Bayer & Co. machen Druck
Das Terminator-Comeback
Nur massive öffentliche Proteste bewogen die Agromultis im Jahr 2000 zu einem Verzicht auf die Vermarktung von Terminator-Saatgut. Ihre Strategie, LandwirtInnen mittels gentechnisch steril gemachter Pflanzen an einer Wiederaussaat zu hindern und sie so zu stetigen Neukäufen zu zwingen, scheiterte einstweilen. Nun aber erscheint Bayer & Co. die Zeit reif für „Terminator II“. Die auch von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN unterstützte Kampagne „Freie Saat statt tote Ernte“ will das Comeback vereiteln.
Von Jan Pehrke
Das 1991 vom Europäischen Patentamt in München bewilligte und neun Jahre später erweiterte Patent mit der Nummer „EP 41 2006 A 1991-02-06“ trägt den Titel „Pflanzen mit modifizierten Blüten, Samen oder Embryos“. Es spricht dem Antragsteller geistiges Eigentum an einem Gen für weibliche Sterilität zu, das unfruchtbare Samen produziert. Bei diesem „Schutzbrief“ handelt es sich nach Recherchen der Initiative „Kein Patent auf Leben“ um das erste Patent für Terminator-Saatgut. Mit dem Kauf von AVENTIS CROPSCIENCE im Jahr 2001 ging es in den Besitz von BAYER über, dem mittlerweile achtgrößten Saatgut-Konzern der Welt.
Die Entwicklung des Unfruchtbarkeitsgens bedeutete für die Agroriesen einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg, sich die Erde untertan zu machen und die sie bewirtschaftenden LandwirtInnen in ihre Abhängigkeit zu zwingen. Hatten diese über Jahrhunderte hinweg einen Teil ihrer Ernte einbehalten, um sie im Frühjahr wieder auszusäen, so verwehrte ihnen die sterile Labor-Schöpfung ein solches Vorgehen. Fortan hatten sie immer neues Saatgut zu kaufen. Einmal mehr war es den Konzernen gelungen, die agrarische Wirtschaftsweise zu unterminieren und mit ihrer eigenen kurzzuschließen. Robert Fraley, Manager des sich Mitte der 90er Jahre nach einer Geschäftskrise wieder stabilisierenden Agrar-Multis MONSANTO bekannte sich ganz offen zu dieser Strategie. „Was wir vor uns haben, ist nicht nur eine Konsolidierung von Saatgut-Unternehmen, sondern tatsächlich eine Konsolidierung der gesamten Nahrungskette“, schrieb er in der Farm Journal-Ausgabe vom Oktober 1996. Und die „European Seed Association“ als europäischer Pflanzenzüchter-Dachverband lässt auch keinen Zweifel daran, welches geschäftliche Interesse er vornehmlich verfolgt, nämlich dasjenige, den LandwirtInnen die Verfügungsgewalt über ihr Saatgut zu nehmen.
Einen wichtigen Durchbruch auf diesem Gebiet erzielte das Big Business bereits 1905 mit der Züchtung von Hybrid-Saatgut für Mais. Aus der Kreuzung einer weiblichen Linie, die unfruchtbares männliches Erbgut in sich birgt, mit einer männlichen Linie entstanden Inzucht-Produkte, die sich in der nächsten Generation wieder in die Ausgangssorten aufspalten. Von „geschlossenen Stammbäumen“ sprechen da die Agrar-IngenieurInnen. Bei einer Wiederverwendung müssen die LandwirtInnen erhebliche Ertragsverluste in Kauf nehmen. Alsdann sicherten sich die Konzerne durch Patente den privatwirtschaftlichen Zugriff auf die Natur. Nur durch Copyright-Rechte, die eine exklusive Vermarktung ermöglichen, können Pflanzen für BAYER & Co. nämlich zur Ware werden.
Den Global Players dieses Recht zu gewähren, hieß, die Ansprüche der LandwirtInnen zu beschneiden. So fiel 1991 das Landwirte-Privileg, das den Bauern und Bäuerinnen das unbeschränkte Recht über das Saatgut gewährte. Ab 1997 schließlich stand das Wiederaussäen sortengeschützter Ackerfrüchte sogar unter Strafe, sollten die LandwirtInnen keine Nachbaugebühren an die Saatgut-Firmen zahlen.
Aber all das reichte der Agrarindustrie noch nicht. Die Gewinnung von Hybrid-Saatgut gestaltete sich ihnen zu aufwändig. Die Züchter waren gezwungen, lange Reihen mit weiblichen Pflanzen neben solchen mit männlichen Pflanzen anzulegen und auf die Bestäubung zu warten. Bei der „Ernte“ mussten dann die Samen mühsam aus den weiblichen Blüten herausgeklaubt werden. Das war arbeits- und kostenintensiv, weshalb dabei nicht nur die Zulieferer von BAYERs indischer Saatgut-Tochter PROAGRO auf Kinderarbeit zurückgriffen (SWB 4/05). Darüber hinaus setzten besonders die FarmerInnen in der „Dritten Welt“ aus Mangel an ökonomischen Alternativen die hybriden Samen trotz magerer Ernten immer wieder aus.
Auch die Nachbau-Gebühren flossen nicht eben reichlich. Bauernschläue fand immer wieder eine Möglichkeit, sie zu umgehen und die alten Traditionen fortzusetzen. Und vor einem Bauernpolizeistaat auf dem flachen Lande schrecken die Multis dann doch zurück, zumal bereits die Lizenzzahlung für das Saatgut bei den Betroffenen unangenehme Assoziationen an längst vergangene feudale Zeiten weckten, wo die LandwirtInnen den Gutsherren noch Zehnten zu entrichten hatten.
Vor all dieser Unbill schützt die Konzerne das sterile Saatgut „ab Werk“. Die Terminatoren schließen einen Nachbau nämlich von vornherein aus. Insbesonders für die FarmerInnen der „Dritten Welt“ hat das fatale Konsequenzen. Kaum über Kapital verfügend, greifen 90 Prozent von ihnen auf Saatgut aus eigener Ernte zurück. In der Bundesrepublik tun dies nach Angaben der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT immerhin noch 35 bis 50 Prozent. Entsprechend groß war die Empörung über die kalte Enteignung. Diese zwang die Gengiganten schließlich dazu, Abbitte zu leisten. Andernfalls hätten sie womöglich die ohnehin schon von Akzeptanz-Problemen geplagte „grüne Gentechnik“ ganz abschreiben müssen. Der freiwilligen Selbstverpflichtung zum Verzicht auf das sterile Saatgut folgte im Mai 2000 ein bindendes Gebot. Die Biodiversitätskonferenz der Vereinten Nationen verfügte ein Moratorium, bis Klarheit über die gesundheitlichen, entwicklungs- und umweltpolitischen Implikationen der Terminator-Technologie besteht. Eine von ihr eingesetzte ExpertInnen-Kommission sollte dafür sorgen.
In den Laboren von BAYER & Co. ging die Arbeit trotz der verkündeten Abstinenz munter weiter. Die Agrar-IngenieurInnen entwickelten mit den „t-Gurts“ sogar eine neue Terminator-Generation. Sie verfügen über einen eingebauten Ein- und Ausschalter für Fruchtbarkeit, der über einen äußeren Reiz, etwa durch ein Antibiotikum, umgelegt werden kann. Auch der Leverkusener Multi hatte etwas in petto, weshalb er gemeinsam mit anderen Konzernen über ihren internationalen Saatguthersteller-Verband „International Seed Federation“ Druck machte, um eine Aufhebung des Moratoriums zu erreichen. BAYER plant nämlich, Pflanzen gentechnisch zu kleinen Chemiefabriken umzurüsten. Aus diesem Grund hat der Agroriese erst im Januar die auf diesem Gebiet arbeitende Firma ICON GENETICS aus München gekauft, die unter anderem ein Patent auf Arzneistoffe und Feinchemikalien produzierende Pflanzen hält. Und für einen kommerziellen Anbau dieser BAYER-Botanik führt an der Terminator-Technologie kein Weg vorbei, ansonsten würde der Pollenflug aus den Äckern veritable Apotheken und Chemie-Lager machen.
Perfiderweise werben die Multis bei ihrer neuerlichen Produkteinführungskampagne gerade mit diesem Sicherheitsargument. Das ist zwar Zynismus pur, hat aber Methode. Hatten die Agroriesen einst die Gentechnik als Allheilmittel gegen die Überdosis Chemie und andere Risiken und Nebenwirkungen der zuvor von ihnen eifrig betriebenen „grünen Revolution“ gepriesen, so verkaufen sie jetzt die Terminator-Technologie als Patentrezept gegen die Einkreuzungen von Gen-Pflanzen in konventionelle Sorten, eine Tatsache, die Konzerne zuvor immer heftig bestritten hatten.
Auf solch fadenscheinige Begründungen allein mochten BAYER & Co. dann auch nicht vertrauen. Sie sicherten sich stattdessen mal wieder politischen Beistand. Die erste Adresse, die mit dem Agro-Business in vielfältiger Weise verbandelte US-Regierung, stand diesmal als Ansprechpartner nicht zur Verfügung, da die Vereinigten Staaten das Biodiversitätsabkommen der Vereinten Nationen nicht mit unterzeichnet hatten und somit von den weiteren Verhandlungen ausgeschlossen waren. Aber Bush tat trotzdem alles in seiner Macht stehende und bat Kanada um Nachbarschaftshilfe. Das Land kam dem Ersuch gerne nach und legte sich mächtig ins Zeug. Schon Monate vor den UN-Konferenzen bearbeiteten seine DiplomatInnen vor allem die PolitikerInnen der „Entwicklungsländer“. Sie wedelten mit viel Geld und sicherten bei entsprechendem Wohlverhalten tatkräftige Unterstützung bei der Implementierung der Terminator-Technologie zu. Darüber hinaus gelang es Kanada, die sehr kritisch ausgefallene Risikofolgenabschätzung der UN-ForscherInnen auf das institutionelle Abstellgleis zu schieben. So blieben die Warnungen der WissenschaftlerInnen vor einer Bedrohung der Nahrungsmittelsicherheit, einem Absterben der Artenvielfalt auf den Feldern und vor dem Verschwinden traditioneller Ackerwirtschaft ebenso ungehört wie die inzwischen auch publik gewordenen beunruhigenden Hinweise von MedizinerInnen das allergene Potenzial der Terminator-Pflanzen betreffend.
Noch in diesem Jahr entscheidet sich, ob Kanada als Klassensprecher der Konzerne „Terminator II“ durchzusetzen im Stande ist, oder ob es der Kampagne „Freie Saat statt tote Ernte“ und ihren internationalen Kooperationspartnern gelingt, den Start des Sequels zu verhindern. Ein erstes Zusammentreffen auf der Biodiversitätskonferenz im spanischen Granada endete mit einem Punktsieg der Antiterminatoren. Die Konferenz empfahl eine Beibehaltung des Moratoriums, ließ den Gentech-Unternehmen mit Formulierungen wie einem „Fall zu Fall-Risikomanagement“ allerdings einige Hintertüren offen. Ob BAYER & Co. durch diese schlüpfen und sie als Lizenz für Freisetzungsversuche interpretieren können, wird vielleicht schon das nächste Meeting Ende März, spätestens aber die Vollversammlung der Unterzeichnerstaaten der Biodiversitätskonvention im Mai zeigen. Vor der „Freie Saat“-Initiative, welche die bundesdeutschen PolitikerInnen zum ersten Mal im Januar mit einer Aktion vor dem Reichstag für ihre Ziele zu gewinnen suchte, liegt also noch viel Arbeit.
Weitere Informationen: www.freie-saat.de; www.banterminator.org