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Beitrag veröffentlicht im Januar 2012

[Pharmatests] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

138 BAYER-ProbandInnen sterben

Test the Death

Von 2007 bis 2010 starben in Indien 138 Menschen bei der Klinischen Erprobung von BAYER-Arzneien. Insgesamt kamen bei den Tests von Big Pharma in dem Zeitraum 1.600 ProbandInnen ums Leben. Während die Öffentlichkeit sich alarmiert zeigt, bestreiten die Pillen-Multis in den meisten Fällen den direkten Zusammenhang zwischen Medikament und Tod.

Im letzten Jahr hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) das Thema „Medikamenten-Tests in der ‚Dritten Welt‘“ auf die Tagesordnung der BAYER-Hauptversammlung gesetzt. Sie kritisierte die zunehmende Verlagerung von Arznei-Erprobungen in Staaten, die als „Standortvorteil“ ein unerschöpfliches Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht bieten. Die CBG sah durch diese Bedingungen das Leben der VersuchsteilnehmerInnen gefährdet. Aber der damalige Vorstandsvorsitzende Werner Wenning wiegelte ab. Nicht ein einziges Pharmazeutikum habe je einer Person Schaden zugefügt, antwortete er der Coordination, der Konzern halte sich stets an die Auflagen der Behörden und führe im Übrigen „eigenständige Qualitätskontrollen“ durch.

An dieser Aussage bestanden angesichts der vielen Zwischenfälle bei anderen Arznei-Tests schon damals viele Zweifel. Endgültig als Lüge erwiesen hat sie sich im Mai 2011. In diesem Monat gab das indische Gesundheitsministerium die Zahl der Personen bekannt, die von 2007 bis 2010 während der Erprobung von BAYER-Produkten starben. 138 Menschen überlebten die Prozedur nicht. Insgesamt fanden bei den Pillen-Prüfungen von Big Pharma 1.600 Menschen den Tod. BAYER & Co. meldeten diese Zahlen selber den Aufsichtsbehörden, allerdings ohne damit ein generelles Schuld-Eingeständnis zu verbinden. Ihrer Ansicht nach haben zumeist nicht die Medikamente, sondern Vorerkrankungen wie Krebs zum Ableben der ProbandInnen geführt. Die amtlichen Stellen machen ebenfalls nicht die Pharmazeutika im Allgemeinen verantwortlich. Von den 668 Sterbefällen im Jahr 2010 schreiben sie 22 der direkten Einwirkung der getesteten Substanzen zu; bei einer nicht weiter bezifferten Menge gibt es zumindest Indizien für einen Zusammenhang.

Aber nicht nur deshalb dürfte die wirkliche Zahl der Pharma-Opfer höher sein. Wenn Tests nicht ausdrücklich Krebskranke oder Menschen mit Herz/Kreislauf-Problemen erfordern, schließen die Unternehmen Personen mit Vorbelastungen gezielt aus. Alle TeilnehmerInnen müssen sich vor Beginn der Experimente einem peniblen Gesundheitscheck unterziehen, weil unerkannte oder verschwiegene Krankheiten einen negativen Einfluss auf das Ergebnis haben können. So stehen die Konzerne dann auch eher in Verdacht, zu gesunde als zu kranke ProbandInnen zu verpflichten. Darüber hinaus besteht in Indien keine Pflicht, die Klinischen Prüfungen registrieren zu lassen, was die Aufsicht erschwert - und den Verdacht auf mehr Tote nährt.

Lebensgefährliches XARELTO
Von den für 2010 zweifelsfrei geklärten 22 Todesfällen gehen die meisten auf ein einziges BAYER-Erzeugnis zurück: XARELTO. Vier InderInnen kamen durch die Arznei mit dem Wirkstoff Rivaroxaban um, die der Konzern als Mittel gegen Thrombosen testete. Bloß 5.250 Dollar zahlte der Konzern den Hinterbliebenen jeweils als Entschädigung und lag damit noch über den Beträgen von SANOFI, PFIZER & Co. Diese Summen sowie die Tatsache, dass die Familien der von 2007 bis 2009 Gestorbenen noch überhaupt kein Geld erhalten haben, veranlasste einen Leser der Publikation moneylife zu dem bitteren Kommentar: „Life is very cheap in India“. Andere sprechen von einem neuen Kolonialismus.

Der Zulassungsprozess für XARELTO gestaltet sich wegen der vielen Risiken und Nebenwirkungen seit längerem schwierig. In Europa dürfen MedizinerInnen das Therapeutikum bislang nur zur Thrombose-Vorbeugung nach schweren orthopädischen Operationen einsetzen. Die US-Gesundheitsbehörde FDA tat sich aufgrund von Meldungen über Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie der ungeklärten Langzeitwirkung sogar bei dieser eingeschränkten Indikation lange Zeit schwer. BAYER aber hat noch Größeres mit dem Pharmazeutikum vor. Das Unternehmen will es als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe vermarkten, obwohl XARELTO dafür selbst nach eigener Aussage „kein konsistent positives Nutzen-Risiko-Profil“ aufweist. Der Multi erhofft sich Milliarden-Erlöse von der Substanz und der Finanzmarkt ebenfalls - in den gegenwärtigen Kurs der Aktie ist das Blockbuster-Potenzial des Produkts schon eingepreist. Deshalb reagiert sie auch äußerst empfindlich auf jede Negativ-Meldung zu XARELTO. Die letzte gab es im Anfang September 2011: Zeitungen berichteten von hochrangigen FDA-MitarbeiterInnen, die angesichts unerklärter Herzinfarkt- und Blutungsrisiken von einer Genehmigung abrieten. Aber ein paar Wochen später war die Börsen-Welt wieder in Ordnung. Das 12-köpfige BeraterInnen-Gremium der Behörde hatte sich bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung doch noch zu einer positiven Empfehlung durchgerungen. Die Vorkommnisse in Indien, über welche die CBG die FDA in Kenntnis setzte, führten auch nicht zu einem Umdenken. Der Behörde waren derartige Zwischenfälle bekannt: „Die Ärzte-Information führt Tod als mögliche Nebenwirkung auf, die während der Klinischen Tests mit XARELTO auftrat“. Bei Zulassungen gelte es immer, zwischen Wirksamkeit und Sicherheit eines Medikamentes abzuwägen, antwortete sie der Coordination.

Verstoß gegen Ethik-Regeln
Kritik am bisherigen Vorgehen der FDA in Sachen „XARELTO“ hat die US-Initiative PUBLIC CITIZEN geübt. Sie hat gravierende Mängel bei den Klinischen Prüfungen festgestellt. Bei Vergleichstests mit Warfarin haben die ProbandInnen, welche die Konkurrenz-Substanz bekamen, nicht die optimale Dosis erhalten, moniert die Organisation. „Es ist besonders besorgniserregend, dass es die schlechtesten Warfarin-Therapien bei den ausländischen Firmen gab“, so PUBLIC CITIZEN. Und am besorgniserregendsten war es bei den indischen Test-Unternehmen. Sie versorgten nur 36 Prozent ihrer PatientInnen angemessen mit Warfarin und setzten sie so einer erhöhten Gefahr aus, einen Schlaganfall zu erleiden. Auch haben die ÄrztInnen den TeilnehmerInnen, obwohl Warfarin seine Wirksamkeit erst nach einiger Zeit entfaltet, kein zusätzliches Mittel zur Blutverflüssigung verordnet. Zudem ereigneten sich unmittelbar nach dem Absetzen von XARELTO viele Zwischenfälle, für die BAYER die Erklärung schuldig blieb. Darüber hinaus rügt die Gruppe die Darreichungsform. Die ProbandInnen mussten die ganze Dosis auf einmal einnehmen, was mit höheren Risiken verbunden ist als eine Spreizung. Einzig marketing-technische Erwägungen vermutet PUBLIC CITIZEN hinter dieser Wahl. In einem Brief an die FDA haben die GesundheitsaktivistInnen diese Verstöße gegen medizinische und ethische Standards aufgelistet und die Behörde aufgefordert, die Arznei einstweilen nicht als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe zuzulassen. Aber es half alles nichts. Am 4. November 2011 gab die Behörde grünes Licht für XARELTO.

MIRENA & Co.
BAYERs Pillen-Abteilung erprobt auf dem Subkontinent jedoch nicht nur XARELTO. „Sie lässt dort bereits sechs neue Medikamente testen. Das bringt deutliche Ersparnisse und ein schnelleres Entwicklungstempo“, berichtete das Handelsblatt vor vier Jahren und resümierte: „Auch als Ressource wird Indien für die Pharma-Sparte interessant“. Inzwischen ist der Staat als Ressource noch interessanter geworden. Momentan laufen Test-Reihen mit der Krebs-Arznei NEXAVAR, dem Augen-Präparat VEGF und dem Bluter-Medikament KOGENATE. Gerade abgeschlossen hat BAYER Versuche mit dem Potenzmittel LEVITRA, dem Diabetikum GLUCOBAY, der Hormon-Spirale MIRENA und den Röntgen-Kontrastmitteln GADOVIST und ULTRAVIST. Und neue ProbandInnen sucht der Konzern für weitere Erprobungen von XARELTO, GLUCOBAY, GADOVIST, KOGENATE, NEXAVAR und VEGF sowie von dem Antibiotikum AVELOX und dem von der BUKO PHARMA-KAMPAGNE als irrational eingestuften Bluthochdruck-Präparat XIRTAM.

Größtenteils handelt es sich dabei um altbekannte Pharmazeutika, für die der Leverkusener Multi bloß neue Verwendungsmöglichkeiten sucht. Ähnlich verhält es sich bei der Konkurrenz. Die wachsende Anzahl von Klinischen Tests rund um den Globus - das US-amerikanische „National Institute of Health“ hat gegenwärtig über 115.000 registriert - entspricht keinesfalls dem wachsenden Erfindungsreichtum von BAYER & Co. Das macht die wachsende Anzahl von Opfern zu einem noch größeren Skandal.

Eine Milliarden-Industrie
Die indische Test-Branche setzte 2010 nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO eine Milliarde Dollar um; rund 2.000 Arznei-Experimente fanden statt. Nachdem das Land 2005 dem Drängen von Big Pharma nach einer Verschärfung des Patentrechts nachgegeben hatte, boomte dieser Wirtschaftszweig kontinuierlich. Die „Contract Reseach Organisations“ (CROs), welche die Versuche zumeist für BAYER & Co. durchführen, haben nichts anderes im Sinn, als ihren Auftraggebern möglichst schnell möglichst gute Resultate zu liefern. Den Anforderungen an eine gute klinische Praxis genügen von den ca. 150 in Indien operierenden CROs gerade einmal 201. Ein Bericht des „National Institute of Medical Statistics“ kritisiert vor allem das Fehlen oder die mangelhafte Arbeit von Ethik-Kommissionen. Die eigentlich vorgeschriebene „informierte Einwilligung“ der ProbandInnen besteht in einem Land mit einer so hohen Analphabetismus-Rate ebenfalls oft nur auf dem Papier. Doch selbst, wenn die TeilnehmerInnen wissen, was sie tun, lässt die Armut ihnen nicht selten keine andere Wahl, als so waghalsige Unternehmungen zu riskieren. Anders als an ihren Stammsitzen geht den Konzernen deshalb der Nachschub nie aus - und sie nutzen dieses Reservoir zu einem Schnäppchen-Preis. Auswärtige Kontrollen haben sie auch nicht zu befürchten. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMEA reist zu gerade mal 40 Inspektionen pro Jahr in fernere Gefilde. Ihr US-amerikanisches Pendant überprüft in diesem Zeitraum nicht einmal ein Prozent der ausländischen Arzneitest-Firmen. Die FDA will ihr Pensum allerdings erhöhen. Der Test-Export bereitet ihr zunehmend Unbehagen, da eine Vielzahl der Versuche nicht den US-Standards entspricht und die gelieferten Datensätze mit den Ergebnissen oft unvollständig und nur schwer zu analysieren sind.

Allzuviel verändern dürfte das in Indien und anderswo allerdings nicht. Trotz solch günstiger Aussichten hadern die Firmen in jüngster Zeit jedoch mit dem Subkontinent. Den Pillen-Riesen geht es dort nicht schnell genug. Während die USA einen Klinischen Test innerhalb eines Monats genehmigen, müssten sie in dem südostasiatischen Staat 12 bis 16 Wochen auf grünes Licht warten, klagen die Hersteller. „Das ist ein großer Zeitverlust, denn die Patent-Uhr für dein Produkt tickt bereits“, so die Vertreterin eines Arznei-Riesen. Auch die Weigerung der Behörden, die für die ProbandInnen besonders gefährlichen Ersterprobungen der Phase I zu gestatten, wenn die entsprechenden Medikamente nicht für den Heimatmarkt vorgesehen sind, passt den Konzernen nicht. Darüber wächst die Kritik an den Versuchen, was bereits zu einer strengeren Reglementierung geführt hat. Darum zieht die Karawane weiter. Im Moment bietet ihr China die meisten Standort-Vorteile. 64 gerade abgeschlossene, noch laufende oder geplante BAYER-Studien im Reich der Mitte verzeichnet das „National Institute of Health“ gegenwärtig - Tendenz steigend.

Der Offene Brief
Die CBG hat die erschreckenden Nachrichten aus Indien zum Anlass genommen, um vom Leverkusener Multi Aufklärung zu fordern. In einem Offenen Brief an den Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers verlangte die Coordination detaillierte Informationen über die untersuchten Pharmazeutika, die Häufigkeit von Sterbefällen und sonstigen schwerwiegenden Gegenanzeigen und die geleisteten oder nicht geleisteten Entschädigungszahlungen. Darüber hinaus wollte sie wissen, wie das Unternehmen Todesopfer bei Arznei-Prüfungen in Zukunft verhindern will. Die bisherigen Reaktionen BAYERs gleichen denjenigen auf der Hauptversammlung von 2010. Der Multi beteuert, stets nach Recht und Gesetz gehandelt zu haben. Aber anders als vor anderthalb Jahren bekennt er sich jetzt eindeutig zur „Deklaration von Helsinki“, mit welcher der Weltärztebund 1964 weltweit verbindliche ethische Standards für die pharmazeutische Wissenschaft formulierte. Nach ihr haben die ProbandInnen nach Ablauf der Versuche etwa einen Anspruch darauf, die Arzneien weiter zu erhalten - wie das ganze Land. Als bloßes Labor dürfen die Konzerne es der Deklaration zufolge nicht missbrauchen. In ihrer ursprünglichen Fassung lehnte diese sogar die Verwendung von Placebos strikt ab, weil das bedeutet, kranken Menschen ohne ihr Wissen dringend benötigte Medizin vorzuenthalten. Aber die Pharma-Riesen intervenierten und erreichten eine Revision. Es blieb nicht die einzige: Die heute gültige Fassung weicht beträchtlich von der ursprünglichen ab. Wie nicht nur die Toten von Indien zeigen, gelingt es dem Leverkusener Multi trotzdem nicht, ihren Ansprüchen gerecht zu werden. „In der medizinischen Forschung am Menschen muss das Wohlergehen der einzelnen Versuchsperson Vorrang vor allen anderen Interessen haben“ - dieses Gebot gilt für BAYER nicht. Von Jan Pehrke

alle Infos zur Kampagne

Anmerkung

1 J. S. Srivastava; Need for ethical oversight of clinical trials in India; in: Current Science, Vol 99, No. 11

[Nanotubes] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

BAYER in Erklärungsnot

Umweltkiller Nanopartikel

Für Konzerne wie BAYER zählen sie zu den Vertretern einer neuen Material-Generation, doch nun rücken Schweizer ForscherInnen die so genannten Kohlenstoff-Nanoröhrchen (CNT) in eine unliebsame Ecke: Eine aktuelle Studie der Empa zeigt, dass CNT auf Grünalgen zwar nicht toxisch wirken, deren Wachstum aber hemmen, indem sie ihnen Licht und Platz nehmen. Die Schweizer Behörden raten deshalb dazu, ungebundene Nanotubes nicht in die Umwelt freizusetzen. Auch andere Studien deuten auf massive Risiken bei CNTs hin, politisch lassen sich die Forschungsergebnisse nicht mehr ignorieren. Steht die Technologie damit vor dem Aus?

CNTs sind bis zu 100.000 mal dünner als ein menschliches Haar und so leicht wie Plastik. Dennoch können sie zugfester sein als Stahl, härter als ein Diamant und leitfähiger als Kupfer. „Diese Eigenschaften machen sie zu einem Werkstoff mit Zukunft“, schreibt die Empa. „Ihr Einsatz wird daher vielfältig erforscht, etwa für Solarzellen, Kunststoffe, Batterien, in der Medizin sowie zur Reinigung von Trinkwasser“, hält die der ETH Zürich angegliederte Forschungseinrichtung fest.

Allerdings: Mit zunehmender industrieller Produktion in der Größenordnung von Hunderten von Tonnen jährlich steige auch die Menge an solchen Teilchen, die in die Umwelt gelangen kann. Einige Studien legen der Empa zufolge „den Verdacht nahe, dass bestimmte CNT in der Lunge ähnliche Schäden wie Asbestfasern auslösen können“.

Wie sich CNT verhalten, wenn sie in Gewässer gelangen, hat jetzt ein interdisziplinäres Team der Forschungsinstitute Empa und Agroscope ART in einer vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanzierten Studie an Grünalgen untersucht. Dabei entwickelten die WissenschaftlerInnen ein Standardverfahren für Chemikalien weiter, um Wachstum und Photosynthese-Aktivität der Algen unter CNT-Belastung zu messen. Es zeigte sich, dass die Algen selbst bei hohen CNT-Konzentrationen ihre normale Photosynthese-Aktivität beibehielten - jedoch verlangsamte sich ihr Wachstum. Auffällig war auch, dass sich die Pflanzen durch Zugabe der CNT verdunkelten und dass die Algen mit den Nanoröhrchen verklumpten – obwohl nichts darauf hinwies, dass die Nanoröhrchen von den Algen aufgenommen werden. Die ForscherInnen vermuteten deshalb, dass die Algen langsamer wachsen, weil sie durch die CNT „zusammenkleben“ und dadurch weniger Licht erhalten. Um genau das zu beweisen, entwickelten sie zwei weitere Tests, mit denen die Beschattung und das Zusammenkleben der Algen durch Nanopartikel quantitativ gemessen werden können.

Die Ergebnisse zeigen, „dass das verlangsamte Algen-Wachstum in der Tat hauptsächlich auf diese zwei Faktoren zurückzuführen ist“. Fazit der Empa: „CNT wirken nicht direkt toxisch auf Grünalgen, wie frühere Studien vermuten liessen. Die Algen haben in Gegenwart von CNT lediglich nicht die optimalen Wachstumsbedingungen, weil sie wie Landpflanzen genügend Platz und Licht zum Wachsen benötigen. Allerdings tritt die beobachtete Verklumpung und Beschattung erst bei höheren CNTKonzentrationen auf (über einem Milligramm pro Liter), wie sie in der Umwelt wahrscheinlich noch nicht vorkommen“.

BAYER in der Zwickmühle
Für den Leverkusener Konzern wird die Lage ob solcher News allmählich brisant - und erste Anzeichen eines Umdenkens sind erkennbar. Péter Krüger, Leiter der Arbeitsgruppe Nanotechnologie bei BAYER MATERIALSCIENCE und Vorsitzender hochrangiger Nano-Projektgruppen forderte beispielsweise bereits im Vorfeld der 4. NRW Nano-Konferenz Sicherheitsstandards im Umgang mit der neuen Technologie. Sein Credo: „Damit diese Welt Wirklichkeit wird, muss Nano sicher sein.“ Der Vorstoß ist bemerkenswert - aber auch mehr als reine PR? Auf der Tagung selber, die am 17. und 18. Oktober 2011 im Kongresszentrum der Westfalenhallen Dortmund stattfand, hatte Krüger dann nach dem Auftritt der nordrhein-westfälischen Innovationsministerin Svenja Schulze Gelegenheit, die Ergebnisse aus zehn Jahren Sicherheitsforschung zu Nano-Materialien vorzustellen.

Obwohl Gefährdungspotential der neuen Stoffe ist weitgehend unbekannt ist, wie die aktuelle Empa-Studie belegt, sollen die von BAYER MATERIALSCIENCE in einer eigenen Versuchsanlage produzierten Carbon Nanotubes (CNTs) in Lacken, beim Bau von Rotorblättern und in Sportartikeln wie Skiern oder Hockey-Schlägern eingesetzt werden. Und selbst Tierversuche zeigen, dass bestimmte CNTs die Entstehung von Krebs ähnlich wie Asbestfasern zu begünstigen vermögen (1). DNA-Schäden der Aorta sind ebenso möglich wie eine Beeinträchtigung der Lungenfunktion (2). Zudem können Nanotubes vom Körper sowohl über die Atemwege als auch über die Haut aufgenommen werden.

Der Konzern sieht hingegen keine Probleme für die Bevölkerung und betont in Veröffentlichungen das wirtschaftliche Potenzial der CNTs. Aus Sicht der Umweltverbände jedoch scheint offensichtlich, dass eine Anlage dieser Größenordnung keine „Versuchsanlage“ darstellt. Vor einer Genehmigung müsse der Betreiber darlegen, dass von der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen, insbesondere welche Emissionen und Immissionen in welcher Höhe zu erwarten sind, welche Wirkungen auf Umwelt und Gesundheit damit verbunden sind, wie hoch die Belastung innerhalb der Anlage ist und welche Mengen dieses speziellen Feinstaubs bei einem Störfall austreten können, verlangen die Gruppen.

Die nun am 4. November 2011 publizierten Schweizer Ergebnisse bringen auch die Politik in Nordrhein-Westfalen in Zugzwang. „Unsere Studie zeigt, wie schwierig es ist, die Wirkungen von Nanomaterialien auf Organismen detailliert zu verstehen“, betont Empa- und ART-Forscherin Fabienne Schwab. Bis umfassende Erkenntnisse auch für komplexere Organismen als Grünalgen sowie Langzeitstudien vorliegen, rät Empa-Forscher Bernd Nowack, „besonders ungebundene Nanopartikel nicht in die Umwelt freizusetzen“.

Von Vlad Georgescu
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von Lifegen (www.lifegen.de)

Literaturhinweise:
F. Schwab, T.D. Bucheli, L.P. Lukhele, A. Magrez, B. Nowack, L. Sigg, K. Knauer: Are Carbon Nanotube Effects on Green Algae Caused by Shading and Agglomeration? Environmental Science & Technology 2011; 45 (14); S. 6136-6144

(1) Carbon nanotubes introduced into the abdominal cavity of mice show asbestos-like pathogenicity in a pilot study, Donaldson et al, 20. Mai 2008, Nature Nanotechnology 3; S. 423-428 (2008)

(2) A review of carbon nanotube toxicity and assessment of potential occupational and environmental health risks, Crit Rev Toxicol. 2006 Mar; 36(3); S. 189-217

[Editorial] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

Nachdem gentechnisch veränderte Pflanzen in vielen Fällen nicht das gebracht haben, was die Betreiber sich ursprünglich versprochen hatten, setzen Konzerne wie MONSANTO, SYNGENTA, DUPONT und auch BAYER immer stärker auf konventionelle Züchtung. Damit soll ihr Geschäftsmodell noch weiter in den Bereich der Pflanzenzüchtung ausgeweitet werden. Um hier ihre Ziele zu erreichen, setzen sie auf Patente: Ähnlich wie schon bei der Gentechnik sollen die Wettbewerber so vom Markt gedrängt und die genetischen Ressourcen weitgehend monopolisiert werden.

So wird mit dem Segen des Europäischen Patenamtes aus konventionell gezüchteten Pflanzen und Tieren eine Erfindung. Brokkoli, der mit Wildsorten gekreuzt wird, ist ebenso davon betroffen wie Tomaten, die einen reduzierten Wassergehalt aufweisen. Im Ergebnis ein glatter Missbrauch des Patentrechtes: Aus dem Schutz von Erfindungen wird ein Instrument zur Aneignung der allgemeinen Lebensgrundlagen.

Zwar darf man in Europa konventionelle Züchtung (im Patentrecht wird das als „im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung“ bezeichnet) gar nicht patentieren. Das hatte erst im Dezember 2010 auch das Europäische Patentamt noch einmal bestätigt. Doch das Patentamt legt das Verbot bisher so aus, dass zwar die Züchtungsverfahren nicht patentiert werden können, sehr wohl aber die Pflanzen selbst, deren Saatgut und Ernte. Zudem genügen nach Ansicht des Amtes schon kleine technische Garnierungen, wie die Nutzung von natürlicherweise auftretenden Mutationen, um auch Züchtungsverfahren patentieren zu können.

Im Ergebnis wird das Verbot der Patentierung von konventioneller Züchtung komplett ausgehebelt. Bereits 1999 hatte man das im Patentgesetz vorgesehene Verbot der Patentierung von Pflanzensorten durch ähnliche Spitzfindigkeiten und rechtliche Tricks für unwirksam erklärt. Freie Bahn also für die Monopolisten, sich das anzueignen, was ZüchterInnen und LandwirtInnen über Jahrhunderte entwickelt haben. Auch BAYER ist mit von der Partie. Im Juli 2011 wurde dem Konzern ein Patent auf die Züchtung von Pflanzen mit einer erhöhten Stress-Resistenz erteilt (EP1616013). Dabei wurde nicht nur die gentechnische Manipulation patentiert. Das Patent von BAYER umfasst auch die Züchtung von Pflanzen auf der Grundlage natürlicher Erbanlagen. Im November folgte ein Patent auf Gurken mit einer verbesserten Resistenz gegen Mehltau (EP1433378).

Seit Jahren gibt es heftige Kritik von allen im Bundestag vertretenen Parteien gegen Patente auf Pflanzen und Tiere, bisher hat die Politik aber nichts unternommen, um diese Patente zu stoppen. Deswegen fordert das internationale Bündnis KEINE PATENTE AUF SAATGUT!, die gesetzlichen Verbote so im Patentrecht zu schärfen, dass sie nicht mehr umgangen werden können. Gesammelt werden unter anderem Unterschriften für einen Brief an das Europäische Parlament und die Europäische Kommission (www.no-patents-on-seeds.org).

Christoph Then
Kampagne KEINE PATENTE AUF SAATGUT!

Marketing

CBG Redaktion

Presse Information vom 28. März 2012
Coordination gegen BAYER-Gefahren

BAYER AG verschleiert Marketing-Ausgaben

Fast neun Milliarden Euro gab der BAYER-Konzern im vergangenen Geschäftsjahr für Werbung und Vertrieb aus. Hierunter fällt der gesamte Graubereich des Pharma-Marketings: Medikamentenproben, Ärzte-Fortbildungen, Pharmareferenten, Lobbyverbände, etc. Für die Forschung hingegen wurden nur 2,9 Mrd Euro aufgewendet.

Im Jahr 2011 gab die BAYER AG 8,96 Milliarden Euro für Vertrieb und Marketing aus. Obwohl die Summe ein Viertel des Umsatzes von BAYER verschlingt, verweigert der Konzern eine detaillierte Aufschlüsselung. Ganze acht Zeilen (!) des 265-seitigen Geschäftsberichts (siehe S. 198) widmen sich diesem Ausgabeposten.

Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Den Aktionären und der Öffentlichkeit werden essentielle Informationen über die Marketing-Ausgaben von BAYER vorenthalten. Damit bleibt auch der Einfluss des Konzerns auf Ärzte, Politiker und Fach-Verbände intransparent“. Mimkes hatte in der letztjährigen Hauptversammlung eine detaillierte Aufstellung der Werbe- und Lobby-Ausgaben verlangt. BAYER-Chef Marijn Dekkers hatte mit dem Hinweis auf angebliche „Betriebsgeheimnisse“ eine Antwort verweigert.

In dem Milliardenbetrag verbergen sich all die Aufwendungen zur Beeinflussung der Öffentlichkeit:

=> Werbung in Zeitungen und Zeitschriften, TV und elektronischen Medien;
=> Medikamentenproben für Ärzte und Krankenhäuser,
=> Ausgaben für Lobby-Verbände,
=> Kosten für Pharmareferenten (die Vertriebskosten, in denen die Ausgaben für Pharma-Drücker verbucht werden, machen allein über vier Milliarden Euro aus);
=> Anwendungs-Studien, deren Ergebnisse meist in der Schublade verschwinden;
=> Zuwendungen an medizinische Fachgesellschaften und Selbsthilfegruppen;
=> Finanzierung von Fortbildungen und Ärzte-Kongressen.

Für die Forschung hingegen hat BAYER im abgelaufenen Geschäftsjahr nur 2,9 Mrd. Euro aufgewendet. Sogar eigene Entwicklungsabteilungen hat BAYER geschlossen. Dies widerspricht der Aussage zum Dienstantritt von Marijn Dekkers, wonach die „Innovationskraft gestärkt“ werden solle.

„Einmal mehr zeigt sich, dass die hohen Medikamentenpreise nicht durch Entwicklungskosten, sondern durch das exorbitante Marketing verursacht werden“, so Mimkes weiter. Jan Pehrke vom CBG-Vorstand ergänzt: „Die hohen Marketingkosten zeigen überdies, dass die Medikamente oftmals keinen wirklichen Zusatznutzen bringen, der zu einem natürlichen Bedarf führen würde. Sie treffen vielmehr auf eine Vielzahl ähnlicher Produkte und müssen sich gegen diese mittels eines hohen Werbeaufwands durchsetzen.“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat einen Gegenantrag zur Hauptversammlung des Konzerns eingereicht und wird das Thema in der Versammlung am 27. April diskutieren. Der Gegenantrag findet sich im Volltext auf der website von BAYER.

Als neuen Tummelplatz für Marketing-Aktivitäten hat BAYER insbesondere das Internet entdeckt. Da Werbung für verschreibungspflichtige Arzneien verboten ist, werden die websites als „Informationsangebot“ getarnt. Seiten wie www.pille.com haben jedoch trotz aller Ratgeber-Anmutung nur den einen Zweck: den Absatz der Präparate aus dem Hause BAYER zu erhöhen. Eine sich ähnlich tarnende Website von BAYER ist www.testosteron.de. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, Testosteronmangel als angebliche Männerkrankheit zu etablieren und die entsprechenden Pillen an den Mann zu bringen. Dabei ist weder belegt, ob Hormon-Gaben gegen Alters-Beschwerden helfen, noch sind die Langzeit-Risiken einer Testosteron-Behandlung geklärt.

Mit massivem Lobby-Einsatz versucht BAYER zudem, das EU-weite Werbeverbot für verschreibungspflichtige Präparate zu kippen. Die Folge wäre noch mehr Marketing unter dem Siegel der „Patienten-Information“.

Clothianidin

CBG Redaktion

Presse Information vom 23. März 2012
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Kritik an „Notfall-Zulassung“ für Bienenkiller Clothianidin

Gegenantrag zur BAYER-Hauptversammlung am 27. April eingereicht / Proteste von Imkern / 1,2 Mio Unterschriften gesammelt

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat eine befristete Zulassung des Bienenkillers Clothianidin (Produktname: Santana) erteilt. Clothianidin war für die verheerenden Bienensterben im Jahr 2008 verantwortlich. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert ein vollständiges Verbot des Wirkstoffs sowie des Vorgänger-Produkts Imidacloprid.

Bereits in den vergangenen beiden Jahren war eine temporäre „Notfall-Zulassung“ für Santana erteilt worden. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren kritisiert die Entscheidung des BVL, die eine Bedrohung für den Bestand von Bienen und Wildinsekten darstellt: „Der Einsatz von Clothianidin im Mais-Anbau ist mit gutem Grund verboten worden. Es kann nicht sein, dass diese Sicherheits-Maßnahme mit alljährlich erneuerten Notfallzulassungen unterlaufen wird. Die ständige Ausweitung des Mais-Anbaus ist nicht akzeptabel, wenn diese nur mit der Ausbringung gefährlicher Agro-Chemikalien möglich ist“, so Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG.

Weder auf der website des BVL noch auf der homepage des Clothianidin-Herstellers BAYER finden sich Sicherheits-Datenblätter oder andere Produkt-Informationen zu Santana. Die genaue Zusammensetzung sowie die Auflagen für die Anwendung sind der Öffentlichkeit somit nicht bekannt. Auch ist unklar, auf wie viel Hektar Santana insgesamt eingesetzt werden darf.

Wegen der anhaltenden Vermarktung von Clothianidin hat die Coordination gegen BAYER-Gefahren einen Gegenantrag zur BAYER-Hauptversammlung am 27. April in Köln eingereicht. Nach Auffassung der CBG gefährdet das BAYER-Management durch den fortgesetzten Verkauf hochgefährlicher Pestizide wissentlich den Bestand von Bienen, Wildinsekten und Vögeln. Mehrere große Studien hatten in den vergangenen Monaten die Risiken der Wirkstoffe bestätigt. Im vergangenen Jahr war eine Untersuchung der UN-Umweltbehörde zu dem Schluss gekommen, dass bestäubende Insekten, z.B. Bienen, durch Clothianidin und Imidacloprid chronisch vergiftet werden können. Umweltschützer hatten 1,2 Millionen Unterschriften für ein sofortiges Verbot der Wirkstoffe gesammelt.

Über den Gegenantrag der CBG, der auch auf der website von BAYER veröffentlicht wird, muss in der Versammlung offiziell abgestimmt werden. Zu der Protestaktion vor den Kölner Messehallen werden Imker aus ganz Deutschland sowie aus Österreich erwartet.

=> Gegenantrag zur BAYER-Hauptversammlung eingereicht
=> alle Informationen zur Kampagne

Hier noch eine Stellungnahme des Pestizid Aktions-Netzwerks:

Erneut befristete Zulassung verbotener Pestizide

(PAN), 22. März 2012 -- Für konventionelle Maisbauern mag es eine gute Nachricht sein, für Imker, Natur- und Umweltschützer ist es eine schlechte: Wie auch schon 2010 und 2011, hat das für Ausnahmegenehmigungen für Pestizide zuständige Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auch in diesem Jahr das Insektizid Santana wieder befristet zugelassen.

Die befristete Zulassung zur Drahtwurmbekämpfung im Mais erfolgte als „Zulassung für Notfallsituationen“. Diese EU-weite Regelung erlaubt eine auf 120 Tage begrenzte Zulassung von Pestizidprodukten, die längst verboten sind oder die für bestimmte Kulturpflanzen eigentlich nicht zugelassen sind, für den Fall, dass eine „Gefahr anders nicht abzuwehren ist“. Rechtsgrundlage hierfür ist seit Juni 2011 Artikel 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Santana wurde jetzt zum dritten Mal in Folge über die Notfallregelung zugelassen. „Unter dem Deckmantel der Notfallsituation werden Jahr für Jahr Ausnahmen für verbotene Pestizide genehmigt. Hier wird den ökonomischen Interessen Einzelner Vorrang vor Umwelt- und Naturschutz eingeräumt und das zu einem volkswirtschaftlich fragwürdigen Preis“ so Carina Weber, Geschäftsführerin von PAN Germany.

PAN kritisiert seit längerem diese Praxis. Eine 2011 europaweit durchgeführte Auswertung der Genehmigungen in Notfallsituationen zeigt, dass entgegen der Absicht, hier Ausnahmen zu regeln, die Genehmigungen für Notfallsituationen in den letzten 4 Jahren von 59 auf 310 gestiegen sind und somit zu einem „Regelzustand“ wurden.

PAN-Agrarexpertin Susan Haffmans: „Für die Imker ist es nur ein schwacher Trost zu wissen, dass Santana nur begrenzt und unter Auflagen ausgebracht werden darf. Sie müssen sich im Zweifelsfall entscheiden, ob sie mit ihren Bienenkästen fliehen oder bleiben und hoffen, dass es zu keiner akuten oder chronischen Vergiftung ihrer Völker kommt“.

Das Mittel „Santana“ ist ein Mikrogranulat mit dem sehr bienengiftigen Wirkstoff Clothianidin. 2008 war er für das Massensterben von 11.500 Honigbienenvölkern und einer unbekannten Anzahl von Wildbienen in Deutschland verantwortlich. Damals wurden die Bienen durch die Stäube beim Aussäen des behandelten Saatguts kontaminiert. Längst ist bekannt, dass die wasserlöslichen, systemischen und hoch bienengiftigen Neonicotinoide, zu denen Clothianidin zählt, nicht am Ort ihrer Ausbringung verweilen, sondern sich überall in der Pflanze verteilen. Auf diese Weise können Honig- und Wildbienen auch über belasteten Nektar und Pollen mit dem Wirkstoff in Kontakt kommen. Auch die Kontamination über das sogenannte Guttationswasser wird zunehmend als Problem erkannt. Hierbei handelt es sich um kleine Tropfen, die von Pflanzen bei bestimmten Temperaturen ausgeschieden werden, die erhebliche Pestizidkonzentrationen aufweisen können und von den Bienen zur Deckung ihres Flüssigkeitsbedarfs aufgenommen werden.

Für Nachfragen:
Susan Haffmans (PAN), susan.haffmans@pan-germany.org, Tel. 040-3991910-25

Kartellbildung

CBG Redaktion

Presse Information vom 20. März 2012
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Rumänien: 12 Millionen Euro Strafe gegen BAYER und andere Pharma-Unternehmen

Die rumänische Wettbewerbs-Behörde hat eine Strafe in Höhe von 12 Millionen Euro gegen die Pharmafirmen BAYER und Sintofarm sowie gegen eine Reihe von Zwischenhändlern verhängt. Ermittlungen hätten ergeben, dass die Unternehmen Vereinbarungen über den Export von Präparaten von BAYER sowie des Generikaherstellers Sintofarm getroffen hatten. Der Anteil von BAYER liegt bei 1,6 Millionen Euro.

Nach Aussage von Bogdan Chiritoiu, dem Leiter des rumänischen Kartellamts, stellten die Absprachen der Unternehmen eine "schwere Verletzung des Wettbewerbs-Rechts“ dar. Ziel der Unternehmen sei es gewesen, den rumänischen Markt abzuschotten und den Außenhandel zu behindern, insbesondere mit EU-Staaten. Die Ermittlungen hatten bereits im Jahr 2009 begonnen, damals wurden auch die Geschäftsräume von BAYER und Sintofarm durchsucht.

Der BAYER-Konzern beteiligt sich regelmäßig an illegalen Absprachen mit der Konkurrenz. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte daher vor einigen Jahren Strafanzeige gegen den BAYER-Vorstand gestellt. Der Verein wirft den verantwortlichen Managern vor, die Beteiligung an illegalen Kartellen zu dulden oder anzuordnen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren veröffentlichte zudem unter eine Liste aller bekannt gewordenen Kartelle mit Beteiligung von BAYER. Die notwendigerweise unvollständige Aufstellung ist nach Bekanntwerdung der Fälle sortiert, sie enthält die Strafzahlung sowie die Laufzeit der jeweiligen Absprachen.

weitere Informationen:
=> Pharma companies in Romania fined EUR 12 mln for export stop agreement
=> Kampagne der Coordination gegen BAYER-Gefahren
=> Rumänische Wettbewerbsbehörde durchsucht Pharmafirmen

[BAYER HV 2012] Hauptversammlung 2012

CBG Redaktion

20 Betroffene und Initiativen haben in der BAYER-Hauptversammlung am 27. April zu den Kehrseiten der BAYER-Geschäftspolitik gesprochen (Fotos und ein Film-Clip)

Medienecho
=> Frankfurter Rundschau: 30 Jahre Kritische BAYER-Aktionäre
=> Tagesspiegel: Duogynon - Wahrheit verjährt nicht
=> ND: Bienentod und Pillenklage
=> RP: Tote durch Bayer-Tests
=> Tagesspiegel: Kritik an Antibaby-Pillen von BAYER
=> Süddeutsche: Nina Hagen unterstützt Aktionen zur BAYER HV
=> Kritische Redebeiträge (Zusammenfassung und ein Aktionsbericht
=> weiterer Bericht von der BAYER Hauptversammlung

Presse Informationen
=> 30 Jahre Kritische Aktionäre / Glückwunsch von Nina Hagen
=> BAYER: Tödliche Pharma-Studien in Indien
=> BUND kritisiert Risiken von Nanotubes
=> Statement von Ärzte ohne Grenzen zu Patentstreit in Indien
=> noch Mitstreiter gesucht!
=> Xarelto: unklares Risiko-Profil
=> „Werbe-Ausgaben von BAYER werden verschleiert“
=> Protest gegen CO-Pipeline auf Aktionärsversammlung

Gegenanträge
=> GenReis, Tier-Antibiotika, gefährliche Antibaby-Pillen: CBG reicht Gegenanträge ein
=> Gegenantrag zu verschleierten Marketing-Ausgaben sowie zu Risiken von Xarelto
=> Gegenantrag zu tödlichen Medikamenten-Studien in Indien
=> Gegenantrag Bienensterben durch Pestizide
=> Tierschutz-Organisation PETA reicht Gegenantrag ein

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[Duogynon] Duogynon / Primodos

CBG Redaktion

der Prozess wurde auf dem 5. Juli verschoben

Presse Information vom 7. März 2012
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Duogynon-Klage: Prozessbeginn am 1. Juni

BAYER-Konzern lehnt Vergleichsgespräch ab / Verhandlung am Landgericht Berlin

Am Landgericht Berlin beginnt am 1. Juni der Prozess von Duogynon-Geschädigten gegen die Bayer Schering AG. Stellvertretend für Hunderte von Betroffenen hatte der Lehrer Andre Sommer im November eine Haftungsklage gegen das Unternehmen eingereicht. Ein vom Gericht vorgeschlagenes Mediations-Verfahren, zu dem sich die Geschädigten bereit erklärt hatten, lehnte der Konzern wegen angeblicher Verjährung ab. Deshalb kommt es nun zur Verhandlung.

Andre Sommer: „Bayer lehnt weiterhin alle Gespräche ab. Das Verhalten des Unternehmens ist für uns sehr enttäuschend. Die mutmaßlichen Duogynon-Geschädigten wollen endlich eine Aufklärung des Falles!“. Sommer fordert hierfür eine Einsichtnahme in alle firmeninternen Studien zu Duogynon.

Der Einsatz des hormonalen Schwangerschaftstests Duogynon führte in den 60er und 70er Jahren zu Tausenden von Missbildungen. Neu aufgetauchte Dokumente belegen, dass Schering die Risiken frühzeitig bekannt waren. Bis heute steht eine Entschädigung der Betroffenen aus.

Jörg Heynemann, Rechtsanwalt von Sommer, ergänzt: „Bayer bestreitet und bunkert. Alles wie gehabt. Auf der einen Seite wird stereotyp wiederholt, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme hormoneller Schwangerschaftstests und den schweren Schädigungen gebe. Dabei beruft sich Bayer Schering auf interne Erkenntnisse und Gutachten, legt diese aber nach wie vor nicht offen. Bayer verschweigt dabei, dass es in England bereits Ende der 60er Jahre firmeninterne Erkenntnisse gab, die diesen Zusammenhang eindeutig verifizieren! Das Verhaltensmuster von Bayer erinnert an Contergan: auf der einen Seite wird alles blind und wider besseren Wissens bestritten, und auf der anderen Seite werden die Opfer verunglimpft. Hat Bayer/Schering aus der Contergan-Affäre nichts gelernt?“.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG), die die Kampagne initiiert hat: „Das Ermittlungsverfahren im Jahr 1980 wurde mit der ungeheuerlichen Begründung eingestellt, die Schädigung eines Fötus stelle keinen Straftatbestand dar, da „ein Angriff gegen die Gesundheit eines Menschen im Rechtssinn“ nicht vorliege. Die Geschädigten muss nun endlich Gerechtigkeit erfahren. Schering selbst hat in den siebziger Jahren auf jeder Packung einen Warnhinweis anbringen lassen, laut dem Duogynon wegen der Gefahr von Fehlbildungen nicht in der Schwangerschaft eingenommen werden darf.“ Auf Einladung der CBG hatten mehrere Betroffene in der BAYER-Hauptversammlung vor Tausenden von Aktionären gesprochen. Auch in der kommenden Hauptversammlung am 27. April werden Geschädigte protestieren.

Gerichtstermin: 1. Juni, 11 Uhr, Landgericht Berlin, Tegeler Weg 17-21

weitere Informationen:
=> alle Materialien zur Kampagne
=> die Seite der Betroffenen: http://www.duogynonopfer.de

[CNT] Nanotubes

CBG Redaktion

Presse Info vom 5. März 2012

Nanotubes-Produktion bei H.C. Starck in Laufenburg:

Umweltverbände reichen Einwendung ein

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hat heute beim Regierungspräsidium Freiburg eine Einwendung gegen die beantragte Genehmigung einer Produktionsanlage für Carbon Nanotubes (CNT) in Laufenburg eingereicht. Nach Ansicht der CBG sind die Risiken dieser neuartigen Substanzklasse nur unzureichend erforscht, weswegen eine Großproduktion nicht genehmigungsfähig ist.

Auch der Bundesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Ökologische Ärzteinitiative sowie der Verein Lebenswerter Hochrhein reichten Einwendungen ein.

Das Gefährdungspotential der neuen Stoffe ist weitgehend unbekannt. Tierversuche zeigen, dass bestimmte Nanotubes die Entstehung von Krebs ähnlich wie Asbestfasern begünstigen können. DNA-Schäden sind ebenso möglich wie eine Beeinträchtigung der Lungenfunktion. Selbst der BAYER-Konzern hält in dem Sicherheitsdatenblatt zu den in Laufenburg produzierten „BAYTUBES C 70P“ fest: „Achtung – noch nicht vollständig geprüfter Stoff“ und warnt vor einem Kontakt mit dem Material, denn: „Toxikologische Untersuchungen am Produkt liegen nicht vor.“

Die Laufenburger Anlage, die von der Firma H.C. Starck im Auftrag der Bayer MaterialScience AG betrieben wird, hatte im Jahr 2006 eine befristete Genehmigung als Versuchsanlage erhalten. Die Produktion soll nun von 30 auf 75 to/Jahr ausgeweitet werden und eine dauerhafte Genehmigung erhalten. BAYER betreibt in Leverkusen ebenfalls eine Versuchsanlage, die sogar eine maximale Kapazität von 200 Jahrestonnen besitzt. Da diese nicht wie geplant funktioniert, soll nun auf die Anlage in Laufenburg ausgewichen werden.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren führt seit zwei Jahren eine Kampagne zu Carbon Nanotubes. Gemeinsam mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) NRW und dem Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) hatte die Coordination bereits vor zwei Jahren eine umfassende Risikoprüfung, die vor einer Genehmigung stehen müsse, gefordert. Bei der Formulierung der heutigen Einwendung kooperierte die CBG mit der Umweltärztin Dr. Barbara Dohmen.

Sämtliche Infos zur Kampagne

Im folgenden dokumentieren wir die heutige Einwendung an den RP Freiburg:

Einwendung gegen den Genehmigungsantrag der Fa. H.C. Starck (Laufenburg) zum Betrieb einer Anlage zur Herstellung von 75 t/Jahr Nanotubes

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit erheben wir eine Einwendung gegen die Genehmigung des o.g. Antrags der Firma H.C. Starck.

Ein zu Carbon Nanotubes (CNT) vergleichbares Material kommt in der Natur nicht vor. Der derzeitige Wissensstand zum Gefahrenpotential von CNT ist gering. Dies ist angesichts einer geplanten Großproduktion nicht zu akzeptieren.
Die wenigen toxikologischen Untersuchungen, die zu CNT vorliegen, zeigen zum Teil beunruhigende Eigenschaften: hohe biologische Mobilität; Durchdringung biologischer Barrieren wie die Blut-Hirn-Schranke; hohe Aggressivität und Hervorrufung von oxydativem Stress; Gefahr von Entzündungen, Zellschädigungen, Allergien, Thrombosen, Krebs, etc.

Aufgrund der Biopersistenz, Bioakkumulation und Wasserunlöslichkeit verbunden mit der o.g. Toxizität erfüllen CNT die Kriterien der REACH-Verordnung für sogenannte PBT-Stoffe (persistente, bioakkumulierbare und toxische Stoffe). Umso unverständlicher ist es, dass laut Regierungspräsidium Freiburg „keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen ist“ und die bestehende CNT-Versuchsanlage nicht der Störfallverordnung unterliegt, obwohl in der Genehmigung von 2006, S.5 von einer „Tätigkeit mit Gefahrstoffen“ gesprochen wird.

Die in den Antragsunterlagen angeführten Daten reichen nicht aus, um in einem derart sensiblen Gebiet den notwendigen Schutz im Normalbetrieb und für mögliche Störfälle zu gewährleisten:

1. weder für die Anwohner und die in unmittelbarer Nähe des Firmengeländes befindlichen zwei Schulen und zwei Kindergärten; außerdem plant die Stadt Laufenburg momentan in enger Nachbarschaft zur Firma H.C.Starck ein neues Wohngebiet;
2. noch für die Arbeitnehmer, welche die Baytubes-Herstellung und -Abfüllung bewerkstelligen und deren Gefährdung größenordnungsmäßig nicht abschätzbar ist;
3. noch für die Umwelt, insbesondere für den in unmittelbarer Nähe gelegenen Rhein und für den Obst- und Gemüseanbau in der näheren Umgebung.

Im Folgenden werden die Mängel im Einzelnen aufgeführt.

Es fehlt eine Begründung, warum die Gebote der Gefahrstoffverordnung, unter denen Baytubes als Gefahrstoff angesehen werden müssen, nicht berücksichtigt wurden.
Zudem steht die fehlende Einstufung der Carbon Nanotubes (CNT) als nanoskalige Stäube mit gesundheitsschädlicher Wirkung im Widerspruch zu
=> den neueren Forderungen des Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA, Roller, Nano-GBS),
=> des Instituts für Arbeitsschutz der dt. gesetzl. Unfallversicherung (IFA)(siehe Shvedova et al.) sowie
=> der Nanokommission der Bundesregierung (NanoDialog 2006-2008, Prinzip 4).

Es fehlen bezüglich der beantragten CNT-Produktion:
=> die genaue Charakterisierung der hergestellten Baytubes einschließlich der durchschnittlichen Länge und des Durchmessers sowie Daten zur Größenverteilung, sowohl für C150 P als auch für C 70 P gemäß der Vorgaben der Innovationsallianz CNT: „Eine individuelle Betrachtung jedes einzelnen CNT-Strukturmodells ist erforderlich, um eine solide wissenschaftliche Bewertung zu gewährleisten“.
=> nachvollziehbare Untersuchungsdaten für die Behauptung der Fa. H.C.Starck, dass bei den hergestellten beiden Baytubes-Sorten C150 P und C 70 P durch mechanische Einwirkungen keine asbestähnlichen Bruchstücke entstehen;
=> Untersuchungsdaten für die Behauptung, es handele sich ausschließlich um mehrwandige CNT.

Es fehlen bezüglich des Schutzes von Mensch und Umwelt:
=> die Ableitung der Grenzwerte von 0,05mg/m³ in beiden Sicherheitsdatenblättern (mit Quellenangaben), sowohl für C150 P als auch für C 70 P;
=> eine genaue Beschreibung, wie und mit welcher Häufigkeit der Reaktor gewartet werden muss;
=> Expositionsmesswerte zur Partikelanzahl von CNT in der Raumluft im Reaktorraum
a) während des Produktionsbetriebs
b) während der Wartung
=> genaue Angaben über beide Filtertypen und ihr Rückhaltevermögen;
=> Filterstaubuntersuchungen mit genauen Angaben zur Partikelanzahl und mit genauer Spezifizierung der Partikelgrößen;
=> Emissionsmesswerte in der Filterabluft;
=> Emissionsmesswerte bei Filterwechsel;
=> Angaben
1. über Anzahl und Standort von Messplätzen und Probenahmenstellen,
2. über die geeignete Messmethode sowie Art und Häufigkeit der Messungen der Emissionskonzentration in der Kaminabluft bzgl. des festgelegten Emissionsgrenzwerts von 0,1 mg/m³ für alle luftverunreinigenden Stoffe bei ungestörtem Dauerbetrieb mit höchster Emission
=> die Festlegung nach TA Luft 3.2.3 für kontinuierliche Messungen, da
1. im Probebetrieb eine Überschreitung der Emissionsbegrenzung von 0,01 mg/m³ stattfand und daher anschließend vom RP Freiburg eine Verzehnfachung des Grenzwertes für den 2. Genehmigungsabschnitt des Probebetriebs genehmigt wurde;
2. Belege fehlen für die Abgasreinigung, wonach die neu genehmigten Emissionswerte eingehalten wurden.
=> ein angemessenes Schutzkonzept bzgl. des Kontakts mit CNT-Partikeln für die dort tätigen Arbeiter (z.B. steht in den Sicherheitsdatenblättern Empfehlung von P2-Masken, die jedoch bei nanopartikelhaltiger Raumluft vollkommen ungenügend schützen), da im Product-Stewardship Baytubes® -Programm der Fa. Bayer (2010-04-06) auf S. 1 angeführt wird: „Eine inhalatorische Exposition im Arbeitsumfeld könnte bei der Herstellung oder Handhabung von Baytubes® auftreten“.
=> genaue Angaben über den Standort der Ethen- und H2-Tanks und wie deren Sicherheit vor Explosionen und anderen Havarien gewährleistet wird;
=> genaue Angaben über Löschwasserauffangbecken bei Bränden;
=> Sicherheitsangaben für die Entsorgung der Abfälle (Filter, Staubsaugerbeutel);
=> Immissionsmessstationen in der näheren Umgebung, die Nanopartikel in Anzahlkonzentration messen;
=> welche Mengen von CNTs im worst case austreten können;
=> die Begründung, warum CNTs nicht unter die Störfallverordnung fallen;
=> die Begründung, warum CNTs nicht unter die Gefahrstoffverordnung fallen.

Es fehlen bezüglich der Toxikologie:
=> Originaldaten zu den angeblich „zahlreichen Untersuchungen“ mittels Akutstudien und Langzeitstudien zur oralen und dermalen Toxizität und Feto- und Gentoxizität von Baytubes C 150 P und C 70 P
sowie insbesondere zu der Behauptung, dass keine asbestanalogen Schädigungen durch Baytubes hervorgerufen werden können.
=> Originaldaten zu Inhalationsstudien mit Baytubes C 150 P und C 70 P in Bezug auf die Toxizität der Atemwege, da im o.a. Product-Stewardship Programm auf S.1 angeführt wird: „Das wiederholte Einatmen von Baytubes® liefert keinen Hinweis auf eine Toxizität außerhalb der Atemwege.“
=> epidemiologische Daten, die den derzeit festgelegten Grenzwert von 0,05 mg/ m³ für den Arbeitsplatz für Baytubes® in beiden Sicherheitsdatenblättern rechtfertigen,
=> Originalstudien zur Ökotoxizität von Baytubes C 150 P und insbesondere zu C 70 P.

Fazit:
Wir halten eine Genehmigung auf Basis der vorliegenden dürftigen Datenlage sowohl in Hinsicht auf die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt im Normalbetrieb sowie bezüglich einer sicheren Gefahrenabwehr von Störfällen für unverantwortbar und beantragen eine Aussetzung der Genehmigung, bis eine wissenschaftlich fundierte Risiko-Einschätzung von firmenunabhängiger Seite vorliegt.

Nanotubes

CBG Redaktion

Die Versuchsanlage für Nanotubes bei Bayer Leverkusen funktioniert nicht wie geplant. Daher soll eine Anlage in Laufenburg, die die Firma HC Starck für Bayer betreibt, erweitert werden. Der BUND, die Coordination und der Ökologische Ärztebund haben Einwendungen eingereicht. Hier finden Sie ausführliche Infos zur Kampagne.

Badische Zeitung, 08. März 2012

Nanotubes : RP kommt nach Laufenburg

Erörterung am 21. März

LAUFENBURG (mkg). Sechs Einwendungen zum immissionsschutzrechtlichen Antrag der Firma H. C. Starck zum Betrieb einer Anlage zur Herstellung von 75 Jahrestonnen mehrlagiger Kohlenstoffnanoröhrchen (Baytubes) sind beim Regierungspräsidium Freiburg fristgerecht eingegangen.

Zu den bereits bekannten Schreiben vom Verein lebenswerter Hochrhein und der Ökologischen Ärzteinitiative Hochrhein im BUND, vom Altstadtverein Laufenburg/Schweiz sowie dem BUND (Bundesgeschäftsstelle Berlin) und dem Freiburger Institut für Umweltchemie kamen noch Einwendungen von „Coordination gegen Bayer Gefahren“ aus Düsseldorf sowie eine Unterschriftenliste, die von 57 Personen unterzeichnet wurde.

Das Regierungspräsidium Freiburg wird am Mittwoch, 21. März, einen Erörterungstermin ab 10 Uhr im Laufenburger Rathaus veranstalten.

Badische Zeitung, 06. März 2012

„Derart dürftige Datenlage“

Drei Einsprüche gegen die Produktion von Kohlenstoffnanoröhrchen bei der H.C.Starck.

Zur von H.C.Starck beantragten Produktion von Kohlenstoff-Nanoröhrchen auf dem Werksgelände in Laufenburg wird es wohl einen Erörterungstermin des Regierungspräsidiums geben. Das bestätigt ein Sprecher der Behörde in Freiburg. Zum Ablauf der Einwendungsfrist gingen gestern drei Schreiben in Freiburg ein. Eine davon stammt vom Verein lebenswerter Hochrhein und der ökologischen Ärzteinitiative Hochrhein.
Anlass für die Einwendungen ist die Ankündigung der H.C.Starck, den seit 2006 laufenden Probebetrieb der Nanotubes-Produktion auf 75 Jahrestonnen auszuweiten und dafür eine immisionsrechtliche Genehmigung zu bekommen. Die winzigen Kohlenstoffröhrchen, die 5000-mal dünner als ein menschliches Haar sind, gelten unter den Werkstoffen als neue Wunderwaffe. Sie besitzen eine außerordentliche Steifigkeit, leiten Strom und machen Materialien zudem leichter.

Die Genehmigung für die anfängliche Versuchsanlage, in der seit 2006 jährlich 50 Tonnen produziert wurden, lief nach drei Jahren aus und wurde 2010 um ein weiteres Jahr verlängert. Jetzt, da aus der Versuchs- eine offizielle Produktionsanlage werden soll, muss das Genehmigungsverfahren öffentlich gemacht werden.Aus dem Laufenburger Rathaus heißt es zwar, dass wenige die Offenlage der Unterlage zur Einsicht nutzten. Barbara Dohmen vom Verein lebenswerter Hochrhein hat die gestern abgelaufene Frist jedoch genutzt und bemängelt in ihrer Einwendung eine ganze Reihe von Versäumnissen seitens des Unternehmens. So sei nicht begründet worden, „warum die Gebote der Gefahrstoffverordnung, nach denen die sogenannten Baytubes als Gefahrstoff angesehen werden müssen, nicht berücksichtigt wurden“.

Eine wissenschaftliche Bewertung der Gefahren scheitere laut Dohmen daran, dass nichts Belastbares über Größenverteilung, Länge und Durchmesser der Kohlenstoffröhrchen bekannt sei. Auch die Behauptung der H.C.Starck, bei den von ihr hergestellten Produkten C150 P und C70 P treten bei mechanischer Einwirkung keine asbestähnlichen Bruchstücke, fehlten nachvollziehbare Daten. Eine ganze Reihe weiterer fehlender Daten veranlasst Dohmen im Namen der ökologischen Ärzteinitiative zu dem Schluss: „Wir halten eine Genehmigung auf Basis einer derart dürftigen Datenlage bezüglich eines besonders besorgniserregenden Stoffes, was einerseits die Auswirkung auf Mensch und Umwelt im Normalbetrieb und andererseits eine sichere Gefahrenabwehr von Störfällen anbelangt, für unverantwortbar und beantragen eine Aussetzung der Genehmigung, bis eine wissenschaftlich fundierte Einschätzung von firmenunabhängiger Seite für Mensch und Umwelt vorliegt.“

Auch der BUND und das Freiburger Institut für Umweltchemie haben laut Barbara Dohmen Einwendungen gegen das Projekt abgegeben.

2. März 2012, Südkurier

Warnung vor Umweltgefahren

Die von der Laufenburger Firma HC Starck geplante Produktion von Kohlenstoffnanoröhrchen („Nanotubes“ oder „Baytubes“) brachte die Umweltmedizinerin Barbara Dohmen als Vertreterin des Vereins Lebenswerter Hochrhein bei der Sitzung des Murger Gemeinderates unter dem Punkt Fragen und Anregungen ins Gespräch. Sie verwies auf die schädlichen Auswirkungen auf den Organismus und die Umwelt, die mit jenen von Asbeststaub vergleichbar seien und forderte den Gemeinderat zu einer Stellungnahme auf.

„Die Zeit eilt“, sagte sie. In Kürze laufe die Einspruchsfrist ab. Bisher habe lediglich die Stadt Laufenburg/Schweiz Widerspruch erhoben.

Badische Zeitung, 21. Januar 2012

Ärzte wollen Baytubes untersuchen

Initiative und Verein gegen Produktion von H. C. Starck / 5000-mal dünner als menschliches Haar.

LAUFENBURG/MURG (mig). Die Ökologische Ärzteinitiative Hochrhein und der Verein Lebenswerter Hochrhein halten eine Genehmigung der von H. C. Starck beantragten Produktion von Kohlenstoff-Nanoröhrchen, genannt Baytubes, „angesichts einer dürftigen Einschätzungsgrundlage des Gefährdungspotenzials für Mensch und Umwelt für nicht verantwortbar“. Das erklärte Sprecherin Barbara Dohmen gestern der Presse in Hänner.

Das Regierungspräsidium Freiburg hatte 2006 die Versuchsanlage zur Produktion von 30 Jahrestonnen Baytubes genehmigt, zunächst für drei Jahre und 2010 für ein weiteres Jahr. Nun möchte Starck in Laufenburg eine Produktion von 75 Jahrestonnen. Das Unternehmen spricht von einer „rein genehmigungsrechtlichen Überführung der Versuchsanlage in eine Produktionsanlage“.

Baytubes sind winzige Röhrchen aus Kohlenstoff, die 5000-mal dünner sind als ein menschliches Haar, aber eine Länge von einem Tausendstel Millimeter erreichen können. Sie zeigen bislang völlig unerwartete neue Eigenschaften und werden in Lacken, Rotorblättern oder Sportartikeln verwendet. Verein und Ärzteinitiative haben erhebliche Zweifel an der Ungefährlichkeit der Stoffe. Sie befürchten, dass Nanopartikel tief ins Gewebe eindringen und Lungen-, Herz- und Kreislauferkrankungen auslösen könnten. Dohmen verweist auch auf einen Bericht des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie Hannover, demzufolge „bestimmte Nanotubes mit speziellen Eigenschaften beim Einatmen ähnlich krebsauslösend wie Asbestfasern sein können“. Der Verein und die Initiative fordern, bis zum Beweis der Ungefährlichkeit die Nanoröhrchen als Gefahrgut einzustufen und H.C. Starck die Genehmigung zu versagen. Die Firma Bayer, zu der Starck einst gehörte, verwies auf eine in ihrem Auftrag erstellte Studie, wonach die Baytubes „im Gegensatz zu einigen Konkurrenzprodukten keine asbestanalogen Schädigungen hervorrufen“. Dohmen vermisst eine unabhängige Prüfung und befürchtet, „dass die Interessen der Bevölkerung wieder einmal hinter die Interessen der Industrie zurückgestellt werden“.

Erklärung zu dem Vorhaben der Fa. H.C.Starck zur geplanten Produktion von Nanotubes

Am Freitag, den 13.1.2012 war in der Badische Zeitung als öffentliche Bekanntmachung zu lesen, dass die Fa. H.C.Starck GmbH in Laufenburg die Genehmigung zum Betrieb einer Anlage zur Herstellung von 75t/Jahr mehrlagiger Kohlenstoffnanoröhrchen, sogenannte Baytubes®, beantragt.
Die Herstellung dieser Nanoröhrchen in der Laufenburger Firmenanlage der H.C.Starck, der sogenannten ENAG, wird allerdings schon seit über 5 Jahren betrieben:

Die Genehmigung zum Bau und Betrieb einer Versuchsanlage in der H.C. Starck, Laufenburg zur Herstellung von mehrwandigen Kohlenstoffnanoröhrchen (Baytubes®) wurde erstmals am 18.9.2006 vom Regierungspräsidium Freiburg erteilt. Das Verfahren wurde im vereinfachten (nichtöffentlich) Verfahren durchgeführt und die Genehmigung auf 3 Jahre befristet. Anfangs wurde die Herstellung der Baytubes mit einer theoretischen Kapazität von 30t/Jahr durchgeführt, später auf eine theoretische Kapazität von insgesamt 60t/Jahr erhöht. Eine Verlängerung der Produktion wurde erneut vom RP Freiburg am 28.1.2010 bis zum 22.1.2011 erteilt. Ursprünglich war am Standort Laufenburg laut RP keine Kapazitätsausweitung geplant.

Herstellungsverfahren: Die CNTs entstehen durch Abscheidung von Kohlenstoff an einem Metalloxidkatalysatorpartikel aus gasförmigem Ethen bei erhöhten Temperaturen. Der Katalysator enthält verschiedene Metalle wie Mangan, Kobalt, Aluminium und Magnesium.“(S.6) Der Prozess wird in einem Wirbelschichtreaktor durchgeführt.

Verwendung finden die Baytubes in Lacken, Rotorblättern von Windkraftanlagen sowie in Sportartikeln.

Zu begrüßen ist, dass das RP Freiburg nun erstmals unter Öffentlichkeitsbeteiligung das Produktionsvorhaben von 75 Jahrestonnen Baytubes einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren unterzieht und damit die Möglichkeit besteht, die Antragsunterlagen einzusehen und Einwendungen zu erheben.

Nun muss der Betreiber vor einer Genehmigung darlegen:
· dass von der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen,
· welche Emissionen und Immissionen in welcher Höhe zu erwarten sind, auch durch diffuse Quellen,
· insbesondere welche Wirkungen auf Umwelt und Gesundheit der angrenzenden Bevölkerung damit verbunden sind,
· wie hoch die Belastung innerhalb der Anlage ist und
· welche Mengen dieses speziellen Feinstaubs bei einem Störfall austreten können.

Aus dem Genehmigungsschreiben des RP vom 18.9.2006, S.7 ist zu entnehmen, dass auch das Regierungspräsidium einige Fakten für bedenkenswert hält: „Das Werksgelände liegt in einem sensiblen Umfeld, da es südlich an den Rhein und nördlich an Wohn- und Mischgebiete angrenzt.“

Die Immissionsmessstation für Feinstaub in Waldshut besteht nicht mehr. „Heute unterhält das Land Baden-Würtemberg nur noch eine Immissionsmessstation in Weil am Rhein.“ (S8 ebenda).
Wie kann hier eine Gefährdung bei einer derart engen nachbarschaft zu Wohngebieten rechtzeitig und umfassend erkannt oder gar ausgeschlossen werden?

Eine weitere Vielzahl von bedenkenswerten Aspekten lässt aus der Sicht der Ökologischen Ärzteinitiative Hochrhein im BUND und des Vereins „Lebenswerter Hochrhein“ die Ungefährlichkeit dieses Produktionsvorhaben äußerst unglaubwürdig erscheinen:

Es bestehen erhebliche Mängel bei der Einschätzung der Gefährdungspotenz:

Keiner weiß, welche Risiken für die Gesundheit der Menschen und für die Umwelt von diesen künstlich hergestellten, niemals zuvor auf diesem Erdball dagewesenen Winzschläuchen bei Herstellung, Nutzen und Entsorgung ausgehen.
Erste Ergebnisse speziell zu Nanotubes, die insbesondere über Atemwege und Haut aufgenommen werden können, zeigen im Tierversuch eine potentielle Krebsentwicklung wie bei Asbest und eine Wachstumshemmung bei Algen.
Das Fraunhofer Institut für Toxikologie, Hannover, schreibt im News Report vom Oktober 2010, S.3: „Einige Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass bestimmte Nanotubes mit speziellen Eigenschaften beim Einatmen ähnlich krebsauslösend sein könnten wie Asbestfasern.“

Auch in der Antwort des Landtag Nordrhein-Westfalen auf die Kleine Anfrage der Grünen vom 23. März 2010 zum Gefahrenpotential durch die Produktion von Nanotubes ist zu lesen: „Insgesamt ist das Gefährdungspotential von Nanopartikeln noch weitgehend unbekannt.“„Eine toxikologische Bewertung der produzierten Stoffe, und damit eine Einschätzung des Gefahrenpotentials, sind dringend erforderlich.“

Tatsache ist, wie im Genehmigungsschreiben des RP betont wird: Derzeit werden die in diesem Verfahren hergestellten Baytubes nicht als Gefahrstoff oder Gefahrgut angesehen.

Müssten diese winzigen Partikel nicht bei den bisher derart dürftigen, dafür umso beunruhigenderen wissenschaftlichen Untersuchungsergebnissen zunächst bis zum möglichen Beweis des Gegenteils als Gefahrstoff geführt werden? Hier drängt sich der Verdacht auf, dass eine noch nicht geschaffene gesetzliche Vorgabe die Produktionsfreudigkeit erheblich begünstigt - zum Nachteil von Mensch und Umwelt.....

Allgemein ist von Feinstaubpartikeln bekannt, dass sie wegen ihrer unvorstellbaren Kleinheit eine hohe biologische Mobilität haben und wegen der großen Oberfläche äußerst reaktiv sind. Sind sie kleiner als 2,5 Mikrometer (und je kleiner, desto besser )-, können sie tief in die Lunge bis in die Lungenbläschen und von dort in das umliegende Lungenbindegewebe vordringen. Sie können sogar durch alle biologischen Barrieren hindurch wandern in Blut- und Lymphbahnen, selbst durch die Blut-Hirnschranke oder Plazenta oder Zellwände und Membranen bis in sensibelste Bereiche, wo sie wegen ihrer hohen Reaktionsfreudigkeit körpereigene Moleküle schädigen bis hin zu genetischen Strukturen.

Nanopartikel sind – wie man aus der epidemiologischen Feinstaubforschung weiß - in der Lage, Lungenerkrankungen wie chronische Infekte bis hin zu Lungenentzündung und Asthma auszulösen und Herz-Kreislauferkrankungen wie Thrombosen, Herzinfarkte, Lungenembolien und Schlaganfälle hervorzurufen.

Es ist nicht das erste Mal in der Menschheitsgeschichte bezüglich der Verkennung von Giftauswirkungen – man denke an Asbest, Radioaktivität, Holzschutzmittel - dass mit der Massenproduktion einer noch nicht einschätzbaren Erfindung, im Blick auf verlockenden steigenden Absatz, erste Hinweise auf bedeutsame Gesundheitsgefahren außer Acht gelassen werden und in Kauf genommen wird, dass Arbeiter und die umliegende Bevölkerung einem ungewissen Risiko ausgesetzt werden.

Selbst von behördlicher Seite wird von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA) gefordert, dass Arbeiter in der Industrie, die mit Nanotubes in ständigem Kontakt sind, besser informiert werden sollten. Denn die Sicherheitsdatenblätter sind bezüglich ihrer Aussage ungenügend und dadurch kann das Gefahrenpotential der Baytubes® von den Arbeitern vor Ort bei der Produktion nicht erkannt werden. Teilweise muss von der Fa. Bayer ganz offen zugegeben werden, dass der wissenschaftliche Erkenntnisstand vollkommen fehlt: So zu lesen beim vorliegenden Sicherheitsdatenblatt über Baytubes C 70 P, deren Korngröße nicht genannt wird, unter der Rubrik „Mögliche Gefahren“: „Achtung- noch nicht vollständig geprüfter Stoff.“ „Exposition ist zu vermeiden.“ „Toxikologische Untersuchungen am Produkt liegen nicht vor.“
Weiter unten steht unter der Rubrik: „Umweltbezogene Angaben“: „Ökotoxikologische Untersuchungen an dem Produkt liegen nicht vor. Nicht in Gewässer, Abwässer oder ins Erdreich gelangen lassen.“
Diese Aussagen stehen im krassen Widerspruch zu der Mitteilung des RP Freiburg in der Genehmigungsschrift vom 18.9.2006: „Die Anlage zur Herstellung von CNTs unterfällt der Ziffer 4.2 der Anlage zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG).“(S7)
Auch ist nicht nachvollziehbar, wie bei diesem zugegebenen dürftigen Wissensstand das RP Freiburg in der Verlängerungsgenehmigung vom 28.1.2010 die Angaben der Fa. Bayer kritiklos übernimmt: “Mehrjährige Untersuchungen der Toxikologie der in der Anlage hergestellten Carbon-Nanotubes...im Auftrag der Fa. Bayer haben ergeben, dass die Baytubes im Gegensatz zu einigen Konkurrenzprodukten keine asbestanalogen Schädigungen hervorrufen.“ Sind diese Untersuchungen einsehbar? Wo sind sie zitiert?
Kann hier von unabhängiger Wissenschaft gesprochen werden?

Neben den dem Gefährdungspotential der Nanotubes ist auch Cobalt nicht als harmlos einzuschätzen: Es gilt als allergieauslösend und potentiell karzinogen. Bei der Abluftverbrennung kann es unverändert aus dem Kamin in die Umgebungsluft austreten, auch kann es in wässrigem Milieu herausgelöst werden.

Zusammenfassend halten wir eine Produktionsgenehmigung in einem derart sensiblen Umfeld und angesichts einer derart dürftigen Einschätzungsgrundlage des Gefährdungspotentials der Baytubes für Mensch und Umwelt für nicht akzeptabel.

Verein: „Lebenswerter Hochrhein“
Ökologische Ärzteinitiative Hochrhein im BUND

i.V. Barbara Dohmen

[Marketing] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

BAYERs Marketing-Offensive

Mehr Werbung, weniger Innovation

Fast neun Milliarden Euro gab der Leverkusener Multi im letzten Jahr für Werbung, „Kundenberatung“, Pharma-ReferentInnen und sonstige Vertriebskosten aus. Und es darf noch ein bisschen mehr sein. BAYER-Chef Marijn Dekkers will den Marketing-Etat weiter erhöhen und das Geld dafür durch Arbeitsplatzvernichtung „erwirtschaften“. „Die neuen Produkte müssen schließlich auch verkauft werden“, meint er. Die Westdeutsche Zeitung fürchtet nicht zu Unrecht schon das Schlimmste. „Das riecht nach Mauscheleien zwischen Pharma-Firmen, Ärzten und Apothekern. Davon sollte Dekkers lieber die Finger lassen“, rät das Blatt.

„Meine größte Aufgabe als CEO von BAYER ist es, unsere Innovationskraft zu stärken und die Vermarktung unserer Innovationen zu verbessern“, sagte der neue Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers bei seinem ersten großen öffentlichen Auftritt im Dezember 2010. Taten sind den Worten jedoch nur teilweise gefolgt. Die Innovationskraft stärkte der Konzern-Chef nicht. Mit 3,1 Milliarden Euro bewegen sich die Forschungsausgaben 2011 nur auf demselben Niveau wie im Vorjahr. Zudem schließt Dekkers eigene Entwicklungsabteilungen und bedient sich mehr außer Haus bei Firmen, die ein Präparat liefern, das bloß noch des Feintunings bedarf. Dafür kündigte er eine drastische Erhöhung der Marketing-Aufwendungen an. „Die neuen Produkte müssen schließlich auch verkauft werden“, so lautet die Begründung.
Doch das kostet. Darum kündigte der BAYER-Boss in einem Atemzug mit der Verkaufsoffensive und einem größeren Engagement in den Schwellenländern ein 800 Millionen Euro schweres Rationalisierungsprogramm an, das an den alten Standorten 4.500 Arbeitsplätze vernichtet. Und um bereits ein wenig von dem neuen Geist zu künden, legte er sich marketing-technisch schon einmal ziemlich ins Zeug und warb mit dem Slogan „Mehr Innovation, weniger Administration“ für das Sparpaket.

Vertriebskosten: 9 Mrd.
Dabei gibt der Global Player schon jetzt mehr als genug für Werbe-Maßnahmen aus. Auf 8,8 Milliarden Euro beliefen sich die Vertriebskosten 2010 - eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 11 Prozent! Nach den Herstellungskosten nimmt dieser Posten damit den zweiten Rang unter den Ausgaben des Unternehmens ein. Für Forschung & Entwicklung und Verwaltungsaufgaben (1,6 Milliarden) wendet es bedeutend weniger auf. Unter „Vertriebskosten“ subsummiert BAYER zwar auch die physische Distribution der Güter, die Lagerhaltung sowie Provisions- und Lizenz-Zahlungen, aber das reine Marketing macht den größten Teil der Summe aus. Der Vertriebsinnen- und -außendienst, also Pharma-DrückerInnen & Co., war dem Pillen-Riesen über vier Milliarden Euro (2009: 3,75 Mrd.) wert, „Werbung und Kundenberatung“ zwei Milliarden Euro (2009: 1,86 Mrd.). „Sonstige Vertriebskosten“ schlugen mit einer Milliarde zu Buche. „Der Anstieg ist im Wesentlichen auf höhere Vertriebskosten bei HealthCare zurückzuführen“, heißt es im Geschäftsbericht, ein Viertel des Arznei-Umsatzes reinvestierte der Multi in diesen Bereich. Teuer kam ihn vor allem die Lancierung neuer Medikamente. So dürfte dann auch die bevorstehende Markteinführung von XARELTO, das der Konzern trotz nur wenig überzeugender Test-Ergebnisse auch als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe einsetzen will, einer der Hauptgründe für den nochmals aufgestockten Werbe-Etat sein.

Werbung vor Gericht
Die Ausführungen zu den Vertriebskosten nehmen in dem 628 Seiten starken Geschäftsbericht zusammengerechnet nicht einmal eine Seite ein. Darum hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den BAYER-Hauptversammlungen immer wieder nach einer genaueren Aufschlüsselung der Zahlen verlangt. Aber der Vorstand mauerte und verwies auf das Geschäftsgeheimnis. Er hatte dafür gute Gründe, denn nicht immer bewegen sich die Reklame-Aktivitäten des Arznei-Herstellers im Rahmen des gesetzlich Erlaubten. Darum kam der Westdeutschen Zeitung auch gleich bei Dekkers Bekanntgabe der Werbe-Offensive ein Verdacht: „Das riecht nach Mauscheleien zwischen Pharma-Firmen, Ärzten und Apothekern“.
Mit solchen und anderen Mauscheleien tat sich BAYER auch in den vier Jahren seit der letzten Recherche von Stichwort BAYER (siehe SWB 4/07) nur allzuoft hervor. So setzte der Konzern etwa einen bundesweiten ASPIRIN-Preis von exakt 4,97 Euro durch. Der Leverkusener Multi schloss zu diesem Behufe Verträge mit mehr als 11.000 Apotheken und gewährte ihnen einen Rabatt von drei Prozent, wenn sie die „unverbindliche Preisempfehlung“ des Global Players als verbindlich ansahen. In Tateinheit mit anderen Unternehmen gelang es ihm sogar, die Apotheker-Verbände dazu zu bewegen, diese Lösung auf die gesamte Pillen-Produktpalette auszudehnen. Aber das Bundeskartellamt deckte schließlich beide Vergehen auf und verhängte Strafen. Der ASPIRIN-Deal kostete BAYER über zehn Millionen Euro, das zweite Delikt ahndete die Behörde weniger streng: 465.000 Euro forderte sie von den Arznei-Produzenten ein.
Gegen die Reklame für den Tausendsassa mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure schritten die zuständigen Institutionen ebenfalls schon des öfteren ein. So untersagte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA BAYER 2008, eine Kombination von ASPIRIN mit dem Nahrungsergänzungsmittel Phytosterol als „best of both worlds“ zu bewerben. Nach ihrem Befund war das Ganze weniger als die Summe seiner Teile - das Phytosterol hob nämlich die Effekte der Acetylsalicylsäure auf. Und 2009 verboten staatliche Stellen in Brasilien die ASPIRIN-Kampagne „Eine Welt für weniger Schmerz“, weil sie zu einem unsachgemäßen Gebrauch des Medikamentes animierte und seine Risiken und Nebenwirkungen verharmloste.
Dies tat auch ein TV-Spot von 2008, der das Kontrazeptivum YAZ aus der YASMIN-Produktfamilie anpries. Er stellte positive Nebenwirkungen der Pille auf Akne und das prämenstruelle Syndrom heraus, die es nicht gab, und vergaß darüber die weniger positiven Nebenwirkungen zu erwähnen, die es tatsächlich gab. „Das ist besonders besorgniserregend, weil einige dieser Risiken erheblich, sogar lebensbedrohlich sind“, urteilte die FDA im Wissen um damals fast 100 Todesfälle allein in den USA. Der Pharma-Riese musste deshalb für 20 Millionen Dollar eine Gegendarstellung in eigener Sache produzieren. Eine Lehre war ihm das jedoch nicht. Schon bald darauf schritt die Behörde wegen eines gesponserten Links zu einer verharmlosenden YAZ-Werbung wieder ein. Und in diesem Jahr sah das Selbstkontroll-Organ der britischen Pharma-Industrie, die „Prescription Medicines Code of Practice Authority“ (PMCPA), Handlungsbedarf: BAYER hatte in dem Land YASMIN als Mittel mit dem Zusatznutzen „gegen Akne“ und „gegen Wassereinlagerungen“ beworben, um dann im Kleingedruckten „Akne“ und „Wassereinlagerungen“ als mögliche Nebenwirkungen aufzuführen. Als „hochgradig unethisch“ empfand das die PMCPA und wies den Global Player zurecht.

Marketing-Maßnahmen für die Hormonspirale MIRENA und das Potenzmittel LEVITRA beanstandeten die Aufsichtsbehörden ebenfalls bereits. So richtig teuer wurde aber nur eine irreführende Werbung für das Vitamin-Präparat ONE-A-DAY. 3,3 Millionen Dollar kostete es den Leverkusener Multi, das Mittel zur Prostatakrebs-Vorbeugung zu empfehlen, obwohl es das Risiko für diese Krankheit erhöht

World Wide Werbung
Als neuen Tummelplatz für Marketing-Aktivitäten hat BAYER seit einiger Zeit das Internet entdeckt; immer mehr Geld fließt in diesen Bereich. Und auch im World Wide Web ist das Unternehmen schon unangenehm aufgefallen. So intervenierte die US-Gesundheitsbehörde nicht nur wegen eines gesponserten Links zu einer YAZ-Website, welche die Gefahren des Mittels verschwieg (s.o.), sondern auch wegen eines solchen zu einer MIRENA- und zu einer LEVITRA-Seite. Die PMCPA hingegen rügte den Multi dafür, die Kommunikationsplattform Twitter dafür genutzt zu haben, verbotenerweise für verschreibungspflichtige Arzneien wie LEVITRA und die Multiple-Sklerose-Arznei SATIVEX zu werben. Und das „Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz“ strengte auf Initiative der BUKO PHARMA-KAMPAGNE hin ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Pillen-Produzenten wegen unsachgemäß informierender Web-Auftritte der Verhütungsmittel VALETTE und PETIBELLE an. Die Behörde stellte es jedoch wieder ein.
Dabei hat schon die pure Existenz dieser Internet-Plattformen ein Geschmäckle - zumindest in der Bundesrepublik. Hierzulande verbietet das Gesetz es nämlich, für verschreibungspflichtige Arzneien offensiv Verkaufsförderung zu betreiben. Deshalb tarnen sich die Kontrazeptiva-Seiten auch als Informationsangebote und versprechen etwa „Alles über die Pille und mehr“. Sie vermeiden es tunlichst, sich nach den Verhütungsmitteln zu benennen und heißen unverfänglich einfach www.pille.com oder ähnlich, haben jedoch trotz aller Ratgeber-Anmutung nur den einen Zweck: den Absatz von YASMIN & Co. zu erhöhen.
Für BAYERs Potenz-Pille LEVITRA erfüllt LoveGent, das „Emag für den Gentleman 2.0“, diesen Zweck. Es kommt als Männermagazin daher, bietet einschlägige Artikel zu den Themen „Die schnelle Nummer“, „Männerspielzeug“ oder „Prostitution“ nebst „Experten“-Rat von Prof. Dr. Frank Sommer. Der Produktname fällt nie. Es ist nur allgemein von Potenzmitteln die Rede, selbstverständlich unter Ausklammerung ihrer Nebenwirkungen wie Hör- und Sehschäden oder temporärer Gedächtnisverlust, und bloß im Kleingedruckten findet sich ein Hinweis auf die BAYER-Tochter JENAPHARM als Urheberin der Seite.
Dafür verweist ein Link auf www.testosteron.de, eine sich ähnlich tarnende Website des Pharma-Riesen. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Testosteronmangel als Krankheit für ein in die Jahre kommendes starkes Geschlecht zu etablieren und im gleichen Atemzug die entsprechenden Pillen an den Mann zu bringen. „Dabei ist weder belegt, ob Testosteron gegen die Beschwerden hilft, noch sind die Langzeit-Risiken einer Testosteron-Behandlung geklärt“, kritisiert der BUKO das Portal.
Auch in anderen Ländern ist die direkte Arzneimittel-Werbung verboten, aber auch dort findet der Pillen-Mogul „kreative Lösungen“. In Indien etwa, wo der Staat nur Aufklärungskampagnen zulässt, klärt der Konzern zum Weltverhütungstag mit zwei Aufklärerinnen auf, die just so heißen wie seine Verhütungsmittel. „Ganz subtiles Product Placement“ nennt das der BUKO in seiner Broschüre „Um jeden Preis“.

Graubereiche
Aber Graubereiche des Marketings erschließt sich das Unternehmen nicht nur im Internet. Auch in der realen Welt operiert es gerne in diesem Bereich. So engagiert BAYER MedizinerInnen für so genannte Beobachtungsstudien, etwa mit dem Multiple-Sklerose-Präparat BETAFERON. Die ÄrztInnen entlocken ihren PatientInnen ein paar Angaben zur Verträglichkeit des Medikamentes und füllen einen kleinen Fragebogen aus. Einen wissenschaftlichen Wert hat das Ganze nicht - nur einen betriebswirtschaftlichen. In Wirklichkeit dienen die Anwendungsuntersuchungen nämlich nur dazu, die Kranken auf die neue Arznei einzustellen. Dafür erhalten die DoktorInnen dann bis zu 1.000 Euro - „Fangprämien“ hat sie ein ehemaliger Krankenkassen-Chef deshalb auch genannt.
Und die zahlreichen Pharma-ReferentInnen, welche die Praxen heimsuchen, bringen ebenfalls immer etwas mit. Einer der DrückerInnen der Firma GERMAN REMEDIES, die in Indien für BAYER, BOEHRINGER und andere Hersteller Arzttermine wahrnimmt, plaudert gegenüber dem BUKO ganz offen über das Investitionsmodell. „Als Faustregel gilt: Ein Arzt muss uns zehnmal so viel einbringen, wie wir in ihn investieren. Wir stecken pro Jahr oft fünf Millionen Rupies (ca. 75.000 Euro, Anm. SWB) in einen Arzt oder eine Ärztin, und jetzt können Sie sich ausrechnen, wie viel wir an ihm oder ihr verdienen“, so der Außendienstler.
Darüber hinaus hält sich der Leverkusener Multi die MedizinerInnen-Schar durch die finanzielle Unterstützung ihrer Kongresse und medizinischen Fachgesellschaften gewogen. Zudem bietet er für sie Fortbildungsveranstaltungen an, deren Erkenntniswert sich umgekehrt proportional zu ihrem Freizeitwert verhält. So lud der Konzern 2009 etwa 700 FrauenärztInnen ins Berliner Hotel Andel‘s zu den „GynSights“ ein, um die DoktorInnen über das Neueste in der Kontrazeptiva-Produktpalette - das Verhütungsmittel QLAIRA - zu unterrichten und ihnen die Stadt zu zeigen. Auch um die geistige Entwicklung von JournalistInnen kümmert sich der Global Player. Für die MedienarbeiterInnen hält er - selbstverständlich kostenlose - Seminare bereit, in denen sie lernen können, was BAYER so unter angemessener Berichterstattung versteht. Und wer das schon gut beherrscht, der darf auf einen der zahlreichen Preise hoffen, mit denen das Unternehmen die publizistische Landschaft pflegt.
Ebenso fragwürdig erscheint das Sponsoring von Selbsthilfegruppen und PatientInnen-Organisationen. Über 200.000 Euro verteilt der Leverkusener Multi allein an die bundesrepublikanischen Verbände. Aber natürlich nicht an alle. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen, die der Konzern mit entsprechenden Medikamenten beglücken kann: Diabetes-, Krebs-, Bluter- und Multiple-Sklerose-Vereinigungen. Und das ist gut angelegtes Geld: „Wenn Firmen zehn Prozent mehr in Selbsthilfegruppen investieren, wächst ihr Umsatz um ein Prozent im Jahr“, hat der als Gesundheitsökonom an der Universität Bremen lehrende Gerd Glaeske einmal errechnet. International greift der Pharma-Riese noch tiefer in die Tasche. So bedachte er die Blutergesellschaften rund um den Globus 2010 mit über fünf Millionen Euro. Aber diese PR-Maßnahme ist auch bitter nötig. In den 1990er Jahren starben nämlich Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Pillen-Herstellers, weil er sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner sterilisierenden Hitze-Behandlung unterzogen hatte.

Für alle diese Aktivitäten haben die rund 4.000 im Marketing beschäftigten Angestellten der Gesundheitssparte bald noch mehr Ressourcen zur Verfügung. In der Abteilung für freiverkäufliche - und deshalb - frei bewerbbare - Medikamente ist das Ganze seit Kurzem auch Chefsache. Mit Erica Mann leitet „Consumer Care“ nämlich zum ersten Mal jemand, der über ein Diplom in Marketing-Management als Qualifikation verfügt. Während Mann und ihrer Mannschaft alle Reklame-Wege offenstehen, müssen sich die KollegInnen aus dem Bereich der rezeptpflichtigen Arzneien noch mit allerlei Restriktionen herumschlagen. Darum setzt sich BAYER auch vehement für eine Ausweitung der Marketing-Zone ein. Unter massivem Lobby-Einsatz versucht der Konzern in Tateinheit mit der gesamten Branche seit geraumer Zeit, das EU-weite Werbe-Verbot zu kippen, um unter dem Siegel der „PatientInnen-Information“ mit seinem Milliarden-Etat noch ein wenig mehr Marketing betreiben zu können. Von Jan Pehrke

[Jata] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

Volles Haus bei CBG-Jahrestagung

Die Gentech-Seilschaften

So viele BesucherInnen hatte eine Jahrestagung der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) noch nie: Über 60 Interessierte lockte das Thema „Gentech-Mafia - Die Seilschaften von Bayer, Monsanto & Co.“ ins Düsseldorfer Umweltzentrum. Und der erste Referent Jörg Bergstedt, der gerade eine 6-monatige Haftstrafe wegen einer Feldbefreiung verbüßt hatte, hielt sich auch gar nicht groß dabei auf, hochwissenschaftlich Kritikpunkte zur Risikotechnologie zusammenzutragen oder gar Chancen und Risiken gegeneinander abzuwiegen. Der Öko-Aktivist von der Projektwerkstatt Saasen ließ einfach die Befürworter für sich sprechen. „Die Möglichkeiten, eine Pflanze durch gentechnische Veränderungen zu verbessern, sind gering“, zitierte er aus Unterlagen der Firma Monsanto. Gleich eine Reihe von Ursachen zählt die Firma für diesen Umstand auf. „So lassen sich die Effekte eines spezifischen Gens auf das Wachstum der Pflanze (...) nicht genau vorhersagen. Dazu kommt die geringe Erfolgsrate bei der gentechnischen Manipulation, der Mangel an präziser Kontrolle über das Gen (...) und andere ungewollte Effekte“. Und der Gentech-Multifunktionär Ernst-Ludwig Winnacker, unter anderem BAYER-Aufsichtsrat, glaubt ebenso wenig an eine Beherrschbarkeit der Labor-Früchte: „Absurd sind auch die Abstandsregelungen für Versuchsfelder etwa von MON810, denn der Maispollen fliegt kilometerweit“.

Da blieben dann keine Fragen mehr offen. Deshalb beließ es Bergstedt dabei, das absurde Theater eines sich selbst genügenden Systems zu beschreiben, das sich pro forma in die Bereiche Wirtschaft, Wissenschaft, Aufsichtsbehörden und Lobby-Organisationen aufspaltet, um wider besseren Wissens und nur finanziellen Interessen folgend die Gentechnik zu promovieren. So geht eine Wissenschaftlerin wie Inge Broer („Im Moment ist es hauptsächlich Forschung in der Gentechnik, weil es dafür Geld gibt“) dahin und gründet eine Handvoll Firmen (alle mit ein- und derselben Post-Adresse), bindet in eine von ihnen sogar die staatliche Zulassungsbehörde, das Julius-Kühn-Institut, ein, mit dem es wiederum auch gemeinsam „Anbau-Begleitung“ betreibt und meldet überdies in Tateinheit mit BAYER fleißig Proteine und gentechnische Verfahren zum Patent an.

Der Leverkusener Multi verkauft seinen Einsatz für die „grüne Gentechnik“ gerne als Engagement gegen den Welthunger, aber diese Illusion konnte Philipp Mimkes von der CBG schnell zerstören: Der Konzern hat keine einzige dürre-resistente oder sich sonstwie besonders für Armutsregionen eignende Ackerfrucht im Angebot. Mit Soja und Mais geht zudem ein Gutteil seiner Produktpalette in die Produktion von Futtermitteln für die Fleischindustrie. Als reine Rationalisierungstechnologie, welche die arbeitsintensive, aber Schadinsekten im Zaum haltende Fruchtfolgen-Wirtschaft durch vermehrten Gifteinsatz ersetzt, bezeichnete Mimkes das Pflanzen-Tuning daher. Dem Agro-Riesen dient es hauptsächlich dazu, den Absatz seiner Pestizide zu befördern, denn so verschieden die Labor-Kreationen anmuten mögen, sie basieren alle auf einer Technologie. Raps, Soja, Reis oder Mais made by Bayer weist immer eine Immunität gegen das Unkrautmittel Liberty auf und wird deshalb stets im Kombipack mit der Agro-Chemikalie vermarktet. Daran hat sich mittlerweile die auf den Feldern unerwünschte Vegetation ebenso gewöhnt wie an entsprechende Substanzen von Monsanto & Co., weshalb die Hersteller in ihrer Not schon zur Co-Produktion von Pflanzen mit multiplen Resistenzen übergehen müssen, berichtete der Geschäftsführer der CBG.

Auch sonst läuft es nach Mimkes‘ Einschätzung nicht eben rund für den Multi. In diesem Jahr war er gezwungen, US-FarmerInnen im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs 750 Millionen Dollar Entschädigung zu zahlen. Die LandwirtInnen hatten BAYER verklagt, weil 2006 nicht zugelassener Liberty-Reis weltweit in normalen Supermarkt-Packungen auftauchte, zahlreiche Staaten daraufhin ein Import-Verbot für Reis aus den USA erließen und die Bauern und Bäuerinnen deshalb fast auf ihrer gesamten Ernte sitzen blieben. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte schon vor diesem bislang größten Gen-GAU der Geschichte auf das Auskreuzungsrisiko hingewiesen und in ihrer Kampagne gegen den „LL601“-Reis zudem vor einer Zerstörung der Artenvielfalt und der kleinbäuerlichen Strukturen in den klassischen Anbau-Ländern gewarnt. Darum unterstützte die CBG die FarmerInnen auch in ihrer Auseinandersetzung mit dem Gen-Giganten, hielt Kontakt mit den AnwältInnen und setzte das Thema auf die Agenda der BAYER-Hauptversammlung.

So gestand Philipp Mimkes am Ende seines Vortrags zwar zu, dass BAYER & Co. mit ihren Seilschaften eine große Macht im Lande darstellen, billigte den Gegenkräften aber durchaus Chancen zu. „Erfolge sind also möglich“, resümierte er und schrieb es vor allem den Aktivitäten der Gentech-GegnerInnen zu, Europas Äcker bislang weitgehend vor den Produkten von BAYER & Co. bewahrt zu haben.

Ob jedoch die CBG mit ihrem Einsatz weiterhin zu diesen Erfolgen beitragen kann, steht derzeit in Frage. Das Netzwerk ist nämlich in argen Geld-Nöten. CBG-Vorstandsmitglied Axel Köhler-Schnura gab als letzter Vortragender einen Überblick über den Stand der Dinge. Er erklärte die eigentlich immer schon prekäre Lage vor allem mit dem besonderen Charakter der Coordination als einer explizit gegen die Konzern-Macht gerichteten Initiative. Dies setze sie einem immerwährenden Druck aus und schneide sie von öffentlicher Förderung ebenso ab wie von Unterstützung durch die meisten Stiftungen oder kirchlichen Einrichtungen, führte der Diplom-Kaufmann aus. Von Beginn an hat BAYER Köhler-Schnura zufolge versucht, die Finanzierung der Initiative zu erschweren. So intervenierte der Multi bei den Finanzbehörden, um einen Eintrag der CBG als gemeinnütziger Verein zu verhindern und zog die Konzern-KritikerInnen überdies in Unsummen kostende Gerichtsverfahren.

Als Ursache für die aktuelle Krise benannte der Diplom-Kaufmann das durch das Verarmungsprogramm der Bundesregierung zurückgehende Spendenaufkommen bei gleichzeitigen Kostensteigerungen. Aber er konnte auch schon Hoffnungsvolles über die im Frühjahr angelaufene Rettungskampagne berichten. Sie hat bereits geholfen, über 50 Prozent des Haushaltslochs zu decken. „Dass zeigt, dass sehr viel Solidarität da ist“, gab sich Köhler-Schnura optimistisch. Der ehemalige BAYER-Manager, welcher der CBG schrieb: „Ich freue mich zu sehen, dass ihr Verein offensichtlich aus dem letzten Loch pfeift und bald Schluss ist mit Hetze, Hass-Ideologien, Falschinformationen und Geschäft mit German Angst“, könnte sich also zu früh gefreut haben.

Es bestehen viele Möglichkeiten, der Coordination gegen Bayer-Gefahren beizustehen: durch eine Fördermitgliedschaft, eine einmalige Spende oder eine dauerhafte Unterstützung als Garant. Nähere Informationen unter www.CBGnetwork.org. Von Jan Pehrke (CBG)