Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”
EDITORIAL
Liebe Leserinnen und Leser,
gegenwärtig stehen das europäische Parliament und der Ministerrat der EU vor einer wichtigen Aufgabe: der Reform der europäischen Chemikalienpolitik. Denn der von der Europäischen Kommission im Herbst 2003 vorgestellte Gesetzesentwurf, REACH genannt, ist unter dem massiven Druck einer starken und uneinsichtigen Chemielobby in Brüssel so unter Beschuss geraten, dass von den ursprünglichen Ideen der Kommission nur wenige gute übrig geblieben sind.
REACH steht für Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe. Der Gesetzesvorschlag will rund 30.000 Chemikalien auf dem europäischen Markt systematisch durchleuchten. Unserer Meinung nach bietet dieses längst überfällige Vorhaben die einmalige - once in a generation - Möglichkeit, die Versäumnisse der heutigen Chemikalienpolitik zu korrigieren. So wie die meisten Menschen haben auch wir angenommen, dass Chemikalien, die sich in banalen Alltagsprodukten wie Nuckelflaschen, Haarshampoos, Duschvorhängen und Kinderschlafanzügen befinden, in Europa einem Mindestmaß an Kontrolle unterliegen. Denn Autos müssen auch erst Sicherheitstests bestehen und Lebensmittel auf ihre Qualität beurteilt werden, bevor sie verkauft werden können. Leider ist dies bei Chemikalien nicht der Fall. Über viele von ihnen fehlen jegliche Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherinformationen. REACH wird dies ändern.
Frauen in ganz Europa sind für ein starkes REACH, dass ihre Gesundheit und die heranwachsender Generationen schützt. Diese klare Botschaft haben wir an unsere Abgeordneten im Europaparlament und auch an die Europäische Kommission weitergegeben. Nicht nur, weil unsere Gesundheit auf dem Spiel steht, sondern auch, weil REACH uns als Verbraucherinnen endlich Klarheit und Sicherheit bieten wird.
Obwohl alle Beteiligten darin übereinstimmen, dass es mit der heutigen Chemikalienpolitik so nicht weiter gehen kann, ist dieser Gesetzesvorschlag unter enormen Druck von großen Chemieproduzenten wie BAYER, BASF, und ihren Vertretern im Verband der deutsche Chemischen Industrie, VCI, und dem europäischen Dachverband der Chemischen Industrie, CEFIC, abgeschwächt worden. Und die Interessenvertreter der Industie sind weiterhin intensiv damit beschäftigt, ein schwaches und damit sinnloses REACH zu bewerkstelligen. Dies ist nicht nur zum Nachteil von Frauen und Kindern, sondern auch zu ihrem eigenen Nachteil. Ihnen nützt ein kompliziertes Regelwerk mit Ausnahmen und Sonderregelungen nichts, denn es bringt nur weitere Ineffizienz, Kosten und somit Wettbewerbsnachteile mit sich. Muss REACH denn so aussehen wie das deutsche Steuersystem?
Bis zum Oktober, wenn die erste Lesung des Gesetzestextes im Parlament ansteht, haben die Abgeordneten noch Zeit, um sich festzulegen, auf welcher Seite sie stehen. Sind sie für Gerechtigkeit unter den Generationen und ArbeitnehmerInnen sowie innerhalb der Anwender- und Verbraucherketten von chemischen Produkten? Oder wollen sie weiterhin der emotionalen, übertriebenen Rhetorik von BAYER & Co. vertrauen, obwohl deren Produkte Teil des Problems sind?
Vielleicht erfordert eine solche Entscheidung von manchem Abgeordneten im Europaparlament ein wenig mehr Nerv als normal nötig, aber die Dinge mit REACH liegen tatsächlich so einfach. Wenn die Chance für einen progressiven und effizienten Umgang mit Chemikalien, der das Vorsorgeprinzip umsetzt und den Ersatz der gefährlichsten Stoffe durch sicherere Alternativen beinhaltet, wieder verpasst wird, hat dies einen nachhaltigen Effekt auf die Gesundheit von Menschen und die Umwelt in Europa. Es ist eine Frage des Gewissens und der Verantwortung gegenüber den nachkommenden Generationen. Weil wir immer giftiger werden, ist es höchste Zeit, dem weltweiten Experiment im Umgang mit Chemikalien ein Ende zu setzen.
Daniela Rosche ist Policy Coordinator bei WOMEN IN EUROPE FÜR A COMMON FUTURE (WECF)
KritikerInnen-Erfolge auf BAYER-Hauptversammlung
Das Misstrauensvotum
Der Leverkusener Multi hat im Jahr 2004 wieder einmal prächtige Geschäfte gemacht. BAYER-Chef Werner Wenning und seine Vorstandsriege belohnten sich dafür mit einer kräftigen Aufstockung der Bezüge. Der Aufsichtsrat folgte dem schlechten Beispiel und legte der AktionärInnen-Versammlung einen Antrag auf eine 50-prozentige Lohnerhöhung vor. Auf wessen Kosten der Konzern und seine Manager sich bereicherten, berichteten VertreterInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und zahlreicher anderer Initiativen in ihren Gegenreden. Arbeitsplatzvernichtung, Kinderarbeit, Umweltzerstörung, Nichtentschädigung von KZ-Opfern, Missachtung des VerbraucherInnenschutzes - aus diesen Kapiteln des „Schwarzbuch BAYER“ lasen sie den Bossen die Leviten. Mit Erfolg: BesitzerInnen von 26 Millionen BAYER-Aktien verweigerten ihre Zustimmung zur Anhebung der Aufsichtsratsbezüge.
Von Udo Hörster
Stolz präsentierte BAYER-Chef Werner Wenning in seiner Eröffnungsrede zur Hauptversammlung die Konzern-Bilanz. Um vier Prozent auf 30 Milliarden stieg der Umsatz; der Gewinn legte sogar um mehr als 50 Prozent auf über zwei Milliarden zu. Grund genug für den Großen Vorsitzenden, sich sein Salär auf 2,36 Millionen zu verdoppeln und seine drei Vorstandskollegen mit insgesamt zwei Millionen zusätzlich zu bedenken. Da mochte auch der Aufsichtsrat nicht zurückstehen. Er wollte sich von den AktionärInnen eine Erhöhung des Jahresfixums von 40.000 auf 60.000 Euro bewilligen lassen. Die erfolgsabhängigen Prämien mitgerechnet, hätten sie dann per anno ca. 90.000 Euro eingestrichen.
Dem Rest der Belegschaft kam der Geldsegen nicht zugute. Im Gegenteil: Drastische Einsparmaßnahmen auf ihrem Rücken sorgten erst für den exorbitanten Profit. „Unsere Kostenoptimierung betraf natürlich auch die Personalaufwendungen: Wir konnten diese seit 2002 um fast zwei Milliarden reduzieren“, vermeldete Wenning in schamloser Offenheit. Von der Debatte um das rücksichtslose Gebaren der Global Player zeigte er sich trotzdem überrascht. Er wandte sich dagegen, „mit populistischen Vorwürfen und dem Aufwärmen überkommender Klassenkampf-Theorien einen Streit zu entfachen“. Lieber brach er selber eine Fehde mit Rot-Grün vom Zaun. „Hierzulande werden aber Zukunftstechnologien und potenzielle Arbeitsplatzschmieden wie die Biotechnologie nicht gefördert, sondern durch Gesetze und Bürokratie behindert. Denken Sie nur an das Stammzellgesetz oder das Gentechnikgesetz!“, tönte der Vorstandsvorsitzende.
Andrea Will (DKP) sah sich gezwungen, ihm in Sachen „Kapitalismus-Kritik“ Nachhilfe-Unterricht zu erteilen. Sie kritisierte die massive Arbeitsplatzvernichtung und demonstrierte anhand einer neuen Umfrage, wie wenig überkommen eine Auseinandersetzung mit der Profitgier von Big Business ist. Angesichts eines trotz hoher Gewinne unverdrossen fortgeführten Arbeitsplatzabbaus meinten 95 Prozent der Befragten, die Unternehmen müssten eine stärkere soziale Verantwortung zeigen. Aber Werner Wenning gab sich begriffsstutzig und blieb lieber Angehöriger einer kleinen radikalen Minderheit. „Für mich ist die gegenwärtige Diskussion schwer verständlich“, so der Unbelehrbare. Umso besser verstand er sich darauf, den wiederum immer mehr Menschen immer unverständlicher erscheinenden Sermon vom Segen der Angebotspolitik herunterzubeten. Wir „müssen Rahmen setzen, die für die Investoren attraktiv sind“, forderte er, dann würden „auch alle profitieren“.
Alle würden profitieren, das hatte der BAYER-Mann auch im vergangenen Herbst auf der außerordentlichen Hauptversammlung, welche die Abspaltung der Chemie-Sparte besiegelte, den zu dem neu gegründeten Unternehmen LANXESS wechselnden Ex-BayeranerInnen versichert. In Köln war davon nicht mehr die Rede. Unverhohlen verkündete er seinen ShareholderInnen, welch große Deinvestitionsdividende sie eingestrichen haben: „Und auch die Börse hat die Umstrukturierung des Konzerns honoriert. Während der DAX seit Ankündigung unserer strategischen Neuausrichtung im November um 13 Prozent stieg, konnte der Kurs der BAYER-Aktie im gleichen Zeitraum um 26 Prozent zulegen“. Entsprechend schlecht stehen die Aktien für LANXESS und die Beschäftigten. Erst im April hatte Unternehmenschef Axel Heitmann wieder die Schließung von zwei Standorten und die Streichung von 1.200 Stellen bekannt gegeben.
CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura hatte diese Entwicklung schon auf der erwähnten Lanxess-HV im November vorhergesehen. Deshalb warf er Wenning vor, ein doppeltes Spiel gespielt zu haben. „Weshalb erfahren wir die Tatsachen erst nach der HV? Weshalb täuschen Sie?, fragte Köhler-Schnura. Angesichts dieses verantwortungslosen Umgangs mit dem Schicksal der Beschäftigten stellte der CBGler klar: “Es ist nicht Rot-Grün, das Arbeitsplätze vernichtet. Es sind Sie. Nicht Rot-Grün betreibt Klassenkampf, es sind Sie, der Klassenkampf von oben betreibt„.
Darauf fiel dem BAYER-Boss keine Antwort ein. Er flüchtete in antikommunistische Polemik und stöhnte: “Seit mehr als 25 Jahren sind sie uns mit ihrer Agitation schon treu„. Er recycelte in seiner Hilflosigkeit sogar einen Satz, den ihm seine fleißigen SouffleurInnen hinter der Bühne schon im letzten Jahr ins Ohr geflüstert hatten: “Uns trennen Welten - besonders in der Weltanschauung„.
Die unheilvolle Tradition
Wie weit die unheilvolle Tradition menschenverachtender Profitjagd bei BAYER zurückreicht, das bezeugte in Köln Eugen Muszynski mit seiner eigenen Leidensgeschichte. Zu Beginn seiner Rede deutete der Vorsitzende des VERBANDES DER IM KINDESALTER INHAFTIERTEN FRÜHEREN HÄFTLINGE DER NATIONALSOZIALISTISCHEN KONZENTRATIONSLAGER auf das hinter der Bühne prangende BAYER-Zeichen und erklärte: “Vor 62 Jahren habe ich zum ersten Mal dieses Logo gesehen„. Es befand sich auf dem Typhus-Präparat B-1034, das MedizinerInnen im Auftrag des Leverkusener Pharma-Riesen an den Inhaftierten ausprobierten, nachdem sie ihre Opfer mit dem entsprechenden Krankheitserreger infiziert hatten. Zwei Spritzen erhielt der damals 7-Jährige, eine dritte hätte er nach eigenem Bekunden nicht überlebt. Noch jetzt leidet Eugen Muszynski an den Spätfolgen der KZ-Zeit und ist zu 100 Prozent schwerbehindert. Und während seine Peiniger ihre Karrieren in der Nachkriegszeit zumeist rasch fortsetzen konnten, muss er von 600 Euro Rente leben. Da halfen ihm die vom Entschädigungsfonds der deutschen Wirtschaft für sein dreijähriges Martyrium in Auschwitz zugesprochenen 7.500 Euro nicht viel weiter - als blanken Hohn bezeichnet Muszynski diese Summe. Deshalb erkundigte er sich auch im Namen seiner Leidensgenossen, die sich oft in einer ähnlich prekären sozialen Lage befinden: “Was können wir als Opfer erwarten vom Konzern?„. Diese Frage hatte er dem Unternehmen bereits mehrfach in Briefform gestellt und bekam darauf in Köln ebenso wenig eine befriedigende Antwort wie früher.
Weil sich das Grauen der Konzentrationslager nur schwer in Worte fassen lässt, hielt Eugen Muszynski zum Schluss schweigend ein Foto hoch, das vier bis auf die Knochen abgemagerte KZ-Insassen zeigte. Beklommende Stille breitete sich unter den mehr als 4.000 AktionärInnen aus. Ein Fall für die Saal-Regie. Zunächst fuhren die Kameras, welche die RednerInnen filmten und sie im Großformat auf den beiden links und rechts des Podiums angebrachten Videoleinwänden zeigten, noch auf Muszynski zu, um das Foto größer ins Bild zu bekommen. Als den TechnikerInnen aber gewahr wurde, was sich ihnen da vor der Linse an Grauen präsentierte, spielten sie sofort unverfänglichere Aufnahmen ein. Trotzdem dauerte es eine ganze Weile, ehe der Versammlungsleiter Manfred Schneider es wagte, wieder zur Tagesordnung überzugehen. Auch Werner Wenning sah sich später in seiner Antwort auf den Beitrag zunächst gezwungen, zu einem anderen Ton als dem zu greifen, mit dem er sonst die Konzern-KritikerInnen abzufertigen pflegte. “Erlauben Sie mir ein paar persönliche Bemerkungen„, hob er an, “Ich bedauere ihr persönliches Schicksal sehr. Niemand kann ermessen, wie prägend die Erlebnisse gewesen sein mögen„. Nach dieser routiniert-leutselig absolvierten Pflichtübung zeigte der BAYER-Chef aber einen noch unverantwortlicheren Umgang mit der Unternehmensgeschichte als seine Vorgänger. Er stellte nicht nur klar, BAYER sei mit den IG FARBEN nicht gleichzusetzen und kein Rechtsnachfolger des Mörder-Konzerns, er leugnete mit dem Verweis auf die Freisprüche im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess auch noch die Schuld der in Menschenversuche verwickelten BAYER-Pharmakologen. Die RichterInnen setzten damals viele Angeklagten auf freien Fuß, weil im Zuge des Kalten Krieges mit der Sowjetunion ein neuer Feind am Horizont erschienen war und damit plötzlich Milde gegenüber den alten Bösen opportun wurde. Wenning zitierte aus dem Urteil: “Die Annahme, dass die Angeklagten mit den SS-Ärzten, die diese verbrecherischen Handlungen begingen, unter der Decke gesteckt haben, wird durch die Tatsache widerlegt, dass die I. G. die Versendung der Medikamente eingestellt hat, sobald der Verdacht eines gesetz- und standeswidrigen Verhaltens der Ärzte auftauchte„. “Eine Feststellung„, kommentierte der Publizist Ernst Klee in seinem Buch “Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer„, “die den in Nürnberg vorliegenden (...) Dokumenten widerspricht: Die Versendung der Präparate endete bei Kriegsende„.
Kinderarbeit
Zu den traurigsten aktuellen Kapiteln im “Schwarzbuch BAYER„ gehört das über die Kinderarbeit bei den Zulieferern der indischen Saatgut-Tochter PROAGRO. Über 1.500 Minderjährige leisten derzeit Frondienste auf den Feldern, berichtete Manfred Belle vom EINE-WELT-NETZWERK NRW und kritisierte: “Verantwortung kann nicht am Fabriktor enden„. Bereits seit zwei Jahren versichert der Leverkusener Multi, seine Geschäftspolitik ändern zu wollen. Geschehen ist bisher allerdings nichts. Deshalb wirft der neue Anlauf, den das Unternehmen nun mit seinem “Aktionsplan„ startet, für Belle auch einige Fragen auf. Der Konzern beabsichtigt, sich - wegen der angeblich unübersichtlichen Lage auf dem Kinderarbeitsmarkt - auf einige wenige Dörfer zu konzentrieren und den dortigen FarmerInnen Bonuszahlungen für den Verzicht auf die Beschäftigung von Nicht-Volljährigen in Aussicht zu stellen. Zudem plant der Agro-Riese ein Programm zur Förderung der Schulbesuche. Ob es sich dabei um Potemkinische Dörfer handelt, bloße Vorzeigeprojekte, die den Blick auf die ansonsten weiterhin flächendeckend betriebene Ausbeutung von Kindern verstellen soll oder ob von den Mustersiedlungen wirklich eine Signalwirkung ausgehen wird, bleibt fraglich. Manfred Belle machte die Erfolgsaussichten in seiner Rede von ganz konkreten Bedingungen abhängig: “Reichen die Bonus-Zahlungen aus?„, gab er etwa zu Bedenken. Darüber hinaus nannte er höhere Saatgut-Abnahmepreise sowie das Garantieren von Mindestlöhnen für Erwachsene als conditio sine qua non für das Gelingen des Aktionsplans. Zudem forderte er BAYER auf, eine wirksame Überprüfung des Erreichten zu ermöglichen. In seiner Antwort sagte Werner Wenning zu, unabhängigen BeobachterInnen künftig die Namen der Orte zu nennen und die bisher praktizierte Verweigerungshaltung aufzugeben. In Sachen “Preise„ blieb er allerding unnachgiebig und behauptete, BAYER zahle bereits “faire Abnahmepreise, die zur Entlohnung erwachsener Arbeit gedacht waren„. Desweiteren besaß er die Dreistigkeit, den Konzern als einen Entwicklungshilfe betreibenden “Vorkämpfer„ gegen die Ausbeutung von Kindern darzustellen. Die Ursachen für diese sah der Vorstandsvorsitzende nämlich nicht in der kapitalistischen Weltwirtschaft und der Abhängigkeit der “Dritten Welt„ von der “Ersten Welt„, sondern in der kulturellen Eigenart des Landes. Die Kinderarbeit sei ein “tief in der indischen Gesellschaft verwurzeltes System„, dozierte der Hobby-Kulturwissenschaftler. Aus solchem Denken dürfte nur schwerlich das “Verantwortliche Handeln„ erwachsen, das der Konzern in seinen Hochglanz-Broschüren so gerne für sich in Anspruch nimmt.
Verbrechen ...
Kriminelles Handeln fällt dem Konzern da leichter. Ralf-Jochen Ehresmann von der PDS schlug vor den AktionärInnen die “Akte BAYER„ auf. Mit vier Verfahren wegen illegaler Preisabsprachen bei Kunststoffen und Diagnose-Geräten war diese auch im Geschäftsjahr 2004 wieder gut gefüllt. Über 100 Millionen Dollar Strafe musste das Unternehmen dafür zahlen. Wenning zeigte sich Ehresmann gegenüber geläutert: Der Vorstand bedauere die Rechtsverstöße ausdrücklich und habe die verantwortlichen Mitarbeiter entlassen. Trotz der Reumütigkeit und des Bauernopfers stehen die Resozialisierungschancen aber nicht allzu gut - das Strafregister in Sachen “Kartell-Bildungen„ ist mittlerweile einfach zu lang.
Mit anderen Gesetzen steht der Multi ebenfalls auf Kriegsfuß. So opponiert er bereits seit Jahren gegen die REACH genannte Chemikalien-Verordnung der EU, welche die Unternehmen zur Überprüfung vorher nie auf ihre gesundheitsschädliche Wirkung hin untersuchter Substanzen verpflichten will. Was “Die Chemie - das unbekannte Wesen„ im Alltag so alles anrichtet, schilderte Daniela Rosche von WOMEN IN EUROPE FÜR A COMMON FUTURE (WECF): Lösemittel beeinträchtigen die kognitive Entwicklung von Kleinkindern, Weichmacher wirbeln das Hormonsystem von Menschen und Tieren durcheinander, Zusatzstoffe in Lebensmitteln lösen Allergien aus, Plaste & Elaste in Autoinnenräumen verursachen Kopfschmerzen und Augenbeschwerden. In REACH sieht Rosche die einmalige Chance, solche “Nebenwirkungen„ zukünftig auszuschließen. Der “enorme Druck„, den BAYER & Co. entfalteten, um die Vorlage mehr und mehr aufzuweichen, empörte sie deshalb maßlos. “Warum setzen Sie sich gegen Fortschritte ein?„, wollte sie vom Vorstandsvorsitzenden wissen und “Ist ihnen die Gesundheit ihrer Familie und ihrer Mitarbeiter egal?„
Auf die erste Frage - aber auch nur auf diese - gab Wenning eine klare Antwort: Weil REACH die gesamte Industrie belastet und nicht dazu geeignet ist, das Bruttosozialprodukt zu steigern. Er entwarf ein Horrorszenario, prophezeite das Aus für Teile des Sortiments und sprach von einer “Innovationsbehinderung„ durch die Chemikalien-Verordnung. “Das System muss extrem vereinfacht werden, wenn nicht weitere Standort-Nachteile entstehen sollen„, forderte er. Der Konzern-Boss versteht das ganze Aufheben sowieso nicht, denn für ihn stimmt die Chemie. “Die BAYER-Produkte haben ein größtmögliches Maß an Sicherheit„, bekräftigte er.
... und andere Kleinigkeiten
Wie ungenügend dieses “größtmögliche Maß an Sicherheit„ sein kann, führte der Imker Fridolin Brandt den HV-BesucherInnen anhand seiner Berufspraxis vor Augen. Er verlor zahlreiche Bienenvölker, weil sie auf Sonnenblumen-Feldern Pollen und Blütenstaub sammelten, welche die LandwirtInnen mit dem BAYER-Gift GAUCHO eingedeckt hatten. “Die Geschäftserfolge gehen zu Lasten der Umwelt„, resümierte der Vize-Präsident des EUROPÄISCHEN IMKERBUNDES deshalb. Das sah der Konzern anders: Er gab der angeblich unprofessionellen Arbeit der BienenzüchterInnen die Schuld am Desaster.
Obwohl das französische Landwirtschaftsministerium die Ausbringung des Saatgutbehandlungsmittels nicht nur auf Sonnenblumen-Pflanzungen wegen seiner Bienengefährlichkeit längst verboten hat, leugnete der BAYER-Boss diesen Zusammenhang in seiner Antwort auf die “Brandrede„ immer noch und zauberte stattdessen zusätzliche Alternativ-Erklärungen aus dem Hut. Er zitierte eine ominöse Entlastungsstudie in Sachen “GAUCHO„ herbei, präsentierte mit einer Milbe einen weiteren Tatverdächtigen für den Tod der Bienen und sprach desweiteren von “vielschichtigen Ursachen„. Werner Wenning betätigte sich de facto als Nebelwerfer, warf sich aber in die Pose des Aufklärers, der gemeinsam mit den Imkerverbänden - zufälligerweise nicht mit dem EUROPÄISCHEN IMKERBUND - der Wahrheit auf die Spur kommen will. “Sie sehen Herr Brandt, es wird viel unternommen, um die wahren Gründe zu erforschen„, versicherte er in jovialem Ton.
Eine weitere Rednerin nahm sich des Schicksals derjenigen Tiere an, die zu Tausenden in den BAYER-Laboren sterben. “Ich sage ihnen, wenn Sie Leben töten müssen, um Leben zu erhalten, wird nichts dabei herauskommen„, beschwor sie den Vorstandsvorsitzenden. Darüber hinaus brachte die Aktivistin vom EINE-WELT-NETZWERK NRW Einwände aus wissenschaftlicher Sicht gegen die am “Tiermodell„ gewonnenen Erkenntnisse vor; viele ForscherInnen äußern nämlich Zweifel an deren Übertragbarkeit auf den Menschen. Der BAYER-Chef machte es sich in seiner Reaktion auf die Kritik leicht. Der Gesetzgeber schreibe Tierversuche vor, ansonsten führe der Konzern seine Experimente mit “Verantwortung auch für das Tier als Mitgeschöpf„ durch, so seine knappe Replik.
Sorglose Entsorgung
Tod am Anfang der Produkt-Entwicklung, Tod durch das Erzeugnis selber - und noch das Ende der Produktionskette hat es in sich. Es bleibt dabei nämlich eine Vielzahl giftiger Substanzen übrig. Jahrzehntelang hat der Multi sie einfach sorglos auf dem Dhünnaue-Areal entsorgt, bis es zur größten Giftmüll-Deponie Europas heranwuchs. Hunderttausende Tonnen gefährlicher Stoffe von Schwermetallen bis zu Chromverbindungen lagerten dort schließlich. Über die Folgen berichtete Hubert Ostendorf vom Vorstand der CBG: Im Umkreis des Geländes stiegen die Krebsraten exorbitant an. Erst nach massiven Druck der CBG und anderer Organisationen erkannte BAYER Handlungsbedarf - jedenfalls ein bisschen. Der Konzern nahm nämlich keine Sanierung vor, er entschloss sich zu der billigeren und ökologisch fragwürdigeren Variante einer bloßen Sicherung. So umgeben nun nach oben und zu den Seiten hin Betonwände die Altlast. Aber nach unten hin ist alles offen, was die Deponie buchstäblich zu einem Fass ohne Boden macht. Wie Ostendorf ausführte, muss der Agro-Riese deshalb stündlich 750 Kubikmeter verseuchtes Wasser abpumpen und im werkseigenen Klärwerk reinigen. Da tat eine kosmetische Operation not: BAYER und die Stadt Leverkusen kamen überein, auf dem Gelände die Landesgartenschau auszurichten. “Gras über den Skandal wachsen„ lassen, nannte der CBGler das treffend. Er forderte eine vollständige Sanierung der Dhünnaue auf Kosten des Konzerns und trat für die Errichtung eines Gedenksteins für die Gift-Opfer ein. “Die LAGA hat nur dann eine Berechtigung, wenn sie an den Giftmüll erinnert„, sagte Hubert Ostendorf am Ende seiner Rede.
Da stimmte Werner Wenning nicht mit ihm überein. “Das Sicherheitskonzept ist abgestimmt„, verkündete er und pries die Gartenkunst am Giftmüll. “Wir sind stolz darauf, dass die Stadt Leverkusen auf dem Gelände der ehemaligen Deponie eine Landesgartenschau veranstaltet„, sprach der Ober-BAYER.
Von Südafrika bis Ohio - Fatal global
CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes unternahm es in seinem Beitrag schließlich, die Anliegen derjenigen gegen die Unternehmenspolitik aktiv gewordenen Gruppen zu vertreten, die nicht nach Köln reisen konnten. Im Namen der US-Sektion des PESTIZID-AKTIONS-NETZWERKES (PAN), die das von der Weltgesundheitsorganisation WHO in die höchste Gefahrenklasse eingeordnete Pestizid LINDAN in den Mittelpunkt einer Kampagne stellte, fragte Mimkes: “Will BAYER die LINDAN-Zulassung zurückziehen?„. Als “traurige Ironie„ bezeichnete er es, dass das durch den Holzgifte-Skandal mit seinen unzähligen Opfern berühmt-berüchtige Mittel sich seit dem Erwerb der US-Firma GUSTAFSON wieder im Sortiment von BAYER befindet. Wenning antwortete, der Konzern habe über die Zukunft der Agrochemikalie noch nicht entschieden, ließ aber nichts auf LINDAN kommen, es bestehe “keine Gefahr für Mensch und Umwelt bei sicherer Anwendung„.
“Keine Gefahr für Anwohner und Öffentlichkeit„ geht ihm zufolge auch von dem im südafrikanischen Durban gelegenen Werk aus, obwohl die Mess-Daten eine Besorgnis erregende Belastung mit Chrom im Umkreis der Niederlassung ausweisen. Die Behörden mussten die Menschen sogar eindringlich davor warnen, das Wasser aus den Brunnen in BAYER-Nähe zum Trinken oder Kochen zu nutzen. Laut Werner Wennings Ferndiagnose waren sie aber “zu keinem Zeitpunkt einer gesundheitsgefährdenden Konzentration ausgesetzt„.
Die von Philipp Mimkes zur Sprache gebrachten Störfalle bei der Firmen-Niederlassung in Addyston - die CBG-Kooperationspartner vor Ort zählten 107 Störfälle im Jahr - rangen dem Vorstandsvorsitzenden immerhin das Zugeständnis ab, die “hohen Sicherheitsstandards weiter optimieren„ zu wollen.
Würde sich ein solcher Unfall in der BAYER-Anlage bei Institute/USA ereignen, so wäre eine Katastrophe zu befürchten. Dort lagert mit Methyl Isocyanat (MIC) nämlich die Chemikalie, die das Unglück von Bhopal ausgelöst hat. Im Falle einer Freisetzung sieht die US-Umweltbehörde EPA das Leben von 300.000 Menschen gefährdet. Dieses “worst case scenario„ hat die Bürgerinitiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC auf den Plan gerufen. Stellvertretend für die Gruppe wandte sich der CBG-Geschäftsführer an den Vorstand und erkundigte sich danach, warum der Konzern solch hoch gefährliche Stoffe überhaupt lagert, statt auf eine Produktionsweise umzustellen, die ohne eine solche Vorratshaltung auskommt. Werner Wenning ging darauf nicht ein. Zwischen MIC und MIC “eine Verbindung herzustellen, ist abwegig„, meinte er, weil es sich um verschiedene Anlagen-Typen handele.
Beschränkte sich der Vorstandsvorsitzende in Köln darauf, knappe, ausweichende oder beschwichtigende Antworten zu geben, so reagierte er auf einen im Januar von der COORDINATION verfassten Offenen Brief überhaupt nicht. Die CBG bat darin um Angaben darüber, wieviele BAYER-Bedienstete Mandate in politischen Gremien von Stadträten über Kreis- und Landtage bis hin zum Bundestag wahrnehmen und sich nach dem Motto “Wes' Brot ich ess, des Lied ich sing„ politisch engagieren. Mimkes fragte noch einmal nach, warum der Konzern trotz seiner immer wieder signalisierten Dialog-Bereitschaft eine Erwiderung schuldig blieb und forderte Wenning auf, nun auf der Hauptversammlung die konkrete Zahl zu nennen. Der Große Vorsitzende tat es nicht und begründete die Blockadehaltung damit, die CBG sei nicht an einem “konstruktiven Dialog„ interessiert, würde nur nach Anhaltspunkten für eine Kampagne suchen und dann “Agitation pur„ betreiben.
26 Millionen gegen BAYER
Als “Agitation pur" empfanden viele AktionärInnen die Gegenreden von Philipp Mimkes und den neun anderen Konzern-KritikerInnen jedoch offenbar nicht. Bei der abschließenden Abstimmung über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat machten sie nämlich mit einem Misstrauensvotum auf sich aufmerksam. BesitzerInnen von über 26 Millionen BAYER-Papieren stimmten gegen die Erhöhung der Aufsichtsratsbezüge - ca. 10 Prozent! - und HalterInnen von 3,8 Millionen Aktien enthielten sich bei diesem Tagesordnungspunkt. Ein solches Ergebnis überrascht umso mehr, als die Großbanken einen Großteil der Stimmrechte wahrnehmen und so bisher immer für Zustimmungsquoten von 99 Prozent plus X gesorgt hatten. Nun hatten Wenning und Co. die angeblich so unverständliche Diskussion um die Umtriebe des Kapitals einmal in der Sprache präsentiert bekommen, die sie blendend verstehen: die der Zahlen. Und das stimmt optimistisch für die weitere konzern-kritische Arbeit.
Pressemitteilung vom 23. Februar 2005
Lanxess-Werk in Addyston/USA: Anwohner protestieren gegen Störfälle und Luftverschmutzung
Amerikanische Umweltverbände protestieren gegen Emissionen des Chemiewerks Addyston im Bundesstaat Ohio. In der Fabrik wurden in den letzten neun Jahren 63 Unfälle mit giftigen Chemikalien gezählt. Auch im „Normalbetrieb“ emittiert das Werk hohe Mengen Schwefeldioxid, Stickoxide, Kohlenmonoxid und Feinstäube - pro Jahr mehr als 700 Tonnen. Die Kunststoff-Fabrik wurde 1996 von der BAYER Corporation übernommen. Nach der Ausgliederung der Chemie-Sparte des Konzerns im vergangenen Herbst gehört es nun zur Lanxess AG.
Die Proteste in Addyston kulminierten, als Lanxess im Dezember einräumen musste, dass bei einer Störung im Oktober eine halbe Tonne Acrylnitril ausgetreten war. Obwohl zur selben Zeit in unmittelbarer Nähe ein Volksfest mit hunderten von Besuchern stattfand, wurde die Öffentlichkeit erst Wochen später informiert. Acrylnitril ist krebserzeugend und kann die Lungen- und Nervenfunktion schädigen. Im Dezember traten bei einem weiteren Störfall erneut 700 Pfund der Chemikalie aus. Eine großräumige Untersuchung der Gesundheit der Bevölkerung fand erneut nicht statt.
Ruth Breech von Ohio Citizen Action, einem Umweltverband mit mehr als 100.000 Mitgliedern: „Das Werk befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft von einem Kindergarten und einer Grundschule. Allein im letzten halben Jahr gab es 16 Unfälle, neun Mal traten giftige Chemikalien aus.“ Breech fordert die Firma auf, die Kontamination der Umgebung zu stoppen und die Kommunikation mit der Nachbarschaft zu verbessern. Mitglieder des Verbands sandten rund 11.000 Briefe an das Unternehmen und forderten ein Ende der Verschmutzung von Luft und Wasser. Auch die US-Umweltbehörde EPA nahm eine Untersuchung des Werks vor.
Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die Vernachlässigung von Gesundheit und Umwelt zugunsten von Konzernprofiten hat bei BAYER und LanXess System. Durch die angekündigten Sparmaßnahmen wird die Sicherheitslage in den Lanxess-Werken voraussichtlich noch prekärer. Die Produktion gefährlicher Stoffe wie Acrylnitril oder Phosgen hat nichts in der Nähe von Wohngebieten zu suchen“. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert einen Ausstieg aus der Chlorchemie. Der Verein hat in den vergangenen 25 Jahren eine endlose Liste von Unfällen und Beinahe-Katastrophen bei Bayer dokumentiert.
Ruth Breech, Ohio Citizen Action: rbreech@ohiocitizen.org, www.ohiocitizen.org
Presseerklärung vom 31. Januar 2005
LanXess-Börsengang - „Klassenkampf von oben“
Der BAYER-Konzern und die BAYER-Aktionäre bereichern sich schamlos, die LanXess-Belegschaft muss bluten.
Am heutigen Vormittag demonstrieren vor der Frankfurter Börse die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) und die „Ordensleute für den Frieden“. Direkt bei den symbolträchtigen Skulpturen „Bulle und Bär“. Sie protestieren gegen den gleichzeitig stattfindenden Börsengang des neuen LanXess-Konzerns.
Axel Köhler-Schnura, Mitglied des Vorstand der CBG, stellt fest: „Der Börsengang des ehemaligen Chemiebereichs des BAYER-Konzerns als LanXess ist Klassenkampf von oben. Eine Kampfansage an die BAYER- und LanXess-Belegschaften.“ Die Initiative „Ordensleute für den Frieden“ fordert: „Die Macht des Geldes durchkreuzen“.
Der BAYER-Konzern bereichert sich, weil im Rahmen der Abspaltung der neuen Firma im Jahr 2004 Schulden und Bilanzabwertungen von mehr als 2 Mrd. Euro aufgebürdet wurden. Der LanXess-Verlust erhöhte sich so innerhalb eines halben Jahres von 58 Mio. Euro auf 1 Mrd. Euro.
Die BAYER-Anteilseigner bereichern sich, weil sie sich auf je 10 BAYER-Aktien eine LanXess-Aktie zugeschustert haben. Ein Geschenk von ca. 73 Mio. Aktien im Vorbörsenwert von etwa 1 Milliarde Euro. So funktioniert Umverteilung von unten nach oben.
Bluten muss für diese Extra-Profite die derzeit noch(!!) 20-Tsd.-köpfige Belegschaft. LanXess-Chef Axel Heitmann kündigte für 2005 „Einsparungen“ von 20 Mio. Euro an und „möchte die schlechten Geschäfte eher wegschneiden“. LanXess-Vorstandsmitglied Ulrich Koemm ergänzt: „30 Prozent der Geschäfte (haben) keine strategisch haltbare Position.“
Damit droht Tausenden von Arbeitsplätzen die Vernichtung. Axel Köhler-Schnura (CBG): „Angesichts der erdrückenden Schuldenlast ist jeder dritte, wenn nicht gar zweite LanXess-Arbeitsplatz in akuter Gefahr.“
Bereits auf der außerordentlichen Hauptversammlung der BAYER-Aktionäre am 17. November 2004 wies die CBG darauf hin, dass dieses sogenannte Spin-off nur einem dient: Dem Profit des BAYER-Konzerns und der Aktionäre. Der Gegenantrag der CBG, dem mehr als eine Million Aktien zustimmten, findet sich im Internet. Auch die Rede von Köhler-Schnura ist dort nachzulesen.
Die LanXess-Belegschaft hat erkannt, was auf sie zukommt. An allen deutschen Standorten demonstrierten in den ersten Januar-Wochen die Arbeiter und Angestellten. Die Unruhe in den Werken nimmt deutlich zu.
Auch der Dachverband der Kritischen Aktionäre und AktionärInnen kritisiert das üble Spiel bei LanXess. Henry Mathews, Geschäftsführer des Dachverbandes kündigte an: „Wenn der LanXess-Vorstand als erste Maßnahme tausende Arbeitsplätze vernichtet und umweltschädliche BAYER-Produktionen fortsetzt, müssen wir diese neue Firma langfristig intensiv beobachten.“
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren lehnt den Börsengang kategorisch ab. Sie fordert den vollständigen Erhalt aller Arbeitsplätze und unterstützt die Forderungen der Belegschaften. Es darf keine keine Schlechterstellung der LanXess-Beschäftigten gegenüber den BAYER-KollegInnen geben. Die CBG kritisiert zudem, dass der neue LanXess-Konzern die Produktion gefährlicher Chemikalien wie Weichmacher, Phosgen und Chlorbenzole fortführt. Seit Jahrzehnten stehen diese bislang von BAYER hergestellten Stoffe im Kreuzfeuer weltweiter Kritik. Nun soll bei LanXess erneut damit Profit gemacht werden. Auf Kosten der Umwelt und der Gesundheit. Eine mehr als ignorante Haltung, die die Lernunfähigkeit der chemischen Industrie ein weiteres Mal unter Beweis stellt. Die CBG bleibt bei ihrer Forderung nach einem sofortigen Ausstieg aus der Chlorchemie.
Gerne senden wir Fotos von der Aktion zu
Presseerklärung vom 25. Januar 2005
Public Eye Awards für unverantwortliches Konzernverhalten
Übergabe in Davos parallel zur Eröffnung des Weltwirtschaftsforums / BAYER-Konzern nominiert
Am morgigen Mittwoch werden in Davos erstmals die Public Eye Awards für unverantwortliches Konzernverhalten vergeben. Der Preis wird in den Kategorien Menschenrechte, Umwelt, Arbeitsrechte und Steuern vergeben. Nominiert sind rund zwanzig Konzerne, die sozial und ökologisch verantwortliches Verhalten vermissen lassen. Die Verleihung findet zeitgleich zur Eröffnung des Weltwirtschaftsforums in Davos statt.
Zu den nominierten Unternehmen gehört auch der deutsche BAYER- Konzern. Ihm werden Kartellabsprachen, Vermarktung hochgefährlicher Pharmaprodukte und Pestizide, Diffamierung von Kritikern, Duldung von Kinderarbeit bei Zulieferern, Betrug am amerikanischen Fürsorgeprogramm MediCare sowie Rohstoffbeschaffung aus Kriegsgebieten vorgeworfen. Die vollständige Nominierung kann im Internet abgerufen werden.
Bereits zum sechsten Mal findet in Davos parallel zum Weltwirtschaftsforum der Kongress Public Eye statt. Dort wird anhand von Fallbeispielen auf die Notwendigkeit einer wirksameren Regulierung wirtschaftlicher Aktivitäten aufmerksam gemacht. Weitere Kandidaten für die Public Eye Awards sind BP, Dow Chemical, Monsanto, Nestlé, Shell, Syngenta, Tchibo, Wal-Mart und Vodafone.
Axel Köhler-Schnura von der Coordination gegen BAYER-Gefahren, die den BAYER-Konzern seit 25 Jahren überwacht: „Codes of Conduct und andere Selbstregulierungsmaßnahmen reichen nicht aus, um Menschenrechte, Arbeitsrechte und Umweltschutz gegen die Allianz aus Wirtschaft und Politik durchzusetzen. Die Diktatur der Profite muss gebrochen werden zugunsten der Rechte von Menschen und Umwelt. Konzerne müssen unter demokratische Kontrolle und Überwachung gestellt werden.“
Presseerklärung vom 20. Januar 2005
Nazi-Demonstration in Leverkusen am 29. Januar
„Polizei muss strafbare Handlungen vor Ort unterbinden“
Erneut haben Neonazis in Leverkusen eine Kundgebung angemeldet - ausgerechnet unter dem Rosa Luxemburg-Motto „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“. Für die Demonstration am 29. Januar mobilisieren die rechtsextremen Gruppierungen Leverkusener Aufbruch und Aktionsbüro Westdeutschland sowie der Bergheimer Neonazi Axel Reitz. Antifaschisten kündigten Gegenaktionen an.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert die Polizei auf, gegen Rechtsverstöße während der Demonstration vorzugehen. Philipp Mimkes von der CBG: „Slogans wie Die schönsten Nächte sind aus Kristall oder Ruhm und Ehre der Waffen-SS stellen eine Billigung von Straftaten und eine Störung des öffentlichen Friedens dar. Die Polizei muss solche strafbaren Handlungen direkt vor Ort unterbinden“. Die CBG fordert zudem schärfere Auflagen: „Die Gerichte müssen ein eindeutiges Verbot der Glorifizierung und Verharmlosung des Dritten Reichs aussprechen“, so Mimkes weiter.
Bereits am 9. November waren Rechtsextreme durch Leverkusen marschiert. Der Kölner Anwalt Eberhard Reinecke hatte daraufhin für die Coordination gegen BAYER-Gefahren Strafanzeige gegen die Organisatoren gestellt. In der Anzeige hieß es, „mit dem Sprechchor sind die früher als “Reichskristallnacht„ verharmlosend titulierten Progrome, angefangen vom Landfriedensbruch bis hin zu Totschlag und Mord, gemeint. Wer also ruft “Die schönsten Nächte sind aus Kristall„, bringt seine Billigung mit den am 9.11.1938 stattgefundenen schweren und schwersten Straftaten zum Ausdruck“.
Die CBG weist auch darauf hin, dass in den letzten Jahren mehrfach Mitarbeiter des BAYER-Werks Leverkusen offen für rechtsextreme Ziele warben:
* Dr. Hans-Ulrich Höfs, Abteilungsleiter bei BAYER in Leverkusen und Sprecher des Krefelder Forum Freies Deutschland, das regelmäßig in den Berichten des Verfassungsschutzes NRW auftaucht. Höfs gründete in Krefeld die Republikaner und gehörte zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs „Ja zu Deutschland - Ja zur NPD“.
* Hans-Dieter Stermann, Sprecher der rechten Leverkusener Offensive.
* Ein Mitarbeiter von BAYER CROPSCIENCE wirbt offen (sogar von seinem Arbeitsplatz aus) für die rechtsextreme Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo).
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert den BAYER-Konzern auf, aktiv gegen rechtsextreme Propaganda im Betrieb vorzugehen. Der Verein fordert zudem eine angemessene Entschädigung aller IG FARBEN-ZwangsarbeiterInnen und ihrer Hinterbliebenen durch die IG FARBEN sowie ihrer Nachfolgefirmen.
Rechtsanwalt Eberhard Reinecke: Tel. 0221-9215 130
Fax. 0221-9215 139
Coordination gegen BAYER-Gefahren: Tel. 0211-333 911
Pressemitteilung vom 12. Januar 2005
Studienergebnisse aus Japan zu Glufosinat:
BAYER-Pestizid gefährdet kindliche Entwicklung
Japanische Wissenschaftler warnen vor Risiken des von der Firma BAYER vertriebenen Pestizids Glufosinat. Dr. Yoichiro Kuroda vom Tokyo Metropolitan Institute for Neuroscience kommt in der Fachzeitschrift Kagaku zu dem Ergebnis, dass Glufosinat die Entwicklung des menschlichen Gehirns beeinträchtigen und Verhaltensstörungen hervorrufen kann.
„Wem die Gesundheit von Kindern am Herzen liegt, der sollte mit diesen Agrochemikalien sehr vorsichtig sein“, warnt Dr. Kuroda. „Das menschliche Gehirn ist während seiner Entwicklung sehr empfindlich. Die Chemische Industrie hat diese Risiken bislang nicht beachtet“. Kuroda leitet die von der japanischen Regierung finanzierte Untersuchung Effects of Endocrine Disrupters on the Developing Brain (Auswirkungen hormoneller Störungen auf die Entwicklung des Gehirns).
Glufosinat wird seit den 80er Jahren im Obst-, Wein-, Getreide- und Gemüsebau eingesetzt und gehört in Europa und den USA zu den meistverwendeten Herbiziden. Der Wirkstoff ist in den BAYER-Produkten Liberty und Basta enthalten, im vergangenen Jahr setzte BAYER hiermit knapp 200 Millionen Euro um. Das Unkrautbekämpfungsmittel wird von BAYER auch in Kombination mit gentechnisch verändertem Saatgut (Raps, Mais, Reis, Zuckerrüben) angeboten.
Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert den Konzern auf, die toxischen Analysen aller Chemikalien und Pestizide offen zu legen: „Es kann nicht angehen, dass Chemikalien über Jahrzehnte verkauft werden, ohne dass die Öffentlichkeit deren Risiken kennt. Das Beispiel Glufosinat zeigt, dass die Unternehmen notfalls gezwungen werden müssen, alle Substanzen auf Gesundheitsrisiken hin zu untersuchen und die Forschungsergebnisse frei zugänglich zu machen“.
Erst vor wenigen Monaten hatte BAYER eine juristische Schlappe erlitten, als die Firma den Umweltverband Friends of the Earth daran hindern wollte, Studienergebnisse über Risiken von Glufosinat zu veröffentlichen.
Weltweit ist BAYER der zweitgrößte Pestizid-Herstellern. Im Sortiment befinden sich auch extrem gefährliche Wirkstoffe wie Parathion, Monocrotophos, Fenamiphos und Aldicarb.
Pressemitteilung vom 6. Januar 2005
Offener Brief an den BAYER- Vorstandsvorsitzenden
Seit den 20er Jahren gibt es enge Beziehungen des BAYER- Konzerns zu Politikern und Abgeordneten. So wechselte der Leiter der Steuer- Abteilung des Unternehmens, Heribert Zitzelsberger, als Staatssekretär in das Finanzministerium und war dort maßgeblich für die Unternehmens- Steuerreform verantwortlich. Die BAYER-Justitiarin Cornelia Yzer wurde zunächst Bundestags-Abgeordnete und dann Staatssekretärin im Gesundheitsministerium. Zahlreiche Mitarbeiter des Konzerns wurden Abgeordnete und sogar Minister.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren nahm dies zum Anlass, den folgenden Brief an das Unternehmen zu senden:
Sehr geehrter Herr Wenning,
im Rahmen der Berichterstattung über geschäftliche Beziehungen von Industrie-Unternehmen und Abgeordneten möchten wir Ihnen die folgenden Fragen stellen:
* Welche Bundestags-, Europa- und Landtags-Abgeordnete haben in den letzten zehn Jahren ein Gehalt oder unregelmäßige Zuwendungen vom BAYER-Konzern bezogen? In welcher Höhe und für welche Tätigkeit?
* Welche der gegenwärtigen Bundestags-, Europa- und Landtags-Abgeordneten sind für die Dauer ihres Mandats vom BAYER-Konzern freigestellt worden?
* Welche ihrer Mitarbeiter haben Mandate in kommunalen Parlamenten? Erhalten diese Mitarbeiter einen Zeitausgleich oder eine zusätzliche finanzielle Unterstützung?
* Haben Sie Mitarbeiter für staatliche Einrichtungen (Behörden, Forschungseinrichtungen, Universitäten, etc) abbestellt?
Wir bitten um eine zeitnahe Beantwortung.
Mit freundlichen Grüßen,
Philipp Mimkes
Axel Köhler-Schnura
Coordination gegen BAYER-Gefahren
neue Studienergebnisse aus Japan:
BAYER-Chemikalien gefährden Entwicklung des Gehirns
von Philipp Mimkes
Japanische Wissenschaftler warnen vor chemischen Risiken für den Hormon-Haushalt. Dr. Yoichiro Kuroda vom Tokyo Metropolitan Institute for Neuroscience kommt in der Fachzeitschrift Kagaku zu dem Ergebnis, dass Polychlorierte Biphenyle (PCB) und das Pestizid Glufosinat die Entwicklung des menschlichen Gehirns beeinträchtigen und Verhaltensstörungen hervorrufen können. Beide Stoffe stammen aus dem BAYER-Labor.
„Wem die Gesundheit von Kindern am Herzen liegt, der sollte mit diesen Stoffen sehr vorsichtig sein“, warnt Dr. Yoichiro Kuroda. „Das menschliche Gehirn ist während seiner Entwicklung sehr empfindlich. Die Chemische Industrie hat diese Risiken bislang nicht beachtet“, so Kuroda weiter. Der Wissenschaftler vom Tokyo Metropolitan Institute for Neuroscience leitet die von der japanischen Regierung geförderte Untersuchung Effects of Endocrine Disrupters on the Developing Brain (Auswirkungen hormoneller Störungen auf die Entwicklung des Gehirns).
Polychlorierte Biphenyle sind eine aus rund 200 Einzelkomponenten bestehende Verbindungsklasse organischer Chlorverbindungen. Sie sind extrem langlebig und finden sich nahezu überall in der Natur - in Tiefseesedimenten ebenso wie im arktischen Eis. Laut den japanischen Studien wirken PCB wie „Pseudo-Hormone“ und verursachen dadurch Nervenschäden - dies führt bei Kindern zu niedrigerem IQ und Hyperaktivität. PCB, die in Kondensatoren, Baumaterialien und Farben verwendet wurden, sind seit 20 Jahren verboten. Noch immer finden sich aber große Mengen in öffentlichen Gebäuden und elektrischen Geräten. Die Firma BAYER gehörte jahrelang zu den größten Produzenten - nachdem die US-Konkurrenz die Herstellung eingestellt hatte, hatte das Unternehmen die Produktion sogar noch erhöht.
Glufosinat wird seit den 80er Jahren im Obst-, Wein-, Getreide- und Gemüsebau eingesetzt und gehört in Europa und den USA zu den meistverwendeten Herbiziden. Der Wirkstoff ist in den ebenfalls vom BAYER-Konzern vertriebenen Produkten Liberty und Basta enthalten. Im abgelaufenen Jahr setzte BAYER hiermit knapp 200 Millionen Euro um. Das Unkrautbekämpfungsmittel wird u.a. in Kombination mit gentechnisch verändertem Saatgut angeboten. Die sogenannte Herbizidresistenz hat BAYER in eine Vielzahl von Pflanzen eingebaut, darunter Raps, Mais, Reis, Zuckerrüben, Soja und Kartoffeln.
Umweltschützer fordern die Chemie-Industrie seit langem auf, die toxischen Analysen aller Chemikalien und Pestizide offen zu legen: „Es kann nicht angehen, dass Chemikalien über Jahrzehnte verkauft werden, ohne dass die Öffentlichkeit deren Risiken kennt. Das Beispiel Glufosinat zeigt, dass die Unternehmen notfalls gezwungen werden müssen, alle Substanzen auf Gesundheitsrisiken hin zu untersuchen und die Forschungsergebnisse frei zugänglich zu machen“, so Prof. Jürgen Rochlitz von der Deutschen Störfallkommission.
Erst vor wenigen Monaten hatte BAYER eine juristische Schlappe erlitten, als das Unternehmen den Umweltverband Friends of the Earth daran hindern wollte, Studienergebnisse über Risiken von Glufosinat zu veröffentlichen (SWB 3/2004). Der Konzern ist weltweit der zweitgrößte Pestizid-Herstellern, im Sortiment befinden sich u.a. extrem gefährliche Wirkstoffe wie Parathion, Monocrotophos, Fenamiphos und Aldicarb.
Wider den Götzendienst von Mammon, Macht, Krieg
Globalisierungskritik aus christlicher Sicht
„Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon“
Jesus von Nazareth (Mt 6,24; Lk 16,13)
Hier in Düsseldorf haben am 1. Dezember 2002 vier Gruppen in der Franziskaner-Kirche erstmals eine Bekenntnis-Liturgie gegen den Götzendienst von „Mammon-Macht-Krieg“ gefeiert. (vgl. www.ofdc.de) Mit diesen drei Stichwörtern möchte ich vorab meine Zeitansage markieren:
1. Mammon: Sämtliche Bereiche des Lebens auf diesem Planeten werden derzeit dem Profit-Prinzip untergeordnet. Alles im zwischenmenschlichen Bereich soll ein Preisschild bekommen. Öffentliche Aufgaben werden zum privatwirtschaftlichen Tummelplatz. Der Lebens-Code soll via Patentrecht zum Konzern-Eigentum werden. Das kulturelle Leben wird global gleichgeschaltet. Mit einer Art „spirituellen Manipulation“ reglementieren Konzerne sogar das Seelenleben der Menschen. Gepriesen wird allerorten das Individuum, und betrieben wird eine Gleichschaltung der KonsumentInnen, ein Kollektivismus der Megastufe.
2. Macht: Die enorme Konzentration wirtschaftlicher Macht zerstört - wie das Beispiel USA am deutlichsten zeigt - jedes Modell demokratischer Kontrolle. Auch hierzulande kann von einer freien Entscheidung der ParlamentarierInnen kaum noch die Rede sein. (Der verfassungswidrige Psycho-Terror gegen AbweichlerInnen vollzieht sich in aller Öffentlichkeit.) Bedroht sind damit also nicht nur die sozialen Grundrechte, sondern auch die bürgerliche Freiheit.
3. Krieg: Der Krieg als Mittel so genannter Politik wird in dreister Missachtung der UN-Charta allenthalben rehabilitiert, als habe man aus 200 Millionen Toten des 20. Jahrhunderts rein gar nichts gelernt: in den Militärdoktrinen der USA und Frankreichs, im Entwurf der EU-Verfassung, in den Verteidigungspolitischen Leitlinien Deutschlands ... Tausend Milliarden Dollar steckt man in einer Welt des Elends jährlich der Rüstungsindustrie und damit dem Militär in den Rachen.
Wir nennen diese drei Mächte „Götzen“ und meinen damit, dass sie sich absolut setzen - gegen alle Vernunft und gegen alle Fakten. Der Glaube an den freien Markt ist eine fundamentalistische Religion. Argumente braucht man nicht mehr. Dieser freie Markt funktioniert so gut, dass tausend Milliardäre inzwischen soviel besitzen wie die Hälfte der Menschheit auf der Verlierer-Seite. Alle wirklichen Probleme des Planeten bleiben ungelöst, weil sie sich mit dem Prinzip „Gier“ eben nicht lösen lassen. Und trotzdem verkünden die Herolde im Reich des Mammons: „Alles läuft bestens. Alles geschieht mit höchster Vernunft. Wir brauchen keine Alternative, und es gibt auch keine!“
Ich möchte dazu nur einen Aspekt unseres religiös motivierten Widerstandes benennen: In der jüdisch-christlichen Tradition verlangt das Vertrauen in Gott, dass nichts und niemand auf der Welt sich so absolut setzen darf. Gott aber definieren wir nicht, und wir besitzen ihn auch nicht. Wir deuten aber bestimmte Erfahrungen als seine Gegenwart. Etwa: Wenn Menschen die vorhandenen Güter so gebrauchen, dass es allen zum Leben verhilft; wenn Menschen ihr Zusammenleben nicht mittels Macht gestalten, sondern durch Dialog; oder: Wenn Menschen Konflikte gewaltfrei - ohne hochgerüsteten Egoismus - lösen. All diese Erfahrungen zeigen das genaue Gegenteil vom Herrschaftsbereich der Götzen Mammon-Macht-Krieg. Unser wichtigstes Kriterium: Götzen sind tot und bringen eine Kultur des Todes hervor. Gottes Gegenwart aber lässt uns lebendig werden und ermöglicht Leben.
Die frühen solidarischen Wirtschaftsgesetze der Bibel
Was nun ist aus unser Sicht zu sagen zu einer Reichtumsvermehrung, aus der nur eine ganze kleine Minderheit ihren Nutzen zieht? Die früheste Antwort darauf kommt von unserem älteren Bruder, dem Judentum. Sie besteht aus einer „Hausordnung der Thora“ (Franz Segbers), deren Teile man in den ersten Büchern der Bibel nachlesen kann. Seit dem achten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung gibt es im Alten Israel religiösen Widerstand gegen eine neu aufkommende Wirtschaftsform. Wenige Großgrundbesitzer werden u.a. mit Hilfe der neuen Geldwirtschaft immer reicher. Immer mehr Menschen verelenden und geraten in Schuld-Sklaverei. Im Gefolge der radikal sozialkritischen Propheten reagiert die biblische „Weisung“ darauf mit den ersten solidarischen Wirtschaftsgesetzen der Geschichte. Die Ausbeutung der VolksgenossInnen - zum Beispiel durch Zinswirtschaft - ist verboten. Die Rechte der Armen und Fremden sind unantastbar. Verschuldungsverhältnisse sind klar begrenzt. (Unser Wort „Jubel“ geht auf diesen erfreulichen Schulden-Erlass zurück.) Nach einer Weile muss armen Familien das Land zur Selbstversorgung zurückgegeben werden. Alleiniger Besitzer der Erde ist Gott. Die Menschen müssen den Gebrauch aller Güter der Erde so organisieren, dass alle leben können und niemand am Hungertuch nagt.
Jesus und die Gütergemeinschaft der ersten Christen
Für Jesus sind diese Grundregeln der jüdischen Gesellschaft selbstverständlich. Wenn den einen der Bauch platzt, während andere betteln müssen, dann ist etwas an der Wurzel faul. Jesus warnt gleichzeitig davor, aus dem Geld einen Götzen zu machen. Wer die Gier zum obersten Prinzip erhebt, der wird innerlich tot und kann nicht mehr menschlich leben. Die früheste christliche Gemeinde in Jerusalem hat das alles nach Auskunft der Apostel-Geschichte sehr ernst genommen. Die ersten Christen betrachteten allen Besitz als etwas Gemeinsames. (vgl. dazu meinen Beitrag in: Marxistische Blätter 5/2003) Überflüssige Immobilien wurden verkauft oder für Wohnungslose zur Verfügung gestellt. Die Gemeinschaft konnte Ausgleich organisieren, wenn es in ihrer Mitte Bedürftigkeit gab. Eigentum war natürlich erlaubt, doch man ging damit „verhältnismäßig“ um: Im Ernstfall galt das Elend des Ärmsten als das maßgebliches Kriterium. Wie die Juden meinten die ersten Christen: Erst wenn wir keine Elenden in unserer Mitte haben, kann man erkennen, dass wir unser Zusammenleben wirklich im Sinne Gottes gestalten. Paulus organisierte dann als erster grenzüberschreitende Solidarität. Er sagte: „So ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit.“
Der relative Eigentumsbegriff der Alten Kirche
Die Jerusalemer Tradition der Güter-Gemeinschaft hat sich noch eine Weile im transjordanischen Juden-Christentum gehalten, und prägte später das Mönchstum. Aus den ersten Jahrhunderten der Christenheit gibt es eine Fülle von Zeugnissen, die dem zitierten Grundsatz des Paulus treu bleiben. Ganz radikal bezeichnen die pseudo-clementinischen Homilien Eigentum als Diebstahl. Die so genannte Apostel-Lehre (90 n. Chr.) und der Barnabas-Brief (Anfang 2. Jh.) sagen, niemand solle seinen Besitz als uneingeschränktes Eigentum betrachten, solange es Bedürftige gibt. Clemens von Alexandrien (gestorben um 215) tröstet die Reichen: Auch Ihr könnt Erlösung finden, wenn Ihr Euer stattliches Kapital in den Dienst des allgemeinen Wohls stellt. Eine syrische Kirchen-Ordnung aus dem 3. Jahrhundert (Didaskalia) nennt klare soziale Kriterien: In Notlagen sollen die reichsten Gemeinde-Mitglieder entbehrliche Besitztümer verkaufen. Ausgebildeten und Arbeitsfähigen soll man Arbeit vermitteln. Arbeitsunfähige und Arbeitslose haben Anspruch auf solidarische Unterstützung.
Im Römischen Reich organisieren die reichen Oberschichten das ganze Imperium rücksichtslos nach ihren Interessen. Die Christen Kleinasiens betrachten dieses System schon im 1. Jahrhundert als Bestie, weil es mit MilitärGewalt alle Güter der Erde und auch Menschen als Handelsware für Rom reklamiert. Die Cäsaren halten sich derweil für Götter und ermorden Christen, wenn sie den römischen Standbildern kein Weihrauch opfern. Unter den bedürftigen Massen spricht es sich herum, dass die christlichen Gemeinden im Gegensatz zu den Machthabern Solidarität mit den Schwächsten ganz groß schreiben. Kaiser Julian klagt später: Die Christen „ernähren außer ihren Armen auch die unsrigen; die unsrigen aber ermangeln unserer Fürsorge!“
In dieser Zeit gilt es noch als unanständig, den Kirchen-Leitungen hohe Gehälter zu zahlen. Bischof Cyprian von Kathargo ( 258) lässt sich vom Grundsatz leiten „Kirchengut ist Armengut“. Sehr leidenschaftlich gegen Wucher und die eiskalten Reichen predigt der hl. Bischof Basilius in Kappadokien ( 379). Er selbst ist ursprünglich Großgrundbesitzer. Seine Ländereien verwandelt er in ein christliches Gemeinwesen. Zu Notzeiten organisiert er Hilfe auch für landfremde Flüchtlinge, Nichtchristen und Juden. Der hl. Ambrosius ( 410) warnt die Oberschicht vor selbstgerechter Nächstenliebe: „Es ist nicht dein Gut, mit dem du dich gegen den Armen großzügig erweist. Du gibst ihm nur zurück, was ihm gehört. Denn du hast dir herausgenommen, was zu gemeinsamer Nutzung gegeben ist. Die Erde ist für alle da, nicht nur für die Reichen.“
Exkurs: Christlicher Internationalismus
Der christliche Beitrag zur Globalisierungskritik heute ist notwendig internationalistisch. Die frühen Christen beschimpfte man als Vaterlandsverräter, weil sie der nationalen Identität betont wenig Wert beimaßen. Deutlich lässt Minucius Felix im dritten Jahrhundert den christlichen Kosmopolitismus in seinem Dialogwerk von Octavius formulieren: „Wir unterscheiden Stämme und Nationen; aber für Gott ist diese ganze Welt ein Haus.“ Zu dieser Zeit kann die vielgestaltige Weltkirche auf Seiten des Imperiums bereits als „Staat im Staate“ höchsten Argwohn auslösen. Widerwillig konstatiert - nach Eusebius - das Edikt des Galerius im Jahre 311, dass es den Christen tatsächlich gelungen sei, „die verschiedenen Völker zu einer relativen Einheit“ zu verbinden. Lactantius liefert in seinen vor 313 verfassten „Divinae Institutiones“ (VI.,6,19ff) eine glänzende christliche Kritik von Patriotismus und Nationalismus: „Was sind die Vorteile des Vaterlandes' anderes als die Nachteile eines zweiten Staates oder Volkes, das heißt das Gebiet auszudehnen, indem man es anderen gewaltsam entreißt, das Reich zu mehren, die Staatseinkünfte zu vergrößern? Alles dieses sind ja nicht Tugenden, sondern es ist die Vernichtung von Tugenden. Vor allem nämlich wird die Verbundenheit der menschlichen Gesellschaft beseitigt, es wird beseitigt die Redlichkeit, die Achtung vor fremdem Gut, schließlich die Gerechtigkeit selbst... Denn wie könnte gerecht sein, wer schadet, wer hasst, wer raubt, wer tötet? Das alles aber tun die, welche ihrem Vaterlande zu nützen streben.“ Die großen Staaten bezeichnet später noch Augustinus als „Räuberbanden“. Heute sind die Weltkirchen Anwalt einer rechtsstaatlichen Internationalen Ordnung und verurteilen jegliches Hegemonial-Bestreben.
Thomas Morus und die französische Nationalversammlung
Die praktische Kritik an rücksichtsloser Bereicherung ist in der ganzen Kirchen-Geschichte nie verstummt. Der englische Humanist und Staatsmann Thomas Morus (1478-1535), ein Heiliger der katholischen Kirche, stellt in seinem Werk „Utopia“ fest: „Wo es noch Privatbesitz gibt, wo alle Menschen alle Werte am Maßstab des Geldes messen, da wird es kaum jemals möglich sein, eine gerechte und glückliche Politik zu betreiben.“ Höchst realistisch und aktuell ist die folgende Wahrnehmung dieses Märtyrers: „Wenn ich alle unsere Staaten im Geiste betrachte und darüber nachdenke, so stoße ich auf nichts anderes, so wahr mir Gott helfe, als auf eine Verschwörung der Reichen, die den Namen und Rechtstitel des Staates missbrauchen, um für ihren eigenen Vorteil zu sorgen.“
Solche Einsichten konnten sich in den folgenden Jahrhunderten leider nicht durchsetzen. Die französische Nationalversammlung erklärt am 26. August 1789 allen Ernstes, das Eigentum sei „ein unverletzliches und heiliges Recht“. Die katholische Soziallehre kennt kein absolutes Recht
auf Privateigentum. Dieses liberalistische „Dogma“ hat z. B. die katholische Kirche bis zur Stunde hartnäckig abgelehnt, obwohl sie die anderen Menschen- und Freiheitsrechte der bürgerlichen Revolution heute ohne Vorbehalte verteidigt. Papst Paul VI verweist auf den vorrangigen gemeinsamen Gebrauch aller Reichtümer der Erde durch die Menschen: „Das Privateigentum ist also für niemand ein unbedingtes und unumschränktes Recht.“ (Populorum Progressio). In der gleichen Enzyklika verurteilt er scharf einen ungehemmten Kapitalismus, nach dem „der Profit der eigentliche Motor des wirtschaftlichen Fortschritts, der Wettbewerb das oberste Gesetz der Wirtschaft, das Eigentum an den Produktionsmitteln ein absolutes Recht, ohne Schranken, ohne entsprechende Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft“ darstelle. Bekannt ist dieser Papst ja vor allem wegen seiner Ablehnung der Antibaby-Pille. Viel wichtiger aber war für Paul VI der Grundsatz, „dass die Wirtschaft ausschließlich dem Menschen zu dienen hat“. Der derzeitige Papst Johannes Paul II hat diese Anschauungen in vollem Umfang übernommen (Rundschreiben: Laborem excercens, Solicitudo rei socialis; Centesimus annus). Gerne wird verschwiegen, dass er gleichermaßen Staatssozialismus wie Kapitalismus angeprangert. Wegen der „vorrangigen Achtung der menschlichen Arbeit“ (Laborismus) gibt es auch für ihn kein unantastbares „ausschließliches Recht des Privateigentums an den Produktionsmitteln“. Mit Blick auf zügellose Markt-Mechanismen spricht er von „Strukturen der Sünde“. Die kapitalistische Ideologie überlasse „ihre Lösung in einem blinden Glauben der freien Entfaltung der Markkräfte.“ Wo die Gier nach Profit Wirtschaft und Politik bestimmt, sieht Johannes Paul II „wahrhafte Formen von Götzendienst“ verborgen.
Die Globalisierungskritik des Papstes
Deutlich aktualisiert Johannes Paul II. den Internationalismus der katholischen Soziallehre mit Blick auf eine Globalisierung, die dem Ziel „Lebensmöglichkeiten für alle“ gerade nicht dient: Er verurteilt die „bösartige“ Ideologie des „materialistischen Konsums“, bei der „die negativen Auswirkungen auf andere Menschen für völlig unbedeutend gehalten werden“ und „Nationen und Völker das Recht auf eine Beteiligung an den Entscheidungen, die ihre Lebensweise oft so grundlegend verändern“, verlieren. Ihre Hoffnungen würden „grausam zerstört“ durch eine Markt-Ordnung, in der „politische und finanzielle Macht konzentriert sind“, während die Finanzmärkte unberechenbar fluktuieren und „Wahlen manipuliert werden können“. Zu den Kern-Elementen einer „neuen Vision weltweiten Fortschritts in Solidarität“ müssten Garantien für das „weltweite Gemeinwohl und die Ausübung ökonomischer und sozialer Rechte“ sowie die „nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft“ gehören. (Neujahrsbotschaft 1999; vgl. Chomsky: War against People 2001, 87). Im Hintergrund hört man das kleine Prophetenbuch Habakuk (2,5-8: Völker werden ausgeplündert, der große Reichtum vergießt Blut unter den Menschen und verübt Gewalttaten an Ländern und ihren Bewohnern.) Unmissverständlich angesprochen ist hier auch der von GlobalisierungskritikerInnen unermüdlich aufgezeigte Angriff auf Demokratie und Partizipation! Zwei grundlegende Negativ-Seiten sieht Johannes Paul II. im gegenwärtigen Globalisierungsgeschehen: Die kulturelle Vielfalt und Identität der Erdregionen wird zugunsten einer übergreifenden Profit-Kultur nivelliert. Gleichzeitig kommt es zu einer zunehmenden Entsolidarisierung innerhalb der Völkerwelt.
„Wirtschaft im Dienst des Lebens“
Ganz ähnlich wie der Papst verlangte bereits 1975 der ökumenische Weltrat der Kirchen als Hauptziel der Weltwirtschaftsordnung: „Niemand darf seinen Wohlstand vergrößern, solange nicht alle das Existenz-Minimum haben.“ Seit den 1980er Jahren gibt es eine breite ökumenische Bewegung für Gerechtigkeit, die derzeit um ein klares Bekenntnis gegen die Mammon-Diktatur ringt. Der Evangelische Pressedienst präsentiert in einer eigenen Dokumentation eindrucksvolle „Texte zum ökumenischen Prozess für Alternativen zur neoliberalen Globalisierung“ aus der Weltkirche zwischen 1986 und 2002. VertreterInnen westeuropäischer Kirchen haben auf einer ökumenischen Konsultation im niederländischen Soesterberg im Juni 2002 unter dem Titel „Wirtschaft im Dienst des Lebens“ Antworten auf die Fragen der Globalisierung formuliert. Die Ergebnisse sind zusammen mit einem Begleitbrief der Generalsekretäre der beteiligten ökumenischen Organisationen und Weltbünde (ökumenischer Rat der Kirchen, Reformierter Weltbund, Lutherischer Weltbund, Konferenz Europäischer Kirchen) vom 18.9.2002 versandt worden. Darin schreiben die Generalsekretäre mit Blick auf zwischen 2003 und 2006 anberaumte Vollversammlungen: „Die ökonomische Globalisierung ist am stärksten im Bereich des internationalen Finanz- und Geldsystems vorangeschritten. Die Beziehung zwischen der Macht der Finanzmärkte und der Macht der Nationalstaaten hat sich auf dramatische Weise verschoben. Eine alles erfassende Hinwendung zu den auf Profit ausgerichteten Interessen der AktienbesitzerInnen (“shareholder value„) hat Geldströme und finanzielle Transaktionen in zunehmenden Maße von der realen Ökonomie abgekoppelt. Das Kapital konnte dadurch zum Selbstzweck werden, anstatt ein Mittel zu sein, das den Bedürfnissen der Menschen dient. Neben anderen Entwicklungen hat dies bereits zu einer ganzen Reihe verheerender finanzieller Krisen geführt und in der Folge zu einer fortwährenden Umverteilung des Reichtums von den Armen zu den Wohlhabenden, sowohl innerhalb wie zwischen einzelnen Ländern. Das Ergebnis ist ein noch nie da gewesenes Ausmaß globaler Ungleichheit und Instabilität.“ (Hinweise und Kontakte: www.kairoseuropa.de)
Die Bergpredigt Jesu bittet darum: „Euer Ja sei ein Ja. Euer Nein sei ein Nein!“ Namentlich die Reformierten Christen bereichern die Ökumene an dieser Stelle mit ihrer Entschiedenheit. Sie hielten schon im Nazi-Reich nichts von einer Ehe zwischen Staat und Kirche, wie sie Bonhoeffer als unnormal empfand. In Südafrika hat sich das reformierte Bekenntnis-Charisma gegen den Rassenwahn bewährt. Heute fordert es die Weltchristenheit dazu auf, vor dem blutigen Thron des Götzen Mammon nicht die Knie zu beugen.
Nachtrag: Irritationen?
Ich habe zumindest an einigen Beispielen aufgezeigt, dass christliche GlobalisierungskritikerInnen sich auf eine lange Tradition berufen können und keineswegs eine modische Erscheinung sind. Zumal für Nichtchristen in der Bundesrepublik bleiben nun aber einige Irritationen, wenn sie die zahmen Volkskirchen bei uns mit der Weltkirche vergleichen. Ratlos steht man etwa vor dem Bündnis zwischen rheinischem Katholizismus und CDU. Was soll daraus folgen? Parteiausschluss bei der CDU, weil man die Kapitalismus-Kritik des Papstes zitiert? Oder kirchliche Maßregelung, weil man in der Gesellschaft ganz andere Prinzipien als die der katholischen Soziallehre umsetzt?
In den USA haben wir nicht nur jene Großkirchen, die einmütig z. B. den Irak-Krieg abgelehnt haben. Daneben gibt es breite Bewegungen, die sich „moralisch“ und „christlich“ nennen. Sie stützen rechtsextreme Ansichten, militärischen Massenmord und den von Großkonzernen finanzierten Wahlkampf der Elite. Wie soll ein Außenstehender da zwischen Christen und so genannten „Christen“ unterscheiden?
Schließlich denkt man an die Unheilsgeschichte des christlichen Antikommunismus - und an das Feindbild Karl Marx. Er wollte sich - in bester jüdisch-christlicher Gesellschaft - nicht mit Verhältnissen abfinden, in denen der Mensch ein verachtetes und geknechtetes Wesen ist. Osswald von Nell Breuning, der wichtigste katholische Sozialethiker Deutschlands, meinte, nur im Gefolge dieses Mannes könne man die moderne Wirtschaft richtig bewerten. In Süd- und Mittelamerika wurden viele Christen ermordet, weil man ihren Kampf für Gerechtigkeit als kommunistisch betrachtete. Zentrale Anliegen der Befreiungstheologie wie die „Option für die Armen“ und der Blick auf „Strukturen der Sünde“ sind später gottlob auch in Rom bestätigt worden.
In der Bundesrepublik gibt es noch einen anderen Problemkomplex. Je mehr Papst-Messen auf dem Bildschirm zu sehen sind, desto weniger hören wir von den zahlreichen engagierten Stimmen in der Weltkirche, die für eine solidarische Globalisierung der Humanität einsteht. Stattdessen werden beim Thema „Kirche“ alte Sex-Geschichten und Streitigkeiten ums Abendmahl endlos aufgewärmt. In kaum einem anderen Land verdienen die TheologInnen so viel Geld wie bei uns. Sogar in Frankreich oder Italien sind die Pastöre eher arme Leute. Im deutschen Fernsehen werden nun fast ausschließlich gut dotierte Bischöfe und Theologie-Professoren zu Sozialfragen gehört. Mein Vorschlag: Zukünftig sollten auch hierzulande offiziell mehr Leute für die Kirche sprechen, die selbst nicht im sicheren Boot sitzen. Geeignet wäre zum Beispiel ein arbeitsloser Familienvater, der auf niedrigem Sozialhilfe-Niveau mehrere Kinder unterhalten muss. Außerdem ist ein lückenloser Nachweis für die ethische Anlage von kirchlichem Kapital unabdingbar.
Am 22.11.2003 fand in Düsseldorf die Jahrestagung 2003 der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Thema „Globalisierung ohne Alternative? Die Welt im Griff der Konzerne“ statt. Stichwort BAYER dokumentiert hier den Vortrag von Peter Bürger, der aus christlicher Sicht Stellung zur konzern-kritischen Arbeit bezieht, und damit eine Diskussion über das Gemeinsame und Trennende von religiös und politisch motiviertem Engagement anstieß. Bürger ist katholischer Theologe, aktiv bei PAX CHRISTI und im ÖKUMENISCHEN FRIEDENSNETZ DÜSSELDORFER CHRISTINNEN & CHRISTEN.
Pharma-Lobbyistin Cornelia Yzer
BAYERs Frau in Berlin
Die mächtigste Frau im deutschen Gesundheitswesen hat keine öffentliche Funktion, kein öffentliches Gesicht und keinen öffentlichen Namen. Vielleicht liegt das daran, dass es zu ihrem Beruf gehört, nicht zu viel Wind zu machen, daran, dass ihr Gesicht glatt und gleichmäßig ist wie das einer Porzellanpuppe, oder auch daran, dass ihr Name klingt wie ein Streifschuss. Cornelia Yzer jedenfalls verschickt lieber Pressemitteilungen als in Fernseh-Talkshows zu reden, und wenn sie es doch einmal tut, dann feuert sie Sätze ab wie mit einer Maschinenpistole. So lange zum Beispiel, bis sie mindestens einmal die Wörter Innovationen, Innovationshürden und Innovationsstopp platziert hat; so lange, bis sogar Sabine Christiansen sagt, dass man ja nun Bescheid wisse und das auch irgendwie eine Diskussionsrunde sei. Cornelia Yzer schaut dann zufrieden, sie lacht, und sie trägt ein beiges Kostüm mit einer Perlenkette zu blonden Haaren und rot lackierten Fingernägeln. Im Gesundheitsministerium wird Frau Yzer gerne auch „der General“ genannt.
Cornelia Yzer, 42, kämpft an vorderster Front für die Interessen der Pharma-Industrie. Sie ist Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), dessen 44 Mitgliedsfirmen rund zwei Drittel des deutschen Pharma-Marktes beherrschen. Seit seiner Gründung 1993 hat der finanzstarke VFA andere Pharma-Verbände an Einfluss weit überrundet. Er vertritt die Interessen international operierender Konzerne, er kämpft für umfassenden Patentschutz und gegen die deutsche Kostendämpfungspolitik. Cornelia Yzer befehligt im Berliner Regierungsviertel einen Apparat von fünfzig MitarbeiterInnen, und wenn man heute einen Termin bei ihr bekommen hat, dann deshalb, weil die Zeiten für Lobbyisten nicht die besten sind - und besonders schlecht sind für die der Pharma-Industrie. Allerorts wird die ausufernde Macht der Interessen-VertreterInnen beklagt und spätestens, seit PR-Berater Hunzinger mit Verteidigungsminister Scharping Hemden kaufen war, ist der Ruf der Branche im Eimer. ExpertInnen sind sich einig, dass im Gesundheitssystem der Einfluss von Lobbys größer und schädlicher ist als anderswo, und kein Artikel über die Gesundheitsreform vergisst, die Schuld der „Pharma-Lobby“ zu erwähnen.
Natürlich wäre es schön, unser Image ein wenig zu korrigieren„, sagt Herr Raulf bei der Begrüßung. Herr Raulf ist Leiter der Kommunikationsabteilung des VFA und heute so etwas wie Frau Yzers Wachhund. Er macht einen ausgeglichenen Eindruck, und während man mit ihm im Aufzug in den vierten Stock zuckelt, sagt er, dass Frau Yzer nun wahrlich nicht so langsam sei wie dieser Lift. Angesichts ihrer rasanten Karriere hat man keine Probleme, ihm das zu glauben: Mit 28 wurde Cornelia Yzer Juristin bei BAYER, mit 29 zog sie für die CDU in den Bundestag, mit 30 wurde sie die jüngste Staatssekretärin in Kohls Regierung, und nur fünf Jahre später wechselte sie auf den hoch dotierten Chefposten beim VFA. “Zwei Herren dienen, doppelt kassieren„, kommentierte sogar die Welt, weil die hauptberufliche Lobbyistin ihr Abgeordneten-Mandat behielt - Cornelia Yzer gilt seither als Prototyp einer neuen Interessen-Vertretung: selbstbewusst, wendig, professionell, effizient.
Das mit der Effizienz fing bei ihr direkt nach der Schule an: Kohls Mädchen aus Lüdenscheid, Westfalen, hat nicht nur Jura und Wirtschaftswissenschaften studiert, sondern nebenher die CDU im Märkischen Kreis erobert. Der Abgeordnete, bei dem sie ein Praktikum absolvierte, bot ihr an, für seinen Wahlkreis zu kandidieren. Und die Frau, von Bild einst als “schönste Frau in Kohls Kabinett„ betitelt, wusste früh, was sie sucht: Herausforderungen. Ein paar Jahre später setzte sie sich als Staatssekretärin in Rüttgers Forschungsministerium für Gen- und Biotech ein; schließlich wurde sie von der Politikerin zur Lobbyistin, weil “die Pharma-Industrie eine hochspannende Branche„ ist, “die innovativste, die ich kenne„. Cornelia Yzer lacht oft und gern, sie wirft dabei ihre blonden Haare zurück, und manchmal wirkt das bedrohlich. Sie ist Lobbyistin aus Leidenschaft.
“Lobbyisten haben so viel Einfluss wie nie zuvor„, titelte vergangenes Jahr die Zeit: Das Geschäft mit dem Einfluss ist verglichen mit Bonner Zeiten in Berlin geradezu explodiert; rund 4.500 LobbyistInnen haben inzwischen Haus-Ausweise für den Bundestag, 1.781 Verbände - so viele wie nie zuvor - sind beim Parlament registriert und haben das Recht, sich an Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen. Nicht weniger als 140 Verbände waren allein zum Hearing zur Gesundheitsreform angemeldet. Die Branche wird immer unübersichtlicher und schneller - und sie hat sich durch das “Modell Seitenwechsel„ professionalisiert: Viele Minister, Staatssekretäre und Abgeordnete stellen ihre Kontakte und Insider-Kenntnisse in den Dienst von Firmen und Verbänden. BAHN-Chef Mehdorn beschäftigt diverse Ex-Verkehrsminister; Hans Sendler, der frühere Chef des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), lernte sein Handwerk im nordrhein-westfälischen Sozialministerium; der ehemalige Kohl-Referent Rolf Reher steht heute auf der Gehaltsliste der BAYER AG.
Cornelia Yzer sitzt in einem großen weißen Konferenzraum, sie hat die Beine übereinander geschlagen und trägt ein weinrotes Kostüm. “Ich mache keine Politik, sondern leite eine moderne Dienstleistungsorganisation„, sagt sie, und dass sie “Entscheidungsträger lediglich berät - die der Mitgliedsunternehmen und die der Politik„. Irgendwo hinter ihren großen blauen Augen ist jetzt der Autopilot eingeschaltet, und es scheint, als könne sie die nun folgenden Rechtfertigungen im Schlaf runterbeten: “Wir Lobbyisten entscheiden nichts, wir beraten nur und speisen Fakten in den politischen Prozess. Drei Viertel meiner Arbeit haben mit aktiver Einflussnahme nichts zu tun. Wir helfen der Politik, Fehler zu vermeiden.„
Klaus Kirschner (SPD) ist Vorsitzender des Gesundheitsausschusses und würde wohl lautstark protestieren. “Die Lobbymacht der Leistungserbringer im Gesundheitssystem nimmt stetig zu„, sagt er, “gegenüber dem VFA und Ärzte-Verbänden sind Krankenkassen-Vertreter und Patienten-Organisationen unterentwickelt und meilenweit unterlegen.„
Auch die Gesundheitsreform kann als Sieg der LobbyistInnen betrachtet werden: Die Einsparungen in Höhe von 20 Milliarden Euro tragen in erster Linie die PatientInnen - Gesundheitsministerin Schmidt und ihr CSU-Vorgänger Seehofer nennen das “versichertenbezogene Finanzierung„. Die Positivliste, welche die Flut der 40.000 verschreibungspflichtigen Medikamente eindämmen sollte, gilt als endgültig verbrannt. Sie scheiterte am Einfluss der CDU - und vor allem am Veto des hessischen Ministerpräsidenten Koch, in dessen Land Pharmakonzerne wie Merck und Aventis ihre Steuern zahlen (und dem Einspruch Wolfgang Clements aus dem BAYER-Land NRW, Anm. SWB).
Während die Pharma-Branche seit Jahren in zweistelligen Wachstumsraten denkt, mussten die Kassen allein 2002 23,4 Milliarden Euro für Medikamente ausgeben - das ist mehr als doppelt so viel wie noch 1990, und das ist inzwischen mehr als die Honorarkosten für alle niedergelassenen ÄrztInnen. Die jährlichen Kostensteigerungen entstehen fast ausschließlich durch den Ersatz vorhandener Medikamente durch teurere Präparate, die von den großen Konzernen auf den Markt gepusht werden - rund 4,2 Milliarden Euro, hat der Pharmakologe Ulrich Schwabe errechnet, könnten eingespart werden durch die Verschreibung preiswerterer Präparate mit gleicher Wirkung.
Wenn man sie mit diesen Zahlen konfrontiert, rutscht Cornelia Yzer auf ihrem Stuhl augenblicklich in eine aufrechtere Position, und so etwas wie Empörung mischt sich in ihre Stimme. “Was ist dramatisch daran, dass heute mehr für Arzneimittel ausgegeben wird als früher?„ Herr Raulf räuspert sich, doch Frau Yzer kommt langsam in Fahrt: “Das ist doch eine erfreuliche Entwicklung, wenn Arzneimittel überkommene, den Patienten stärker belastende Therapie-Ansätze ersetzen und neue Heilungschancen eröffnen. Sehen Sie sich doch mal die Innovationen in der Pharma-Industrie an: Viele Operationen sind durch Arzneimittel-Therapien überflüssig geworden - das ist ein Segen für die Patienten!„ Herr Raulf schaut nun ganz zufrieden, dann wirft er ein, dass man ja mal den Vergleich mit dem Sprit-Preis machen könne: Wäre der genauso bedächtig gestiegen wie der Medikamenten-Preis, würde der Liter Benzin heute ein paar Cent kosten.
Ganz unabhängig von der Benzinpreis-Entwicklung sind die Gewinn-Margen der internationalen Pharma-Konzerne gigantisch. Verantwortlich hierfür ist in erster Linie das Patent-Monopol: Patentgeschützte Megaseller wie BAYERs GLUCOBAY gleichen einer Lizenz zum Gelddrucken: Mindestens sechs Jahre lang kann ein Hersteller seinen Preis beliebig festsetzen - bei nackten Produktionskosten von wenigen Cent. Obwohl sie ihre Hochpreis-Politik mit immensen Forschungskosten begründen, investieren die Konzerne ein Drittel ihres Umsatzes ins Marketing, welches so zum heimlichen Kerngeschäft avanciert ist - nur rund die Hälfte dieses Betrags geht in die medizinische Forschung. In der Folge nimmt sich der pharmazeutische Fortschritt bescheiden aus: Eine Studie der Harvard-Mediziner Arnold Relman und Marcia Angell belegt, dass nur fünfzehn Prozent der seit 1990 zugelassenen Medikamente Wirkstoffe enthalten, die nachweislich mehr nützen als ihre Vorgänger; von 3.000 neu zugelassenen Medikamenten stufte die unabhängige Arzneimittelkommission gerade einmal 755 als ratsam ein. Der Gesundheitsökonom Karl Lauterbach bezeichnet Deutschland gern auch als den “Pharma-Mülleimer Europas„. “In Deutschland„, sagt er, “werden Medikamente verschrieben und erstattet, die in anderen Ländern wegen ihrer Umstrittenheit längst nicht mehr auf dem Markt sind.„
Obwohl etwa der Patentschutz oder das Zulassungsverfahren für Medikamente nicht angetastet wurden, sieht man sich beim VFA als Verlierer der Gesundheitsreform. “Die Industrie muss schließlich drei Milliarden beisteuern„, sagt Cornelia Yzer, “wir Lobbyisten sind bei der Konsensfindung außen vor geblieben - sobald Sie eine parteiübergreifende Konsensrunde haben, ist der Lobby-Einfluss erledigt„. Beim VFA, sagt sie, habe man im Übrigen nichts gegen Positivlisten, man habe nur etwas gegen Innovationshürden. Beim VFA scheint man diesen Begriff zu mögen - er liegt in seiner Werkzeugkiste gleich neben dem Spritpreis-Vergleich. Wenn Frau Yzer für ein kürzeres Zulassungsverfahren für Medikamente wirbt, sagt sie, dass ein neuer Computer ja auch nicht drei Monate auf seine Unbedenklichkeit überprüft werde; wenn sie gegen das “Institut für Qualitätssicherung„ argumentiert, dann spricht sie von Staatsmedizin; und wenn einer das Wort Kostendämpfung erwähnt, malt sie das Bild vom Niedergang des Pharmastandorts Deutschland. Beobachtet man Cornelia Yzer bei Sabine Christiansen, gewinnt man den Eindruck, dass sie mit Worten ficht: Mit dem Eifer einer jungen Rekrutin trägt sie ihre Standards vor, überraschende Hiebe landet sie nicht - vielleicht, weil sie eine Maske trägt und nur nach vorn blickt, nicht nach links und nicht nach rechts, vielleicht auch, weil sie mit dem Schwert kämpft und nicht mit dem Florett.
Er kenne drei Gruppen von Lobbyisten, sagt ein Beamter aus dem Gesundheitsministerium: die Konstruktiven, die Schaumschläger und die Betonköpfe. Frau Yzer, schickt er hinterher, würde er wohl in die letzte Kategorie einordnen - sie gilt, sagt er, als eine, die mit Tunnelblick Industrie-Phrasen nachbetet, sie gilt als Verbandschefin, die hart ist wie Beton. Einen guten Ruf genießt sie bei den Ministerialen nicht. Doch für die niederen Bürokratie-Ebenen sind ohnehin ihre Mitarbeiter zuständig: Cornelia Yzer ist beim VFA so etwas wie der Kanzler - sie verfügt über die Richtlinien-Kompetenz und dirigiert die einzelnen Ressorts; ihre politischen Ansprechpartner sind Staatssekretäre und Minister.
Wie muss man sich die Arbeit eines Pharma-LobbyistInnen vorstellen? Wenn man Cornelia Yzer diese Frage stellt, beugt sie sich nach vorn. Sie wirkt jetzt sehr konzentriert, und ihre Antworten kommen wie gedruckt. “Wir erbringen Dienstleistungen in zwei Richtungen: Wir informieren unsere Mitgliedsunternehmen, inwiefern sich die politischen Rahmenbedingungen ändern. Und wir klären die Politik auf, inwiefern sich veränderte Rahmenbedingungen auf die Pharmaindustrie auswirken.„ Über welche handwerklichen Fähigkeiten müssen Ihre MitarbeiterInnen verfügen? “Über fachliches Wissen, Präzision sowie kommunikative und soziale Kompetenz. Ein Lobbyist muss adressatengerecht handeln - er muss die Lage des Beamten oder Politikers berücksichtigen, der den Interessen-Ausgleich herstellen muss. Und er sollte sich nur dann einmischen, wenn er wirklich etwas beizusteuern hat.„ Wie wichtig ist dabei die persönliche Ebene? “Sehen Sie, ich muss ein Vertrauensverhältnis aufbauen: Das mache ich einerseits über solide fachliche Arbeit, andererseits über die Fähigkeit, komplizierte Zusammenhänge einleuchtend zu erklären. Erfolgreich sind wir dann, wenn wir von den Entscheidern selbst angefragt werden.„ Wann greifen Sie von sich aus ein? “Im Optimalfall setzt unsere Beratung im frühen Entscheidungsstadium an. Wenn die Beamten sich zunächst orientieren, sich Basiswissen aneignen müssen. In dieser Phase können wir konstruktiven Einfluss auf den Gesetzestext nehmen, auch juristische Hilfe bei Formulierungen anbieten. Wenn das Gesetz erst mal im Parlament ist, sind Änderungen nur noch schwer zu bewirken, wenn es dann im Vermittlungsausschuss hängt, entscheiden nicht mehr Fakten, sondern politische Opportunitäten.„ Und inwieweit nützen Ihnen Ihre politischen Erfahrungen? “Zunächst kenne ich natürlich die politischen Entscheidungskanäle. Und ich weiß, dass deutsche Abgeordnete personell miserabel ausgestattet sind: Ein Einzelner kann ohne fachliche Hilfestellung von außen kein Gesetz einbringen - er hat meistens keinen Zugriff auf Expertisen eigener Mitarbeiter, und er muss abwägen, welchem Lobbyisten er Vertrauen schenkt. Zudem weiß ich, wann Lobbyisten lästig werden.„
Auch der Beamte im Gesundheitsministerium hat Erfahrung mit lästigen Pharma-Lobbyisten. “Immer dann, wenn etwas in Planung ist, geraten wir ins Kreuzfeuer„, sagt er, “die greifen sich die Leute an den Schaltstellen und bombardieren sie mit Anrufen, Mails und SMS.„ Das Ziel der Lobbyisten seien die Rohentwürfe von Gesetzestexten, die sie meist eher sichten als die Abgeordneten. Von immer perfideren Einflussstrategien berichtet der Parlamentarier Klaus Kirschner: Die Firma SCHWARZ-PHARMA, die durchblutungsfördernde Mittel vertreibt, schickte erst neulich den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses Fotos von abgestorbenen Füßen und verstümmelten Beinen auf die Rechner, anbei die Frage: “Wollen wir einen Rückschritt ins Mittelalter?„ Der Lobbyismus, sagt Kirschner, werde immer aggressiver und professioneller. Das Problem sei, dass vielen Abgeordneten das Urteilsvermögen fehle. Und natürlich gebe es auch schwarze Schafe, die im Ruf stehen, beeinflussbar zu sein: “Bei kleinen Anfragen kann man oft genug raushören, auf welcher Lobbyisten-Veranstaltung der Abgeordnete gerade abgefüttert wurde.„ Die Wirkung der Lobbyisten, sagt der Ministerialbeamte, basiere vor allem auf persönlichen Beziehungen: Man geht zusammen joggen, man geht essen, man bringt sich auf den neuesten Stand. “Es ist ein Geben und Nehmen„, sagt er, “und man muss aufpassen, dass man nicht in Versuchung gerät.„ Essenseinladungen und kleinere Geschenke - CDs oder Bildbände, nichts über 25 Euro - seien üblich, bei gesponserten Wochenendtrips oder gut dotierten Vortragseinladungen aber werde es gefährlich. Das Geschäft mit dem Einfluss blüht in einer Grauzone: “Die Transparenz ist gleich null„, sagt der Beamte, “niemand kann nachvollziehen, von wem einer seine Informationen bezieht, niemand muss offen legen, wer ihm bei seinem Referat geholfen hat„.
Das Meisterstück, erinnert er sich, vollbrachte die Pharmalobby im November 2001, als Ministerin Schmidt einen vierprozentigen Preisablass für patentgeschützte Medikamente verfügte. Nachdem sie im Ministerium auf Granit bissen und der Bundestag das Gesetz schon beschlossen hatte, zogen die LobbyistInnen die Notbremse: Bei einem eilig anberaumten Treffen im Kanzleramt einigten sich hochrangige Pharma-VertreterInnen mit dem Kanzler auf eine Einmalzahlung von 300 Millionen Euro - die düpierte Ministerin musste dafür ihr Gesetz zurückziehen und zwei Jahre auf Preisregulierungen verzichten. Für die Firma PFIZER intervenierte damals gar der US-Botschafter beim Kanzler.
War dieser Deal sauberer Lobbyismus? Cornelia Yzer lacht laut und schüttelt sich. “Sie müssen es doch mal so betrachten„, sagt sie dann, “unsere Zahlung war eine freiwillige Selbstverpflichtung, so etwas ist etwa im Umweltbereich auch üblich. Die Regierung hat profitiert, die Kassen haben profitiert und wir auch - was ist daran unredlich?„ Cornelia Yzer war zwar mal Politikerin, doch ihr Weltbild ist das einer Juristin: Ihre Perspektive ist in sich logisch, geschlossen und unumstößlich. Aus Sicht eines Juristen kann es auch in Unrechtsystemen schlüssige Rechtssysteme geben - Moral ist eine irrelevante Größe. Die Vorstellung, Lobbyismus sei ein untransparentes Geschäft, stimme mit der Realität nicht überein, sagt Cornelia Yzer, “beim runden Tisch zur Gesundheitsreform hatten alle Beteiligten unsere Gesetzesvorschläge auf dem Tisch, im Internet kann jeder unsere Positionen nachlesen„. Die Mitarbeiter des VFA müssen nicht mit Geldkoffern hantieren, und sie müssen auch keine Hemden kaufen. Das machen Leute wie Hunzinger. Frau Yzer sagt: “Unsere wichtigsten Werkzeuge sind Information und Kommunikation.„
Das kann Klaus Kirschner bestätigen. “Den größten Einfluss„ , sagt er, “hat das Vorfeld-Lobbying, die Norm- und Wertsetzung durch die Industrie, die ,Kolonisierung der Köpfe' durch geschicktes Marketing.„ Die Pharma-Lobby organisiert parlamentarische Abende zu medizinischen Themen, sie sponsert Kongresse und Studien - und sie steuert den Großteil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung. All dies trage dazu bei, dass eine pharma-kritische Wahrnehmung kaum mehr möglich sei. Dass einige Pharma-Konzerne aber auch noch andere Werkzeuge im Repertoire haben, hat Ellis Huber, der ehemalige Präsident der Berliner Ärztekammer, erfahren: Als er Mitte der Neunziger eine eigene Positivliste publizierte, wurde er von vierzehn Herstellern verklagt und die Liste als “Eingriff in den freien Markt„ verboten. “Vor der finanziellen Potenz der Konzerne musste ich kapitulieren„, sagt Huber, der insgesamt 110.000 Euro Prozesskosten zu tragen hatte. Auch Professor Peter Schönhofer ist bereits rund dreißigmal von der Industrie verklagt worden, weil er als Mitherausgeber des unabhängigen arznei-telegramms auf die Schädlichkeit einzelner Wirkstoffe und Präparate hingewiesen hat.
Wenn man Cornelia Yzer abschließend fragt, ob sie sich noch dem Allgemeinwohl verpflichtet fühle, muss sie nicht lange überlegen: “Die Interessen des VFA decken sich mit dem Interesse der Allgemeinheit: Wir wollen ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem." Zynismus kann man Cornelia Yzer, Pharma-Lobbyistin und Christdemokratin, nicht vorwerfen. Sie agiert mit dem Selbstbewusstsein einer Soldatin - und mit der Gewissheit einer Gläubigen.
Anita Blasberg hat diesen Artikel zuerst in der taz veröffentlicht
Lanxess-Börsengang: schlechte Aktien für Beschäftigte
Für den Leverkusener Bayer-Konzern stimmte im Jahr 2003 die Chemie nicht mehr. Die Geschäfte mit Plaste & Elaste, Farbstoffen und anderen Substanzen blieben hinter den ehrgeizigen Rendite-Zielen zurück. Deshalb entschieden die Manager, die Chemie- und Teile der Kunststoff-Sparte abzuspalten und unter dem Firmen-Namen “Lanxess an die Börse zu bringen. Am heutigen Montag beginnt der Handel mit dem Papier. Auf allzu großes Interesse dürfte es vorerst nicht stoßen. Das Lanxess-Sortiment bietet nämlich nicht gerade den Stoff für das, was die Börsianer eine “story nennen. Es umfasst unter anderem für den Massen-Markt bestimmte und entsprechend margen-schwache Kunststoffe, Spezial-Chemikalien für die Leder-, Papier- und Textil-Industrie sowie Materialschutz-Produkte. Noch dazu hat die Mutter-Gesellschaft der Tochter den Weg in die Selbstständigkeit zusätzlich erschwert. Der Chemie-Multi entsorgte kurzerhand 1 Milliarde Euro Schulden bei ihr und betrieb damit Kurs-Pflege in eigener Sache. Das Grundkapital bekam der Börsen-Neuling nur mit Hilfe eines 1,5 Milliarden-Kredites und einer Bayer-Wandelanleihe zusammen.
Aus diesen Gründen kommen auf die rund 20.000 Mitarbeiter drastische Rationalisierungsmaßnahmen zu. “30 Prozent der Geschäfte von LANXESS haben keine strategisch haltbare Position, keine Top-Position, befand das Vorstandsmitglied Ulrich Koemm und kündigte schon Schließungen und Verkäufe an. Der Vorstandsvorsitzende Axel Heitmann will 20 Millionen Euro an Personalkosten einsparen. Betriebsbedingte Kündigungen kann er bis 2007 wegen des auch für die Lanxess-Mitarbeiter geltenden Bayer-Beschäftigungspaktes nicht vornehmen. Deshalb setzt er auf “kreative Lösungen. “Das können die Arbeitszeiten sein oder Arbeitszeit-Konten - aber es kann auch Stellenabbau sein. Wir müssen weltweit die gesamte Bandbreite ausnutzen, drohte er. Zunächst nahm Heitmann sich die übertariflichen Leistungen vor, was sofort die IG BCE auf den Plan gerufen hat. 2.500 der 3.900 bundesdeutschen Belegschaftsangehörigen protestierten gegen die beabsichtigten Streichungen. Schließlich einigten sich Gewerkschaft und Betriebsführung darauf, die übertariflichen Leistungen mit den kommenden Lohn-Erhöhungen zu verrechnen - ein fauler Kompromiss. Vielleicht war das auch von vornherein das Verhandlungsziel der Geschäftsleitung, denn Heitmann versteht sich aufs Taktieren. “Um die Arbeitnehmer-Seite beim geplanten Börsen-Gang der Chemie-Sparte LANXESS nicht zum Störfaktor werden zu lassen, wurde ein Erfolg für den Betriebsrat arrangiert. Nur noch 3.000 statt der geplanten 4.000 Stellen sollen an den deutschen Standorten des Konzerns bis Ende 2005 abgebaut werden, so beschrieb die Berliner Morgenpost das Vorgehen des Lanxess-Vorstandes.
Aber eine Befriedung der Betriebsangehörigen erreichte das Management durch solche Coups nicht. Als Axel Heitmann den Beschäfigten in Leverkusen seine Pläne vorstellte, kam es zu tumultartigen Szenen. Die Video-Übertragung zu den anderen Standorten musste abgebrochen werden. Nach dem Bericht einer Lokalzeitung hatte der Werkschutz alle Mühe, die Massen unter Kontrolle zu halten. Die “blanke Angst stand Heitmann nach den Beobachtungen des Journalisten auf dem Gesicht geschrieben.
Auch heute dürfte er nicht viel glücklicher dreischauen, denn die Ordensleute für den Frieden und die Coordination gegen Bayer-Gefahren werden parallel zum Börsengang eine Kundgebung durchführen.
Jan Pehrke
Leserbriefe
P.G.: Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre -leider- sehr notwendige Arbeit und wünsche Ihnen im Namen der Menschheit viel Erfolg für all Ihre Projekte.
B.L., Spanien: Thanks and congratulations for the great job you are doing.
L.T., Friesenheim: Vielen Dank und alles Gute für eure Arbeit, man kann sie gar nicht genug loben. Ich gebe alle Infos immer fleißig weiter, an ChemielehrerInnen u.a....
M.R. (als Antwort auf die Ankündigung von BAYER, in Indien auf die Aussaat gentechnischer Pflanzen zu verzichten): „Das ist doch ein unglaublicher Erfolg Eurer Kampagne und der kritischen Verbraucher! Herzlichen Glückwunsch!“
T.M. Greenpeace Australia: „I‚ve told lots of people about you and I‘ve spread the word to our email list around the country. Keep up the great work!“
A.W., Belgien: Merci infiniment pour cet excellent matériel!
FDA warnt vor Schmerzmitteln
Infarkt-Gefahr durch BAYER-Arznei
Von Jan Pehrke
Im Herbst 2004 produzierten die Schmerzmittel von BAYER & Co. immer wieder negative Schlagzeilen. Zunächst hatte eine Untersuchung dem MERCK-Präparat VIOXX Herz-Schädigungen nachgewiesen. Von 140.000 Infarkten, davon 1.500 mit Todesfolge, gehen die MedizinerInnen inzwischen aus, weshalb der Hersteller die Arznei vom Markt nehmen musste. Kurz darauf bescheinigten PharmakologInnen dem PFIZER-Medikament CELEBREX dieselbe Nebenwirkung. Und schließlich machte das „National Institute of Aging“ (NIA) BAYERs schmerzlinderndes Pharmazeutikum ALEVE mit dem Wirkstoff Naproxen für eine erhöhte Herzattacken-Gefahr verantwortlich.
WissenschaftlerInnen hatten im Auftrag des NIA prüfen wollen, ob das zur Gruppe der nicht-steroiden Entzündungshemmer gehörende Mittel den Verlauf von Alzheimer positiv beeinflussen könne. Heraus kam etwas ganz anderes. ALEVE steigerte für die ProbandInnen das Risiko, einen Herzinfarkt zu bekommen, um 50 Prozent. Die Verantwortlichen stoppten den Test sofort und informierten die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA. Diese veröffentlichte sogleich einen so genannten „Warning Letter“, in dem die Behörde die Schmerz-PatientInnen eindringlich beschwor, das Präparat nicht länger als zehn Tage einzunehmen und sich streng an die empfohlene Dosierung zu halten. Zudem kündigte die FDA genauere Überprüfungen an. Deren Ende könnte dann auch das Ende für ALEVE bedeuten.
BAYER selbst wiegelte mal wieder in gewohnter Manier ab. ALEVE sei ein erprobtes Mittel und in den USA seit 1976 auf dem Markt; es bestehe kein Handlungsbedarf, verkündete ein Öffentlichkeitsarbeiter des Konzerns. Auch das bundesdeutsche FDA-Pendant, das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (Bfarm), staunte über die alarmierenden Studien-Ergebnisse. „Als völlig überraschend“ bezeichnete sie der beim Bfarm für die Arzneimittel-Sicherheit zuständige Axel Thiele. Der Pharmakologe Dirk Stichtenoth von der „Medizinischen Hochschule Hannover“ reagierte hingegen weniger verblüfft. Stichtenoth zufolge befördern ALEVE, VIOXX, CELEBREX, IBUPROFEN und DICLOFENAC Wasser-Einlagerungen und Blutdruck-Steigerungen, was zu Schädigungen des Herz/Kreislauf-Systems führt. „Offenbar handelt es sich um einen Klassen-Effekt“, kritisiert der Pillen-Experte die ganze Medikamenten-Gruppe.
Die breite Öffentlichkeit erfährt dagegen aus dem Munde von BAYER & Co. immer nur neue Wunderdinge über ALEVE und die anderen Medikamente, weil die Hersteller ihnen lukrative neue Anwendungsgebiete erschließen wollen. Einer unabhängigen Überprüfung halten sie meist nicht stand, wie jetzt das NIA-Experiment gezeigt hat. Nur leider haben solche staatlich geförderten Untersuchungen Seltenheitswert. Die meisten Arznei-Tests finanzieren die Pharma-Hersteller - und so sehen sie dann auch aus. Dafür schafft nicht selten schon die Versuchsanordung die Grundlage. Oftmals prüfen die wissenschaftlichen DienstleisterInnen nämlich nicht das Präparat an sich, sie vergleichen es lediglich mit den Mitteln der Konkurrenz. Marketing-technische statt wissenschaftliche Kriterien bestimmen also das Vorgehen. Zudem beschränken die AuftragspharmakologInnen aus Kostengründen die Zahl der VersuchsteilnehmerInnen, was es beträchtlich erschwert, Nebenwirkungen festzustellen. Spüren die ForscherInnen sie trotz alledem wirklich einmal auf, verheimlichen die Hersteller sie, wie BAYER es im Fall „LIPOBAY“ getan hat.
„Wir brauchen mehr unabhängige Studien, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden“, verlangt deshalb der Chef der „Europäischen Arzneimittel-Zulassungsbehörde“ (EMEA), Thomas Lönngren. Forderungen nach Überprüfungen neu eingeführter Medikamenten tauchten schon nach dem LIPOBAY-Skandal auf. Jetzt unternimmt die EMEA einen neuen Anlauf. Sie will BAYER & Co. die Pflicht zu markt-begleitenden Studien auferlegen. Es bleibt abzuwarten, ob ein solches Vorhaben den politischen Interventionen der mächtigen Pharma-Lobby standhält. Unbill droht dieser noch von anderer Seite. Die bundesdeutsche Ärzteschaft arbeitet nämlich an einer Software, die alle Neben- und Wechselwirkungen von Pharmazeutika verzeichnet. Eine solche Software gibt es zwar schon, aber sie ist „made by BAYER & Co.“ und hat deshalb die Nebenwirkung, es mit den Nebenwirkungen nicht so genau zu nehmen. Nach Meinung des verantwortlichen Mediziners Bruno Müller-Oerlinghausen jedenfalls kann das nach streng wissenschaftlichen Kriterien erstellte Register die ärztlichen Verschreibungsfehler um 80 Prozent reduzieren.
Bislang hat der ALEVE-GAU für BAYER nicht die Dimension des LIPOBAY-Skandals erreicht. Am geringeren Ausmaß der medizinischen Katastrophe lag das nicht, das ist noch gar nicht abschließend bestimmt. Die Folgen hielten sich für das Unternehmen vielmehr in Grenzen, weil sich auch der ALEVE-Umsatz mit 90 Millionen Euro in Grenzen hielt. Das Mittel gehörte mit zu der Sparte der rezeptfreien Arzneien, die der Pharma-Riese 2004 vom schweizer Konzern ROCHE erworben hatte. Im Jahr der Transaktion hatten die Multis die Produkte noch gemeinsam vertrieben und halbe-halbe gemacht. Erst zum 1. Januar gingen die Rechte allein auf BAYER über. Und jetzt sehen die Zahlen schon anders aus. Aleve war nämlich mit einem Jahres-Umsatz von 176 Millionen Euro der Top-Seller des ROCHE-Sortiments. Das Lob der Besonnenheit, das die FAZ den Aktien-HändlerInnen angesichts der „Peanuts-Profite“ von ALEVE erteilte, könnte sich als vorschnell erweisen. „Die Börse hat denn auch schnell erkannt, dass die anfänglichen Kurs-Verluste der BAYER-Aktien gestern völlig übertrieben waren“, hatte sie nach Bekanntwerden der Meldungen aus den USA geschrieben. Angesichts des nun gefährdeten Profites besteht durchaus die Aussicht, dass die ALEVE-Nebenwirkungen auch den BörsianerInnen noch Schmerzen bereiten werden.
BAYER vs. Nelson Mandela
Wie die WM 2006 nach Deutschland kam
Eigentlich galt das gerade der Apartheidspolitik entkommene Südafrika als Favorit in der Wahl des Gastgeber-Landes der WM 2006. Das war im Weltfußball mehr oder weniger beschlossene Sache - wer sollte es schon mit dem Sympathie-Träger Nelson Mandela aufnehmen können? Offiziell ließ sich das wunderbar als Anerkennung des afrikanischen Fußballs verkaufen, und trotzdem hätte die Vermarktung angesichts der kapitalistischen Infrastruktur in Südafrika kaum gelitten.
Doch bekanntermaßen wurde daraus nichts. Als es galt, um die Simmen der Länder-VertreterInnen zu werben, setzte sich gegen die weichen Standortfaktoren doch die harte Wirtschaftsmacht von BAYER & Co. durch.
Ein strahlender Franz Beckenbauer an der Spitze des deutschen Bewerbungskomitees konnte nach der Abstimmung in seiner bekannten Art in die Mikrofone stammeln, wie überwältigt und überrascht vom 12:11-Abstimmungssieg Deutschlands über Südafrika er sei. Der Öffentlichkeit wurde darüber hinaus verkauft, dass die Stimm-Enthaltung des damals 79-jährigen Charles Dempsey aus Neuseeland den Ausschlag gegeben habe. Dempsey war vom neuseeländischen Verband eigentlich mit der Stimmabgabe für Südafrika beauftragt worden.
Dempsey hat nach eigenen Aussagen noch nie soviel telefoniert wie in der Nacht vor der Abstimmung, der prominenteste Anrufer sei Nelson Mandela gewesen. Doch Dempsey hat nie preisgegeben, was er mit wem besprochen hat. Nach der Abstimmung setzte eine gewaltige Presse-Kampagne gegen Dempsey ein. In Südafrika wurde ein Haftbefehl gegen ihn ausgestellt, Tony Blair persönlich begründete, warum die englische Regierung einen Asylantrag Dempseys abgelehnt hatte. Und als der alte Mann schließlich doch nach Neuseeland reiste, wurde er noch auf dem Flughafen tatsächlich vorübergehend verhaftet.
Doch Charles Dempseys Abstimmungsverhalten war nur eine Petitesse in einem anderen Spiel, das sich hinter der weltweiten Aufgeregtheit um den Neuseeländer trefflich verbergen ließ. Um die eigentlich feststehende Entscheidung für Südafrika zu kippen, war mehr nötig als der (angebliche) Charme von Franz B. oder die Mucken eines Greises. Dahinter steckte das, was
die Werbeoffensive von Bundesregierung und des BDI zur WM 2006 ursprünglich als 1.FC Deutschland präsentieren wollte - die großen Konzerne nämlich.
Besonders BAYER und DAIMLERCHRYLSER wurden unmittelbar vor der WM-Standortbestimmung aktiv. Der Leverkusener Chemie-Multi hoffte, mit der BayArena als Spielort zugleich auch den Firmen-Namen per TV-Übertragungen um die ganze Welt tragen zu können. So wurden im Verbund mit der Bundesregierung milliardenschwere Asien-Geschäfte dort angekurbelt, wo Stimmen bzw. Unterstützung für die deutschen Bewerber zu holen waren - in Katar, Saudi-Arabien, Südkorea und Thailand. Diese vier Länder wurden im Hauruck-Verfahren auf Deutschland als WM-Ausrichter eingeschworen.
Wie? Zum Beispiel so. Ende Juni 2000 hatte die BAYER AG den südkoreanischen Kunststoff-Hersteller SEWON ENTERPRISES erworben, der 40 Prozent des heimischen Markt-Segments hielt. Zudem kündigte der Konzern die Eröffnung einer Firma zur Herstellung von Pestiziden an. Zugleich wurden Thailand Großinvestitionen in Aussicht gestellt: Im Werk Map Ta Phut, hieß es Anfang Juli, solle die Polycarbonat-Produktion verdreifacht werden. Die BAYER AG, die in ihren weltweiten Filialen gern Fifa-Offizielle bewirtet, gab eine Woche vor der Wahl zudem bekannt, einen Großstandort in China aufzubauen.
Zeitgleich wurde DAIMLERCHRYSLER aktiv: Der Konzern schloss seine Allianz mit dem südkoreanischen Autobauer HYUNDAI, und von Thailands Fifa-Vertreter Worawi Makudi wurde bekannt, dass dessen Frau mit MERCEDES-Autos handelte. Daneben entfaltete die Politik Aktivitäten. Am 28. Juni 2000 stimmte der Bundessicherheitsrat unter Kanzler Schröder der Lieferung von 1.200 Panzerfäusten an Saudi-Arabien zu. Auch BASF kündigte für Thailand eine 800 Millionen-Mark-Investition an. Was war dagegen ein Anruf von Nelson Mandela?
Natürlich bleibt es Spekulation, wenn nun vermutet werden kann, dass die Entscheidung für Deutschland als WM-Ausrichter 2006 gekauft wurde, aber es braucht schon die Lebenserfahrung eines Mönches mit Schweigegelübde, um zu glauben, dass alle 12 Stimmen für die Deutschland AG aus freien Stücken und unbeeinflusst abgegeben wurden. Trotzdem hat sich das Engagement für den Leverkusener Chemie-Multi nicht gelohnt. „Sein“ Bundestrainer entpuppte sich bei der EM nämlich als Niete in den drei ADIDAS-Streifen und verlor den Job. Sein Nachfolger Jürgen Klinsmann erkannte sogleich, wie ungeeignet die BayArena als Trainingsstätte der Nationalelf ist und wählte einen anderen Ort. Nicht einmal mit dem Verweis darauf, welche „Verdienste“ BAYER doch im Verlauf der WM-Bewerbung erworben hatte, ließ der neue Mann sich umstimmen.
Von Siggi Emmerich
AKTION & KRITIK
Proteste gegen Arbeitsplatzvernichtung
Mehrere hundert BAYER-Beschäftigte demonstrierten am 10.12.04 mit einer Lichterkette gegen die Vernichtung von 440 Arbeitsplätzen im Wuppertaler Pharma-Zentrum des Konzerns.
CBG bei Anti-Bush-Demo
BAYER hat George W. Bush durch großzügige Wahlkampf-Spenden massiv unterstützt und profitiert im Gegenzug unter anderem von seiner industrie-freundlichen Umwelt-, Pharma- und Steuerpolitik. Darum gehörte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) am 23. Februar 2005 zu den TeilnehmerInnen der Anti-Bush-Demonstration in Mainz.
Betriebsratsvorsitzender kritisiert BAYER
Reinhard Werner, ein Manager des Brunsbütteler BAYER-Werks, hat versucht, die Politik im Allgemeinen und den SPD-Landtagsabgeordneten Wilhelm Malerius im Besonderen für die Arbeitsplatz-Vernichtung beim Chemie-Riesen verantwortlich zu machen. Das „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ und die - inzwischen gestoppte - Ausweisung von mehr Naturschutz-Gebieten führte er als Beispiele für schlechte wirtschaftliche Rahmenbedingungen an. Dieser Vorstoß erboste den Betriebsratsvorsitzenden Hans-Jürgen Möller. „Da werden eigene Unzulänglichkeiten und hausgemachte Probleme anderen in die Schuhe geschoben“, so Möller. Er nahm stattdessen den Chemie-Multi in die Pflicht, kritisierte das Ausbleiben der von BAYER bereits zugesagten 150-Millionen-Euro-Investition in die Fertigung des Kunststoffes TDI und mahnte die Verbesserung der gesamten Produktionskette im Werk an. Die Landespolitik hingegen verteidigte Möller. Dabei wurde allerdings auch unfreiwillig deutlich, wie beflissen diese versucht, dem Leverkusener Chemie-Multi alle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. „Bei der drohenden Ausweisung von Naturschutz-Flächen hat Herr Malerius innerhalb von einer Woche reagiert. Dann war das Problem vom Tisch“, sagte der Gewerkschaftler der Dithmarschener Rundschau.
Errichtung des Mahnpunktes „Zyklon B Dessau“
Der von BAYER mitgegründete Mörder-Konzern IG FARBEN ließ unter anderem in Dessau Zyklon B herstellen. Um das nicht vergessen zu lassen, hat sich in der Stadt die FORSCHUNGSGRUPPE ZYKLON B zusammengefunden. Bereits seit 1996 setzt sie sich für die Errichtung eines Mahnmals ein, sah sich jedoch großen Widerständen in der Stadt gegenüber. Jetzt hat sich die Beharrlichkeit der AntifaschistInnen endlich ausgezahlt. Am 27. Januar 2005, dem 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, konnten sie den „Informations- und Mahnpunkt Zyklon B Dessau“ einweihen. Eine Skulptur aus Zyklon-B-Behältern erinnert nun an das Menschheitsverbrechen. Genauere Informationen stellt die Website „www.zyklon-b.info“ bereit. Zum nächsten Jahr bereitet die FORSCHUNGSGRUPPE ZYKLON B darüber hinaus die Erstellung einer Broschüre zu dem Thema vor.
BAYER lagert Bhopal-Gift
1984 kamen bei der Explosion eines Chemie-Werkes im indischen Bhopal ca. 20.000 Menschen um. In den darauffolgenden Jahren starben noch hunderte an den Spätfolgen. Bei der damals freigesetzten Chemikalie handelte es sich um Methyl Isocyanat (MIC). Heute verfügt ein US-amerikanisches BAYER-Werk über 90 Prozent des Methyl Isocyanat-Bestandes in dem Land. Im Falle einer Freisetzung sieht die US-Umweltbehörde EPA das Leben von 300.000 Menschen gefährdet. Die AnwohnerInnen haben wegen dieser Gefahren bereits die Bürgerinitiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC gegründet. Zum 20. Jahrestag der Bhopal-Katastrophe informierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Öffentlichkeit über diese tickende Zeitbombe und forderte BAYER zu Maßnahmen auf.
NATURE ET PROGRES gegen GAUCHO
Durch BAYERs Saatgut-Behandlungsmittel GAUCHO und das zeitweilig ebenfalls zur Produkt-Palette des Konzerns gehörige REGENT kam es in Frankreich vor geraumer Zeit bei 182 Menschen zu Vergiftungserscheinungen. Fast hundert Milliarden Bienen starben. Deshalb ist die Anwendung der chemischen Keule im Nachbarland schon seit geraumer Zeit untersagt. Im Januar 2005 hat der belgische Naturschutzverband NATURE ET PROGRES in einer Petition die Regierung aufgefordert, GAUCHO auch in Belgien zu verbieten.
Aktion zu „60 Jahre Auschwitz-Befreiung“
Am 27. Januar 2005 jährte sich die Befreiung von Auschwitz zum 60. Mal. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nahm dieses Ereignis zum Anlass, auf die Verbindungen des von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzerns IG FARBEN zu Auschwitz hinzuweisen. Die IG FARBEN wirkten bei der Planung des KZs mit, unterhielten mit Monowitz ein eigenes Lager, aus dem sie ZwangsarbeiterInnen für das nahe gelegene Werk rekrutierten und führten mit Gefangenen Medikamenten-Versuche durch. Die Resonanz auf die Öffentlichkeitsarbeit der COORDINATION war groß. Sogar aus Indien erreichte die CBG eine positive Rückmeldung. „Vielen Dank für die Zusendung des Newsletters. Er hat mir die Augen über die Nazi-Vergangenheit von BAYER geöffnet“, bedankte sich der Empfänger.
EINE-WELT-NETZWERK gegen Kinderarbeit
Das Engagement von GERMAN WATCH und COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gegen Kinderarbeit bei den Zulieferern von BAYERs indischer Tochter-Firma PROAGRO hat weitere Aktionen angestoßen. So startete das EINE-WELT-NETZWERK im Februar eine Kampagne zu dem Thema. Sie führt eine Plakat-Aktion durch und ruft zu Protest-Mails an die Adresse der Leverkusener Konzern-Zentrale auf.
Menschenrechtsverletzungen von BAYER
Die Initiative ACTION AID hat in einem Report Menschenrechtsverletzungen von Konzernen dokumentiert. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lieferte hierfür Material über Vergiftungen durch BAYER-Pestizide. Der vollständige Bericht kann bei der CBG angefordert werden.
CBG-Protest beim LANXESS-Börsengang
BAYER entschied sich Ende 2003, die Chemie- und Teile der Kunststoff-Sparte abzuspalten und unter dem Firmen-Namen LANXESS am 31. Januar 2005 an die Börse zu bringen. Den Weg in die Selbstständigkeit pflastert das Unternehmen mit Rationalisierungsmaßnahmen, Lohn-Kürzungen und Arbeitsplatzvernichtung. Deshalb war die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Börsengang in Frankfurt vor Ort und führte gemeinsam mit den ORDENSLEUTEN FÜR DEN FRIEDEN eine Protest-Aktion durch. Eine Kundgebung direkt vor dem Eingang duldete die Polizei nicht. Sie wies den Konzern-KritikerInnen eine abgelegene Stelle am Rande des Vorplatzes zu. Allerdings hatten die OrdnungshüterInnen nicht bedacht, dass sich dort auch die Bulle-und-Bär-Plastik befand, das Börsen-Symbol. Davor wollte sich LANXESS-Chef Axel Heitmann eigentlich telegen ablichten lassen, aber die CBG machte dem Vorstandsvorsitzenden nicht Platz und vermasselte ihm so seinen Medien-Auftritt.
BAYER für „Public Eye Award“ nominiert
Da mag BAYER noch so viel in image-fördernde Greenwashing-Aktivitäten wie dem Beitritt zu „Corporate Accountability“, einer PR-Initiative zu „verantwortungsvollem Unternehmenshandeln“, investieren (siehe PROPAGANDA & MEDIEN), der Konzern belegt doch immer wieder Spitzenplätze in den Hitparaden der Konzerne mit schlechtem Leumund. So war der Leverkusener Chemie-Multi für den am Rande des Davoser Weltwirtschaftsforums verliehenen „Public Eye Award“ nominiert, den besonders rücksichtslose Global Player erhalten. Daran hatte eine von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) erstellte 7-seitige „Schwarzbuch BAYER“-Aufstellung gehörigen Anteil. Sie führte belastendes Material von Kartell-Absprachen und Vermarktung gefährlicher Arzneien über Kinderarbeit bis zu Kriegsgewinnlertum durch Rohstoff-Beschaffung aus dem Kongo auf.
Wieder Nazi-Demo in Leverkusen
Am 9. November 2004 führten rechte Kräfte in Leverkusen einen Umzug durch. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) beteiligte sich an der Antinazi-Kundgebung und stellte eine Strafanzeige, weil die RechtsextremistInnen Sätze wie „Die schönsten Nächte sind aus Kristall“ skandiert hatten (SWB 4/04). Am 29. Januar marschierten die Ewiggestrigen erneut am Stammsitz BAYERs auf. Die CBG organisierte im Rahmen der Vorbereitungen zu den Protesten gegen die NeofaschistInnen die Pressearbeit und nahm an der Gegen-Demonstration teil.
WHO kritisiert BAYER & Co.
Der Europäische Leiter des Umwelt- und Gesundheitsprogrammes der Weltgesundheitsorganisation WHO, Dr. Roberto Bertollini, wirft BAYER und anderen europäischen Chemie-Konzernen vor, in einem beim „Center for Ecotoxicology and Toxicology“ bestellten Report wider besseren Wissens die Kausalbeziehungen zwischen dem Kontakt mit Quecksilber, Blei und Benzol und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu leugnen. „Die Industrie leugnet die Zusammenhänge sogar, wenn sie wissenschaftlich belegt sind“, ereifert sich der Mediziner. Bertollini glaubt auch zu wissen, warum BAYER & Co. so handeln. „Ich habe keinen Beweis dafür, aber ich glaube, sie wollen Druck auf die neue EU-Kommission ausüben, um die gesetzlichen Auflagen aufzuweichen“, so der WHO-Wissenschaftler.
KAPITAL & ARBEIT
Brunsbüttel: 225 Jobs weniger
In den kommenden Jahren will BAYER am Standort Brunsbüttel 225 der 827 Arbeitsplätze vernichten, also mehr als ein Viertel. Zudem kündigte der Brunsbütteler Chemie„park“-Leiter Roland Stegmüller an, in Zukunft mehr Aufträge nach außerhalb zu vergeben. „Der Markt hat sich verändert. Heute werden Aufgaben außerhalb der Kern-Kompetenz an spezialisierte Firmen abgegeben, die gleiche Qualität zu niedrigeren Kosten anbieten“, behauptet Stegmüller.
Bestandssicherung bis 2011
Im Brunsbütteler BAYER-Werk kursierten immer wieder Gerüchte über eine Schließung. Jetzt gelang es der Gewerkschaft in einer Betriebsvereinbarung zumindest, den Bestand der vorhandenen Produktionskapazität bis zum Jahr 2011 zu sichern.
LANXESS kürzt Entgelt-Erhöhung
Die nunmehr börsen-notierte BAYER-Abspaltung LANXESS reduziert an allen Ecken und Enden Kosten. An den ausländischen Standorten geht sie dabei noch schonungsloser zu Werke als an den bundesdeutschen. So kürzt sie dort die schon vereinbarten Lohn-Erhöhungen für 2005 nachträglich um 30 Prozent.
Bei BAYER geht die Angst um
„Wir sparen zu Hause jetzt schon, wo es geht“, sagte ein Teilnehmer der Lichterkette gegen die Arbeitsplatzvernichtung im Wuppertaler Pharma-Zentrum (siehe AKTION & KRITIK), um Vorsorge zu treffen in der „für uns alle unsicheren Zeit“. Nach seiner Aussage hat fast jeder BAYER-Beschäftigte Angst um seinen Job. „Die Angst sei da, bei so vielen, sie sei Tag für Tag deutlich zu spüren - bei der Arbeit, in der Mittagspause und auch noch in der Familie daheim“, gibt die Westdeutsche Zeitung seine Worte wieder.
Pseudo-Initiative zur Ausbildung
BAYERs Lehrstellen-Quote liegt unter den 7,1 Prozent, welche die Betriebe im Gebiet Rhein-Wupper durchschnittlich erreichen. Weil der Konzern wegen der dürftigen Zahlen im letzten Jahr fürchtete, eine Ausbildungsplatz-Abgabe von bis zu zwei Millionen Euro zahlen zu müssen, unternahm er einen Vorstoß zur Besänftigung der Politik. Der Leverkusener Chemie-Multi hob das System der Verbund-Lehre aus der Taufe. Er unterstützt Betriebe, die Jugendliche einstellen, finanziell und übernimmt Teile der Ausbildung. Zusätzlicher Vorteil der Entlastungsstrategie: Die Länder beteiligen sich an den Kosten.
Besänftigungsstrategie bei LANXESS
Wie es BAYER gelang, bei der LANXESS-Abspaltung Unruhe in der Belegschaft zu verhindern, schilderte die Berliner Morgenpost. „Um die Arbeitnehmer-Seite beim geplanten Börsen-Gang der Chemie-Sparte LANXESS nicht zum Störfaktor werden zu lassen, wurde ein Erfolg für den Betriebsrat arrangiert. Nur noch 3.000 statt der geplanten 4.000 Stellen sollen an den deutschen Standorten des Konzerns bis Ende 2005 abgebaut werden. Nur beiläufig teilte der Konzern mit, wozu dies führen wird: Ein Großteil der Mitarbeiter wird dem Bereich bedarfsgerechte Einsätze‚ zugeordnet - einer Abteilung, in der es zwar noch Gehalt, aber keine Beschäftigung mehr gibt“, schreibt die Zeitung.
Der Osten als Billiglohnland
Der im Osten vereinbarte Chemie-Tarif beträgt 28 Euro brutto die Stunde. Die ArbeiterInnen im Westen bekommen dagegen 40 Euro. Damit verdienen die Chemie-WerkerInnen in den fünf neuen Bundesländern weniger als ihre US-amerikanischen und japanischen KollegInnen. Und BAYER & Co. sind zuversichtlich, dass sie trotz der bis 2009 avisierten 100-prozentigen Lohn-Angleichung weiter von dem Gefälle profitieren, weil die Belegschaften in Bitterfeld und anderswo 40 Stunden die Woche arbeiten müssen. Trotz dieser paradiesischen Bedingungen vernichteten BAYER & Co. nach der Wende Arbeitsplätze en masse. „Von sechs Arbeitsplätzen blieb im Durchschnitt nur einer übrig“, räumt Rolf Siegert vom „Verband der Chemischen Industrie“ freimütig ein.
„Job-Hemmnis“ Lohn-Angleichung
Georg Frank, Geschäftsführer des Bitterfelder BAYER-Werks, nahm gemeinsam mit Verkehrsminister Manfred Stolpe, dem sachsen-anhaltinischen Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer und Klaus von Dohnanyi an einer Diskussion über den „Aufbau Ost“ teil, die in der Berliner Landesvertretung Sachsen-Anhalts stattfand. Dort wandte er sich vehement gegen die Angleichung der Gehälter in Ost und West. „Der Aufbau von Arbeitsplätzen muss Vorrang vor dem Angleichen der Löhne haben“ forderte der Manager und bezeichnete es als Einstellungshemmnis, „dass wir pro Jahr acht Prozent Lohnkosten-Steigerung haben“. Auch das alte BAYER-Lamento über scheinbar zu hohe Energie-Kosten und die angebliche Blockade-Haltung der Bundesregierung gegenüber der Gentechnik stimmte Frank wieder an.
Entlassung wg. Mülltüten-Klau
Die Mitnahme einer Rolle Mülltüten im Wert von sechs Euro genügte dem Krefelder BAYER-Werk, eine seit 34 Jahren beim Chemie-Multi tätige Frau zu entlassen. Der Betriebsrat kritisierte das Vorgehen, weil es nicht der Verhältnismäßigkeit der Mittel entspräche. Für den Betriebsratsvorsitzenden Peter Kronen ist die Kündigung ein weiteres Zeichen für das rauher gewordene Betriebsklima bei BAYER. Die Betroffene hat vor dem Arbeitsgericht Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt.
Rationalisierungsgewinn bei der Buchhaltung
Im Jahr 2001 fasste BAYER das gesamte Rechnungswesen für die nicht-deutschen Niederlassungen in Barcelona zusammen, was zu Streiks und Protesten bei MitarbeiterInnen führte (Ticker 3/01), weil sie um ihre Stellen fürchteten. Zu Recht, denn die vom Leverkusener Chemie-Multi erzielte 30-prozentige Kosten-Ersparnis durch die Verlagerung der Buchhaltung nach Barcelona dürfte zum größten Teil auf die Vernichtung von Arbeitsplätzen zurückgehen.
Immer mehr Call-Center-Jobs
Bei BAYER nimmt die Zahl der Telefon-Arbeitsplätze zu. Allein am Standort Leverkusen verfügt der Call-Center über 320 MitarbeiterInnen. Zusätzlich hat das Unternehmen ein Teil dieser Aktivitäten ausgelagert und leitet Servicenummer-Anrufe direkt an freie „Call-Center-AgentInnen“ weiter, die der Konzern nicht nach Chemie-Tarifen bezahlen muss.
Neues Aktien-Programm
Im Jahr 2004 bot BAYER den MitarbeiterInnen wieder Aktien-Programme an. Die Beschäftigten konnten die Unternehmenspapiere vergünstigt mit einem Abschlag von 6,75 Euro auf den Kurswert kaufen. Nach Angaben des Konzerns besitzen 55.000 Belegschaftsangehörige und Ehemalige BAYER-Wertpapiere. Mit 15,3 Millionen Aktien halten sie rund zwei Prozent des Kapitals. Teilhabe bedeutet dies jedoch nicht, denn nur Großaktionäre wie Banken, Pensionsfonds und Versicherungen bestimmen die Geschicke des Chemie-Multis.
1 Million weniger für Vereine
BAYER unterstützt nicht nur Sport-Clubs, sondern auch Kultur- und Hobby-Vereine. Aber wie jene leiden auch diese unter dem Einspar-Programm des Konzerns. So stellt der Leverkusener Chemie-Multi anno 2005 eine Million Euro weniger als 2004 zur Förderung von Freizeit-Aktivitäten zur Verfügung.
BAYER schließt Werksbibliothek
Der soziale Kahlschlag beim Leverkusener Chemie-Multi geht weiter. Nach der Schließung des Carl-Duisberg-Bades, der „Galerie am Werk“ und dem Aus für das Kleinkunst-Programm muss demnächst wohl die Werksbibliothek dran glauben. 102 Jahre hat der Konzern sie unterhalten, jetzt aber mag er die nötigen 500.000 Euro nicht mehr aufbringen. Für die Bücherei mit 240.000 Ausleihen pro Jahr ist es ein Tod auf Raten. Bereits 1998 machte der Pharma-Riese die Filialen an anderen Standorten dicht und verringerte die Bestände. Dreisterweise schiebt BAYER die Schuld auch noch auf LANXESS und andere im Chemie-„Park“ angesiedelte Unternehmen, weil sie sich an den Kosten nicht mehr beteiligen wollten. Die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine von zwei oppositionellen Betriebsratsgruppen im Leverkusener BAYER-Werk, protestierten gegen die Pläne. „Wir erwarten und fordern, dass der BAYER-Vorstand diese Überlegungen beerdigt und der Belegschaft den Erhalt der Bücherei zusichert“, sagte Klaus Jagusch.
ERSTE & DRITTE WELT
BAYER will Patente in Indien
Der von der Welthandelsorganisation WTO geschlossene TRIPS-Vertrag zum Schutz des geistigen Eigentums verhindert die Versorgung der armen Länder mit erschwinglichen Medikamenten, weil der 20 Jahre geltende Patentschutz die Preise hochtreibt und die Produktion von Nachahmer-Produkten unterbindet. Indien muss die Vereinbarung ab diesem Jahr umsetzen und dürfte deshalb schnell aus der Gruppe der Länder mit den weltweit niedrigsten Medikamenten-Preisen herausfallen. Aber Big Pharma reicht diese neuere Arzneien betreffende Regelung nicht. Sie möchten auch den Schutz ihrer Zulassungsanträge erreichen und damit die nach Ablauf des Schutzes mögliche Produktion von Nachahmer-Präparaten hinauszögern. Darüber hinaus beabsichtigten die Konzerne, Patente auch für ältere Pillen durchzusetzen. BAYER, ELI LILLY und NOVARTIS haben bereits entsprechende Anträge gestellt.
Kongo: Entwicklungshilfe für BAYER
Der Kongo stellt für BAYERs Tochter-Firma HC STARCK wegen des großen Coltan-Vorkommens ein wichtiges Rohstoff-Reservoir dar. Deshalb machte sie auch während des Bürgerkrieges Geschäfte mit den dortigen Warlords und finanzierte damit deren blutiges Treiben. Der Bundesregierung zufolge kann das Land nach Beendigung des Konflikts aufgrund seiner „Größe, des Rohstoff-Reichtums und der zentralen Lage an politischem und wirtschaftlichem Gewicht erheblich gewinnen“. Deshalb verstärkt sie nach Informationen von „www.german-foreign-policy.com“ ihre Aktivitäten in der Region. Vermittlungsgespräche mit den Kriegsparteien und Hilfslieferungen sollen den bundesdeutschen Einfluss in Friedenszeiten stärken und HC STARCK langfristig den Zugang zu Coltan sichern.
IG FARBEN & HEUTE
Beschönigende IG-Ausstellung
Das ehemalige Frankfurter Hauptverwaltungsgebäude des von BAYER mitgegründeten Mörder-Multis IG FARBEN ging 2001 in den Besitz der Universität über. Mit der Dauerausstellung „Von der Grüneburg zum Campus Westend“ wollte die Hochschul-Leitung ihrer „selbstverständlichen Verpflichtung“ nachkommen, an die Verbrechen des Konzerns im Nationalsozialismus zu erinnern. Die von der Agentur „Kontor für Geschichte“ konzipierte und vom „Verband der Chemischen Industrie“ großzügig unterstützte Schau verharmlost die IG-FARBEN-Geschichte allerdings in skandalöser Weise, wie Peter Heinelt in Konkret 1/05 schreibt. Nach Darstellung der Geschichtsagentur hat es erst nach dem Wahlsieg der NSDAP erste Kontakte zwischen der Firmen-Leitung und der Partei gegeben - und dazu ganz unverbindliche: „Stagnierende Produktion, finanzielle Einbußen und die wachsende Arbeitslosigkeit steigern das Interesse der IG an Hitlers wirtschaftspolitischen Plänen“. Die Existenz einer mindestens seit Anfang der 30er Jahre existierenden strategischen Allianz verschweigen die Ausstellungsmacherinnen. In Übereinstimmung mit den Expansionsplänen der Nazis träumte IG-Chef Carl Duisberg schon 1931 von der Schaffung eines „geschlossenen Wirtschaftsblocks von Bordeaux bis Odessa“. In diesem Jahr begannen die IG FARBEN auch, den Wahlkampf der NS-Partei mit Spenden zu finanzieren. Auf die zentrale Bedeutung des Unternehmens bei der Versorgung des Staates mit kriegswichtigen Gütern geht die Ausstellung ebenfalls nicht ein. Selbst bei dem dunkelsten Kapitel der dunklen Firmen-Historie - der Einrichtung des konzern-eigenen KZ Monowitz - betreibt das „Kontor für Geschichte“ noch Geschichtsklitterung. Nach der wahrheitswidrigen Auffassung der GeschichtswissenschaftlerInnen haben nämlich nicht IG-Mitarbeiter die ausgezehrten ZwangsarbeiterInnen ausgesondert und damit ihr schließlich in den Gaskammern von Auschwitz vollstrecktes Todes-Urteil gesprochen, sondern SS-Männer. Darüber hinaus behelligen die KontoristInnen die BesucherInnen auch noch mit dem privaten Carl Duisberg und zeigen den Parteigänger Hitlers als passionierten Käfersammler, was so einiges über die Perspektive der GeschichtsdienstleisterInnen verrät.
POLITIK & EINFLUSS
Clement für Steuerreform
Wirtschaftsminister Wolfgang Clement will das Geld, das die Bundesregierung durch Hartz IV bei den Ärmsten der Armen gespart hat, gleich an BAYER & Co. weiterreichen. Er trat für eine Reform der Unternehmenssteuer ein. „Wir sind nominell in der Unternehmensbesteuerung zu hoch geraten“, erklärte er. Dabei zahlen im EU-Vergleich aufgrund der zahlreichen Schlupflöcher nur noch griechische Multis weniger Abgaben als die bundesdeutschen (SWB 4/04), weshalb sich der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ auch vehement gegen eine Mindestbesteuerung ausspricht. Die paradiesischen Zustände schuf der ehemalige Steuer-Chef BAYERs, Heribert Zitzelsberger, im Jahr 2001 als Staatssekretär im Finanzministerium mit seiner Unternehmenssteuer-„Reform“. Sie führte bis 2003 zu Einnahme-Ausfällen des Bundes von mehr als 50 Milliarden Euro - und schuf keinen einzigen Arbeitsplatz. Trotzdem zeigte sich Gerhard Schröder den Plänen Clements gegenüber nicht abgeneigt, er wollte aber nichts überstürzen. So einigte sich die SPD Ende Februar darauf, den Sachverständigen-Rat ein Sondergutachten zur Veränderung des Steuer-Rechts ausarbeiten zu lassen.
Simonis‘ „frohe Botschaft“
Die EU-Kommission will in Norddeutschland Elbe und Umgebung gemäß der „Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie“ zum Naturschutzgebiet erklären. BAYER intervenierte sofort bei der Landesregierung, welche die Unterelbe-Region dem zuständigen Gremium der Europäischen Union dann auch prompt nicht als in Frage kommendes Gebiet meldete. Bei ihrem Besuch des Brunsbütteler BAYER-Werkes sicherte Ministerpräsidentin Heide Simonis dem Chemie-Multi weitere Unterstützung bei der Verhinderung von Naturschutz zu. „Wir dürfen Brüssel keinen Vorwand liefern, hier eingreifen zu müssen“, meinte die Landesmutter. Zudem versprach sie der Konzern-Leitung, Genehmigungsverfahren zum Bau neuer Anlagen industrie-freundlicher zu gestalten.
BAYER-Druck wg. B5-Ausbau
Das Brunsbütteler BAYER-Werk übt massiven Druck auf die Politik aus, um den Ausbau der Bundesstraße B5 voranzutreiben. Die Kreistagssprecherin Ilona Adamski (SPD) beklagte sich gegenüber der Presse über die Erpressung: „BAYER sagt: Macht bis 2007 etwas mit der B5, oder wir ziehen ab!“. Der Chemie-Multi weist jedoch scheinheilig alle Schuld von sich. „Die B5 hat für uns gar keine Priorität. Für uns zählt vor allem der Bau der A 20“, so Konzern-Sprecher Reinhard Werner.
Leverkusens OB traf Wenning
Kaum war der SPD-Politiker Ernst Küchler in Leverkusen zum neuen Oberbürgermeister gewählt, da machte er auch schon einen Antrittsbesuch bei BAYER-Chef Werner Wenning. Die beiden sprachen über das Verhältnis von Kommune und Konzern und präsentierten der Presse als Ergebnis ihres Dialogs die nichtssagende diplomatische Formel, die Beziehungen zwischen der Stadt und der BAYER AG weiterentwickeln zu wollen.
Chinesischer Botschafter bei BAYER
Im März 2004 besuchte der chinesische Botschafter Ma Canrong das Wiesdorfer BAYER-Werk und trug sich dort in das Goldene Buch des Chemie-Multis ein.
Zeng Peiyan bei BAYER
Ende November 2004 besuchte der stellvertretende Ministerpräsident Chinas, Zeng Peiyan, in Begleitung von Ma Canrong, dem Botschafter des Landes in der Bundesrepublik, und einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation das Brunsbütteler BAYER-Werk. Dort machte ihm dann der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Dr. Bernd Rohwer seine Aufwartung. Der Presse gegenüber betonte BAYER-Chef Werner Wenning noch einmal, welche Bedeutung China als wichtigster Zukunftsmarkt für den Leverkusener Chemie-Multi besitzt. Im letzten Jahr machte der Konzern dort einen Umsatz von 1,1 Milliarden Euro.
Schmoldt für Freiland-Versuche
Der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE)-Vorsitzende Hubertus Schmoldt sitzt im BAYER-Aufsichtsrat und hat sich damit den Unternehmenszielen des Chemie-Multis verpflichtet. Darum rührt er in der Öffentlichkeit auch kräftig die Werbetrommel für die „grüne Gentechnik“, ohne einen blassen Schimmer von der Materie zu haben. Auf einer Regional-Konferenz der IG BCE phantasierte er über neue Arbeitsplätze durch die Risiko-Technologie und warnte die GRÜNEN vor einer Nicht-Genehmigung der Freisetzungsversuche, die „ein großes NRW-Unternehmen mit B“ plane. Auch die freischaffenden Gentechnik-GegnerInnen knöpfte sich der Lieblingsgewerkschaftler der Unternehmer vor: „Wer Versuchsfelder zertrampelt, zertrampelt am Ende auch Chancen für Deutschland“.
Schartau besucht Chemie-Forum
Beim fünften Chemie-Forum, das BAYER und andere der im Verband „ChemCologne“ zusammengeschlossenen Unternehmen der Region organisiert haben, konnten die Chemie-Firmen NRW-Wirtschaftsminister Harald Schartau begrüßen. Auf der Veranstaltung im Leverkusener BayKomm sicherte der SPD-Politiker BAYER & Co. unter anderem die finanzielle Unterstützung des Landes beim Bau einer Pipeline von Antwerpen nach Nordrhein-Westfalen zu.
BAYER-Mann UN-Berater
Dr. Wolfgang Kern, Leiter der Vorstands- und Technologie-Kommunikation bei BAYER CROPSCIENCE, ist ein leidenschaftlicher Propagandist der „grünen Gentechnik“. Er tritt bei Bauernvereinen auf und spricht dort über die Zukunftsperspektiven der deutschen Landwirtschaft vor dem Hintergrund globaler und regionaler Entwicklungen„, die natürlich nur Gen-Pflanzen made by BAYER eröffnen und hat es sogar bis zum Berater der UN in Ernährungsfragen gebracht.
Wenning in Top 12 der Wirtschaftsbosse
Die Zeitung euro zählt den BAYER-Chef Werner Wenning zu den 12 einflussreichsten Konzern-Lenkern der Bundesrepublik und verlieh ihm das Attribut “Der radikale Chemiker„. Passend dazu stellt für die Publikation Nordrhein-Westfalen das Wirtschaftsmacht-Zentrum der Bundesrepublik dar. Dem BAYER-Intimus Wolfgang Clement schreibt sie das zweifelhafte Verdienst zu, die “Macht am Rhein„ gehalten und ausgebaut zu haben.
IHK-Sitz für BAYER-Manager
Der Geschäftsführer von BAYER INDUSTRY SERVICES, Dr. Jürgen Hinz, hat bei der Vollversammlungswahl der nordrhein-westfälischen “Industrie- und Handelskammer„ einen Sitz errungen und vertritt nun mit vier weiteren Delegierten das Produzierende Gewerbe aus dem Raum “Leverkusen/Rheinisch-Bergischer Kreis„.
BAYER & Co. drücken Kurth durch
Der bisherige Präsident des “Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizin-Produkte„ (BfArM), Prof. Harald Schweim, fand nicht das Gefallen der Pharma-Industrie (Ticker 2/04). Deshalb bewegten BAYER & Co. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, ihn abzusetzen und einen ihnen genehmen Nachfolger zu nominieren. Der neue kommissarische Chef der Behörde, Reinhard Kurth, hat vorteilhafterweise nicht so viel Zeit für seinen Job, weil er Leiter des “Robert-Koch-Institutes„ bleibt. Die von ihm angekündigten Reformen lassen die Herzen der Pharma-Industrie jedoch schon einmal höher schlagen. So sprach Kurth sich für die Schaffung eines Vorstandes aus und hatte auch schon Ideen für die Besetzung. Es könne durchaus auch “jemand Hochrangiges aus (...) der Industrie„ sein, meinte er laut Pharma-Brief 9-10/2004. Vor allem an der Beschleunigung der Zulassungsverfahren dürfte der neue Leiter Pharma-GAUs wie dem LIPOBAY-Skandal zum Trotz arbeiten.
NRW gliedert Schuldienst aus
Nordrhein-Westfalens BildungspolitikerInnen haben kein Problem damit, BAYER einen Teil des Lehr-Angebots bestreiten zu lassen. Aus Anlass der Einweihung eines neuen Gen-Labors für SchülerInnen in Leverkusen bekundete die Schulministeriumssprecherin Heike Götte, diese enge Kooperation der privaten Wirtschaft mit dem öffentlichen Bildungssystem leiste einen wertvollen Betrag zum naturwissenschaftlichen Unterricht. Die ebenfalls anwesenden VertreterInnen der Kölner und Düsseldorfer Bezirksregierungen teilten ihre Auffassung, und auch die Presse jublilierte. “Gen-Manipulation ist schon im Schüler-Labor machbar„, frohlockte der Leverkusener Anzeiger und fand nichts Anstößiges an der Ausbildung von bereits über 460.000 BAYER-MutantInnen in den Konzern-Labors.
Regierungspräsident bei BAYER
Der Regierungspräsident Jürgen Roters weihte BAYERs neuen Container-Terminal auf dem Gelände des Leverkusener Chemie-“Parks„ ein und zeigte sich begeistert: “Investitionen wie diese zeigen deutlich, wie das Ergebnis einer unternehmerischen Initiative aussehen kann, die sich an Markt-Entwicklungen, Kunden-Bedarf und Anlagen-Sicherheit orientiert„. Mit der Sicherheit des Terminals scheint es aber nicht so weit her zu sein: Noch wenige Stunden vor der offiziellen Inbetriebnahme kam es zu einem Unfall mit einem Container, bei dem das Brand-Früherkennungssystem seinen ersten Einsatz hatte.
Gute KritikerInnen, schlechte KritikerInnen
Die IFPMA als internationaler Verband von BAYER und den anderen Pharma-Riesen plant, ihre Strategie gegenüber KritikerInnen zu ändern. Sie erhöhte ihren “Dialüg„-Etat und will eine Spaltung der kritischen Gruppen in gute und schlechte betreiben. Gute Initiativen sind nach Ansicht des Lobby-Clubs solche, “die bereit sind, ihre Ansichten auszutauschen und zu einem besseren Verständnis der Industrie zu kommen„. Gegen die übrigen unabhängigen Nichtregierungsorganisationen empfahl ein Berater vom konservativen “American Enterprise Institute„ der IFPMA ein harsches Vorgehen: “Erkenne deine Feinde und neutralisiere sie, und handele, bevor sie es tun!„.
Handelsverträge made by BAYER
BAYER & Co. haben einen großen Einfluss auf die Gestaltung der Handelsverträge, welche die USA mit anderen Nationen schließt. In den entsprechenden Berater-Gremien sitzen bis zu 16 RepräsentantInnen von Big Pharma. Sie sorgen unter anderem für rigide Patent-Regeln, die in den Ländern der Dritten Welt den Zugang zu erschwinglichen Arzneien erschweren. Zudem blockieren die Industrie-Emissäre den Aufbau eines effizienten staatlichen Gesundheitssystems in den betreffenden Ländern und verhindern strenge Regelungen zur Lebensmittelsicherheit, da BAYER & Co. so etwas als “Handelshemmnisse„ betrachten.
Bush schränkt Sammelklagen ein
Die von LIPOBAY-Geschädigten eingereichten Sammelklagen haben den Leverkusener Chemie-Multi bisher über eine Milliarde Dollar gekostet. In Zukunft dürfte der Konzern bei Pharma-GAUs deutlich billiger wegkommen. Der von BAYER großzügig mit Wahlkampf-Spenden bedachte George W. Bush schränkt nämlich die Möglichkeit, Schadensersatz-Ansprüche gegen große Unternehmen durchzusetzen, drastisch ein. Übersteigt der Streitwert fünf Millionen Dollar, sind nach einem neuen Gesetz automatisch die Bundesgerichte zuständig - und die wiesen bereits in der Vergangenheit viele Klagen aus spitzfindigen formaljuristischen Gründen ab.
PROPAGANDA & MEDIEN
BAYER wäscht sich grün
Je weniger BAYER real die Anfordungen an eine umweltbewusste Konzern-Politik erfüllt, wie nicht nur die zunehmende Zahl der Störfälle zeigt, desto mehr Arbeit steckt er ins image-fördernde “Greenwashing„. So gehört der Leverkusener Chemie-Multi zu den Mitbegründern von “Econsense - Forum für nachhaltige Entwicklung„ und nutzt die Veröffentlichungen der Organisation als Werbe-Plattform zur Präsentation seiner “Umwelt-BotschaftlerInnen„. Zudem beteiligte sich der Agro-Riese an “Corporate Accountability„ einer PR-Initiative zu “verantwortlichem Unternehmenshandeln„.
BAYER spendet Computer
Mit der Spende von 70 PCs und Laptops an den Förderverein “Schulnetz Leverkusen„ betreibt BAYER mal wieder Schulpolitik. “Computer-Kenntnisse sind heute unverzichtbar und werden von uns als Arbeitgeber auch erwartet„, sagte der Leverkusener Chemie“park„-Leiter Heinz Bahnmüller bei der Übergabe des Geschenks und enthüllte damit die niederen Beweggründe der noblen Geste.
TIERE & ARZNEIEN
BAYER bei Tier-Arzneien Nr. 4
Die Veterinär-Sparte BAYER ANIMAL HEALTH machte 2003 einen Umsatz von 800 Millionen Euro. Damit ist sie die Nr. 4 auf dem Weltmarkt.
DRUGS & PILLS
Aus für REPINOTAN
BAYER hat die Medikamenten-Versuche mit dem Schlaganfall-Mittel REPINOTAN abgebrochen. “Eine kürzlich durchgeführte Phase IIb-Studie mit REPINOTAN hat nicht die erhofften Ergebnisse gebracht„, verlautbarte das Unternehmen. Nun befindet sich nur noch die Krebs-Arznei BAY 43-9006 in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium. Für die Financial Times Deutschland demonstriert die Schlappe das besondere Risiko von BAYERs neuer Pharma-Strategie, die Forschung zurückzufahren und sich nur noch auf vier Therapie-Gebiete zu beschränken.
ASPIRIN schädigt Darmwand
Die Liste der Nebenwirkungen von ASPIRIN ist lang. Das Schmerzmittel kann unter anderem das Schlaganfall-Risiko erhöhen, Nieren-Erkrankungen verschlimmern, Kopfschmerzen und Magenbluten auslösen und bei Kindern zum Reye-Syndrom führen, einer Leber- und Gehirn befallenden Krankheit. Eine Untersuchung des Magen-Spezialisten David Graham vom “Veterans Affairs Medical Center„ im texanischen Houston fügte dem “Schwarzbuch ASPIRIN„ jetzt ein weiteres Kapitel zu. Nach seiner Studie führte die Einnahme von ASPIRIN bei 70 Prozent der ProbantInnen mit Gelenk-Beschwerden zu einer Schädigung der Darm-Schleimhaut.
ASPIRIN bekommt Sonderstatus
Pharma-Konzerne betrachten es nicht als ihre ureigene Aufgabe, Arzneien zur Behandlung von möglichst vielen Krankheiten zu erfinden. Sie wollen lediglich Medikamente zur Therapie der verbreitesten Gesundheitsstörungen entwickeln, weil nur das genügend Profit verspricht. Deshalb müssen die GesundheitspolitikerInnen solche Arzneien subventionieren. Diese Aufgabe erfüllt die Verleihung des Orphan-Drug-Status (orphan = engl. Waise). Ein solches Prädikat bekam BAYER jetzt von der Europäischen Union für ihren Tausendsassa ASPIRIN verliehen. Nach Meinung der EU-ExpertInnen kann es bei der Therapie der Blutzellen-Erkrankung Polycythemia vera ergänzend eingesetzt werden, um das Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko der PatientInnen zu senken. Der Leverkusener Chemie-Multi kommt so in den Genuss einer verlängerten Patent-Laufzeit und geringerer Zulassungsgebühren für das Polycythemia-vera-ASPIRIN. Mit dieser Entscheidung setzen sich die EU-PolitikerInnen über die Meinung vieler WissenschaftlerInnen hinweg, die massive Zweifel an solch einer vorbeugenden Wirkung des Präparats haben.
Mehr Herzschlag-Risiken, mehr ASPIRIN
Ob ASPIRIN ein sinnvolles Medikament zur Verhütung von Herz/Kreislauf-Erkrankungen ist, diskutiert die medizinische Fachwelt äußerst kontrovers. Trotzdem versucht der Leverkusener Chemie-Multi, die Arznei in diesem Anwendungsbereich als ASPIRIN PROTECT möglichst großflächig an den Mann und an die Frau zu bringen. Dem Pharma-Riesen zufolge weisen nämlich 42 Prozent der über 40-jährigen Personen ein erhöhtes Gefährdungspotential auf. Und nach einer von BAYER in Auftrag gegebenen Untersuchung nehmen nur 43 Prozent dieser Gruppe ASPIRIN zu Präventionszwecken ein. Also ruft der Konzern in Tateinheit mit der von ihr großzügig unterstützten AMERICAN HEART ASSOCIATION zu einem vermehrten Konsum des Tausendsassas auf. Diese mehr als zweifelhafte Empfehlung beruht auf einem “erweiterten Risiko-Begriff„. BAYER zählt nämlich alle Menschen, die einer um 10 Prozent höheren Herzinfarkt-Gefahr als der Durchschnitt ausgesetzt sind, zur ASPIRIN-Zielgruppe. Dazu reicht es oft schon zu rauchen, an Diabetes zu leiden, einen erhöhten Blutdruck zu haben, schlechte Cholesterin-Werte aufzuweisen oder zu viel Gewicht auf die Waage zu bringen.
ASPIRIN: Gefährliche Kombinationswirkungen
Magenblutungen zählen zu den bekannten Nebenwirkungen von ASPIRIN. Schluckt eine Person parallel zu diesem Präparat noch andere Medikamente, so steigt diese Gefahr zusätzlich. “Wer zum Beispiel ASPIRIN und ein Rheuma-Mittel gleichzeitig einnimmt, hat ein erhöhtes Risiko von Magenblutungen„, warnt der Pharma-Experte Gunter Hopf von der “Ärztekammer Nordrhein„.
Neuer Diabetes-Wirkstoff
Das Biotech-Unternehmen CURAGEN hatte im Auftrag BAYERs ein Protein identifiziert, das angeblich Einfluss auf den Krankheitsverlauf von Diabetes hat (Ticker 4/01). Der Leverkusener Chemie-Multi hat nun einen Wirkstoff entwickelt, der den Stoffwechsel dieses Proteins beeinflusst und ihn in die präklinische Test-Phase eingebracht. Es gibt zwar schon genügend Präparate zur Behandlung der Zuckerkrankheit, aber der Pharma-Riese sieht noch Marktlücken. Dem Konzern zufolge haben viele gängige Medikamenten nämlich angeblich den Nachteil, das Senken des Blutzuckerspiegels nicht ausreichend steuern zu können, weshalb das Risiko gefährlicher Unterzuckerungen besteht.
Krebsmittel aus Taxol
BAYER forscht an einem Krebs-Medikament auf Taxol-Basis. Taxol ist ein Wirkstoff, der sich aus Rinde und Nadeln der kanadischen Eibe gewinnen lässt. Sollte der Baum-Stoff wirklich einmal Markt-Reife erlangen, dürfte ihn der Pharma-Riese sicherlich als Naturstoff anpreisen, obwohl der BAYER-Pharmakologe Thomas Henkel sich differenzierter äußert. “Die Natur dient als Ideengeber. Wir versuchen, den Naturstoff chemisch nachzubauen„, so Henkel. Nichts anderes hat die Chemie-Industrie ihr ganzes Leben lang getan, angefangen von der Produktion synthetischer Farbstoffe.
KOGENATE bei vielen wirkungslos
BAYERs Blutgerinnungsmittel KOGENATE hilft bei 25 Prozent aller Bluter nicht. Bei diesen Patienten bildet das Immun-System Antikörper gegen KOGENATEs Gerinnungsfaktor VIII und neutralisiert ihn damit. Das Risiko gefährlicher Blutungen bleibt so weiter bestehen. Der Pharma-Riese unterstützt nun ein Forschungsvorhaben mit dem “Special Project Award„, das nach Mitteln und Wegen sucht, diese häufig auftretende Komplikation zu verhindern.
KOGENATE: Neue Darreichungsform
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BAYER hat von der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMEA die EU-weite Zulassung für eine neue KOGENATE-Darreichungsform erhalten. Der Leverkusener Chemie-Multi bietet das Präparat, das Bluter mit dem ihnen fehlenden Gerinnungsfaktor VIII versorgt, nunmehr auch in einem Fertigset mit eingebauter Spritze an.
KOGENATE: Neue Darreichungsform
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BAYER hat die niederländische Firma ZILIP PHARMA beauftragt, die Darreichungsform für das Bluter-Mittel auf der Grundlage einer von dem Unternehmen neu entwickelten Technologie so zu ändern, dass Patienten nicht mehr einmal täglich, sondern nur noch einmal in der Woche eine Spritze benötigen.
Studie fördert ADALAT-Image
Das blutdruck-senkende Mittel ADALAT (Wirkstoff: Nifedipin) fährt für BAYER die zweitgrößten Umsätze im Arznei-Bereich ein. Der Ruf hat aber stark gelitten. Bereits 1999 schätzte der Mediziner Peter Sawicki, heute Leiter des “Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen„, die Zahl der auf das Konto von ADALAT und anderen Kalzium-Antagonisten gehenden Todesfälle ab 1979 auf 20.000. Darum entschloss sich der Pharma-Riese zu einer Image-Korrektur, fabrizierte eine länger wirkende ADALAT-Art und gab eine medizinische Studie in Auftrag. Sie lieferte prompt auch das gewünschte Ergebnis. Die Untersuchung bescheinigte dem Präparat, Herz- und Schlaganfälle zu verhindern und die Risiken und Nebenwirkungen der alten Version abgestellt zu haben. An der Glaubwürdigkeit dieses Urteils bestehen allerdings wie bei allen industrie-finanzierten Tests große Zweifel.
LEVITRA-Rechte zurückgekauft
BAYERs Potenz-Mittel LEVITRA hat die hoch gesteckten Erwartungen bisher nicht erfüllt. Eine Milliarde Euro Umsatz pro Jahr wollte das Management mit der Pille gegen “erektile Dysfunktion„ machen, schlappe 133 Millionen waren es dagegen im Geschäftsjahr 2003. Der Markt-Anteil beträgt lediglich 12 Prozent. “Nicht so wie ursprünglich gesehen„ entwickelte sich das Geschäft mit dem Lifestyle-Präparat, räumte BAYER-Chef Werner Wenning dann auch ein. Darum ändert der Konzern die Vermarktungsstrategie und kaufte von GLAXOSMITHKLINE (GSK) für 208 Millionen Euro die Vertriebsrechte für Kanada, Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika zurück. Nur in den USA bleibt die LEVITRA-Distribution in der Hand von GSK.
Weniger Forschung, mehr Lizenzen
BAYER hat die Forschungsanstrengungen im Pharma-Bereich auf vier Therapie-Gebiete reduziert, was viele Arbeitsplätze kostete (Ticker 4/04). Der Konzern will stattdessen die Früchte fremder Arbeit ernten und verstärkt Lizenzen für kurz vor der Marktreife stehende Arzneien zukaufen, wie der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning gegenüber der Presse bekannt gab.
Weniger Forschung, mehr Zweitverwertung
BAYER hat im Arznei-Sektor die wissenschaftlichen Anstrengungen zur Entwicklung neuer Medikamente auf vier Therapie-Felder beschränkt. Dafür will der Konzern die Zweitverwertung seiner Arzneien professionalisieren. Dazu hat der Pharma-Riese in Wuppertal eine Abteilung für “produkt-begleitende Forschung„ eingerichtet. Sie soll unter anderem neue Anwendungsmöglichkeiten für alte Pillen finden und so ihre Patent-Laufzeit, die Lizenz für überteuerte Monopol-Preise, verlängern. Die Krankenkassen kostet dieses Arznei-Recycling, das der Leverkusener Chemie-Multi “Life-Cycle-Management„ nennt, Millionen-Summen.
BAYER macht Infarkt-Diagnose
BAYER unterzeichnete mit der PES DIAGNOSESYSTEME GmbH und der an dem Unternehmen beteiligten SIEMENS AG einen Kooperationsvertrag. Nach dieser Vereinbarung vertreibt BAYER HEALTHCARE zukünfig eine von PES entwickelte Apparatur, die bei der Diagnose akuter Herzinfarkte zum Einsatz kommen soll.
Zulassung für Hepatitis-B-Test
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat BAYER die Zulassung für einen Hepatitis-B-Test erteilt, mit dem MedizinerInnen den Gesundheitszustand von PatientInnen bestimmen können, die an dieser Form von Gelbsucht leiden.
Pharma-Allianz kostet Umsatz
Nach dem LIPOBAY-Skandal entschloss BAYER sich, den Pharma-Bereich zu verkleinern. Im Zuge dieser Maßnahmen gab der Chemie-Multi in den USA seinen eigenen Pillen-Vertrieb auf und ging eine Allianz mit SCHERING-PLOUGH ein (Ticker 4/04). Dadurch muss der Konzern finanzielle Einbußen hinnehmen. Er beziffert den Umsatz-Verlust in der Sparte Pharma/Biologische Produkte exklusive Blutplasma insgesamt auf fünf bis sieben Prozent.
Leere Pharma-Pipeline
Mit dem Krebsmittel BAY 43-9006 befindet sich derzeit nur eine Arznei des Leverkusener Chemie-Multis in der fortgeschrittenen klinischen Entwicklungsphase III. Drei Kandidaten durchlaufen gerade die Phase II und elf die Phase I. Vorklinische Experimente machen die BAYER-PharmazeutInnen mit 18 Substanzen.
PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE
BAYER profitiert von “Asiatischem Rost„
Auf Soja-Feldern in Lateinamerika grassiert die Pilz-Krankheit “Asiatischer Rost„ und vernichtet einen beträchtlichen Teil der Ernte. Der BAYER-Konzern als Agrochemikalien-Marktführer auf dem Kontinent profitiert von der Lage. In Brasilien steigerte sich der FOLICUR-Umsatz vom zweiten zum dritten Quartal 2004 um 44 Prozent auf 88 Millionen Euro. Mittlerweile haben sich Sporen des Rostes auch bis in die USA hinein verbreitet. Deshalb erteilen die Behörden Sonderzulassungen für den Einsatz von FOLICUR und STRATEGO auf Soja-Kulturen, was große Geschäfte verspricht.
Mehr Biozide aus Nordamerika
Im Jahr 2002 hat BAYER die Biozid-Sparte von ONDEO NALCO übernommen. Die gefährlichen Substanzen auf Basis von Thiabendazol oder Dibromdicyanobutan verhindern die Entstehung von Bakterien, Schimmelpilze oder Hefen, können beim Menschen aber Vergiftungserscheinungen auslösen. Der Leverkusener Multi liefert die Chemikalien Industrie-Kunden, welche die Stoffe dann Farben, Lacken, Kunststoffen, Klebstoffen, Papieren oder anderen Produkten beimengen. Da die Geschäfte gut laufen, will der Konzern die Produktionsstätte in Wellford, South Carolina für 0,5 Millionen Dollar ausbauen und die Produkte mit den Namen TEKTAMER, METASOL und BIOCHEK verstärkt auch in Europa und Asien anbieten.
Genehmigung für PROLINE
Das “Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit„ hat BAYERs Anti-Pilzmittel PROLINE die Zulassung erteilt. Der Leverkusener Chemie-Multi will das Fungizid hauptsächlich als Präparat gegen den Echten Mehltau und andere Pflanzen-Krankheiten im Raps- und Getreide-Anbau vermarkten, zum Teil auch in Kombination mit IMPULSE.
GENE & KLONE
Keine Zulassung für Gen-Mais
Trotz grünen Lichts aus Brüssel für zwei Sorten von gen-manipuliertem BAYER-Mais hat Verbraucherschutz-Ministerin Renate Künast den Labor-Produkten ebenso wenig eine Zulassung erteilt wie vier ihrer KollegInnen aus anderen Ländern. Daraufhin erhöhte die EU-Kommission den Druck auf die MinisterInnen. Ob Künast und die anderen PolitikerInnen bei ihrer Entscheidung bleiben, dürfte sich in naher Zukunft herausstellen.
LIBERTY-Baumwolle in Australien
Die australischen Behörden haben einen Antrag von BAYER auf Zulassung von Gentech-Baumwolle genehmigt. Der Gen-Gigant darf nun Baumwolle anbauen, die resistent gegen das konzern-eigene Unkrautvernichtungsmittel LIBERTY mit den Wirkstoffen Glufosinat und Ammonium ist.
BAYER will Gen-Senf anpflanzen
Nachdem der Agro-Multi Experimente mit Gentech-Senf in Indien stoppen musste, versucht er nun sein Glück in Australien. Der Konzern beantragte die Genehmigung zu Feldversuchen mit gentechnisch manipuliertem indischen Senf aus Leverkusen und löste damit eine Kontroverse zwischen konservativer Regierung und Demokratischer Partei aus.
Neue Projekte bei Biotech-Pflanzen
Die Mehrheit der VerbraucherInnen lehnt die grüne Gentechnik ab, weil sie darin keinen zusätzlichen Nutzen, sondern nur unabsehbare Gefahren erblickt. BAYER verfolgt deshalb die Strategie, durch die Erhöhung des “Gebrauchswertes„ der Pflanzen die Akzeptanz der Risiko-Technologie zu steigern. So entwickelt das Unternehmen gen-manipulierten Raps mit einem angeblich gesundheitsfördernden höheren Gehalt an ungesättigten Fettsäuren. Zudem basteln Konzern-ForscherInnen an Gen-Baumwolle, die sich leichter färben lässt, Wasser abweist und nicht so schnell verknittert. Darüber hinaus will der Gen-Gigant aus Pflanzen kleine Fabriken machen, indem er sie als Bio-Reaktoren nutzt. Sie sollen später einmal Kohlehydrate für Nahrungsmittel, Klebstoffe und andere Anwendungen herstellen. Den Risiken und Nebenwirkungen solcher “Innovationen„ geht der Chemie-Multi selbstredend nicht nach.
PLASTE & ELASTE
Gefährliches GENITRON
In einem Betrieb des Chemie-Unternehmens LANXESS, an dem BAYER eine Aktien-Beteiligung hält, hat der Kunststoff-Zusatz GENITRON bei Beschäftigten Haarausfall und Allergien ausgelöst. Die Substanz mit dem Inhaltsstoff Azodicarbonamid gilt als leicht Krebs erregend. Da sie auch in Lebensmittel-Behältnissen wie den gummierten Innen-Seiten von Deckeln enthalten ist, hat die EU ein Verbot der Verwendung von GENITRON im Lebensmittel-Bereich beschlossen.
BAYER profitiert von DVD-Boom
Im Jahr 2003 produzierte die Elektronik-Industrie sechs Milliarden DVDs. Dieser Boom verhilft dem Leverkusener Chemie-Multi zu einem erhöhten MAKROLON-Absatz, denn ein Drittel aller Disks besteht aus diesem BAYER-Kunststoff.
Preis-Erhöhung für Kunststoffe
In den letzten Jahren hat die Überproduktion im Kunststoff-Sektor zu Preis-Senkungen geführt. BAYER & Co. versuchten dem unter anderem durch Kartell-Absprachen zu begegnen (siehe RECHT & UNBILLIG). 2004 ist die Nachfrage gestiegen. Deshalb erhöht der Leverkusener Chemie-Multi die Produktionskapazitäten und verlangt für seine Erzeugnisse wieder mehr Geld.
WASSER, BODEN & LUFT
Emissionshandel: BAYER lamentiert
Die Chemie-Industrie zählt zu den größten Produzenten des klima-schädigenden Kohlendioxides. Aus den Schornsteinen der BAYER-Werke steigen jährlich 6,1 Millionen Tonnen CO2 in die Luft auf. Mit dem Emissionshandel, wonach die Unternehmen nur bis zu einem bestimmten Oberwert kostenfrei CO2 ausstoßen dürfen, wollte die EU die Konzerne zur Entwicklung umweltfreundlicherer Technologien bewegen. Aber den Chemie-Multis gelang es durch intensive Lobby-Arbeit, die Gesetzes-Vorlage aufzuweichen. So unterliegt bei BAYER jetzt nur das Kohlendioxid, das bei der Strom-Erzeugung der betriebseigenen Kraftwerke entsteht, dem Emissionshandel, nicht aber das von den Produktionsanlagen ausgestoßene. Trotzdem beklagte sich der Leverkusener Chemie-Multi bei der Vorstellung des neuen Nachhaltigkeitsberichtes über die durch den C02-Handel angeblich anfallenden Mehrkosten in zweistelliger Millionen-Höhe. Diese würden Investitionen verhindern und Arbeitsplätze kosten, beklagte sich BAYER-Vorstand Udo Oels wider besseren Wissens.
Noch mehr Sondermüll in Krefeld
BAYER betreibt die Abfall-Entsorgung mittlerweile als Geschäft und nimmt auch Fremd-Aufträge an. So bekam der Chemie-Multi den Zuschlag, für 3,6 Millionen Euro das Betriebsgelände der ELEKTROCHEMISCHEN FABRIK KEMPEN zu sanieren und 95.000 Tonnen Chlor sowie Klebstoff- und Waschmittel-Rückstände nach Krefeld abzutransportieren. Die LokalpolitikerInnen erfuhren von dem Gift-Deal nur aus der Presse und fühlten sich überfahren. Das Ratsmitglied Burkhard Frohnert sah noch reichlich Klärungsbedarf. “Wie wird Flugstaub beim Abkippen verhindert„, fragte er etwa im Rat.
Verbrennungsanlage verunreinigt Luft
Nach dem Bundesimmissionsschutz-Gesetz hat der Leverkusener Chemie-Multi die Pflicht, die Öffentlichkeit über den Schadstoff-Ausstoß bei Giftmüll-Verbrennungen zu informieren. Bei der Krefelder Anlage kam da so einiges zusammen. Die Emissionswerte betrugen für Staub im Jahresmittel 0,26 mg/m3, für Kohlenstoff 1,4, für Chlorwasserstoff 0,9, für Schwefeldioxid 1,7, für Stickstoffdioxid 82, für Kohlenmonoxid 6,3 und für Ammoniak 1,6. Der Halbstundenwert für Chlorwasserstoff überstieg dabei sogar einmal die zulässige Obergrenze.
Hoher Sondermüll-Anteil von Chemie
28,6 Millionen to Sonderabfall produzierte die europäische Industrie im Jahr 1999. Die giftigen Substanzen von BAYER und anderen Chemie-Unternehmen hatten daran einen Anteil von zehn Prozent.
Mehr Rückstandsverbrennung in Dormagen.
Der Leverkusener Chemie-Multi will die Kapazität der Dormagener Rückstandsverbrennungsanlage um 19.000 Tonnen auf 75.000 Tonnen jährlich erweitern. Dazu brachte er einen Eilantrag in den Rat ein. Werksleiter Walter Schulz begründete die Ausbau-Pläne mit der gestiegenen Abfall-Produktion im Chemie-“Park„ und einer höheren Nachfrage auf dem Markt für Verbrennung von Sondermüll.
Rückstellungen wg. Chrom
Das Grundwasser in der Umgebung des im südafrikanischen Durban gelegenen BAYER-Werks ist stark durch Krebs erregende Chrom-Verbindungen belastet (siehe auch SWB 4/04). Der Leverkusener Chemie-Multi bestreitet, dass es sich um aktuelle Einträge handelt, die Chrom-Belastung gehe angeblich auf “historische Verunreinigungen„ zurück. Trotzdem hat BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS wegen etwaiger Schadensersatz-Ansprüche eine Rückstellung in Höhe von 40 Millionen Euro gebildet.
Leichterer Zugang zu Umwelt-Informationen
Die EU erleichtert natürlichen und juristischen Personen den Zugang zu Umwelt-Informationen der Behörden. Nach der neuen Richtlinie müssen die Ämter diese binnen vier Wochen zur Verfügung stellen. Verweigern die staatlichen Stellen die Auskunft, so sind sie zu einer detaillierten Begründung angehalten. AntragstellerInnen haben überdies die Möglichkeit, die Ablehnung anzufechten. Vor zwei Jahre hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Anfrage an das NRW-Umweltministerium wegen der Risiken bei Erweiterung von BAYERs Phosgen-Produktion gestellt und monatelang keine Antwort erhalten. Bleibt abzuwarten, ob sich das in Zukunft ändern wird.
PRODUKTION & SICHERHEIT
BAYER überwacht sich selbst
BAYER hat 1949 den Verband der Technischen Überwachungsvereine (TÜV) mitgegründet. Entsprechend wohlwollend und nichtssagend fallen dann auch die Gutachten zu Störfallen aus. Jetzt erreicht die Zusammenarbeit eine neue Stufe. Die 80 für die Sicherheit der Leverkusener BAYER-Anlagen zuständigen MitarbeiterInnen wechseln komplett zur TÜV CHEMIE SERVICE GmbH. “TÜV SÜD und BAYER INDUSTRY SERVICES GmbH & Co. OHG legen damit ihre Branchen-Kompetenz für technische Anlagen-Sicherheit und überwachungsbedürftige Anlagen in der Chemie- und Prozess-Industrie zusammen„, heißt es dazu in einer Presse-Information. Sie stellt eine endgültige Kapitulationserklärung des TÜV vor den Interessen der Industrie zu Lasten des Katastrophenschutzes dar. Hintergrund des “Joint Ventures„ dürfte der Wunsch BAYERs gewesen sein, die Sicherheitsnebenkosten der Immobilie “Chemie-„Park“ zu senken (s. u.).
STANDORTE & PRODUKTION
Krise der Chemie-„Parks“
Mit einem Jahres-Umsatz von 1,5 Millarden Euro ist die BAYER INDUSTRY SERVICES der größte Betreiber von Chemie-„Parks“ in der Bundesrepublik. Aber die Geschäfte laufen nicht so gut. Konkurrenten wie die DEGUSSA versuchen zurzeit, sich von ihren Grundstücken zu trennen. Wegen der hohen Fixkosten, unter anderem durch Sicherheitsauflagen, sagen BeobachterInnen eine „Markt-Bereinigung“ voraus. BAYER sieht jedoch noch keinen Handlungsbedarf. „Es gibt keine Verkaufsgespräche und auch keine Pläne dazu“, sagte ein Konzern-Sprecher. Allerdings versucht der Chemie-Multi, die Parks effizienter zu managen. So plant er in Wiesdorf, das Gelände zu verkleinern und die Verwaltungsgebäude außen vor zu lassen, weil die nötigen Sicherheitsmaßnahmen dann nicht mehr dem Chemie-Standard entsprechen müssen (siehe auch Ticker 4/04).
HC STARCK in Leverkusen
Die BAYER-Tochter HC STARCK, berühmt-berüchigt wg. des Bezuges von Rohstoffen aus dem Bürgerkriegsland Kongo, hat seit 2002 auch eine Niederlassung im Leverkusener Chemie-„Park“. Jetzt richtet sie dort ein neues Verwaltungs- und Forschungsgebäude ein. Sie will in den neuen Labors Leuchtdioden für den TV- und Computermarkt, leitfähige Kunststoffe und Spezial-Chemikalien für die Elektro- und Elektronik-Industrie entwickeln.
BAYER kritisiert die Stadt Leverkusen
Der Pharma-Riese zahlt in Leverkusen im Jahr 2005 keine Gewerbesteuern, was ihn aber nicht davon abhält, immer wieder Forderungen an die Kommune zu stellen. So kritisierten drei BAYER-Teilnehmer an dem Fachkongress „Bio meets Nano and IT“, der in Leverkusens finnischer Partnerstadt Oulu stattfand, die fehlende Präsenz der Stadt bei der Tagung. Während andere Orte wie Halle ihre BürgermeisterInnen mit zum Kongress schickten, glänzte Leverkusens politische Spitze durch Abwesenheit, monierten die BAYER-Vertreter. Die angegriffenen KommunalpolitikerInnen machten die nicht zuletzt durch den Konzern verschuldete schlechte Haushaltslage für ihr Fehlen in Oulu verantwortlich und erläuterten dem Chemie-Multi im Übrigen, welch großen Anteil die „Wirtschaftsförderung Leverkusen“ an der Vorbereitung des Technologie-Meetings gehabt hat.
Streit um Park-Pflege
Während BAYER in Leverkusen 2005 keinen Cent Gewerbesteuer zahlt, erbringt die Kommune nach wie vor viele freiwillige Leistungen für das Unternehmen. So trägt die Stadt mit 40.000 Euro die Hälfte der Kosten für die Pflege des Wiesdorfer BAYER-Parks. Die Ratsfraktion der SPD hat sich jetzt gegen diese Subvention ausgesprochen. „Warum sollen wir BAYER-Gelände pflegen?“, meinte etwa der Ratsherr Johannes Singer. Entsprechende Vorstöße von seiten der Politik hat es bereits in der Vergangenheit gegeben, bisher blieb aber immer alles beim Alten.
Krefeld: Ein Hallenbad weniger
Der Schwimmsport-Verein SSF Aegir errichtete über einem Krefelder Freibad im Winter eine Traglufthalle. BAYER sorgte mit kostenlosen Dampf-Lieferungen für die Beheizung. Im September 2004 stoppte der Leverkusener Chemie-Multi seine Unterstützung. Stadt und Verein können das Geld für den Unterhalt des Bades nicht allein aufbringen, weshalb sie den Winter-Betrieb einstellten. In der Vergangenheit hat das Unternehmen bereits das konzern-eigene Carl-Duisberg-Bad geschlossen und die Zuschüsse für die Dormagener „Römer-Therme“ gekürzt.
Stegmüller Boss in Brunsbüttel
Roland Stegmüller hat im August 2004 die Leitung des Brunsbütteler Chemie-„Parks“ übernommen und tritt damit die Nachfolge von Willy Schiwy an. Werksleiter gibt es bei BAYER nicht mehr, an seine Stelle ist der Chemie „park“-Leiter getreten. Nach den vielen Umstrukturierungen und Ausgliederungen existieren auf den Unternehmensarealen nämlich keine einheitlichen Werke im früheren Sinne mehr. Weil der Chemie-Multi in Brunsbüttel nur Kunststoff herstellt, betreibt nicht wie sonst üblich BAYER INDUSTRY SERVICE den Chemie-„Park“, sondern BAYER MATERIAL SCIENCE.
Genter Forschungszentrum eröffnet
BAYER hat Ende Oktober 2004 das Gentechnik-Forschungszentrum im belgischen Gent in Betrieb genommen. In den nunmehr größten und modernsten Gentech-Laboren des Konzerns sollen die WissenschaftlerInnen gen-manipuliertes Saatgut und neue Produkte der Pflanzen-Biotechnologie entwickeln.
Antwerpen: Neue Anilin-Anlage
BAYER baut im belgischen Antwerpen für 20 Millionen Euro eine neue Anilin-Anlage und erweitert an dem Standort die Kapazität der bereits vorhandenen Fertigungsstätte. Der Konzern setzt den Stoff unter anderem bei der Produktion des Schaumstoffes Polyurethan ein.
BAYER erhöht Kunststoff-Produktion
Der Leverkusener Chemie-Multi kündigte an, seine Kunststoff-Produktion zu steigern und neben der Investition in Antwerpen (s. o.) die Kapazitäten der Fertigungsstätten im spanischen Tarragona, im US-amerikanischen Baytown und in Brunsbüttel zu steigern.
Neue Fabrik auf den Philippinen
BAYER plant, auf den Philippinen eine neue Anlage zur Produktion von Saatgut-Behandlungsmitteln à la GAUCHO aufzubauen, das in Frankreich für ein Bienensterben enormen Ausmaßes verantwortlich war.
IMPERIUM & WELTMARKT
BAYER kauft EHRFELD MIKROTECHNIK
Der Leverkusener Chemie-Multi hat das hessische Unternehmen EHRFELD MICROTECHNIK erworben. Die Firma machte die Mikrotechnik für Produktionsanlagen nutzbar, weshalb diese nicht mehr so einen großen Umfang haben müssen. Zudem erhöht die Einführung der Mikrotechnik die Effizienz der Fertigungsstätten und macht angeblich die chemischen Prozesse kontrollierbarer.
Kooperation mit PHYSIOMICS
BAYER hat einen Kooperationsvertrag mit der britischen Bioinformatik-Firma PHYSIOMICS abgeschlossen. Die beiden Unternehmen wollen ihre Technologien zur pharmakologischen Untersuchung von Stoffen zusammenführen.
Verkauf des Plasma-Geschäfts
Der Leverkusener Chemie-Multi hat seine Blutplasma-Sparte für 450 Millionen Euro an den US-amerikanischen Finanz-Investor CERBERUS verkauft. Damit wechselten Blut-Präparate wie GAMUNEX, GAMIMUNE N, POLYGLOBIN und PROLASTIN den Besitzer. Nur KOGENATE vermarktet der Konzern noch selbst. Um Steuern zu sparen, hält BAYER aber pro forma eine Beteiligung von 10 Prozent „als mittelfristiges Investment“ an dem Blutprodukte-Segment.
Vertrag mit HIKAL
Der Leverkusener Chemie-Multi betreibt drei Ackergift-Produktionen in Indien. Im Herbst hat das Unternehmen mit dem indischen Hersteller HIKAL LTD einen Vertrag über die Lieferung von Feinchemikalien für die Pestizid-Herstellung geschlossen. BAYER hatte sich vor zwei Jahren von der eigenen Feinchemie-Sparte getrennt. BAYER CROPSCIENCE-Vorstand Wolfgang Welter bezeichnete das Eingehen von Kooperationen deshalb jetzt als Teil der neuen globalen Strategie des Konzerns.
ÖKONOMIE & PROFIT
Steuersparen in den USA
BAYER & Co. stöhnen bei jedem passenden und unpassenden Anlass über die angeblich zu hohe Steuer-Belastung in der Bundesrepublik und verweisen im gleichen Atemzug auf die weit unternehmensfreundlicheren Regelungen in den USA. Das ist allerdings reine Propaganda: In den Vereinigten Staaten sind die Steuersätze für Konzerne mit 35 Prozent genauso hoch wie hierzulande - und die Möglichkeiten, sie zu umgehen, genauso zahlreich (siehe auch SWB 4/04). Von den 275 größten Firmen zahlen BOEING, PFIZER, TIME WARNER und 43 andere trotz riesiger Gewinne überhaupt keine Abgaben. Im Durchschnitt bewegte sich das Steuer-Aufkommen der Firmen im Zeitraum zwischen 2002 und 2003 bei weniger als 18 Prozent und damit auf dem niedrigsten Niveau seit dem Zweiten Weltkrieg. Diese paradiesischen Zustände haben die Multis der Politik von George W. Bush zu verdanken. Für BAYER hat sich also die ihm gewährte Wahlkampf-Hilfe mehr als ausgezahlt.
UNFÄLLE & KATASTROPHEN
Fünf Verletzte bei Explosion
Am 23.11.04 kam es im Brunsbütteler BAYER-Werk zu einer Explosion. Die Druckwelle war so stark, dass Beschäftigte durch den Raum stoben und Teile durch die Luft flogen. Fünf Belegschaftsangehörige verletzten sich dabei und mussten sich einer Krankenhaus-Behandlung unterziehen.
Austritt von Adipin-Säure
Auf dem Gelände des BAYER-Chemie-„Parkes“ in Uerdingen kam es am 11.12.04 beim Umladen einer Chemikalie vom LKW in den Werkstank zu einem Unfall. In der Förderleitung entstand ein Leck, aus dem 400 Kilo der giftigen und Reizungen auslösenden Adipin-Säure austraten. Die als Vorprodukt bei der Herstellung von Lacken und Kunststoffen verwendete Säure verbreitete sich bis zu einer angrenzenden Straße. Der Lastkraftwagen-Fahrer musste sich zur Untersuchung in die BAYER-Polyklinik begeben.
Austritt von Acrylonitril
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In der im US-amerikanischen Addyston (Bundesstaat Ohio) gelegenen Niederlassung des Chemie-Unternehmens LANXESS, an dem BAYER eine Aktien-Beteiligung hält, passierte im Oktober 2004 ein Unfall. In der Kunststoff-Fertigung kam es zu einer Produktionsstörung, in deren Folge 448 Kilogramm des Krebs erregenden Gases Acrylonitril austraten. Obwohl in der Nähe des Werkes ein Volksfest stattfand, unterließ es die Firmen-Leitung, die Behörden zu informieren.
Austritt von Acrylonitril
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Im Addystoner LANXESS-Werk (s. o.) ereignete sich zwei Monate nach dem Acrylonitril-Austritt im Oktober erneut ein Störfall mit dem Krebs erregenden Gas. Am 15. Dezember 2004 traten während der Kunststoff-Produktion 260 Kilogramm der Substanz aus. Die zuständigen Behörden wollen dem Unternehmen nun strengere Sicherheitsauflagen machen.
Austritt von Aktivkohle
Am 29.9.04 ereignete sich im Uerdinger BAYER-Werk ein Unfall, bei dem giftige Substanzen austraten. Acht MitarbeiterInnen kamen in Kontakt mit den Chemikalien und mussten zur Untersuchung ins Krankenhaus. Sechs Beschäftigten entließen die MedizinerInnen nach kurzer Beobachtungszeit, zwei behielten sie länger dort. Nach BAYER-Angaben hat das Gemisch „im Wesentlichen aus Aktivkohle und Wasserdampf“ bestanden. Was „im Unwesentlichen“ noch so alles dabei war, verschwieg der Konzern. Da Aktivkohle dazu dient, giftige Stoffe aus den bei der Produktion anfallenden Reststoffen herauszufiltern, dürfte sie mit so allerhandlei angereichert gewesen sein. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat in einer Anfrage an das Umweltministerium NRW genauere Informationen über die Vorgänge verlangt und die Medien über den Störfall informiert.
Container-Unfall in Leverkusen
Am 14.9.04 kam es wenige Stunden vor der offiziellen Inbetriebnahme des neuen Container-Terminals auf dem Gelände des Leverkusener Chemie-„Parks“ zu einem Unfall mit einem Container, bei dem BAYERs Brand-Früherkennungssystem Schlimmeres verhinderte.
Brand bei LANXESS
Am 19.1.05 entzündete sich bei einem Produktionsbetrieb der BAYER-Abspaltung LANXESS auf dem Gelände des Leverkusener Chemie-„parks“ die Chemikalie Natriumborhydrid, ein Vorprodukt zur Arznei-Herstellung. Es entstand ein Brand, den die Feuerwehr erst nach einer Stunde unter Kontrolle hatte.
RECHT & UNBILLIG
Wieder Kartell-Strafe für BAYER
BAYERs kriminelle Energie in Sachen „Preis-Absprachen“ ist trotz des jüngsten Verfahrens in den USA wg. Bildung eines Kunststoff-Kartelles ungebrochen. In Portugal hat der Pharma-Riese zusammen mit anderen Unternehmen eine konzertierte Aktion bei Diabetes-Tests beschlossen - und binnen eines Jahres kosteten diese dann nicht mehr 15, sondern 20 Euro. Aber die Sache flog auf. Ein Gericht verurteilte BAYER zu einer Strafe von 658.000 Euro. Schon vor vier Jahren hatten die Konzerne in Italien die Gewinn-Spannen
Reisebericht von Uwe Friedrich, Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG)
Einige erinnern sich möglicherweise noch an die Meldung, daß in der Nacht zum 1. Juli diesen Jahres im Dormagener Werk des BAYER- Konzerns im Bereich der „Schaumstoffproduktion“ über zwölf Tonnen der krebserregenden Chemiekalie Toluylendiamin (TDA) ausgetreten sind. Kritiker verwiesen noch während der Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei auf viele offene Fragen und bemängelten insbesondere die unzureichende Informationspolitik des Konzerns. Dabei handelt es sich zweifelsfrei um eine Anlage zur Herstellung von Zwischenprodukten zur Herstellung von Polyurethan- Schäumen. Das produzierte Zwischenprodukt auf Basis von TDA und dem extrem risikoreichen Phosgen - als chemischer Kampfstoff im Ersten Weltkrieg eingesetzt - nennt sich TDI (Toluylendiisocyanat). Der Dormagener Unfall erhält dadurch unmittelbare Bedeutung für eine aktuelle Großinvestition des BAYER-Konzerns in Taiwan, v.a. deshalb, weil die Dormagener Anlage erst Ende 1996 eingeweiht wurde, also den neuesten Stand der Technik darstellt. In Taiwan argumentiert BAYER jedoch mit dem angeblich unfallfreien Betrieb dieser Technologie in deutschen Werken.
Als Gast der in Taiwan vor Ort aktiven Bürgerinitiative Anti-Bayer Action Union (ABAU) hatte ich Gelegenheit, Gespräche vor Ort zu führen, Politikern und Medien die Erfahrungen mit der Betriebssicherheit, Störanfälligkeit und Genehmigungspraxis deutscher TDI-Anlagen vor Augen zu führen und BAYER vor Ort mit neuen technologischen Erkenntnissen zu konfrontieren. So war den Vertretern des Weltkonzerns offensichtlich nicht bekannt, daß bereits mehrere chlorfreie und damit deutlich risikoärmere Verfahren zur TDI-Produktion entwickelt, erprobt sind und sich seit mehr als einem Jahr auch im großtechnischen Einsatz befinden. Die Entwickler dieser Verfahren sind die deutsche Firma Arco sowie die japanischen Konzerne Mitsui Toatsu und Mitsubishi Chemicals.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren begleitet seit 1978 aktiv und kritisch die Geschäftspolitik von BAYER und tritt alljährlich im Bündnis mit weiteren Kritischen Aktionären auf der Hauptversammlung des Konzerns in Köln auf, um „die bitteren Pillen der süßen Bilanzen“ zu präsentieren und Betroffenen die Möglichkeit der Wortmeldung gegenüber dem Konzernvorstand einzuräumen. So trug auf der diesjährigen BAYER-Hauptversammlung am 30. April Frau Uie-Liang Liou als Vertreterin der ABAU die Fragen und Forderungen des taiwanesischen Aktionsbündnisses vor. Die Antwort des sichtlich frustrierten BAYER-Vorstandsvorsitzenden Schneider:
„Alles unwahr!“...Im übrigen seien die Demonstrationen und parlamentarischen Initiativen in Taiwan „von der Coordination gesteuert“.
Herr Schneider hat Grund für seine Unbeherrschtheit: Am 19. Juni berichtete das Magazin Wirtschaftswoche unter dem Titel „Taiwan-Projekt auf Eis“ darüber, daß sich das Milliardenprojekt des Baus einer TDI-Anlage so langsam aber sicher zum Alptraum des BAYER-Chefs entwickelt: Spätestens im vierten Quartal 1996 wollte der Konzern mit dem Bau dieser weltweit größten Anlage (Kapazität ca. 100.000 Jahrestonnen) in der taiwanesischen Hafenstadt Taichung beginnen, um die gesamte ostasiatische Region mit Kunststoff- Vorprodukten zu beliefern. Doch das Vorhaben, das schon in der ersten Ausbaustufe Investitionen in Höhe von 450 Millionen Mark erforderte, liegt auf Eis. Erst ein Drittel des Werksgeländes im Hafen von Taichung/Wu-Shi ist aufgeschüttet und planiert. Der Planungs- und Genehmigungsprozeß verzögert sich durch den lokalen Widerstand von Anwohnern, Gewerbetreibenden und Politikern. Das zuständige Industrial Development and Investment Center (IDIC), eine Agentur des nationalen Wirtschaftsministeriums in Taiwan, rechnet selbst für dieses Jahr nicht mehr mit einem Baubeginn für das BAYER-Projekt. Die Lokalpolitiker in Taichung County, dem unmittelbar an das Hafengebiet angerenzenden Distrikt, wollen vor den Kommunalwahlen im Dezember keine Genehmigung erteilen. Und dies obwohl Taiwans Zentralregierung schon im Herbst 1996 grünes Licht für das Projekt gegeben hatte. BAYER hatte offensichtlich zu sehr auf die nicht-öffentlichen Verhandlungen mit Zentralregierung und der alten Staatspartei Guomindang (KMT) gesetzt und den lokalen Widerstand, unterstützt durch die einflußreiche größte Oppositionspartei DPP (Democratic Progressive Party), völlig unterschätzt. Durch Projektmanagement und Verhandlungsführung nach deutscher Gutsherrenart gerät so eine für den Konzern dringliche strategische Investition im asiatischen Raum ins Wanken.
Die Geschichte dieses Projekt ist aber auch die Geschichte des Widerstands der Betroffenen; derjenigen vor Ort und ihrer solidarischen Unterstützer am Konzernsitz in Deutschland. Sie zeigt, daß auch in der heutigen Epoche des brutalen Neoliberalismus, Erfolge gegen global angelegte Konzernentscheidungen möglich sind.
Die TDI-Produktion ist ein Hauptstrang der berüchtigten und fachlich umstrittenen Chlorchemie. Als Zwischenprodukt in der Kunststoff- und Pharmaproduktion verwendet, werden bei seiner Herstellung gefährliche Vorprodukte wie Phosgen und gesundheitsschädigende wie TDA eingesetzt. Das Risikopotential dieser Produktlinie wird spätestens nach der Chemie-Katastrophe von Bhopal - die durch TDI verwandte Isocyanate hervorgerufen wurde - als besonders hoch eingeschätzt. BAYER stellt TDI neben den deutschen Standorten in den USA und in Brasilien her. Dort ereignete sich im Werk Belford Roxo bei Rio de Janeiro 1992 ein schwerer Unfall mit Todesfolge, nachdem bereits 1986 ein Werksfeuerwehrmann als Gast der Coordination gegen BAYER- Gefahren (CBG) auf der BAYER-Aktionärsversammlung auf fehlende Katastrophenpläne in der brasilianischen Niederlassung hingewiesen hatte. Doch hatte dies offensichtlich keinerlei Auswirkung auf Bau und Genehmigung der neuen BAYER-Anlage in Taiwan. Die Zusammen- arbeit zwischen der dortigen BAYER-Tochter Bayer Far East Polyurethane Co. Ltd. und den Genehmigungsbehörden auf Seiten der Zentralregierung verlief offenbar wie geschmiert, denn schon nach wenigen Tagen wurde das brisante Projekt durchgewunken. Alles schien ganz einfach, zumal die Investitionssumme von über einer Milliarde Mark alle Bedenken verblassen ließ. BAYER kümmerte sich anfänglich kaum um Information oder Kommunikation und begann mit solchen Bemühungen erst, als es nach Projektbeginn Proteste hagelte.
Nach einer Störfallserie in der taiwanesischen Chemie-Industrie im Laufe des Jahres 1996 sank das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Vermögen der Zentrakregierung und in das neue BAYER-Projekt auf den Nullpunkt, zumal die Chemieindustrie im dichtbesiedelten Taiwan besonders auf dem Prüfstand steht. Gleichzeitig wurde bekannt, daß BAYER ein ungewöhnlich langer Pachtvertrag von 125 Jahren, extrem niedrige Bodenpreise und sieben Jahre Gewerbesteuerfreiheit zuerkannt worden war, was manche allzusehr an die erniedrigenden ausländischen Konzessionen im neunzehnten Jahrhundert erinnerte. Im Oktober 1996 stimmte dann fast die Hälfte aller Abgeordneten der zuständigen Provinzversammlung dafür, das BAYER-Projekt von drei Voraussetzungen abhängig zu machen:
1. vollständige Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Prozedur
zur Einschätzung der Umweltverträglichkeit
2. ein fairer und angemessener Pachtvertrag und
3. die Wiederherstellung des Vertrauens der Bevölkerung.
Im Januar 1997 wurde eine dreistufige - auf sechs Monate angelegte -Umweltverträglichkeitsprüfung für das Projekt beschlossen. BAYER hatte zwei Monate Zeit, dezidierte Planungsunterlagen einzureichen.
Diese Entwicklung war nur dadurch möglich geworden, daß sich im Sommer letzten Jahres die Bürgerinitiative Anti-Bayer Action Union (ABAU) gegründet hatte, die regen Zulauf von AnwohnerInnen, StudentInnen und Anhängern der Oppositionspartei DPP erhält. Die ABAU setzt auf intensive Kontakte mit den örtlichen Entscheidern: Bürgermeister, Kommunalparlamente, lokale politische Parteien, Gewerbevereine und weitere Interessengruppen. Hintergrund der Entscheidung der Provinzversammlung war eine während der Sitzung in Taichung stattfindende Demonstration von 6.000 Betroffenen, die ihren Protest lautstark deutlich machten und kurz davor waren, die Sitzung zu stürmen.
Derweil intensivierte auch die örtliche BAYER-Tochter ihre Bemühungen um Durchsetzung des Projekts: wie ich in Gesprächen vor Ort erfuhr, wurde unmißverständlich Druck auf Politiker ausgeübet, auch von finanziellen Zuwendungen ist die Rede. Journalisten wurden nach Deutschland eingeladen, sogenannte Opinion leader des örtlichen Widerstands zu Hause unaufgefordert besucht. In der Öffentlichkeit wurde die Protestbewegung als „kommunistisch unterwandert“ diffamiert, ein Vorwurf, der auch heute noch vor dem Hintergrund der chinesischen Geschichte und des aktuellen Konflikts mit der Volksrepublik Wirkung zeigt.
Zum Zeitpunkt meines Besuchs hatte die örtliche BAYER-Tochter die ersten Hürden der Umweltverträglichkeitsprüfung genommen: Die zweibändige Fleißarbeit wurde als Planwerk ohne Nachbesserungen angenommen und ein sogenanntes Scope Meeting legte den weiteren Verfahrensablauf bis zum Spätsommer diesen Jahres fest. BAYER war zuversichtlich, daß der zuständige Umweltausschuß der Provinzver-
sammlung bis dahin positiv entscheiden würde. Noch am 1. Mai diesen Jahres wurde dies in den China News verlautbart. Doch die Ereignisse des 16. Mai und der Folgetage machten den BAYER-Verantwortlichen einen Strich durch die Rechnung: Für diesen Tag hatte die Anti-Bayer Action Union in Zusammenarbeit mit der Democratic Progressive Party und der Coordination gegen BAYER-Gefahren zu einer Internationalen Pressekonferenz geladen, an der vier nationale Fernsehstationen und Vertreter von zehn regionalen und überregionalen Printmedien teilnahmen. BAYER reagierte umgehend und rief ein eigenes Presse-Meeting am gleichen Tag ein - exakt eine Stunde später als die Konkurrenzveranstaltung. Doch die geplante Gegenreaktion auf Äußerungen der Projektkritiker, auf die neuen Erkenntnisse und Argumente mißlang. Chlorfreie Verfahrenstechnologien zur TDI- Herstellung waren BAYER nicht bekannt; oder wenn doch, dann „nur im Labormaßstab“. Die von den Kritikern nachgewiesenen Versäumnisse und Schwachstellen im Abwassertechnischen Konzept der Anlage wurden nicht zur Kenntnis genommen; einzelne Meinungsäußerungen in alter Manier als kommunistische Propaganda abgetan. Kein Wunder, daß der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit von Bayer Far East Polyurethane, ein gewisser Herr Chen, während eines live gesendeten Streitgesprächs in der Late Night Show des größten Kabel-TV-Kanals in Taiwan am selben Abend ins Stottern geriet, als er wiederum zu diesen unangenehmen Fragen Stellung nehmen mußte.
Die Gespräche mit den Bürgermeistern der vier größten Gemeinden (mit jeweils ca. 50.000 Einwohnern) in Taichung County,mit Politikern, Interessenverbänden sowie die Teilnahme auf Anwohner- und Studenten-Meetings an den folgenden Tagen waren vom positiven Verlauf der Pressearbeit am 16. Mai vorgezeichnet. BAYER war gegenüber den neuen Argumenten erneut in die Defensive geraten. Die in den Monaten davor möglicherweise „erarbeitete“ Akzeptanz wohl endgültig dahin. Da die Anti-BAYER Action Union befugt ist, eigene Stellungnahmen in den Prozeß der Umweltverträglichkeitsprüfung einzubringen - also wie hierzulande als „Träger öffentlicher Belange“ behandelt wird - wurden die neuen Erkentnisse und Argumente umgehend in die Genehmigungsmaschinerie eingebracht. Der Versuch von BAYER, auf öffentlichen Versammlungen einen Stimmungsum-
schwung zu erwirken, ging gründlich daneben. Diese Versammlungen - geschützt durch ein riesiges Polizeiaufgebot - waren eher Forum des Protestes der Betroffenen.
Nicht unwichtig für den derzeitigen Stand der Dinge sind die im Dezember stattfindenden Kommunalwahlen. Neben den lokalen Parlamenten wird ein Landrat direkt gewählt. Der dem BAYER-Projekt kritisch gegenüberstehende Kandidat der Democratis Progressive Party, Herr Liao, hat gute Chancen gewählt zu werden. Dies könnte eine Vorentscheidung gegen das Projekt sein. Obwohl der Landrat nicht direkt in den Entscheidungsprozeß eingreift, wäre die Wahl eines Kritikers jedoch Ausdruck der Ablehnung breiter Kreise in der Region. Selbst die Provinzversammlung wird sich einer solchen Willensent-
scheidung nicht entgegenstellen. Die Aufschiebung eines bindenden Votum auf das Jahr 1998 bringt dies zum Ausdruck.
Aus all dem ergibt sich offenbar die Erkenntnis: Wenn ein global agierender Konzern am Ort der Investition lediglich eine lokale Größe darstellt, sind die Chancen, örtliche Interessen auch durchzusetzen sehr aussichtsreich. Andererseits: wie schwer ist dann die aufreibende und langjährige konzernkritische Arbeit im Stammland und am Hauptsitz eines Multi. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat sich jedenfalls bislang nicht kleinkriegen lassen.

