Rheinische Post, 13. September 2014
Wirbel um die Duisberg-Straße
Leverkusen: Weil die Stadt Dortmund eine Umbenennung erwägt, flammt die Diskussion auch hier wieder auf.
Vor drei Jahren feierte Carl Duisberg seinen 150. Geburtstag. Damals bildeten sich unter anderem in Wuppertal, Frankfurt und Marburg Initiativen, um Straßen, Schulen und Wohnheime, die den Namen des ehemaligen Bayer-Generaldirektors tragen, umzubenennen.
Tenor der Kritik: Duisberg gehörte zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die – auch nach dem damals geltenden internationalen Kriegsrecht illegale – Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten.
Dennoch hielt Leverkusen an seinem Ehrenbürger stets fest. Jetzt gießt ein politischer Vorgang in Dortmund allerdings neues Öl ins Feuer: Das Dortmunder Stadtarchiv schlägt die Umbenennung von sechs Straßen vor, deren Namensgeber historisch belastet sind.
In einer Stellungnahme des Dortmunder Stadtarchivs heißt es wörtlich: „Während des Ersten Weltkriegs wurde unter seinem Vorsitz Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. In Leverkusen wurde u. a. Phosgen produziert, ein Giftgas, das in einem Lehrbuch folgendermaßen beschrieben wird: „Der Atem wird immer kürzer und stoßweiser, bis schließlich der Tod durch Ersticken eintritt. Das volle Bewusstsein bleibt auch bei dem schwersten Verlauf bis zum letzten Augenblick erhalten. Der Phosgentod ist also als ein ganz allmähliches Ertrinken im eigenen Blutserum aufzufassen.“`
Carl Duisberg war aktives Mitglied im antisemitischen Alldeutschen Verband. Als Patriarch lehnte er bis zu seinem Tod Gewerkschaften entschieden ab. Er war von Beginn an Gegner der Weimarer Demokratie. In der Bewertung der Person Carl Duisbergs durch das Stadtarchiv wurden durchaus auch die bis heute positiv zu wertenden Aspekte in seiner Lebensleistung berücksichtigt. Nichtsdestotrotz empfiehlt das Stadtarchiv, bei der Abwägung aller Aspekte des Lebens von Carl Duisberg, eine Umbenennung.
Einen Straßenumbenennungsversuch in Leverkusen gab es zuletzt im September 2011. Dauer-Bayer-Kritiker versuchten, die Namensänderung für die Carl-Duisberg-Straße zu erreichen. Die so genannte Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) wirft dem ehemaligen Generaldirektor die enge Zusammenarbeit mit den Nazis vor. Der Leverkusener Stadtrat lehnte eine Änderung des Straßennamens unter anderem wegen der Verdienste Duisbergs für Leverkusen ab.
Ein Bayer-Sprecher kündigte gestern zunächst eine Stellungnahme zum Thema an, ein anderer lehnte sie wenig später jedoch ab. von Peter Korn