist dann aber nachhakte und fragte, wann der Finanzmogul denn bei einem einzelnen Unternehmen zuletzt einmal eine aktive Rolle gespielt habe, konnte Sweeney nur ein Beispiel nennen.
Dabei tut sein Arbeitgeber das sehr wohl, wenn sich die Dinge nicht in dem gewünschten Sinne entwickeln oder wichtige Entscheidungen anstehen. Den Druck von Seiten der Finanzinvestoren wird BAYER auch nach der MONSANTO-Übernahme noch spüren. Irgendwann haben diese sich nämlich genügend an den abfallenden Synergie-Effekten gelabt und sinnen nach neuen Gaumenfreuden. Da aber, was „Mergers & Acquisitions“ betrifft, in der Branche kaum noch Luft nach oben ist, stellt sich die Frage, wie die Entwicklung weitergeht. Zur Wahl stände außer einem Duopol oder einem wirklichen Monopol nur noch, BAYER oder auch BASF zu zwingen, ihre Agro-Sparten an die Börse zu bringen, ähnlich wie es DOW und DUPONT planen. Das würde nämlich Extra-Geld in die Kasse spülen.

Ein paar Auflagen
Erst einmal müssen die Agro-Deals allerdings das Prüf-Prozedere der Wettbewerbsbehörden durchlaufen. MONSANTO hat sich vorsorglich im Vertrag schon einmal eine Ausfallgarantie in Höhe von zwei Milliarden Dollar zusichern lassen, falls die Sache schief geht. Das steht zwar nicht zu erwarten, aber unbeschadet dürfte der Leverkusener Multi den Prozess kaum überstehen. „Wir werden eine Markt-Analyse berücksichtigen, die sich mit den Folgen eines solchen Zusammenschlusses für die Landwirte beschäftigt“, gab die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Richtung vor. Auch die Auswirkungen auf die Forschungsleistungen und die VerbraucherInnen will die Dänin zum Gegenstand des Verfahrens machen. Die Folgen für die Arbeitsplätze und das Steuer-Aufkommen der Standort-Städte fehlen jedoch auf ihrer Agenda. Nicht nur deshalb sieht BAYER-Chef Werner Baumann dem Ganzen eher entspannt entgegen. „Ich war in der vergangenen Woche in Brüssel. Dort kam klar zum Ausdruck, dass die Europäische Kommission sachorientiert entscheidet“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Und in der Tat wäre es sehr verwunderlich, wenn die Auflagen zum Verkauf einzelner Geschäftsbereiche zu wesentlich größeren Umsatz-Einbußen als den 1,6 Milliarden Dollar führten, die der Leverkusener Multi selbst veranschlagt hat.
Von dieser Seite her ist also kaum mit ernsthaften Schritten gegen das Projekt zu rechnen, das laut Baumann dazu dient, die Welternährung zu sichern. Eine solche Mission kaufen ihm jedoch noch nicht einmal die konservativen Zeitungen ab. Als eine „stets etwas salbungsvoll klingende Kapitalmarkt-Story für den Mega-Deal“ bezeichnete etwa die Faz die diesbezüglichen Aussagen des Vorstandsvorsitzenden. Und in der Tat hat BAYER & Co. das Schicksal der Menschen im Tschad, in Sambia oder anderen armen Länder nie groß interessiert, und das wird es auch in Zukunft nicht tun. Der agro-industrielle Komplex hat nur ein Interesse: seinen Profit zu steigern. Und dafür produziert er vornehmlich Soja- und Mais-Monokulturen für die Futtertröge der Massentierhaltung, lässt er hochriskante Verfahren wie die Gentechnik zum Einsatz kommen und bringt er immer mehr Gifte auf die Felder, statt nach Alternativen Ausschau zu halten. Sowohl BAYER als auch MONSANTO haben in ihrer Geschichte eindrucksvolle Belege für eine menschenverachtende Haltung geliefert, der Renditen über alles gehen. Dafür stehen auf der Seite des Leverkusener Multis hauptsächlich die Entwicklung von chemischen Kampfstoffen und die Beteiligung am Holocaust, auf Seiten des US-Unternehmens AGENT ORANGE und der skrupellose Umgang mit den LandwirtInnen.
DIE COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN versucht deshalb, gemeinsam mit anderen Initiativen ein breites gesellschaftliches Bündnis zu organisieren, um dem Treiben von BAYER & Co. Einhalt zu gebieten. Erste Schritte dazu unternahm die Coordination auf dem MONSANTO-Tribunal in Den Haag. Dabei darf es nach Ansicht der CBG nicht bei Forderungen nach einem sofortigen Glyphosat-Stopp, einem wirksameren Schutz vor der Gentechnik und einer Beschränkung der ökonomischen Macht der Agro-Riesen bleiben. Vielmehr müssen auch die Eigentumsfragen auf die Agenda der konzern-kritischen Bewegung, denn ein Sektor, dem die Versorgung der Menschheit mit Nahrungsmitteln obliegt, bedarf der demokratischen Kontrolle. Eine Handhabe dazu böte etwa der Vergesellschaftungsparagraf der nordrhein-westfälischen Landesverfassung.

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2017

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG-Jahrestagung 2016
Aus gegebenem Anlass widmete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre diesjährige Jahrestagung dem Thema: „BAYER/MONSANTO – Tod auf den Äckern, Gifte im Essen“. Zu Beginn referierte Uli Müller von LobbyControl über die vielfältigen Möglichkeiten der Agro-Riesen., Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP, das die EU und die USA zurzeit verhandeln, hatten die Konzerne Müller zufolge „auf beiden Seiten die Finger im Spiel“. Über ihre Lobby-Organisationen wie die „European Crop Protection Association“ oder „Croplife America“ versuchten die Multis beiderseits des Atlantiks, niedrigere Auflagen für Pestizide und Gen-Pflanzen durchzudrücken. Und Brüssel diente sich ihnen dabei zu allem Übel auch noch als williger Helfer an. Dies belegte der Politikwissenschaftler mit Zitaten aus Briefwechseln. So erbat die Europäische Kommission von BAYER & Co. etwa Informationen darüber, „wie wir die Rahmenbedingungen für die Industrie verbessern können“. Der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold widmete sich anschließend dem Agrar-Markt der EU. Am Beispiel einer Studie über Saatgut zeichnete er die Entwicklung zu einer immer größeren Konzentration der Anbieter nach, die mit den angekündigten Zusammenschlüssen von BAYER/MONSANTO, DOW/DUPONT und SYNGENTA/CHEMCHINA einem vorläufigen Höhepunkt zustrebt. Die bei der Europäischen Kommission für die Prüfung der Deals verantwortliche Wettbewerbskommissarin Margrethe Verstager versicherte dem einstigen ATTAC-Aktivisten, die Untersuchung werde bei dem Verfahren eine Rolle spielen. Giegold setzt auf solche Einflussmöglichkeiten und plädierte im Übrigen für eine Arbeitsteilung zwischen parlamentarischen und außerparlamentarischen Initiativen: „Den Lärm müsst ihr machen.“ Dazu erklärte sich der neue CBG-Geschäftsführer Toni Michelmann zu Beginn seines Vortrags auch gerne bereit. Mit dem Bekenntnis: „Ich bin zum Krawall machen hier“ begann er seinen Vortrag. Dann skizzierte er die ungeheure Macht des Leverkusener Unternehmens und gab ein Bild davon, was der Menschheit blüht, wenn es dem Global Player gelingen sollte, sich MONSANTO einzuverleiben: Eine durch Glyphosat & Co. vergiftete Welt mit grünen Wüsten, auf denen nichts mehr kreucht und fleucht. Der Chemiker zeigte sich jedoch guter Hoffnung, dass es nicht so weit kommt. Er berichtete vom Den Haager MONSANTO-Tribunal und der angegliederten People’s Assembly, wo die CBG viele Kontakte knüpfte und zur nächsten BAYER-Hauptversammlung bereits konkrete Aktionen gegen die „Hochzeit des Todes“ verabredete. Und so traten die rund 60 BesucherInnen der CBG-Jahrestagung ihre Heimreise am Abend dann in dem Bewusstsein an, dem Monopoly-Spiel der Agro-Riesen nicht hilflos ausgeliefert zu sein.

ForscherInnen für GAUCHO-Stopp
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) haben einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben. Die EU hat einige dieser Agrochemikalien deshalb schon mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Vielen WissenschaftlerInnen reicht dies jedoch nicht aus. In einer „Resolution zum Schutz der mitteleuropäischen Insektenfauna, insbesondere der Wildbienen“ fordern 77 BiologInnen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) deshalb auf, „ein vollständiges Verbot von Neonicotinoiden, mindestens aber ein vollständiges, ausnahmsloses Moratorium für ihren Einsatz bis zum wissenschaftlich sauberen Nachweis ihrer Umweltverträglichkeit“ zu erlassen. Zudem verlangen die ForscherInnen in dem Schriftstück Maßnahmen zur Erhöhung der Strukturvielfalt von Kulturlandschaften und ein Insekten-Langzeitmonitoring.

Aktion bei BAYER in Belgien
Am 4. November 2016 schlug am BAYER-Sitz im belgischen Diegem die Natur zurück. Verkleidet in Tier-Kostüme, statteten AktivistInnen der Initiative EZLN der Niederlassung des Leverkusener Multis einen Besuch ab und gestalteten die Eingangshalle mit etwas Laub, Erde und Geäst um. Zudem brachten die EZLNlerInnen ein Transparent mit der Aufschrift „BAYER-MONSANTO – TTIP kills life“ an. Damit protestierten sie gegen das zwischen der EU und den USA geplante Freihandelsabkommen, das niedrigere Standards bei der Regulierung von Pestiziden, hormon-wirksamen Substanzen und anderen Stoffen vorsieht und aus eben diesen Gründen von den Konzernen mit aller Lobby-Macht vorangetrieben wird. „Es ist dringend nötig, die Einflussnahme des Privatsektors auf die Politik zu stoppen“, erklärte die Organisation, dabei nicht nur auf TTIP, sondern auch auf die Obstruktion des Klimaschutzes verweisend.

Petition gegen Hormon-Gifte
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinander wirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie RUNNER, PROVOST OPTI, FOLICUR und NATIVO oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassung verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Definition der Pseudo-Hormone – sogenannter „endokriner Disruptoren“ (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Die Bestimmungen kehren jedoch die Beweislast um und fordern eindeutige Belege für die gesundheitsschädliche Wirkung der EDCs; ein plausibler Verdacht reicht Juncker & Co. nicht aus. Da dies nicht dem Vorsorge-Prinzip entspricht, hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK die Online-Petition „Gesundheit geht vor – Hormon-Gifte stoppen“ initiiert, welche der BUND, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und zahlreiche andere Initiativen mittragen. So konnte das Bündnis der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am 30.11.2016 rund 100.000 Unterschriften übergeben.

Petition gegen CIPROBAY & Co.
BAYERs CIPROBAY hat ebenso wie andere Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Am häufigsten treten Gesundheitsstörungen im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen oder des Nervensystems auf. Aber auch Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten und Leber- oder Nierenversagen zählen zu den Risiken. Bundesdeutsche Geschädigte haben nun auf der „We act“-Plattform des Aktionsnetzwerks CAMPACT eine Petition veröffentlicht. Darin fordern sie das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) und die europäische Arzneimittel-Behörde EMA auf, mehr Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Sie verlangen von den Institutionen, den Einsatz der zu den Reserve-Antibiotika zählenden Mittel auf lebensbedrohliche Situationen zu beschränken. BAYER & Co. müssten zudem zum Anbringen eines Warn-Symbols auf den Packungen und zu Unverträglichkeitstests vor dem Verschreiben der Arzneien gezwungen werden, so die AktivistInnen. Anfang Oktober 2016 hatten schon über 2.000 Personen die Petition unterschrieben.

KAPITAL & ARBEIT

Entlassungen in Mission Bay
BAYER stellt am Standort Mission Bay nahe San Francisco die Forschungen zu Blut- und Augenkrankheiten ein und streicht die Stellen der WissenschaftlerInnen, die auf diesen Gebieten gearbeitet haben.

Werksfeuerwehr-Leute bessergestellt
Seit Jahren kämpft die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE um eine Besserstellung der Beschäftigten bei den Werksfeuerwehren. Schon im Jahr 2014 kam es in der Sache zu einer Protest-Veranstaltung vor dem BAYER-Casino. Aber die Chemie-Industrie schaltete immer auf stur. Darum musste sich eine höhere Instanz damit befassen: Zum ersten Mal seit 20 Jahren traten die „Tarifpartner“ der Branche in ein Schlichtungsverfahren ein. Und erst im Zuge dieses Prozederes zeigten sich BAYER & Co. zu Zugeständnissen bereit. Sie garantieren nun den Feuerwehr-Leuten – allein bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA arbeiten rund 360 – Ersatz-Arbeitsplätze, wenn diese aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sein sollten, die anspruchsvolle Tätigkeit auszuüben. Auch Zuschläge für Nacht-Einsätze und sonntägliche Dienste zahlen die Unternehmen jetzt.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Arzneitests in Kinderheimen
Ausgehend von den Recherchen der Pharmazeutin Sylvia Wagner machen seit einiger Zeit Meldungen über Arznei-Tests in Kinderheimen und Jugend-Psychiatrien Schlagzeilen, die zwischen den 1950er und 1970er Jahren stattfanden. Ende November 2016 stießen ReporterInnen des NDR auf Unterlagen des Landeskrankenhauses Schleswig, die Versuche auch mit BAYER-Medikamenten dokumentieren (siehe auch SWB 1/17). So erprobten MedizinerInnen der jugendpsychiatrischen Abteilung zwei Pharmazeutika des Pillen-Riesen, ohne dafür eine Einwilligung der ProbandInnen oder ihrer Erziehungsberechtigten eingeholt zu haben. Das Neuroleptikum MEGAPHEN mit dem Wirkstoff Chlorpromazin testeten die ÄrztInnen als Therapeutikum gegen zu „zappelige“ SchülerInnen. 23 „anstaltsgebundenen Sonderschul-Kindern“ verabreichten sie es. Das Neuroleptikum AOLEPT mussten sogar 141 Kinder und Jugendliche schlucken. Dabei zeigten sich gravierende Nebenwirkungen wie etwa „Muskelverkrampfungen an den Augen, des Rückens und der mimischen Muskulatur“. Die Kieler Medizin-Ethikerin Alena Buyx hält die Praxis sogar nach damaligen Maßstäben für höchst problematisch. „Das ist ethisch unzulässige Forschung“, urteilte sie in dem NDR-Bericht.

IG FARBEN & HEUTE

IG-Manager bleibt KIT-Ehrensenator
Über ihren Nachruhm können sich viele Manager des von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzerns IG FARBEN nicht beklagen. So lebt etwa Carl Wurster nicht nur im Straßenbild von Ludwigshafen weiter, wo ein Platz nach dem ehemaligen Wehrwirtschaftsführer benannt ist. Beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat es der Chemiker, der für die IG im Aufsichtsrat des Zyklon B-Produzenten DEGESCH saß, sogar zum Ehrensenator gebracht. Davon ließ sich das KIT nicht einmal durch massive Proteste abbringen. Es bedauert zwar, „dass es Ehrungen von Personen gab, die in Aktivitäten des nationalsozialistischen Unrechtsstaats verstrickt waren“, ist aber dennoch „der vorherrschenden Rechtsauffassung gefolgt, dass die Ehrung als höchstpersönliches Recht mit den Tod des/der Geehrten erlischt und damit eine nachträgliche Aberkennung faktisch nicht mehr möglich ist“.

POLITIK & EINFLUSS

Hannelore Kraft bei BAYER
Am 7. Dezember 2016 feierte der BAYER-Konzern das 125-jähriges Bestehen am Standort Leverkusen. Zu den GratulantInnen in seinem Erholungshaus konnte das Unternehmen auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft begrüßen. Wie bereits 2013 zum 150-jährigen Firmen-Jubiläum hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Ministerpräsidentin aufgefordert, in ihrem Geburtstagsständchen das lange Sündenregister des Global Players nicht auszuklammern. „Obwohl die Stadt Leverkusen Stammsitz eines der größten Konzerne der Welt ist, erlebt sie eine Rekord-Finanznot. Bei Schulen, Kinderbetreuung, Gesundheit und Freizeit – überall ist der Mangel spürbar. Die Kommune ist sogar auf die Unterstützung des Landes aus dem Stärkungspakt Stadtfinanzen angewiesen. Und das alles, weil BAYER sich durch „tausend legale Steuertricks“ um Abgaben in Millionen-Höhe drückt. Statt Lobreden erwarten wir deshalb Kritik von Hannelore Kraft“, hieß es in der Presseerklärung der CBG. Auch zu anderen dunklen Kapiteln aus der Firmen-Geschichte wie etwa der Rolle im Nationalsozialismus dürfe Kraft nicht schweigen, mahnte die Coordination. Aber die Sozialdemokratin entpuppte sich als Wiederholungstäterin und sprach die heiklen Themen wie schon 2013 nicht an. Stattdessen stand sie in Treue fest zu BAYER. „Wir sind ein Industrieland. Und wir wollen es bleiben“, konstatierte Hannelore Kraft. Die Ministerpräsidentin versprach, den Leverkusener Multi auch in Zukunft vor allem Unbill zu schützen. Vor allem dasjenige, das aus Richtung der EU droht, wie etwa der Plan, den Ausstoß des klima-schädlichen Kohlendioxids durch eine Verteuerung der Verschmutzungsrechte stärker zu sanktionieren, hatte sie dabei im Blick. „Wir kämpfen weiter für den Industrie-Standort, auch in Brüssel“, erklärte Kraft.

EU fördert Geheimniskrämerei
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat schon so einige leidige Erfahrungen mit BAYERs Geschäftsgeheimnissen machen müssen. So weigerte sich der Leverkusener Multi unter Berufung auf ebendiese erfolgreich, Einblick in den mit der Universität Köln geschlossenen Forschungskooperationsvertrag zu gewähren. Auch auf den Hauptversammlungen nutzt er gern diese Ausrede, um Fragen zu den Verkaufszahlen umstrittener Produkte unbeantwortet zu lassen. Nichtsdestotrotz will die EU diese Geheimniskrämerei der Konzerne künftig noch weiter fördern. In einer neuen Richtlinie „über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb und rechtswidriger Nutzung und Offenlegung“ erklärt sie jede Information für sakrosankt, deren Veröffentlichung den Unternehmen zu ökonomischem Schaden gereichen könnte. Vergeblich hatte der Whistleblower Antoine Deltour, der den LuxLeaks-Steuerskandal aufgedeckt hatte, an die Europäische Union appelliert, das Vorhaben fallenzulassen. Auch die Kritik von JournalistInnen-Verbänden und Gewerkschaften, die durch das Paragrafen-Werk „in erheblichen Umfang die Meinungs- und Pressefreiheit“ beschränkt sahen, fand kein Gehör.

Wenning im FDP-Wirtschaftsforum
„Fast 70 Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft unterstützen das Comeback der Freien Demokraten. Sie haben sich dazu im FDP-Wirtschaftsforum organisiert, um die Parteiführung zu beraten“, vermeldet die FDP. Zu diesen ManagerInnen, deren Zahl mittlerweile auf 77 angestiegen ist, gehört auch BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning. Er und seine KollegInnen haben der Partei bisher unter anderem „einfache Unternehmensgründungen“, „eine leistungsfähige Infrastruktur für Verkehr und Datenübertragung“ und nicht zuletzt „ein Steuerrecht, das Wachstumsbremsen löst, anstatt sie weiter anzuziehen“ auf die Agenda gesetzt.

PROPAGANDA & MEDIEN

Neues Media Center schafft Akzeptanz
„Mangel an gesellschaftlicher Akzeptanz wurde in einer Studie des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) als eines der Top-Hemmnisse für Innovationen benannt“, konstatiert Denise Rennmann, die bei BAYER den Bereich „Public & Governmental Affairs“ leitet. Die zunehmende Kritik an der Gentechnik und anderen neuen Hervorbringungen der Industrie bereitet dem Leverkusener Multi schon länger Sorge. Darum hat er sich Gedanken über eine „intensivere Wissenschaftskommunikation“ gemacht und die Idee ausgebrütet, ein „Science Media Center“ zu gründen. Dieses soll nach britischem Vorbild JournalistInnen mit „objektiven“ Informationen zu strittigen Themen aus dem Forschungsbereich versorgen. Im Jahr 2012 lud der Global Player zu diesem Behufe interessierte Kreise nach Berlin ein. Anschließend betraute er eine Arbeitsgruppe mit der Entwicklung eines Konzepts für eine solche Unternehmung und warb parallel dazu bei anderen Firmen, Zeitungen und Forschungseinrichtungen um Unterstützung. 2015 schließlich war es soweit. Die „Science Media Center Germany gGmbH“, getragen von der Stiftung des SAP-Mitgründers Klaus Tschira, nahm ihre Arbeit auf. „Wenn Journalisten den öffentlichen Diskurs mit verlässlichem Wissen und kompetenten Stellungnahmen bereichern wollen, dann steht ihnen das SMC Germany dabei zur Seite“, heißt es auf der Website. Einige Stichproben konnten das allerdings nicht bestätigen. Zu den Themen „Bienensterben“ oder „hormon-ähnliche Chemikalien“ findet sich beim SMC nichts. Und während der Eintrag zu Glyphosat einigermaßen ausgewogen daherkommt, lässt das Center bei den Informationen zur neuen Gentechnik CRISPR/Cas kritische Positionen unter den Tisch fallen.

14 Millionen für US-MedizinerInnen
Im Jahr 2015 standen 2.400 bundesdeutsche ÄrztInnen auf der Gehaltsliste von BAYER. Der Leverkusener Multi engagierte sie unter anderem als RednerInnen auf Kongressen, BeraterInnen oder lud sie zu Fortbildungsveranstaltungen ein. 7,5 Millionen Euro gab der Konzern dafür aus. In den USA ließ er sich das noch mehr kosten. Wie die US-Plattform ProPublica recherchierte, investierte der Pharma-Riese dort von August 2013 bis Dezember 2014 14 Millionen Dollar in die Pflege der medizinischen Landschaft.

1,3 Millionen für Fachgesellschaften
BAYER lässt sich die Pflege der medizinischen Landschaft so einiges kosten. Der Leverkusener Multi bedenkt nicht nur ÄrztInnen und Krankenhäuser mit Millionen-Beträgen (siehe oben und Ticker 4/16), sondern auch die medizinischen Fachgesellschaften. Rund 1,3 Millionen Euro erhielten diese im Jahr 2015. Und wenn sich die Tätigkeit der Organisationen auf ein Gebiet erstreckt, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ über 253.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese bestimmt bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate (siehe DRUGS & PILLS). Zur Umsatz-Steigerung seines risiko-reichen Gerinnungshemmers XARELTO investierte er indessen 189.000 Euro in die „Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung“ und 122.000 Euro in die „Gesellschaft für Thrombose und Hämostase-Forschung“.

PR für NEBIDO & Co.
Eigentlich sollten die Pharma-Firmen Medikamente für bestimmte Krankheiten entwickeln. Manchmal gehen sie jedoch den umgekehrten Weg und entwickeln Krankheiten für bestimmte Medikamente. So hat BAYER die männlichen Wechseljahre erfunden, um einen größeren Markt für NEBIDO und andere Hormon-Präparate zu schaffen. Praktischerweise hat der Konzern dafür auch gleich noch einen Fachbegriff in Beschlag genommen, der eigentlich nur einen wirklich krankhaften Testosteron-Mangel beschreibt: Hypogonadismus. Allerdings stehen NEBIDO & Co. seit einiger Zeit wegen ihrer zahlreichen Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik. Deshalb geht der Leverkusener Multi nun in die Offensive. Beim europäischen Kongress für Männergesundheit, den die von ihm großzügig alimentierte „European Academy of Andrology“ in Rotterdam ausrichtete, sponserte er ein Symposion, das sich mit der Frage befasste: „Long-term treatment of hypogonadism – just a risky lifestyle intervention?“ Die vom Leverkusener Multi engagierten „Mietmäuler“ Abraham Morgentaler, Farid Saad, Kevin S. Channer und Linda Vignozzi antworteten natürlich unisono: „Nein.“

Mehr PR für DR SCHOLL’S & Co.
In den USA hat BAYER dieses Jahr größere Anstrengungen unternommen, um die Werbetrommel für seine rezeptfreien Medizin-Produkte, die so genannte „Over the Counter“-Ware (OTCs), zu rühren. Vor allem mit dem Bekanntheitsgrad der Sonnenschutzmittel aus der COPPERTONE-Reihe und der Fußpflege-Artikel der DR SCHOLL’S-Familie, die mit dem Kauf der OTC-Sparte von MERCK ins Portefeuille des Leverkusener Multis gelangten, zeigten sich die Konzern-StrategInnen unzufrieden (siehe auch ÖKONOMIE & PROFIT). „Ich hoffe, die Leute werden in den nächsten Jahren lernen, dass BAYER mehr ist als ASPIRIN“, so Phil Blake, der US-Chef des Pharma-Riesen, zum Sinn der Übung. Der Konzern lässt dabei keinen Kanal ungenutzt. Von TV und Zeitungen über FACEBOOK und INSTAGRAM bis hin zu TWITTER erstreckt sich die Kampagne.

BAYERs Shitstormer
Rund 500 Beschäftigte arbeiten in BAYERs PR-Abteilung. Das reicht allerdings nicht, um gegen den notorisch schlechten Ruf des Unternehmens anzukämpfen. Deshalb bedient sich der Konzern zusätzlich externer Kräfte. Gilt es etwa, im Zuge eines Skandals vertrauensbildende Maßnahmen einzuleiten, so greift der Leverkusener Multi gerne auf die Dienste von Christian Schwerg zurück. Dieser hat nämlich die Krisen-Kommunikation zu seinem Spezialgebiet auserkoren – den „Shitstormer“ nennt Die Zeit ihn deshalb. „Wir können nichts ungeschehen machen. Ab einer bestimmten medialen Verbreitung kann man nur offensiv vorgehen und das Thema in die Rehabilitationsstrategie integrieren“, sagt er über seine Arbeitsweise. Schwerg bietet für BAYER & Co. sogar vorbeugende Maßnahmen an, um deren ÖffentlichkeitsarbeiterInnen zu lehren, gut mit „bad news“ umzugehen. „Wir simulieren auch gerne mal Nachrichten auf News-Portalen oder geben uns als Journalisten aus, rufen an und senden E-Mails mit Vorwürfen“, plaudert der PR-Profi aus dem Nähkästchen.

TIERE & VERSUCHE

Tierversuchs-Richtlinie verwässert
Bei der Ausarbeitung der Tierversuchs-Richtlinie der EU hatten PolitikerInnen aus Deutschland BAYER & Co. vor allzu strengen Auflagen bewahrt. Und bei der Umsetzung in bundesdeutsches Recht musste das Paragrafen-Werk noch einmal gehörig Federn lassen. So unterliegen zu Bildungszwecken vorgenommene Tier-Experimente keiner Genehmigungspflicht mehr, sondern nur noch einer Meldepflicht. Auch ein Verbot besonders leidvoller Erprobungen fehlt in der deutschen Version. Der Jurist Dr. Christoph Maisack stellte in einem Gutachten insgesamt 18 Abweichungen vom ursprünglichen Text fest, die es dem Leverkusener Multi leichter machen, seine Tierversuche – im Geschäftsjahr 2015 waren es 133.666 – nicht zu reduzieren. Der Verein ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE hat bei der EU-Kommission wegen der Aufweichung der Richtlinie eine Beschwerde eingereicht.

DRUGS & PILLS

30.000 ESSURE-Geschädigte
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. 30.000 Meldungen über solche unerwünschten Arznei-Effekte hat BAYER bereits erhalten.

NICE nicht nice zu NEXAVAR
Das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs NEXAVAR zu Behandlung von Leberkrebs durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt. „Es bleiben signifikante Unsicherheiten“, konstatierte die Behörde. Selbst eine vom Pillen-Riesen vorgenommene Preissenkung konnte die PrüferInnen nicht erweichen, dem „National Health Service“ die Übernahme der Therapie-Kosten zu empfehlen. Aber der Leverkusener Multi gibt sich noch nicht geschlagen und hofft weiter auf ein positives NICE-Votum in Sachen „NEXAVAR“.

Alzheimer durch ANTRA
Protonenpumpen-Hemmer mit dem Wirkstoff Omeprazol wie BAYERs ANTRA steigern das Alzheimer-Risiko. Das ergab eine Studie der Universität Bonn. Der Untersuchung zufolge setzen sich ANTRA-PatientInnen einer um 44 Prozent höheren Gefährdung aus, diese Krankheit zu bekommen, als Menschen, welche die Mittel nicht einnehmen. Die Präparate, die hauptsächlich bei Sodbrennen, aber auch zum Schutz vor Blutungen der Magenschleimhaut zum Einsatz kommen, haben jedoch noch mehr Nebenwirkungen. Da die Arzneien die Magensäure-Produktion fast komplett unterbinden, verschaffen sie Bakterien ein gedeihlicheres Klima, was den Ausbruch von Infektionen fördert. Zudem stören die Medikamente die Kalzium-Gewinnung aus der Nahrung und schwächen so die Knochen. Wegen solcher Gegenanzeigen warnen bundesdeutsche MedizinerInnen bereits seit Langem vor einem zu sorglosen Umgang mit ANTRA & Co. Allerdings fruchteten ihre Warnungen nicht – seit einiger Zeit sind diese Medikamente nicht einmal mehr verschreibungspflichtig. Und nicht zuletzt deshalb verfünffachte sich ihre Einnahme in den letzten Jahren.

Blockbuster EYLEA
EYLEA, das BAYER-Präparat zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Einen Zusatznutzen mochte das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) dem Gentech-Medikament deshalb nicht zu bescheinigen. Trotzdem entwickelt sich die Arznei dank BAYERs massivem Werbeaufwand zu einem Blockbuster. Dem „Innovationsreport 2016“ der Techniker Krankenkasse zufolge verzeichnete es die größten Umsatz-Zuwächse aller hierzulande im Jahr 2012 neu zugelassenen Medikamente. 2014 kam das Präparat auf fast 18 Millionen Euro – ein Plus von 458 Prozent gegenüber 2013.

USA: mehr Auflagen für NEBIDO & Co.
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und Hormon-Präparaten wie NEBIDO oder TESTOGEL neue, nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben. Studien warnen allerdings vor den Gefahren der Mittel. So können die Arzneien neuesten Untersuchungen zufolge das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöhen, was die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA zu einer Reaktion veranlasste. Sie zwang BAYER & Co., auf den Packungen vor diesen möglichen Nebenwirkungen zu warnen. Überdies müssen die Pharma-Firmen nun darauf hinweisen, dass die Pharmazeutika nur bei krankhaftem Testosteron-Mangel und nicht bei einem rein altersbedingten Rückgang der Hormon-Produktion Anwendung finden dürfen.

Neues Nahrungsergänzungsmittel
Menschen, die sich ausgewogen ernähren, brauchen keine zusätzliche Vitamine, Mineralien oder andere Stoffe. Deren Einnahme kann in manchen Fällen sogar schaden. Trotzdem hat BAYER eine Unmenge an Vitamin-Präparaten und Nahrungsergänzungsmitteln im Angebot. SANATOGEN, SUPRADYN, BEROCCA, CAL-D-VITA, ELEVIT, REDOXON und vieles mehr findet sich in der Produkt-Palette des Konzerns. Allein unter dem Markennamen ONE-A-DAY verkauft er Dutzende unterschiedlicher Pillen. Da die Geschäfte vor allem in den USA gut laufen, schmeißt der Pharma-Riese dort jetzt noch ein neues Mittelchen auf den Markt: TRUBIOTICS. Das mit den Mikroorganismen Lactobacillus acidophilus und Bifidobacterium animalis bestückte Probiotikum soll angeblich gute Werke im Verdauungstrakt verrichten.

ASPIRIN nur noch für vier Tage?
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) tritt bereits seit Langem dafür ein, ASPIRIN und andere Schmerzmittel in den Apotheken nur noch dann ohne Rezept abzugeben, wenn die Anwendungsdauer auf vier Tage beschränkt ist. Die Präparate haben nämlich beträchtliche Nebenwirkungen; ASPIRIN kann vor allem Magenbluten verursachen. „Selbst bei den niedrigen Dosierungen, die zur Prävention von Schlaganfall und Herzinfarkt dienen sollen“, besteht dem ehemaligen BfArM-Präsidenten Walter Schwerdtfeger zufolge dieses Risiko. Der „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ lehnte die Forderung nach einer Verkleinerung der Packungen zwar bereits 2012 ab, aber endgültig vom Tisch ist die Sache noch nicht. „Die Studien-Ergebnisse werden zur Zeit ausgewertet“, ließ sich das Bundesgesundheitsministerium in der TV-Dokumentation „Angst vor Schmerzen“ vernehmen.

ASPIRIN im Freizeitsport
SportlerInnen verlangen ihrem Körper viel ab und überschreiten dabei oft die Schmerzgrenze. Deshalb greifen nicht wenige von ihnen zu Schmerzmitteln wie ASPIRIN (Wirkstoff: Acetylsalicylsäure) – und das nicht nur Profis. Nach einer Untersuchung der WissenschaftlerInnen Pavel Dietz und Antje Dresen nimmt auch eine große Zahl von Freizeit-SportlerInnen die Präparate ein. Den ForscherInnen zufolge schluckt die Hälfte aller TeilnehmerInnen von Langstrecken-Rennen ASPIRIN oder andere Analgetika. „Wir waren überrascht, dass es in so einer Häufigkeit ein Thema ist“, so Antje Dresen. Die LäuferInnen setzen sich damit erheblichen Gesundheitsrisiken aus, denn durch die körperliche Belastung können die Nebenwirkungen der Mittel – im Fall von BAYERs „Tausendsassa“ ist das hauptsächlich das Magenbluten – noch mehr durchschlagen. Die Stöße, die während des Langstrecken-Laufs auf den Magen einwirken, erhöhen nämlich die Durchlässigkeit der Organ-Wände für die Acetylsalicylsäure.

YASMIN hilft nicht mehr gegen Akne
Frauen, die drospirenon-haltige Pillen wie BAYERs YASMIN zur Empfängnis-Verhütung einnehmen, tragen im Vergleich zu solchen, die levonorgestrel-haltige Kontrazeptiva bevorzugen, ein bis zu dreimal so hohes Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Trotzdem bewirbt der Leverkusener Multi die Mittel als Lifestyle-Präparate, die etwa gegen Akne helfen. In der Schweiz darf er das jetzt jedoch nicht mehr tun. Mit Verweis auf das Gefährdungspotenzial der Pharmazeutika untersagte die eidgenössische Aufsichtsbehörde Swissmedic BAYER und anderen Herstellern, weiter Reklame für die angeblichen dermatologischen Qualitäten von YASMIN & Co. zu machen.

FDA zweifelt nicht an XARELTO-Tests
Bei der Klinischen Erprobung von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO erhielt die Kontrollgruppe den marktgängigen Wirkstoff Warfarin (MARCUMAR). Das Gerät, das bei diesen ProbandInnen die Blutgerinnung bestimmte, arbeitete jedoch nicht korrekt. Es zeigte geringere Werte als die wirklichen an. Deshalb bekamen die TeilnehmerInnen mehr Warfarin als nötig – und in der Folge auch mehr gesundheitliche Probleme als die PatientInnen, die das orale Antikoagulans des bundesdeutschen Pharma-Riesen schluckten. Das schmälert die Aussagekraft des zur Zulassung von XARELTO eingereichten Rocket-AF-Tests erheblich, was in der Fachwelt für einige Empörung sorgte. „Es lässt an den Ergebnissen zweifeln, die benutzt wurden, um den Gebrauch des weltweit meistverkauften neuen oralen Antikoagulans zu befördern“, sagt etwa Dr. Deborah Cohen. Gemeinsam mit den anderen Mitherausgebern des British Medical Journal kritisierte sie die Studie in einem Artikel massiv. Der Leverkusener Multi hielt jedoch an dieser fest. Schon unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Unstimmigkeiten hatte er eine Nachuntersuchung in Auftrag gegeben, die erwartungsgemäß die Rocket-Resultate bestätigte. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA gab Anfang Februar 2016 ebenfalls Entwarnung. Und die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA prüfte zwar bedeutend länger als ihr EU-Pendant, schloss sich dann aber im Oktober 2016 dem EMA-Votum an.

BAYER setzt auf Krebs-Arzneien
Krebs-Medikamente versprechen den Pharma-Riesen den größten Profit. Das „IMS Institute for Healthcare Informatics“ rechnet für das Jahr 2018 mit einem 100-Milliarden-Dollar-Markt. Schon jetzt fressen die Präparate – ohne die Lebenszeit der PatientInnen entscheidend verlängern zu können – in der Bundesrepublik rund ein Viertel des Medikamenten-Budgets der Krankenkassen. Folgerichtig setzt BAYER ganz auf dieses Segment. Mit NEXAVAR, STIVARGA und XOFIGO bietet das Unternehmen bereits drei Onkologie-Präparate an; zudem befinden sich 17 Wirkstoffe in der klinischen Erprobung. Die Konkurrenz hat jedoch noch mehr im Köcher. So testet ROCHE zurzeit 34 Arzneien. Der Schweizer Konzern lässt sich das alles auch mehr kosten als der Leverkusener Multi. Im Jahr 2014 gab er mit 8,4 Milliarden Dollar 6,4 Milliarden mehr für die Pillen-Forschung aus als der Leverkusener Multi.

Schnellere Arznei-Zulassungen?
Wie unzureichend die Genehmigungsverfahren für Arzneimittel sind, belegen die zahlreichen Todesfälle, die unter anderem BAYER-Pharmazeutika wie YASMIN und XARELTO verursacht haben. Das ficht die europäische Arzneimittel-Behörde EMA allerdings nicht an. Sie beabsichtigt, das Prozedere noch einmal zu beschleunigen und will künftig Zulassungen schon nach dem erfolgreichen Absolvieren von zwei Phasen der Klinischen Prüfungen ermöglichen. Was bisher die dritte Stufe war, sollen jetzt Praxis-Tests richten. „Real World Data“ lautet das Zauberwort. Und das alles, obwohl die Erprobungen der Kategorie 2 sich auf einen kleineren ProbandInnen-Kreis beschränken und ohne Vergleichsgruppe auskommen. Nicht umsonst bleibt gegenwärtig an der dritten Hürde noch einmal rund die Hälfte der Medikamenten-Kandidaten hängen. Die Arznei-Behörde hat jedoch nur das Wohlergehen der Pillen-Produzenten im Sinn. „Die potenziellen Vorteile für die Hersteller wären ein früherer Einkommensfluss als bei konventionellen Zulassungswegen und weniger teure und kürzere klinische Studien“, erklärt der EMA-Mann Georg Eichler frank und frei. Bei den Vorbereitungen zu den Schnelltests und den Pilotprojekten arbeiteten die willigen Helfer der Arznei-Branche dann auch an führenden Stellen mit. Trotzdem behauptet der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) steif und fest, die geplante „Reform“ sei „klar an medizinischen Zielen ausgerichtet und kein ökonomisches Entgegenkommen gegenüber den Unternehmen“. Das nimmt ihm jedoch kaum jemand ab. So kritisierte die ÄrztInnen-Organisation MEIN ESSEN ZAHL ICH SELBST (MEZIS) das Vorhaben scharf: „Klar erkennbar ist bei diesem Vorstoß der zu erwartende ökonomische Nutzen der Pharma-Industrie – auf Kosten der Sicherheit der PatientInnen.“ Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE und die gesetzlichen Krankenkassen lehnen das Projekt ebenfalls ab.

Lieferengpässe bei Arzneien
In der Bundesrepublik kommt es in letzter Zeit verstärkt zu Liefer-Engpässen bei Arzneimitteln. Auf der aktuellen Fehl-Liste des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ findet sich mit dem Mittel NIMOTOP, das die Gehirn-Durchblutung fördert, auch ein BAYER-Medikament. „Probleme bei der Herstellung“ gibt der Leverkusener Multi als Grund an. Und die gab es in der Vergangenheit auch schon beim Krebsmittel XOFIGO. Schätzungen zufolge sind bis zu 60 Pharmazeutika kurz- oder längerfristig nicht erhältlich. Die „Probleme bei der Herstellung“ treten oftmals deshalb auf, weil die Pharma-Riesen die Fertigung gnadenlos rationalisiert haben. So versuchen sie etwa verstärkt, „just in time“ zu produzieren und auf diese Weise Lager-Kapazitäten abzubauen. Überdies gliedern sie gerne die Wirkstoff-Herstellung aus oder verlegen diese in Drittwelt-Länder. „In den letzten Jahren ist (...) meiner Ansicht nach etwas in der Unternehmensphilosophie einiger Pharmazeutischer Hersteller verloren gegangen: Verantwortungsbewusstsein, was zugunsten der Profit-Maximierung abgebaut wurde“, kritisiert deshalb Rudolf Bernhard, der Leiter der Krankenhausapotheke im Münchner „Klinikum rechts der Isar“. Um gegen die Missstände anzugehen, fordert der Pharmazeut unter anderem eine Meldepflicht bei Liefer-Problemen – bisher informieren BAYER & Co. nur auf freiwilliger Basis – und einen Zwang, bestimmte Arznei-Mengen immer auf Lager zu haben. Die Große Koalition sieht da jedoch keinen Handlungsbedarf, wie aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. „Es liegen der Bundesregierung keine Anzeichen vor, dass die Register nicht die wesentlichen Lieferengpässe der relevanten Arzneimittel abdecken“, heißt es in dem Schriftstück. Dass etwa BAYERs Johanniskraut-Präparat LAIF zur Behandlung von milden Depressionen dort nicht verzeichnet ist, ficht Merkel & Co. offenbar nicht an. Den Pharma-Riesen zur Auflage zu machen, einen Vorrat an Medikamenten anzulegen, lehnen CDU und SPD ebenfalls ab. Ihrer Ansicht nach reicht es, wenn die Apotheken und Pillen-Großhändler die Arzneien immer parat haben: „Eine darüber hinausgehende Bevorratung durch den Pharmazeutischen Unternehmer ist daher nicht notwendig.“

„Consumer Health“ schwächelt
Der Leverkusener Multi hat das Geschäft mit den rezeptfreien Arzneien in der letzten Zeit stark ausgebaut und ist in diesem Bereich zur Nr. 2 auf der Welt aufgestiegen. Aber nicht nur die 2014 zugekaufte MERCK-Sparte erfüllte ihre Erwartungen bisher nicht (siehe ÖKONOMIE & PROFIT), auch der Absatz der restlichen Produkte schwächelt. Im 3. Quartal 2016 machte der Leverkusener Multi gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Verlust von 20 Millionen Euro. Dazu trug vor allem die schlechtere ökonomische Lage in Russland, China und Brasilien bei – diese Schwellenländer hatten zwischen 2012 bis 2014 noch 70 Prozent zum Umsatzwachstum von BAYER in diesem Markt-Segment beigetragen.

AGRO & CHEMIE

GAUCHO & Co. gefährden Wildbienen
Immer neue Studien belegen die Bienengefährlichkeit von Pestiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin). So hat der britische Insektenforscher Ben Woodcock vom „Zentrum für Ökologie und Hydrologie“ (NERC) die Auswirkungen dieser Wirkstoff-Gruppe, welche die EU bereits mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt hat, auf Wildbienen untersucht. Er kam zu einem alarmierenden Befund: Waren die Tiere GAUCHO & Co. ausgesetzt, so beschleunigte sich das Schrumpfen der Populationen im Vergleich zu denjenigen, die nicht in Kontakt mit den Giften kamen, um den Faktor drei. Der Leverkusener Multi hatte bisher immer die Validität von wissenschaftlichen Arbeiten zu Neonicotinoiden angezweifelt, die unter Laborbedingungen entstanden. Von „unrealistischen Expositionsbedingungen“ sprach er stets und von Expositionsdosen, „die unter realistischen Feld-Bedingungen in dieser Form niemals auftreten würden“. Das traf zwar auf kaum eine Studie zu, verfehlte aber seine Wirkung nicht. Da Woodcock jedoch auf freier Wildbahn zu seinen Ergebnissen kam, stößt diese Verteidigungsstrategie des Konzerns nun auch an ihre Grenzen. Diese will er jedoch nicht wahrhaben. Von Mitgliedern der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit den Resultaten des Wissenschaftlers konfrontiert, meinte der Global Player auf einmal darauf hinweisen zu müssen, dass „auch Feld-Untersuchungen ihre Tücken haben, da sie sehr komplex und mitunter nicht leicht zu interpretieren sind“. Und – fast unnötig zu betonen – hatte die Woodcock-Arbeit nach Ansicht des Unternehmens solche Tücken.

Top bei Grenzwert-Überschreitungen
Bei Grenzwert-Überschreitungen von Pestizid-Rückständen in Lebensmitteln toppen Ackergifte made by BAYER alles. Nach den neuesten verfügbaren Zahlen, die aus den Jahren 2012 und 2013 stammen, finden sich nach Angaben der Bundesregierung unter den sieben „am häufigsten beanstandeten Wirkstoffen“ mit Imidacloprid (s. o.), Ethephon und Carbendazim drei, die auch in Produkten des Leverkusener Multis enthalten sind.

Pestizide in Orangen
Das Delmenhorster „Labor für Chemische und Mikrobiologische Analytik“ untersuchte für die WDR-Sendung Markt Orangen auf Rückstände von Pestiziden. In allen Proben stießen die WissenschaftlerInnen auf Spuren der Ackergifte. Diese blieben zwar unter den Grenzwerten, stellen aber trotzdem eine Gefahr dar. In den Früchten fanden sich nämlich bis zu fünf Agrochemikalien gleichzeitig, was Kombinationseffekte hervorrufen kann. Auch BAYER-Pestizide wiesen die ForscherInnen nach. So enthielten die Orangen Chlorpyrifos, das der Leverkusener Multi unter den Produktnamen BLATTANEX, PROFICID und RIDDER vermarktet, Fenhexamid (TELDOR), Imazalil (BAYTAN und MANTA PLUS) sowie Pyrimethanil (CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI).

Parkinson keine Berufskrankheit
Pestizide können viele Gesundheitsschädigungen auslösen. Frankreich hat deshalb Krebs und Parkinson bei LandwirtInnen als Berufskrankheiten anerkannt. In der Bundesrepublik steht das vorerst nicht an, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. Merkel & Co. stützen sich dabei auf einen Sachverständigenbeirat, der die Sachlage bei Parkinson 2011 und 2012 geprüft hat und befand: „Im Ergebnis war die Studien-Lage heterogen.“ „Erhebliche Unsicherheiten im Hinblick auf eine eindeutige Diagnose-Stellung“ machten die ExpertInnen fest. Im Moment werten diese allerdings neue Untersuchungen aus. In Sachen „Krebs“ haben es immerhin Erkrankungen in die Liste der Berufskrankheiten geschafft, welche die in vielen Agro-Chemikalien enthaltenen Halogen-Kohlenwasserstoffe auslösen können. Die „Anerkennung im Einzelfall“ hängt jedoch der Großen Koalition zufolge von vielen Parametern wie der Tumor-Art, dem gebrauchten Pestizid und der Dauer der Anwendung ab.

WASSER, BODEN & LUFT

Gerupfter Klimaschutzplan
Im Übereinkommen von Paris hatten sich die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen 2015 darauf verständigt, die Erd-Erwärmung deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten. Im Vorfeld hatten sich die EU-Länder bereits geeinigt, die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 zu verringern. Den bundesdeutschen Beitrag zur Umsetzung dieser Ziele wollte die Große Koalition mit dem „Klimaschutzplan 2050“ festlegen. Um diesen Plan entbrannte jedoch heftiger politischer Streit. Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI), der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und die industrie-freundliche nordrhein-westfälische Landesregierung taten alles dafür, BAYER & Co. vor allzu drastischen Anforderungen zu bewahren. Ein „fester Beitrag zur Erreichung eines nationalen Klimaschutz-Ziels“ sei nicht im Voraus bestimmbar, dekretierte etwa der VCI. Maßnahmen zur Verteuerung der derzeit zum Schnäppchen-Preis erhältlichen Kohlendioxid-Verschmutzungsrechte lehnte der Verband ebenfalls ab. Und so kam es, dass Umweltministerin Barbara Hendricks den schon fertiggestellten Klimaschutzplan nach einer Intervention von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wieder in die Tonne kloppen musste. In der überarbeiteten Fassung bekennt sich die Bundesregierung nun dazu, „ein zentrales Augenmerk auf den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“ zu legen. Darum senkte sie die Spar-Vorgaben für die Industrie gegenüber den ursprünglichen Plänen um zehn Millionen Tonnen CO2 auf 140 bis 143 Millionen Tonnen bis 2030 ab und bürdete das Quantum kurzerhand der Wohnungswirtschaft auf. Auch setzte die Große Koalition hinter die Regelungen zur Reform des Emissionshandels – ganz wie vom VCI gefordert – den Vermerk „kann wegfallen“. Jetzt braucht der Leverkusener Multi, der 2015 fast zehn Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstieß, seine Wirtschaftsweise nicht groß zu ändern. Für die Zukunft des Planeten bedeutet das allerdings nichts Gutes. „Die geplanten Maßnahmen sind nicht ehrgeizig genug, um die Klima-Ziele bis zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen“, konstatierte der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von Bündnis 90/Die Grünen besorgt.

Die Deponie unter der Deponie
Anfang November 2016 hat die Bezirksregierung Köln dem Landesbetrieb Straßenbau NRW die Genehmigung erteilt, BAYERs Dhünnaue-Deponie wieder zu öffnen, um darauf das Fundament für die Erweiterung der A1-Autobahn und des Neubaus der Rheinbrücke zu gründen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Damit beschwor sie Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt herauf. Und diese dürften nach Recherchen des WDR-Magazins Westpol sogar noch größer sein, als selbst die KritikerInnen des Projektes angenommen haben. Über einem 13 Hektar großen Teil des erst zur Landesgartenschau 2005 halbwegs abgedichteten Giftgrabs liegt nämlich die noch in Betrieb befindliche Sondermüll-Deponie Bürrig der BAYER-Tochter CURRENTA. Eine Absicherung nach unten hin existiert nicht, weshalb die Aufschüttungen auf die Altlast drücken und zu chemischen Reaktionen führen könnten. Trotzdem spielte Bürrig bei der Sicherheitsanalyse von Straßen.NRW keine Rolle und fand auch in den Antragsunterlagen zur Genehmigung keine Erwähnung. „Die aktive Deponie ist von den Planungen nicht betroffen“, antwortet die Bezirksregierung Köln auf eine Anfrage des WDR. Harald Friedrich, der ehemalige Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium, teilt diese Einschätzung nicht: „Man hätte eine Gefährdungsabschätzung machen müssen.“

BAYTRIL fördert Methan-Ausstoß
Rinder, die Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL verabreicht bekommen, geben mehr klimaschädigende Methan-Gase an die Umwelt ab als solche, welche die Präparate nicht schlucken müssen. Das ergab eine Studie, welche die Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlichte. Den ForscherInnen um Tobin J. Hammer zufolge stieg die Methan-Freisetzung um den Faktor 1,8. Die WissenschaftlerInnen vermuten, dass BAYTRIL & Co. die Gas-Produktion fördern, indem sie Einfluss auf im Verdauungstrakt der Tiere wirkenden Mikrobakterien nehmen.

Plastik in Speisefischen
Immer mehr Plastikabfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen so das aquatische Ökosystem. Nach Angaben des Bundesumweltministeriums finden sich die Rückstände mittlerweile in 330 Tierarten wieder. Als einer der weltgrößten Kunststoff-Produzenten trägt BAYER maßgeblich zu diesem Umweltverbrechen bei. ForscherInnen des „Alfred-Wegener-Institutes“ wiesen jetzt sogar Plaste-Reste in Speisefischen aus der Nord- und Ostsee nach. Zumeist stießen die BiologInnen in den Verdauungsorganen der Tiere auf die Partikel. Obwohl die Heringe, Dorsche, Makrelen und Flundern vor der Lieferung an den Lebensmittel-Zwischenhandel ausgenommen werden, mochten die WissenschaftlerInnen Chemie-Rückstände in ihren Körpern nicht ausschließen: „Wir sind mit der Erforschung der Effekte noch ganz am Anfang.“

IMPERIUM & WELTMACHT

Abschreibungen in Venezuela
Die sinkenden Öl-Preise haben Venezuela in eine tiefe Krise gestürzt. Unter anderem leidet das Land an einer hohen Inflation, weshalb die heimische Währung gegenüber dem Dollar immer mehr an Boden verliert. Auch bei den Pharma-Firmen hat die Nation immense Schulden. Um diese wenigstens teilweise zu tilgen, hat die Regierung BAYER, SANOFI und NOVARTIS nun Anleihen der staatlichen Öl-Gesellschaft PDVSA übertragen.
Diese notieren zwar in Dollar und nicht in Bolívar, haben gegenüber ihrem Nennwert jedoch viel verloren. Die Konzerne nehmen die Verluste jedoch in Kauf und verkaufen trotzdem. NOVARTIS etwa erhielt für seine 200-Millionen-Dollar-Bonds nur 73 Millionen, und der Leverkusener Multi dürfte seine Papiere mit ähnlich hohen Abschlägen veräußert haben.

ÖKONOMIE & PROFIT

Synergie-Defekte beim MERCK-Deal
Schicken sich Unternehmen an, ihre Konkurrenten zu übernehmen oder Geschäftsteile von ihnen zu erwerben, preisen sie stets die mit den Deals angeblich verbundenen Synergie-Effekte. Im Fall des geplanten Kaufs von MONSANTO wusste BAYER diese sogar schon genau zu taxieren: 1,5 Milliarden Dollar per anno schon drei Jahre nach dem Vollzug der Transaktion. Allerdings können sich die Konzerne dabei auch verkalkulieren. Beispielsweise zahlte sich der 2014 vorgenommene Kauf einer MERCK-Sparte für den Leverkusener Multi bis jetzt nicht in dem erhofften Maß aus. So lag der Umsatz des Sortiments um 100 Millionen Dollar niedriger, als von MERCK angegeben. Auch erwies sich die Entwicklungspipeline als „nicht annähernd so gut wie präsentiert“, wie der Global Player beklagt. Zudem musste er mehr Geld als erwartet in Werbung für die Fußpflege-Artikel aus der DR SCHOLL’S-Reihe oder die COPPERTONE-Sonnenschutzmittel investieren, was sich obendrein nicht immer auszahlte: Im dritten Quartal des Jahres 2016 ging der COPPERTONE-Umsatz gegenüber dem Vergleichszeitraum um fünf Prozent zurück. Die 2001 erfolgte AVENTIS-Akquisition blieb ebenfalls lange hinter den Erwartungen zurück. Wegen falscher Angaben des AVENTIS-Managements über den Wert der Agro-Abteilung zog BAYER damals sogar vor Gericht.

Steuern sparen mit Lizenzen
Das Steuerrecht ermöglicht es den Konzernen, Geschäfte mit sich selber zu machen, um ihre Abgabenlast zu senken. So können einzelne Unternehmensteile von anderen Abteilungen Lizenzen erwerben, und die Kosten dafür senken den zu versteuernden Ertrag. Der Leverkusener Multi hat für solche Operationen die Tochter-Gesellschaft BAYER INTELLECTUAL PROPERTY (BIP) ins Leben gerufen, die Standorte in Monheim, Eschborn und Schönefeld hat. Wie hoch diese steuer-mindernden Lizenz-Gebühren z. B. für Marken-Rechte ausfallen, lassen die Zahlungen erahnen, welche der Global Player für die darauf entfallenden Einnahmen allein im bundesdeutschen Steuerparadies Monheim an das Finanzamt leistet: rund 20 Millionen Euro.

Monheim – einfach paradiesisch
Die Stadt Monheim wirbt mit einem Gewerbesteuer-Hebesatz von 300 Punkten – dem niedrigsten in ganz Nordrhein-Westfalen – um Industrie-Ansiedlungen. BAYER ließ sich das nicht zweimal sagen. Der Agro-Riese verlegte nicht nur einen Teil seiner Patent-Abteilung dorthin (s. o.), sondern auch die CROPSCIENCE BETEILIGUNGSGESELLSCHAFT, deren Haupttätigkeit „im Bereich Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben“ liegt.

COVESTRO spart Steuern
Letztes Jahr brachte der Leverkusener Multi seine Kunststoff-Sparte COVESTRO an die Börse. Und im Zuge des Loslösungsprozesses sucht sich das Unternehmen nach dem Vorbild der Muttergesellschaft schon einmal besonders günstige Steuerstandorte. Wie BAYER ist es dabei unter anderem in Monheim (s. o.) und in Belgien fündig geworden. Zusätzlich hat die Plaste-Gesellschaft sich jedoch noch die Schweiz auserkoren, wirbt doch das Nachbarland damit, dass es „international weiterhin auf Rang 8 der steuergünstigsten Standorte steht“. Die COVESTRO INTERNATIONAL SA mit Sitz im Kanton Fribourg hält Beteiligungen an überall auf der Welt verstreuten Niederlassungen. Ein Großteil von deren Erträgen wandert so an den eidgenössischen Steuerstandort zurück, wo die Finanzämter unschlagbare Konditionen bieten: „Holding-Gesellschaften sind von kantonalen Gewinn-Steuern ganz befreit, der Kapitalsteuersatz ist reduziert“.

BAYSANTO & MONSAYER

MONSANTO-HV stimmt Übernahme zu
Am 13. Dezember 2016 haben die MONSANTO-AktionärInnen der Übernahme des Konzerns durch BAYER zugestimmt. Die großen Anteilshalter wie BLACKROCK und andere Finanzinvestoren sorgten für das klare Ergebnis von 99 Prozent Zustimmung für das Angebot des Leverkusener Multis, pro MONSANTO-Papier 128 Dollar zu zahlen. Grünes Licht für den Deal hat der bundesdeutsche Konzern aber auch damit noch nicht. Rund 30 Kartellbehörden müssen die Transaktion noch genehmigen.

Klage gegen Übernahme scheitert
Im November 2016 hatten einige MONSANTO-AktionärInnen eine Klage gegen die Übernahme des Konzerns durch BAYER eingereicht. Sie warfen den ManagerInnen des US-Unternehmens eine Verletzung ihrer Treue-Pflichten vor, weil diese den Global Player ihrer Meinung nach zu billig hergegeben hatten. Kurz vor der entscheidenden MONSANTO-Hauptversammlung (s. o.) wies ein Richter das Begehren jedoch ab. Allerdings besteht für die Aktien-HalterInnen noch die Möglichkeit, in Delaware, dem Stammsitz des Agro-Riesen, ein Gericht anzurufen.

Grüne schreiben Offenen Brief
Die Grünen haben die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in einem Offenen Brief dazu aufgefordert, der Übernahme MONSANTOs durch BAYER die Zustimmung zu verweigern. Der Fraktionschef Anton Hofreiter und weitere Bundestagstagsabgeordnete appellierten stattdessen an die Dänin, „die Spirale der Hochfusionierung im Agrochemie-Markt zu stoppen“. Unter anderem befürchtet die Partei durch den Deal höhere Preise für LandwirtInnen und VerbraucherInnen.

RECHT & UNBILLIG

13.800 XARELTO-Klagen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen – im Jahr 2015 gingen allein beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) 137 Meldungen über Todesfälle ein. In den USA ziehen deshalb immer mehr Geschädigte bzw. deren Hinterbliebene vor Gericht. Das Aufkommen der Klagen erhöhte sich von Ende Januar 2016 bis Mitte Oktober von 4.300 auf 13.800.

Über 1.000 ESSURE-Klagen
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, beschäftigt in den USA zunehmend die Gerichte. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen, hat nämlich zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Über 1.000 von ihnen haben in den Vereinigten Staaten deshalb schon eine Klage gegen BAYER eingereicht.

CIPROBAY vor Gericht
Das Antibiotikum CIPROBAY, das zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen. So registrierte die US-Gesundheitsbehörde FDA zwischen 1998 und 2013 3.000 Todesfälle, die im Zusammenhang mit fluorchinolon-haltigen Medikamenten stehen. Insgesamt erhielt die Institution rund 50.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte. Am häufigsten treten Gesundheitsschäden im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen auf. Die Pharmazeutika stören nämlich das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, weil sie die Weiterleitung des Neurotransmitters Acetylcholine behindern. Auch Störungen des zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit und anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen. Darüber hinaus sind CIPROBAY & Co. für Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen verantwortlich. Bei Cheryl Tigley löste CIPROBAY, das BAYER in den USA unter dem Namen AVELOX vertreibt, eine Schädigung des peripheren Nervensystems aus. Deshalb zog die US-Amerikanerin vor Gericht und verklagte den Leverkusener Multi auf Schadensersatz.

CIPROBAY nicht vor Gericht
Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 kam es in den USA durch per Post verschickte Milzbrand-Erreger zu fünf Todesfällen. Die Regierungsstellen trafen daraufhin Vorsorge-Maßnahmen und kauften große Mengen von BAYERs Antibiotikum CIPROBAY als Gegenmittel. Zudem hoben sie das Verbot auf, die Arznei Kindern zu verabreichen – der Leverkusener Multi hatte für die Gewährung des exklusiven Vermarktungsrechtes lediglich Unbedenklichkeitsstudien nachzureichen. Bei diesen Untersuchungen hat der Pharma-Riese allerdings massive Manipulationen vorgenommen. Der an den Klinischen Prüfungen beteiligte Mediziner Dr. Juan Walterspiel wirft dem Unternehmen vor, Daten gefälscht zu haben, um Nebenwirkungen wie Muskelschwäche und Knorpelschäden zu verbergen. BAYER habe lange Datenkolonnen einfach in die Berichtsbögen eingefügt, so Walterspiel: „Diese Zahlen wiederholten sich endlos.“ Zudem haben die Erprobungen in den USA Walterspiel zufolge auffallend mehr Risiken und Nebenwirkungen zu Tage gefördert als solche, die der Konzern in Mexiko und anderen ärmeren Ländern durchgeführt hat. Die Versuche des Arztes, wegen der unsauberen Tests gerichtlich gegen den Leverkusener Multi vorzugehen, gestalten sich jedoch schwierig. So hat es der Oberste Gerichtshof der USA, der Supreme Court, im Juli 2016 abgelehnt, Walterspiel als Whistleblower gerichtlichen Beistand zu gewähren.

Pestizid-Klage in Indien
Das indische Agrar-Ministerium hatte 2015 ein ExpertInnen-Gremium damit beauftragt, die Risiken und Nebenwirkungen von 66 Pestiziden zu bewerten, die andere Länder längst verboten haben. Da in dem Ausschuss auch Industrie-VertreterInnen saßen, fiel die Empfehlung moderat aus. Die Kommission legte dem Staat nahe, 13 Agro-Chemikalien sofort aus dem Verkehr zu ziehen, darunter mit Fenthion und Methyl Parathion auch solche Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind. Darüber hinaus schlug sie vor, die Zulassung für sechs Ackergifte 2020 auslaufen zu lassen und 27 im Jahr 2018 noch einmal in Augenschein zu nehmen. Aber der Regierung ging selbst das zu weit. Sie machte keine Anstalten, die Ratschläge zu befolgen. Deshalb sehen sich Modi & Co. nun mit einer Klage konfrontiert.

USA verbieten primäres Mikroplastik
Immer mehr Plastik-Abfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen so das aquatische Ökosystem. Durch Wellenbewegungen und Sonnen-Einwirkung kleingemahlen oder gleich in winziger Form als primäres Mikro-Plastik in das Wasser geraten, nehmen Fische und andere Tier-Arten die Partikel auf und setzen sich so großen Gesundheitsgefahren aus. Als einer der weltgrößten Kunststoff-Produzenten trägt BAYER maßgeblich zu diesem Desaster bei. Die USA hat jetzt jedoch erste Schritte zum Schutz der Wasser-Lebewesen eingeleitet. Sie verbot die Herstellung von primärem Mikro-Plastik, den sogenannten Microbeads, wie sie sich unter anderem in einigen Sorten des Durethan-Kunststoffs der BAYER-Tochter COVESTRO finden.

PCB: Kein Verfahren gegen RAG
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau, wo die schweren Gerätschaften viel Hydraulik-Öl brauchten. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Die Altlasten lagern in Fässern und anderen Behältern, die nicht selten Leckagen aufweisen. Nicht zuletzt deshalb gelangt jetzt PCB mit dem abgepumpten Grubenwasser aus den kontaminierten Stollen in die Flüsse. Das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz entnahm unter anderem an den Bergwerken in Prosper-Haniel, Bergkamen und Essen Proben und wies PCB-Belastungen nach, die an manchen Stellen um das Dreifache über den Grenzwerten lagen. Der BUND reichte deshalb eine Strafanzeige gegen den Bergbau-Konzern RAG ein. Anfang September stellte die Bochumer Staatsanwaltschaft die Ermittlungen allerdings ein. Das Unternehmen hätte wasserrechtliche Genehmigungen für die Einleitungen, und die Gewässer hätten kein Schaden genommen, erklärte Oberstaatsanwalt Paul Jansen zur Begründung. Er behauptete sogar, das Unternehmen hätte immer die Grenzwerte eingehalten.

Klage wg. Diskriminierung
Anfang Dezember 2016 hat eine US-amerikanische BAYER-Angestellte den Konzern wegen Diskriminierung verklagt. Dr. Irene Laurora, welcher der Leverkusener Multi 2012 noch den Titel der „Working Mother of the Year“ verliehen hatte, wirft dem Unternehmen vor, sie wegen ihres Einsatzes für Frauenrechte entlassen zu haben. Die Pharmakologin hatte 2015 eine schwangere Frau in ihr Projekt geholt, wogegen Lauroras Vorgesetzter wegen des bevorstehenden Mutterschaftsurlaubs allerdings Einspruch erhob. Die Wissenschaftlerin protestierte gegen die Intervention ihres Chefs, was zu Zurückstufungen und schließlich zur Kündigung führte. „Anstatt Dr. Lauroras Anstrengungen zu unterstützen, gegen die Diskriminierung Schwangerer vorzugehen, versuchte BAYER sie rechtswidrig durch eine Freisetzung mundtot zu machen“, kritisiert der Rechtsanwalt der Klägerin. Beim Pharma-Riesen ist das nicht der erste Fall dieser Art: Bereits im Jahr 2011 hatten acht weibliche Angestellte rechtliche Schritte gegen den Konzern wegen frauenfeindlichen Verhaltens eingeleitet (siehe SWB 3/11).

Auch Uni Mainz darf weiter mauern
Am 18. August 2015 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Einsichtnahme in den Vertrag verwehrt, den BAYER mit der Universität Köln geschlossen hatte. Antworten auf Fragen zur finanziellen Ausgestaltung der Kooperation, zu den Verwertungsrechten, zu den Forschungsvorgaben des Leverkusener Multis und zum Umgang mit negativen Forschungsergebnissen bleiben der Öffentlichkeit damit verwehrt. Der Richter Sebastian Beimesche hatte sich bei seinem Urteil auf die Paragrafen des nordrhein-westfälischen Informationsfreiheitsgesetzes und des Hochschulzukunftsgesetzes gestützt. Die entsprechenden Abschnitte entbinden Forschung & Lehre von der Transparenz-Pflicht. Und der Jurist legte diese so „weitreichend“ aus, dass sie auch die Forschungsplanung einbeziehen. Mit dem Verweis auf eine ähnliche Ausnahme-Regelung in den rheinland-pfälzischen Gesetzen bewahrte das Verwaltungsgericht Mainz Mitte September 2016 nun auch die Universität Mainz und BOEHRINGER davor, Details ihrer Zusammenarbeit offenlegen zu müssen.

Grünes Licht für Autobahn-Ausbau
Die Bezirksregierung Köln hat dem Landesbetrieb Straßen.NRW Anfang November 2016 die Genehmigung erteilt, die Autobahn A1 zwischen Köln-Niehl und dem Autobahn-Kreuz Leverkusen-West auszubauen und dafür auch eine neue Rheinbrücke zu errichten (siehe auch SWB 1/17). Dass der „Vorhaben-Träger“ dafür BAYERs erst zur Landesgartenschau 2005 in langjähriger Arbeit halbwegs gesicherte Dhünnaue-Deponie wieder öffnen muss, focht die Behörde bei ihrer Entscheidung nicht an. Sie setzte sich mit ihrem Beschluss über 300 Einwendungen verschiedener Initiativen und Einzelpersonen – auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens eine Beschwerde eingereicht – und über massiven BürgerInnen-Protest hinweg.. Die GegnerInnen des Projektes verstummen dennoch nicht. So luden sich Umweltverbände, die CBG und andere Gruppen am 7. Dezember 2016 einfach selbst zur Feier von „125 Jahre BAYER in Leverkusen“ ein und vermiesten dem Global Player, seiner Gratulantin Hannelore Kraft und den anderen Gästen gehörig die Stimmung. Zudem wollen einige Organisationen gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen.

FORSCHUNG & LEHRE

Kooperation mit der Uni Hamburg
BAYER hat mit der Universität Hamburg eine Forschungskooperation auf dem Gebiet der „Digitalen Landwirtschaft“ vereinbart. GeologInnen und InformatikerInnen der Hochschule wollen für den Leverkusener Multi im Rahmen dieser Zusammenarbeit ein Modell zur Erhebung von Wetter- und Bodendaten entwickeln, um „die Nutzung bestehender landwirtschaftlicher Ressourcen weiter zu optimieren“.

Kooperation mit der Uni Göttingen
Der Leverkusener Multi lagert immer größere Bereiche seiner Forschungsarbeiten aus. Rund 20 Prozent seines über 4,3 Milliarden Euro schweren Forschungsetats steckt er mittlerweile in Kooperationen mit Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten. Der Göttinger Georg-August-Universität hat er gleich zwei Aufträge erteilt. Das dortige „Department für Nutzpflanzen-Wissenschaften“ ergründet für den Global Player zum Preis von 141.250 Euro, warum das Pestizid Flufenacet Wildgräsern nichts mehr anhaben kann. Das andere, nicht näher bezeichnete Agrochemie-Projekt läuft Ende 2016 aus und kommt BAYER mit 180.000 Euro noch teurer zu stehen.

BAYER stiftet Lehrstuhl
BAYER pflegt die akademische Landschaft nicht nur hierzulande mit Stiftungsprofessuren, sondern auch im Ausland. So hat der Leverkusener Multi der Universität Manitoba in Tateinheit mit den Nachkommen eines Arztes einen Lehrstuhl zur Erforschung von Blut-Krankheiten spendiert.

[BAYER HV 2017] Hauptversammlung 2017 – Stop BAYER/Monsanto!

CBG Redaktion

zur Hauptseite der Coordination gegen BAYER-Gefahren
zu den Protesten zur BAYER-AktionärInnenversammlung 2022

Gegenanträge zur BAYER Hauptversammlung 2017
Gegenantrag: Rivaroxaban
Gegenantrag: Verwendung des Bilanz-Gewinns
Gegenantrag: Bayer-Monsanto Fusion
Gegenantrag: Lobbyarbeit

Erfolgreicher Protest!

28.4.: 300 protestieren in & vor der HV in Bonn
CBG-Aufruf (PDF)
Redebeiträge in der HV
Presse: REUTERS: „Protestwelle!“
TV: tagesschau WDR Aktuelle Stunde
...weiteres Medien-Echo

BAYER-Bannmeile und Klage
Teilerfolg: 7 von 8 Polizeiauflagen vor Gericht gekippt
Verfassungswidrig: BAYER-Bannmeile mit Zelt und Zaun vom OVG unangetastet
Kommentar taz 28.4.: Kritik an Bannmeile
Presse-Info und Dokumente

29.4.: 400 demonstrieren in Berlin
„Wenn wir es machen, dann laut!“ Video
Download: Aufruf (PDF)

Rednerliste bei der Demo am 28.4. in Bonn
Alessa Heuser (Misereor)
Andre Leu/Australien (IFOAM Organics International-Präsident)
Anton Hofreiter (Bündnis 90/DIE GRÜNEN)
Bernd Schmitz und Georg Janßen (ABL/MeLW)
Brigitte Hincha (Coordination gegen BAYER-Gefahren)
Eva-Maria Reinwald (Eine-Welt-Netz)
Felix und Max (Bonner Jugendbewegung)
Gerhard Roth (VEN)
Ivana Hoffmann (Young Struggle)
Michael Aggelidis (DIE LINKE)
Michael Slaby (Mellifera)
Miguel Lovera/Paraguay (ehemaliger Saatgutminister)
Renate Künast (Bündnis 90/DIE GRÜNEN)

Rednerliste bei der Demo am 29.4. in Berlin
Jeremy Oestreich (Stop Bayer Monsanto Berlin)
Mauricio Lizarazo (Konsum Revolution Berlin)
Camila Ponton (Stop Bayer Monsanto Berlin)
Heike Bernhardt (Bündnis Junge Landwirtschaft)
Elisabeth Meier Rentschhausen (Slow Food)
Antje Kölling (Demeter)

BAYER-Bannmeile und Klage
Prese-Info: Beschwerde beim OVG eingelegt
Die illegalen Polizeiauflagen vom 21.4.
Skizze zu Auflagen 1 und 2
CBG-Antrag VG Polizeiauflagen
CBG-Antrag VG Straßensperrung
BAYERs ‚Terror-Vision‘ - Dokument 26.4.
VG-Bescheid Straßensperrung
VG-Bescheid Polizeiauflagen
unsere OVG-Beschwerde Straßensperrung
unsere OVG-Beschwerde Polizeiauflagen
OVG-Beschluss Straßensperrung
OVG-Beschluss Polizeiauflagen

Kampagnenseite
von Misereor Saat für Vielfalt

Presseerklärungen

- 26.4. Beschwerde beim OVG gegen BAYER-Bannmeile
- 25.4. Internationale Pressekonferenz 28.4.
- 24.4. International Townhall Meeting 27.4.
- 24.4. Klage beim VG gegen Bonner BAYER-Bannmeile
- 19.4. CBG
- 13.4. CBG
- 12.4. CBG / MEZIS
- 06.4. CBG / Navdanya
- 03.4. Stop BAYER/Monsanto Berlin
- 22.3. CBG / Navdanya/ IFOAM

Bündnis-Aufruf

zu Protestaktionen anläßlich der BAYER-Hauptversammlung am 28. April 2017 in Bonn

Die Übernahme von MONSANTO durch den BAYER-Konzern verschärft die bereits jetzt existierenden verheerenden politischen, ökologischen und sozialen Probleme im Zusammenhang mit Konzernmacht und Konzernprofiten. Durch das Zusammengehen der beiden Agrar-Giganten entsteht ein Monopol im Bereich des gentechnisch hergestellten Saatguts und damit unkalkulierbare Gefahr für die Ernährung der Menschheit. Beim konventionellen Saatgut kommen beide Unternehmen zusammen auf einen Marktanteil von rund 30 Prozent, bei Pestiziden auf einen von 25 Prozent. Superkonzerne wie BAYSANTO bedrohen aber nicht nur die bäuerliche Landwirtschaft und unsere Ernährungsgrundlagen, sondern auch die Demokratie, die Menschenrechte, die Biodiversität, den Frieden, die soziale Sicherheit und die Gesundheit der Menschen. Beide Multis haben Erfahrungen mit chemischen Waffen. Der Zusammenschluss wird tausende Arbeitsplätze vernichten, den Staat um Unternehmenssteuer-Einnahmen bringen und die Ausbeutung von Mensch und Umwelt weiter steigern.

Deshalb rufen wir auf zu Gegenwehr und zu Widerstand, zu vielfältigen Aktionen rund um die Hauptversammlung der AktionärInnen des BAYER-Konzerns am Freitag, den 28. April 2017 in Bonn:

getragen von:

Coordination gegen BAYER-Gefahren,
IFOAM Organics International,
Navdanya International,
ver.di-Fachbereich Bildung und Forschung NRW-Süd

unterstützt von:

Antikapitalistische Aktion Bonn (AKAB),
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL),
ATTAC Köln,
Bonner Jugendbewegung (BJB),
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND),
Bundesverband Klimaschutz e.V.,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Leverkusen,
Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre,
DIE LINKE,
DKP Bonn/Rhein-Sieg,
Erwerbslosenforum Deutschland,
Food Informations- und Aktionsnetzwerk (FIAN),
Initiative „Stop BAYER/MONSANTO“ Berlin,
Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte „Mein Essen zahl ich selbst“ e.V. (MEZIS),
Kollektiv Tonali - Projekt im Allerweltshaus Köln,
Kölner Bündnis gegen CETA, TTIP und TISA,
Mellifera e. V. - Initiativen für Biene-Mensch-Natur,
Pestizid Aktionsnetzwerk (PAN),
RAPUNZEL,
Slow Food Bergisches Land,
SumOfUs,
Umweltgewerkschaft Köln/Leverkusen,
ver.di-Hochschulgruppe an der Uni Bonn,
ver.di-Jugend NRW-Süd

Aktionsüberblick NRW & Berlin

Podiumsdiskussion “Stop BAYER/MONSANTO! - Was verbindet unseren Widerstand?“

25. April 2017, 19.30 Uhr
Veranst.: CBG/IFOAM/Navdanya
weitere Speaker von Studierenden-, Gewerkschafts-, BäuerInnen- und Eine-Welt-Organisationen
Universität Bonn, Hörsaal XVII im Hauptgebäude
U-Bahn-Station Universität/Markt
Zum facebook-Event

Internationales Townhall Meeting in Köln

27. April 2017, 19:30 Uhr
Veranstalter: IFOAM/Navdanya/AStA Uni Köln
Universität Köln, Aula 1 im Hauptgebäude,
Albertus-Magnus-Platz
Zum facebook-Event

„Get Up Early!!“: Aktionen/Demonstration „Stop BAYER/MONSANTO!“ vor der Hauptversammlung des BAYER-Konzerns

28. April 2017, von 7 Uhr bis 10 Uhr morgens
Veranst.: Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG)
World Conference Center Bonn, Platz d. Ver. Nationen
Zum facebook-Event des Bündnisses
Zum facebook-Event von MISEREOR

Kundgebung in Bonn „Stop BAYER/MONSANTO!“ vor der Hauptversammlung des BAYER-Konzerns

28. April 2017, 8.30 Uhr bis 10 Uhr morgens
Veranst.: Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG)
World Conference Center Bonn, Platz d. Ver. Nationen
Zum facebook-Event

Aktionen und Reden der Kritischen BAYER-AktionärInnen der CBG in der Hauptversammlung des BAYER-Konzerns

28. April 2017, 10 Uhr morgens bis 18 Uhr abends
World Conference Center Bonn, Platz d. Ver. Nationen
Zum facebook-Event

Internationale Pressekonferenz „Stop BAYER/MONSANTO!“ zur Hauptversammlung des BAYER-Konzerns

28. April 2017, 11 Uhr
Veranst.: CBG/IFOAM/Navdanya
IFOAM-Büro, Charles-de-Gaulle-Straße 5, 53113 Bonn

Demonstration in Berlin „Stop BAYER/MONSANTO!“

29. April 14 Uhr nachmittags
Veranstalter: Initiative „Stop BAYER/MONSANTO“
Auftaktkundgebung Berlin, Petersburger Platz
Zum facebook-Event

Mehr Hintergrund-Infos und Presse zu BAYERs Monsanto-Übernahme auf unserer CBG-Kampagnenseite zum Thema

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[BAYER Monsanto] STICHWORT BAYER 04/2016

CBG Redaktion

Imperium & Weltmacht

BAYER schluckt MONSANTO

Der schwarze Mittwoch

Kurz vor dem Redaktionsschluss von Stichwort BAYER gab BAYER die MONSANTO-Übernahme bekannt.

Von Jan Pehrke

Jetzt ist der Worst Case eingetreten! BAYER übernimmt für 66 Milliarden Dollar MONSANTO. „Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir von der Qualität des Managements, der Qualität der Produkte, der Stärke der Innovationskraft und auch von der Kultur MONSANTOs sehr überzeugt sind“, mit diesen Worten begründete BAYER-Chef Werner Baumann den Deal. Und große Kultur-Unterschiede zwischen den beiden Multis bestehen wirklich nicht. Was dem US-Unternehmen sein Glyphosat, das ist dem Leverkusener Multi sein Glufosinat, was dem US-amerikanischen Konzern seine Gen-Pflanzen der Produktreihe „ROUND UP“, das sind seinem deutschen Pendant die LIBERTY-LINK-Ackerfrüchte, und auch ansonsten geben sie sich nicht viel.
Die Geschäftszahlen von 2015 zugrunde gelegt, kommen die Landwirtschaftssparten beider Gesellschaften zusammen auf einen Umsatz von 23,1 Milliarden Dollar. Damit kann niemand aus der Branche mithalten. Die frisch vermählten Paare SYNGENTA/ChemChina und DUPONT/DOW folgen mit weitem Abstand (14,8 bzw. 14,6 Milliarden), und auf Rang vier landet abgeschlagen BASF mit 5,8 Milliarden. Bei den Pestiziden erreichen BAYER und MONSANTO zusammen einen Marktanteil von rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte und konventionelle Ackerfrüchte einen von rund 30 Prozent. Allein die Gen-Pflanzen betrachtet, erreichen die beiden Konzerne vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine klar dominierende Position.

Entsprechend alarmiert reagierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). „Mit der Übernahme von MONSANTO durch BAYER erreicht die Konzentration auf dem Agro-Markt einen neuen Höhepunkt. Schlüsselelemente der Nahrungsmittelkette liegen nun in der Hand eines einzigen Konzerns. Die LandwirtInnen müssen sich nun auf höhere Preise einstellen und haben überdies weniger Auswahl. Zudem dürfte sich der Innovationsstau der Branche, vor allem bei den Herbiziden, noch einmal zuspitzen“, hieß es in der Presse-Erklärung.

Mit Alternativen zu den chemischen Keulen auf den Äckern ist nun auch weniger denn zu rechnen. BAYER hat 66 Milliarden Dollar in ein beschleunigtes „Weiter so“ investiert. Und der Global Player hat dabei noch die Chuzpe, das Monopoly-Spiel als Antwort auf die Frage zu präsentieren: „Wie schaffen wir es, bis zum Jahr 2050 zusätzlich drei Milliarden Menschen auf ökologisch nachhaltige Art und Weise zu ernähren?“ Mit Glyphosat, Glufosinat, Gentechnik und Gewächsen wie Soja und Mais, die hauptsächlich für die Futtertröge der Massentierhalter gedacht sind, bestimmt nicht, das ist schon mal klar.
Auf die Standort-Städte und die Beschäftigten dürften jetzt ebenfalls harte Zeiten zukommen. Der Leverkusener Multi setzt seine Neuerwerbungen nämlich bevorzugt von der Gewerbesteuer ab und redet schon drohend von Synergie-Effekten, die es beispielsweise in der Verwaltung zu realisieren gelte. Auch die Trennung von einzelnen Unternehmensteilen steht zu befürchten. Entsprechend besorgt reagieren die Belegschaftsangehörigen. Äußern dürfen sie sich jedoch nicht. Laut Rheinischer Post hat BAYER ihnen einen Maulkorb verpasst.
Aus all diesen Gründen wird sich die CBG in den kommenden Monaten nach Kräften bemühen, sich mit den verschiedenen MONSANTO-Initiativen kurzzuschließen und den konzern-kritischen Widerstand nun mit Fokus auf BAYER neu auszurichten.

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2016

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG bei den TTIP-Protesten
Über 300.000 Menschen haben am 17. September 2016 an den Demonstrationen gegen die Handelsabkommen TTIP und CETA teilgenommen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ging in Köln auf die Straße, um gegen die von der EU geplanten Vereinbarungen mit Kanada und den USA zu protestieren, denn diese halten diverse Schmankerl für BAYER & Co. bereit. Allein den TTIP-Effekt, der vor allem durch niedrigere Zölle und vereinheitlichte Regulierungsverfahren entsteht, beziffert der Leverkusener Multi auf einen dreistelligen Millionen-Betrag im Jahr. Auch von laxeren Standards für Pestizide, Gen-Pflanzen und hormonell wirksame Stoffe wie Bisphenol A sowie von privaten Schiedsgerichten zum Investitionsschutz hofft der Konzern zu profitieren. „Für Deutschland ist es ein Muss, hier dabei zu sein“, sagt BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning deshalb. Für die CBG war es da natürlich ein Muss, bei den Protesten dabei zu sein.

Proteste gegen BAYERs MONSANTO-Coup
Mit vielen Aktionen hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) versucht, BAYERs MONSANTO-Übernahme zu verhindern. Noch am 8. September 2016, knapp eine Woche, bevor der bundesdeutsche Agro-Multi Vollzug meldete, zog die CBG gemeinsam mit der UMWELTGEWERKSCHAFT und anderen Gruppen vor das Tor 1 des Leverkusener Werks, um vor den Auswirkungen des Deals auf die Beschäftigten, die VerbraucherInnen, die LandwirtInnen und die Menschen in den Armutsregionen zu warnen.

Offener Brief wg. BAYTRIL & Co.
Anfang August 2016 vermeldete das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) einen Anstieg des Gebrauchs von Antibiotika aus den Klassen der Cephalosporine und der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nahm das zum Anlass, einen Offenen Brief an den Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) zu initiieren. Sie sah Gefahr im Verzuge, weil Fluorchinolone und Cephalosporine in der Humanmedizin zu den Reserve-Antibiotika zählen, die nur zum Einsatz kommen, wenn andere Mittel bereits versagt haben. Und durch den massenhaften Einsatz von BAYTRIL & Co. in den Ställen drohen auch diese Substanz-Gruppen mehr und mehr zu versagen. Durch die Dauerdröhnung gewöhnen sich die Krankheitserreger nämlich zunehmend an die Präparate. Gelangen die Keime dann in den menschlichen Organismus, ist kein Kraut mehr gegen sie gewachsen. Darum forderte die CBG gemeinsam mit den ÄRZTEN GEGEN MASSENTIERHALTUNG, GERMAN WATCH, HEJSUPPORT, dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK und den TIERÄRZTEN FÜR VERANTWORTBARE LANDWIRTSCHAFT, die Verwendung von Reserve-Antibiotika in der Massentierhaltung zu verbieten. Zudem zweifelten die Initiativen die Aussage des „Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) an, dass die Antibiotika-Gaben abgesehen von den Cephalosporinen und den Fluorchinolonen zurückgingen. Dabei stützt sich die Behörde nämlich nur auf einen Rückgang der verwendeten Mengen. Und diese Zahlen sagen für sich genommen herzlich wenig aus, denn bei den neueren Präparaten ist weniger mehr. Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, können die LandwirtInnen mit einer Tonne von BAYERs BAYTRIL 2,2 Millionen Tiere versorgen. (Kurz vor dem Ticker-Redaktionsschluss korrigierte das BVL seine Angaben. Demnach nahm der Gebrauch von Fluorchinolonen nicht zu, sondern leicht von 12,3 auf 10,6 Tonnen ab. Bei den Cephalosporinen der 3. Und 4. Generation gingen die Verordnungen um 100 Kilogramm auf 3,6 Tonnen zurück. Ein Grund zur Entwarnung ist das jedoch nicht, Anm. Ticker.)

Offener Brief zu Pseudo-Hormonen
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie RUNNER, PROVOST OPTI, FOLICUR und NATIVO oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassungsgesetze verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Definition der Pseudo-Hormone – sogenannter „endokriner Disruptoren“ (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Die Bestimmungen kehren jedoch die Beweislast um und fordern eindeutige Belege für die gesundheitsschädliche Wirkung der EDCs; ein plausibler Verdacht reicht Juncker & Co. nicht aus. Da dies nicht dem Vorsorge-Prinzip entspricht, hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK einen Offenen Brief an die bundesdeutschen RepräsentantInnen der EU-Fachausschüsse initiiert, der auf Veränderungen dringt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat das Schreiben mitunterzeichnet.

Tote Bienen vor BAYER-Gebäude
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Die EU hat diese Stoffe deshalb ebenso wie andere Ackergifte dieser Substanz-Klasse bereits mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Aber auch anderswo werden entsprechende Forderungen laut. So zog im Juni 2016 ein Protestzug von BienenzüchterInnen, LandwirtInnen und UmweltaktivistInnen unter der Losung „Haltet die Bienenstöcke am Leben“ quer durch die USA. Vier Millionen Unterschriften zum Stopp von GAUCHO & Co. hatte er im Gepäck. Am 20. Juni machte der Treck Halt vor der Niederlassung des Leverkusener Multis in Durham und lud dort 2,6 Millionen tote Bienen ab. Die TeilnehmerInnen der Karawane verglichen die Folgen der Neonicotinoide mit denen von DDT. Weil Bienen wichtige Dienste als Bestäuber von Getreide-Pflanzen und anderen Ackerfrüchten leisten, warnten die ProtestlerInnen zudem vor den Auswirkungen des Bienensterbens auf die Lebensmittel-Versorgung. Diese Risiken und Nebenwirkungen ignorieren BAYER & Co. Und zwar komplett: Sie gehen nur ihren Profit-Interessen nach. „Wenn wir der Agrochemie-Industrie eine Fortsetzung dieser kurzsichtigen Praxis erlauben, werden die Kosten für Lebensmittel wegen der Verknappung des Angebots steigen“, prophezeite deshalb Scott Nash von der Bioladen-Kette MOM’S ORGANIC MARKET.

Das CIPROBAY-Desaster
BAYERs Antibiotikum CIPROBAY mit dem Wirkstoff Moxifloxacin, der zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen. So registrierte die US-Gesundheitsbehörde FDA zwischen 1998 und 2013 etwa 3.000 Todesfälle, die im Zusammenhang mit fluorchinolon-haltigen Medikamenten stehen. Insgesamt erhielt die FDA rund 50.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte. Am häufigsten treten Gesundheitsschäden im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen auf. Die Pharmazeutika stören nämlich das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, indem sie die Weiterleitung des Neurotransmitters Acetylcholine behindern. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen. Darüber hinaus sind CIPROBAY & Co. für Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen verantwortlich. Der US-amerikanische Mediziner Dr. Jay Cohen hat dazu jetzt ein Buch geschrieben. „Wie wir die CIPRO- und LEVAQUIN-Katastrophe stoppen können – das größte medizinische Desaster der US-Geschichte“ lautet der Titel vielsagend.

BAYERs Lernpläne durchkreuzen!
Der Leverkusener Multi tut viel, um zukünftige Generationen für sich zu gewinnen. Er erstellt unter anderem Unterrichtsmaterialien, schickt rollende Chemie-Labore durch die Lande und sponsert Schulen. Mit Wimmelbüchern „beglückt“ er sogar schon Kindergärten (SWB 2/16). Und mit diesem Engagement steht der Konzern nicht allein da: 16 der 20 größten deutschen Unternehmen betätigen sich – unbehelligt von den Schulbehörden – auf dem Feld der Bildung. Dabei profitieren sie von der Finanzschwäche der Kommunen, die es nicht mehr schaffen, die Einrichtungen angemessen auszustatten. Der Frankfurter Wissenschaftler Tim Engartner hat jetzt Maßnahmen gegen den pädagogischen Eros von BAYER & Co. gefordert. Seiner Meinung nach „bedarf es angesichts der inhaltlichen Einflussnahme durch Privatakteure eines eindeutigen staatlichen Regelwerks, das die Trennung zwischen Schule und Privatwirtschaft garantiert“.

PCB: VBE schlägt Alarm
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten, gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Risiko dar. In Deutschland weisen besonders öffentliche Gebäude hohe Belastungen auf; rund 24.000 Tonnen PCB „beherbergen“ sie. Nach Schätzungen des Bundesumweltamts (UBA) ist jede dritte Schule kontaminiert. Eine Beteiligung an den Dekontaminationsarbeiten lehnt der Leverkusener Multi jedoch ab. „Die Sanierung PCB-belasteter Gebäude liegt (...) nicht in unserem Verantwortungsbereich“, verlautet aus der Firmen-Zentrale. Allzu häufig kommt es jedoch gar nicht erst zu solchen Sanierungen. Die Entscheidungsgrundlage für diese stellt nämlich die PCB-Richtlinie dar; und diese erklärt selbst eine Konzentration des Stoffes in der Atemluft für unbedenklich, wenn diese um den Faktor 50 über dem Richtwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt. Udo Beckmann von der LehrerInnen-Vereinigung „Verband Bildung und Erziehung“ kritisiert das vehement: „Die Politik spielt mit der Gesundheit von Lehrkräften und Schülern. Obwohl PCB von der ‚Internationalen Agentur für Krebsforschung’ in die höchste Gefahren-Gruppe eingeordnet wurde, gelten in Deutschland völlig veraltete Richtlinien.“ Es passe nicht zusammen, dass LehrerInnen SchülerInnen zu umweltbewussten BürgerInnen erziehen sollen, während die Ausbildungsstätten PCB-verseucht sind, so Beckmann. „Die Beschäftigten an den Schulen und Hochschulen sowie die Schüler und Studenten haben einen Anspruch auf belastungsfreie Unterrichtsräume“, hält der Pädagoge fest.

Gen-Raps unter Beobachtung stellen!
2015 hatte ein in der EU nicht zugelassener Gen-Raps von BAYER das Saatgut einer konventionellen Züchtung verunreinigt. In der Pflanze, welche die französische Firma RAGT entwickelt hat, fanden sich Spuren des gegen die Herbizid-Wirkstoffe Bromoxynil und Ioxynil immunen Raps’ NAVIGATOR. RAGT strebte für sein Produkt eine Zulassung in EU-Ländern an. Deshalb fand ein Probe-Anbau in England, Frankreich, Dänemark und Deutschland statt. Nach Bekanntwerden des Skandals haben die hiesigen Behörden sofort die Anweisung erteilt, die auf 48 Versuchsfeldern in verschiedenen Bundesländern kultivierten Pflanzen zu zerstören. Das reicht als Maßnahme jedoch nicht aus, denn die Laborfrucht hat eine lange Halbwertzeit und bleibt lange keimfähig. „Daher müssen die Bundesländer die betroffenen Flächen über 20 Jahre hinweg überwachen und auflaufenden Durchwuchs-Raps vernichten“, forderte Annemarie Volling von der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL). Unterstützung erfuhr der Verband dabei von der IG SAATGUT und dem GENETHISCHEN NETZWERK.

KAPITAL & ARBEIT

Tarifrunde 2016: 3 Prozent mehr
BAYER fährt von Jahr zu Jahr höhere Gewinne ein. Im Geschäftsjahr 2015 wuchs das Konzern-Ergebnis um 18,6 Prozent auf rund 1,380 Milliarden Euro. Die Beschäftigten profitieren davon jedoch kaum. Bei den diesjährigen Tarif-Verhandlungen vereinbarte die Chemie-Branche mit den Gewerkschaften Ende Juni 2016 lediglich eine Entgelt-Anhebung von 3 Prozent für die nächsten 13 Monate. Dann folgt für die 11-monatliche Restlaufzeit des Tarifvertrages noch einmal ein Aufschlag von 2,3 Prozent.

H.C. STARCK in Schwierigkeiten
Im Zuge der „Konzentration auf das Kerngeschäft“ hat BAYER viele Unternehmensteile abgestoßen. Eine aussichtsreiche Zukunft erwartete die Abteilungen in der Regel nicht. Besonders kleinere Sparten wie DYSTAR, DYNEVO, TANATEX, KRONOS TITAN und AGFA gerieten in Schwierigkeiten. Entweder gingen sie Pleite, schrumpften empfindlich oder wurden von anderen Konzernen geschluckt. Aktuell sieht sich H.C. STARCK mit ernsten Problemen konfrontiert. Das Unternehmen hat massive Finanz-Probleme. Der Leverkusener Multi hatte den Spezialchemie-Hersteller nämlich an zwei Finanzinvestoren veräußert, die H.C. STARCK die Kaufsumme als Schulden in die Bücher geschrieben haben. Nun muss die Firma Arbeitsplätze vernichten und andere Restrukturierungsmaßnahmen durchführen, um neue Kredite zu erhalten.

Verändertes Schichtsystem
Der BAYER-Konzern hat an seinem Pestizid-Standort Hürth-Knapsack in Kooperation mit dem Betriebsrat das Schichtsystem geändert. Das bisherige 4-Schichtsystem wurde „aus arbeitsmedizinischen und organisationstechnischen Erwägungen“ durch das beim Leverkusener Multi auch sonst übliche 5-Schichtmodell ersetzt. Dieses erlaubt jetzt längere Ruhe-Phasen vor den Schicht-Wechseln. Auch führt es zu kürzeren Wochenarbeitszeiten. Der Konzern wollte deshalb sogleich die Entgelte entsprechend senken, konnte sich damit aber nicht ganz durchsetzen. „Letztlich haben die Betriebsräte in Knapsack für die Kollegen am Standort einen guten Kompromiss mit einer attraktiven finanziellen Abfederung erreichen können“, so der Betriebsratsvorsitzende Franz-Josef Christ.

ERSTE & DRITTE WELT

Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe
Seit einiger Zeit haben die Global Player auf der Suche nach neuen Absatz-Gebieten die „Low-income Markets“ entdeckt (siehe auch SWB 4/13). So entwickelte der Leverkusener Multi bereits 2013 eine „Afrika-Strategie“. Bei der Umsetzung geriert sich der Agro-Riese gerne als Entwicklungshelfer. „BAYER kooperiert mit der gemeinnützigen Organisation ‚Fair Planet’ und wird Teil des Projekts ‚Bridging the Seed Gap’ in Äthiopien. Ziel des Projekts ist es, neue Anbau-Möglichkeiten für Kleinbauern zu schaffen“, vermeldete der Konzern etwa Anfang 2016. Auch LandwirtInnen-Verbände und Hochschulen sitzen mit im Boot. Und bei der Unterzeichnung des Vertrags waren sogar RegierungsvertreterInnen zugegen. Nur handelt es sich leider bei „Fair Planet“ um einen Verband, den BAYER, SYNGENTA, LIMAGRAIN & Co. seit Längerem großzügig unterstützen. Zudem bestehen die neuen „Anbau-Möglichkeiten für Kleinbauern“ lediglich aus Tomaten-, Peperoni- und Zwiebel-Saatgut made by BAYER. Diese können die FarmerInnen zunächst kostenlos testen. Anschließend müssen sie für diese Sorten allerdings die Werbetrommel rühren. „Sie sollen dann weiteren Landwirten in den Dörfern und Regionen die Vorteile dieses Saatguts demonstrieren“, so lautet der Business-Plan des Konzerns. Bei näherem Hinsehen wird also aus der angeblichen Entwicklungshilfe pure Markterschließung.

Die „Neue Allianz“ in der Kritik

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Im Jahr 2012 gründeten die Teilnehmer-Staaten des G8-Treffens gemeinsam mit BAYER, MONSANTO und anderen Firmen die „Neue Allianz für Lebensmittelsicherheit und Ernährung“. Mit Entwicklungshilfe hat diese Public-Private-Partnership allerdings nicht viel im Sinn. Sie dient den Konzernen vielmehr als Vehikel, um in Afrika die Rahmenbedingungen für eine industrielle Landwirtschaft mittels Gentechnik und allem Drum und Dran durchzusetzen. So dringen die Global Player etwa darauf, die „Verteilung von frei verfügbarem und nicht verbessertem Saatgut systematisch zu beenden“. Zudem fordern sie einen stärkeren Patentschutz, Landrechtsreformen, „effizientere“ Pestizid-Zulassungsverfahren und Maßnahmen gegen die Produkt-Piraterie. Dafür fließen öffentliche Mittel en masse: Die G8-Staaten gaben bereits über drei Milliarden Euro frei, während BAYER & Co. noch nicht einmal eine Milliarde zubutterten. Dies zog jetzt die Kritik des Europa-Parlaments auf sich. Die Abgeordneten forderten, die Strategie der Allianz komplett zu ändern. Sie müsste sich mehr auf die Kleinbauern und -bäuerinnen konzentrieren, den lokalen Saatguthandel schützen und dürfe nicht mehr länger dem Landraub Vorschub leisten, so die ParlamentarierInnen. Dem entwicklungspolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Uwe Kekeritz, ging das jedoch nicht weit genug. Er verlangte von der Bundesregierung, auf eine Auflösung der „Neuen Allianz“ zu dringen: „Die Reform der 2012 von der G8 gegründeten Allianz ist angesichts ihrer grundlegend falschen Ausrichtung aussichtslos.“

Die „Neue Allianz“ in der Kritik

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Die „Neue Allianz für Lebensmittelsicherheit und Ernährung“, die von den G8-Staaten gemeinsam mit BAYER, MONSANTO und anderen Firmen 2012 initiierte Public-Private-Partnership (s. o.), heizt das Landgrabbing an. Zu diesem Resultat kommt die Studie „Land grabbing and human rights“, die das Europäische Parlament in Auftrag gegeben hat. So verloren in Tansania mehr als 1.300 Bauern und Bäuerinnen ihr Land, weil das „Neue Allianz“-Mitglied ECOENERGY vom Staat 20.374 Hektar Ackerfläche erworben hat, um dort eine Zucker-Plantage anzulegen. Auch ganz allgemein fördern die Aktivitäten der Allianz der Untersuchung zufolge die Bodenspekulation und die Landkonzentration, denn die Devise von BAYER & Co. lautet: „Think Big“. Afrikanische FarmerInnen-Verbände kritisieren das Vorgehen der Multis deshalb massiv. Auch die AutorInnen der Untersuchung sehen nur negative Effekte. Aus diesem Grund fordern sie die EU-Mitgliedsländer unter den G8-Nationen auf, der „Neuen Allianz für Lebensmittelsicherheit und Ernährung“ die Unterstützung zu entziehen.

Patente: Ausnahmen nur bis 2033
Mit Patenten auf Pharmazeutika sichern sich BAYER & Co. Monopol-Profite. Dieses Vorgehen macht die Arzneien besonders für Menschen in armen Ländern unerschwinglich. Wenn diese Staaten trotzdem versuchen, sich den Zugang zu den benötigten Medikamenten zu sichern, indem sie sich – wie Südafrika im Jahr 2001– auf einen Ausnahme-Paragrafen des internationalen TRIPS-Patentschutzabkommens berufen, bemühen BAYER und die anderen Pillen-Riesen gern einmal die Gerichte (siehe SWB 2/01). Nur für die ärmsten der armen Nationen, die „least-developed countries“ (LDCs), galten bis zum Januar 2016 eigene Regelungen. Bei den neuen Verhandlungen um diesen Sonderstatus haben die VertreterInnen der LDCs eine unbefristete Verlängerung gefordert. Die Welthandelsorganisation WTO beugte sich allerdings dem Druck von Big Pharma und gewährte nur einen Aufschub bis 2033.

BAYER senkt JADELLE-Preis
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson. Zu diesen „wirksamen Investitionen“, die Entwicklungshilfe sparen helfen, gehört auch BAYERs Verhütungsmittel-Implantat JADELLE. Das Medizin-Produkt mit dem Wirkstoff Levonorgestrel ist für die BevölkerungskontrolleurInnen nämlich ziemlich praktisch, verrichtet es seine Dienste doch fünf Jahre lang. Für die Frauen allerdings weniger: Unter anderem klagen sie über Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Depressionen, Gewichtszunahme und Haarausfall. Großeinkäufern wie etwa der „Bill & Melinda Gates Foundation“ hat der Leverkusener Multi bisher schon große Rabatte eingeräumt. Anfang des Jahres hat er eine generelle Preis-Senkung für Entwicklungsländer verkündet. Statt rund 18 Dollar pro Implantat berechnet er jetzt nur noch die Hälfte.

POLITIK & EINFLUSS

BAYERs EU-Frühstücke
„Um Unternehmensvertreter über aktuelle Entwicklungen zu informieren“, organisiert die Lobby-Firma AMISA2 „monatlich Frühstücksdebatten mit Schlüssel-Persönlichkeiten der EU-Institutionen“. BAYER, GOOGLE, AIRBUS und 15 weitere Konzerne durften auf diese Weise schon einen „Blick in die Zukunft der Klimapolitik“ werfen – eröffnet von der damals als EU-Kommissarin für den Klimaschutz fungierenden Connie Hedegaard – oder mit der stellvertretenden Generalsekretärin der EU-Kommission, Marianne Klingbeil, zusammentreffen.

VCI spendet 128.000 Euro
Im Jahr 2015 hat der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) 128.000 Euro in Parteispenden investiert. Mit je 40.000 Euro erhielten CDU und FDP am meisten. Die SPD bedachte der Lobby-Club von BAYER & Co. mit 35.000 Euro, die Grünen konnten 13.000 Euro verbuchen. Nur die Partei „Die Linke“ ging leer aus. Dabei wird der VCI nicht nur proaktiv tätig. Es gibt auch direkte „Spenden-Anfragen der Schatzmeister oder Spitzenkandidaten der Parteien im Zusammenhang mit Bundestags-, Landtags- und Europawahlen“, wie der Verband mitteilt.

Kerins im USCC-Vorstand
Bei dem „U.S. Chamber of Commerce“ (USCC) handelt es sich um den größten Unternehmensverband der Welt. Und seit Dezember 2015 sitzt BAYERs oberster Öffentlichkeitsarbeiter in den USA, Raymond Kerins Jr., dort im Vorstand. Welche Auffassung er vom Verhältnis der Ökonomie zur Politik hat, machte der PR-Profi gleich bei seinem Amtsantritt deutlich. Da bezeichnete Kerins Jr. es als eine der Aufgaben des USCC, die MandatsträgerInnen darin zu unterweisen, wie sie das Wachstum der US-amerikanischen Wirtschaft am besten aufrechterhalten könnten.

BAYER sponsert Rohstoff-Behörde
Die „Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“ (BGR) berät nach eigener Auskunft „die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft in allen geowissenschaftlichen und rohstoff-wirtschaftlichen Fragen“. Da der Zugriff auf Bodenschätze für den Leverkusener Multi eine enorme Bedeutung hat, gehört er mit zu den Unternehmen, welche die BGR seit 1982 indirekt sponsern. Seit 1987 tun BAYER & Co. dies über die „Hans-Joachim-Martini-Stiftung“, welche die milden Gaben als Preisgelder oder als Forschungsförderung tarnt. Die Investition lohnt sich, denn die Ergebnisse der BGR-Expertisen fallen fast immer im Sinne der Industrie aus. So erteilte die Bundesanstalt dem Fracking eine Unbedenklichkeitserscheinung und leugnete in Studien weitgehend den Zusammenhang zwischen dem Kohlendioxid-Ausstoß der Konzerne und dem Klimawandel. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hatte in einer internen Revision zwar Anstoß an der Praxis der Stiftung genommen, zog aber bislang keine Konsequenzen. Die Partei Bündnis 90/Die Grünen nahm die Vorgänge zum Anlass, eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Diese sieht jedoch keinen Handlungsbedarf. „Die BGR ist eine eigenständige wissenschaftlich-technische Behörde, an deren Unabhängigkeit die Bundesregierung keinen Zweifel hat“, hielten Merkel & Co. fest.

Ökosteuer-Ausnahmen bleiben
Im Zuge der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wollte die Große Koalition ursprünglich den Strom, den die Konzerne mit ihren eigenen Kraftwerken produzieren, ökosteuerpflichtig machen. Sofort brach ein Sturm der Entrüstung los. „Auch wenn die überfällige EEG-Reform nun endlich auf dem Weg ist, die Mehrbelastung der Eigenstrom-Erzeugung ist ein unüberwindlicher Stolperstein und für unsere Branchen nicht hinnehmbar. Jene Unternehmen, die ihren Strom in eigenen Kraftwerken vor allem in Kraft-Wärme-Kopplung und sehr effizient herstellen, hätten dadurch Mehrkosten von insgesamt über 300 Millionen Euro im Jahr“, erklärte der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Und der Leverkusener Multi, der fast 60 Prozent seines Energie-Bedarfs selber deckt, warnte: „Unsere KWK-Anlagen würden sich, sollten diese Pläne umgesetzt werden, nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen, sowohl die bestehenden als auch die neuen.“ Und die Politik erhörte die Signale. Alte Anlagen blieben von der Umlage befreit, modernisierte müssen nur 20 Prozent und neue 40 Prozent des Satzes zahlen. Die EU legte allerdings ein Veto ein, denn sie sah in den gewährten Rabatten eine unerlaubte Beihilfe. Aber Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel konnte die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestagen im August 2016 „nach intensiven Gesprächen“ umstimmen und Bestandsschutz für die Ausnahme-Regelungen erwirken.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER zahlt ÄrztInnen 7,5 Millionen
Die Pillen-Produzenten investierten im letzten Jahr 575 Millionen Euro dafür, die medizinische Landschaft zu pflegen und die ÄrztInnen zum Verschreiben ihrer Medikamente zu bewegen. Rund 71.000 MedizinerInnen standen auf ihren Gehaltslisten. BAYER gab 2015 dafür 7,5 Millionen Euro aus. Damit spendierte der Konzern den Doktores unter anderem Fortbildungsveranstaltungen in netter Umgebung samt Kost & Logis sowie Begleitung. Rund 2.400 Personen kamen in den Genuss dieses Angebotes. Ca. 3.000 ÄrztInnen strichen zudem für ihre Tätigkeit als RednerInnen auf Kongressen, BeraterInnen oder DienstleisterInnen Geld ein. Für den offenen Umgang mit diesen Zahlen lobt sich der Konzern ausgiebig selbst. Zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell gehöre eben Transparenz, so BAYER-Manager Eberhard Schmuck. Allzu weit ist es mit dieser allerdings nicht her: Was der Global Player den MedizinerInnen nämlich für die sogenannten Anwendungsbeobachtungen zahlt, die nur den Zweck haben, die PatientInnen auf das getestete Präparat umzustellen, verschweigt er lieber. Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens sieht durch solche Zahlungen die Unabhängigkeit des Standes gefährdet. „Patienten müssen darauf vertrauen können, dass Ärzte ihnen ein Medikament verschreiben, weil sie von der Wirksamkeit überzeugt sind – und nicht, weil sie auf der Honorar-Liste der Hersteller stehen“, hielt die Grünen-Politikerin fest.

7,4 Millionen für Krankenhäuser
BAYER hält nicht nur die ÄrztInnen mit Zuwendungen bei Laune (s. o.), der Konzern bedenkt auch viele Institutionen des Gesundheitswesens, um die Absatz-Chancen für seine Pillen zu verbessern. Krankenhäusern, medizinischen Standesorganisationen, Instituten und medizinischen Gesellschaften wie z. B. der „Deutschen Parkinson Vereingung“ hat der Leverkusener Multi im Jahr 2015 rund 7,4 Millionen Euro zukommen lassen.

BAYER bildet ApothekerInnen weiter
Im Mittleren Osten unterhält BAYER bereits seit 2012 ein Programm zur Fortbildung von ApothekerInnen. Am diesjährigen Workshop nahmen rund 200 PharmazeutInnen aus Kuwait, Quatar, Oman, Barain und anderen Ländern teil. Obwohl der Leverkusener Multi diese Aktivitäten als Teil einer Initiative der Weltgesundheitsorganisation WHO darstellt, dient das Ganze der Absatz-Förderung eigener Präparate. So besteht ein Lernziel für die ApothekerInnen laut Konzern darin, die PatientInnen zur Selbstmedikation und zur Einnahme von Vitaminen und Medikamenten zur Vorbeugung von Krankheiten anzuhalten, um dadurch „dem Staat Lasten abzunehmen“.

BAYER sponsert Agrar-JournalistInnen
BAYER lässt sich die Pflege der Presselandschaft einiges kosten. So sponserte der Leverkusener Multi beispielsweise den Weltkongress der Agrar-JournalistInnen, der dieses Mal in Deutschland stattfand. Die Grüne Woche hatte ihn nach Berlin gelockt. Die Veranstaltung versuchte dann auch, seinem Geldgeber alle Ehre zu machen. Sie begab sich daran, ein idyllisches Bild der hiesigen Agrarwirtschaft zu malen. Die Konferenz wollte nichts weniger als zeigen, „wie Landwirte in Deutschland sich den Herausforderungen von heute stellen. Dazu zählen eine effiziente Wirtschaftsweise, der Schutz von Natur und Biodiversität sowie die Bereitstellung hochwertiger und bezahlbarer Lebensmittel“.

TIERE & ARZNEIEN

BAYTRIL-Gebrauch sinkt leicht
Ende Juli 2016 vermeldete das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) zunächst einen erhöhten Verbrauch von Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung. Dann korrigierte es seine Angaben. Demnach sanken die Gaben leicht von 12,3 auf 10,6 Tonnen. Aber auch die neuen Zahlen stimmen noch bedenklich, führt doch die häufige Verwendung dieser Mittel in den Ställen dazu, dass die Krankheitserreger sich zunehmend an die Substanzen gewöhnen. Gelangen diese dann über den Nahrungskreislauf oder andere Wege von den Ställen in den menschlichen Organismus, können sie Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist. Und bei den Fluorchinolonen ist das besonders bedenklich, da diese Substanzen in der Humanmedizin zu den Reserve-Antibiotika zählen, die nur zum Einsatz kommen, wenn andere Mittel bereits versagt haben (siehe auch AKTION & KRITIK).

BAYTRIL in Bio-Ställen
Auch die LieferantInnen von Bio-Fleisch setzen in ihren Ställen Antibiotika ein. So tragen auch diese ZüchterInnen mit dazu bei, dass immer mehr Krankheitserreger Resistenzen gegen diese Mittel entwickeln. Gelangen die Keime dann über den Nahrungskreislauf oder andere Wege in den menschlichen Organismus, können sie Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die dann nichts mehr hilft. Der Verband „Bioland“ hat seinen Mitgliedern deshalb zumindest verboten, Medikamente aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs BAYTRIL zu verwenden. Diese Substanzen zählen in der Humanmedizin nämlich zu den Notfall-Antibiotika, die bevorzugt zum Einsatz kommen, wenn andere Stoffe bereits versagt haben. Aber selbst zu diesen Fluorchinolonen greifen die Biobauern und –bäuerinnen. Allein im Jahr 2014 hat Bioland 35 Ausnahmegenehmigungen für BAYTRIL & Co. erteilt. Zudem geben nicht wenige LandwirtInnen ihren Tieren diese Mittel, ohne das formell zu beantragen.

Kooperation mit BIONTECH
BAYER hat eine Kooperation mit dem Unternehmen BIONTECH auf dem Gebiet der Tiermedizin vereinbart, in dessen Rahmen die Mainzer Firma für den Leverkusener Multi Immun-Therapeutika, Impfstoffe und andere Veterinär-Arzneien entwickeln soll.

DRUGS & PILLS

ESSURE führt zu mehr Komplikationen
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Medizinprodukt für eine dauerhafte Empfängnis-Verhütung, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich nach etwa drei Monaten die Eileiter verschließen. Eine Studie verglich ESSURE jetzt mit anderen Sterilisationsmethoden, die Zugriff auf die Eileiter nehmen. Das Ergebnis der im British Medical Journal veröffentlichten Untersuchung fiel verheerend für die Spirale des Leverkusener Multis aus. Sie erhöht für die Frauen das Risiko, sich nachträglichen Operationen unterziehen zu müssen, im Vergleich zu anderen Praktiken um mehr als das Zehnfache. Wegen seiner vielen Nebenwirkungen steht das Pharma-Produkt schon länger in der Kritik. Zu diesen zählen unter anderem Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien. Die Spirale bleibt zudem oft nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann.

Gesundheitsbehörden warnen vor ESSURE
Die vielen unerwünschten Arznei-Effekte von BAYERs Medizin-Produkt ESSURE (s. o.) haben die Gesundheitsbehörden in Kanada und den Vereinigten Staaten zum Handeln bewogen. „Health Canada“ informierte die ÄrztInnen in einem Brief über die zahlreichen Risiken und Nebenwirkungen des Präparats und setzte auch die Öffentlichkeit darüber in Kenntnis. Die US-amerikanische FDA verpflichtete BAYER derweil, die Spirale nur noch mit einem Warnhinweis der dringlichsten Stufe zu vertreiben und die Sicherheit von ESSURE in einer neuen Studie zu überprüfen. Den vielen Geschädigten in den USA ging das allerdings nicht weit genug. Sie hatten auf ein Verbot gehofft und kritisierten die FDA-Maßnahmen deshalb als unzureichend.

IBEROGAST schädigt die Leber
Auch Medikamente auf pflanzlicher Basis wie BAYERs Magenmittel IBEROGAST, das 2013 mit dem Kauf von STEIGERWALD in die Produktpalette des Pharma-Riesen gelangte, können es in sich haben. So schädigt der IBEROGAST-Inhaltsstoff Schöllkraut die Leber. Arzneien mit einer hohen Schöllkraut-Konzentration hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) deshalb schon aus dem Verkehr gezogen. Vom Leverkusener Multi verlangte es, diese Nebenwirkung auf dem Beipackzettel von IBEROGAST zu vermerken. Der Konzern weigert sich aber, dieser Aufforderung nachzukommen. Für ihn ist die „hohe Sicherheit“ des Präparates „durch eigene Daten vollständig belegt“. Darum zeigt er sich auch nicht bereit, den Widerspruch zurückzunehmen, den STEIGERWALD vor acht Jahren gegen die BfArM-Anordnung eingelegt hatte. Und so gibt es dann immer noch keine Warnhinweise auf den Faltblättern der Packungen. „Das ist genau die Situation, die wir immer wieder beklagen. Im Grunde genommen hat der Hersteller viele Möglichkeiten, das immer wieder herauszuzögern (...) Derzeit hat man den Eindruck an vielen Stellen, dass der Hersteller-Schutz vor dem Patienten-Schutz rangiert“, kritisiert der Pharmakologe Prof. Gerd Glaeske.

Verantwortlicher Umgang mit ASPIRIN?
BAYER bewirbt ASPIRIN erfolgreich als „Tausendsassa“. Darum findet es weite Verbreitung, obwohl das Präparat viele Nebenwirkungen wie etwa Magenbluten hat. So bezifferte der Mediziner Dr. Friedrich Hagenmüller 2012 die Zahl der Todesopfer allein in der Bundesrepublik auf jährlich 1.000 bis 5.000. Den Leverkusener Multi ficht das jedoch nicht an. Wenn JournalistInnen ihn auf das Gefährdungspotenzial von ASPIRIN durch einen zu sorglosen Umgang mit dem Mittel ansprechen, verweist der Konzern einfach auf eine von ihm selbst durchgeführte Studie, die angeblich eine verantwortungsvolle Handhabung belegt.

ASPIRIN: Größere Präventionswirkung?
Der verantwortungslose Umgang mit ASPIRIN birgt hohe Risiken (s. o.) Haben Menschen jedoch schon einmal einen Herzinfarkt erlitten, raten MedizinerInnen zur Verhinderung eines zweiten zu dem Mittel. Studien zufolge senkt das Medikament mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure das Risiko für eine nochmalige Attacke um 13 Prozent. Nur die ersten sechs Wochen nach dem ersten Infarkt betrachtet, liegt die Präventionswirkung einer neueren Untersuchung zufolge sogar noch höher. Wie Peter M. Rothwell und sein Team herausfanden, reduziert die Arznei die Wahrscheinlichkeit eines Wiederholungsfalles um 60 Prozent. Allerdings haben drei an der Studie beteiligte WissenschaftlerInnen schon einmal in Diensten BAYERs gestanden, was die Aussagekraft der Arbeit erheblich trübt.

CIPROBAY-Anwendungsbeschränkungen
BAYERs Antibiotikum CIPROBAY mit dem Wirkstoff Moxifloxacin, der zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch AKTION & KRITIK). Darum erließ die US-Gesundheitsbehörde FDA im Mai 2016 Anwendungsbeschränkungen für CIPROBAY und andere fluorchinolon-haltige Präparate. Bei Bronchitis, Sinusitis und einfachen Formen von Blasen-Entzündungen dürfen die MedizinerInnen diese Arzneien jetzt nur noch verordnen, wenn alle andere Mittel versagt haben.

Zahlreiche MIRENA-Nebenwirkungen
BAYERs Hormon-Spirale MIRENA ruft zahlreiche unerwünschte Arznei-Effekte hervor. „Insgesamt 3.607 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen“ hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) registriert, wie eine Anfrage des TV-Magazins Frontal21 ergab. Allein 44 Meldungen zu Brustkrebs, 153 zu Eileiter-Schwangerschaften und 328 zu Gebärmutter-Verletzungen erhielt das BfArM unter anderem.

Verhandlungen mit GOOGLE
Die GOOGLE-Tochter VERILY widmet sich medizinischen Forschungsprojekten auf Gebieten wie „Krebs“, „Diabetes“ und Herz/Kreislauf-Erkrankungen. Zudem entwickelt sie Operationsroboter und bioelektronische Systeme. Im Februar 2016 hat das Unternehmen Verhandlungen mit BAYER über mögliche Kooperationen aufgenommen.

16 Krebs-Wirkstoffe im Test
Krebs-Arzneien versprechen den Pharma-Riesen den größten Profit. Mittlerweile fressen sie – ohne die Lebenszeit der PatientInnen entscheidend verlängern zu können – schon rund ein Viertel des Medikamenten-Budgets der Krankenkassen. Folgerichtig setzt der Leverkusener Multi ganz auf dieses Segment. Mit NEXAVAR, STIVARGA und XOFIGO bietet er bereits drei Onkologie-Präparate an; zudem befinden sich 16 Wirkstoffe in der klinischen Erprobung.

Mehr Profit durch Direktvertrieb
Vom Hersteller über den Großhandel zu den Apotheken – so sieht eigentlich der Vertriebsweg für Medikamente aus. BAYER & Co. umgehen aber immer öfter den Großhandel und bestücken die Pharmazien selbst mit ihren Produkten. Auf diese Weise schalten sie einen Mitverdiener aus und erhöhen ihre Gewinnmarge. Zudem sieht die Branche dies als eine wirksame Methode an, die Zwischenhändler am Export der Arzneien in solche Länder zu hindern, in denen sie mit den Produkten zum Schaden der Pillen-Produzenten mehr Geld machen können. Also halten die Pharma-Firmen den Großhandel knapp und springen in die Bresche, wenn dieser nicht mehr liefern kann. Zu diesem Behufe hat BAYER gemeinsam mit BOEHRINGER, NOVARTIS und anderen Konzernen die PHARMA MALL GESELLSCHAFT FÜR ELECTRONIC COMMERCE gegründet. Den Unternehmen zufolge soll diese Gesellschaft der „Optimierung der Transaktionsprozesse zwischen Herstellern und Kunden“ dienen. In der Realität aber verkompliziert sich für die Apotheken durch die beiden nebeneinander herlaufenden Systeme die Beschaffung der Pharmazeutika, weshalb die PatientInnen oftmals länger auf ihre Mittel warten müssen. Überdies schrumpfen die Einnahmen der Pharmazien durch diesen Direktvertrieb, weil sie dadurch nicht mehr in den Genuss von Großhandelsrabatten kommen. Die Bundesregierung sieht bei alldem jedoch keinen Grund zum Eingreifen. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ verweist die Große Koalition auf die Zuständigkeit der Bundesländer.

Anfrage zu Beobachtungsstudien
Erkenntnisse werfen Anwendungsbeobachtungen (AWB) zu Medikamenten, die MedizinerInnen mit ihren PatientInnen durchführen, kaum ab. Dies ist aber auch gar nicht Sinn der Übung. Die Anwendungsuntersuchungen verfolgen einzig den Zweck, die Kranken auf das getestete Präparat umzustellen (siehe auch PROPAGANDA & MEDIEN). Im Jahr 2014 standen BAYER & Co. dafür 17.000 ÄrztInnen zu Diensten. Die Pharma-Riesen honorierten ihnen dies mit ca. 100 Millionen Euro. Nach Angaben des Recherche-Netzwerkes Correct!v fanden von 2009 bis 2014 in den Praxen 41 solcher „Studien“ mit BAYER-Medikamenten statt (Ticker 3/16). Die Bundesregierung nimmt an diesem Marketing-Instrument, das sich einen wissenschaftlichen Anstrich gibt, im Grundsatz keinen Anstoß. „Mit AWB können Erkenntnisse über die Anwendung zugelassener Arzneimittel in der Praxis gewonnen werden“, hält sie in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ fest. Im geplanten „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen“ will die Große Koalition lediglich die Vorschriften für die Schnelltests etwas verschärfen.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat-Zulassung verlängert
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist und in Kombination mit Gen-Pflanzen wie der Soja-Art BALANCE zum Einsatz kommt, gilt als gesundheitsgefährdend. So hat eine Krebsforschungseinrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Substanz als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Trotzdem hat sich die EU im Juni 2016 schlussendlich dem Druck der Industrie gebeugt und die Zulassung des Herbizids um 18 Monate verlängert.

Comeback für Glufosinat?
BAYERs Antiunkraut-Mittel Glufosinat, das unter anderem im Kombipack mit den Gen-Pflanzen der „LIBERTY LINK“-Baureihe zum Einsatz kommt, schädigt das Erbgut und kann Krebs auslösen. Deshalb hatte die EU die Zulassung des Pestizids nicht über den September 2017 hinaus verlängert. Jetzt droht Brüssel jedoch einen Rückzieher zu machen. Die „Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit“ (EFSA), deren MitarbeiterInnen mehr als einmal durch ihre Beziehungen zur Wirtschaft in die Schlagzeilen geraten waren, schlug nämlich Ausnahmeregeln für Glufosinat und andere Ackergifte vor, falls die LandwirtInnen keine Alternative hätten und eine „ernsthafte Gefahr für die Gesundheit der Pflanze“ bestehe. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) kritisierte diesen Vorstoß vehement.

Pestizid-Plage in Costa Rica
Costa Rica ist der weltgrößte Ananas-Produzent. Auf einer Fläche von 38.000 Hektar wächst dort die Frucht. Dabei kommen einer Studie von OXFAM zufolge immense Mengen an Agro-Chemikalien zum Einsatz. 30 bis 38 Kilogramm pro Hektar bringen die Plantagen-BesitzerInnen jährlich aus. Darunter befinden sich mit Glyphosat, Diuron, Mancozeb und Chlorpyrifos viele, die auch BAYER anbietet. Die Beschäftigten müssen schon bald nach den Sprühaktionen wieder auf die Felder und verfügen nicht immer über einen Arbeitsdress, der ihnen die Mittel in ausreichender Form vom Leibe hält. Dementsprechend erleiden viele der Belegschaftsangehörigen Gesundheitsschädigungen. „Ich war einen Monat lang im Krankenhaus wegen einer Vergiftung. Als ich wiederkam, musste ich wieder mit Pestiziden und ohne Schutzkleidung arbeiten“, erzählt einer von ihnen. Auch Krebs-Krankheiten, Magenleiden, Augen-Schädigungen und Hautausschläge zählen zu den Nebenwirkungen. Überdies verseuchen die Mittel das Trinkwasser in der Nähe der Ananas-Äcker.

Pestizid-Plage in Ecuador
Auf den Bananen-Plantagen in Ecuador herrschen OXFAM zufolge ähnlich verheerende Bedingungen wie auf den Ananas-Äckern in Costa Rica (s. o.) Hier sehen sich die LandarbeiterInnen ebenfalls ohne ausreichenden Schutz gefährlichen Pestiziden ausgesetzt. Oftmals dürfen sie die Felder nicht verlassen, wenn die Sprüh-Flugzeuge zum Einsatz kommen und Substanzen wie die auch von BAYER vermarkteten Stoffe Glyphosat und Mancozeb ausbringen. „Wir machen uns große Sorgen, weil wir unter dem Pestizid-Regen arbeiten müssen. Wir bekommen Hautausschläge. Aber wenn man sich beschwert, riskiert man, entlassen zu werden“, klagt etwa einer der Beschäftigten. Und es bleibt nicht bei Hautausschlägen. Zu den weiteren Leiden der Plantagen-ArbeiterInnen zählen Herz-Leiden, Magen-Erkrankungen, Augenbrennen, Schlafstörungen und Durchfall. Überdies erweisen sich die chemischen Keulen als erbgut-schädigend. „Angesichts besonders hoher Behinderungsraten der Kinder in den Bananen-Provinzen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es hier einen Zusammenhang gibt“, sagt etwa Beatriz Garcia Pluas, die Direktorin einer Schule für Gehandicapte.

PilotInnen als Pestizid-Opfer
Nicht nur die LandarbeiterInnen oder die AnwohnerInnen der Plantagen leiden unter den Pestiziden, sondern auch die PilotInnen, welche die Agro-Chemikalien mit ihren Flugzeugen ausbringen. So berichtet der Ecuadorianer Jorge Acosta Orellana in dem Interview mit der taz über Leiden wie Herzrhythmus-Störungen, Schwindel und Augen-Trübungen. „Ich bin zum Arzt gegangen, aber der meinte, dass mein Herz in Ordnung sei und dass ich eine Vergiftung haben könnte. Ich habe dann mit anderen Piloten geredet und festgestellt: Die haben ähnliche Probleme. Bald waren wir überzeugt, dass das alles in Zusammenhang mit dem Fungizid Mancozeb (enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten ZETANIL und ACROBAT, Anm. Ticker) stehen könnte. Das haben wir auf den Plantagen nämlich zum Sprühen verwendet.“ Orellana zufolge kam es sogar schon zu Flugzeug-Abstürzen, weil die PilotInnen – benebelt von den chemischen Keulen – die Kontrolle über ihre Maschinen verloren.

ALDI bannt Bienenkiller
Der Lebensmittel-Discounter ALDI bannt acht bienengefährliche Agro-Chemikalien. Dazu zählen mit Chlorpyrifos, Clothianidin, Deltamethrin, Fipronil und Imidacloprid auch fünf Wirkstoffe, die BAYER anbietet. „Mit dem Ziel, den Bienenschutz in Deutschland aktiv zu fördern und weiterhin im Sinne der Verbraucher an einer Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden zu arbeiten, haben die beiden Unternehmensgruppen ALDI-NORD und ALDI-SÜD im vergangenen Jahr neue Anforderungen an ihre Lieferanten gestellt“, erklärte der Konzern. Diese müssen nun garantieren, dass die landwirtschaftlichen Produkte, die sie ALDI verkaufen, keine Behandlung mit Chlorpyrifos & Co. erfahren haben.

Neues Erdnuss-Pestizid
Der Leverkusener Multi hat mit PROVOST OPTI ein neues Antipilz-Mittel für Erdnuss-Kulturen auf den Markt gebracht. Allerdings handelt es sich dabei um neuen Wein in alten Schläuchen. Die Inhaltsstoffe stimmen mit denen von PROVOST überein. Der Konzern änderte lediglich das Mischungsverhältnis von Prothioconazol und Tebuconazol.

PFLANZEN & SAATEN

Neues Weizenzucht-Zentrum in Kanada
Im Saatgut-Geschäft des Agro-Riesen bildet Weizen einen Schwerpunkt, weil die Ackerfrucht die weitverbreitetste Kulturpflanze der Welt ist. Bis 2020 will der Konzern 1,5 Milliarden Euro in Züchtungsprogramme investieren, um eine führende Rolle in diesem Markt-Segment einzunehmen. Nachdem der Agro-Riese gerade eben erst seine Weizenzucht-Station in Gatersleben erweitert hat, eröffnet er jetzt ein neues Zentrum im kanadischen Saskatchewan. Vor allem hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Gewächse will der Konzern dort entwickeln. Auf Qualität kommt es ihm dabei weniger an als auf den Output. „Wer erfolgreich eine wesentlich ertragreichere Weizen-Sorte entwickelt, wird ein lukratives Geschäft auftun“, prophezeit Liam Condon, der Chef von BAYER CROPSCIENCE.

GENE & KLONE

Blockbuster EYLEA
EYLEA, das BAYER-Präparat zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Einen Zusatznutzen mochten dem Gentech-Medikament deshalb weder das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) noch die Techniker Krankenkasse bescheinigen. Trotzdem entwickelt sich die Arznei dank BAYERs massivem Werbeaufwand zu einem Blockbuster, der LUCENTIS gehörig Konkurrenz macht: Im zurückliegenden Geschäftsjahr betrug der EYLEA-Umsatz 1,2 Milliarden Euro.

EU lässt BAYERs Gen-Soja zu
Ende Juli 2016 hat die EU BAYERs Gen-Soja mit dem Produktnamen BALANCE eine Einfuhrgenehmigung erteilt (siehe auch SWB 4/16). Die Laborfrucht ist gentechnisch darauf geeicht, auf den Feldern Sprühattacken mit den Herbizid-Wirkstoffen Glyphosat und Isoxaflutol standzuhalten. Da die Menschen darauf nicht „geeicht“ sind, stellen die Rückstände der beiden als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Pestizide in den Pflanzen für sie eine ernstzunehmende Gesundheitsgefahr dar. Damit nicht genug, potenzieren sich die unerwünschten Effekte im Zusammenspiel noch einmal: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte die Zulassung deshalb.

Lizenz-Abkommen mit ERS
BAYER setzt weiter auf die „Synthetische Biologie“, zum Beispiel auf Gen-Scheren, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können. Nachdem der Konzern Ende 2015 ein Joint Venture mit dem US-Unternehmen CRISPR THERAPEUTICS eingegangen ist (siehe STANDORTE & PRODUKTION), schloss er im Mai 2016 eine Lizenzvereinbarung mit der irischen Firma ERS GENOMICS ab. Diese sichert dem Pharma-Riesen den Zugriff auf mehrere Patente, die ERS auf die Anwendung der Schnippel-Technik CRISPR-Cas9 hält.

Gentech lost in Europe
BAYERs Innovationsvorstand Kemal Malik sieht die Zukunft der „grünen Gentechnik“ in Europa düster. „Wir haben die Auseinandersetzung über Gen-Pflanzen in Europa verloren. Ich glaube nicht, dass es noch genug politischen Willen gibt, um den Bann aufzuheben oder wieder in die Debatte einzusteigen“, sagte er der Zeitung The Australian im Marz 2016. Zum Teil gibt er dafür auch der Industrie selber die Schuld: „Wir haben nicht genug Anstrengungen unternommen, um die Technologie zu erklären und die Öffentlichkeit und die Entscheidungsträger mitzunehmen.“

WASSER, BODEN & LUFT

Anhörung zum A1-Ausbau
Das Land Nordrhein-Westfalen plant, die Bundesautobahn A1 auszubauen und im Zuge dessen auch eine neue Brücke über den Rhein zu errichten. Das stößt jedoch auf viel Widerstand, vor allem weil Straßen.NRW dafür Teile der Dhünnaue-Deponie BAYERs wieder öffnen will. Der Landesbetrieb beabsichtigt, den Müll bis zu einer Tiefe von zwei Metern abzutragen und die Grube mit einer Polsterschicht für das Fundament der Straße aufzufüllen. 268 Einwendungen gegen das Projekt erhielt die Bezirksregierung, darunter auch eine der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Anfang Juli 2016 fand dazu in der Stadthalle Köln-Mülheim der Erörterungstermin statt (siehe auch SWB 4/16). Zweifel an dem Vorhaben konnten die Straßenbau-BeamtInnen dort allerdings nicht ausräumen, zumal sie selber das Risiko nur vorsichtig „vertretbar“ nannten. Einer ihrer Ingenieure bezeichnete die Auskofferung des ganzen Giftgrabes sogar ganz offen als die eigentlich „optimale Gründung“ für die A1. Auf Altlasten baut es sich nämlich schlecht. Der organische Anteil des Mülls zersetzt sich, weshalb das Volumen abnimmt und mit Bodenabsenkungen zu rechnen ist. Das tut auch Straßen.NRW. „Eine ggf. erforderliche vorzeitige Instandsetzung des Oberbaus ist berücksichtigt“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des Landesbetriebs zur Einwendung der CBG. Und so gewann dann die von der Coordination und vielen anderen Initiativen vorgeschlagene Alternative, die Hände ganz von der Dhünnaue zu lassen und den Verkehr stattdessen unterirdisch durch einen langen Tunnel zu führen, durch den Erörterungstermin noch mehr an Überzeugungskraft.

Neues Fracking-Gesetz
US-Unternehmen profitieren von den neuen Öl- und Erdgas-Fördertechniken. Das ebenso brachiale wie umweltschädliche Fracking, das mit Hilfe von Chemikalien Risse in unterirdischen Gesteinsschichten erzeugt, um so Vorkommen zu erschließen, hat für einen Boom gesorgt und den Konzernen so zu billiger Energie verholfen. „Die damit günstigeren Produktionskosten in den USA verschärfen natürlich in einigen Bereichen den Konkurrenzdruck“, konstatierte etwa der ehemalige BAYER-Chef Marijn Dekkers. Darum setzte er sich vehement dafür ein, diese Methode auch in der Bundesrepublik zuzulassen: „Fracking wäre für Deutschland eine Alternative.“ Manchmal müsste man auch etwas wagen, um zu gewinnen, so der Niederländer. Darauf wollte sich die Bundesregierung so aber nicht einlassen. Sie verhängte zwar kein generelles Verbot des Frackings, schränkte dieses aber weitgehend ein. Bohrungen in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflöz-Gestein verbietet das neue Fracking-Gesetz. Lediglich Probe-Bohrungen zur wissenschaftlichen Auswertung erlaubte die Große Koalition und erfüllte damit die Mindestanforderung Dekkers’. Mit Hilfe der auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse soll der Bundestag die Regelungen im Jahr 2021 dann noch einmal überprüfen. Sogenanntes konventionelles Fracking im poröseren und deshalb leichter aufzuspaltenden Sandstein können die Energie-Multis jedoch nach wie vor betreiben. Nur müssen nun Umweltverträglichkeitsprüfungen die Unbedenklichkeit erweisen.

Ausgelaugte Böden
Die industrielle Landwirtschaft setzt den Ackerflächen enorm zu. So sorgen schwere Landmaschinen für eine Verdichtung des Grundes, die dessen Fruchtbarkeit mindert. Nach Angaben der Bundesregierung beobachten WissenschaftlerInnen dieses Phänomen bereits auf 10 bis 20 Prozent der deutschen Äcker. Die inzwischen schon 1,4 Millionen Hektar in Anspruch nehmende Kultivierung von Mais als Energiepflanze fördert zudem die Bodenerosion, weil dieses Süßgras sehr langsam wächst und die Erde somit länger Wind und Wetter preisgibt. Die schwache Rückhalte-Wirkung der Feldfrucht sorgte im Frühjahr 2016 auch mit für die immensen Überschwemmungsschäden vor allem in Bayern. Rückstände der Pillen von BAYER und anderen Herstellern im Dünger oder die Düngemittel selber tragen ein Übriges zur Schadensbilanz bei. Wegen dieser beunruhigenden Entwicklung wollte die Europäische Union schon 2010 eine Bodenschutz-Richtlinie auf den Weg bringen. Aber die Landwirtschaftsverbände und BAYER & Co. wehrten sich vehement gegen eine solche Regelung, weil sie strengere Auflagen befürchteten. Sie hatten damit Erfolg: Die Bundesrepublik legte zusammen mit vier anderen Ländern ein Veto ein und blockierte damit das Paragrafen-Werk; 2014 legte es Brüssel endgültig zu den Akten.

Proteste gegen Pipeline-Ausbesserung
Die Gas-Fernleitung zwischen Duisburg und Köln, die unter anderem BAYER, HENKEL und diverse Stadtwerke mit Gas versorgt, stammt aus dem Jahr 1930. Darum ersetzen die Betreiber THYSSENGAS und OPEN GRID EUROPE derzeit die Rohre und führen Ausbesserungsmaßnahmen durch. Unter anderem verbreitern sie den Schutzstreifen auf das seit einiger Zeit gesetzlich vorgeschriebene Maß von 5,70 m. Da die beiden Unternehmen dafür rund 500 Bäume fällen müssen, kam es zu Protesten von NaturschützerInnen und LokalpolitikerInnen. Diese forderten einen anderen Trassen-Verlauf und kritisierten, dass es vor Beginn der Arbeiten kein Planfeststellungsverfahren gab, bei dem Alternativen hätten geprüft werden können.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Merkel & Co. gegen Bisphenol-Verbot
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A (BPA). Drei Prozent davon kommen in Verpackungen von Nahrungsmitteln wie etwa Konservendosen zum Einsatz. Die Substanz ähnelt in ihrem chemischen Aufbau Hormonen, was zu Stoffwechsel-Irritationen und so zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe auch SWB 4/16). Die EU hat deshalb bereits deren Verwendung in Babyflaschen untersagt und für 2019 das BPA-Aus in Thermopapieren wie etwa Kassenzetteln verkündet. Auch hat sie schärfere Grenzwerte erlassen. Frankreich verbot den Stoff in Lebensmittel-Verpackungen sogar grundsätzlich. Die Bundesregierung will diesem Beispiel jedoch nicht folgen. Es gäbe wegen EU-Initiativen zu Bisphenol A „derzeit keinen Spielraum für nationale Regelungen“, erklärte sie in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“. Aber selbst wenn die Große Koalition könnte, würde sie nichts machen: „Für ein generelles Verbot von Bisphenol A in Lebensmittel-Kontaktmaterialien liegt nach Einschätzung der Bundesregierung zudem keine wissenschaftliche Grundlage vor.“

STANDORTE & PRODUKTION

Erste CRISPR-Standorte
Ende 2015 ist der BAYER-Konzern mit dem US-Unternehmen CRISPR THERAPEUTICS ein Joint Venture eingegangen und hat sich damit den verstärkten Zugriff auf eine neue Gentechnologie gesichert. CRISPR arbeitet auf dem Gebiet der „Synthetischen Biologie“ und hat so genannte Gen-Scheren entwickelt, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können. Der Leverkusener Multi beabsichtigt, mit Hilfe dieses „gene editings“ Therapien für Blut-, Herz- und Augenkrankheiten zu entwickeln. Auch im Genpflanzen-Bereich beabsichtigt der Agro-Riese, Gen-Scherereien zu machen. Ende August 2016 konkretisierte er diese Pläne. Der Global Player gab mit CASEBIA den Namen der neuen Gesellschaft bekannt und kündigte für das Jahr 2017 die Aufnahme von Forschungstätigkeiten an drei Standorten an. Den größten Betrieb errichtet BAYER im US-amerikanischen Cambridge, kleinere Niederlassungen in San Francisco und in Köln. KritikerInnen trauen den Versprechungen der Gentechnik 2.0 indes nicht, denn so geschliffen wie prophezeit schnippeln die Gen-Scheren dann doch nicht am Erbgut herum. So kam es etwa bei einem Experiment chinesischer ForscherInnen mit Embryonen einerseits an unbeabsichtigten Orten zu den beabsichtigten Mutationen und andererseits an den beabsichtigten Orten zu unbeabsichtigten Mutationen. Sogar Gentech-Befürworter wie Christof von Kalle, der Präsident der „Deutschen Gesellschaft für Gentherapie“, warnen vor übertriebenen Erwartungen. „Für die Anwendung in der Gentherapie bei Menschen wäre es jedoch Voraussetzung, die Effizienz und Verlässlichkeit des Systems noch einmal deutlich nach oben zu treiben. Nur wenn reproduzierbar gezielt Reparatur-Sequenzen von außen an die entsprechende Stelle geschrieben werden können, kann von einem echten Editieren die Rede sein, und dies ist nach heutigem Stand eben noch nicht effizient erreicht“, schreibt der Mediziner in der Faz.

Fabrik-Eröffnung in China
Im Jahr 2014 hatte BAYER das chinesische Unternehmen DIHON erworben. Kurz darauf gab der Konzern den Bau einer neuen Anlage in Majinpu bekannt, um die Produktion der freiverkäuflichen DIHON-Pharmazeutika, wozu sowohl Mittel auf chemischer als auch solche auf Basis der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) gehören, zu steigern. Mit der Fertigungsstätte will der Konzern die Herstellung von TCM-Produkten verdreifachen. Auch freiverkäufliche BAYER-Arzneien beabsichtigt der Pillen-Riese an diesem Standort zu fabrizieren. Anfang 2016 nahm er einen ersten Teilabschnitt in Betrieb; der Abschluss der gesamten Arbeiten ist für 2020 vorgesehen.

RECHT & UNBILLIG

DUOGYNON: Anklage „Mord“
Der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Bisherige Gerichtsverfahren um Entschädigung oder die Herausgabe von Firmen-Unterlagen zu diesem Medikament scheiterten. Die Ansprüche seien verjährt, entschieden die RichterInnen. Das können die JuristInnen im Prozess, den Gisela Clerc jetzt in Berlin angestrengen will, jedoch nicht zur Entlastung der Beschuldigten anführen. Die Rentnerin hat nämlich eine Klage gegen Unbekannt wegen Mordes eingereicht. Und für diese Straftat gibt es keine Verjährungsfrist. Clerc bezichtigt die damaligen Beschäftigten von SCHERING, für den Tod ihrer Tochter verantwortlich zu sein, die im Januar 2016 mit nur 47 Jahren an den DUOGYNON-Spätfolgen verstarb. Bei der juristischen Auseinandersetzung stützt sich die 74-Jährige auf neue Dokumente aus dem Berliner Landesarchiv, die belegen, dass die ManagerInnen schon sehr früh Informationen über die fatalen Risiken und Nebenwirkungen des Präparates hatten (Ticker 2/16). Der Leverkusener Multi streitet „einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Einnahme von DUOGYNON und den seinerzeit gemeldeten Fällen“ trotzdem immer noch ab.

ESSURE-Sammelklage in Kanada
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Medizin-Produkt für eine dauerhafte Empfängnis-Verhütung, hat zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch DRUGS & PILLS). „Starke, stechende Becken-Schmerzen, Unterleibsschmerzen“, nennt etwa Susan Hill. Zudem litt die 38-jährige Kanadierin an blutenden Ausschlägen, bis sie sich dazu entschloss, die Spirale entfernen zu lassen. Dafür beansprucht Hill jetzt Schmerzensgeld: Sie zählt zu den 184 Frauen in ihrem Heimatland, die eine Sammelklage gegen BAYER eingereicht haben. Auch in den USA zogen bereits dutzende ESSURE-Geschädigte vor Gericht.

Neue YASMIN-Klage
In den USA sieht sich der Leverkusener Multi wegen der Nebenwirkungen seiner Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie Tausenden von Prozessen gegenüber, was ihn bereits 1,9 Milliarden Dollar Schadensersatz kostete. In Europa hat BAYER von den Gerichten in Sachen „VerbraucherInnenschutz“ weniger zu befürchten. Aber auch hier häufen sich die juristischen Auseinandersetzungen. Allein 80 Klagen gibt es in Frankreich. In der Bundesrepublik tut sich ebenfalls etwas. Neben Felicitas Rohrer hat nun auch Christian Schock, der seine Frau durch YASMIN verlor, rechtliche Schritte gegen den Pharma-Riesen eingeleitet.

BELT bleibt verboten
Im Jahr 2009 hatte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA BAYERs Pestizid-Wirkstoff Flubendiamid eine vorläufige Genehmigung erteilt. Sie machte es dem Leverkusener Multi dabei zur Auflage, noch Studien zu den Effekten der Substanz auf Wasser-Organismen nachzureichen. Das tat der Konzern jedoch bis heute nicht, während die EPA Belege für die Gefährdung aquatischen Lebens durch Flubendiamid fand. Deshalb entzog die Behörde dem Agro-Riesen die Zulassung für den Stoff, den er z. B. unter den Produktnamen BELT und FAME vertreibt. BAYER legte umgehend Widerspruch gegen die Entscheidung ein. Die Beschwerdekammer der EPA erkannte diesen allerdings nicht an, was für BELT & Co. das Aus auf dem US-Markt bedeutet.

FORSCHUNG & LEHRE

Subventionen für Pflanzen-Forschung
„Gemeinsam zu den Pflanzen der Zukunft“ lautet die Losung von Plant 2030. Das vom Bund großzügig geförderte Projekt setzt auf eine „enge Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft“ und verkündet: „Neue Forschungsergebnisse fließen auf kürzestem Weg in die Entwicklung neuer Sorten ein“. Bei einer solchen konzertierten Aktion macht BAYER natürlich gerne mit. Für ein Vorhaben zur „Verbesserung der Stress-Resistenz, Ressourcen-Nutzung und Produktivität von Nutzpflanzen“ holte sich der Agro-Riese einen Zuschuss von 1,34 Millionen Euro ab. Und für Forschungen zu Pflanzen-Hormonen, die Einfluss auf das Wachstum haben („Bioregulatoren“), strich er sogar knapp 1,9 Millionen Euro ein.

Neue Pflanzenforschungskooperation
BAYER hat mit dem Forschungszentrum Jülich eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pflanzenforschung vereinbart. Nach Angaben des Leverkusener Multis wollen sich die Kooperationspartner dabei auf die Wurzeln von Ackerfrüchten konzentrieren. „Die Kultur-Pflanzen der Zukunft müssen Höchstleistungen erbringen. Und die Ertragsleistung hängt mit der Funktionsweise der Wurzeln zusammen. Wir können stärkere Wurzel-Systeme züchten, wenn wir die Wurzel-Phänotypen und die sie steuernden Gene verstehen“, so der BAYER-Manager Raphael Dumain.

Jahrestagung 2016

CBG Redaktion

BAYER/MONSANTO: Tod auf den Äckern, Gifte im Essen.

Neue Megafusionen – Gefahr für Mensch und Natur
Nach dem Motto „Friss oder stirb“ fallen die Agrochemie-Riesen derzeit übereinander her. Sie wollen „Beute machen“, um ihr Ziel, die Beherrschung der weltweiten Saatgut- und Pestizid-Märkte, zu erreichen. Ihr zynisches Monopoly-Spiel dreht sich also um eines der wichtigsten Güter überhaupt: die Welternährung.

BAYER und MONSANTO zählen zu den weltweit wichtigsten Agro-Multis die unter enormen Risiken für Mensch und Natur die Landwirtschaft der Welt mit „Gift und Genen“ umgestalten. Hierbei schrecken beide nicht vor massiver Einflussnahme auf Gesetzgebung, öffentliche Meinung und Kontrollbehörden zurück. Am Beispiel der im Mai 2016 angekündigten Übernahme von MONSANTO durch BAYER werden wir auf unserer diesjährigen Tagung die konkreten Folgen dieser Entwicklung sowie Möglichkeiten des Widerstandes diskutieren.

[PM Übernahme] BAYERs MONSANTO-Übernahme

CBG Redaktion

Presse Information vom 14.09.2016

Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

BAYERs MONSANTO-Übernahme

Ein schwarzer Tag für die Welternährung

Der Worst Case ist eingetreten: BAYER übernimmt für 66 Milliarden Dollar MONSANTO. Damit entsteht der mit Abstand größte Agro-Konzern der Welt. Die Geschäftszahlen von 2015 zugrunde gelegt, kommen beide Unternehmen zusammen auf einen Umsatz von 23,1 Milliarden Dollar. Damit kann niemand aus der Branche mithalten. Die frisch vermählten Paare SYNGENTA/ChemChina und DUPONT/DOW folgen mit weitem Abstand (14,8 bzw. 14,6 Milliarden), und auf Rang vier landet abgeschlagen BASF mit 5,8 Milliarden.

Bei den Pestiziden erreichen BAYER und MONSANTO zusammen einen Marktanteil von rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte und konventionelle Ackerfrüchte einen von rund 30 Prozent. Allein die Gen-Pflanzen betrachtet, erreichen die beiden Gesellschaften vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine klare Monopol-Stellung.

„Mit der Übernahme von MONSANTO durch BAYER erreicht die Konzentration auf dem Agro-Markt einen neuen Höhepunkt. Schlüsselelemente der Nahrungsmittelkette liegen nun in der Hand eines einzigen Konzerns. Die LandwirtInnen müssen sich nun auf höhere Preise einstellen und haben überdies weniger Auswahl. Zudem dürfte sich der Innovationsstau der Branche, vor allem bei den Herbiziden, noch einmal zuspitzen“, kritisiert Toni Michelmann von der Geschäftsstelle der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Auch die Verbraucherschutzorganisation SumOfUs spricht sich gegen den MONSANTO-Kauf aus. „Die Übernahme ist eine Bedrohung für unsere Lebensmittelversorgung und für alle Bauern und Bäuerinnen auf der Welt“, so Anne Isakowitsch. „Es sei daher kein Wunder, dass über 500.000 unserer Mitglieder eine Petition gegen die Übernahme unterzeichneten. Umso empörender, dass die Übernahme entgegen aller Verbraucherinteressen nun in trockenen Tüchern scheint.“

Michelmann kündigte an, die CBG würde das im Oktober in Den Haag stattfindende MONSANTO-Tribunal nutzen, um sich mit den verschiedenen MONSANTO-Initiativen kurzzuschließen und den konzern-kritischen Widerstand nun mit dem Fokus auf BAYER neu auszurichten. Erste gemeinsame Aktionen plant die Coordination bei der nächsten Hauptversammlung des Leverkusener Multis am 28. April 2017 in den Kölner Messehallen. „Die Rednerliste dürfte kaum an einem Tag abzuarbeiten zu sein. BAYER kann vorsichtshalber schon mal den 29. April mitreservieren“, rät Michelmann dem Global Player. Auch einen „March against BAYER“ mit dem Zielpunkt Leverkusen stellte er in Aussicht.

„Der Konzern kann sich auf einiges gefasst machen. Der Druck auf eine Geschäftspolitik, die vorgibt, den Hunger zu bekämpfen, aber vornehmlich auf Soja- und Mais-Monokulturen für die Futtertröge der Massentierhaltung setzt und mit seinen Pestiziden zudem wichtige Bestäuber für Acker-Pflanzen wie Bienen gefährdet, auf eine Geschäftspolitik, die auf Risikotechnologien wie Gen-Manipulationen setzt, und auf eine Geschäftspolitik, die immer mehr Gifte auf die Felder bringt, statt nach Alternativen Ausschau zu halten, wird größer werden“, hält der Chemiker fest.

Nach Ansicht der Coordination muss auch die Politik handeln. Und dabei darf es keinesfalls bei einigen kosmetischen Eingriffen von Seiten der EU-Wettbewerbskommission bleiben. Mit ein paar kleinen Auflagen wie etwas solchen, sich vom Baumwoll-Geschäft zu trennen oder einige Pestizide abzustoßen, ist es nicht getan, zumal BASF schon nach solchen Zukäufen lechzst. Auch die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und die Steuerzahlungen hat die Politik zu berücksichtigen. Es darf keinesfalls dazu kommen, dass BAYER die Akquisition von der Steuer absetzt und Standort-Städte wie Leverkusen so noch stärker in die Miesen geraten. Etwaige Versuche des Unternehmens, die mit dem Deal verbundenen Schulden durch Arbeitsplatzvernichtungen oder Rationalisierungsmaßnahmen abzubauen, gilt es ebenfalls von vornherein auszuschließen.

Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG abschließend: „Das aus reiner Profit-Gier betriebene zynische Poker-Spiel um MONSANTO zeigt einmal mehr, dass die Welternährung eine zu ernste Sache ist, um sie den Agro-Riesen zu überlassen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN tritt deshalb dafür ein, die Konzerne unter gesellschaftliche Kontrolle zu stellen.“

[BayerArgum] Monsanto Übernahme

CBG Redaktion

Presseinformation vom 14.07.2016

Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. (CBG)

MONSANTO-Übernahme

BAYERs Argumente überzeugen nicht

Anfang Juni hatten die OrganisatorInnen des MONSANTO-Tribunals einen Offenen Brief an den BAYER-Konzern verfasst. Darin stellten unter anderem die indische Aktivistin Dr. Vandana Shiva und die Grünen-Politikerin Renate Künast Fragen zum Kauf des US-amerikanischen Agro-Multis MONSANTO, den das Unternehmen plant. Die Antworten des Global Players darauf fallen jedoch äußerst dürftig aus. So schweigt die Aktien-Gesellschaft sich dazu aus, ob sie für alle von MONSANTO angerichteten Schäden und Altlasten aufkommen will. Auch über mögliche Sondervergütungen für die ManagerInnen-Riege im Falle einer gelungenen Übernahme will die Firma lieber nicht reden. Stattdessen wiederholt sie die zuvor schon in der Öffentlichkeit immer wieder gebetsmühlenartig präsentierte Formel, der Deal habe vorrangig das Ziel, bessere Antworten auf das Problem der Welternährung zu finden. „Gemeinsam könnten wir in Zukunft noch schneller neue Lösungen für die Landwirtschaft entwickeln“, stellt BAYER in Aussicht. Toni Michelmann von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) weist das als pure Rhetorik zurück: „Es gibt einen riesigen Innovationsstau in der Landwirtschaftsbranche. Und der Erwerb von MONSANTO erlaubt es BAYER, trotz fehlender Neuentwicklungen weiter Milliarden einzufahren, weil die Monopol-Stellung sichere Gewinne garantiert.“

Michelmann verweist in diesem Zusammenhang auf eine jüngst erschienene Studie des Düsseldorfer Institutes für Wettbewerbsökonomik, wonach Fusion und Übernahmen die Forschung lähmen. Die Untersuchung, die sich Transaktionen im Pharma-Sektor widmete, stellte ein Schrumpfen der entsprechenden Etats um ca. 20 Prozent fest. Zudem registrierten die WirtschaftswissenschaftlerInnen auch Auswirkungen auf die Mitbewerber. Diese steckten den ForscherInnen zufolge wegen des nachlassenden Innovationsdrucks ebenfalls weniger Geld in ihre Labore, so dass die gesamte Branche an Dynamik verlor.

Noch nicht einmal an den guten Willen des Konzerns mag der CBGler glauben. „Schon ein Blick auf die Produkt-Palette von BAYER und MONSANTO zeigt, dass die Agro-Riesen sich herzlich wenig für die Versorgung der Menschen mit Grundnahrungsmitteln interessieren. Sie haben mit Soja und Mais nämlich vorzugsweise Futtermittel für die globale Fleisch-Industrie im Angebot.“

Überdies verdrängten die riesigen Anbau-Flächen für diese Pflanzen immer mehr solche für wirklich wichtige Güter des täglichen Bedarfs, so Michelmann mit Blick auf die aktuelle Lage in Brasilien. Dort erhöhte sich der Preis für Bohnen, mit denen sich gerade die Ärmsten der Armen ernähren, drastisch, hauptsächlich, weil es kaum noch Felder gibt, auf denen sie wachsen. Die für den Weltmarkt produzierten „Cash fruits“ haben die Hülsenfrüchte nämlich von den Äckern vertrieben. Um die „Bohnen-Krise“ zu lösen, erwägt die brasilianische Regierung deshalb jetzt, die Gemüse-Sorte aus China zu importieren.

Die Agro-Riesen sind also viel eher Teil des Problems als Teil der Lösung. Vandana Shiva drückte es jüngst in Berlin am Rande einer von der CBG mitveranstalteten Pressekonferenz folgendermaßen aus: „Unternehmen wie BAYER und MONSANTO stellen eine wachsende Bedrohung für die Artenvielfalt und die Fruchtbarkeit der Böden dar, was die Menschheit und den ganzen Planeten gefährdet.“

Und Im Doppelpack potenziert sich diese Gefahr noch einmal. Die EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager kündigte zwar an, BAYERs MONSANTO-Übernahme genau zu prüfen und ihre Auswirkungen auf die Preise, die Artenvielfalt und die Innovationstätigkeit in den Blick zu nehmen, aber die Coordination erwartet sich kaum etwas davon. „Außer vielleicht ein paar Auflagen hat BAYER von der EU nicht viel zu befürchten“, konstatiert CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura. Der Diplom-Kaufmann plädiert daher für einschneidendere Maßnahmen: „BAYER, MONSANTO, Dow & Co. spielen nun bereits seit Jahren ein zynisches Monopol-Spiel mit den Ernährungsgrundlagen der Menschheit als Einsatz und dem einzigen Ziel, die Renditen für ihre AnteilseignerInnen zu steigern. Das zeigt, dass die Konzerne ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. Darum fordern wir, sie unter gesellschaftliche Kontrolle zu stellen.“

[Edit] STICHWORT BAYER 3/2016

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

jetzt will der BAYER-Konzern also auch noch MONSANTO übernehmen und damit die weltweiten Nahrungsmittel-Märkte unter seine Kontrolle bringen! Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat das in den letzten Wochen kaum Ruhe gelassen. Es galt, mit einer Presseerklärung schnell auf den geplanten Coup zu reagieren, Hintergrund-Material zusammenzustellen, rund um die Uhr auf JournalistInnen-Anfragen zu reagieren – und nicht zuletzt gemeinsam mit Bündnispartnern wie CAMPACT und SUM OF US Gegenwehr zu organisieren. Die Redaktion von Stichwort BAYER (SWB) war da natürlich auch gefragt. Sie hat für viele Zeitungen und Zeitschriften Artikel zum Mega-Deal produziert – und den ausführlichsten selbstredend für die vorliegende SWB-Ausgabe erstellt. Damit nicht genug, hat unser Grafiker zur Unterstützung der „Baysanto“-Kampagne überdies noch eine Anzeige für die letzte Umschlagseite entworfen. Die Verhinderung von BAYERs Versuch, ein neues Agro-Monopol zu begründen, macht nämlich nicht nur viel Arbeit, sie ist noch dazu leider nicht umsonst zu haben.
Die neueste Volte des Pharma-Riesen traf uns zudem noch in dem ungünstigen Moment, da unser alter Geschäftsführer nicht mehr und sein Nachfolger noch nicht bei uns war. Philipp Mimkes, der zur Menschenrechtsorganisation FIAN wechselt, wird auch dem Stichwort sehr fehlen. Viele Artikel hat er im Laufe der Jahre für unser Magazin verfasst. Sein Abschiedstext in dieser Nummer beschäftigt sich mit der alles andere als traumhaften „Dream Production“ des Leverkusener Multis, der Nutzung von Kohlendioxid zur Herstellung von Kunststoffen.
Die Nutzung der Universität Köln zur Herstellung von Arznei-Stoffen – dieses Ansinnen stand hinter dem Kooperationsvertrag, den der Pharma-Riese mit der Hochschule geschlossen hatte. Die Coordination klagte vergeblich um Einsichtnahme, aber die Auseinandersetzung um Transparenz in der Drittmittel-Forschung geht weiter. So initiierte die nordrhein-westfälische Piraten-Partei eine Anhörung zum Thema im Düsseldorfer Landtag, zu der sie auch einen Vertreter der CBG eingeladen hatte. Und das SWB war selbstverständlich vor Ort.
Darüber hinaus verfolgt das Stichwort BAYER die Auseinandersetzung in Leverkusen um den Ausbau der Autobahn A1 weiter. „Straßen.NRW“ will nämlich einen Teil der Strecke über BAYERs ehemalige Giftmüll-Deponie führen und dafür trotz massiven Widerstands das Chemie-Grab wieder öffnen.
Auch die neue Gentechniken bleiben unter Beobachtung. Christoph Then von der Initiative TESTBIOTECH besuchte das Europäische Patentamt in München und schaute nach, wie viele Patent-Anträge auf Verfahren, bei denen neue Techniken wie Gen-Scheren zum Einsatz kommen, die Multis schon gestellt haben. Then fand eine ganze Menge, und BAYER war natürlich wieder mit vorneweg. Sollte der Global Player wirklich MONSANTO schlucken, dann droht in diesem Bereich ebenfalls eine bedenkliche Markt-Konzentration, warnt der Gentechnik-Experte.
Und last but not least darf natürlich in keiner Sommer-Ausgabe des SWB die ausführliche Berichterstattung über die Hauptversammlung fehlen: alle 24 Gegen-RednerInnen, alle 24 Nicht-Antworten des Vorstandsvorsitzenden und noch vieles mehr. Eine auf- und anregende Lektüre wünscht also

Jan Pehrke

[Patente] STICHWORT BAYER 3/2016

CBG Redaktion

Gene & Klone

Zahlreiche Anmeldungen für neue Gentech-Verfahren

BAYERs Patent-Pipeline

Neue Gentechnik-Verfahren wie der Einsatz der DNA-Scheren (Nukleasen) werden in der EU kontrovers diskutiert. Ein von den Befürworten häufig vorgebrachtes Argument ist, dass diese Verfahren dank geringerer Kosten kleineren Unternehmen Zugang zum Geschäft mit Gentechnik-Pflanzen ermöglichen können. Doch sieht man sich die Entwicklung genauer an, stellt man fest, dass altbekannte Konzerne wie BAYER, MONSANTO und DUPONT/DOW sich längst in Stellung gebracht haben, um ihre Marktposition durch Patent-Anmeldungen auch in diesem Bereich systematisch auszubauen. Und durch die geplanten Fusionen der Seed Giants wird sich die Siuation noch einmal dramatisch zuspitzen.

Von Christoph Then (TESTBIOTECH )

Seit einigen Jahren wird über eine Reihe von neuen Gentechnik-Verfahren diskutiert, die als „Genom-Editing“ oder als „Synthetische Gentechnik“ und von einigen Protagonisten auch als „Neue Züchtungsverfahren“ bezeichnet werden. Diese sollen auch im Rahmen der Züchtung von Nutz-Tieren und – Pflanzen eingesetzt werden. Dabei geht es u. a. um folgende technische Anwendungen:
• die künstliche Synthese von DNA
• der Einbau von synthetischer DNA in das Erbgut von Pflanzen und Tieren mithilfe von Nukleasen (DNA-Scheren) wie CRISPR-Cas.
• Eingriffe in die Genregulierung.

Die neuen Methoden unterscheiden sich erheblich von dem, was bisher unter dem Begriff Gentechnik verstanden wurde:
• Die Struktur der DNA ist nicht mehr abhängig von natürlichen Vorlagen, sondern kann am Computer umgeschrieben und im Labor synthetisiert werden.
• Mit den neuen Verfahren sind auch radikale Veränderungen im Erbgut möglich, wie die Einfügung von Erbmaterial, für das es keine natürliche Entsprechung gibt.
• Nicht nur die Struktur des Erbguts, sondern auch die Häufigkeit der Vererbung kann verändert werden: Sogenannte Gene-Drives ermöglichen es, dass sich die neuen Gene in den nachfolgenden Generationen wesentlich schneller ausbreiten.

Häufig wird die Ansicht geäußert, dass die neuen Verfahren wie CRISPR-Cas die Herstellung von Gentechnik-Pflanzen erheblich beschleunigen können: Sie sollen nicht nur gezielter, sondern auch wesentlich billiger sein. Tatsächlich wenden viele Forschungseinrichtungen diese neuen Verfahren bereits an, die Materialkosten sind auf der Ebene des Labors gering. Jedoch sind die Verfahren keineswegs so zielgenau, wie oft behauptet wird. Es ist deswegen eine ganze Reihe von zum Teil aufwändigen technischen Schritten nötig, um tatsächlich Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften zu erhalten. Es muss insgesamt bezweifelt werden, dass die neuen Gentechnik-Verfahren tatsächlich wesentlicher billiger oder sicherer sind als die bisherigen Methoden (siehe Then, 2016a).

Die Monopolisten bleiben
Es kann dagegen kein Zweifel daran bestehen, dass die Konzerne, die schon jetzt als „Seed Giants“ gelten, auch den Einsatz der neuen Gentechnik-Verfahren an Nutzpflanzen ganz wesentlich beeinflussen werden. Die aktuelle Entwicklung folgt dabei ganz der bisherigen Strategie der Konzerne. Mit dem Einzug der Gentechnik in den 1980er Jahren ging eine erhebliche Umwälzung der Saatgutbranche einher. Unternehmen wie MONSANTO und DUPONT weiteten ihr Geschäftsmodell, das auf Patenten beruht, auf die Pflanzenzucht aus. Inzwischen ist die Firma MONSANTO mit einem Marktanteil von rund 25 Prozent weltweit der größte Anbieter von Saatgut. Auch für BAYER markiert die Gentechnik einen Wendepunkt: Der Leverkusener Multi übernahm das Geschäft mit den Gentechnik-Saaten von Firmen wie HOECHST, AGREVO und PLANT GENETIC SYSTEMS und ist derzeit neben MONSANTO, DUPONT, SYNGENTA und DOW einer der größten Anbieter von patentiertem Gentechnik-Saatgut. BAYERs Spezialität sind – ähnlich wie bei MONSANTO – herbizid-resistente Pflanzen, die zusammen mit dem passenden Spritzmittel im Doppelpack verkauft werden können.
Im Zusammenhang mit den neuen Gentechnik-Verfahren ist davon auszugehen, dass sich die Entwicklung fortsetzt: Entsprechende Verfahren werden, ebenso wie damit manipulierte Pflanzen und Tiere, systematisch zum Patent angemeldet. Auf absehbare Zeit wird der Einsatz der neuen Techniken dazu führen, dass der Konzentrationsprozess in der Branche weiter fortschreitet, weil die Großen kleinere Firmen aufkaufen oder vom Markt verdrängen
Durch die Einführung der neuen Gentechnik-Verfahren könnte die Dominanz von BAYER & Co. nicht nur im Bereich der Pflanzenzucht erheblich verschärft werden: Falls es zu einem Einsatz der neuen Gentechnik-Verfahren im Bereich der landwirtschaftlichen Tierzucht kommen würde, ist ein Bereich betroffen, der, anders als die Pflanzenzucht, von Patenten bisher weitgehend verschont geblieben ist. Es gibt bereits Firmen, die sich auf diesen Bereich spezialisiert haben und reihenweise Patente auf Nutztiere anmelden, die mit Hilfe der synthetischen Gentechnik manipuliert werden (Then, 2016b). Diese Entwicklung kann erhebliche strukturelle Verschiebungen verursachen: Die Patentierung würde beispielsweise auch LandwirtInnen betreffen, die, wie bisher üblich, ihre Milchkühe selber züchten und diese auch verkaufen. Diese FarmerInnen dürften in Zukunft zwar ihre Kühe noch melken, aber ohne Zustimmung der Patentinhaber nicht mehr zur Zucht verkaufen.

Aktuelle Patentrecherche
Eine Patentrecherche von TESTBIOTECH, deren Ergebnis 2016 veröffentlicht wurde (Then, 2016a) zeigt, dass BAYER neben DOW und DUPONT zu den Konzernen gehört, die im Bereich der Pflanzenzucht die meisten Patente auf den Einsatz der neuen Gentechnik-Methoden anmelden.
Bei der Recherche berücksichtigt wurden Patent-Anmeldungen der großen Saatgutkonzerne wie MONSANTO, SYNGENTA, DUPONT und BAYER und ihre Kooperationspartner. Gesucht wurde nach Patentanträgen der letzten Jahre betreffend
• Anwendungen von Nukleasen (CRISPR-Cas).
• Einsatz von kurzen synthetischen DNA-Abschnitten (Oligonukleotiden)
• Methoden der RNA-Interferenz (RNAi) zur Beeinflussung der Gen-Aktivität.

Demnach sind Patentanmeldungen auf Nukleasen (33) am häufigsten, gefolgt von Anträgen auf RNAi-Anwendungen (20) und die Verwendung von Oligonukleotiden (12). DUPONT und DOW sowie BAYER sind die Konzerne, die am meisten Patent-Anträge eingereicht haben. Das ist im Hinblick auf die weitere Entwicklung brisant, denn DUPONT und DOW sind dabei zu fusionieren, und dieser Zusammenschluss würde ihre Stellung in diesem Bereich noch einmal erheblich verstärken. Berücksichtigt man zudem noch die Kooperationspartner, so hat sich DUPONT einen weiteren Vorteil verschafft: Das Unternehmen hat einen Vertrag mit der Firma CARIBOU abgeschlossen, einer Ausgründung der University of California, die bei der Entwicklung von CRISPR-Cas eine Pionier-Rolle spielte und auf diesem Gebiet umfassende Patente angemeldet hat.
Auch BAYER hat in diesem Bereich nicht nur eine relativ hohe Anzahl an Patenten angemeldet, sondern mit den Firmen CALYXT (ehem. CELLECTIS) und KEYGENE auch spezialisierte Kooperationspartner mit entsprechenden Schutzrechten. Und zu diesem Kreis stieß jüngst noch CRISPR THERAPEUTICS hinzu. Werden im Rahmen dieser Zusammenarbeit neue Verfahren entwickelt, die in der Landwirtschaft nutzbar sind, gehen die Rechte an den Leverkusener Multi. Dagegen ist – derzeit – die Position von MONSANTO und SYNGENTA relativ schwächer. Das Bild könnte sich dramatisch verändern, wenn es zu einer Übernahme von MONSANTO durch BAYER käme, wie derzeit diskutiert: Dann würde die Marktführerschaft bei Gentechnik-Saatgut und bei den Patenten in einem Konzern vereinigt.
Eine relativ große Anzahl der aktuellen Patent-Anträge von BAYER zielt auf Anwendungen, die auch schon bisher verfolgt wurden, nämlich die Entwicklung von herbizid-resistenten Pflanzen. Dies ist für den Konzern nicht überraschend. Er will sich in den letzten Jahren zwar zu einem Life-Science-Unternehmen gewandelt haben, ist aber nach wie vor einer der Marktführer beim Geschäft mit der Agrochemie. Der Global Player setzt dabei - ähnlich wie MONSANTO - auf den Verkauf von Spritzmitteln und patentiertem Saatgut im Doppelpack. Da sein Spritzmittel Glufosinat, das er unter Namen wie BASTA ODER LIBERTY vertreibt, im Jahr 2017 seine EU-Zulassung verlieren soll, setzt der Agro-Riese jetzt unter anderem auf sogenannte ALS-Inhibitoren. Das sind Herbizide, die schon seit vielen Jahren eingesetzt werden und gegen die zahlreiche Unkräuter bereits Resistenzen entwickelt haben. Ob diese Strategie erfolgversprechend ist, bleibt abzuwarten. Andere Patent-Anträge von BAYER & Co. zielen auf das Entfernen von natürlichen DNA-Abschnitten, um beispielsweise die Öl-Zusammensetzung von Soja zu verändern – auch dies ist keine wirklich neue Idee.
Durch die Kooperation mit der Firma CALYXT könnte BAYER sein Geschäftsfeld aber erweitern: Mehrere der Patent-Anträge dieser Firma erstrecken sich auf Tiere. Im Patentantrag WO2005105989 werden beispielsweise alle Pflanzen und Tiere als Erfindung beansprucht, die mit bestimmten Nukleasen manipuliert werden. Auch die Kooperation mit der Firma CRISPR THERAPEUTICS dürfte in diese Richtung gehen. Vielleicht verkauft BAYER ja demnächst ja auch Antbiotika und Schweine im Doppelpack. Weitere Informationen finden sich hier:

Then, C. (2016a) Synthetic gene technologies applied in plants and animals used for food production Overview on patent applications on new techniques for genetic engineering and risks associated with these methods, Testbiotech, www. testbiotech. org/node/1543

Then, C. (2016b) Gentechnik-Tiere: Risiko für Mensch und Umwelt, Studie im Auftrag der Grünen im Deutschen Bundestag, Testbiotech, www. testbiotech. org/node/1568

[HV-Bericht] STICHWORT BAYER 3/2016

CBG Redaktion

Aktion & Kritik

Turbulente BAYER-Hauptversammlung

Profite & Proteste

Die diesjährige BAYER-Hauptversammlung sollte eine rauschende Abschiedsparty für den scheidenden Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers werden, denn der Niederländer hatte die Erträge des Leverkusener Multis noch einmal beträchtlich steigern können. Doch dazu ließen es ImkerInnen, Medikamenten-Geschädigte, Pipeline-GegnerInnen und andere Konzern-KritikerInnen nicht kommen. Sie zogen nämlich eine ganz andere Bilanz der Ära Dekkers.

Von Jan Pehrke

Schon früh am Morgen der BAYER-Hauptversammlung war die Polizei mit drei Mannschaftswagen vor dem Kölner Messegelände aufgefahren. Ihr schwante offenbar Böses. Und gut wurde es im Folgenden wirklich nicht für den Leverkusener Multi. Bald nämlich schon füllte sich der Vorplatz mit einem bunten Völkchen, das mit Dividenden so gar nichts im Sinn hatte. ImkerInnen streiften ihre weißen Schutzanzüge über, warfen ihre Rauchbläser an und errichteten einen Bienenfriedhof, um gegen die tödlichen Pestizide made by BAYER zu protestieren, die ihre Tiere elendig verenden lassen. Unterstützung erhielten sie dabei von den fleißigen Bienen des BUND und der Initiative SUM OF US, die überall herumschwirrten und Flugblätter verteilten. Auch GegnerInnen des Ausbaus der Autobahn A1 hatten sich eingefunden, soll doch die neue Strecke teilweise über die Dhünnaue-Deponie des Multis führen, was eine Öffnung des Gift-Grabes notwendig macht. Mit ihrem Chemie-kotzenden Haus aus den alten Zeiten des Protestes gegen die Müll-Lagerstatt führten die Leverkusener den AktionärInnen die Gefahren des Vorhabens plastisch vor Augen. Neben ihnen hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen kleinen Kindergarten aufgebaut. Mittendrin injizierte ein Arzt den Kindern mit einer riesigen Spritze BAYER-Stoff – eine drastische Illustration des Angriffs auf die Köpfe der Kleinsten, den der Global Player mit der Verteilung seiner Wimmelbücher in den Horten gestartet hat.

Zu noch extremeren Mitteln griffen aus gegebenem Anlass die vielen Medikamenten-Geschädigten bzw. deren Angehörige. Mitglieder von RISIKO PILLE hatten zum Gedenken an die Frauen, die durch Verhütungspräparate des Pharma-Riesen umkamen, eine Reihe von Kreuzen aufgestellt. „Tina 22 – Pille: YASMIN – Lungenembolie mit Todesfolge“ war darauf beispielsweise zu lesen. Diesen Anblick wollten die Polizei und BAYER dem HV-Publikum möglichst ersparen. Die Ordnungshüter gaben immer wieder rote Linien vor, die der Protest nicht überschreiten dürfe, weil er sonst den AktionärInnen zu nahe gerückt wäre. Sogar Anordnungsstrafen drohten sie an. Das Unternehmen indessen ließ die Busse, welche die Aktien-HalterInnen vom Bahnhof zur Messe kutschierten, nicht etwa direkt vor dem Eingang, sondern weit ab vom Schuss halten. Aber den Konzern-KritikerInnen gelang es trotzdem, die Kontaktsperre zu unterlaufen und die BesucherInnen mit Informationen zu versorgen.

In der Halle selber tat sich denen dann ein völlig andere Welt auf. Hatte der Global Player draußen noch „low profile“ gezeigt und alle optischen Hinweise auf sich selber und seine Hauptversammlung getilgt, um nicht zusammen mit den AktivistInnen auf einem Presse-Foto zu erscheinen, so zeigte er im „geschützten Raum“ vollen Einsatz. Kaum ein Quadratzentimeter Wand blieb als BAYER-Werbefläche ungenutzt. Und hatte es vor den Toren auf einem CBG-Transparent noch geheißen: „Opgepast Marijn Dekkers, Profit is niet lekkers!!“, so fanden Aufsichtsrat und Aktionärs-Vertreter in der Messehalle gerade daran Geschmack. „Sie haben die vom Aufsichtsrat in Sie gesteckten Erwartungen mehr als erfüllt, BAYER hervorragend weiterentwickelt und entscheidende Weichen gestellt“, bedankte sich Aufsichtsratschef Werner Wenning bei dem Niederländer, hatte der die Aktien-Gesellschaft doch zwischenzeitlich sogar zum wertvollsten Konzern Deutschlands gemacht. Marc Tüngler von der „Schutzvereinigung für Wertpapier-Besitz“ mochte da nicht hintanstehen und schwärmte von einer „extrem beeindruckenden Performance“.

Aber nach diesen Ausführungen und der Rede von Marijn Dekkers himself war es mit der Profit-Herrlichkeit auch schon wieder vorbei. Die KritikerInnen übernahmen das Wort und sollten es bis zum Ende der Veranstaltung nicht mehr abgeben. 24 Einsprüche gegen die Logik des Kapitals formulierten sie und setzten dabei Themen wie Nebenwirkungen von Medikamenten, Bienensterben und andere Pestizid-Folgen, Gentechnik, die Kohlenmonoxid-Pipeline, Steuertricks, Konzern-Propaganda und die Lage der Beschäftigten auf die Tagesordnung. So mancher von ihnen nahm dafür eine weite Anreise in Kauf. Mani Prakash etwa war extra aus Indien nach Deutschland geflogen, um darzulegen, was BAYER-Pestizide in ihrem Land anrichten. Allerdings durfte sie es nicht selber tun: Obwohl der Konzern sich immer viel auf seine Internationalität zugute hält, besteht er bei seinen Hauptversammlungen auf „Deutsch“ als Amtssprache. So sprang Carolijn Terwindt vom EUROPEAN CENTER FOR CONSTITUTIONAL AND HUMAN RIGHTS der Inderin bei und verlas die Übersetzung des Beitrags. „Ich bin eine Anwältin aus Bombay. Vor Kurzem habe ich mehrere Dörfer in Indien besucht, um mir selbst ein Bild zu machen von den Vorteilen der Pestizid-Nutzung durch die örtlichen Bauern. Zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass BAYER in diesen Dörfern erhebliche Verletzungen nationaler und internationaler Gesetze und Standards vorgeworfen werden kann“, bekamen die AktionärInnen so zu hören. Der Agro-Riese informiert nämlich Prakash zufolge weder HändlerInnen noch LandwirtInnen in ausreichendem Maße über die Gefahren der Ackergifte und verstößt damit gegen die Richtlinien der UN-Welternährungsorganisation FAO. Überdies hält er kaum Schulungen ab und verteilt auch keine Schutzkleidung. Zudem fehlen auf den Packungen in verständlicher Form angebrachte Sicherheitshinweise. Als Folge davon klagen viele FarmerInnen über Hautreizungen, Kopfschmerzen, Übelkeit und Fieber. „Besonders problematisch ist, dass viele Kinder auf den Äckern und auch beim Sprühen von Pestiziden helfen. Auch sie leiden dann unter brennenden Augen und Haut-Problemen“, klagte die Juristin aus Bombay an.

Gemma López kam aus Spanien nach Köln. ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, hatte sie dazu veranlasst. Eine schier unendliche Krankengeschichte hatte sie im Gepäck. Und da diese möglichst wenig AktionärInnen zu Gehör kommen sollte, hat die Hauptversammlungsregie López – ebenso wie die anderen Medikamenten-Geschädigten – erst spät am Nachmittag vor das Mikrofon treten lassen. Von Unterleibsbeschwerden, Uterus-Kontraktionen, chronische Erschöpfung, schmerzvollem Geschlechtsverkehr und Organ-Schädigungen berichtete die Spanierin. „Die Schmerzen waren manchmal unerträglich, und unser Leben verwandelte sich in einen Alptraum“, so López. Fünf Jahre dauert das Martyrium nun schon an, und ein Ende ist immer noch nicht abzusehen. Nachdem die ÄrztInnen der Frau schon die Eileiter entfernen mussten, steht demnächst die Extraktion der Gebärmutter an. In fast perfektem Deutsch warnte sie den Vorstand: „Seien Sie sich eines bewusst: Die betroffenen Frauen in Europa sowie in den Vereinigten Staaten mobilisieren sich, damit die Gesundheitsämter in dieser Sachlage eingreifen!“

López engagiert sich dafür in der Assoziation der spanischen ESSURE-Geschädigten. Angélica del Valle steht dieser Organisation vor. Die 33-Jährige stellte deshalb in der Messe-Halle von Anfang an klar, dass sie nicht nur für sich selbst spricht. Gleich nachdem sie dem Saal ihren Namen genannt hatte, ergänzte sie: „Auch heiße ich Gemma und Elena“ und fuhr dann nach einer Weile fort: „Ich bin auch Angie – 5.300 betroffene Frauen in den Vereinigten Staaten, bin Marielle – 1.550 Frauen in Frankreich.“ In Österreich endete schließlich ihre Vorstellungstour.

Die Mitglieder von RISIKO PILLE – INITIATIVE THROMBOSE-GESCHÄDIGTER griffen zu einer anderen Methode, um sich nicht als bedauerliche Einzelfälle abspeisen zu lassen: Sie schritten gleich in Mannschaftsstärke vor das Mikrofon. Christin Berndt sprach für die Gruppe und konfrontierte den Saal zu Beginn mit acht Schicksalen von Frauen, denen die BAYER-Verhütungsmittel wegen ihres besonders hohen Thrombose-Risikos zum Verhängnis wurden. „Luisa wurde nur 17 Jahre alt. Sie starb nach dreistündigen Wiederbelebungsmaßnahmen an einer Lungenembolie. Tina brach auf dem Bürgersteig zusammen, wurde vergeblich eine Dreiviertelstunde reanimiert und starb mit nur 22 Jahren an einer Lungenembolie“, hob sie an und schloss ihre Aufzählung mit der 23-jährigen Nina, während Susan Tabbach die Portraits der Verstorbenen hochhielt. „Diese acht Frauen, Herr Dr. Dekkers, sind Teil ihrer Bilanz“, resümierte Berndt und hielt fest: „Sie stehen stellvertretend für die hunderten von toten und zehntausenden von geschädigten Frauen weltweit, die nach Einnahme ihrer Produkte schwere gesundheitliche Schäden erlitten haben oder verstorben sind.“
Auch Stephan Schickentanz erhob Einspruch gegen die verharmlosende Rede von den Einzelfällen und widerlegte sie mathematisch. Es stützte sein Rechen-Exempel auf die rund zwei Milliarden Dollar, welche der Pharma-Riese in den USA bisher schon als Entschädigungen gezahlt hat und fragte den Vorstand: „Entschuldigung, Milliarden-Beiträge für Einzelfälle? Wie viel Geld hat eine geschädigte Frau denn bekommen? 20 Millionen oder 50 Millionen Euro??? Nein, liebe Aktionäre, keine Frau hat 20 Millionen bekommen, sondern nur einen minimalen Bruchteil davon.“

Und damit endeten die Beiträge zu den bitteren Pillen aus dem Hause BAYER noch lange nicht. Andre Sommer ergriff zu dem Schwangerschaftstest DUOGYNON das Wort, den der 2006 vom Leverkusener Multi geschluckte SCHERING-Konzern bis in die 1970er Jahre hinein vermarktet hatte – mit verheerenden Folgen. Tausende Mütter brachten Kinder mit Geburtsfehlern wie Herzstörungen, offenen Rücken, deformierten Gliedmaßen und/oder Organ-Schädigungen zur Welt. Auch Sommer hat bereits zahllose Operationen hinter sich. In Köln berichtete der Lehrer von seinen neuen Archiv-Funden. Diese belegten einmal mehr, dass SCHERING schon sehr früh von den verheerenden Wirkungen des Mittels wusste – und alles tat, um nichts tun zu müssen.
Angesichts der erdrückenden Belege riet ein Experte SCHERING den Dokumenten zufolge, in den Schadensersatz-Prozessen bei der Kausalitätsfrage anzusetzen und systematisch Zweifel an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Medikament und den unerwünschten Arznei-Effekten zu säen. Zudem eruierte der Konzern die politische Stimmung im Unterhaus und ließ PolitikerInnen-Dossiers anfertigen. Über einen Mandatsträger hieß es darin beispielsweise: „Ein führender linker Flügelspieler, unnachgiebig, sehr klug, ein gewaltiger Gegner, vollkommen unbestechlich“. Auch mit Wissenschaftlern schloss der Konzern sich kurz. Ein Mitarbeiter der englischen Gesundheitsbehörde traf sich auf den Bermudas mit UnternehmensvertreterInnen und sicherte ihnen zu, eine DUOGYNON-kritische Untersuchung zu vernichten. Ein Mediziner sandte SCHERING sogar seine Studie vor der Veröffentlichung zu und fragte servil an: „Haben Sie wichtige Vorschläge für Text-Änderungen?“ Damit nicht genug, machte er überdies das Angebot: „Falls größere, gravierendere Passagen geändert werden müssten, könnte ich evtl. auch das Manuskript vom Verlag zurückerbitten, bevor es in Druck geht.“ „Sieht so für den BAYER-Konzern unabhängige Wissenschaft aus? Ist das die gängige Art?“, fragte Andre Sommer bohrend.

Marijn Dekkers gab die Antwort darauf en passant. Ungerührt verwies er Sommer und anderen Medikamenten-Geschädigten gegenüber auf genau solche Expertisen, um die Arzneien des Pharma-Riesen zu exkulpieren. „Das Nutzen/Risiko-Profil von ESSURE ist in über 100 Studien dokumentiert“, beschied er etwa Gemma López. Und „kein ursächlicher Zusammenhang“ bestehe zwischen DUOGYNON und den beschriebenen Gesundheitsschädigungen, konstatierte der Ober-BAYER. Die Betroffenen treffen solche Worte bis ins Mark. Sie können nicht verstehen, wie jemand so nonchalant über konkretes Leid hinweggehen kann und brauchen entsprechend lange, um die Hauptversammlung „ wegzustecken“. Umso mehr Respekt verlangt einem ihre Bereitschaft ab, sich dieser Belastung auszusetzen.
Margret-Rose Pyka, die DUOGYNON nutzte und deshalb ein behindertes Kind zur Welt brachte, kannte die formelhaften Ausführungen Dekkers’ schon aus früheren Hauptversammlungen. „Ich stelle keine Fragen, weil ich die Antworten nicht ertragen kann“, entschied sie deshalb. Andere versuchten stattdessen, die Worthülsen-Produktion zum Erliegen zu bringen, indem sie auf den „menschlichen Faktor“ bauten. Sie sprachen die BAYER-Vorstände als „Familien-Väter“ an, die als solche doch Anteil nehmen müssten etwa an dem Schicksal der Kontrazeptiva-Geschädigten, die ihre Töchter hätten sein können.

Aber es war nichts zu machen. Den Managern blieb alles Menschliche fremd. Und das musste es auch, denn „es handelt sich hier um Personen nur, soweit sie die Personifikation ökonomischer Kategorien sind“, wie Karl Marx im „Kapital“ schrieb. Und als solche Personifikationen gehen sie auch über Leichen, wenn’s der Geldvermehrung dient. Axel Köhler Schnura vom Vorstand der CBG sagte das dem BAYER-Chef auf den Kopf zu: „Sie haben für die Profite rücksichtslos Menschenleben, soziale Rechte und die Umwelt geopfert.“ Entsprechend zog der Diplom-Kaufmann eine ganz andere Bilanz der Ära Dekkers als der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning. Er machte das an drei Beispielen fest und nannte die durch BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO und die Verhütungsmittel der YASMIN-Reihe verursachten Todesfälle sowie die Arbeitsplatzvernichtung innerhalb des Konzerns durch die Trennung vom Kunststoff-Geschäft. Davon zeugte dann auch das Abschiedsgeschenk, das Köhler-Schnura für den Vorstandsvorsitzenden vorbereitet hatte: drei T-Shirts, die unter dem BAYER-Logo von den YASMIN- und XARELTO-Opfern sowie von den Stellen-Streichungen kündeten.

Während der Konzern für Profite über Leichen geht, hat er auch noch die Chuzpe, seinerseits die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN anzuklagen. „Die Haltung der Coordination steht nicht immer mit den Grundwerten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Einklang. So hat die CBG beispielsweise zum Ziel, BAYER ‚unter gesellschaftliche Kontrolle’ zu stellen“ – mit dieser Begründung lehnt das Unternehmen einen Dialog mit der Coordination ab. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes griff dieses Statement in seiner Rede auf und erteilte dem Vorstand politischen Nachhilfe-Unterricht. Er zitierte aus der nordrhein-westfälischen Landesverfassung Paragrafen, die vorsehen, Großbetriebe in Gemeineigentum zu überführen, wenn sie eine monopolartige Stellung erlangen, und Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, mit einem Verbot zu belegen. „Unsere Forderung, BAYER unter gesellschaftliche Kontrolle zu stellen, geht also viel weniger weit als der Verfassungstext“, schlussfolgerte Mimkes.

Bis in die frühen Abendstunden zogen sich die Beiträge der Konzern-KritikerInnen. Von dem kleinen Intermezzo zu Beginn der Hauptversammlung abgesehen, hatten sie die Veranstaltung dominiert. Aber obwohl vielen von ihnen in ihren Reden sogar noch explizit dazu aufgefordert hatten, bei der abschließenden Abstimmung Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu entlasten, spiegelte sich das in den Ergebnissen nicht wieder. Diese prägen nämlich Banken, Investment-Fonds und andere Großaktionäre. Immerhin jedoch erzielte die CBG Achtungserfolge mit 1,6 Prozent Nein-Stimmen bei der Entlastung des Vorstands und 4,3 Prozent Nein-Stimmen bei der Entlastung des Aufsichtsrats.
Nicht in solchen Zahlen bemisst sich für die Coordination jedoch der Lohn ihrer Arbeit. Der CBG kommt es vielmehr darauf an, mit ihren HV-Aktionen ein Bewusstsein für die Risiken und Nebenwirkungen der Profit-Jagd zu schaffen. Und dies gelang. Im Saal selber spendeten viele Aktien-HalterInnen den Gegen-RednerInnen Beifall, und nach außen drang ihr Engagement auch. Bis in indische Zeitungen hinein gelangte beispielsweise die Kunde von den 1,4 Millionen Unterschriften zum Stop von Bienenkiller-Pestiziden, die AktivistInnen von SUM OF US dem Vorstand an diesem 29. April überreicht hatten.

Inhalt zum erfolgreichen Protest:
1.: Applaus bei vielen der rEden
2. Vorstand ganz bewusst Reden von Betroffenen durch Pharma-Schäden ans Ende der Veranstaltung als Saal leer: Viele der Anwesenden sind normale Leute.
3.: Abstimmung am Ende: Der Saal war leer (noch max. hundert Leute da) dennoch waren über 50% aller BAYER Aktien vertreten, nur ca. 0.2% weniger als zu dem Zeitpunkt als der Saal noch voll war. D.h. Stimmergebnis um so beeindruckender für uns.

KASTEN

  • 1

Schamlose Profite
Eine BAYER-Aktie hat einen Anteil am Kapital des Konzerns von 2,56 Euro. Auf jede Aktie wurde eine Dividende von 2,50 Euro ausgeschüttet. Das entspricht einer Kapital-Rendite von sage und schreibe 98,0 Prozent. Um diese Schamlosigkeit in der Öffentlichkeit zu verschleiern, wählt der Global Player als Berechnungsgrundlage jedoch den aktuellen Kurs-Wert seiner Aktie, der sich gegenwärtig auf etwa 108 Euro beläuft. Damit fällt die Dividende – Hokuspokus – auf lediglich 2,3 Prozent.

Kasten

  • 2

Abstimmungsergebnisse
Die Abstimmungen auf den AktionärInnen-Hauptversammlungen der Konzerne dominieren wenige GroßaktionärInnen (Ultrareiche, Investmentfonds, Banken etc.) Sie sorgen für sichere Mehrheiten von 90 Prozent + x. Die vielen hunderttausend KleinaktionärInnen besitzen zusammen lediglich fünf bis zehn Prozent der Aktien. Entsprechend beachtlich sind die Abstimmungsergebnisse für Kritischen AktionärInnen bei BAYER. (Da das Unternehmen die Anzahl der Enthaltungen nicht nennt, ergeben sich im Verhältnis der absoluten Zahlen zu den Prozent-Angaben Schwankungen.)

Gewinn-Verwendung
Nein-Stimmen: 892.410 (0,2 Prozent); Vorjahr: 0,3 Prozent

Entlastung Vorstand
Nein-Stimmen: 7.646.422 (1,6 Prozent); Vorjahr: 1,5 Prozent

Entlastung Aufsichtsrat
Nein-Stimmen: 20.356.571 (4,3 Prozent); Vorjahr: 3,1 Prozent

Vergütungssystem Vorstand
Nein-Stimmen: 91.596.999 (18,9 Prozent)

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2016

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG beim „Terra Viva March“
Der Düsseldorfer „March against MONSANTO“ hieß diesmal „Terra Viva March“, „March against BAYER“ wäre vielleicht aber der passende Namenswechsel gewesen, schickt der Leverkusener Multi sich doch gerade an, seinen US-amerikanischen Konkurrenten zu übernehmen. Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) war die Teilnahme aus gegebenem Anlass diesmal ein noch wichtigeres Anliegen. Der neue CBG-Geschäftsführer Toni Michelmann malte den DemonstrantInnen in seinem Rede-Beitrag plastisch aus, was es bedeutet, wenn BAYER der Coup gelingen und das Unternehmen damit ein Monopol über die globalen Nahrungsmittel-Märkte erlangen sollte.

Anhörung im Landtag
Am 18. August 2015 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster die Klage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) abgelehnt und ihr die Einsichtnahme in den Vertrag verwehrt, den BAYER mit der Universität Köln im Bereich medizinischer Forschungen abgeschlossen hatte. Für die Piraten-Partei zeigte dieses Urteil, wie dringlich eine gesetzliche Neuregelung der Transparenz-Vorschriften in den Landesgesetzen Nordrhein-Westfalens ist. Deshalb startete sie verschiedene Initiativen. Dazu gehörte unter anderem eine öffentliche Anhörung zum Thema im Landtag, die am 28. April 2016 stattfand. Zu den Eingeladenen gehörte auch ein Vertreter der CBG. Dieser legte dem Innenausschuss noch einmal dar, welch einen enormen Einfluss ein Konzern wie BAYER mittlerweile nicht nur auf Hochschulen, sondern auf den gesamten Bildungssektor hat, weshalb dieses Treiben nicht im Verborgenen stattfinden dürfe. Christopher Bohlens von TRANSPARENCY INTERNATIONAL und die NRW-Datenschutzbeauftragte Helga Block traten ebenfalls für erweiterte Informationspflichten bei Kooperationen zwischen Wirtschaft und Universitäten ein. Die EmissärInnen der Unternehmensverbände wollten indessen die Geheimniskrämerei fortführen. „Informationsfreiheit muss dort an seine Grenzen stoßen, wo die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährdet ist“, meinte etwa die nordrhein-westfälische Industrie- und Handelskammer in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur Anhörung.

Proteste gegen GAUCHO & Co.
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Die EU hat diese Stoffe deshalb ebenso wie andere Ackergifte dieser Substanz-Klasse bereits mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt.
Und nicht nur bei seinen Hauptversammlungen sieht sich der Leverkusener Multi mit direkter Kritik in Sachen „GAUCHO & Co.“ konfrontiert. So initiierte die Organisation FRIENDS OF THE EARTH im April 2016 Demonstrationen vor Konzern-Niederlassungen im US-amerikanischen Washington, im kanadischen Montreal und im englischen Newbury.

Kritik an „Neuer Allianz“
Im Jahr 2012 gründeten BAYER, MONSANTO, CARGILL, DUPONT und andere Agro-Riesen gemeinsam mit den führenden Industrie-Staaten am Rande eines G8-Treffens die „Neue Allianz für Ernährungssicherheit“. Die „Public Private Partnership“ will Entwicklungshilfe nach Konzern-Gusto machen und strebt deshalb unter anderem an, die „Verteilung von frei verfügbarem und nicht verbessertem Saatgut systematisch zu beenden“. Dafür akquiriert die Allianz nicht zu knapp öffentliche Gelder. Allein die Bundesrepublik stellte ihr in den Jahren bis 2014 über 50 Millionen Euro zur Verfügung. Luis Muchanga vom UNAC, dem mosambikanischen Verband für Kleinbauern und -bäuerinnen, kritisiert das Treiben der Multis scharf. „Die Neue Allianz beunruhigt uns und die mosambikanischen Kleinbauern sehr. Wir sind gegen das Modell einer industrialisierten Landwirtschaft, das die Neue Allianz propagiert. Ernährungssicherheit, wie sie der Neuen Allianz vorschwebt, ist etwas völlig anderes als die Ernährungssouveränität, für die wir eintreten“, so Muchanga.

Manipulierte Glyphosat-Studien
Ein ehemaliger Mitarbeiter der US-amerikanischen Umweltbehörde „Environmental Protection Agency“ (EPA) erhebt schwere Vorwürfe gegen seine einstige Arbeitsstelle. William Sanjour bezichtigt die EPA in seinem Buch „Poison Spring“, die Zulassung von Pestiziden nicht widerrufen zu haben, obwohl sich die zur Genehmigung vorgelegten Studien als manipuliert erwiesen hatten. Die Behörde hätte stattdessen von den Herstellern einfach nur neue Untersuchungen eingefordert, so Sanjour. Auch bei dem umstrittenen Ackergift Glyphosat, das unter anderem MONSANTO und BAYER produzieren, ging die Agency dem Whistleblower zufolge so vor.

Habeck für Pestizid-Steuer
Dänemark, Frankreich und Schweden erheben eine Steuer auf Pestizide, um einen Anreiz zu setzen, die Ausbringung der Ackergifte zu reduzieren. Die Einführung einer solchen Maßnahme schlägt in einer Studie, die der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister Robert Habeck von Bündnis 90/die Grünen in Auftrag gab, jetzt auch das „Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung“ vor. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) fordert eine solche Abgabe bereits seit Längerem.

Leserbrief zu Menschenversuchen
Die vom VEREIN DEMOKRATISCHER ÄRZTINNEN UND ÄRZTE herausgegebene Zeitschrift Gesundheit braucht Politik hatte in ihrer Ausgabe 4/15 einen Text über den BAYER-Forscher Gerhard Domagk veröffentlicht, der 1935 die antibakterielle Wirkung eines Sulfonamid-Farbstoffes entdeckt hatte und dafür später den Nobelpreis erhielt. Mit eben diesem Sulfonamid unternahm die vom Leverkusener Multi mitgegründete IG FARBEN in Konzentrationslagern Menschenversuche. Da der Artikel diesen Sachverhalt bestritt und stattdessen behauptete, die IG FARBEN hätte die Sulfonamid-Lieferungen in die KZs eingestellt, nachdem sie von den dortigen Experimenten erfahren hatte, schrieb die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen Leserbrief. Darin wies die CBG auch auf eine SWB-Veröffentlichung zum Thema hin, die mit Zitaten aus dem Beweis-Material zu den Nürnberger Prozessen eindeutige Belege für dieses Kriegsverbrechen des Großkonzerns anführte. „Medikamente sind von der IG unmittelbar an Konzentrationslager in solchen Mengen versandt worden, dass schon hieraus die Verwendung dieser Medikamente zu unzulässigen Zwecken hätte gefolgert werden müssen“, hieß es in den Dokumenten unter anderem.

ÄrztInnen gegen CO-Pipeline
Nicht nur die zwischen den BAYER-Werken Dormagen und Krefeld verlegte Kohlenmonoxid-Pipeline wirft Sicherheitsfragen auf. Auch die in den 1960er Jahren zwischen Dormagen und Leverkusen gebaute und schon genutzte Verbindung birgt hohe Risiken. Eine ÄrztInnen-Initiative forderte die nordrhein-westfälische Landesregierung deshalb in einem Brief auf, dem Röhren-Verbund die Betriebserlaubnis zu entziehen. Unter anderem begründeten die MedizinerInnen dies mit den unzureichenden Katastrophenschutz-Maßnahmen. „Die bestehenden Leckerkennungssysteme schlagen erst an, wenn bereits 100 Kubikmeter CO ausgetreten sind. Dabei können schon ein oder zwei Atemzüge ausreichen, um einen Menschen zu töten. Ein Vollbruch der Leitung könnte eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes zur Folge haben“, heißt es in dem Schreiben.

KAPITAL & ARBEIT

US-Werke ohne GewerkschaftlerInnen
In den USA haben die Gewerkschaften traditionell eine schweren Stand, bei BAYER allerdings einen noch schwereren: Während der Organisationsgrad in den Betrieben durchschnittlich bei 6,7 Prozent liegt, beträgt er in den US-Niederlassungen des Leverkusener Multis nur 5,5 Prozent. Diesen „Erfolg“ können sich die dortigen ManagerInnen gutschreiben, denn sie versuchen mit allen Mitteln, die Gründung von Beschäftigten-Vertretungen zu hintertreiben. So schüren sie etwa die Angst, Betriebszellen würden den jeweiligen Standort und damit auch die Jobs gefährden. In Emeryville hat der Konzern GewerkschaftlerInnen vor den Beschäftigten sogar als Schmarotzer diffamiert, die es nur auf die Mitgliedsbeiträge abgesehen hätten. Und schließlich müssen organisierte Belegschaftsmitglieder bei Entlassungen immer auch als erste dran glauben.

Erneute Effizienz-Offensive
Im Zuge der Trennung von seiner Kunststoff-Sparte hat der Leverkusener Multi die Holding-Struktur mit den vormals selbstständig agierenden Teil-Bereichen aufgegeben. „Wir sind überzeugt davon, dass die stärkere Verzahnung von strategischen und operativen Aufgaben BAYER voranbringen wird“, sagte Aufsichtsratschef Werner Wenning zur Begründung. Und der Konzern verbindet mit der Veränderung auch ein neues Rationalisierungsprogramm. „Es gibt einige Bereiche, wo unsere Mitbewerber effizienter arbeiten“, mit diesen Worten stimmte der Manager Markus Arnold die Beschäftigten auf die Maßnahme ein. Unter anderem will er Doppelarbeiten, nicht reibungslos funktionierende Herstellungsprozesse und Probleme bei den Zuständigkeitsregelungen ausgemacht haben.

Ausgliederung im Lager-Bereich
BAYER hat am Standort Dormagen die Pestizid-Produktion beträchtlich gesteigert. Deshalb reichen die Lager-Kapazitäten nicht mehr aus. Nun hat der Leverkusener Multi aber nicht etwa mit einem Erweiterungsbau begonnen, sondern einfach bei einem externen Dienstleister in Düsseldorf 20.000 Paletten-Plätze angemietet. Bleibt nur zu hoffen, dass der Anbieter auch die für die Unterbringung von Chemikalien nötigen Sicherheitsmaßnahmen getroffen hat.

24 Millionen für den Vorstand
Der BAYER-Vorstand konnte sich auch 2015 wieder über eine saftige Gehaltserhöhung freuen. Die Gesamtbezüge stiegen gegenüber dem Vorjahr von 22,2 Millionen auf 23,8 Millionen Euro. Und darüber hinaus
musste der Konzern noch 2,3 Millionen Euro für die späteren Pensionen der ManagerInnen zurücklegen.

BAYER stößt Haushaltsgifte-Sparte ab
Der Leverkusener Multi trennt sich von seinen Haushaltsgiften. Das Unternehmen verkaufte die Sparte mit den Pestiziden für den Haus- und Gartenbereich, mit der es zuletzt einen Umsatz von rund 240 Millionen Euro machte, an das französische Unternehmen SBM. Alle 250 Arbeitsplätze dürften diese Transaktion wohl kaum überleben.

ERSTE & DRITTE WELT

Marketing-Instrument „Health Camps“
Der indische Staat hat – vornehmlich in der Nähe von Slums – Gesundheitscamps eingerichtet, um wenigstens für eine notdürftige medizinische Versorgung der Armen zu sorgen. Auch BAYER, ROCHE und andere große Pharma-Firmen sind in den „Health Camps“ präsent. Entwicklungshilfe leisten sie dort allerdings nicht, auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag. Die Konzerne stellen den in den Camps praktizierenden ÄrztInnen Personal und Apparaturen zur Diagnose von Krankheiten zur Verfügung, erwarten aber eine kleine Gegenleistung: Das Verschreiben ihrer Medikamente. „Die Förderung des Arznei-Umsatzes durch Screening-Programme, welche den Anschein von Wohltätigkeit verbreiten, ist eine gängige Praxis in Indien“, kritisiert das British Medical Journal. Das Fachblatt sieht darin einen klaren Verstoß gegen die Grundsätze eines verantwortungsvollen Marketings, zu denen sich BAYER & Co. immer gerne bekennen. Auch der holländische Mediziner Hans Hogerzeil geißelt das Treiben der Pillen-Riesen: „Ich würde das eine Markt-Penetration unter dem Label der Corporate Social Responsibility nennen.“

KONZERN & VERGANGENHEIT

Merkel spricht Chemie-Verbrechen an
2013 konnte der BAYER-Konzern zu seinem 150-jährigen Betriebsjubiläum Bundeskanzlerin Angela Merkel als Festrednerin gewinnen. Im Vorfeld hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Christdemokratin in einem Offenen Brief aufgefordert, in Leverkusen auch die dunklen Kapitel der Vergangenheit des Unternehmens wie etwa Giftgas-Produktion, ZwangsarbeiterInnen und Menschenversuche in den KZs anzusprechen. Das tat Merkel jedoch nicht. Drei Jahre später bei der BASF jedoch zeigte sie mehr Geschichtsbewusstsein. Bei den Feierlichkeiten zu „100 Jahre Leuna“ verschwieg die Politikerin die Chemie-Verbrechen nicht länger. „Es bleibt unsere Pflicht, daran zu erinnern“, mahnte sie.

BAYERs „Max Planck“-Connection
2015 war ein trauriges Jubiläum zu begehen: „25 Jahre Freiland-Versuche in Deutschland“. 1990 hatte das Kölner „Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung“ gentechnisch veränderte Petunien ausgesetzt. Der Leverkusener Multi war frühzeitig in das Projekt involviert. Er unterstützte die Experimente finanziell und sicherte sich so Zugriff auf die Ergebnisse. Dem Gen-ethischen Informationsdienst (GID) berichtete der damalige Forschungsleiter Dr. Heinz Saedler, dass „die Mitarbeiter der Firma BAYER (...) an unser Institut gekommen waren, um die Methodik und das Know-how kennenzulernen, um beides dann zu Hause auf ihre Projekte anwenden zu können.“ Und genauso hatte es sich die bundesdeutsche Forschungspolitik auch gedacht. Sie war Saedler zufolge nämlich darauf aus, „die Grundlagen-Forschung so zu entwickeln, dass sie in Anwendungsnähe kommt“.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER setzt EFSA unter Druck
BAYERs Pestizid Thiacloprid hat die EU im Gegensatz zu den anderen beiden bienengefährlichen Neonicotinoiden Imidacloprid und Clothianidin von ihrem vorläufigen Verbot verschont. So findet sich der Stoff dann nicht nur in den Bienen selber wieder, sondern auch in ihrem Produkt, dem Honig. Und seit Kurzem darf es sogar wieder ein wenig mehr sein: Als die Europäische Behörde für Lebensmittel (EFSA) den Grenzwert für Thiacloprid im Februar 2016 von 0,2 auf 0,05 mg/kg senkte, schrieb der Konzern nämlich einen Brandbrief nach Brüssel und bekam prompt „geliefert“ – die EFSA machte den Beschluss rückgängig.

Gekaufte Glyphosat-Wissenschaft
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz kommt, aber auch in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, gilt als gesundheitsgefährdend. So hat eine Krebsforschungseinrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Substanz im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Just vor der Sitzung eines EU-Gremiums, das sich mit der Frage eines Verbotes dieser Agro-Chemikalie befasste, legte eine aus WissenschaftlerInnen der Welternährungsorganisation FAO und der WHO gebildete Kommission jedoch eine entlastende Studie vor. „Die Experten sind nach eingehender Analyse aller vorliegenden Daten zu dem Schluss gekommen, dass für den Verbraucher von den Glyphosat-Rückständen in Lebensmitteln kein Gesundheitsrisiko ausgeht“, erklärte eine WHO-Sprecherin. Was sie jedoch nicht erklärte: Sowohl der Vorsitzende des „Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues“ als auch sein Stellvertreter gehören dem „International Life Science Institute“ an, das schon Spenden von rund 500.000 Dollar von MONSANTO und Croplife – dem Lobbyverband von MONSANTO, BAYER & Co. – erhielt.

Merkel kaut BAYER-PR nach
Die Agro-Riesen gerieren sich beim Verkauf ihrer Pestizide und Gen-Pflanzen gerne als bessere EntwicklungshelferInnen, denen es nur darum gehe, alle Menschen satt zu machen. Und so will BAYER dann auch MONSANTO selbstverständlich nur schlucken, um „die weltweite Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung mit gesunden, sicheren und bezahlbaren Lebensmitteln zu ermöglichen“. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel verbreitet diese PR-Lügen. In einer Rede lobte sie BAYER & Co. dafür, „bei der Bekämpfung des Hungers eine zentrale Rolle“ zu spielen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte diese Äußerung scharf. „Das von BASF, BAYER und Co. propagierte Modell der industriellen Landwirtschaft ist gescheitert. Es führt zu einem erhöhten Ausstoß von Klimagasen, dem Verlust fruchtbarer Böden sowie zu einer verringerten Biodiversität. Hunger ist in den meisten Fällen eine Folge von Armut und sozialer Ungerechtigkeit. Die Kanzlerin sollte an dieser Stelle nicht die gebrochenen Versprechungen der Konzerne nachbeten“, erklärte CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes.

Schäuble zu BAYER-Diensten
Die Konzerne nutzen alle Steuersparmodelle, die sich ihnen so bieten. BAYER tut sich hierzu vor allem in Belgien und in den Niederlanden um. Dort haben etwa BAYER WORLD INVESTMENTS, BAYER GLOBAL INVESTMENTS, BAYER CAPITAL CORPORATION und BAYER ANTWERPEN ihren Sitz (siehe auch ÖKONOMIE & PROFIT). Weil den Finanzämtern durch solche Briefkasten-Firmen Milliarden entgehen, plant die Europäische Kommission Maßnahmen gegen das Vorgehen der Groß-Unternehmen. Dazu zählt beispielsweise, die Gesellschaften zur Offenlegung der Abgaben zu veranlassen, die sie in den jeweiligen Staaten leisten. Und die Zahlen dieses „Country-by-Country-Reportings“ sollten nach Ansicht der EU nicht nur den FinanzbeamtInnen zur Verfügung stehen, sondern allen, die sich dafür interessieren. Dagegen wehrt sich der Leverkusener Multi jedoch vehement. „Diese Form der Transparenz ist wenig hilfreich“, meint BAYERs Steuer-Chef Bernd-Peter Bier und sieht gleich den ganzen Standort Europa in Gefahr. „Drittstaaten – aber im Übrigen auch Wettbewerber – können so an die Kennziffern der europäischen Unternehmen gelangen, ohne dass sie dafür die Daten der eigenen Unternehmen preisgeben müssen“, warnt er. Darum appelliert er an die Politik: „Wir erwarten ein Signal, dass Deutschland seine Unternehmen schützt.“ Und von Finanzminister Wolfgang Schäuble kam ein solches Signal dann auch prompt. „Fachleute wissen, dass der Informationsaustausch sehr viel weniger effizient sein wird, wenn er öffentlich sein wird“, hielt er fest und setzte sich in Brüssel für die „effiziente“ Lösung ein. Damit nicht genug, drang der Finanzminister zusätzlich noch darauf, die Tochter-Firmen der Aktien-Gesellschaften von der Berichtspflicht zu entbinden. Das wollten seine KollegInnen aus den anderen Mitgliedsstaaten jedoch nicht mitmachen. „Wir wurden hierbei von keinem MS (Mitgliedsstaat, Anm. Ticker) unterstützt, klagt sein Ministerium. Nicht einmal in Deutschland selber hat Schäuble für seine Beistandspolitik ausreichend Rückendeckung. Sowohl Justizminister Heiko Maas (SPD) als auch die meisten Ministerpräsidenten der Länder, denen durch die ganz legalen Steuertricks der Konzerne viele Einnahmen entgehen, treten einstweilen für das Recht der Öffentlichkeit ein, mehr über das Finanz-Gebaren von BAYER & Co. zu erfahren.

Preis für Chlor-Fertigungsstätte
Mit einer Chlor-Produktion von über einer Million Tonnen gehört BAYER europa-weit zu den größten Anbietern der Substanz. Dennoch sperrte sich der Leverkusener Multi lange gegen eine umweltschonendere Fertigung dieser gefährlichen Chemikalie. Während viele mittelständische Betriebe ihre Chlor-Herstellung schon lange auf das Membran-Verfahren umgestellt hatten, bei dem kein giftiges Quecksilber als Produktionsrückstand mehr anfällt, hielt der Konzern noch eisern am Unbewährten fest. Erst als Subventionen in Höhe von sechs Millionen Euro aus dem Forschungsministerium lockten, zeigte er sich zu Veränderungen bereit. Gemeinsam mit dem Anlagenbauer UHDE und der RWTH Aachen entwickelte das Unternehmen das Membran-System bei dieser Gelegenheit gleich so weiter, dass zur Einspeisung des zur Elektrolyse benötigten Sauerstoffs weniger Energie erforderlich ist als bisher. Und genau dafür erhielt der Global Player nun vom Land Nordrhein-Westfalen einen Klimaschutz-Preis, obwohl seine gesamten Kohlendioxid-Emissionen im Jahr 2015 stiegen (siehe WASSER, BODEN & LUFT).

BAYERs Nachwuchsarbeit gefällt Obama
Seit Jahr und Tag bemüht sich der Leverkusener Multi, die Naturwissenschaften von ihrem schlechten Image zu befreien und Nachwuchsarbeit zu betreiben. An kritischen WissenschaftlerInnen hat er dabei natürlich kein Interesse, außer Gentechnik und Agro-Chemie steht nicht viel auf dem Lehrplan. „Making Science Make Sense“ heißt das betreffende Programm in den USA. Und dem Konzern gelang es sogar, US-Präsident Barack Obama dafür einzunehmen. „BAYER setzt sich dafür ein, 100.000 amerikanische Eltern und ihre Kinder zusammenzubringen, um gemeinsam im Rahmen von Wissenschafts- und Techologie-Projekten zu arbeiten“, lobte er etwas unkonkret.

Prizker bei BAYER
Im letzten Herbst besuchte die US-amerikanische Handelsministerin Penny Prizker die Berliner BAYER-Niederlassung. Im Beisein von Thorben Albrecht, Staatssekretär im „Bundesministerium für Arbeit und Soziales“, informierte sie sich dem Leverkusener Multi zufolge über die Berufsausbildung in Deutschland und die Frage, wie sich die Unternehmen hierzulande auf den technologischen Wandel durch die Digitalisierung einstellen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Einweihung der „Dream Production“
Am 17. Juni 2016 nahm die BAYER-Tochter COVESTRO ihre „Dream Production“ offiziell in Betrieb. „CO2, das unpopuläre Treibhaus-Gas – so ist gemeinhin die Wahrnehmung. Doch das ist eigentlich nur die halbe Wahrheit. Denn wie im Theater sich der vermeintliche Bösewicht häufig als Held erweist, so hat auch Kohlendioxid sozusagen zwei Gesichter. Es ist nämlich gleichzeitig ein nützlicher Helfer“, mit diesen Worten pries COVESTRO-Chef Patrick W. Thomas die neue Rolle des CO2 als Grundstoff zur Herstellung von Kunststoffen in Dormagen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zweifelt allerdings an den dem Kohlendioxid nun zugesprochenen Star-Qualitäten. Für sie ist die „Dream Production“ alles andere als eine Traumfabrik. Das gesamte Verfahren erfordert nämlich selber viel Energie, bei deren Erzeugung als Nebenwirkung Kohlendioxid entsteht. So schlägt etwa die Herstellung von Katalysatoren, die das reaktionsträge CO2 aktivieren, in der Klimabilanz als Negativposten zu Buche. Als „bestenfalls marginal“ bezeichnete die CBG in ihrer Presseerklärung deshalb die Verbesserung des CO2-Footprints für den gesamten Prozess. Auf rund zehn Prozent beläuft sich die Einsparung, während die gesamten BAYER-Emissionen weiter zunehmen (siehe WASSER, BODEN & LUFT). An der COVESTRO ging diese bereits im Frühjahr 2016 erstmals geübte Kritik nicht spurlos vorüber. Sie versucht jetzt nicht mehr mit einer guten Klima-Bilanz durch die CO2-Kunststoffe zu punkten, sondern betont die Schonung natürlicher Ressourcen durch die Verwendung von Kohlendioxid statt Öl. Und wenn die Gesellschaft im Vorfeld schon eine Medien-Agentur engagiert hatte, um sich mittels der „Dream Production“ als Umweltengel in Szene zu setzen, so zeigte sie zur Eröffnung „low profile“. Nicht einmal eine Pressemitteilung veröffentlichte das Unternehmen zur Einweihung der Fertigungsstätte.

BAYERs Innovationsapotheke
Die ApothekerInnen beraten die KundInnen, und BAYER berät die ApothekerInnen – was dabei herauskommt, ist klar: BAYER-Produkte in den Taschen der KundInnen. Der Leverkusener Multi hat zur Sicherung dieses Mechanismus’ in Köln eine „Innovationsakademie Deutscher Apotheken“ (IDA) aufgebaut, die angeblich schon mit über 1.000 Pharmazien zusammenarbeitet. In der IDA hat er sogar die Möglichkeit, den PharmazeutInnen ganz praktischen Unterricht zu geben. Zur Ausstattung gehört nämlich eine Muster-Apotheke, die auf dem neuesten technischen Stand ist. So verfügt sie etwa über eine Kamera, welche die Laufwege von KundInnen aufnimmt, um Aufschlüsse darüber zu gewinnen, wie die ApothekerInnen ihnen möglichst viele Waren vor die Nase setzen können. Ganz oben auf dem Lehrplan der Akademie steht für BAYER dann auch „die Frage, wie sich durch die richtige Präsentation der Verkauf von OTC-Produkten steigern lässt. Dabei steht ‚OTC’ für nicht verschreibungspflichtige Medikamente“. Und das kommt nicht von ungefähr. „Gerade dieser Bereich wird für Apotheker immer wichtiger. Denn er bietet viel Potenzial, um Impulskäufe zu generieren“, hält der Konzern fest, ohne zu erwähnen, dass dieser Bereich deshalb auch für ihn immer wichtiger wird. Er tut jedoch alles dafür, ASPIRIN & Co. auf diesem Gebiet die besten Ausgangspositionen zu verschaffen. Der Konzern gibt etwa Regal-Systeme und andere Einrichtungsgegenstände kostenlos ab; lediglich eine kleine Gegenleistung verlangt er: „BAYER-Produkte erhalten dafür in der Apotheke die prominentesten Plätze.“

Chemie-Tag mit TU Dortmund
Der Leverkusener Multi veranstaltet regelmäßig „Tage der Chemie“, um zu versuchen, das Image dieser nicht eben gut beleumundeten Naturwissenschaft aufzupolieren. Dabei setzt das Unternehmen traditionell schon bei den Jüngsten an. Im Bergkamener Werk beispielsweise veranstaltete es einen SchülerInnen-Wettbewerb, um das Interesse der Youngster zu wecken. Aber auch um die Älteren kümmerte der Konzern sich zu diesem Anlass. So bewegte er die ihm seit langer Zeit in Freundschaft verbundene TU Dortmund dazu, an dem BAYER-Standort über ihre Studiengänge zu informieren, damit die Bildungsstätte ihm auch weiterhin passgenauen, unkrititischen Nachwuchs liefert.

VFA im Kontrollwahn
Die Multis investieren viel Zeit und Geld in das sogenannte Reputationsmanagement. Und zuweilen drohen sie auch mit Anzeigen-Entzug oder bemühen Gerichte, um eine konzern-freundliche Berichterstattung durchzusetzen. Besonders doll trieb es jetzt der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“. Er hielt eine Presse-Konferenz ab und verlangte anschließend von den JournalistInnen, ihm die Artikel vor Erscheinen noch einmal zur Freigabe der wörtlichen Zitate vorzulegen. „Es herrscht ein Kontrollwahn“, empörte sich Klaus Max Smolka in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über diese Gängelung. Ein mutiger Schritt, denn wer sich den Gepflogenheiten der Konzerne nicht fügt, riskiert berufliche Nachteile wie etwa den, keine Einladungen zu Hintergrund-Gesprächen mehr zu erhalten.

Tomaten-PR in der Rheinischen Post
BAYER zählt in Europa zu den größten Züchtern von Tomaten-Saatgut (siehe auch PFLANZEN & SAATEN). Und obwohl sich das in der Angebotspalette neben Pestiziden, Gen-Pflanzen und Medikamenten nicht gerade gut macht, steht der Leverkusener Multi zu dem Produkt-Segment und sucht seit einiger Zeit verstärkt die Öffentlichkeit. So gewann er die Rheinische Post dazu, Reklame für CALIFORNICATION, ROTATION und andere „High-Tech-Tomaten“ zu machen. Auf einer ganzen Seite, dekoriert von Rezeptvorschlägen, breitete die Zeitung die Story vom Gemüse-Bauern BAYER aus.

Marketing-Ausgaben steigen weiter
BAYER gibt immer mehr Geld für Marketing und Vertrieb aus. 2015 stiegen die Zahlen gegenüber dem Vorjahr um 15,9 Prozent auf 12,36 Milliarden Euro. Obwohl das mehr als einem Viertel des Gesamtumsatzes entspricht, verweigert der Konzern der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den Hauptversammlungen seit Jahren eine genauere Aufschlüsselung dieser Ausgaben.

DRUGS & PILLS

BAYER stoppt STIVARGA-Vertrieb
Nach dem Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 müssen neue Medikamente eine Kosten/Nutzen-Prüfung durchlaufen. Schaffen die Arzneien es dann in diesem Prozess, ihre Überlegenheit gegenüber den gängigen Pharmazeutika unter Beweis zu stellen, können die Hersteller in den Verhandlungen mit den Krankenkassen einen besonders hohen Preis für die Präparate verlangen. Dem BAYER-Mittel STIVARGA (Wirkstoff: Regorafenib) gelang dies für das Anwendungsgebiet „fortgeschrittener Darmkrebs“ jedoch nicht (siehe Ticker 2/16). Einen Zusatznutzen vermochte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von MedizinerInnen, Krankenhäusern und Krankenkassen bei dieser Indikation nicht auszumachen. Er folgte damit der Bewertung, die das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG) vorgelegt hatte. Demnach verlängerte STIVARGA zwar das Leben der PatientInnen um rund 45 Tage, die stärkeren Nebenwirkungen wie z. B. Durchfall heben diesen positiven Effekt nach Ansicht des IQWiG jedoch wieder auf. Auch zweifelte das Institut die Ergebnisse der STIVARGA-Tests, die zur Zulassung der Arznei geführt hatten, wegen nicht eingehaltener Studien-Standards an. Der Konzern reagierte schroff auf das Votum. Er bezeichnete die Entscheidung als „nicht nachvollziehbar“ und entschied kurzerhand, das Pharmazeutikum in Deutschland vom Markt zu nehmen.

Neue ASPIRIN-Studie
Mit Verweis auf eine Studie der TU München versucht BAYER, den Verkauf des Schmerzmittels ASPIRIN weiter anzukurbeln. Die ForscherInnen um Markus Ploner hatten herausgefunden, dass sich körperlicher Schmerz binnen kurzem in der Psyche niederschlägt. „Es ist grundsätzlich richtig, jede Art von Schmerz ernstzunehmen und die Schmerz-Weiterleitung frühzeitig und ausreichend zu unterbinden, um eine Chronifizierung (...) zu unterbinden“, meint deshalb Prof. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel. Und von diesem Statement ist es dann nicht mehr weit bis zur Produkt-Empfehlung des Leverkusener Multis: „Hier punktet die weiterentwickelte ASPIRIN-Tablette: Eine erste spürbare Schmerz-Linderung tritt bereits 16 Minuten nach der Einnahme ein.“ Bis zu den ersten Nebenwirkungen dauert es hingegen ein wenig länger, dafür kommen sie gewaltig – Magenblutungen zählen zu den gravierensten.

LAIF-Lieferengpass
Kein Johanneskraut-Mittel verschreiben die MedizinerInnen so oft wie BAYERs LAIF. Für 30 Millionen Tagesdosen des Präparats, das bei leichten bis mittelschweren Depressionen Anwendung findet, erstellten die ÄrztInnen 2014 Rezepte. In diesem Jahr dürften es jedoch weniger sein. Der Leverkusener Multi kann nämlich nicht liefern, und die PatientInnen stehen auf dem Schlauch. Über die Gründe macht der Konzern nur ungenaue Angaben. Teile der neuen Ernte hätten die hohen Qualitätsstandards nicht in allen Punkten erfüllt, verlautet aus der Unternehmenszentrale. Darüber, ob die Probleme mit neuen Auflagen des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) bezüglich der Rückstände von Pyrrolizidinalkaloiden zusammenhängen, schweigt sich der Pharma-Riese aus. Fragen zur Belastung seiner LAIF-Pflanzen mit diesen von Kräutern zur Insektenabwehr gebildeten Giften ließ er unbeantwortet.

Neue Hormon-Spirale
BAYERs Hormon-Spiralen haben beträchtliche Nebenwirkungen. Bei MIRENA etwa reichen sie von nächtlichen Schweißausbrüchen, Herzrasen und Unruhe über Schlaflosigkeit und Bauchkrämpfe bis hin zu Oberbauchschmerzen. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA erhielt bereits über 45.000 Meldungen zu solchen unerwünschten Arznei-Effekten. Trotzdem will der Leverkusener Multi seine Produkt-Palette in diesem Bereich noch einmal erweitern. Er hat in den USA und in der EU einen Zulassungsantrag für die Spirale LCS-16 gestellt und stellt als besonderen Vorteil die geringe Konzentration des Wirkstoffes Levonorgestrel heraus. Als „hocheffektiv und gleichzeitig gut verträglich“ bezeichnet der Konzern seine neueste Errungenschaft. Aber das sagt er in seinen Hauptversammlungen ja auch immer über MIRENA, wenn Geschädigte ihn mit ihren Krankengeschichten konfrontieren.

41 Anwendungsbeobachtungen
Erkenntnisse werfen die Beobachtungsstudien zu Arzneien, die MedizinerInnen mit ihren PatientInnen durchführen, kaum ab. Das ist aber auch gar nicht Sinn der Übung. Die Anwendungsuntersuchungen verfolgen einzig den Zweck, die Kranken auf das getestete Präparat umzustellen. Dafür zahlen die Pharma-Riesen den ÄrztInnen jährlich ca. 100 Millionen Euro. Rund 700 Euro erhalten diese pro TeilnehmerIn. „Fangprämien“ nannte ein ehemaliger Vorsitzender der „Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein“ diese Zuwendungen einst. 41 solcher „Studien“ mit BAYER-Medikamenten fanden nach Angaben des Recherche-Netzwerkes Correct!v von 2009 bis 2014 in den Praxen statt. Unter anderem testeten die MedizinerInnen für den Konzern das Antibiotikum AVALOX, das MS-Präparat BETAFERON, das Kontrastmittel GADOVIST, das Blutprodukt KOGENATE und die Krebs-Arznei NEXAVAR.

BAYERs DDR-Arzneitests korrekt?
Im Jahr 2013 berichtete der Spiegel über großflächige Arznei-Tests bundesdeutscher Pharma-Firmen in der ehemaligen DDR. Von 1961 bis 1990 fanden dort ca. 600 Arznei-Versuche mit ungefähr 50.000 ProbandInnen statt. Auch BAYER war mit von der Partie. Der Pharma-Riese erprobte im anderen Deutschland unter anderem das Antibiotikum CIPROBAY, das Diabetikum GLUCOBAY, das die Gehirn-Durchblutung fördernde Mittel NIMOTOP und das zur Blutstillung nach Bypass-Operationen zum Einsatz kommende TRASYLOL, das wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen von 2007 bis Anfang 2012 verboten war. Der Spiegel-Bericht warf Fragen danach auf, ob die Medikamenten-Prüfungen gängigen Standards entsprachen. Darum beauftragte die damalige Bundesregierung eine Kommission mit einer genaueren Untersuchung. Drei Jahre später stellte diese erste Ergebnisse vor. Die ForscherInnen um den Medizin-Historiker Volker Hess fanden nach Auskunft der Ostbeauftragten der Großen Koalition, Iris Gleicke, „keine Hinweise darauf, dass ethische Standards verletzt worden wären“. Systematische Verstöße gab es den ExpertInnen zufolge nicht. Die Grünen meldeten jedoch Zweifel an den Resultaten an. Sie bemängelten unter anderem, dass Hess und sein Team nur einen Bruchteil der Firmen-Unterlagen gesichtet haben und dass BAYER & Co. dieses Material obendrein noch vorselektieren durften. Auch gebe es Hinweise auf medizinische Grundsätze verletzende Tests mit nicht einwilligungsfähigen Menschen, so die Partei. Die Informationen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN über die einstigen Versuche des Leverkusener Multis bestätigen das skeptische Urteil von Bündnis 90/Die Grünen über die wissenschaftliche Arbeit. So verabreichte der Pharma-Riese sein NIMOTOP damals etwa AlkoholikerInnen in akutem Delirium. „Ich bin psychisch absolut weggedampft“, berichtete ein früheres Versuchskaninchen. Und da hatte er noch Glück. „Es hätte auch Tote geben können“, meint der Mediziner Ulrich Moebius. Bei TRASYLOL, das der Pharma-Riese im Osten auch als Mittel zur Konservierung von Organen, die für eine Transplantation vorgesehen waren, erprobte, wies er den verantwortlichen Arzt Dr. Horpacsy an, Stillschweigen über negative Resultate zu bewahren (siehe SWB 3/13). Darum verschwieg dieser in einem späteren Aufsatz den völligen Verlust der Vital-Funktionen der Nieren unter TRASYLOL. Er vermeldete lediglich, die Gabe des Pharmazeutikums hätte nicht zu einer Verbesserung des Transplantat-Überlebens geführt; dafür hätte der Stoff jedoch einen positiven Effekt auf die Enzym-Werte des Organs gehabt. Der Global Player weist in Sachen „DDR-Tests“ allerdings alle Schuld von sich. „Sofern im Auftrag unseres Unternehmens klinische Studien in der ehemaligen DDR durchgeführt worden sind, gehen wir davon aus, dass diese entsprechend der Deklaration von Helsinki sowie den Vorschriften des Arzneimittel-Gesetzes der ehemaligen DDR erfolgte“, erklärte er.

Testosteron bei Fettleibigkeit?
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und Hormon-Präparaten wie NEBIDO oder TESTOGEL neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ bzw. „männliche Wechseljahresstörungen“ erfunden. Aber dabei soll es nicht bleiben. BAYER will die Mittel auch bei fettleibigen Männern in Anschlag bringen. „Epidemiologische Studien zeigen mit großer Übereinstimmung, dass zwischen Adipositas und Testosteron-Mangel (Hypogonadismus) ein enger Zusammenhang besteht“, behauptet der Konzern. Er erweitert diesen Zusammenhang sogar noch um Diabetes – und weiß sogleich Abhilfe. Der Multi präsentiert in einem Artikel, den er in der Zeitschrift Diabetes, Stoffwechsel und Herz platzieren konnte, Untersuchungen, welche die positiven Effekte von NEBIDO & Co. auf das Gewicht und den Blutzucker-Spiegel der Probanden belegen. Allerdings handelt es sich dabei lediglich um kleine, den Anforderungen von Zulassungsstudien nicht genügende Test-Reihen mit unter hundert Teilnehmern. MedizinerInnen warnen indessen vor den Hormon-Gaben. Als Nebenwirkungen zählen sie unter anderem Herzinfarkt, Harntrakt-Schädigungen, Brust-Wachstum, Bluthochdruck, Ödeme und Leberschäden auf. Zudem beobachteten die WissenschaftlerInnen Schrumpfungen des Hodengewebes und Samenzellen-Missbildungen.

BAYER testet Finerenone
Der Leverkusener Multi erprobt zur Zeit den Wirkstoff Finerenone. Er will die Substanz zur Behandlung von Herz-Insuffizienz einsetzen und spekuliert darauf, Präparaten wie dem PFIZER-Mittel INSPRA Markt-Anteile wegnehmen zu können. Angeblich hat das Pharmazeutikum nämlich weniger Nebenwirkungen als andere Arzneien dieser Medikamenten-Gruppe, die häufig die Blutkalium-Konzentrationen in bedenkliche Höhe treiben und deshalb das Herz schädigen können. Zudem testet der Konzern Finerenone noch zur Therapie von solchen Nierenschädigungen, die in Folge einer Diabetes entstehen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Neonicotinoid-Verbot in Frankreich
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Sie sorgen unter anderem für schrumpfende Populationen, indem sie im Futtersaft der Ammen-Bienen die Bildung des Botenstoffes Acetylcholin hemmen, der bei der Aufzucht der Larven eine wichtige Rolle spielt. Die EU hat Imidacloprid und Clothianidin wegen ihrer desaströsen Wirkung auf Bienen gemeinsam mit der Substanz Thiamethoxam bereits vorläufig aus dem Verkehr gezogen. Die Französische Nationalversammlung ging im März 2016 jedoch noch einen Schritt weiter. Sie erließ ein komplettes Neonicotinoid-Verbot, das 2018 in Kraft tritt. Der Leverkusener Multi protestierte vehement gegen diese Entscheidung. Er sieht die LandwirtInnen nun mit „veritablen Engpässen beim Schutz ihrer Pflanzen“ konfrontiert und prophezeite Ernte-Einbußen von 15 bis 40 Prozent.

UN-Gremium warnt vor GAUCHO & Co.
Auch die Vereinten Nationen hatten die Berichte über das zunehmende Bienensterben alarmiert. Darum setzte sie mit dem Welt-Biodiversitätsrat (IPBES) ein Gremium ein, um eine Bestandsaufnahme zur Lage von Bienen und anderen anderen Bestäuber-Insekten zu erhalten und Aufschluss die Gefährdung der Bestände zu gewinnen. Die WissenschaftlerInnen kamen – wie schon viele ihrer KollegInnen vor ihnen – zu dem Ergebnis, dass Ackergifte eine Mitschuld am Rückgang der Populationen tragen. „Das Gutachten ermittelte, dass Pestizide, inklusive Insektizide aus der Gruppe der Neonicotinoide, für Bestäuber weltweit eine Bedrohung darstellen“, hält der IPBES fest. Das Pikante dabei: Unter den am Bericht beteiligten ForscherInnen befand sich auch Christian Maus von BAYERs Bienenforschungszentrum in Monheim. Das wirbelte in Leverkusen gehörig Staub auf. Die Presseabteilung des Konzerns griff Maus umgehend dafür an, sich nicht von der Neonicotinoid-Kritik des Reports distanziert zu haben und tat das stellvertretend für ihn: „Diese Aussage können wir nicht nachvollziehen.“

Zahlreiche Bienen-Arten gefährdet
Besonders Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO und PONCHO tragen eine Mitschuld am Bienensterben (s. o.). Welches Ausmaß der Rückgang der Populationen in der Bundesrepublik bereits angenommen hat, machte jetzt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen deutlich. Von insgesamt 560 Wildbienen-Arten schätzte die Große Koalition 40,9 Prozent als gefährdet ein. 39 Spezies sind bereits ausgestorben. Nicht viel besser sieht es bei den Schmetterlingen aus: 69 Arten drohen bald vom Planeten zu verschwinden. BAYER jedoch leugnet den Zusammenhang zwischen den Agro-Chemikalien und dem Artensterben. Auf der Hauptversammlung am 29. April 2016 zeigte sich der Konzern „ … davon überzeugt, dass unsere Neonicotinoide sicher sind für die Umwelt, wenn sie sachgerecht eingesetzt werden“.

Neues Bio-Pestizid
BAYER hat die Zulassung für das Pestizid REQUIEM erhalten, dessen Wirk-Mechanismus auf einem biologischen statt auf einem chemischen Prinzip beruht. Der Inhaltsstoff Terpenoid ist einer Substanz nachgebildet, mit der sich die Pflanze Epazote, bekannt auch als Mexikanischer Drüsengänsefuß, gegen Insekten wehrt. Damit erweitert der Konzern seine Produkt-Palette im Bereich der Bio-Pestizide. So bietet er in diesem Segment bereits das Anti-Wurmmittel BIBACT und das Anti-Pilzmittel CONTANS an. Zudem kaufte der Global Player bereits im Jahr 2014 das argentinische Unternehmen BIAGRO, das biologische Saatgutbehandlungsmittel auf der Basis von Mikro-Organismen und Pilzen sowie Mittel zur Stärkung des Pflanzen-Wachstums produziert. Der Leverkusener Multi will wegen REQUIEM & Co. jedoch seinen Agrogift-Schrank nicht gleich entsorgen; „best of both worlds“ lautet die Devise. „Wir setzen auf integrierte Angebote für Nutzpflanzen. Also auf die Auswahl des passenden Saatguts und die beste Kombination aus chemischen und biologischen Produkten“, so BAYER-Manager Ashish Malik.

PFLANZEN & SAATEN

Tomaten made by BAYER
Von keiner Gemüse-Art produziert die europäische Landwirtschaft mehr als von der Tomate. Entsprechend stark konzentrieren sich die Agro-Multis auf diese Nachtschatten-Gewächse – BAYER, SYNGENTA, MONSANTO & Co. dominieren den EU-Handel mit Tomaten-Saatgut. Der Studie „Concentration of Market Power in the EU Seed Market“ zufolge stammten 2013 45 Prozent aller Saaten aus den Gewächshäusern dieser Konzerne. Der Marktanteil der BAYER-Tochter NUNHEMS belief sich 2014 auf 3,7 Prozent. Inzwischen dürfte dieser gestiegen sein, denn in den letzten zwölf Monaten brachte das Unternehmen viele neue Sorten heraus. Die „hochtechnologischen Tomaten“ versprechen laut NUNHEMS gute Ernten, zuweilen gar „Ertragsrekorde“ und „Einheitlichkeit“, was diese „zu einer rentablen Wahl für den Erzeuger macht“. Geschmacksfragen stellen sich der Firma hingegen nicht.

BAYER erweitert Weizenzucht-Zentrum
Im Saatgut-Geschäft des Agro-Riesen bildet Weizen einen Schwerpunkt, weil die Ackerfrucht die weitverbreiteste Kulturpflanze der Welt ist. Bis 2020 will der Konzern 1,5 Milliarden Euro in Züchtungsprogramme investieren, um eine führende Rolle in diesem Markt-Segment zu einzunehmen. Dazu kooperiert er mit vielen Weizenforschungsinstituten und unterhält eigene Zuchtstationen. Sieben solcher Einrichtungen hat der Multi bisher schon aufgebaut. In Gatersleben, wo der Global Player seit 2012 ein solches Zentrum – nicht von ungefähr in unmittelbarer Nähe des „Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzen-Forschung“ – betreibt, plant er jetzt eine Erweiterung. Das Unternehmen kündigte an, dort die Acker-Flächen auf 80 Hektar zu verdoppeln.

GENE & KLONE

BAYERs Gen-Soja entert Brasilien
Brasilien hatte es Gen-Pflanzen made by BAYER jahrelang sehr schwer gemacht. So verbot das Land gentechnisch veränderten Mais der Produktreihe LIBERTYLINK und entzog der Sorte T25 die Genehmigung. Jetzt aber scheint der Widerstand gebrochen. Ab diesem Jahr vermarktet der Leverkusener Multi in dem südamerikanischen Staat LIBERTYLINK-Soja. Dabei handelt es sich um eine Laborfrucht, die immun gegen das extrem gesundheitsschädliche und in Europa deshalb nur noch bis 2017 erlaubte Pestizid Glufosinat ist. Gleich 2.000 LandwirtInnen wollen es nach Aussage des Global Players trotzdem mit dem LL-Soja versuchen.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYER-Altlast unter Kleingarten
Viele Duisburger KleingärtnerInnen sorgen sich um ihre Grundstücke, denn unter der Grasnarbe schlummern Altlasten von BAYER, KRUPP oder MANNESMANN. Boden-Untersuchungen des Bielefelder Instituts IFUA PROJEKT ergaben in vielen Fällen bedenkliche Werte für Cadmium, Zink, Arsen, Benzo(a)pyren und Blei. Auf dem Gelände des Kleingarten-Vereins „Borgsche Hütte“ in Rumeln, wo der Leverkusener Multi um 1958 Giftstoffe verklappt hat, gab es hingegen keine Überschreitungen der zulässigen Limits. Das Chemie-Grab liege zu tief, als dass von ihm noch Gefahren ausgehen könnten, versichert Wolfgang Ibels vom Duisburger Umweltamt. Mögliche Verunreinigungen des Grundwassers durch die Hinterlassenschaften des Leverkusener Multis ignorierte er dabei jedoch.

Kaum Energie-Ersparnis
BAYERs Energie-Einsatz sank 2015 gegenüber dem Vorjahr von 85.317 auf 83.182 Terajoule. Die Reduktion verdankt sich jedoch mitnichten einer ressourcen-schonenderen Produktionsweise, sondern hauptsächlich der im letzten Jahr erfolgten Stillegung der Fertigungsstätte im brasilianischen Belford Roxo.

Mehr Kohlendioxid-Emissionen
BAYERs Emissionen des klima-schädlichen Kohlendioxids stiegen 2015 gegenüber dem Vorjahr um 160.000 Tonnen auf 9,71 Millionen Tonnen. Ein Grund dafür ist, dass der Konzern bei der Energie, die er selbst erzeugt, mehr auf die besonders klima-schädliche Kohle setzt. Deren Quantum am Energie-Mix wuchs gegenüber 2014 von 12.611 auf 12.755 Terajoule. Für den Löwenanteil an den CO2-Emissionen des Unternehmens sorgt die Kunststoff-Tochter COVESTRO mit 6,41 Millionen Tonnen, dahinter folgt die CURRENTA als Betreiber der Chemie- „Parks“ mit 1,47 Millionen Tonnen, die Agro-Sparte mit einer Million Tonnen und der Pharma-Bereich mit 0,57 Millionen Tonnen.

BAYER schädigt Ozonschicht
Seit Jahren schon sorgt hauptsächlich ein einziges Werk des Leverkusener Multis für den ganzen Ausstoß an ozon-abbauenden Substanzen: die Niederlassung der Agro-Sparte im indischen Vapi. Und seit Jahren schon schraubt der Konzern auch ein bisschen an der Fertigungsstätte rum, so dass die Werte immer ein bisschen sinken. Aber 2015 summierten sie sich trotzdem noch auf 11,7 Tonnen (2014: 14,8).

1.610 Tonnen flüchtige Substanzen
Auch BAYERs flüchtige organische Substanzen entstammen hauptsächlich dem Werk im indischen Vapi. Im Zuge der „Work in Progress“-Sanierung ging der Ausstoß ebenso wie derjenige der ozon-abbauenden Stoffe (s. o.) 2015 etwas zurück. Von 2.120 auf 1.610 Tonnen sank der Wert.

Kaum weniger Stickstoff & Co.
Der Ausstoß von Stickstoffoxiden, Schwefeloxiden, Staub und Kohlenmonoxid hat sich bei BAYER 2015 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Die Emissionen von Stickstoffoxiden stiegen von 2.360 Tonnen auf 2.420 Tonnen, während diejenigen von Schwefeloxiden leicht von 1.220 Tonnen auf 1.170 Tonnen zurückgingen. Auch etwas weniger Staub wirbelte der Konzern auf: 250 gegenüber 230 Tonnen. Dafür erhöhte sich jedoch der Kohlenmonoxid-Ausstoß um 20 auf 930 Tonnen.

BAYERs großer Durst
Der Leverkusener Multi hat einen enormen Wasser-Durst. Auf 346 Millionen Kubikmeter bezifferte er seinen Konsum im Jahr 2014, in den zwölf Monaten zuvor waren es sogar 350 Millionen gewesen. Zum Vergleich: Das ist mehr als das Dreifache dessen, was die ganze Stadt Köln verbraucht. Drei Viertel des Wassers gehen als Kühlwasser drauf, ein Viertel verwendet der Konzern in der Produktion. Und erschwerend kommt noch hinzu, dass die Wiederaufbereitungsquote verschwindend gering ist: Gerade einmal 10,4 Millionen Liter recycelte das Unternehmen.

BAYER Abwasser-Frachten
2015 produzierte der Leverkusener Multi mit 61 Millionen Kubikmetern fünf Millionen Liter weniger Abwässer als 2014, aber nicht, weil er etwa „grüner“ produzierte, sondern nur, weil er überhaupt weniger produzierte. Und trotzdem schaffte es der Konzern noch, von einzelnen Stoffen mehr einzuleiten als im Vorjahr. Bei den anorganischen Salzen stieg die Menge von 845.000 Tonnen auf 927.000 Tonnen. Bei den Schwermetallen, die das Unternehmen nicht mehr einzeln aufführt, um besonders gefährliche Stoffe wie Quecksilber nicht nennen zu müssen, wuchs sie von 63 auf 64 Kilogramm. Der Phosphor-Eintrag blieb hingegen konstant bei 100 Tonnen, und der Stickstoff-Wert sank von 760 auf 560 Tonnen. Auch organischer Kohlenstoff fand sich etwas weniger im Wasser wieder: Das Volumen reduzierte sich um 40 Tonnen auf 1.160.

BAYER produziert mehr Müll
Im Jahr 2015 produzierte BAYER mehr Müll als 2014. Von 896.000 auf 940.000 Tonnen stieg die Menge. Auch bei gefährlichen Abfällen erhöhte sich der Wert; er legte von 487.000 auf 541.000 Tonnen zu. Als Grund dafür nennt der Leverkusener Multi neben Produktionssteigerungen „eine neue abfallrechtliche Bewertung der Wirbelschicht-Asche aus dem Kraftwerk im Chem-‚Park’ Leverkusen“.

CO & CO.

„Risiko nicht ausgeschlossen“
Während BAYERs zwischen Dormagen und Krefeld geplante Kohlenmonoxid-Pipeline wegen einer Klage noch immer keine Betriebsgenehmigung hat, zeigt deren zwischen Dormagen und Leverkusen verlaufendes Pendant schon bedenkliche Alterserscheinungen. Besonders dort, wo die Leitung den Rhein unterquert, zeigen sich Korrosionsschäden, also Abnutzungserscheinungen an den Bau-Bestandteilen. So treten an diesem Düker nach einem Bericht des TÜV Rheinland „gravierende externe Materialverluste“ auf. Eine „Restlebensdauer von 2 Jahren, bis die rechnerisch geforderte Mindestrohrwandstärke von 3,6 mm erreicht wird“, errechnete der Technische Überwachungsverein. Nachdem die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN diesen Befund publik gemacht hatte, blieb dem Leverkusener Multi nichts anderes übrig, als Maßnahmen einzuleiten: Er kündigte den Bau eines neuen Dükers an. Dieser nimmt noch einmal größere Dimensionen als der alte an und bietet zusätzlich zu den zehn Leitungen noch Platz für fünf Reserve-Pipelines. Weil der Pharma-Riese deshalb in die unter Naturschutz stehende Uferlandschaft eingreifen muss, hat er später Kompensationsleistungen zu erbringen. Absolute Sicherheit mochte der Konzern auch nach der Fertigstellung des neuen Tunnel-Systems nicht garantieren. Lediglich als „unwahrscheinlich“ bezeichnete das Unternehmen das Risiko einer Explosion im Düker, es könne aber „nicht 100-prozentig ausgeschlossen werden“. Und die Folgen wären BAYER zufolge „wegen der engen räumlichen Nähe der Rohrleitungen und dem zu erwartenden Totalversagen auch der CO-Leitung als katastrophal einzuschätzen“. Trotzdem rechnet der Multi fest mit einer Betriebsgenehmigung durch die Bezirksregierung. Anfang 2017 will er den Düker dann nutzen – und ansonsten wohl bei der Pipeline, die immerhin schon rund 50 Jahre auf dem Buckel hat, alles beim Alten lassen. Lediglich ein paar kleine Eingriffe stehen möglicherweise an.

STANDORTE & PRODUKTION

Neues Haus für Insektizid-Forschung
BAYER will am Standort Monheim ein Gewächshaus für die Insektizid-Forschung errichten, das „weltweit neue Maßstäbe“ setzt. 43,5 Millionen Euro investiert der Leverkusener Multi zu diesem Behufe.

Leverkusen: Neue Pack-Anlage
BAYER errichtet in Leverkusen für rund 150 Millionen Euro eine neue Anlage für Medikamenten-Verpackungen. Zudem kündigte der Konzern den Bau einer Fertigungstätte für Arznei-Formulierungen an.

Millionen-Investition in Bitterfeld
Der Leverkusener Multi plant am Standort Bitterfeld, wo er vor allem das Schmerzmittel ASPIRIN produziert, 20 bis 30 Millionen Euro zu investieren. Das Geld will er unter anderem für einen Ausbau der Automation, für neue Filteranlagen und für mehr Informationstechnologie.

ÖKONOMIE & PROFIT

Die BAYER-Bank in Belgien
Der Leverkusener Multi unterhält viele Niederlassungen im Steuer-Paradies Belgien. BAYER ANTWERPEN etwa wirkt als konzern-interne Bank, die den Teilgesellschaften Geld für Investitionen leiht. Für den Global Player entsteht so eine Win-win-Situation: Während die Tochter-Firmen die Zins-Zahlungen von der Steuer absetzen können, muss BAYER ANTWERPEN für die Zins-Erträge kaum Abgaben zahlen. Und bei den 11,8 Milliarden Euro an Krediten, die im Jahr 2015 von Belgien aus auf die Reise gingen, kommen da schon ganz hübsche Summen zusammen.

BAYERs globale Steuer-Praxis
Der Leverkusener Multi hat Niederlassungen auf der ganzen Welt. Nur profitiert steuerlich nicht die ganze Welt gleichermaßen von den Erträgen. Die BAYER-Töchter müssen einen Großteil ihrer Gewinne an die Mutter-Gesellschaft in Leverkusen abführen. In der Heimat fällt deshalb auch der Löwenanteil der Abgaben an, welche der Konzern leistet, nachdem er sich durch Nutzung diverser Steuersparmodelle arm gerechnet hat. Der Global Player gibt an, 50 Prozent seiner Ertragssteuern in Deutschland zu zahlen, obwohl er hierzulande nur rund elf Prozent seines Gesamtumsatzes erzielt und nur 31 Prozent seiner Belegschaftsangehörigen beschäftigt. Mit Imperialismus hat das alles aber dem Unternehmen zufolge nichts zu tun. Der Pharma-Riese betrachtet die ungleiche Verteilung vielmehr als angemessen und führt dazu eine recht abenteuerliche Begründung an: Da er hauptsächlich an den deutschen Standorten forsche und das mit viel kosten-intensivem „Trial and Error“ einher gehe, sei auch das unternehmerische Risiko vornehmlich zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen angesiedelt. Sorgen bereiten ihm in diesem Zusammenhang nun die Pläne der EU, die Multis zur Veröffentlichung ihrer Steuer-Zahlungen in den einzelnen Ländern zu zwingen (siehe POLITIK & EINFLUSS) So warnt BAYERs Steuer-Chef Bernd-Peter Bier, das sogenannte Country-by-Country-Reporting „führt gerade vor dem Hintergrund der deutschen Export-Stärke dazu, dass die Regierungen unserer ausländischen Absatzmärkte (sic!) künftig mehr vom deutschen Anteil am Steuer-Kuchen abhaben wollen“. Deshalb sperrt er sich vehement gegen weitergehende Transparenz-Verpflichtungen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Salzsäure tritt aus
Am 15.1.2015 meldete die BAYER-Tochter COVESTRO am US-amerikanischen Standort Illinois einen Stoff-Austritt: Ein Tankwagen, der Salzsäure transportierte, verlor 7.600 Liter seiner Ladung.

Polyisocyanat tritt aus
Am 18.1.2015 meldete die BAYER-Tochter COVESTRO am indischen Standort Hubli einen Transport-Unfall, bei dem 1.200 Kilo des Gefahrguts Polyisocyanat ins Freie gelangten.

TDI tritt aus
Am 7.2.2015 liefen in einem kalifornischen Werk der BAYER-Tochter COVESTRO an einer Abfüll-Station 1.150 Liter des Kunststoffes TDI aus, weil ein Tankwagen zu voll gepumpt wurde.

MDI tritt aus
Am 31.5.2015 meldete die BAYER-Tochter COVESTRO am US-amerikanischen Standort Ward Creek einen Transport-Unfall. Ein Sattelzug stürzte auf der Straße um, und 1.500 Liter des Kunststoffes MDI liefen aus.

BAYHYDROL tritt aus
Am 4.6.15 kam es in Helsinki zur Beschädigung eines Containers der BAYER-Tochter COVESTRO, in dem sich das Lackharz BAYHYDROL befand. Die Flüssigkeit trat aus, und 12 Personen, die mit ihr in Berührung gerieten, mussten sich zur Untersuchung in ein Krankenhaus begeben. Ein stationärer Aufenthalt blieb ihnen aber erspart.

DESMOPHEN-Tank platzte
Am 18.8.15 platzte am Antwerpener Standort der BAYER-Tochter COVESTRO bei einem Umfüll-Vorgang ein Tank, in dem sich der Lack-Grundstoff DESMOPHEN befand. Rund 6.000 Kilogramm des Stoffes gelangten so an die Luft. Der Leverkusener Multi gab jedoch sogleich Entwarnung: „Es kam weder zu Verletzungen noch zu Gefährdungen.“

Salpetersäure tritt aus
Am 3.9.15 kam es am Dormagener Standort der BAYER-Tochter COVESTRO beim Entladen von Salpetersäure zu einem Unfall. In der Folge liefen 150 Liter des Stickstoffs aus, der auf Haut, Atemwege und Schleimhäute stark reizend wirkt und Verätzungen hervorrufen kann. Ein Beschäftigter geriet mit der Substanz in Berührung und kam in ein Krankenhaus. Er konnte jedoch zum Glück bald schon wieder entlassen werden.

DESMODUR tritt aus
Am 28.9.15 durchbohrte am US-amerikanischen Standort Laredo der BAYER-Tochter COVESTRO ein Gabelstabler die Wand eines Fasses, in dem sich das Kunststoff-Produkt DESMODUR befand. In der Folge liefen 150 Liter der Substanz aus.

Salzsäure tritt aus

  • 2


Am 30.9.15 trat an einem Kesselwagen der DEUTSCHEN BAHN, der Salzsäure der BAYER-Tochter COVESTRO beförderte, eine Leckage auf. 100 Liter der Substanz flossen auf diese Weise aus.

DESMODUR tritt aus

  • 2


Wie zuvor in Laredo (s. o.) durchbohrte am 28.10.15 auch in Köln ein Gabelstabler ein Fass, in dem sich DESMODUR der BAYER-Tochter COVESTRO befand. Und wieder flossen 150 Liter der Substanz aus.

DESMODUR tritt aus

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Das Werk der BAYER-Tochter COVESTRO am US-amerikanischen Standort Martinsburg schickte am 9.12.15 ein undichtes DESMODUR-Fass auf Reisen. Der LKW-Fahrer bemerkte den Austritt des Kunststoff-Produkts jedoch nach einiger Zeit und alarmierte die Feuerwehr. Diese sog die Substanz mit Bindemitteln auf und konnte den Schaden so in Grenzen halten.

Polyalkohol tritt aus
Am 16.12.15 informierte die BAYER-Tochter COVESTRO am US-amerikanischen Standort Charleston die Behörden über einen Verkehrsunfall, in dessen Folge ein LKW aus einem Tank 1.900 Liter Polyalkohol verlor.

RECHT & UNBILLIG

4.300 XARELTO-Klagen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen. So erhielt das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) 2015 von ÄrztInnen 173 Benachrichtigungen über Todesfälle, von denen 137 auf Blutungen zurückgingen. Insgesamt erfolgten 1.792 Meldungen wegen unerwünschter Pharma-Effekte. In den USA, wo PatientInnen bzw. deren Hinterbliebene leichter Schadensersatz-Ansprüche geltend machen können, beschäftigt sich deshalb bereits die Justiz mit XARELTO. Bis zum 25.1.2016 lagen 4.300 Klagen vor. Bei kanadischen Gerichten belief sich die Zahl auf acht.

Patent-Klage gegen AUROBINDO et. al.
Der Leverkusener Multi verklagt routinemäßig Pharma-Hersteller, die nach Ablauf der Patentfrist Nachahmer-Produkte seiner Pillen auf den Markt bringen wollen, wegen Verletzung seines geistigen Eigentums. So hofft der Konzern sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe halten zu können. Deshalb ging er auch gegen AUROBINDO und sieben weitere Unternehmen vor, die Generika-Versionen seines umstrittenen Gerinnungshemmers XARELTO (s. o.) vorbereiten.

Patent-Klage gegen MYLAN
BAYER will generische Versionen seines Krebsmittel NEXAVAR möglichst lange vom Markt fernhalten. Aus diesem Grund ging der Pharma-Riese jetzt gerichtlich gegen die Firma MYLAN vor, die bei den US-Behörden Zulassungsanträge für ein solches Präparat eingereicht hatte, und verklagte das Unternehmen wegen Patent-Verletzung.

BAYER-Patente ungültig
BAYER hatte das Unternehmen WATSON LABORATORIES, das beabsichtigt, Generika-Versionen der gefährlichen drospirenon-haltigen Verhütungsmittel BEYAZ und SAFYRAL herzustellen, schon vor längerer Zeit wegen Patent-Verletzung verklagt. In erster Instanz bekam der Pharma-Riese auch Recht, aber WATSON focht die Entscheidung an. Und in dem Revisionsverfahren erklärte das Gericht die BAYER-Patente dann für ungültig. Als Begründung führten die RichterInnen an, dass MERCK als ursprünglicher Inhaber der BEYAZ- und SAFYRAL-Schutzrechte schon vor Erhalt des Patents einzelne Komponenten der Kontrazeptiva zum Verkauf angeboten hatte. Ob der Global Player plant, gegen diesen Beschluss vorzugehen, stand bis Redaktionsschluss nicht fest. Auch der Rechtsstreit mit LUPIN in der gleichen Sache könnte durch das Urteil jetzt eine andere Wendung nehmen.

EU-Klage wg. Dünger
Laut nordrhein-westfälischem Umweltministerium befindet sich das rechtsrheinische Grundwasser-Reservoir in einem chemisch so schlechten Zustand, dass es sich nicht zur Trinkwasser-Gewinnung eignet. BAYER trägt dazu unter anderem durch den Dünger bei, der auf den landwirtschaftlichen Versuchsfeldern in Monheim zum Einsatz kommt und so für Nitrat-Einträge sorgt. Die Europäische Kommission hatte die Bundesrepublik in der Vergangenheit mehrfach aufgefordert, die Dünge-Praxis strenger zu reglementieren, aber es geschah nichts. Deshalb hat die EU nun vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg eine Klage eingereicht. Nicht einmal der Verweis auf eine in Arbeit befindliche Gesetzes-Novelle konnte Juncker & Co. davon abhalten. Diese enthalte zu viele Ausnahme-Regelungen und sei deshalb nicht geeignet, eine bessere Wasser-Qualität zu garantieren, hieß es aus Brüssel.

FORSCHUNG & LEHRE

Pharmazie-Studierende bei BAYER
Früh übt sich, wer ein/e Pharmazeut/in ganz im Sinne der Pharma-Industrie werden will, deshalb bietet der Leverkusener Multi viele Übungsmöglichkeiten an. So unterhält er bereits seit 2008 eine Kooperation mit der Kieler Christian-Albrechts-Universität, in deren Rahmen die BAYER-Tochter KVP PHARMA + VETERINÄR zweimal im Jahr Pharmazie-Studierende empfängt. Im Werk erfahren diese dann unter anderem, wie mustergültig der Pillen-Riese angeblich Qualitätssicherung betreibt und die regulatorischen Rahmenbedingungen umsetzt. Und die Lehrenden spielen das Spiel mit. Die Privatdozentin Dr. Regina Scherließ bezeichnet es dem Global Player zufolge nachgerade als Glücksfall, mit dem BAYER-Standort in Kiel ein international aufgestelltes Pharma-Unternehmen zu haben, das den Studierenden einen solchen Einblick bietet.

BAYER forciert Digital-Medizin
Der Leverkusener Multi bereitet sich auf den Eintritt in den Markt der digitalen Medizin vor und fördert im Rahmen seiner „Grants4Apps-Accelerator“-Initiative Start-ups, die Apps oder andere Anwendungen entwickeln. So erhielt VIOMEDO im Jahr 2015 Geld für ein Internet-Projekt, das den Pharma-Riesen mehr ProbandInnen für seine Klinischen Studien zuführen soll. SERONA bekam Unterstützung für das Vorhaben, die personalisierte Medizin auf dem Gebiet der Hormon-Therapien mittels Daten-Analysen voranzutreiben und VITAMETER für die Konstruktion eines Gerätes zur Bestimmung des Vitamin-Gehaltes im Blut.

[BadUgly] STICHWORT BAYER 3/2016

CBG Redaktion

Imperium & Weltmacht

BAYER will MONSANTO schlucken

The Bad & the Ugly

BAYER setzt dazu an, ein Monopol über die globalen Agro-Märkte zu errichten und damit die Kontrolle über wichtige Glieder der Nahrungsmittel-Kette zu erlangen. Auf entsprechend großen Widerstand stößt das Vorhaben.

Von Jan Pehrke

„Wir sind seit Langem von MONSANTO beeindruckt und teilen die Überzeugung, dass durch ein integriertes Geschäft erheblicher Wert für die Aktionäre beider Unternehmen entstehen würde“, mit diesen Worten begründete BAYER-Chef Werner Baumann die Übernahme-Pläne. 62 Milliarden Dollar bietet der Leverkusener Multi aktuell für die US-Gesellschaft.

Eine Akquisition dieser Dimension hat ein bundesdeutsches Unternehmen bisher noch nie bewerkstelligt – und in diesem Jahr weltweit noch keine andere Firma. Gelänge der Coup, würde der mit Abstand größte Agro-Konzern der Erde entstehen. Einen „bedeutend größeren Fußabdruck auf dem Globus“ würden die zusammengelegten Geschäfte der beiden Firmen hinterlassen, frohlockt der Leverkusener Multi. In seinen Werbe-Broschüren zum Übernahme-Plan errechnet er auf Basis der 2015er Zahlen stolz einen gemeinsamen Umsatz von 23,1 Milliarden Dollar. Damit kann niemand aus der Branche mithalten. Die frisch vermählten Paare SYNGENTA/ChemChina und DUPONT/DOW folgen mit weitem Abstand (14,8 bzw. 14,6 Milliarden), und auf Rang vier landet abgeschlagen BASF mit 5,8 Milliarden.

Bei den Pestiziden kommen BAYER und MONSANTO zusammen auf einen Marktanteil von rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte und konventionelle Ackerfrüchte auf einen von rund 30 Prozent. Allein die Gen-Pflanzen betrachtet, erreichen die beiden Konzerne vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine klar dominierende Position. Entsprechend besorgt reagierte die Coordination gegen BAYER-Gefahren. „Wir schlagen Alarm: ‚Wer das Saatgut kontrolliert, beherrscht die Welt’, hat Henry Kissinger einmal gesagt. Durch die Übernahme droht ein weltweites Lebensmittel-Monopol. Die Welternährung gerät in ernste Gefahr“, so Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG.

Und das umso mehr, als sich da wirklich The Bad & the Ugly vermählen würden. Was dem US-Unternehmen sein Glyphosat, das ist dem Leverkusener Multi sein Glufosinat, was dem US-amerikanischen Agro-Riesen seine Gen-Pflanzen der Produktreihe „ROUND UP“, das sind seinem deutschen Pendant die LIBERTY-LINK-Ackerfrüchte. Gesundheitsschädliche Chemikalien wie Polychlorierte Biphenyle (PCB) und vietnamkriegstaugliche Agrochemikalien produzierten beide. Und BAYER war im Gegensatz zu MONSANTO sogar schon 1914-1918 und 1939-1945 Kriegsteilnehmer. Trotzdem tischen viele Zeitungen bei ihrer Berichterstattung über den geplanten Deal die Mär vom Umweltengel aus Leverkusen auf, der sich auf einen Pakt mit dem Teufel einlassen will.

Das aktuell auf 55 Milliarden Euro bezifferte Gebot des deutschen Global Players, „der sich in den vergangenen Jahren viel Mühe gegeben hat, als sauberes Unternehmen dazustehen“ (Rheinische Post), markiert den vorerst letzten Zug in einem makabren Monopoly-Spiel um eines der wichtigsten Güter der Menschheit: der Nahrung. Eröffnet hatte es MONSANTO selber, mit dem Begehr, SYNGENTA zu übernehmen. Die Schweizer aber bevorzugten ChemChina als neuen Partner, und plötzlich mochten auch Dupont und Dow nicht mehr auf eigenen Füßen stehen – sie fusionierten. Mit dieser Entwicklung beschleunigte sich der Konzentrationsprozess im Agro-Business noch einmal, der vor rund 20 Jahren begann. Im Saatgut-Bereich etwa hatten sich 1985 noch keine oligopolartigen Strukturen herausgebildet. Die zehn größten Anbieter kamen bloß auf einen Marktanteil von ca. 12,5 Prozent. 2011 sah das jedoch schon ganz anders aus, da teilte die damalige Top 10 bereits 75,3 Prozent des Geschäfts unter sich auf. Einen wesentlichen Antrieb für die neue Übersichtlichkeit stellte dabei die Gentechnik dar. Sie verlangte nämlich nach einer vertikalen Integration. „Ein neues Gen ist nutzlos ohne einen hochwertigen Grundstock von Saatgut, in das es eingebaut werden kann, und eine Infrastruktur, die solches bereitstellt“, wie es ein Finanz-Analyst einmal formulierte.

Käme BAYER bei MONSANTO zum Zuge, so erlangte der Leverkusener Multi aber nicht nur die Hoheit über die Esstische. Der Deal hätte noch weitere negative Folgen. Die LandwirtInnen etwa müssten sich auf höhere Betriebskosten einstellen, denn diese steigen verlässlich in Korrelation zum Monopolisierungsgrad der Branche. Allein die Preise für Mais- und Baumwoll-Saatgut haben sich in den vergangenen 20 Jahren nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums vervierfacht.

Überdies hätten die LandwirtInnen noch weniger Auswahl. Die oligopol-artigen Strukturen haben jetzt schon einen riesigen Innovationsstau mit sich gebracht. An eine Landwirtschaft ohne Gifte verschwenden die Konzerne keinen Gedanken, sie schaffen es noch nicht einmal, Ersatz für ihre Uralt-Mittel zu finden. BAYERs Glufosinat oder MONSANTOs Glyphosat haben schon über 40 Jahre auf dem Buckel. Deshalb trotzen immer mehr Unkräuter diesen Substanzen. Den FarmerInnen bleibt nichts anderes übrig, als die Gift-Dosis zu erhöhen. Und der Leverkusener Multi leugnet diesen Tatbestand keineswegs. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächenkulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, so der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler.

Die bei Transaktionen dieser Art immer gerne beschworenen „Synergie-Effekte“ schließlich lassen ebenfalls Böses ahnen. Der bundesdeutsche Agro-Riese konnte diese sogar schon genau beziffern: mit 1,5 Milliarden Dollar zusätzlicher Einnahmen nach drei Jahren Baysanto rechnet er. Dazu dürfte die Arbeitsplatz-Vernichtung durch Beseitigung von Doppel-Strukturen einiges beitragen. Einen Job-Abbau – sei es zur Reduzierung der durch den Deal anfallenden Schulden oder im Zuge der Zusammenführung der Unternehmen – hat der Global Player ausdrücklich nur hierzulande ausgeschlossen. „Rationalisierungsmaßnahmen zur Finanzierung der Akquisition werden in Deutschland nicht stattfinden“, heißt es in einer mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossenen Vereinbarung. Über die Grenzen schauen die Gewerkschaftler also offenbar nicht – ein Tief der internationalen Solidarität.

Die Standort-Städte müssen sich ebenfalls auf so einiges gefasst machen. Ihnen ist die letzte Einkaufstour des Multis noch in denkbar schlechter Erinnerung. Unmittelbar nach dem Kauf der Merck-Sparte mit den nicht rezeptpflichtigen Arzneien hatte der Konzern nämlich verkündet: „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen.“ Und prompt hat er die Akquisition dann auch von der Steuer abgesetzt und damit vor allem seinen Stammsitz Leverkusen noch tiefer in die Verschuldung getrieben.

Den Grünen der Stadt schwant deshalb wieder Schlimmes. „Die Übernahme von MONSANTO ist teuer. Dies dürfte zur Folge haben, dass die Gewerbesteuer-Einnahmen der Stadt Leverkusen weiter sinken“, erklärte die Partei. Auch der grüne Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter kritisiert das Vorhaben des Unternehmens: „Die BAYER-Bosse folgen reiner Gewinn-Maximierung. Der geplante Deal würde die Welt nicht besser machen, sondern schlechter.“ Die SPD-Bundestagsabgeordnete Elvira Drobinski-Weiß bewertete das BAYER-Ansinnen unterdessen als „sehr problematisch“, weil die Gentechnik damit in der Bundesrepublik zu einem Wirtschaftsfaktor aufstiege und ergo mit mehr Macht auf die Äcker drängen würde. Die „Arbeitsgemeinschaft für bäuerliche Landwirtschaft (AbL) spricht sich ebenfalls gegen Baysanto aus. „Durch die Fusion würde der Saatgut- und Pestizidmarkt noch weiter monopolisiert“, erklärte der Verband. Die US-amerikanische „National Farmers Union“ teilt im Gegensatz zur – von BAYER großzügig gesponserten „American Farm Bureau Federation“ – die Befürchtungen. „Das wird todsicher zu weniger Wettbewerb führen, und als direktes Resultat davon werden die Farmer höhere Preise zahlen, als sie es sonst müssten“, so NFU-Präsident Roger Johnson.

Ein Mitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) schrieb in der Sache deshalb einen Brief an das Bundeskartellamt. „Wir versichern Ihnen, dass wir bei unseren Fusionsprüfungen sehr gewissenhaft die Märkte betrachten und dies auch künftig so handhaben werden, um den Wettbewerb zu schützen“, antwortete die Behörde. Auch die EU-Wettbewerbskommission, bei welcher der Fall wegen seiner großen Tragweite wohl landen wird, erhielt ein Schreiben. Die Coordination verlässt sich allerdings nicht auf die Reaktionen der politischen Institutionen. Sie organisiert gemeinsam mit Partnern wie Sum Of Us und Campact einen breiten Widerstand gegen die Übernahme. Anfang Juni hat die CBG etwa zum Düsseldorfer „March against MONSANTO“ bzw. „Terra Viva March“ mobilisiert und dort auch gesprochen.

Der Faz graut indessen schon vor der nächsten Hauptversammlung des Leverkusener Multis. „Wenn sich heute schon das überwiegende Gros der Hauptversammlungsredner zu Themen äußert, die nicht viel mit Bilanzen zu tun haben, möchte man sich die Diskussionsinhalte künftiger BAYER-Aktionärstreffen lieber nicht ausmalen“, schreibt die Zeitung. Ängstlich schaut sie darauf, was sich da gegen den nach noch mehr Größe strebenden Konzern zusammenbraut und wirft ihm vor, „diese von breiten Bevölkerungsschichten getragene gesellschaftliche Stimmung gegen aggressive Agrochemie-Konzerne und ihre Patente“ zu ignorieren und „nur noch auf Zahlen“ zu schauen.

Und in der Tat ist es diese Rendite-Fixierung von BAYER & Co., die das zynische Monopoly-Spiel um die Welternährung und ähnliche Entwicklungen in anderen Wirtschaftsbereichen anheizt. Für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN dokumentiert dies einmal mehr die Dringlichkeit, die Multis unter gesellschaftliche Kontrolle zu stellen. Waren es laut einer Studie der ETH Zürich 2011 noch 147 Konzerne, die den gesamten Weltmarkt beherrschten, so dürfte ihre Zahl bis heute noch einmal deutlich gesunken sein. Allein 2015 belief sich der Wert der Fusionen auf rund fünf Billionen Dollar. Und das Jahr 2016 könnte diese Summe dank Baysanto noch übertreffen. Die Welt steuert also – mit freundlicher Unterstützung von Freihandelsabkommen wie TTIP, die staatliche Rechte auf Unternehmen übertragen – auf eine Diktatur der Konzerne zu, hinter denen wiederum eine Gruppe weniger Ultra-Reicher steht.

Damit ist es höchste Zeit, die Eigentumsfrage zu stellen und in den sozialen Bewegungen verstärkt über die Alternativen und deren Umsetzungsmöglichkeiten zu diskutieren. Die CBG fordert:

>Die Fusion der beiden Konzerne muss gestoppt werden!
>Die Konzerne vergesellschaften und unter demokratische Kontrolle stellen (wie es etwa die Landesverfassung von NRW vorsieht)!
>Das Profitprinzip muss fallen und einem Solidarprinzip weichen!

[Demo] Übernahme MONSANTO

CBG Redaktion

Bitte helfen Sie mit einer Spende. Jetzt.

Der drohende BAYER / MONSANTO-Deal fordert den Einsatz der Coordination gegen BAYER-Gefahren in besonderem Maß und auf lange Sicht. Wir brauchen daher Unterstützung und Hilfe.

Fusion verhindern! Forderung hier unterstützen

Heraus zur Demonstration

Düsseldorf, Essen, Duisburg, Krefeld, Mönchengladbach, Köln, Leverkusen, Solingen, Wuppertal und Umgebung

=> Samstag, 04. Juni 2016, 12.00 Uhr bis 15.00 Uhr
=> Düsseldorf, Graf-Adolf-Platz

Wir bitten um Unterstützung

Helft am 04.06.2016 mit bei Infostand, Transparenten und Flyer-Verteilung.
Kommt um 12 Uhr zum Infostand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) auf dem Graf-Adolf-Platz.

Wir schlagen Alarm
Axel Köhler-Schnura/Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gerfahren (CBG): „Wir schlagen Alarm: ‚Wer das Saatgut kontrolliert, beherrscht die Welt’, hat Henry Kissinger einmal gesagt. Durch die Übernahme von MONSANTO durch BAYER entsteht ein weltweites Lebensmittel-Monopol. Die Welternährung gerät in ernste Gefahr. Lebensmittel werden ausschließlich vom Profit eines einzigen Konzerns bestimmt.“

Wir fordern:
=> Die Fusion der beiden Konzerne muss gestoppt werden!
=> Die Konzerne vergesellschaften und unter demokratische Kontrolle stellen (wie es etwa die Landesverfassung von NRW vorsieht)!
=> Das Profitprinzip muss fallen und einem Solidarprinzip weichen!

[MONSANTO] Gegen die Fusion: Wir brauchen Ihre Hilfe!

CBG Redaktion

Bitte helfen Sie mit einer Spende.

Sollte die drohende BAYER / MONSANTO-Fusion zustande kommen, werden wir uns dieses Konzerns genauso gründlich annehmen, wie wir dies in den letzen 35 Jahren mit dem BAYER-Konzern getan haben. Aufklärung und Dokumentation sowie Koordinierung, Unterstützung und Zusammenführung von Betroffenen, Widerstand und Fachleuten - so lautet die Aufgabe die wir uns gesteckt haben. Bereits jetzt, da die Fusion zunächst „nur“ droht sind unsere Kräfte besonders gefragt. Leider kostet auch eherenamtliche Arbeit Geld. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit durch Ihre Spende.

Fusion verhindern! Forderung hier unterstützen

Presse Information vom 20. Mai 2016
Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG)

Der BAYER/MONSANTO-Deal

Vereinigung zu Lasten Dritter

Der BAYER-Konzern hat Gespräche mit MONSANTO über eine mögliche Fusion bestätigt. Bei einem Abschluss der Transaktion würde der mit Abstand größte Agro-Multi der Welt entstehen mit schlimmen Folgen für die LandwirtInnen, die Natur, die VerbraucherInnen und die Beschäftigten.

Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG: „Wir schlagen Alarm: ‚Wer das Saatgut kontrolliert, beherrscht die Welt’, hat Henry Kissinger einmal gesagt. Durch die Übernahme droht ein weltweites Lebensmittel-Monopol. Die Welternährung gerät in ernste Gefahr.“

Schon jetzt befindet sich der globale Agrar-Markt in den Händen einiger weniger Unternehmen. Hatten 1985 die zehn größten Anbieter von Saatgut zusammen noch einen Marktanteil von ca. 12,5 Prozent, so kamen BAYER, BASF, DUPONT, MONSANTO, SYNGENTA & Co. 2011 schon auf 75,3 Prozent. Und in den letzten beiden Jahren hat sich die Situation noch einmal zugespitzt. DUPONT hat DOW aufgekauft und CHEM-CHINA erwarb SYNGENTA. Vor allem vom Finanzmarkt geht dabei der Druck aus. Den großen Akteuren wie BLACKROCK reicht das interne Wachstum der Agro-Riesen nicht mehr, deshalb treiben sie die Gesellschaften zu Fusionen.

Die oligopol-artigen Strukturen bringen einen riesigen Innovationsstau mit sich. Weitverbreitete gesundheitsschädliche Pestizide wie BAYERs Glufosinat oder MONSANTOs Glyphosat stammen bereits aus den 1970er Jahren. Neue Herbizide haben die Konzerne wegen der übersichtlichen Markt-Verhältnisse seit Urzeiten nicht mehr entwickelt, wie der Leverkusener Multi selbst einräumt. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächenkulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, so der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler. Als Folge davon stellen sich immer mehr Wildpflanzen auf die Mittel ein, und die LandwirtInnen müssen immer mehr Agro-Chemikalien ausbringen, was verheerende Auswirkungen auf die Artenvielfalt hat.

Die Konzerne reagieren auf die Forschungsmisere, indem sie sich bei der Entwicklung von Genpflanzen gegenseitig Zugriff auf ihre Ackergifte gewähren. Auf diese Weise können sie ihre Labor-Früchte gleich gegen mehrere Agrochemikalien zugleich immunisieren, was den FarmerInnen mehr Flexiblität bei der Anwendung der Substanzen erlaubt, aber zugleich die Abhängigkeit der Agrarwirtschaft von den Konzernen erhöht.

Was die Skrupellosigkeit angeht, so verweist die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) darauf, dass BAYER 1954 bis 1967 mit MONSANTO das US-amerikanische Joint Venture MOBAY führte und dort in die Herstellung von Komponenten von AGENT ORANGE für den Vietnamkrieg verwickelt war.

[GenKlone] STICHWORT BAYER 2/2016

CBG Redaktion

Gene & Klone

Der Konzern setzt auf die „Synthetische Biologie“

BAYER macht Gen-Scherereien

Die Gentechnik galt von Beginn an als Wissenschaft, die sich Allmacht anmaßt und anstrebt, Menschen, Tiere und Pflanzen nach Maß zu kreieren. Richtig einlösen kann sie diesen Anspruch aber erst jetzt. Während die ForscherInnen sich früher zumeist darauf beschränkten, fremde Gene in das Erbgut zu übertragen, so machen sie sich nun daran, in ihren Labors künstliche DNA zu entwickeln und diese passgenau ins Genom einzuschleusen. Ein Leben aus dem Baukasten erschaffen die WissenschaftlerInnen auf diese Weise. Die „Synthetische Biologie“ macht’s möglich. Und BAYER mischt da natürlich kräftig mit.

Von Jan Pehrke

Die Gentechnik hat mal wieder Oberwasser. Sie verspricht jetzt, wirklich all die Versprechen einzulösen, die sie einst gegeben hat wie zum Beispiel die Heilung schwerer Krankheiten. Damit nicht genug, nimmt sie – wie schon bei ihrem ersten Frühling vor rund 25 Jahren – den Mund noch voller. „Wir werden neue Organismen schaffen, um die drängendsten Probleme unserer Zeit zu lösen“, prophezeit etwa Craig Venter, der Vater der Genom-Sequenzierung. Von DNA, „am Computer entworfen und im Labor chemisch hergestellt“ schwärmt er. Und wenn dann in der ForscherInnen-Community von Regenesis, redigiertem Erbgut, Pflanzen auf dem Mars oder der Wiederbelebung des Neandertalers die Rede ist, gleitet die Wissenschaftsprosa vollends in Science Fiction über. Aber die Medien schenken den Verheißungen Glauben. „Um 2050 spielen genetisch bedingte Erbkrankheiten keine Rolle mehr, alle Nutz-Pflanzen sind so optimiert, dass ihnen Schädlinge nichts mehr anhaben können und auch der Klimawandel die Erträge nicht schmälert“, diese und andere Visionen hält der „Welt“-Journalist Norbert Lossau für „realistischer, als es manchem derzeit erscheinen mag“.

Gen-Scheren
Die Schlüsseltechnologie, die das Tor zu dieser „schönen neuen Welt“ 2.0 öffnen soll, heißt „synthetische Biologie“. „Die Art und Weise, wie die Synthetische Biologie Industrie, Forschung, Ausbildung und Beschäftigung im Lifescience-Sektor vorantreiben wird, kommt den Entwicklungen der Computer-Industrie zwischen den 1970er und 1990er Jahren gleich“, frohlockte die Europäische Kommission bereits 2005. Die „Synthetische Biologie“ verspricht, wie der Name schon sagt, nicht weniger, als künstliches Leben zu schaffen. Die Kreation von Minimal-Zellen mit einem kleinen Genom und „die Konstruktion von teilweise oder komplett künstlichen biologischen Systemen“ zählen dem EU-Beratungsteam „European Group on Ethics in Science and New Technologies“ zufolge zum Arbeitsbereich des jungen Wissenschaftszweiges.

Bei manchen seiner Spielarten müssen die ForscherInnen gar nicht mehr direkt Hand ans Genom legen. Sie erzeugen mit kleinen Sequenzen von im Labor hergestellten DNA-Bausteinen, den Oligonukleotiden, Veränderungen im Erbgut. Solche Mutagenese-Verfahren kennt auch die traditionelle Pflanzen-Züchtung; sie wirkt mit Hilfe von Bestrahlung oder Chemikalien auf die Organismen ein. Die „Oligonukleotid-gesteuerte Mutagenese“ (OgM) arbeitet jedoch angeblich zielgenauer. Die Oligonukleotide steuern direkt eine bestimmte Stelle im Erbgut an, klinken sich ein, initiieren die gewünschte Veränderung und lösen sich dann auf. So hat etwa die Firma CIBUS Raps eine Herbizid-Resistenz beschert.
Bei anderen Methoden der „Synthetischen Biologie“ geht es hingegen in medias res. Sie bedienen sich bestimmter Enzyme, den Nukleasen, um ins Genom zu gelangen. Diese Nukleasen wirken als Gen-Scheren. Sie schneiden das Genom auf und fügen neue DNA-Teile ein, die sie im Schlepptau hatten. Bei TALEN basiert das so genannte genome editing auf im Labor geschaffenen Proteinen mit Signal-Sequenzen, die in der Zelle bestimmte Prozesse initiieren und so das gewünschte Ergebnis produzieren. PRECISION BIOSCIENCE konstruiert seine Gen-Schere hingegen aus dem „I-Crel“-Enzym, das zu den Endonukleasen gehört, und vermarktet sie unter dem Namen „Directed Nuclease Editor“ (DNE).

Als „Star“ unter all den Erbgut-Scheren firmiert aber CRISPR/Cas, deren Mütter Emmanuelle Charpentier und Jennifer A. Doudna im letzten Jahr als heiße Nobelpreis-KandidatInnen galten, aber leer ausgingen. Das Verfahren bedient sich eines Abwehr-Mechanismus’ von Bakterien zum Aufspüren von Fremd-DNA, um bestimmte Gen-Abschnitte anzusteuern, und nutzt dann das Cas-Enzym zur Auftrennung der Genom-Sequenz. Anschließend setzt CRISPR/Cas entweder mitgeführte neue Erbgut-Stränge ein oder induziert Mutagenese-Effekte, also von der Zelle selbst auf den Weg gebrachte Veränderungsprozesse.

BAYER schnippelt mit
Und eben den Zugriff auf diese Technik hat BAYER sich nun gesichert. Der Leverkusener Multi ist mit dem von Emmanuelle Charpentier gegründeten Unternehmen CRISPR THERAPEUTICS ein Joint Venture eingegangen und hat darüber hinaus noch einen Minderheitsanteil an der Firma erwoben. Der BAYER-Manager Axel Bouchon erklärte zum feierlichen Anlass: „Es wird sehr spannend, unsere Stärken bei Technologie-Führerschaft, wissenschaftlicher Exzellenz und Patenten zu kombinieren. Wir haben hier die Chance, einen echten Fortschritt für Patienten mit schweren genetischen Krankheiten und für unser Geschäft zu erzielen.“ „Und für unser Geschäft“ – ein solcher Zusatz darf beim Pharma-Riesen natürlich nicht fehlen. Er kündigte an, binnen fünf Jahren 335 Millionen Dollar in die Kooperation zu investieren, um auf CRISPR/Cas beruhende Therapien für Blut-, Herz- und Augen-Krankheiten zu entwickeln. Auch für Anwendungen im Agrar-Bereich kann der Global Player die Hervorbringungen des Gemeinschaftsunternehmens nutzen. Folgerichtig stellt er den Deal als Teil seiner neuen Life-Science-Strategie dar, welche die ihm nach der Abstoßung seiner Kunststoff-Sparte noch verbliebenen Bereiche „Pharma“ und „Landwirtschaft“ enger zusammenführen will. Darum zeichnet offiziell auch das „BAYER Lifescience Center“ für den Geschäftsabschluss verantwortlich. Plausibler wird die Trennung von BAYER MATERIALSCIENCE dadurch aber nicht, denn bei „Plaste & Elaste“ kommt die „Synthetische Biologie“ ebenfalls schon zur Anwendung.

Der Konzern setzt große Hoffnungen auf die schnittigen neuen Werkzeuge zur Gen-Bastelei. „Besonders spannend finde ich das Potenzial neuer Technologien wie DNA-Editing“, zeigt sich der im Vorstand des Unternehmens für Innovationen verantwortliche Kemal Malik begeistert. Das Thema schaffte es sogar auf das Cover des neuesten Geschäftsberichts. Zwei ForscherInnen stehen da vor einem Erbgut-Strang und tun so, als ob sie fachsimpelten.

Und der Leverkusener Multi tritt nicht erst durch den Deal mit CRISPR THERAPEUTICS ins Reich der „Synthetischen Biologie“ ein. Er schnippelt schon länger am Erbgut herum. 2011 gelang es ForscherInnen des Unternehmens erstmals, mit Hilfe des DNA-Editings in eine Baumwoll-Pflanze ein Gen einzubringen, das die Laborfrucht immun gegen ein Herbizid macht. „Drei Buchstaben beschreiben ihren Erfolg: DNE“, vermeldete der Konzern mit Verweis auf das Verfahren von PRECISION, auf das sich der Global Player den Zugriff gesichert hatte. Die WissenschaftlerInnen fädelten das neue Merkmal zielgenau in unmittelbarer Nachbarschaft eines anderen Resistenz-Gens ein und vergrößerten somit die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung der Eigenschaften in die Baumwolle der nächsten Generation. Und sie wollen noch höher hinaus: „Denkbar ist es auch, unerwünschte Gene stillzulegen. Oder Sequenzen zu optimieren, indem man einzelne Basen austauscht“, blickt der BAYER-Genkoch René Ruiter in die Zukunft.

Auch die TALEN-Technik nutzt der Global Player. Bereits seit 2006 kooperiert er mit dem französischen Unternehmen CELLECTIS, das diese Art des Genome Editing entwickelte. Und erst 2014 erweiterte der Agro-Riese seine Zusammenarbeit mit der „Institut Pasteur“-Ausgründung. Er gab die Entwicklung von Gen-Raps in Auftrag, dessen Erbgut mit Hilfe von Gen-Scheren neue Bausteine erhält. Darüber hinaus sicherte sich BAYER den Zugang zu neuen Technologien. „Sie ermöglichen so präzise Modifikationen des Genoms oder der Gene, dass Veränderungen des gesamten Pflanzen-Genoms vermieden werden“, frohlockte die BAYER-Forscherin Catherine Feuillet. Und zusätzlich zu diesen Produkt-Entwicklungen und Forschungsbestrebungen im Bereich „Synthetische Biologie“ hat der Leverkusener Multi noch Patente auf Gen-Scherereien in der Hinterhand. Nach Recherchen von TESTBIOTEST kommt er auf insgesamt 13 Anmeldungen. Dabei übertrumpft ihn weltweit lediglich DOW.

„Gezielt ins Baumwoll-Genom“ überschrieb der Leverkusener Multi seine vermeintliche Erfolgsmeldung vor fünf Jahren. Nach Ansicht der Konzerne arbeiten die Erbgut-Scheren nämlich „rasiermesser-scharf“. Die WissenschaftlerInnen schwärmen von ihren Präzisionsskalpellen, mit denen sich die Buchstaben des Lebens in einem DNA-Strang angeblich so exakt wie Wörter in einem Textbearbeitungsprogramm verändern lassen. Und da BAYER & Co. jetzt eine neue Erfolgsformel gefunden zu haben meinen, reden sie auch endlich einmal Tacheles über die Gentechnik 1.0. Sie geben zu, dass diese die in sie gesetzten Hoffnungen nie hat erfüllen können und beschreiben ihre Methodik rückblickend als unausgegoren. Die Ziel-Objekte mit „gene guns“ einem „particle bombardment“ mit Genen auszusetzen, in der Hoffnung, irgendwo werde schon etwas hängen bleiben, das sei doch wenig mehr als „Trial and Error“ gewesen, räumen die GentechnikerInnen ein. Heute aber ist ihrer Meinung nach alles anders. Der Molekulargenetik-Professor Paul Hooykaas von der Universität Leiden konstatiert in einem Interview mit BAYER research: „Die Optimierung der neuen DNE-Technologie ermöglicht die Entwicklung beispielloser ‚Designer-Pflanzen’ mit genau den genetischen Veränderungen, die zuvor konzipiert wurden.“ Zudem vermögen die ForscherInnen ihm zufolge dank der schnelleren Genom-Entschlüsselungen die neuen Gene nun präzise zu orten. „Dies sollte die Gesellschaft von der Sicherheit solcher Pflanzen überzeugen“, meint Hooykaas.

Viele Risiken
Allerdings schneiden die Gen-Scheren so trennscharf denn doch nicht. Allzu oft lassen sie Fünfe gerade sein und setzen nicht an der avisierten Stelle, sondern an ähnlichen Abschnitten des Erbgutes zum Schnitt an. Und wenn eine bestimmte Sequenz in der DNA öfter vorkommt, so schnippeln sie so manches Mal auch öfter, als den WissenschaftlerInnen lieb ist. Von „Off-Target-Effekten“ sprechen sie in solchen Fällen. Derartige und andere Nebenwirkungen traten im Frühjahr letzten Jahres bei Experimenten chinesischer WissenschaftlerInnen mit dem CRISPR/Cas-System an Embryonen auf. So kam es einerseits an unbeabsichtigten Orten zu den beabsichtigten Mutationen und andererseits an den beabsichtigten Orten zu unbeabsichtigten Mutationen.

Aber nicht nur wegen solcher Gen-Scherereien überzeugt die neue Technologie in Sachen „Sicherheit“ nicht. Christoph Then zitiert in seinem Buch „Handbuch Agro-Gentechnik“ eine BeraterInnen-Gruppe der US-Regierung, die vor unbekannten Biologie-Objekten warnt, weil sich das Verhalten der Labor-Konstrukte mit dem synthetisch hergestellten Erbgut allein auf der Basis ihres DNA-Codes nicht exakt bestimmen lässt. „In den meisten Fällen entwickeln sich die biologischen Systeme, die von Wissenschaftlern verändert wurden, wieder rasch in den ‚Wildtyp’ (...) zurück. Allerdings (...) schließt dies nicht die Möglichkeit aus, dass die Systeme sich auf unvorhergesehene und gefährliche Art und Weise weiterentwickeln, insbesondere wenn sie außerhalb des Labors freigesetzt werden.“ Und diese Gefahr steigt mit den Prozeduren der Synthetischen Biologie. Sie erlaubt den WissenschaftlerInnen nämlich schnellere und häufigere Eingriffe in das Erbgut als die Gentechnik alter Schule. „Die große Zahl von veränderten und/oder neuen Teilen würde zudem die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von sogenannten emergierenden Eigenschaften – d. h. zunächst unbekannte Eigenschaften, die nicht einzelnen bestimmten Teilen zuschreibbar sind, sondern die durch Zusammenwirken der Teile ‚neu’ entstehen – erhöhen“, gibt der Bericht des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgen-Abschätzung den Wortlaut entsprechender wissenschaftlicher Publikationen zu diesem Thema wieder.

So haben diejenigen Bakterien, die aus der Zersetzung von Biomasse Energie gewinnen, wie sie die seit 2009 zu BAYER gehörende Firma ATHENIX zum Patent angemeldet hat, aufgrund ihrer hochgezüchteten Leistungsfähigkeit das Potenzial, einen Überlebensvorteil gegenüber anderen zu erringen und die ökologischen Systeme nachhaltig zu verändern. Auch wenn solcherart im Labor kreierten Arbeitsbienen zum Teil nur über 700 Gene verfügen, erweist sich deren Zusammenwirken doch als äußerst komplex, was Prognosen über ihre zukünftige Entwicklung zu einer alles anderen als leichten Übung macht. Das SCENIHR, die wissenschaftliche BeraterInnen-Gruppe der EU für neue Gesundheitsrisiken, geht in ihrem Report über die „Synthetische Biologie“ deshalb ebenfalls auf das von solchen SynBio-Kreationen ausgehende Gefährdungspotenzial ein. Freigesetzt, wären diese imstande, in Interaktion mit der Umwelt zu treten und beispielsweise Nahrungsketten zu unterbrechen oder sich sogar mit anderen Organismen zu verbinden und zusammen mit ihnen neuartige Viren auszubrüten, meinen die WissenschaftlerInnen. Solche Viren könnten überdies nicht nur durch einen „Unfall“ entstehen, sondern bewusst als Bio-Waffen erzeugt werden. Die „Synthetische Biologie“ erweitert die Möglichkeiten dazu immens, warnt etwa der Bericht des Bundestagsausschusses.

Diese sorgt also für mehr Risiken, denen noch dazu weniger auf die Spur zu kommen ist. Die Risiko-Bewertung stößt bei den künstlichen DNA-Konstrukten nämlich an Grenzen. Konnten die WissenschaftlerInnen bei der Beurteilung des Sicherheitsprofils von gen-veränderten Pflanzen bisher immer das biologische Original als Vergleichsmaßstab heranziehen, um eventuelle Abweichungen im Verhalten festzustellen, so fehlt im Reich der „Synthetischen Biologie“ eine solche Reverenz-Größe.

SCENIHR sieht zudem die Gefahr, dass die Biomasse als Rohstoff der „Synthetischen Biologie“ – etwa um Bio-Kraftstoffe der 2. Generation oder Kunststoffe herzustellen – zu einer intensiveren Boden-Nutzung mit all ihren negativen Folgen für die Umwelt führt und hält deshalb fest: „SynBio-Alternativen für chemische Produkte und industrielle Prozesse müssen nicht unbedingt nachhaltiger sein als traditionelle Produkte.“
Die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL) befürchtet ebenfalls negative Auswirkungen auf den Agrar-Sektor. „Die mit Hilfe der neuen Gentechnik zu erwartenden Produkte entsprechen nicht den Herausforderungen an eine klima- und umweltschonende Landwirtschaft und Lebensmittel-Erzeugung“, konstatiert der Verband. Zudem besteht für den AbL die Gefahr, dass die neuen Gentechniken die Monopolisierung des Saatgut-Marktes noch weiter vorantreiben.

BAYER & Co. wiegeln ab
Die Konzerne aber spielen die Gefahren herunter. In seiner Stellungnahme zum Bericht des EU-BeraterInnengremiums zur „Synthetischen Biologie“ mahnt EuropaBio, der Sachverwalter der Lobby-Interessen von BAYER & Co. in Brüssel, zunächst einmal ganz allgemein, bei anstehenden Regulierungsfragen doch bitte nicht immer nur an den Schutz der Menschen vor Risiken und Nebenwirkungen neuer Produkte zu denken, sondern auch einmal an den Schutz der Innovationsfähigkeit Europas. In der Sache hatte BAYER-Chef Marijn Dekkers in Tateinheit mit den Bossen von SYNGENTA, NOVARTIS und anderen Unternehmen schon im Oktober 2013 einen Offenen Brief an die EU-Kommission geschrieben, in dem sie forderten, dem Innovationsprinzip denselben Rang wie dem Vorsorge-Prinzip einzuräumen. Darum drängt EuropaBio die EU, bei SynBio-Produkten nur nach dem Vorsorge-Prinzip zu handeln, wenn konkrete Hinweise auf schädliche Wirkungen vorliegen und nicht schon auf bloßen Verdacht hin. Der Verband fordert also ein solches Sicherheitsmanagement, wie er es mit Verweis auf das US-amerikanische Modell auch gerne im TTIP-Abkommen verankert sähe. Nach Ansicht der Konzerne gilt es nämlich, auch einmal Wagnisse einzugehen. „Innovationen sind per definitionem mit Risiken verbunden“, heißt es in dem Schreiben von Marijn Dekkers und den anderen Konzern-Lenkern an die Europäische Kommission.

Deshalb erfordert die neue Technologie den Unternehmen zufolge nicht nur keinen zusätzlichen Regelungsbedarf, sie wollen teilweise schon die bestehenden Vorschriften nicht auf SynBio-Produkte angewandt wissen, weil bei deren Herstellung angeblich oft gar keine Gentechnik im traditionellen Sinne am Werke war. Eine Mutagenese, also eine Veränderung am Erbgut ohne direkten Eingriff, die durch Bestrahlung oder Chemie-Einsatz zustande komme, unterscheide sich doch gar nicht von einer solchen, die künstlich hergestellte DNA- oder RNA-Abschnitte im Pflanzen-Genom initiieren wie bei der Oligonukleotid-gesteuerten Mutagenese, argumentieren sie.

Mit just dieser Begründung versuchte die Firma CIBUS, ihren herbizid-toleranten Raps unter Umgehung des „Gesetzes zur Regelung der Gentechnik“ auf die Felder zu bekommen. Als „fortgeschrittene nicht transgene Züchtungstechnologie“ bezeichnete sie das Verfahren. So hoffte das Biotech-Unternehmen nicht zuletzt auch, die Kosten für die Zulassungsprozeduren zu sparen, die bei 10 bis 15 Millionen Euro liegen. Und das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ ließ das willfährig mit sich machen. Sie stufte die Ackerfrucht „nicht als Gentechnik im Sinne des Gentechnik-Gesetzes“ ein, da sich in ihrer DNA keine Fremd-Gene finden. „Es ist unsinnig, wenn wir Dinge regulieren, die wir nicht erkennen können“, sagt der BVL-Wissenschaftler Hans-Jörg Buhk. Vorerst darf der OgM-Raps die Felder aber trotzdem noch nicht heimsuchen. Der BUND reichte nämlich eine Klage gegen den Anbau ein und stoppte so vorerst die Aussaat.

Und wenn es sich denn bei SynBio-Produkten um Gentechnik im Sinne der entsprechenden Gesetze handelt, dann regeln diese auch alles Nähere zu den Sicherheitsanforderungen, meint EuropaBio. In ihren Einlassungen zum SCENIHR-Report leugnet die Industrie-Organisation das Gefährdungspotenzial der neuen Gen-Technologie systematisch. Das Freisetzungsrisiko schätzt sie als äußerst gering ein, und unbekannte Biologie-Objekte sieht sie ebenfalls nicht am Horizont heraufziehen. Und auch die kleinbäuerliche Landwirtschaft hat nach ihrem Dafürhalten von der „Synthetischen Biologie“ nichts zu befürchten. EuropaBio hadert schon damit, dass sich die SCENIHR-ExpertInnen überhaupt ergebnis-offen mit solchen möglichen Nebenwirkungen beschäftigen. Technikfolgen-Abschätzungen dieser Art haben nach Ansicht von BAYER & Co. in einem solchen Report nichts zu suchen: „Wir glauben, dass Bezugnahmen auf sozio-ökonomische, ethische und soziale Themen nicht in diesem Dokument enthalten sein sollten.“ Und das BAYER-Vorstandsmitglied Kemal Malik droht der EU im Falle von Restriktionen gegen die neue Gentechnik schon einmal an, nicht mehr so viele Forschungsgelder in den Mitgliedsländern zu investieren: Wir müssen es nicht in Europa ausgeben. Wir können es überall auf der Welt ausgeben.“

Kein Handlungsbedarf
Die einflussreichsten wissenschaftlichen Einrichtungen decken diese verharmlosende Sichtweise der Gentech-Konzerne und versuchen, ihnen politisch den Rücken freizuhalten. So urteilte die „Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit“, vom „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ um eine Bewertung der neuen Risiko-Technologie gebeten, 2012: „Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die in Deutschland in der Synthetischen Biologie verfolgten Forschungsansätze kein biosicherheitsspezifisches Gefährdungspotenzial bergen, das über das von den ‚klassischen’ gentechnischen Versuchen hinausgeht und dem nicht durch die konsequente Anwendung des GenTG (Gentechnik-Gesetz, Anm. SWB) begegnet werden kann.“ Die „Deutsche Forschungsgemeinschaft“ (DFG) kommt zu einer ähnlichen Einschätzung. Neuartige Organismen ohne Vorbilder in der Natur zu kreieren, stellt nach Ansicht der DFG keine zusätzlichen Sicherheitsanforderungen: „Eine gesetzliche Regulierung speziell für die Synthetische Biologie ist derzeit aus diesen Gründen nicht erforderlich.“ Und auch die Leopoldina-Wissenschaftsakademie hält ein solches Paragraphen-Werk für unnötig. „Wenn wir zu der Überzeugung kommen sollten, dass bestimmte gesetzliche Instrumente fehlen, dann werden wir das in Richtung Politik kommunizieren. Doch derzeit sehen wir einen solchen Bedarf nicht“, erklärte Leopoldina-Präsident Jörg Hacker in der Welt.

Die Europäische Union prüft zurzeit, ob die bestehenden Gentechnik-Gesetze wirklich den Herausforderungen der „Synthetischen Biologie“ gerecht werden oder ob diese einen speziellen juristischen Rahmen benötigt. BeobachterInnen zufolge könnte die EU-Kommission sich aber auch aus der Verantwortung stehlen und die Entscheidung darüber den nationalen Parlamenten überlassen, wie sie es jüngst im Fall der Zulassungen für Gen-Pflanzen getan hat.
Bei den Verhandlungen zur „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ spielt SynBio ebenfalls eine Rolle. BAYER & Co. bemühen sich nämlich nicht nur, via TTIP bereits bestehende Auflagen zu risiko-reichen Produkten aufzuweichen, sondern arbeiten auch daran, bei neu anstehenden Regulierungsfragen von vornherein ein niedriges Schutz-Niveau zu verankern. Deshalb entfaltet der europäische Saatgut-Verband ESA in Tateinheit mit seinem US-amerikanischen Pendant ASTA große Lobby-Aktivitäten, um BAYER & Co. vor Restriktionen zu bewahren. „Für die neuen Pflanzenzucht-Techniken halten ESA und ASTA ein spezielles Regelwerk nicht für erforderlich“, erklären die Organisationen und warnen vor Handelshemmnissen, falls Brüssel sich im Gegensatz zu den USA doch für eine Extra-Verordnung entscheiden sollte. Auch droht nach Ansicht der beiden Lobby-Clubs in einem solchen Fall wirtschaftlicher Schaden für eine erfolgversprechende Innovation: „Der zukünftige Gebrauch der neuen Pflanzenzucht-Techniken (...) und die Markteinführung der daraus resultierenden neuen Pflanzen-Arten hängt stark von einem förderlichen regulatorischen Umfeld und politischer Unterstützung ab“.

Großbritannien hat sich Anfang Februar 2016 bereits entschieden, der Anwendung der „Synthetischen Biologie“ im Bereich der Human-Medizin dieses förderliche Umfeld zu bieten. Das Land erlaubte es WissenschaftlerInnen des „Francis Crick Instituts“, mit ihren Gen-Scheren an Embryonen herumzuschnippeln. Und es dauerte nicht lange, bis auch das hiesige Embryonen-Schutzgesetz in die Diskussion kam. „Das Gesetz entspricht nicht mehr dem heutigen Forschungsstand“, meint etwa Jochen Taupitz vom „Institut für Medizin-Recht und Bioethik“. Dem Ansinnen der Global Player, mit der „Synthetischen Biologie“ zurück in die Zukunft der Gentechnik aufzubrechen, steht momentan also nicht viel im Wege, trotz der vielen mit ihr verbundenen Risiken und Nebenwirkungen.