Bernward Geier (Colabora) Die ökologische Alternative „Sikkim“
Ich bin letzte Woche von einer zweiwöchigen Reise aus Sikkim zurückgekommen. Vermutlich haben Sie von Sikkim noch nie gehört. Das sollte sich ändern, denn Sikkim ist ein indischer Bundesstaat, der es nach 12 Jahren gut geplanter Umstellung geschafft hat, dass 100 % der Landwirte biologischen Landbau praktizieren. Auch wenn es ein kleiner indischer Bundesstaat ist, sind das immerhin 65.000 Bauern! Als der indische Ministerpräsident Modi Sikkim zum „100 % Bio“-Bundesstaat erklärte, hat er ein klares Signal geschickt, dass er diese Art von Landwirtschaft zunächst bei allen nördlichen Bundesstaaten in Indien umgesetzt haben möchte.
Das Beispiel macht Schule, denn inzwischen schickt sich die gesamte Himalaya-Region von Bhutan bis Nepal an, dem Beispiel Sikkims zu folgen. So hat der Bundesstaat Uttarakhand gerade beschlossen, auch auf 100 % Bio umzustellen. Das sind 1,6 Millionen Bauern und Bäuerinnen! Für die Herkulesaufgabe bekommt die Landesregierung vom indischen Bundesstaat 20 Millionen Euro. An der Stelle noch der Hinweis, dass allein in Indien bereits über 830.000 Biobauern zertifiziert sind.
Ich frage den Vorstand, ob Sie diese Entwicklungen überhaupt zur Kenntnis nehmen bzw. wie Sie damit strategisch umgehen?
Das Beispiel der Himalaya-Region wirkt weltweit. Ähnliche Bioanbau- Projekte werden für die Anden anvisiert, und auch hier bei uns in den Alpen ist der biologische Landbau ja schon längst aus der Nische.
Diese Entwicklungen gehen noch viel radikaler weiter und damit wird es für das BAYER-Geschäftsmodell „Profite mit Agrargiften“ wirklich düster. So hat Sikkim zum 1. April ein Gesetz verabschiedet, dass den Import von konventionellem Gemüse verbietet, weil es in der Regel mit Chemierückständen belastet ist. Das Gesetz wird sofort konsequent umgesetzt. Geschmuggelte konventionelle Gemüseware wird an der Grenze konfisziert, und wenn es doch auf dem Markt auftaucht, werden die Händler bestraft. Das konfiszierte Gemüse wird nicht etwa kompostiert, denn es sind für die Behörden keine Lebensmittel, sondern giftige Pflanzen, weshalb sie durch Vergraben entsorgt werden.
Ich frage den Vorstand, ob er mittel- oder zumindest langfristig Strategien hat bzw. gedenkt zu entwickeln, die sich der Tatsache stellen, dass inzwischen die Biobewegung weltweit sich das Ziel gesetzt hat, bis zum Jahr 2050 100 % Biolandbau weltweit erreicht zu haben?
Das sind nicht nur Entwicklungen im fernen Indien. Aktuell hat der gerade neu gewählte Präsident der EU-Gruppe von IFOAM – Organics International, der deutsche Bioland-Geschäftsführer Jan Plagge, das Ziel für 25 % Biolandbau in der EU bis 2030 gesetzt. Ich bin überzeugt, dass dieses Ziel nicht eine verrückte Idee ist, sondern erreicht werden kann. Das heißt in Österreich ist das mit einem aktuellen Bioflächenanteil von ca. 24 % bereits heute fast erreicht und auch Estland und Schweden sind schon an der 20-%-Schwelle. Der Blick auf Lichtenstein (37,7 %) und besser noch auf den Schweizer Kanton Graubünden (67,8 %) zeigt, wo die Reise hingeht.
Der Widerstand der Bevölkerung gegen Agrarchemie und rückstandsbelastete Lebensmittel wächst rasant. Davon kündet auch das neue Bündnis „Agrargift – Nein danke“. So wie wir Ökologen mit Protesten und parlamentarischer Hilfe der Grünen gegen die Profitinteressen von milliarden-schweren Energiekonzernen den Ausstieg aus der Atomenergie geschafft haben, werden wir es auch schaffen, dass synthetische Pestizide und Mineraldünger keine Zukunft haben. Dies hat in jedem Fall – auch wenn wir das Ziel nicht oder nicht so schnell erreichen sollten – massive Auswirkungen auf das Geschäftsmodell von BAYER.
Wie wollen Sie die gigantische Investitionen beim Kauf von Monsanto angesichts dieser Zukunftsperspektiven mit dem Verkauf von Agrargiften und Gentechnik amortisieren?
Ich selbst werde nicht traurig sein, wenn das hohe Ziel der Komplettumstellung der Landwirtschaft weltweit erst 2052 oder 2053 erreicht ist, aber diese Entwicklung wird genauso kommen wie die weltweite Umstellung auf erneuerbare Energiequellen. Dies muss auch den Aktionären von BAYER klar werden. Ich fordere Sie auf, dass Sie entsprechend auf die Geschäftsführung des Konzerns einwirken, sich mit den gerade aufgeführten Fakten und Realitäten auseinanderzusetzen und sich entsprechend strategisch aufzustellen.
Die knappe Zeit erlaubt nicht, meine Ausführungen mit noch mehr Fakten zu unterlegen. Zur Gefährlichkeit von Pestiziden und Gentechnik und vor allem aber auch zu den Lösungsmodellen wie dem ökologischen Landbau gibt es ein aktuelles Buch mit dem Titel „Die Pestizidlüge“. Ich meine, dies sollte Pflichtlektüre für den Vorstand und Aufsichtsrat sein. Ich werde veranlassen, dass Sie die Bücher zur Lektüre bekommen. Und schauen Sie sich genauer an, was in Sikkim und in der Himalaya-Region passiert. Dort wird bereits heute umgesetzt, was in ein paar Jahrzehnten normal sein wird.
Erkennen Sie die Zeichen der Zeit, (re-)agieren Sie Bio-LOGISCH und entwickeln Sie endlich Geschäftsstrategien für eine wirklich nachhaltige und ökologische Landwirtschaft, die – wie es heute so schön heißt – enkeltauglich ist.
Ceterum censeo … Ich meine, dass der Vorstand nicht entlastet werden kann, weil er – besonders gravierend mit der größenwahnsinnigen „Harakiri“-Übernahme von Monsato – völlig falsche Strategien verfolgt, die ganz konträr zu den Interessen der Gesellschaft, der Umwelt und auch der BAYER-AktionärInnen sind. Das heißt, ich unterstütze mit meiner Kleinaktionär-Stimme den Antrag der kritischen Aktionäre auf Nicht-Entlastung des Vorsitzenden Herrn Baumanns und des Vorstandes.