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[Lev Anzeiger] Leverkusener Anzeiger

Leverkusener Anzeiger, 12. September 2014

Straßennamen

Duisberg in Dortmund unerwünscht

In der Stadt Dortmund läuft zurzeit ein Verfahren, an dessen Ende die Umbenennung einer nach Carl Duisberg benannten Straße stehen soll. Grund sind die dunklen Flecken in seiner Biographie. Von Ralf Krieger

Carl Duisberg, er steht in Leverkusen für den beispiellosen Aufbau des Bayerwerks und die junge Stadt Leverkusen. Aber auch dunkle Flecken in seiner Biografie sind nicht vergessen. Duisberg ließ im Ersten Weltkrieg nicht nur massenhaft Zwangsarbeiter für Bayer arbeiten, sondern hatte auch einen gehörigen Anteil an der Entwicklung und Produktion der ersten Generation von Giftgaswaffen.
In der Stadt Dortmund läuft deshalb jetzt ein Verfahren, an dessen Ende die Umbenennung einer nach Duisberg benannten Straße stehen soll.
Angestoßen wurde die Umbenennung durch einen Antrag im Beschwerdeausschuss, nach dem die Straßen der Stadt nach belasteten Namen zu durchforsten sei. Das Stadtarchiv wurde fündig und befand sechs Namensgeber nicht für würdig. Darunter Carl Duisberg. Der Dortmunder Stadtarchivar bezieht sich nicht nur auf die Giftgas- und Zwangsarbeiterdelikte in Duisbergs Biografie, er nennt auch dessen demokratiefeindliche Gesinnung und Kumpanei mit der obersten Heeresleitung im Ersten Weltkrieg. Trotz positiver Aspekte in Duisbergs Lebensleistung, so der Archivar, empfehle sein Archiv nach Abwägung aller Punkte die Umbenennung der Carl-Duisberg-Straße. Dem folgten die Mitglieder des Dortmunder Beschwerdeausschusses. Nach diesem Entschluss werden die Empfehlungen laut Presseamt die zuständigen Bezirksvertretungen zur Entscheidung weitergegeben. Das letzte Wort hat der der Rat.
„Als weltoffene Stadt kann man sich solche Straßennamen nicht leisten“, zitieren die Ruhr Nachrichten den stellvertretenden Stadtarchiv-Leiter Stefan Mühlhofer. Die Carl-Duisberg-Straße in Dortmund ist kaum 60 Meter lang, einzige Adresse dort ist das Carl-Duisberg-Haus, ein Studentenwohnheim. Es sieht also schlecht aus für den Leverkusener Geheimrat, die Umbenennung wäre ein vergleichsweise kleiner Verwaltungsakt.
Auch in Leverkusen wurde schon am „Denkmal Duisberg“ gekratzt, der hier hoch verehrte Ex-Bayer-Chef ist natürlich Ehrenbürger der Stadt. 2011 hatte die Coordination gegen Bayer-Gefahren und die Partei Die Linke gefordert, Duisberg die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen. Ein entsprechender Antrag im Stadtrat wurde abgeschmettert: Einstimmig mit nur einer Gegenstimme.
Neben Duisberg gibt es sehr zweifelhafte Namensgeber für Leverkusener Straßen und Plätze: Dass Hindenburg mit einem Park geehrt wird, dürfte manchen stören. Der Antisemit und Chemiker Alfred Stock hat hier seine Straße ebenso, wie Fritz Haber, Entwickler von Giftgaswaffen. Zudem finden sich zahlreiche Militaristen auf Straßenschildern.

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Leverkusener Anzeiger, 6. März 2015

Erster Weltkrieg

Ungehorsame Arbeiter in den Tod geschickt

Der Leverkusener Unternehmer Carl Duisberg handelte im ersten Weltkrieg sehr umstritten. Zunächst Gegner, wurde Duisberg bald zur prägenden Figur bei der Kriegsproduktion. Seine Firma regierte er nicht selten mit harter Hand. Von Frank Weiffen

Schon die Ankündigung des Vortrages machte die ewige Brisanz des Themas deutlich: Carl Duisberg (1863-1935), der frühere Generaldirektor der Farbenfabrik Elberfeld als Vorläufer der heutigen Bayer AG, sei Zeit seines Lebens eine „schillernde Leverkusener Persönlichkeit“ gewesen. Weitreichenden Einfluss habe er gehabt auf Wirtschaft, Gesellschaft und Politik im Deutschen Reich. Und allein diese drei Wörter – „Persönlichkeit“, „Einfluss“, „Politik“ – lassen in Verbindung mit der Zeit, in der Duisberg aktiv war, erahnen, dass der gebürtige Wuppertaler, der stets liebevoll von seiner „Tochter Leverkusen“ sprach, auch während des Ersten Weltkrieges seine Spuren hinterlassen haben muss. Die Historikerin Kordula Kühlem deckte diese Spuren jetzt im Forum mit ihrem Vortrag „Carl Duisberg, Bayer und der Erste Weltkrieg“ auf.

Beweise für verwerfliche Taten
Kühlem ist Expertin auf dem Gebiet: Sie gab vor drei Jahren die bereits heute als Referenzwerk zur Duisberg- und Bayer-Geschichte geltende Sammlung „Carl Duisberg – Briefe eines Industriellen“ heraus: Ein fast 800 Seiten dickes Kompendium von Dokumenten der Korrespondenz zwischen Geschäftspartnern, Politikern, Freuden auf der einen und dem Großindustriellen auf der anderen Seite. Duisberg legte einst den Grundstein für das Bayerwerk und den heutigen Chempark. Außerdem sorgte er dafür, dass die Ansammlung von Orten, die 1930 zu Leverkusen wurden, rasch einen internationalen Ruf erlangte.
Der Aufhänger für Kühlems Vortrag war zum einen eine aktuelle Ausstellung zum Thema im Opladener Geschichtsvereins. Zum anderen die immer wieder aufkeimenden Diskussionen um nach Duisberg benannte Straßen (Leverkusen) und Häuser (Marburg), die seit Jahrzehnten von Personen angefacht werden, die Duisberg verwerfliche Taten während des Ersten Weltkriegs vorwerfen. Und Kühlem führte deren Argumente mitnichten ad absurdum, sondern legte dar, dass sie – über die unzweifelhaften und bis heute gültigen Verdienste Duisbergs für eine ganze Region hinaus – ihre Berechtigung haben.
Nach ihren Recherchen zu urteilen sprach sich Duisberg zwar anfangs gegen den Krieg aus, den er von den Gegnern des Deutschen Reiches aus „purem Neid“ heraus losgetreten sah. Er arrangierte sich aber im Laufe der Zeit auch mit der Situation und wurde eine prägende Figur bei der Kriegsproduktion. In seinem Werk wurden unter anderem Sprengstoff und synthetisches Gummi für Kriegsmaschinen hergestellt. Duisberg erhielt Einlass in die wichtigen Zirkel der Kriegspolitik. Und er beteiligte sich als ein Vorreiter an der Entwicklung, Herstellung und Erprobung von chemischen Kampfmitteln.
Diese sah er als Zukunft der Kriegsführung gegenüber dem veralteten Gebrauch von Schusswaffen an. Zudem regierte Duisberg in seiner Firma nicht selten mit harter Hand: Er untersagte Demonstrationen und schickte nach Angaben Kühlems unbeugsame und ungehorsame Arbeiter in den sicheren Tod, indem er ihren Einzug zum an der Front kämpfenden Heer forcierte.

Kriegslazarett im Werk
Gleichzeitig aber war Duisbergs Selbstverständnis als Unternehmer auch geprägt von den sozialen Verpflichtungen der Gesellschaft gegenüber. So wurden unter seiner Führung die Lebensbedingungen der Arbeiter in seiner Firma stark verbessert. Während des Krieges bestand Duisberg zudem darauf, in seinem Werk ein Kriegslazarett einzurichten: Er war überzeugt davon, dass ein Haus mit einer Rot-Kreuz-Fahne auf dem Dach feindliche Bomber davon abhalten würde, die Stadt und das Werk anzugreifen.
Am Ende von Kühlems Vortrag stand das detailliert gezeichnete und jede Seite des Menschen Duisberg wiedergebende Bild eines Mannes, der einerseits durchaus als „schillernde Persönlichkeit“ bezeichnet werden darf und muss – der andererseits aber auch zurecht umstrittener ist, als es manch einer wahrhaben will.