Der BAYER-Konzern hat hunderttausende Dollar in den US-Wahlkampf investiert und dabei republikanische KandidatInnen bevorzugt. Der Wahlsieg der DemokratInnen bereitet dem Leverkusener Multi allerdings auch keine größeren Probleme.
Von Jan Pehrke
BAYER hat sich den US-amerikanischen Wahlkampf 634.500 Dollar kosten lassen. Von den deutschen Konzernen wendeten nur T-MOBILE, FRESENIUS und BASF mehr auf. Das geht aus Zahlen der „Federal Election Commission“ hervor, die das „Center for Responsive Politics“ ausgewertet hat. Da die Vereinigten Staaten direkte Spenden von Konzernen nicht erlauben, floss das Geld über das „BAYER U.S. LLC Political Action Committee“. Der Leverkusener Multi stellt dieses Komitee der Presse gegenüber zwar stets als unabhängige Initiative der Belegschaft dar, aber sein eigenes Statement auf der USA-Website lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. „Das BAYERPAC unterstützt Kandidaten, die im Einklang mit den politischen Zielen BAYERs stehen, ohne Rücksicht auf die persönlichen politischen Präferenzen der Führungskräfte“, heißt es dort. Und während viele andere bundesdeutsche Unternehmen wg. Trump die Seiten gewechselt haben, hielt der Global Player an ihm fest. 56,49 Prozent der 327.500 Dollar, die er in die Wahlen zum Kongress und zum Senat investierte, gingen an RepublikanerInnen und nur 43,51 Prozent an DemokratInnen.
Während sich das Verhältnis bei den PolitikerInnen, die einen Sitz im Kongress anstrebten, recht ausgewogen darstellte und mit 50,1 zu 49,81 Prozent sogar noch leicht zu Gunsten der DemokratInnen ausfiel, hatten deren SenatskandidatInnen klar das Nachsehen. Hier kamen die BAYER-Dollar zu 86 Prozent RepublikanerInnen zugute. Ganz offensichtlich wollte der Agro-Riese so im Falle eines Sieges von Joe Biden ein Durchregieren der Demokraten verhindern und die zweite Kammer des US-Kongresses als Blockade-Instrument für bestimmte Gesetzesvorhaben genutzt sehen. Insbesondere die angekündigte Wiederanhebung der Unternehmenssteuer, die Joe Biden auf 28 Prozent zu erhöhen beabsichtigt, nachdem Trump den Satz zuvor von 35 auf 21 Prozent abgesenkt hatte, passt dem Global Player nicht.
Mit der Gießkanne verteilte er das Geld dabei nicht. Der Global Player suchte sich die EmpfängerInnen unter den RepublikanerInnen genau aus. So stand mit Blaine Luetkemeyer nicht umsonst ein Klimawandel-Leugner auf seiner Payroll. Luetkemeyer, der von einer „als falsch entlarvten Wissenschaft der Erderwärmung“ spricht, erhielt 10.000 Dollar, genauso viel wie sein Gesinnungsgenosse Kevin McCarthy. Und auch im Senat möchte der Leverkusener Multi diese Haltung repräsentiert sehen. Zu diesem Behufe strich Joni Ernst 10.000 Dollar ein. Zu den anderen 20 BewerberInnen, die der Agro-Riese mit Schecks bedachte, gehörte auch Mitch McConnell. Er nimmt im Senat als Mehrheitsführer nämlich eine Schlüsselfunktion ein. Unter anderem obliegt es McConnell, festzulegen, welche Gesetzes-Vorhaben der Senat zur Entscheidung annimmt und welche nicht. Und hier hat der Republikaner in der Vergangenheit kräftig ausgesiebt. Über 400 Vorlagen mussten draußen bleiben, unter anderem ein Paragrafen-Werk der Demokraten zur Senkung der Medikamenten-Preise. Die 2.500 Dollar, die das BAYERPAC ihm zahlte, hat er sich also reichlich verdient. Ob Mitch McConnell dem Global Player weiter so nützlich sein kann, stellt sich am 5. Januar (nach SWB-Redaktionschluss) heraus: An dem Tag findet eine Nachwahl statt, deren Ergebnis für die Mehrheitsverhältnisse in dieser Kammer ausschlaggebend ist.
Aber nicht nur wegen treuer Dienste zur Verteidigung der Pharma-Profite und zur Senkung der Unternehmenssteuern zeigt sich der Konzern den Republikanern gegenüber besonders erkenntlich. Er fand in Donald Trump überdies einen treuen Fürsprecher der MONSANTO-Übernahme, der BAYER-Chef Werner Baumann sogar eine Privat-Audienz gewährte, um sich den Deal noch einmal besonders ans Herz legen zu lassen. Darüber hinaus brachte der Präsident die US-amerikanische Umweltbehörde EPA auf Linie und räumte der Aktien-Gesellschaft zahlreiche lästige Umwelt-Bestimmungen zum Schutz des Wassers oder aussterbender Tierarten ganz oder teilweise aus dem Weg. Der New York Times zufolge lockerte Donald Trump während seiner Amtszeit fast 100 solcher Regelungen. Vor allem jedoch leistete er der Aktien-Gesellschaft Schützenhilfe in Sachen „Glyphosat“. So intervenierten Regierungsstellen in einem Schadensersatz-Prozess zu ihren Gunsten und zwangen Thailand durch massiven politischen Druck, von einem geplanten Glyphosat-Verbot abzurücken.
Vor einem Demokraten als US-Präsident braucht sich das Unternehmen jedoch auch nicht zu fürchten. BAYER kann mit Biden. „Ich bin sicher, dass wir mit beiden Administrationen gut zusammenarbeiten werden“, sagte Baumann kurz vor der Wahl. Und als dann Joe Biden gewann, war er auch gleich zur Stelle: „Wir gratulieren Joe Biden und Kamala Harris zur Wahl. Wir hoffen, dass es ihnen gelingt, ideologische Gräben zu überbrücken und den Geist der Kooperation zu stärken – in den USA wie auch in den internationalen Beziehungen“ Der Chef-Lobbyist des Konzerns in Washington, Matthias Berninger (siehe SWB 4/20) ist da ganz zuversichtlich. „Amerika wird sich unter einem Präsidenten Biden wohl wieder etwas der Welt zuwenden“, meint er und fordert: „Europa muss Amerika mit einer Freihandelsagenda die Hand reichen.“ Die Klima-Agenda der Demokraten verschreckt BAYERs Mann fürs Grüne nicht, und mit anderem will er sich abfinden. „Die diesjährigen Rekord-Subventionen im Agrar-Bereich werden wohl bald der Vergangenheit angehören. Und der Preisdruck auf die Pharma-Industrie, wie wir ihn auch in China sehen, wird in ähnlicher Form in Zukunft auch in Amerika stattfinden. Auf Situationen wie diese müssen wir uns einstellen“, gibt sich Berninger pragmatisch.
Auf strengere Umwelt-Gesetze wird der Konzern sich ebenfalls einstellen müssen, denn die Demokraten haben angekündigt, Trumps Eingriffe rückgängig zu machen. Besorgt zeigten diese sich in ihrem Wahl-Programm auch über „die Zunahme des Konzentrationsprozesses in einer Vielzahl von Branchen, von Krankenhäusern und Pharma-Firmen bis hin zur Agrar-Industrie und zum Lebensmittelhandel“. Deshalb sinnen Biden & Co. auf Abhilfe: „Wir werden die Aufsichtsbehörden anweisen, einige der Fusionen und Übernahmen zu überprüfen, die seit dem Amtsantritt von Präsident Trump stattgefunden haben.“ Dabei nennt die „Democratic Party Platform“ explizit auch den Agrar-Bereich. Aber BAYERs MONSANTO-Akquisition dürfte kaum auf Wiedervorlage kommen. Der neue demokratische Landwirtschaftsminister ist nämlich der alte und damit derjenige, der dem Geschäft damals seinen Segen erteilte: Tom Vilsack. In einem Interview, das er Bloomberg TV im September 2016 kurz nach der Unterzeichnung des Übernahme-Vertrags gab, zerstreute er alle Bedenken gegenüber dem Mega-Deal. Den Wettbewerb gefährdete die Transaktion seiner Meinung nach nicht. „Die Marktaufsichtsbehörden werden sicherlich einige Fragen zu stellen haben, aber ich glaube, was wir am Ende des Tages sehen werden, ist ein Innovationsschub.“ Warum Größe allerdings zu mehr Innovation führen soll, blieb dem Moderator schleierhaft, der Neuentwicklungen eher kleineren Firmen zutraute, aber Vilsack mochte ihm da nicht zustimmen. Ebenfalls mit dem Zugriff eines ausländischen Multis auf einen großen US-amerikanischen Konzern hatte der Politiker keine Probleme. „Das gehört zu der Welt, in der wir leben“, meinte der Demokrat. Und „Think big“ ist seine Losung nicht nur bei den Anbietern von Pestiziden, Saatgut und Gentech-Gewächsen, sondern auch bei den Abnehmern, den Bauern und Bäuerinnen. „Was die unabhängige, von Farmer-Familien betriebene Landwirtschaft angeht, ist die Erfolgsbilanz von Tom Vilsack miserabel“, kritisiert etwa Joe Maxwell von der Organisation „Family Farm Action“.
Seine industrie-freundlichen Positionen haben Vilsack nicht von ungefähr den Ruf des „Mr. MONSANTO“ eingetragen. So beschleunigte die US-Landwirtschaftsbehörde USDA in seiner Amtszeit die Genehmigungsverfahren für Gentechnik-Gewächse und ließ z. B. eine gegen Glyphosat resistente Luzerne-Pflanzen ohne Auflagen zu, obwohl Umweltverbände vor drohenden Auskreuzungen gewarnt hatten. Auch die Regelung zur Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel gestaltete Tom Vilsack im Sinne der Agro-Giganten. Die USDA unter Vilsacks Ägide „war die gentechnik-freundlichste, die es je gab“, konstatiert die Umweltgruppe FOOD AND WATER WATCH. Bereits als Gouverneur von Iowa, der er von 1999 bis 2007 war, legte der Politiker sich für die Risiko-Technologie ins Zeug. Und BAYER & Co. zeigten sich erkenntlich. Ihr Lobby-Club, die „Biotechnology Industry Organisation“, dankte Vilsack bereits im Jahr 2001 für die „Unterstützung des ökonomischen Wachstums der Industrie und der biotechnologischen Forschung im Agro-Bereich“ mit der Verleihung des Titels „Governor of the Year“.
Und mit Bidens Personal-Entscheidungen geht der Leverkusener Multi auch sonst d’accord. Sehr zusagen dürfte ihm die Nominierung von Brian Deese zum Leiter des Wirtschaftsberatungsgremium „National Economic Council“. Deese kommt nämlich vom weltgrößten Investment-Fonds BLACKROCK, der rund vier Prozent der BAYER-Aktien hält. Darum ist von dem gelernten Juristen kaum eine Politik zu erwarten, die für die Multis Kurs-Risiken birgt. Damit nicht genug, machte Biden Deeses’ BLACKROCK-Kollegen Adewale Aedyemo zum stellvertretenden Finanzminister. Und vielleicht gesellt sich noch der eine oder die andere dazu, denn bis zum SWB-Redaktionsschluss hatte der neue Präsident sein ganzes Kabinett noch nicht zusammen. Eines steht jedoch schon fest: BAYER kann damit arbeiten.