WWF ermöglicht „Greenwashing“
Von BAYER vor den Karren gespannt
„Für die Umwelt unterwegs“ heißt das Portrait der Thailänderin Tatirose Vijitpan, einer „engagierten Vertreterin des Umweltschutzes, die als Expertin der Umweltorganisation WWF ihre Landsleute sensibilisiert“. Erschienen ist der rührige Artikel auf der homepage von BAYER – in der Sektion „Gesellschaftliche Verantwortung“. Der WWF will von einer Kooperation mit BAYER nichts wissen, geht gegen die Veröffentlichung jedoch nicht vor.
von Philipp Mimkes
Tatirose Vijitpan muss man sich als engagierten Menschen vorstellen: „Als kleines Mädchen wanderte sie oft mit ihren Eltern durch die Naturparks Thailands und lernte den natürlichen Reichtum ihrer Heimat kennen und lieben. Als in Thailand nur wenige von Umweltschutz sprachen, trennten die Eltern bereits ihren Müll. Dieses Verhalten schuf in ihr das Bewusstsein, dass Natur geschützt werden muss. Ihr Entschluss, an der Thammasat Universität Umweltwissenschaften zu studieren, war deshalb ein folgerichtiger Schritt. Als eine der Besten ihres Jahrgangs schloss sie Ende 2003 ihr Studium ab. Unmittelbar danach stellt sie der WWF ein.“ Dort arbeitet Vijitpan heute in der Abteilung Energie und Klima.
Das ausführliche Portrait der jungen Frau findet sich jedoch nicht – wie man erwarten würde – in einer Publikation des WWF, sondern auf der website des BAYER-Konzerns. Berührungsängste hat Vijitpan keine, in den Text sind zahlreiche Zitate und Fotos von ihr eingestreut.
Dabei gäbe es gute Gründe für die WWF-Mitarbeiterin, größtmögliche Distanz zum deutschen Chemie-Konzern zu wahren. So betreibt BAYER in Thailand eine der größten Produktionsanlagen für Bisphenol A (BPA) weltweit. Wie der WWF selbst in seiner Studie „Bisphenol A – a known endocrine disruptor“ hervorgehoben hat, ist die Verwendung von BPA in Alltagsprodukten wie Babyflaschen, Konservendosen oder Verpackungen nicht verantwortbar, da schon niedrigste Belastungen das menschliche Hormonsystem schädigen können. Trotzdem verharmlost BAYER als größter europäischer BPA-Hersteller die Risiken und verhindert durch politische Einflussnahme ein Verbot gefährlicher Anwendungen. Auch gegen die Produktion hochtoxischer und umweltschädigender Pestizide hat sich der WWF stets stark gemacht. Gemeinsam mit der Coordination gegen BAYER-Gefahren forderte der WWF Deutschland vor vier Jahren den Leverkusener Konzern auf, alle Pestizide der obersten Gefahrenklasse vom Markt zu nehmen. Dem ist BAYER als weltweit größter Hersteller von Agrochemikalien jedoch bis heute nicht nachgekommen.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) schrieb daher Anfang Juli einen Offenen Brief an die thailändische Sektion des WWF und forderte den Umweltverband auf, die Zusammenarbeit mit dem Leverkusener Konzern einzustellen. Nach Ansicht der CBG erlaubt die Kooperation dem Unternehmen, sich ein „grünes Deckmäntelchen“ überzuziehen und dadurch Berichte über gefährliche Produkte und Schadstoff-Emissionen in den Hintergrund zu drängen. BAYER startete in den vergangenen Jahren mehr als hundert Kooperationen und Projekte im Umweltbereich. Hierdurch soll der Kritik von Umweltorganisationen und Medien schon im Vorfeld begegnet werden. Dies ändert aber nichts daran, dass das Unternehmen gleichzeitig über seine Lobbyisten jegliche Art von Umweltgesetzgebung bekämpft – sei es das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz, die neuen EU-Gesetze zur Chemikaliensicherheit oder geplante Verbote von Pestiziden.
Dr. Sitanon Jesdapipat, Direktor des WWF Thailand, bedankte sich für die Initiative der CBG. Die Veröffentlichung auf der website von BAYER habe, so Jesdapipat, die Faktenlage verdreht und das öffentliche Vertrauen in den WWF beschädigt. Tatirose Vijitpan habe vor ihrer Zeit beim WWF an einem Austausch-Programm von BAYER teilgenommen; das Portrait sei zustande gekommen, ohne dass es eine formale Zusammenarbeit mit dem WWF gegeben hätte. Jesdapipat schließt eine solche Kooperation wegen „starker Zweifel an der ökologischen Integrität“ von BAYER auch für die Zukunft strikt aus. Mehr noch: Tatirose Vijitpan sei von BAYER ausgenutzt worden, der WWF betrachte die Vorgehensweise von BAYER als unzulässig. Dr. Jesdapipat werde das Problem daher im internationalen WWF-Verbund diskutieren, damit sich ähnliche Fälle nicht wiederholten. Eine Kopie des Briefes erhielt die BAYER-Zentrale in Leverkusen.
Trotz dieser klaren Worte bleibt unklar, ob der WWF Thailand im Vorfeld über die Veröffentlichung informiert war. Kaum vorstellbar, dass Frau Vijitpan das Interview inklusive Foto-Termin als reine Privatangelegenheit betrachtet hat. Unverständlich ist auch, warum sich das Portrait noch vier Wochen nach Zusendung des Antwortschreibens auf der homepage von BAYER findet – ohne Vijitpans Zustimmung sollte dies kaum möglich sein.
Wie dem auch sei – die Coordination gegen BAYER-Gefahren wird auch in Zukunft darauf hinweisen, dass die von BAYER gestarteten Umwelt- und Sozialprojekte teilweise sinnvoll sein mögen, jedoch ausnahmslos aus Publicitygründen gestartet werden. Somit kann das Unternehmen kritischen Anfragen von Journalisten oder engagierten Privatpersonen routinemäßig mit Verweisen auf die Kooperation mit den Vereinten Nationen oder anderen „glaubwürdigen“ Partnern begegnen. Allein aus diesem Grund ist für BAYER eine Kooperation, oder auch nur der Anschein einer Kooperation, mit dem WWF wertvoll.
Das vorgebliche Engagement ist nichts weiter ist als ein Bestandteil des Konzern-Marketings ohne reale umweltpolitische Konsequenzen. Die Öffentlichkeit und insbesondere die Umweltbewegung ist daher gut beraten, diese Aktivitäten als Ablenkungsmanöver zu enttarnen und auf wirkungsvollen Umweltschutz zu beharren. Dieser ist aber weder zum Nulltarif noch durch goodwill-Projekte oder freiwillige Selbstverpflichtungen zu haben.