29. September 2011, Leverkusener Anzeiger
Revolutionär oder Ausbeuter?
Vor 150 Jahren wurde Carl Duisberg geboren. Doch auf dem Bild des legendären Leverkusener Schöpfers liegt ein Schatten. Revolutionär oder Ausbeuter? Die Meinungen zu Duisberg gehen auseinander.
Leverkusen – Revolutionär, Ausbeuter? Zum heutigen 150. Geburtstag von Carl Duisberg ist eine Debatte um den ob seiner Verdienste in der Stadt weithin geschätzten Leverkusener Ehrenbürger in Gang gekommen, die mit erheblicher Schärfe geführt wird. Die ihrem Wesen nach überaus kritische – und inzwischen mangels Spenden in ihrer Existenz bedrohte – „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ fordert in einem Brief gar Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn auf, Duisberg die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen. Gründe gäbe es genug, findet Jan Pehrke von der „Coordination“. Er bezeichnet Duisberg als „verbrecherisches Genie“. Der Mann, der von 1912 bis 1925 Generaldirektor der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. war, bevor er den Aufsichtsrat der I.G. Farbenindustrie übernahm, trage Verantwortung für den Einsatz von Giftgas, die Ausbeutung von Zwangsarbeitern und die Verharmlosung der Nebenwirkungen von Heroin, das als Hustenmittel vertrieben wurde. Und: Kaum ein Industrieller habe Hitler so nahe gestanden.
Bayers Archivchef Michael Pohlenz streicht andere Seiten heraus. „Carl Duisberg führte Maßstäbe ein, die für uns alltäglich sind, aber damals eine Revolution darstellten“, so der Historiker. Sein Innovationsgeist habe Duisberg von anderen Managern unterschieden. Das Erschließen neuer Geschäftsfelder, die Kooperation mit Universitäten präge Bayer bis heute.
Sein soziales Engagement sei kaum zu überschätzen, findet Pohlenz: Die Lebensbedingungen der Mitarbeiter seien verbessert, die Arbeitszeit verkürzt worden. Vor allem aber habe Duisbergs Forderung, dass man in Wiesdorf nicht nur arbeiten, sondern auch leben soll, die Stadt geprägt: Die Kolonien geben davon Zeugnis. Und die Beamtensiedlung im Osten des Werksgeländes ist Ergebnis von Arbeitsverträgen mit Residenzpflicht für leitende Angestellte.
Bleibt noch die Planung des Werksgeländes, der – schon einmal verlegte – Japanische Garten und schließlich der Floratempel: Duisberg ließ die spätere Grabstätte schon zu Lebzeiten bauen. Zum 150. ist sie festlich dekoriert. Von Thomas Käding,