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Veröffentliche Beiträge in “BAYER HV 2001”

[Abstimmungsergebnisse] Hauptversammlung 2001

CBG Redaktion

Abstimmungsergebnisse: Die Macht des Kapitals

Von Axel Köhler-Schnura

Der BAYER-Konzern hat ein Grundkapital von 3,7 Milliarden DM. Dieses teilt sich auf in 730 Millionen Aktien mit einem Nennwert von jeweils 5 DM. Ca. 7.300 AktionärInnen repräsentierten auf der Hauptversammlung 36 Prozent des Grundkapitals, also 1,3 Milliarden DM bzw. 262 Millionen Aktien.

Ein Blick in die Präsenzliste - das Verzeichnis der anwesenden AktionärInnen - zeigte, dass 99,5 Prozent des anwesenden Kapitals von lediglich etwas mehr als zwei Dutzend Banken, Versicherungen und Investmentfonds gehalten wurden. Herausragend dabei die DRESDNER BANK und die DEUTSCHE BANK, die zusammen fast 40 Prozent aller anwesenden Aktien stellten. Ins Auge fiel auch, dass die Investmentgesellschaften zunehmend an Gewicht gewinnen. Die vielen tausend anwesenden AktionärInnen halten also lediglich ca. 0,5 Prozent bzw. ca. 1,6 Millionen der anwesenden Aktien.

Wenn also die Abstimmungsergebnisse auf der Hauptversammlung zu 99 und mehr Prozent zugunsten der Vorstandsvorlagen ausfielen, so hängt dies wesentlich mit dieser Ballung des Aktienbesitzes in den Händen weniger GroßaktionärInnen zusammen. Es gibt noch einen zweiten Grund: Enthaltungen bleiben unberücksichtigt. Bei den Abstimmungen werden lediglich die Ja- und die Nein-Stimmen gewertet. Die in diesem Jahr bis zu 1,5 Mio. Enthaltungen fallen einfach unter den Tisch.
In Vorbereitung der Aktionen zur Hauptversammlung wurden der Coordination und dem Dachverband ca. 200.000 Aktien übertragen.
In den Abstimmungen auf der Hauptversammlung stimmten für die Anträge der KritikerInnen bis 12,4 Mio. Aktien.

Fakt ist also, dass sich im Saal zwischen 1.000 und 3.000 KleinaktionärInnen - also bis zu 50 Prozent - für unsere Vorschläge entschieden und gegen die einzig am Profit ausgerichtete Politik des Vorstands stimmten. Ein großer Erfolg der Arbeit der CBG und des Dachverbandes.

[Rede Santivanez] Hauptversammlung 2001

CBG Redaktion

Rede in der Bayer Aktionaersversammlung 2001

von Tania Santivañez, Stiftung und Universitaet Nuestra Señora d ela Paz, Bolivien

Ihnen allen ein guten Tag!

Ich bedanke mich, vor diesem werten Publikum reden zu koennen. Ich komme aus Bolivien, heisse Tania Santivañez Camacho, bin Chemikerin mit dme Spezialgebiet der Toxikologie. Ich forsche und unterrichte an der Universitaet Nuestra Señora de La Paz. Ich moechte ihnen heute von Ergebnissen von Laborversuchen wie auch von meiner praktischen Arbeit in laendlichen Gemeinden Boliviens berichten. Dabei gibt es eine direkte Beziehung auch zur ihrem Land und ihrem Unternehmen.

Bolivien liegt im Herzen Amerikas und verfuegt ueber einen grossen natuerlichen Reichtum und eine grosse Artenvielfalt, vor allem auf Land. Aber paradoxerweise sind die Reichtuemer ungleich verteilt. Ausgerechnet die laendlichen Regionen Boliviens weisen Armutsziffern wie im Sahel in Afrika auf. Auf dem Land hat die Mehrzahl der Familien kein Zugang zu sauberem Wasser, Kinder sterben fruehzeitig, die Mehrzahl der Erwachsenen kann nicht lesen und schreiben. Waehrend andere in den Stadten leben wie in Europa.

Dabei versorgen vor allem die Kleinbauern die Staedte mit Nahrungsmitteln. Ihre Anbaumethoden basieren jedoch auf Erfahrungswerten. Das Wissen ihrer Vorfahren vermischt sich mit den Produkten der Moderne, wie den Agrarchemikalien. Und das fuehrt oft zu mehr Problemen, als dass es hilft. Weil es die Umwelt verschmutzt, Krankheiten verursacht und weil die Kleinbauern eine korrekte Anwendung der modernen Agrartechnologie oft einfach nicht bezahlen koennen. Ich betone dass, weil die moderne Landwirtschaft ein technologisches Paket ist, das auch die entsprechende Ausbildung voraussetzt.

Schaedlingsbekaempfungsmitteln wurden in Bolivien in den 60er Jahren eingefuehrt. Die Produktion der Kleinbauern ist seitdem nicht wesentlich gestiegen, wohl aber die Zahl der resistenten Schaedlinge. Folge ist die Verwendung von immer hoeheren Dosierungen und neuen Kombinationspraeparaten, die nicht nur Schaedlinge vernichten, sondern auch die Gesundheit und die Umwelt beeintraechtigen.

Das Fehlen von Informationen ueber die Risiken, fuehrt dazu, dass die Kleinbauern taeglich in Kuechenutensilien ihre sogenannten Cocktails mischen. Mischungen von Pestiziden wie Ditane, Metmidafos, Monocrotofos, Metalaxil und Parathion, die sich bildhaft gesprochen in chemische Bomben verwandeln. Es kommt dazu, dass die Kleinbauern, die Mischungen dann auch noch auf der Zunge zergehen lassen, um zu pruefen, ob sie auch wirken. Viele bewahren die Chemikalien in ihren Schalfzimmern oder in der Kueche auf, damit sie ihnen nicht gestohlen werden. Und siw wissen nicht, dass sie damit das Leben ihrer Kinder gefaehrden.

Die Kleinbauern spritzen die Felder oft ueber Stunden. Und zum Beispiel die Tomaten werden bis zur Ernte 20 mit Pestiziden behandelt. In der Regel geschieht das ohne Schutzmassnahmen. Oft sind es Kinder, manchmal schon achtjaehrige, oder auch schwangere Frauen.

Wir ahben seit 1988 in Bolivien 44 Bayer-Chemikalien registriert, moeglicherweise ist dies jedoch ein kleiner Anteil im Vergleich zur Gesamtzahl der Produkte, die eingefuehrt werden. Aber selbst unter diesen 44 Produkten befinden sich einige Pestizide, die in anderen Laendern wegen ihrer Gefaehrlichkeit verboten sind. So das Methyl-Parathion, Ethyl-Parathion, das Oxidemeton O-Methyl, Carbofuran und andere.

Es gibt darunter auch andere Schaedlingsbekaempfungsmittel, die chronische Folgen haben, wie Giftablagerungen in der Leber, in der Niere, Verletzungen an Hoden und am Uterus, die die Gesundheit von Ungeborene beeintraechtigen, oder das zentrale Nervensystem schaedigen.

Nach Angaben des bolivianischen Agrarministeriums wird das Methyl- und Ethyl-Parathion seit 1995 legal nicht mehr importiert. Trotzdem sind es noch heute die am meisten verbreiteten Schaedlingsbekaempfungsmittel. Sie werden sowohl in regulaeren Agrarfachgeschaeften wie auf der Strasse verkauft. Man sieht stillende Frauen, die diese Chemikalien in kleinere unspezifische Verpackungen umfuellen und dann verkaufen. Ebenso Kinder, die ueberhaupt kein Problem darin sehen, die Chemikalien neben ihre Essenration zu stellen. Aber auch wenn diese Stoffe in der Originalverpackung verkauft werden, ist zu beruecksichtigen, dass die Menschen in vielen Gemeinden nicht lesen koennen. Und so auch die Warnhinweise nicht verstehen.

Ich moechte einen konkreten Fall nennen, auf den das psychiatrische Krankenhaus San Juan de Dios in Cochabamba aufmerksam gemacht hat. In der laendlichen Gemeinde Pocona, die 13.000 Einwohner zaehlt, hatten im Jahr 1986 ueber 4 Prozent der Bevolkerung, sprich mehrere Hundert Menschen, und im Jahr 1987 immer noch mehr als 1 Prozent der Bevolkerung, mit FOLIDOL das Leben genommen. Der Ortspfarrer war verzweifelt und verbot als Abschreckungsmassnahme die Beerdigung dieser Chemie-Selbstmoerder auf dem Gemeindefriedhof. Ein besonderer Friedhof wurde fuer die Selbstmoerder eingerichtet, denen angeblich der Weg in den Himmel versperrt sei. Experten untersuchten die Faelle und fuehrten die Ursache darauf zurueck, dass der permanente Kontakt mit FOLIDOL das zentrale Nervensystem vieler Menschen in Pocona geschaedigt habe. Dies habe auch das Sozialverhalten veraendert.

Zwei andere markante Faelle sind die Gemeinden Tiquipaya nahe der Stadt Cochabamba und das Departamento Tarija im Sueden Boliviens. In Tiquipaya wurden eine erhoehte Rate von Fehlgeburten und durch genetische Veraenderungen bedingte Missbildungen registriert, In Tarija wiederum erhoehte Ziffern von Leukamie (leucemia mieloide crónica) und Anaemie (anemia aplásicas), Krankheiten, die es frueher dort nicht gegeben hatte.
In Tiquipaya beraten wir jetzt mit Unterstuetzung von terre des hommes-Deutschland Kleinbauern, Blumenexportplantagen und die Gemeindeverwaltung, wie solche Gesundheitsschaeden durch eine Veraenderung der Produktionsformen und die Einfuehrung eines staedtischen Umweltprogramms verringert werden koennen. Doch Bolivien ist doppelt so gross wie Deutschland und unsere Mittel sind begrenzt.

Es sind ja nicht nur die Krankheiten. In den Baechen finden sich grosse Mengen an Chemiemuell. Dosen von Ethyl- oder Methyl-Partahion und andere Schaedlingsbekaempfungsmittel. Das fuehrt zur Vergiftung von Wasser, Boeden, Tieren und Pflanzen.
Ich erwaehne dass, um deutlich zu machen, dass eine reineVermarktungsstrategie, in Laendern wie Bolivien, insbesondere in der kleinbaeuerlichen Bevoelkerung irreversible Schaeden nach sich zieht.

Ich bin davon ueberzeugt, dass die Chemie eine wundervolle Wissenschaft ist, die uns die Moeglichkeit gibt, die Stofflichkeiten zu veraendern und damit Menschen das Leben zu erleichtern. In diesem Sinne moechte ich einen Glueckwunsch zu den 100 Jahren Aspirin aussprechen. Das Medikament ist nicht hilfreich, sondern dazu auch fuer arme Bevolkerungsgruppen erschwinglich. Sicher gibt es noch viele Produkte mehr dieser Art, die in Bayer-Laboren entwickelt wurden…

Im Gegensatz dazu produziert Bayer jedoch auch sehr giftige und gefaehrliche Substanzen wie die Schaedlingsbekaempfungsmittel. Ich moechte jedoch glauben, dass die Chemiker bei der Entwicklung dieser Chemikalien immer die Agrarproduzenten im Kopf hatten, die damit die Ernten verbessern und die Menschen mit den noetigen Lebensmitteln versorgen…

Ich sage das, weil das die Politik von Bayer ist, so wie ich es auf der Internetseite lesen konnte: Da steht: “Gesundheit, Umwelt und Sicherheit sind die drei Begriffe, die die Etnscheidungsfindung von Bayer bestimmen.” Und “An Orten, wo die noetigen gesetzlichen Regelungen nicht existieren, implementiert Bayer erantwortliche Praktiken und gibt Unterstuetzung und Beratung, um den sicheren Eisnatz seiner Produkte zu gewaehrleisten.”
Aufgrund dessen moechte ich Ihnen die folgenden Fragen stellen?

In welcher Form ueberprueft Bayer, inwieweit diese Leitlinien in Bolivien erfuellt werden. Und was waren die Ergebnisse?

Empfindet BAYER eine Art Mitverantwortung fuer den Einsatz seiner Agrarchemikalien in Bolivien?

Hat BAYER zu einem frueheren Zeitpunkt Kenntnis bekommen von den Massneselbstmorden in Pocona durch FOLIDOL. Welche Konsequenzen hat das Unternehmen daraus gezogen? Oder welche Konsequenzen denken Sie nun zu ziehen?

Sieht sich BAYER imstande, von seinen Vertretern in Bolivien staerke Kontrollen der Vertriebswege der Produkte zu verlangen. Sieht sich BAYER imstande, die Herkunft der illegal im Lande vertriebenen BAYER-Produkt, die nicht beim Agrarministerium registriert sind zu klaeren. Oder handelt es sich gar um eine Faelschungen des Markenzeichens von Bayer?

Teilt der BAYER-Aufsichtsrat meine Einschaetzung, dass in einem Staat wie Bolivien, wo es keine ausreichend ausgestatteten Instanzen fuer eine transparten und effiziente Kontrolle des Agrarchemiemarktes gibt, von einem sicheren Einsatz nicht die Rede sein kann?

Kann man ueberhaupt von einem “sicheren” Einsatz reden, wenn Restbestaende in Erde, Wasser oder Luft verbleiben?

Ist Bayer bereit, aus einem Anteil der Gewinne einen Fond einzurichten, aus dem
a) Vergiftungsopfer entschaedigt weden koennten
b) vorbeugende Massnahmen finanziert werden koennten

Waere BAYER bereit, gemeinsam mit dem bolivianischen Agrarministerium Aktivitaeten gegen die Kommerzialisierung extrem gefaehrlicher Agrarchemikalien durchzufuehren?

Ist BAYER bereit, einen kurzfristigen Aktionsplan zur Beseitigung von Agrarchemiemuell in Bolivien zu implementieren?

Ich haette noch mehr Fragen, denke aber, im Augenblick ist es am wichtigsten, Sie nach diesem kurzen Einblick in die Problematik um Ihre Unterstuetzung zu bitten. Denken Sie daran, was in meinem und in anderen Laendern derzeit geschieht. Denken Sie an ihre eigenen Kinder und lassen Sie uns gmeinsam Wege finden, die drei Schluessworte von BAYER “Gesundheit, Umwelt, Sicherheit” umzusetzen. Und stellen Sie uns die Mittel zur Verfuegung, um auch den anderen Kernsatz in Bolivien mit Leben zu erfuellen: “Wo es keine Gesetze und Umsetzungsbesitmmungen gibt, implementiert BAYER verantwortliche Massnahmen der Unterstuetzung und Beratung, um einen sicheren Einsatz der Produkte zu gewaehrleisten.

Ich bin davon ueberzeugt, dass jeder von uns moralisch verpflichtet ist, sich fuer die Harmonie von Mensch und Natur einzusetzen. In der Frage der Oplfanzenschutzmittel speziell benoetigen Strategien, die ein Gleichgewicht zwischen den Rechten und den Verantwortlichkeiten herstellen. Denn die Erfahrung wie auch die Wissenschaft zeigt uns, dass die Umweltverschmutzung keine Grenzen respektiert und dass das Bemuehen um Gesundheit, Umweltschutz und Sicherheit im Sueden auch dem Wohlstand im Norden dient.

Vielen Dank fuer Ihre Zeit.

[Rede PAN] Hauptversammlung 2001

CBG Redaktion

Susanne Smolka, PAN
Rede auf der BAYER Aktionärsversammlung 2001 am 27 April in Köln

Sehr geehrte Damen und Herren,

Mein Name ist Susanne Smolka, ich spreche hier für das deutsche Pestizid Aktions-Netzwerk und möchte unter anderem Fragen an den Vorstand richten, die eine Frage betrifft den Umweltschutz, die zweite Frage die Produktsicherheit von Pestiziden.

Die BAYER AG betont des öfteren, daß sie sich ihrer Verantwortung bewußt ist, die Auswirkungen ihres Handelns auf die Umwelt zu minimieren und natürliche Ressourcen zu bewahren.

Wir halten dieses Ziel für sehr wichtig. Deshalb möchten wir auf ein Problem aufmerksam machen, das gegen diesen Anspruch verstößt. Es geht um Diuron, bekanntgeworden durch seine Anwendung durch die Deutsche Bahn AG.

BAYER AG ist Diuron-Hersteller und bringt Diuron-Präparate auf den deutschen Markt.

Diuron ist ein Totalherbizid. D. h. Diuron tötet alle wachsenden Pflanzen wahllos ab.
Problematisch an Diuron ist die Langlebigkeit. Diuron ist noch jahrelang nach Ausbringung in Böden und Gewässern vorhanden. Ein weiteres Problem ist, daß Diuron unter dem Verdacht steht, in den Hormonhaushalt von Mensch und Tier einzugreifen.

Der Anwendungsbereich von Diuron ist vergleichsweise klein. Dennoch gehört Diuron zu jenen Pestiziden, die am häufigsten in Flüssen, Küstengewässern und im Grundwasser gefunden werden.

Und nicht nur das, die festgestellten Konzentrationen sind häufig so hoch, daß Grundwässer und auch Wasserlebewesen gefährdet werden.
Diuron nimmt seit langem hier eine traurige Spitzenposition ein.

Es geht also um eine konkrete Gefährdung ökologischer Systeme. Es geht aber auch um die Wasserwirtschaft. Es ist teuer, Diuron aus dem Trinkwasser zu beseitigen. Die Reperaturkosten gehen in die Millionen, und wir alle werden dafür zur Kasse gebeten.

Ein Teil dieser Diuronrückstände im Wasser ist auf unsachgemäße und illegale Anwendungen zurückzuführen. Die bisherigen Maßnahmen diesen Mißbrauch einzudämmen, z.B. strengere behördliche Auflagen, verständlichere Gebrauchsanweisungen oder den Verzicht auf den Verkauf von Kleinpackungen, waren leider nicht erfolgreich.

Aber auch bei sachgerechter Anwendung durch Fachleute kann der Schutz der Gewässer nicht sichergestellt werden.Diese Erkenntnis führte 1997 zu einem gesetzlichen Anwendungsverbot von Diuron auf Gleisanlagen - einem Haupteinsatzort.

Der Versuch, dieses Verbot jetzt wieder aufzuheben, ist gescheitert.
Umweltverbände, die Wasserwirtschaft und Politiker aus allen Parteien bis hin zur Bundesregierung haben sich dagegen ausgesprochen. Warum?
Weil die Risiken und die derzeitigen und zukünftigen Schäden durch Diuron nicht mehr gesellschafts- und umweltpolitisch tragbar sind.

Wir appellieren daher an die eigenen Leitlinien zum Umweltschutz und an die Produktverantwortung der BAYER AG und fragen den Vorstand, welche konkreten Maßnahmen sie zur Verminderung der Umweltbelastungen durch Diuron zukünftig durchführen werden und ob sie - auch mit Blick auf die neue europäische Gewässerschutzpolitik - die Herstellung und den Vertrieb von Diuron bzw. diuronhaltiger Mittel zukünftig einstellen werden.

Ich komme nun zu meinem zweiten und letzten Punkt.

Vor einem Jahr fragten wir den Vorstand, wann das 1995 selbst gesteckte Ziel, keine extrem giftigen Pestizide mehr zu verkaufen, erreicht wird.

Das Pestizid Aktions-Netzwerk hat mit seinen Partnern WWF und Coordination gegen Bayer-Gefahren sie dazu nochmals Ende letzten Jahres in einem offenen Brief - den über 300 Organisationen und Personen aus 40 Ländern unterzeichnet haben - um eine Stellungnahme gebeten.
Ihre Antwort, das von ihnen initiierte Drei-Punkte-Programm verlaufe planmäßig und sie seien dabei, ungiftigere Produkte zu entwickeln, können wir nicht nachvollziehen.

Denn jetzt - im Jahre 1 nach Ablauf ihrer eigenen Frist sind immer noch BAYER-Pestizide im Handel, die als hoch oder extrem gefährlich eingestuft werden.
Wir möchten nochmals darauf aufmerksam machen, daß die Weltgesundheitsorganisation weltweit von jährlich mindestens 20.000 Todesopfern durch Pestizidvergiftungen ausgeht, ganz zu Schweigen von den anderen Gesundheits- und Umweltschäden.

Wir stellen daher auch dieses Jahr an den Vorstand die Frage: Werden sie das Ziel aus dem Jahr 1995, die ...Produkte der WHO-Toxizitätsklasse 1 schrittweise durch Produkte mit geringerer Giftigkeit zu ersetzen, zumindest im Jahr 2001 erreichen. Zwei Zusatzfragen dazu: In welchem Maß berücksichtigen sie hierbei neben den Pestizid-Präparaten die von ihnen produzierten und vermarkteten Wirkstoffe und werden sie ihre Erfolge bei der Umsetzung des Drei-Punkte-Programms öffentlich darlegen?

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

[Böckermann] Hauptversammlung 2001

CBG Redaktion

Rede von Pater Gregor Böckermann auf der Bayer-Hauptversammlung

Sehr geehrte Damen und Herren Aktionäre, verehrte Vorstandsmitglieder,
wenn morgen jemand sein altes Handy gegen das neueste Modell eintauscht, dann heizt er mit hoher Wahrscheinlichkeit den verheerenden Bürgerkrieg im Kongo indirekt mit an. Wenn der Kunde auch noch gleichzeitig Bayer-Aktien besitzt, dann verlängert er mit hoher Wahrscheinlichkeit den Krieg sogar direkt. Denn Bayer hat mit diesem Bürgerkrieg eine Menge zu tun.

In der Demokratischen Republik Kongo, dem früheren Zaire, liegt der Stoff, mit dem Handy- und Computerträume wahr werden. Colombo-Tantalum, kurz Coltan, heißt das Erz. Durch den Handy- und PC-Boom ist die weltweite Nachfrage sprunghaft angestiegen. Die Bayer-Tochter H.C. Starck mit Sitz in Goslar gehört beim Handel mit Tantalumprodukten zur Weltspitze.

Der vor wenigen Tagen veröffentlichte UN-Bericht zur - Zitat - „illegalen Ausplünderung der natürlichen Ressourcen“ in der DRC kommt zu der Kernaussage - ich zitiere: „Der Konflikt dreht sich hauptsächlich um Zugang zu, Kontrolle von und Handel mit fünf mineralischen Ressourcen“, darunter auch Coltan. Der UN-Bericht nennt explizit die Bayer-Tochter H.C. Starck als Bezieherin von kongolesischem Coltan. Die Hamburger Umweltorganisation „Rettet den Regenwald“ hat den Bayer-Vorstand deswegen schriftlich aufgefordert, vorläufig auf den Einsatz von Mineralien aus dem Bürgerkriegsland zu verzichten.
Ich frage den Vorstand, ob er dieser Forderung nachkommen wird?

Der UN-Bericht bezeichnet die Konzerne, die mit kongolesischen Mineralien handeln, als - Zitat - „Motor des Konfliktes“. Laut UN-Bericht „kennen die importierenden Konzerne die tatsächliche Herkunft des Coltan.“ Bayer bereichert sich demnach vorsätzlich an der Veredlung eines Metalls, dessen Förderung den Krieg im Kongo anheizt - ja, sogar noch verlängert. Denn von den Coltanerlösen werden Waffen gekauft. Oder andersherum: Ohne den Handel mit Mineralien wie Coltan wäre der Krieg gar nicht finanzierbar.

Rund 250.000 Menschen fielen dem Bürgerkrieg bisher zum Opfer, eine Million Menschen wurde vertrieben, die Natur ist schwer geschädigt. Bayer hat bisher lediglich zugesagt, keine Mineralien aus Regenwaldgebieten in der DRC mehr zu beziehen, in denen der Coltanabbau schwere Umweltschäden hinterläßt.
Ich frage den Vorstand: Trifft es zu, dass H.C. Starck weiter Coltan aus anderen Gebieten in der DRC bezieht. Und falls ja, ist es mit den Bayer Unternehmensgrundsätzen vereinbar, dass der Konzern dadurch laut UN-Bericht direkt zur Verlängerung eines blutigen Krieges beiträgt? In den Unternehmensleitsätze heißt es, ich zitiere: „Produktverantwortung endet nicht am Werkstor. Bayer-Produkte müssen den Grundsätzen von Responsible Care (verantwortliches Handeln) und Sustainable Development (nachhaltige, zukunftsverträgliche Entwicklung) entsprechen.

Bayer hat inzwischen mitgeteilt, H.C. Starck beziehe seine Rohstoffe u.a. von etablierten Händlern, mit denen das Unternehmen bereits seit vielen Jahren zusammenarbeite. Aus der Einschränkung “unter anderem" ergibt sich, dass H.C. Starck seine Rohstoffe auch von nicht etablierten Händlern bezieht bzw. bezogen hat.

Ich frage den Vorstand: Wie können Sie sicher stellen, dass Coltan-Lieferanten von H.C. Starck, die Sie nicht zu den etablierten Händlern zählen, kein Material aus der DRC liefern?

Ich frage weiter: Sind Sie in der Lage und bereit, der Öffentlichkeit die Namen sämtlicher Händler zu nennen, von denen H.C. Starck Coltan aus der DRC direkt oder über die Nachbarländer bezieht bzw. in der Vergangenheit bezogen hat?
Wie gesagt: 250.000 Tote hat der Krieg gefordert und eine Million zu Flüchtlingen gemacht. Wer ein neues Handy kauft, beteiligt sich womöglich indirekt an dem Gemetzel. Wer eine Bayer-Aktie besitzt, ist vielleicht sogar direkt mit verantwortlich. Wer den Konzern führt, erst Recht.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.

[Gentechnik] Hauptversammlung 2001

CBG Redaktion

Fetisch Fleisch

Organ-Performance schockiert BAYER-AktionärInnen

von Karl Henning

Die Künstlerin C. R. inszenierte im Vorfeld der BAYER- Hauptversammlung am 28. April vor der Köln-Deutzer Messehalle ein tiefsinniges Bild. Zehn ganz in weiß gekleidete “Organhändler” boten symbolisch frisch geklonte Nieren und andere Innereien feil - AgitPropArt als eindringlicher Protest gegen die immer beherrschender werdende Gentechnik.

“Ein Herz von BAYER” ertönt es laut. Einer von zehn mit Bauchläden aus- gestatteten Kunst-Komparsen preist die in Nierenschalen gelegten Bio- pumpen aus kürzlich geschlachteten Schweinen an. Ein anderer offeriert Nieren. Der Regen nieselt auf die Innereien, die Behältnissen füllen sich mit leicht blutigen Pfützen. “Das ist ja ekelhaft”, reagiert eine junge Frau empört. Schauspielerin Edda Fischer, u. a. bekannt aus diversen Soaps, hat sich unter die einströmenden Aktio- närInnen gemischt, verteilt Zettel mit rhetorische Aphorismen des verstor- benen Schriftstellers Max Frisch. “Was tun Sie für Geld?” - diese Frage könnte symbolisch das Motto der dividendengeilen Couponschneider sein. Oder: “Wem gehört ... die Luft?” - eine Provokation für einen Konzern, der ohne Skrupel gigantische Mengen von Dreck aus seinen Schornsteinen rauchen lässt.

Der kritische Aktionär Hubert Osten- dorf, der sich unter dem Namen Max Frisch in die RednerInnenliste einge- tragen hatte, um die 25 Fragen des Schweizer Altmeisters vorzutragen, wurde von Versammlungs- und Aufsichtsratsleiter Hermann Josef Strenger des Mikrophons verwiesen. Dürfen Kunst und Literatur nicht bemüht werden, um das Geschäfts- gebaren eines Multis anzuprangern? .

“Das ist eine gute Aktion”, findet eine von über 7.000 AktionärInnen.
“Ihr seid doch alle bekloppt”, ereifern sich dagegen ein betagter
Anteilseigner und seine Frau. Viele schenken der Performance nicht
einmal ein müdes Lächeln, eilen wie ferngesteuert dem Haupteingang
zu. Bloß keine Verunsicherung, bloß keine Konfrontation. Andere setzen
sich intensiv mit der AgitPropArt von C. R. auseinander.
Schließlich ist der Hintergrund der in Kooperation mit der COORDI-
NATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) geschaffenen “sozialen
Plastik”, wie Joseph Beuys vermutlich dieses Bild genannt hätte,
durchaus ernst und besorgniserregend. “Die Gentechnik schickt sich an,
zur Schlüsseltechnologie des neuen Jahrtausends zu werden”, belehrt
ein Flugblatt der COORDINATION. Und: “BAYER ist nach eigenen
Aussagen einer der führenden Konzerne auf diesem Gebiet.” Pharma,
Pestizide, Geschmacksstoffe ... - kaum ein Anwendungsbereich, in dem
der Leverkusener Riese keine gentechnischen Produkte mehr anbietet.
Die mit dem Konzern eng verbundene schottische Firma PPL, bekannt
durch die weltweit ersten transgenen Schafe Tracy und Dolly, will nun
Schweine derart klonen, dass ihre Organe auf Menschen übertragbar
sind. Wie sehr die neue Gentechnik einen Schlüssel zur Beherrschung
der Welt liefert, zeigt ein aktuelles Beispiel aus den USA. Weil die dort
von BAYER hergestellten lebensnotwendigen “Faktor VIII-Präparate”
knapp geworden sind, behält das Unternehmen sich vor, höchstselbst
darüber zu befinden, welcher Bluter die teure Arznei erhält und welcher
nicht. Ein Spiel mit Leben und Tod unter Berücksichtigung des Geld-
beutels oder der Güte der Krankenkasse, mutmaßt der US-amerika-
nische Bluterverband.

Die neuen Herren der Gentechnik schwingen sich zu neuen Herrschern
über die Welt auf. Das Fleisch von Tieren und Menschen, der Code
einer jahrmilliardenalten Evolution mutieren zu Patenten in den
Forschungsabteilungen weniger transnationaler Giganten. Das Fleisch
visualisiert eine Welt von Tod, Profit und Ausbeutung.

Schon in anderen Inszenierungen hat C. R. dieses Material
künstlerisch eingesetzt. Als Protest gegen die Vertreibung von
Obdachlosen pferchte sie zuerst wohnungslose Menschen und dann
frisch geschlachtete Schweinköpfe mitten im schicken Düsseldorf in
einen Bauschuttcontainer. Menschen als Abfall, entsorgt wie Müll,
weggeworfen, deportiert. Menschen, die wie Schweine behandelt
werden. Eine morbide Metapher über den morbiden Zustand der
Gesellschaft. Während die Müllmenschen behördlich akzeptiert waren,
wurden die Schweineköpfe unter Einsatz von Polizeipräsenz abgeräumt.
“Es ist bezeichnend, dass lebende Menschen weniger Anstoß erregen,
als tote Schweine”, urteilte die bekannte Düsseldorfer Journalistin Gerda
Kaltwasser. Genau dies war die Lektion, die C. R. mit ihrer
Installation erteilen wollte.

Dabei ist ihre Kunst nur auf den ersten Blick aufdringlich und alles andere als belehrend. Während sich der etablierte Betrieb größtenteils immer weiter entpolitisiert und nur noch Kunst um der Kunst willen betreibt, bekennt sich R. klar zu dem gesellschaftlichen Umfeld, das ihr Schaffen stets reflektiert. Derzeit visualisiert sie aktuelle Schlagzeilen in Analogie zu den sieben Todsün- den. Und wieder kritisiert sie die Allmacht der Gentechnik, indem sie auf einem Feld mit hundert weißen Grabkreuzen symbolisch Gott in einem Sarg beerdigt. Und wieder setzt sie Fleisch in Massen ein, um Völlerei und Wollust zu veranschau- lichen. Tote Rinderhälften auf anein- andergeketteten Einkaufswagen gerieren zum Protest gegen die Massenschlachtung nach BSE.

Mit artifiziellem Blut und Milch getränkte Vaginen, aus Schweinelebern geschnitzt, symbolisieren die Wollust in einer total sexualisierten Gesellschaft, in der die Frau zur Ware degradiert worden ist und die wahre Lust auf der Stecke bleibt. Die Vagina zeigt vieldeutig und hintersinnig das Fleisch als Fetisch der Gesellschaft. Sie zeigt, wie sehr uns die technisierte Spaß- und Medienwelt von natürlichen Prozessen, wie etwa der Geburt, absondert, ein Thema, dessen C. R. sich mit viel beachteten Videoprojektionen angenommen hat. Die Stunde Null des Menschen, sein Auf-die-Welt-Kommen wird zur Performance im öffentlichen Raum, in Kirchengewölben oder an Rathausmauern. Bilder, die je nach Betrachtung tief erschüttern und gleichzeitig schockieren. Fleisch in seiner ursprünglichsten Form.

Nur konsequent, dass C. R. ihren eigenen Körper mitunter selbst in den künstlerischen Prozess mit einbezieht. Bei einer Vernissage in der Duisburger Cubus-Kunsthalle projizierte sie das Geburtsvideo auf ihre unbedeckte Haut. Bei der Performance “Das Ich hinter dem Ich” hat sie mit einem ausgeklügelten Spiegelsystem das Eigentliche hinter ihrer eigenen Nackt- und Ungeschütztheit, der äußeren Erscheinung schlichtweg gesucht - eine Betrachtung mit tiefsinnigem philosophischem Background, der, wie die meisten anderen Installierungen auch, die Basis für eindingliche Foto-Arbeiten und mitunter in Öl gemalte Bilder darstellt. Komplexe Werke, denen jenseits der vordergründigen Botschaft eine vielschichtig reflektierte Realität der Gesellschaft und des Menschen innewohnt. Vor diesem Hintergrund verdichtet sich die AgitPropAktion zur Kritik der Gentechnik anlässlich der BAYER-Hauptversammlung zur ästhetischen Kritik des Menschen samt seines Allmachtkomplexes schlechthin.

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[Aktionsbericht] Hauptversammlung 2001

CBG Redaktion

BAYER-HV: Konzern-KritikerInnen belasten Vorstand

Dr. Schneiders gesammeltes Schweigen

Von Udo Hörster

Ein unerwartetes Bild bot sich den AktionärInnen, die am 27. April zur BAYER-Hauptversammlung in die Kölner Messehallen strömten: Zehn „Gen-LaborantInnen“ in steril-weißer Einheitskluft trugen Bauchläden vor sich her und offerierten darin „frisch geklonte“ Organe; eine US-ameri-
kanische Umweltgruppe machte mit einer riesigen Medikamenten- Flasche aus Plastik auf die Gefahren von Antibiotika-Gaben in den Tier-Fabriken aufmerksam; eine bolivianische Aktivistin prangerte auf einem Transparent die Menschen, Tiere und Umwelt belastenden BAYER-Pestizide an und eine Tierversuchsgegnerin sowie Mitglieder der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) verteilten Flugblätter. Ein Hauch von Seattle lag so in der Luft und wehte auch in den Hauptversammlungssaal hinein.

Diesen frischen Wind hätte der BAYER-Vorstandsvorsitzende Dr. Manfred Schneider am liebsten außen vor gehalten. Nur zu gerne hätte er ausschließlich über den von rund 27 Mrd. Euro auf rund 31 Mrd. Euro gestiegenen Umsatz gesprochen sowie über alles, was sich sonst noch mittels Zahlen-Kolonnen, Tabellen und Torten-Grafiken darstellen läßt. Aber das wussten die 12 Konzern-KritikerInnen mit ihren Reden zu verhindern. So erfuhren die AktionärInnen nicht nur etwas über die von Manfred Schneider in seiner Eröffnungsrede verkündete „herausragende Performance von H. C. STARCK im Tantalpulver-Geschäft“, sondern vom Pater Gregor Böckermann (AFRIKA-MISSIONÄRE - WEIßE VÄTER) auch etwas über das Blut, das an diesem so einträglichen Handel der BAYER-Tochter klebt. H. C. STARCK bezieht dieses Sondermetall nämlich unter anderem von den Kommandanten der Bürgerkriegsarmeen im Kongo, die mit den Erlösen aus dem Verkauf von Bodenschätzen den Unterhalt ihrer Truppen bestreiten. Böckermann zitierte aus einem gerade erschienenen UN-Bericht. Dieser bezeichnet Firmen wie H. C. STARCK wegen ihrer Geschäftspraktiken als „Motoren des Konfliktes“, der bislang 2,5 Mio. Todesopfer gefordert hat und ca. eine Million Menschen zu Flüchtlingen machte. Die BAYER-Tochter versucht die Vorwürfe zu dementieren, aber in einem entsprechenden Antwortschreiben an die Initiative RETTET DEN REGENWALD unterlief ihr dabei ein Lapsus. „H.C. STARCK bezieht seine Rohstoffe u.a. von etablierten Händlern“, hieß es darin, was laut Böckermann nur einen Schluss zulässt: also auch von nicht etablierten, zweifelhaften.

Wer vor solchem Kriegsgewinnlertum nicht zurückschreckt, der nimmt mit einer Klage wg. angeblicher Patentschutz-Verletzungen, die in Südafrika jahrelang die Versorgung von AIDS-PatientInnen mit erschwinglichen Kopien von patent-geschützten Medikamenten verhinderte, auch den Tod hunderttausender Menschen in Kauf. Natürlich interessierte Schneider der Ausgang der Auseinandersetzungen nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht. „Das Risiko für die Margen nimmt zu“, so sein knappes Resümee. Über den in den Verhandlungen erreichten Bestandschutz für die Patent-Regelungen zeigte sich der BAYER-Chef erfreut. So können BAYER & Co. erstmal weiterhin Wucherpreise für Medikamente nehmen. Und wer diese nicht zu zahlen vermag, für den bleiben milde Gaben: Wie Schneider stolz verkündete, hat BAYER der Weltgesundheitsorganisation WHO kürzlich Medikamente gegen die Schlafkrankheit gespendet. Darüber hinaus besaß er sogar noch die Unverfrorenheit, die afrikanischen PolitikerInnen zu ermahnen, sie sollten einmal „ihre Prioritäten überdenken“.

Kein Wunder also, dass dann auch die Opfer-Gruppe aus der blutigen Vergangenheit des Konzerns, die ZwangsarbeiterInnen, nicht mit Schneiders Anteilnahme rechnen konnten. Nicht einmal das Wort „Entschädigung“ nahm der Vorstandsvorsitzende in den Mund; er sprach stattdessen von „Ausgleich“. Und vergeblich appellierte Lothar Evers vom BUNDESVERBAND INFORMATION FÜR NS-VERFOLGTE an ihn, doch endlich die Auszahlung der ersten Entschädigungstranchen zu veranlassen, da täglich 500 ehemalige SklavenarbeiterInnen sterben, während die Fonds-Beiträge hohe Zinsen abwerfen. Als eine makabre Umkehrung der Rollen von Opfer und Täter bezeichnete es Evers, die Überlebenden und ihre Klagen als Rechtsunsicherheitsfaktoren hinzustellen und ihnen überdies abzuverlangen, in ermüdenden bürokratischen Prozeduren die Berechtigtheit ihrer Ansprüche nachzuweisen.

Die nicht auf Einladung der CBG sprechenden RednerInnen übten sich derweil in dem aussichtlosen Unterfangen, den BAYER-Vorsitzenden an Profit-Profitum noch zu übertreffen. Einer dieser Beflissenen sah beispielsweise durch den im Standortsicherungsvertrag zugestandenen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen den Shareholder Value in Gefahr. So herausgefordert, ließ der Große Vorsitzende sich nicht lumpen. Von 63.000 auf 40.000 habe man bei der BAYER AG die Belegschaft reduziert, noch dazu „ohne Komplikationen in der Öffent-
lichkeit“, brüstete er sich. Welche „Komplikationen“ dies innerbetrieblich nach sich zog, davon berichtete der Vertrauensmann eines BAYER- Werks, einer der wenigen nicht von der CBG gestellten kritischen Redner. Plastisch schilderte er die durch immer größere Hetze, den Wegfall von Pausen und die zu leistenden Überstunden sich verschlechternden Arbeitsbedingungen, die zudem das Risiko von Unfällen erhöhen. Wo das Geld hinfließe, das unten, in den Produktionsstätten, nicht ankomme, fragte er Schneider. Der fand die Frage deplatziert.
Mit noch größerer Ignoranz als in den vergangenen Jahren ging der BAYER-Chef über alle kritische Einwände zum Geschäftsgebaren des Multis hinweg. Durch die Einbrüche am neuen Markt und die kleinlauter werdenden Stimmen von InvestmentbankerInnen, die in der Vergangen-
heit immer wieder eine „Modernisierung“ des Konzerns gefordert hatten, vor Selbstbewusstsein fast platzend, tönte er feist: „Ich sehe Konserva-
tismus heute als Prädikat an“.

Es war an Axel Köhler-Schnura von der CBG, diese demonstrative Betriebsblindheit in ihre Schranken zu verweisen und Schneiders Rechenschieber-Horizont zu erweitern: „Wirtschaft und die Folgen gehören zusammen. Wer die Folgen nicht tragen will, der entzieht sich der Verantwortung“.

[Redebeiträge] Hauptversammlung 2001

CBG Redaktion

HV: Alle Fragen bleiben offen

Die Schadensbilanz 2000

Von Udo Hörster

Als erste Kritische Aktionärin trat Susanne Smolka vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) ans Mikrofon. Sie brachte die Risiken und Nebenwirkungen der BAYER-Ackergifte zur Sprache. Das Unkrautbe- kämpfungsmittel DIURON, führte Smolka aus, stellt nicht nur eine Belastung des Ökosystems dar, es verunreinigt das Trinkwasser auch in einem solchen Maße, dass die Wasserwirtschaft Millionen-Beträge in Reinigungsverfahren investieren muss. „Wie oft wir schon über DIURON gesprochen haben“, lamentierte Schneider daraufhin und brachte seinen Textbaustein „Es macht keinen Sinn, Detail-Diskussionen über Produkte und deren Eigenschaften zu führen“ in Anschlag. Bei der Frage, wann BAYER endlich das im Geschäftsbericht von 1995 gegebene Versprechen einlösen wolle, besonders giftige Agrochemikalien durch ungefährlichere zu ersetzen, zeigte der Vorstandsvorsitzende sich noch weniger auskunftsfreudig. BAYER würde nur geprüfte Produkte vertreiben, lautete seine Nicht-Antwort.

Einem anderen angeblich so sorgfältig geprüftem Pestizid-Produkt, FOLIDOL, widmete sich Tania Santivañez aus Bolivien. Die Chemikerin der La Pazer Universität Nuestra Señora verwies auf Langzeitstudien, nach denen FOLIDOL chronische Gesundheitsstörungen wie Nervenkrankheiten verursacht. Zudem kritisierte sie, dass sich unter den 44 in ihrem Land registrierten BAYER-Ackergiftwirkstoffen mit Methyl-Parathion, Ethyl-Parathion, Oxidemeton, O-Methyl, Carbofuran und anderen etliche befinden, die in anderen Staaten wegen ihrer extremen Giftigkeit längst nicht mehr im Handel sind.

Mit dem Antibiotikum BAYTRIL stand ein weiteres der ach so sicheren BAYER-Produkte im Mittelpunkt des Beitrages der US-Amerikanerin Dr. Corinna Horta. Seitdem der Wirkstoff Fluorochinolon in der Geflügelzucht verwendet wird, ist die Anzahl der gegen die Substanz resistenten Krankheitserreger erschreckend gestiegen, so die Aktivistin von ENVIRONMENT DEFENSE. Da die Keime über die Nahrungskette auch in den menschlichen Organismus gelangen und dort Krankheiten auslösen können, hat das angesehene Wissenschaftsmagazin Science der US-Gesundheitsbehörde FDA geraten, den Handel zu stoppen.

Die BeamtInnen nahmen Gespräche mit den Herstellern auf. Einige stoppten daraufhin den Vertrieb. Nicht aber BAYER. Mit dem fadenscheinigen Hinweis darauf, BAYTRIL werde nur therapeutisch, nicht aber prophylaktisch verwendet, stellte Manfred Schneider in seiner Antwort auf Dr. Horta klar, dass der Chemie-Multi das auch in Zukunft nicht zu tun gedenke.

Was es wirklich bedeutet, wenn BAYER ein Produkt prüft, darüber klärte der britische Arzt Dr. Steven Karren die AktionärInnen auf. Er war an Voruntersuchungen zu einem Arzneimitteltest mit dem Antibiotikum CIPROBAY beteiligt, für das der Chemie-Multi eine Zulassungserweiterung beantragen wollte. Es sollte vor schweren Operationen nicht mehr nur intravenös, sondern auch oral verabreicht werden können. Die Tests fielen aber negativ aus. Oral eingenommen, vormochte CIPROBAY die PatientInnen nach überstandener OP nicht mehr vor Infektionen zu schützen. Unter den 800 Test-Personen kam es sogar zu Todesfällen Der Konzern hat diese Ergebnisse der zuständigen Ethik-Kommission verschwiegen und vor der „Medicine Control Agency“ falsche Angaben gemacht. Ein Skandal, zu dem Manfred Schneider nichts zu sagen hatte. Dr. Karren reichte deshalb unmittelbar nach der Hauptversammlung eine Klage gegen BAYER ein.

Den Tod hunderttausender AIDS-Kranker in Südafrika nahm der BAYER-Konzern mit seiner Patentverletzungsklage billigend in Kauf: Wegen des schwebenden Verfahrens hatten die PatientInnen nicht die Möglichkeit, billige Kopien von patent-geschützten westlichen Kombinationstherapeutika zu erwerben. Ilka Schröder, für die Grünen im Europäischen Parlament sitzend, bestritt deshalb die Legitimation des Anspruchs auf „Schutz des geistigen Eigentums“. Da Wissen ein gesellschaftlich produzierter Reichtum ist, „erwirtschaftet“ durch Erziehungsleistungen, staatlich finanzierte Bildungsinstitutionen, öffentliche Forschungsgelder, frei zugängliche Datenbanken und wissenschaftliche Errungenschaften der Vergangenheit, hat seine Privatisierung zu Profit-Zwecken nach Schröders Ansicht keine Berechtigung.

Einen anderen Aspekt der Benachteiligung von Ländern der „Dritten Welt“ - die Ausnutzung der in diesen Staaten weniger strengen Umweltauflagen als Standort-Vorteil - thematisierte Henry Mathews.
Der Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen
und Aktionäre zitierte eine neue GREENPEACE- Studie, nach der das BAYER-Werk im brasilianischen Belford Roxo den Boden und den Fluss Sarapui mit Schwermetallen, Chlor-Chemikalien und Pestizid-Rückständen in immensen Konzentrationen belastet. Was seriöse ForscherInnen unter penibler Dokumentation ihrer Untersuchungsmethoden veröffentlichten, nannte der BAYER-Chef einfach „die von GREENPEACE in die Welt gesetzten Behauptungen“ und erachtete es nicht als nötig, weiter auf das Problem einzugehen.

Aber nicht nur in den so genannten Entwicklungsländern, auch in der Bundesrepublik stellen BAYER-Anlagen eine Gefährdung von Mensch und Umwelt dar. Hubert Ostendorf (CBG) kam noch einmal auf die Beinahe-Katastrophe von Wuppertal zu sprechen, wo im Juni 1999 durch die Explosion eines Kessels 2,7 Tonnen giftiger Chemikalien freigesetzt wurden und sich deshalb über 100 Menschen in ärztliche Behandlung begeben mussten. Einen unerhörten Vorgang nannte es Ostendorf, dass der anschließende Prozess mit einer Geldbuße in Höhe von 5.000 Mark für einen kleinen BAYER-Angestellten endete und alles weiter seinen gewohnt-gefährlichen Gang gehen kann.

Nach der Katastrophen-Bilanz seiner VorrednerInnen widmete Wolfgang Teuber (DKP) sich dem ganz alltäglichen Wahnsinn in den BAYER- Betrieben. Während die Vorstandsbezüge im letzten Jahr um rund 30 Prozent zunahmen, mussten die Beschäftigten in diesem Zeitraum Lohn- Einbußen, die Streichung von Sonderleistungen, Flexibilisierungsmaßnahmen und eine immer größere Arbeitshetze hinnehmen, kritisierte Teuber und erinnerte Vorstand und Aufsichtsrat an die im Grundgesetz festgeschriebene Sozialpflichtigkeit des Eigentums.

Erübrigt hätte sich in Zukunft wahrscheinlich die geballte Konzern-Kritik, wie sie dem Multi am 27. April entgegenschlug, wenn BAYER folgende Vorschläge des CBG-Geschäftsführers Philipp Mimkes zum Tagesordnungspunkt „Satzungsänderungen“ akzeptiert hätte: „BAYER vertreibt keine Güter, die für militärische Zwecke genutzt werden können“; „Ziel des Unternehmens ist der Umweltschutz“; „BAYER garantiert das Gewerkschaftsrecht“; „BAYER macht keine Geschäfte mit Ländern, die die Menschenrechte verletzen“; BAYER übernimmt Verantwortung für die Verbrechen der IG FARBEN". Zu schön, um wahr zu sein, wäre das gewesen. Deshalb verwiesen die Bosse diesen Entwurf einer wirklich verantwortlichen Unternehmenssatzung auch umgehend ins Reich der Märchen.