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Beitrag veröffentlicht im Juli 2025

Die CBG bei „Wir haben Agrarindustrie satt“

CBG Redaktion

Protest gegen BAYER & Co.

Auch in diesem Januar zog es die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wieder nach Berlin, um gemeinsam mit VertreterInnen der bäuerlichen Landwirtschaft, Umwelt-Initiativen sowie VerbraucherInnen-Verbänden auf die Straße zu gehen und eine Agrar-Wende zu fordern. Sie selbst legte dabei den Schwerpunkt auf die gesundheitlichen Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden im Allgemeinen und Parkinson im Besonderen.

Von Jan Pehrke

„Wer profitiert hier eigentlich?“ – unter dieser Leitfrage standen die diesjährigen „Wir haben Agrarindustrie satt“-Proteste in Berlin. Die LandwirtInnen sind es nicht, denn sie sind die schwächsten Glieder der Nahrungsmittel-Lieferkette und erhalten für ihre Erzeugnisse keine fairen Preise. Und die VerbraucherInnen sind es auch nicht. Für gesunde Ernährung steht die in den Supermärkten erhältliche Massenware aus deutschen und anderen Landen nämlich nicht gerade. Die Kühe, Rinder, Schweine und Hühner, die ihr kurzes Leben in der Massentierhaltung fristen, zählen schon gar nicht dazu. Und für die Umwelt stellt das gegenwärtige agro-industrielle Modell ebenfalls eine große Belastung dar. Sie ächzt unter den Pestizid-Rückständen, Düngemittel-Einträgen und den Kohlendioxid-Emissionen der Landwirtschaft.

Aber es profitieren dennoch so einige, und die wurden entlang der Demonstrationsroute dann auch aufgespürt. So postierte sich die CHRISTLICHE INITIATIVE ROMERO mit dem Transparent „Wer profitiert von steigenden Lebensmittel-Preisen?“ vor einer ALDI-Filiale. Die Antwort auf „Wer profitiert von industrieller Landwirtschaft?“ hielt der Jugendblock mit seinem Standort beim „Deutschen Bauernverband“ parat. Und auch zur Klärung der Fragen nach den Profiteuren von verfehlter Agrar-Politik, von Ackerland in Investoren-Hand, von Tierfabriken und gepanschtem Honig fanden sich an dem Tag die richtigen Adressen.

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) erwartete die Demonstrierenden in der Nähe des „Verbandes der Chemischen Industrie“ und des „Industrieverbandes Agrar“, denn sie fragte auf ihrem Banner „Wer profitiert vom Handel mit gesundheitsschädlichen Pestiziden?“. Auf einem weiteren Transparent wurde die Coordination konkreter. „Parkinson für die Bauern – Profite für BAYER & Co.“ stand darauf zu lesen. 

Das erregte die Aufmerksamkeit einer Frau. Sie berichtete von einem Fall in ihrer Familie. Ihr Vater, ein Bauer, ist betroffen. Immer wieder habe sie ihn vor den Agro-Chemikalien gewarnt, klagte sie. Durch das CBG-Banner fühlte sie sich jetzt bestätigt und machte ein Foto davon, um es dem Vater zu zeigen.

Er teilt sein Schicksal mit Tausenden seiner KollegInnen. Nicht umsonst wurde Parkinson deshalb im letzten Jahr – endlich – als Berufskrankheit bei LandwirtInnen anerkannt. Die damit verbundenen finanziellen Lasten tragen allerdings allein die Bauern und Bäuerinnen: Ihre Berufsgenossenschaft hat die Beiträge um satte 20 Prozent erhöht. Die Agro-Riesen hingegen bleiben ungeschoren. Die Coordination forderte darum in Berlin, dem Verursacher-Prinzip Geltung zu verschaffen und die Konzerne zur Kasse zu bitten.

Der Workshop

Auf ihre Anregung hin widmete sich auch das Begleitprogramm von „Wir haben Agrarindustrie satt“ dem Thema. Nach der Demo fand bei der Heinrich-Böll-Stiftung ein Workshop zu „Parkinson als Berufskrankheit von LandwirtInnen“ statt. Der Toxikologe Peter Clausing vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) gab einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand und zitierte eine Studie, die 53 von 288 untersuchten Pestiziden bescheinigte, Parkinson auslösen zu können. Bei den Zulassungsverfahren spiele das allerdings keine Rolle, kritisierte Clausing.  BAYER & Co. müssten keine neurotoxikologischen Studien vorlegen. Die EU verbucht das in den Genehmigungsbescheiden einfach als „Daten-Lücke“. Wie der Autor dieses Artikels in seinem Beitrag berichtete, hatten im Fall von Glyphosat WissenschaftlerInnen in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet eindringlich an die EU appelliert, das Herbizid wegen der von ihm ausgehenden Parkinson-Gefahr aus dem Verkehr zu ziehen, allerdings vergeblich. Dabei ist diese „Nebenwirkung“ ihm zufolge bereits seit Langem bekannt. Die CBG berichtete erstmals 1999 über entsprechende Veröffentlichungen. Pehrke bezeichnete es deshalb als Skandal, dass BAYER & Co. den Tatbestand immer noch leugnen. Sie schwadronieren stattdessen von einem komplexen und in der Medizin angeblich noch nicht vollständig geklärten Krankheitsgeschehen und wollen höchstens Korrelationen nicht aber Kausalbezüge erkennen, so der CBGler.

Jörg Heinel von der IG BAU, die rund 800.000 abhängig Beschäftigte aus den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gartenbau und Floristik vertritt, sprach von bisher 3.100 Fällen unter LandwirtInnen und LandarbeiterInnen. Die Anerkennungsquote liegt laut Heinel bei – ungewöhnlich hohen – 90 Prozent. Allerdings können SaisonarbeiterInnen keine Anträge stellen, obwohl gerade sie viel mit Pestiziden umgehen – die Berufskrankheitsregelung gilt nämlich nur für „qualifizierte“ Kräfte. Auf 27.000 Euro pro Betroffenem bezifferte der Gewerkschaftler, der auch dem Vorstand der „Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau“ (SVLFG) angehört, die Behandlungskosten. Die Gesamt-Summe setzte ein SVLFG-Kollege von Heinel auf unglaubliche 270 Millionen Euro an.

Da stellt sich natürlich die Frage nach der Beteiligung von BAYER & Co. von selbst. Der Workshop diskutierte hier etwa die Möglichkeit der Einführung einer Pestizid-Steuer, die es in Dänemark schon gibt. Vom Klage-Weg riet der Vertreter der SVLFG nach schlechten Erfahrungen eher ab. Auch wenn er wie alle TeilnehmerInnen die Anerkennung von „Parkinson“ als Berufkrankheit bei LandwirtInnen begrüßte, sah er noch viele Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung: „Die Schlacht ist noch lange nicht geschlagen.“

Wertschöpfung & -schätzung

Auch mit der auf der Demonstration aufgeworfenen – und vor den Toren von ALDI beantworteten – Frage „Wer profitiert von steigenden Lebensmittel-Preisen?“ beschäftigten sich Veranstaltungen im Begleitprogramm vertiefend. Sie vermaßen das Spannungsfeld zwischen Wertschöpfung und Wertschätzung und suchten nach Möglichkeiten, beides zusammenbringen. „Faire Erzeuger-Preise“ lautete hier das Stichwort. Bei dem Preis-Anstieg im Lebensmittel-Sektor, den Lisa Völkel vom „Bundesverband der Verbraucherzentralen“ auf über 34 Prozent seit 2020 taxierte, sollte das doch eigentlich drin sein, mag mensch meinen. Aber weit gefehlt, das Geld stecken sich andere ein. 

Das, was Molkereien und Lebensmittel-Ketten zahlen, decke noch nicht einmal seine Produktionskosten, klagte der Milchbauer Elmar Hannen vom „Bundesverband Deutscher Milchviehhalter“ auf dem Podium. Er müsse sogar in Vorleistung treten und seine ganze Milch bei einer Molkerei abliefern, ohne den Preis zu erfahren. Gezahlt wird erst nachher – nach Kassenlage. Die Oligopole in der nachgelagerten Lieferkette – es gibt nur noch acht große Molkereien und mit ALDI, LIDL, EDEKA und REWE vier große Lebensmittelhändler – spielen da ihre ganze Macht aus.

Etwas ins Wanken geriet diese nach den vorletzten Bauernprotesten, die im Herbst 2019 stattfanden. Die Molkereien und Lebensmittel-Konzerne mussten sich bewegen und boten den LandwirtInnen Gespräche an. Der Agrar-Dialog Milch verlief jedoch im Sande. Der „Deutsche Bauernverband“ nahm erst gar nicht teil. Die dort organisierten Großbauern und -bäuerinnen haben kein gesondertes Interesse an fairen Preisen und Wertschätzung. Sie können gut damit leben, dass die Subventionen aus Brüssel das Geld zuschießen, das von ALDI & Co. nicht kommt. Zudem fürchten die Milchbarone, durch faire Preise ihre Konkurrenzfähigkeit auf den Weltmärkten zu verlieren. Aber nicht nur deshalb kam der Dialog nicht voran. Er war gezwungen, im Ungefähren zu verharren, denn Zahlen durften nicht auf den Tisch. Die hätten nämlich einen Verdacht auf Preisabsprachen geweckt und das Kartellamt auf den Plan gerufen. Darum gingen die Milchbauern und -bäuerinnen in Verhandlungen mit nur jeweils einer Molkerei und einem Lebensmittel-Konzern, Naarmann und REWE. Und dabei kam auch etwas heraus: die von der REWE-Tochter PENNY bei der Markteinführung zu 1,29 Euro angebotene „faire Milch“. In ihre Kalkulationskosten flossen Posten wie Tierwohl-Maßnahmen, Verzicht auf Gentech-Futter, Förderung von Familienbetrieben und eine langjährige, Planungssicherheit gewährende Vertragsdauer ein. Das kann jedoch nicht die Lösung sein, auch wenn es jetzt schon mehr solcher Drei-Parteien-Verträge, z. B. für Fleisch, gibt. Nicht zuletzt, weil auch diese Waren sich am Markt bewähren oder zumindest einen PR-Mehrwert abwerfen müssen. Von Letzterem konnte die REWE-Vertreterin auf dem Podium, die für „Public Affairs“ zuständige Managerin Emilie Bourgoin, an dem Tag schon so einiges einfahren.

Scholz blockt

Schon weiter geht da der Vorschlag der EU-Kommission, Molkereien nach Artikel 148 der Gemeinsamen Markt-Organisation zu Verträgen mit den LandwirtInnen zu verpflichten, die Vereinbarungen über den Preis der Milch, die Liefermenge und die Qualität enthalten. Im Januar 2025 forderten die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, der Bund deutscher Milchviehhalter, der BUND und zahlreiche andere Verbände Bundeskanzler Olaf Scholz in einem offenen Brief auf, sich bei Sitzung des Europäischen Agrarrates Ende des Monats dafür einzusetzen und „von extremen Bedenken und Zurückhaltung geprägte Positionierung“ zu dieser Frage aufzugeben. Das tat Scholz jedoch nicht. Er wirkte hingegen tatkräftig daran mit, den Vorschlag auf die lange Bank einer EU-internen Folgeabschätzung zu schieben. Rückendeckung erhielt der Sozialdemokrat dafür vom Bundesrat. Die Länderkammer forderte die Bundesregierung auf, in Brüssel gegen das Vorhaben zu stimmen.

Auch zu einer Lösung auf nationaler Ebene und einer entsprechenden Änderung der „Verordnung zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich“ kam es nicht, obwohl Landwirtschaftsminister Cem Özdemir dafür eintrat. 

Lisa Völkel plädierte überdies für die Einrichtung einer Preisbeobachtungsstelle, um herauszufinden, bei welchen Gliedern der Lieferkette das Geld hängenbleibt. Martin Häusling, Öko-Bauer und agrar-politischer Sprecher im EU-Parlament, hielt das nicht für nötig. Nach seinem Dafürhalten reichen da Alltagsbeobachtungen völlig aus. So riet er, sich einmal die Liste der reichsten Deutschen anzuschauen. Darunter wären nämlich viele, die in der Lebensmittelbranche zu ihren Millionen gekommen wären wie etwa die ALDI-Brüder oder der LIDL-Gründer. 

Das Webportal agrarheute zählt unter Berufung auf das Manager Magazin dazu noch die Familien Oetker, Claas (Landmaschinen) und Haub (ehemalige Besitzer von NETTO, PLUS und KAISER), den Molkerei-Besitzer Theo Müller und den Fleisch-Produzenten Tönnies auf. Fazit von agrarheute: „An der Landwirtschaft ist mehr zu verdienen als in der Landwirtschaft“. 

Und das trifft natürlich auch auf BAYER, BASF & Co. zu. Darum liegt hier der Ansatzpunkt, um eine Situation zu ändern, in der die Lebensmittel-Produzenten nicht kostendeckend arbeiten und die Lebensmittel-KonsumentInnen sich immer mehr Produkte kaum noch leisten können. Völkel verwies auf eine Umfrage der Verbraucherzentralen, wonach sich 29 Prozent der Befragten in anderen Bereichen einschränken, um genug Geld für ihre Ernährung zu haben.

Kritik an BAYER & Co.

Global gesehen stellt sich die Lage noch prekärer dar, wie Morgan Ody vom internationalen Agrar-Bündnis LA VIA CAMPESINA auf der Auftakt-Kundgebung anprangerte: „733 Millionen Menschen leiden weltweit an Hunger, während die Profite der multinationalen Unternehmen der Agrarindustrie in die Höhe gehen.“ Auch Quammar Abbas vom PAKISTAN KISSAN RABITA COMMITTEE kritisierte das Treiben von Big Agro. „In Pakistan und im gesamten globalen Süden erleben wir aus erster Hand das systematische Vordringen von Konzern-Interessen in die Landwirtschaft. Deutsche Unternehmen wie BAYER und BASF sind dabei führend. Sie setzen auf gentechnisch veränderte Organismen, Hybridsaatgut und Agrochemikalien und kriminalisieren die jahrhundertealten Traditionen des Schützens und Tauschens von Saatgut!“, so Abbas.

Eine Agrar-Wende – und zwar weltweit – ist also dringender denn je. Aber die Entwicklung geht in die andere Richtung. In Europa etwa haben die Proteste der LandwirtInnen im Wesentlichen nur dazu geführt, alte Umweltauflagen aufzuweichen und neue gar nicht erst in Kraft treten zu lassen. Andere Forderungen, die das vorherrschende Produktionssystem in Frage stellen wie die nach einem Ende der Bodenspekulation oder nach einer Stärkung der kleineren Höfe gegenüber den Agrar-Fabriken, blieben unerfüllt. 

Umso wichtiger war es, in Berlin den Protest gegen dieses Rollback zum Ausdruck zu bringen und zu demonstrieren, wie viele Menschen das gegenwärtige, Mensch, Tier und Natur schädigende agro-industrielle Modell ablehnen. ⎜

Glyphosat-Entschädigungsprozess in Frankreich

CBG Redaktion

Théo Grataloup vs. BAYER

Presse-Information vom 29.07.25

Am Donnerstag dieser Woche verkündet ein französisches Gericht das Urteil in einem Glyphosat-Entschädigungsprozess gegen den BAYER-Konzern. Die RichterInnen des „Tribunal judiciaire de Vienne“ entscheiden darüber, ob die schwerwiegenden Gesundheitsschäden des 17-jährigen Théo Grataloup auf das Herbizid zurückgehen.

„In diesem Kampf geht es nicht nur um mich“, erklärt der Jugendliche. „Ich repräsentiere alle Menschen mit Fehlbildungen“, sagt er und hofft, dass ein Urteil zu seinen Gunsten einen Präzedenz-Fall schafft und anderen Betroffenen schneller zu ihrem Recht verhilft. 

Théo Grataloup kam mit zahlreichen Anomalien zur Welt. So war etwa seine Speiseröhre mit der Luftröhre verwachsen. Auch der Kehlkopf wies Deformationen auf; Stimmbänder fehlten ganz. Bis heute musste er über 50 Operationen über sich ergehen lassen.

Unterstützung erhält die Familie Grataloup vom französischen Fonds für die Geschädigten von Pestiziden. 

Der „fonds d’indemnisation des victimes de pesticides“, der sich unter anderem aus Abgaben der Hersteller finanziert, erkannte Glyphosat als Ursache der Leiden von Théo Grataloup an und zahlt monatlich eine Entschädigung von 1.000 Euro. 

Der Leverkusener Multi hingegen streitet den Tatbestand ab. Es gebe „keinen kausalen Zusammenhang“ zwischen Glyphosat und den Gebrechen des jungen Franzosen, behauptete der BAYER-Anwalt Jean-Daniel Bretzner in dem Verfahren. Fruchtschädigende Effekte des Pestizids stritt er schlicht ab, obwohl die Agrochemikalie Studien zufolge für einen Retinsäure-Überschuss sorgt, was die Embryonal-Entwicklung erwiesenermaßen negativ beeinflusst.

„‚Es gibt keinen kausalen Zusammenhang‘ – mit diesem Textbaustein operiert der BAYER-Konzern stets, wenn seine Pharma- oder Agrarprodukte im Mittelpunkt von Klagen stehen. Niemals räumt er irgendwelche Risiken und Nebenwirkungen ein. Es bleibt nur zu hoffen, dass das Gericht am Donnerstag der Wahrheit zu ihrem Recht verhilft“, so Brigitte Hincha-Weisel vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG).

Immer neue Giftfrachten der Chemie-Industrie

CBG Redaktion

Erhöhte PFAS- und Pestizidwerte im Rhein

Presse-Information vom 14.07.25

Nach Recherchen des BUND gelangen vom Leverkusener Chem„park“ aus große Mengen an Pestiziden und PFAS-Substanzen in den Rhein. Die PFAS-Rückstände überschritten den Orientierungswert zeitweise um das 50-Fache. Auch die Konzentrationen der Ackergifte Prothioconazol, Imidacloprid und Cyproconazol erreichten bedenkliche Höhen. Bei Imidacloprid und Cyproconazol handelt es sich noch dazu um Stoffe, denen die EU wegen ihres Gefährdungspotenzials die Genehmigung entzogen hat.

„Seit mehr als 150 Jahren benutzt die Chemie-Industrie den Rhein nun schon als das, was sie Anfang des 20. Jahrhunderts einmal „Opferstrecke“ genannt hat. Und die staatlichen Stellen haben dem offenbar wenig entgegenzusetzen“, kritisiert Brigitte Hincha-Weisel von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG).

Prothioconazol und Imidacloprid stellt der BAYER-Konzern am Standort Dormagen her. Pestizide, die zu den PFAS zählen wie Flufenacet und Fluopyram, produziert er dort ebenfalls. Daher liegt die Vermutung nahe, dass zumindest ein Teil der Giftfrachten von dort stammt, zumal es zwischen Dormagen und Leverkusen einen lebhaften Müll-Tourismus – bzw. einen „wechselseitigen Entsorgungsverbund“ – gibt.

Nach Angaben der Bezirksregierung Köln stellt der Chem„park“-Betreiber Currenta zurzeit Recherchen über die Herkunft der Stoffe an. „Der Bereich, aus dem der Eintrag resultierte, konnte eingegrenzt, aber kein Verursacher ausgemacht werden“, erklärte die Behörde gegenüber dem WDR. „Das wirft Fragen auf. Nach der Explosion vom Juli 2021, die sieben Menschenleben kostete, hatte die Currenta nämlich zugesichert, künftig über alle im Entsorgungszentrum eingehenden Produktionsrückstände genau Buch zu führen, um eine Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten. Entweder hält sich das Unternehmen nicht daran oder aber es will einfach nur keine Namen nennen. Beides ist nicht zu akzeptieren“, hält Hincha-Weisel fest. 

Dass innerhalb der Europäischen Union nicht mehr genehmigte Pestizid-Wirkstoffe hierzulande weiterhin in die Umwelt gelangen, zeigt, wie wichtig es wäre, auch die Ausfuhr in Länder außerhalb der EU zu verbieten. In Sachen „PFAS“ besteht ebenfalls akuter Handlungsbedarf, denn die Nebenwirkungen reichen von Krebs und Diabetes über Herz/Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu Schädigungen des Embryos im Mutterleib. Aber BAYER & Co. wenden sich mit aller Lobby-Macht gegen Regulierungen. „Die Politik darf sich dem Druck nicht beugen. Sie muss aus den Erfahrungen mit Asbest, DDT und PCB lernen und reagieren, bevor es zu spät ist“, fordert die CBG-Aktivistin deshalb abschließend.

Keine neuen Steuergeschenke für BAYER & Co.!

CBG Redaktion

Presse-Information vom 10.07.25

CBG kritisiert „Investitionsbooster“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) wendet sich gegen die massiven Steuererleichterungen für die Konzerne, die am Freitag auf der Bundesratssitzung zur Abstimmung stehen. „Diese Entlastung führt zu einer großen Belastung der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden – und damit auch der BürgerInnen“, kritisiert Brigitte Hincha-Weisel vom Vorstand der CBG. 

Das „Gesetz für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ sieht eine Reduzierung der Körperschaftssteuer um fünf Prozent und die Erweiterung der Abschreibungsmöglichkeiten vor. Nach Berechnungen von ver.di entgehen der öffentlichen Hand dadurch Einnahmen von bis zu 48,5 Milliarden Euro.

Dem „Wirtschaftsweisen“ Achim Truger zufolge schränkt das den Handlungsspielraum des Staates in unangemessener Weise ein. „Die Wirtschaftslobby war laut und bekommt nun wieder, was sie möchte. 2001 und 2008 wurden die Steuern auf Unternehmensgewinne bereits deutlich reduziert. Jetzt erleben wir eine weitere Runde im Steuersenkungsspiel. Mit weniger Steuern werden sich die Herausforderungen nicht bewältigen lassen“, warnte der Wirtschaftswissenschaftler in einem „taz“-Interview. 

Der Vater der Unternehmenssteuer-„Reform“ von 2001 war BAYERs ehemaliger Finanzchef Heribert Zitzelsberger. Mit den Worten: „Wir haben mit Herrn Zitzelsberger unseren besten Mann entsandt und gehen davon aus, dass er in unserem Sinn tätig wird“, kommentierte der damalige Vorstandsvorsitzende Manfred Schneider den Wechsel des Leiters der Steuer-Abteilung in die Politik. Und dieser erfüllte alle Erwartungen. „Keinem der Berliner Großkopfeten hat die deutsche Großindustrie so viel Wohltaten zu verdanken wie Heribert Zitzelsberger“, konstatierte die „Berliner Zeitung“ im Jahr 2002.

„Schon jetzt zahlen die Unternehmen viel zu wenig und nutzen jede Gelegenheit, die sich ihnen bietet, um sich vor Abgaben zu drücken“, betont Hincha-Weisel. Der BAYER-Konzern beispielsweise zahlte 2024 bei einem Umsatz von 46,6 Milliarden Euro und einem bereinigten Ergebnis von 10,1 Milliarden Euro in Deutschland nach eigenen Angaben nur 31,6 Millionen Euro an Gewerbesteuern. Er nutzt nämlich die hiesigen Steuer-Oasen Schönefeld und Monheim exzessiv für das, was der frühere Vorstandsvorsitzende Werner Baumann einmal „eine veränderte regionale Ergebnis-Verteilung“ genannt hat. 

So hat der Leverkusener Multi in Monheim seine Patent-Abteilung angesiedelt. Dorthin müssen die Tochter-Gesellschaften für die Nutzung von geistigem Eigentum oder Marken-Rechten Geld überweisen. Diese Ausgaben machen sie dann an ihren Standorten steuermindernd geltend, während sie in Monheim als Einnahmen finanzamtstechnisch kaum ins Gewicht fallen. 

Das gleiche Spiel betreibt die Aktien-Gesellschaft bei der konzern-internen Vergabe von Krediten mit ihren Niederlassungen im Nachbarland Holland, welches das „Tax Justice Network“ zu den zehn größten Steuer-Paradiesen auf der Welt zählt. Wie bei den Patenten und Namensrechten schmälern die für die Kredite zu zahlenden Zinsen anderswo die zu versteuernde Gewinn-Summe, während diese sich in den Niederlanden entsprechend erhöht, was aber dank der dort geltenden niedrigen Tarife nicht zu größeren Abgabe-Belastungen führt. „Solche internen Geschäfte sind völlig fiktiv und sollten nicht länger dazu benutzt werden können, sich vor den Steuerbehörden arm zu rechnen“, fordert Hincha-Weisel.

Auch der im Juni veröffentlichte OECD-Wirtschaftsbericht zu Deutschland spricht sich gegen eine Absenkung der Unternehmenssteuern aus. „Im Steuermix liegt das Gewicht stark auf der Arbeitsbesteuerung. Der Beitrag, den Steuern auf Grundeigentum, auf Kapitaleinkünfte und Unternehmensgewinne sowie auf den Verbrauch zum Gesamtsteueraufkommen leisten, ist hingegen deutlich geringer als in anderen OECD-Ländern“, heißt es in dem Report. Bei den Unternehmenssteuern liegt er mit sechs Prozent vom Gesamtsteueraufkommen genau um die Hälfte unter dem Durchschnittswert von zwölf Prozent. Darum plädiert die OECD dafür, den Faktor „Arbeit“ nicht mehr so stark zu besteuern. „Würden statt der Arbeitsbesteuerung die Steuern auf Unternehmensgewinne gesenkt, wäre der Effekt auf das BIP-Wachstum geringer“, merkt der Report an.