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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

[Gericht verbietet Dicamba] Aus für BAYER-Pestizid in den USA

CBG Redaktion

Die Agro-Chemikalie Dicamba sorgt immer wieder für Ernte-Schäden. Darum erfolgte in den USA nun das Verbot.

Von Jan Pehrke

Auf US-amerikanischen Äckern fand das Pestizid Dicamba in den letzten Jahren eine stärkere Verbreitung, weil die Agro-Riesen es in Kombination mit ihren Gen-Pflanzen vermarkteten. Das ließ allerdings auch die Kritik an Produkten wie XTENDIMAX, im Jahr 2017 von der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO entwickelt, wachsen.

Zahlreiche LandwirtInnen machen die Mittel für Ernte-Schäden verantwortlich. Das Herbizid bleibt nämlich nach dem Ausbringen nicht einfach an Ort und Stelle, sondern verflüchtigt sich und treibt zu Ackerfrüchten hin, die gegen den Stoff gentechnisch nicht gewappnet sind und deshalb eingehen. Allein im Jahr 2019 geschah das auf einer Fläche von mehr als 400.000 Hektar. Viele FarmerInnen zogen deshalb gegen den Leverkusener Multi und andere Hersteller vor Gericht. Ein erster Prozess endete für BAYER und BASF im Februar 2020 mit der Verurteilung zu einer Zahlung von 265 Millionen Dollar Schadensersatz. 170 weitere Verfahren in Sachen „Dicamba-Abdrift“ stehen noch aus. Daneben verklagten der LandwirtInnen-Verband „National Family Farm Coalition“ sowie mehrere Umwelt- und VerbraucherInnenschutz-Gruppen die US-amerikanische Umweltbehörde EPA und verlangten von ihr, die Zulassung zu widerrufen. Am 3. Juni 2020 bekamen die Organisationen vom San Franciscoer „US Court of Appeals“ Recht zugesprochen. Nach Auffassung der RichterInnen hatte die EPA die von Dicamba ausgehenden Risiken „substanziell unterschätzt“, weshalb die JuristInnen einen sofortigen Verkaufsstopp anordneten.

BAYER reagierte erwartungsgemäß. „Wir sind mit dem Urteil nicht einverstanden und prüfen unsere nächsten Schritte“, verlautete aus der Konzern-Zentrale. Und den FarmerInnen gegenüber erklärte das Unternehmen, nach wie vor voll hinter Dicamba zu stehen. „Wir sind stolz darauf, Innovationen wie XTENDIMAX voranzutreiben, um den Erzeugern zu helfen, ihre Pflanzen sicher, erfolgreich und nachhaltig vor Unkräutern zu schützen“, hieß es in dem Statement.
Dabei kannte der Global Player die Nebenwirkungen des Pestizids ganz genau. Bereits im Jahr 2009 spielten BeraterInnen für seine jetzige Tochter-Gesellschaft MONSANTO ein Szenario durch, bei dem es wegen der Abdrift des Mittels zu Ernte-Verlusten, Schadensersatz-Klagen und schlechter Presse kommt, und wappneten den Multi mit Gegen-Strategien.

Zudem weigerte MONSANTO sich wohlweislich, das Herbizid unabhängigen WissenschaftlerInnen zu Test-Zwecken zur Verfügung zu stellen. Stattdessen erhielten die Beschäftigten die Anweisung, „dass wir alles in unserer Macht Stehende tun müssen, um die Genehmigung zu erhalten“. Damit nicht genug, bestätigte eine neuere Studie einmal mehr die von Dicamba ausgehende Krebs-Gefahr.

Ob das alles ausreicht, das Verbot aufrechtzuhalten, steht allerdings dahin. Eine kleine Aufweichung erreichte die EPA schon: FarmerInnen dürfen das Pestizid noch bis zum 31. Juli, also bis zum Ende der diesjährigen Pflanz-Saison, ausbringen.

[Verbotene Früchte] BAYER macht’s möglich: Ultra-Gifte are coming home

CBG Redaktion

Die Europäische Union wollte konsequent sein und Rückstände von Pestiziden, die sie wegen ihrer gesundheitsschädlichen Wirkungen verboten hat, auch nicht mehr in Lebensmittel-Importen dulden. Das wussten BAYER & Co. allerdings zu verhindern.

Von Jan Pehrke

Der BAYER-Konzern unterhält in allen wichtigen Hauptstädten der Welt sogenannte Verbindungsbüros, von denen aus er seine Lobby-Aktivitäten steuert. Das größte davon befindet sich in Washington, dann folgt aber schon Brüssel. Das dortige Büro hat einen Etat von 4,3 Millionen Euro, mit dem 24 Beschäftigte versuchen, EU-Entscheidungen im Sinne des Global Players zu erwirken. Dazu haben sich die Einfluss-ArbeiterInnen allein in dem Zeitraum zwischen 2015 und 2019 31 Mal mit EU-KommissarInnen oder deren Kabinettsmitgliedern getroffen, wie aus dem Lobby-Register der Europäischen Union hervorgeht.

Vor allem auf die Pestizid-Regulierungen hatten sie es abgesehen. Und dabei wiederum galt den Import-Bestimmungen ihr gesondertes Interesse. Hier drohte nämlich Ungemach. Die Europäische Union beabsichtigte, es Agro-Chemikalien, die sie wegen ihrer Risiken und Nebenwirkungen aus dem Verkehr gezogen hatte, auch auf Umwegen nicht mehr zu gestatten, Unheil anzurichten. Also wollte sie keine Rückstände von EU-weit verbotenen Pestiziden in Lebensmittel-Einfuhren mehr tolerieren, selbst in den geringsten Mengen nicht.

Grundlage hierfür bildete der sogenannte Gefahren-Ansatz. Dieser geht davon aus, dass einige Stoffe an sich und nicht bloß ab einer bestimmten Schwelle schädlich sind, weshalb schon kleinste Reste Krankheiten auslösen können. Zu solchen Substanzen, bei denen Untersuchungen zufolge nicht die Dosis das Gift macht, zählen beispielsweise endokrine Disruptoren. Hierbei handelt es sich um hormon-ähnlich wirkende und deshalb gesundheitsgefährdende Chemikalien, die auch in einigen Pestiziden enthalten sind. Im Gegensatz dazu kennt der Risiko-Ansatz keine absoluten Gefahren, sondern nur relative, von der Wirkstärke abhängige und deshalb durch Grenzwerte einhegbare. Darum bevorzugt die Industrie eine solche Regulierungsvariante und drang darauf, von dieser auch bei den Nahrungsmittel-Importen Gebrauch zu machen.

Das ganze Ausmaß der Branchen-Vorstöße zur „Gefahren-Abwehr“ machte der Report „Toxic residues through the back door“ des CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) öffentlich, das unter Berufung auf die Transparenz-Richtlinie der EU Einsicht in die Dokumente nehmen konnte. Der Leverkusener Multi begann mit seinen Lobby-Anstrengungen im März 2017. Da brachte ein BAYER-Abgesandter bei einem Treffen mit einem Kabinett-Mitglied des damaligen Landwirtschaftskommissars Phil Hogan die Erwartung des Konzerns zum Ausdruck, dass die EU die Frage der Agrochemie-Rückstände bei Einfuhren „im Einklang mit den WTO-Regeln zur Vermeidung von Handelsbarrieren“ behandle. Zwei Tage später wandte sich das Unternehmen in der Angelegenheit an Nathalie Chaze, die während der Amtszeit von Gesundheitskommissar Vyvenis Andriukaites dessen Kabinett angehörte. Chaze erteilte dem Global Player allerdings eine Abfuhr. Es sei das erklärte Ziel der EU, „die Konsumenten vor unter das Ausschluss-Kriterium fallende Substanzen und deren Rückstände in der Nahrung zu schützen, egal, woher sie stammen“, so Chaze. Im Juli sprach ein BAYER-Lobbyist dann gemeinsam mit einem SYNGENTA-Kollegen direkt bei Andriukaites vor. Aber auch dieser ließ nicht mit sich reden. Bei Pestiziden, die unter das Ausschluss-Kriterium auf der Grundlage des Gefahren-Ansatzes fallen, „Rückstände über der Nachweis-Grenze zuzulassen, würde ein inakzeptables Gesundheitsrisiko darstellen“, hielt der Litauer fest.

Daraufhin erhielt dieser einen Brief, den BAYERs Agro-Chef Liam Condon zusammen mit SYNGENTA-Boss Erik Frywald verfasst hatte. „Gefahren-basierte Grenzwerte sollten von der EU nicht dazu verwendet werden, Handelshemmnisse einzuführen oder politische Ziele zu erreichen“, schrieben die beiden. Sie beklagten sich aber auch generell über das „zunehmend konservative, politisch motivierte“ Kontrollsystem und forderten Brüssel auf, vereint mit ihnen offensiv solchen Gruppen entgegenzutreten, die angeblich nur emotional argumentierten.
Unterstützung erhielten die Agro-Manager von ihrer Lobby-Organisation „European Crop Protection Association“ (ECPA). Diese zeigte sich „extrem besorgt“ über die Pläne und mahnte mit Verweis auf die EU-Maxime der „Better regulation“ ein sogenanntes Impact Assessment an, eine ökonomische Folgeabschätzung. Das entsprechende Zahlenfutter dafür lieferte BAYER Mitte November 2017. In Tateinheit mit DTB ASSOCIATES CONSULTING präsentierte der Konzern der Generaldirektion Handel einen Report, der vor großen finanziellen Einschnitten durch die avisierten EU-Maßnahmen warnte. Der von der Beratungsfirma BRYANT CHRISTIE erstellte Bericht, den die ECPA gemeinsam mit CROPLIFE INTERNATIONAL finanziert hatte, bezifferte die möglichen Verluste im Falle der Implantierung der strengeren Import-Auflagen auf 70 Milliarden Euro. Diese Zahl findet sich später auch in der WTO-Beschwerde der USA und Australiens gegen ein Vorhaben der Europäischen Union zur Regulierung von endokrinen Disruptoren.

Das alles blieb nicht ohne Wirkung. „Nach Diskussionen mit den Mitgliedsländern über den ursprünglichen Vorschlag und im Angesicht der Reaktionen von Stakeholdern und Drittstaaten findet ein weiteres Nachdenken statt, um das Vorgehen der Kommission festzulegen“, ruderte die Generaldirektion Gesundheit zurück. Wenig später stellte Andriukaites in Aussicht, den mit dem Gefahren-Bann belegten Substanzen vor den Toren der Europäischen Union doch noch einmal eine Risiko-Prüfung zuzubilligen. Und in den Dokumenten zu den Verhandlungen mit Kanada über das Handelsabkommen CETA hieß es schließlich sogar: „Das langfristige Ziel der EU ist es, sich von einem gefahren-basierten Ausschluss-Kriterium bei Regulierungsentscheidungen wegzubewegen.“

Die Bundesregierung half kräftig dabei mit, die erste Etappe dazu mit den entsprechenden Import-Regeln zu meistern. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) setzte sich laut taz „für eine risiko-orientierte Bewertung von Rückständen ein“, da mit den daraus resultierenden Grenzwerten ihrer Meinung nach gesundheitsgefährdende Effekte „praktisch ausgeschlossen werden können“. PolitikerInnen aus sechs anderen Mitgliedsländern teilten die Ansicht.
Brüssel gab sich im Februar 2020 auf taz-Anfrage noch unentschieden: „Die Festlegung von Rückstandshöchstgehalten für Pestizide, die die Ausschluss-Kriterien erfüllen, ist ein komplexes Thema, über das die Kommission derzeit nachdenkt.“ Aber am Ende des Tages kippte die Europäische Union doch um. In ihrer am 20. Mai 2020 vorgestellten Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“ zeigte sie sich gegenüber Nahrungsmitteln, die von fernen Höfen auf die europäischen Tische streben, nachsichtig. In dem entsprechenden Passus heißt es, Brüssel gewährte „Einfuhr-Toleranzen für Pestizid-Wirkstoffe, die in der EU nicht mehr genehmigt sind“. Das Mittel der Wahl bei der Prüfung der Unterlagen: die von BAYER & Co. immer wieder eingeforderte Risiko-Bewertung. Mittels dieser gedenkt die Europäische Union dann auch, „Umwelt-Aspekte“ in den Blick zu nehmen. Zudem bekundete die Kommission, sie wolle sich „gegenüber ihren Handelspartnern, insbesondere gegenüber Entwicklungsländern, tatkräftig dafür einsetzen, den Übergang zu einem nachhaltigeren Einsatz von Pestiziden zu flankieren, um Handelsstörungen zu vermeiden und alternative Pflanzenschutzmittel und -methoden zu fördern“. De facto aber hat die EU mit dem Zugeständnis von „Import-Toleranzen“ ihre Prinzipien verraten. Nicht zuletzt brüskiert sie damit ihre eigenen LandwirtInnen, die auf ihren Feldern weniger gesundheitsgefährdende Chemikalien einsetzen und jetzt Wettbewerbsnachteile fürchten müssen. Vergeblich hatten diese gefordert, „dass für importierte Waren dieselben Kriterien bezüglich Pflanzenschutz-Anwendung und Rückstandswerten angelegt werden wie für Waren aus der EU“ – gegen das Extrem-Lobbying der Agro-Branche war kein Ankommen.

„Brüssel knickt vor BAYER & Co. ein“, resümierte die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) in ihrer Presse-Erklärung dann auch: „Das ist ein Offenbarungseid. Die EU-Kommission räumt den Konzern-Interessen den Vorrang vor der menschlichen Gesundheit ein.“

[Missglückte Flucht] Die BAYER-Hauptversammlung 2020

CBG Redaktion

Weltweit steht kein Unternehmen so unter Beobachtung wie der BAYER-Konzern. Seit 1978 schon schaut ihm die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf die Finger, rund um die Uhr, rund um den Globus. Auf den Hauptversammlungen der AktionärInnen ist sie seit 1982 präsent. Von Anfang an versuchte der Leverkusener Multi, diese Kritik loszuwerden. Dazu war ihm jedes Mittel recht. Er diffamierte und verleumdete, unterwanderte und schleuste Spitzel ein, doch nichts fruchtete. Ein Vorstandsvorsitzender nach dem anderen trat ab, doch die Coordination blieb. Damit sollte 2020 endgültig Schluss sein: Im Windschatten der Corona-Pandemie hebelte der Global Player die AktionärInnen- und Grundrechte aus und floh mit seiner Hauptversammlung ins Internet. So wollte er sich der Proteste entledigen. Doch die Rechnung ging nicht auf.

Von Marius Stelzmann und Axel Köhler-Schnura

Die AktionärInnen-Hauptversammlungen des BAYER-Konzerns sind weltweit einzigartig. Seit 1982 werden sie durchgehend von Protesten begleitet. Nicht nur auf der Straße, vor den Türen der Hauptversammlung, sondern auch im Saal an den Mikrofonen werden die Kehrseiten der Profite und die Verbrechen des Unternehmens thematisiert. Gegenmaßnahmen des Konzerns – und davon gab es viele – fruchteten nicht. Jahr für Jahr übertragen Hunderte von AktionärInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) immer wieder aufs Neue zehntausende Aktien-Stimmrechte. Einmal waren es sogar Millionen, was die CBG in die Lage versetzte, die Tagesordnung verändern zu können.

HV-Kritik seit 1982

Dutzende der von BAYERs Geschäftspolitik betroffenen Menschen aus aller Welt – Medikamentengeschädigte, AnwohnerInnen der Werke, Pestizid-Vergiftete und andere – sie alle erhalten durch die Stimmrechte der Kritischen AktionärInnen der CBG auf jeder Hauptversammlung eine Stimme. Darüber hinaus reicht die Coordination zu allen Tagesordnungspunkten regelmäßig Gegenanträge ein.
Zunehmend ging es auf den Hauptversammlungen des BAYER-Konzerns nicht mehr nur um Profit, Gewinn und Dividende, sondern um die Kehrseiten der Bilanzen. Dutzende RednerInnen thematisierten die Risiken und Nebenwirkungen der gnadenlosen Profit-Jagd: die Umweltverseuchung, die Klima-Erwärmung, die Gesundheitsschädigung durch BAYER-Produkte, die Arbeitsplatz-Vernichtung und andere Konzern-Verbrechen.

Im Jahr 2019 dann die geschichtlich einmalige Sensation: Was sonst immer nur die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gefordert hatte, wurde Wirklichkeit: Die Hauptversammlung entlastete BAYERs Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann nicht! Dieses historische Ereignis wurde möglich, weil die Glyphosat-Prozesse dem Konzern gleichzeitig moralischen und wirtschaftlichem Schaden einbrachten. Die von der Öffentlichkeit in aller Welt aufmerksam verfolgten juristischen Verfahren mit ihren Schadensersatz-Urteilen hatten dramatische Folgen für BAYER. Glyphosat wurde der Inbegriff für alles, was im agro-industriellen Modell der Landwirtschaft schiefläuft. Zu guter Letzt veränderte dies auch die Haltung der AktionärInnen. Sie verkauften ihre Papiere in Panik, der Kurs der BAYER-Aktie stürzte daraufhin massiv ab. Das Unternehmen verlor zwischenzeitlich mehr als die Hälfte seines Börsenwertes. Als Folge davon traten „Großinvestoren“ wie BLACKROCK und andere auf den Plan und entzogen dem Vorstand am 26. April 2019 ebenfalls das Vertrauen. Zwar gab der Aufsichtsrat noch in der Nacht nach der HV ein Treuebekenntnis ab und hielt den Vorstand unverändert im Amt, doch änderte das nichts an der Tatsache, dass eine Mehrheit aller Aktien gegen den BAYER-Chef Werner Baumann gestimmt hatte. Und das waren immerhin fast 300 Millionen Aktien!

Wenning muss gehen

Noch vor der Hauptversammlung 2020 wirkte das HV-Desaster aus dem Jahr 2019 nach. Zur Bilanz-Pressekonferenz im Februar 2020 wurde ohne Nennung weiterer Gründe bekannt gegeben, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning vorzeitig gehen muss. Klar war hier, dass Wenning abgestraft werden sollte, denn er war es, der die Übernahme von MONSANTO eingefädelt hatte und mit seinem Schützling Werner Baumann realisierte. Soweit die Vorgeschichte. Was dann kam, stellte allerdings alle Vorstellungen für die diesjährige Hauptversammlung auf den Kopf.

Für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN starteten die Vorbereitungen bereits im Dezember 2019. Bis sich die Welle des Protestes aufschaukeln kann, muss nämlich lange vorgearbeitet werden. Es gilt, BündnispartnerInnen einzubinden und Kontakte in alle Welt aufzubauen. Planen, planen, planen, heißt die Devise. Die CBG wollte sich frühzeitig rüsten, denn sie weiß um die Bereitschaft des Konzerns, dem Protest und Widerstand immer wieder Steine in den Weg zu legen.
Als das neue Jahr begann, fühlte sich die CBG gut aufgestellt. Schließlich hatte sie Auftrieb durch die letzte Hauptversammlung bekommen, als die Coordination nicht nur den größten Protest in der Geschichte des Konzerns auf die Beine gestellt, sondern darüber hinaus daran mitgewirkt hatte, ein historisches Novum zu schaffen: Die Nicht-Entlastung eines BAYER-Vorstands.

Im Windschatten dieses Erfolges vermochte die CBG ihr Protest-Bündnis stark zu verbreitern. Die junge Protestbewegung der FRIDAYS FOR FUTURE (FFF), welche die letzte Hauptversammlung mit einer 500 Personen starken Demonstration heimgesucht hatte, setzte 2020 passenderweise einen Klimastreik kurz vor der Hauptversammlung an: Am 24. April. Auch hatte sich zu Beginn des Jahres das „BLOCK BAYER“-Bündnis konstituiert, welches zivilgesellschaftliche Blockaden der Pestizid-Produktionsstätten des Leverkusener Multis plante, um auf die verheerenden Folgen von Glyphosat & Co. für Mensch, Tier und Umwelt aufmerksam zu machen.

Weg vom Freitag

Die Konzernführung beobachtete den sich organisierenden und vernetzenden zivilgesellschaftlichen Widerstand sorgfältig und plante ihre Antwort. Der erste Schritt kam zu Jahresanfang. War die Hauptversammlung ursprünglich immer auf einen Freitag terminiert, so änderte BAYER das diesmal. Das Unternehmen legte das AktionärInnen-Treffen erstmals auf einen Dienstag. Offensichtlich hatte der Vorstand keine Lust, nochmals Besuch von FRIDAYS FOR FUTURE zu erhalten.
Ende Februar dann die Bilanz-Pressekonferenz des BAYER-Konzerns. Der Termin für die HV 2020 wurde da offiziell verkündet: Dienstag, 28. April. Ein nicht nur im Hinblick auf den Wochentag wohlweislich gewähltes Datum. An diesem Tag fand nämlich zufällig auch die RWE-Hauptversammlung statt, und der Konzern baute darauf, dass der Klima-Protest dorthin ziehen würde. Das nach dem Aktienrecht vorgesehene Prozedere zur HV sollte dann Anfang März mit der offiziellen Einladung des Konzerns starten.

Parallel zu diesen Entwicklungen hatte sich allerdings der Corona-Virus ausgebreitet, was weltweit für mehr und mehr Veränderungen im normalen gesellschaftlichen Geschehen sorgte. So auch in Deutschland. Kaum war die Einladung zur Hauptversammlung von BAYER veröffentlicht, erfolgten die ersten Verordnungen zu Verboten von Veranstaltungen. Die Hauptversammlungen der Konzerne waren ebenfalls davon betroffen. Es machte sich Unsicherheit breit, einige Konzerne gaben Verschiebungen ihrer AktionärInnen-Versammlungen bekannt. Bei BAYER allerdings herrschte Schweigen im Walde. Die Öffentlichkeit wunderte sich, Woche um Woche verstrich, der Termin der Hauptversammlung wurde nicht geändert. Nicht bekannt war allerdings, dass BAYER längst im Stillen mit seinen Lobby-Verbänden und einer Beraterfirma die Bundesregierung massiv bearbeitete, um rechtliche Voraussetzungen für eine Verlagerung von Hauptversammlungen ins Internet zu erreichen. Und der Multi hatte damit Erfolg: Im Schatten der weltweiten Corona-Pandemie erwirkte BAYER in Kooperation mit anderen Konzernen ein Aktionärs-Notstandsgesetz, das als Teil des „Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ ohne jede öffentliche und ohne jede demokratische Debatte am Bundestag vorbei durchgepeitscht wurde.

Der BAYER-Coup

Offenkundig war das von langer Hand geplant, denn die Konzerne träumten schon lange von virtuellen Hauptversammlungen im stillen Kämmerlein ohne lästige Proteste. Die Corona-Pandemie kam da nur zur rechten Zeit und lieferte einen Vorwand. Entsprechend verkündete der Konzern kurz nach der Verabschiedung die Corona-Notstandverordnung, die Hauptversammlung ins Internet verlegen zu wollen.
Womit das Unternehmen allerdings nicht gerechnet hatte, war die Gegenwehr, die die CBG in Kooperation mit dem DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE organisierte. So veröffentlichten die beiden Initiativen einen Offenen Brief, der „die beispiellose Aushebelung der Aktionärs- und Grundrechte“ massiv anprangerte. Diese Kritik fand sofort ihren Weg in die Öffentlichkeit. Selbst traditionelle Kleinaktionärsvereinigungen und die Wirtschaftspresse von Handelsblatt bis Wirtschaftswoche und Capital schlossen sich der im Offenen Brief zum Ausdruck kommenden Bewertung des undemokratischen BAYER-Vorgehens an. Das Schreiben, auf das der Konzern nie offiziell reagiert hat, ist auf der CBG-Internetseite zu finden: www.CBGnetwork.org.

Bereits vor der Corona-Krise war es der CBG überdies gelungen, Kontakt zu den US-amerikanischen KritikerInnen von BAYER/MONSANTO aufzunehmen. Zu diesen zählt die Journalistin Carey Gillam, die von MONSANTO wegen ihrer Recherchen mit einer massiven Schmutzkampagne überzogen wurde. Auch vernetzte die Coordination sich mit zahlreichen Menschen, die durch Glyphosat gesundheitlich geschädigt wurden.
Kontakte baute die CBG zudem in vielen anderen Länder auf: Kanada, Neuseeland, Australien, viele Staaten Lateinamerikas, aber auch in anderen europäischen Nationen wie der Schweiz, Österreich oder auch Frankreich fand sie KooperationspartnerInnen.

In Deutschland schuf die CBG ebenfalls ein breites Bündnis des Protestes. Dieses umfasste neben BLOCK BAYER und FRIDAYS FOR FUTURE u. a. die Partei DIE LINKE, INKOTA, MISEREOR, die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, OXFAM, den BUND, SUMOFUS, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und COLABORA TOGETHER. Viele der Gruppen stimmten schon im Vorfeld mit Presseerklärungen auf die HV ein, und fast alle lieferten auch am Tag selber Beiträge.

Proteste trotz Corona

Die Notstandsverordnung zum Aktienrecht erlaubte es BAYER nicht nur, das Rederecht der AktionärInnen zu suspendieren und nur noch – vorher einzureichende – Fragen zuzulassen, sondern auch noch eine ganze Reihe weiterer undemokratischer Einschränkungen vorzunehmen. Der Konzern erhoffte sich davon, die Proteste der CBG sowie der anderen KleinaktionärInnen auszuhebeln. Die Fristen für die Abwicklung der Formalitäten wurden von ursprünglich sechs Wochen auf wenige Tage verkürzt. Die Verfahren für AktionärInnen, um an der HV überhaupt teilnehmen, die Stimmrechte übertragen, Fragen stellen und abstimmen zu können, wurden zudem massiv verkompliziert, was die abschreckende Wirkung noch einmal erhöhen sollte.

Doch die CBG trug dieser veränderten Situation Rechnung. In Windeseile wurden die mehreren hundert mit der CBG kooperierenden AktionärInnen informiert. Gemeinsam mit ihnen setzte die Coordination dann alle technischen Anforderungen um. So wurde es möglich, mehrere zehntausend Stimmrechte zu realisieren, mehrere Dutzend Konzern-KritikerInnen in der virtuellen HV bei BAYER zu platzieren, weit über einhundert Fragen einzureichen und an der Abstimmung über alle Anträge teilzunehmen.

Protest real & virtuell

Parallel dazu gingen die anderen Vorbereitungen der Coordination gegen BAYER-Gefahren weiter. Dabei hielt die CBG an der Tradition fest, die Proteste zur BAYER-Hauptversammlung mit einer Auftakt-Veranstaltung einige Tage vor der eigentlichen HV einzuläuten. Seit jeher führt die Coordination nicht nur Aktionen durch, sondern liefert auch Argumente für die Konzern-Kritik. Dies wollte sie auch in diesem Jahr tun, allerdings notgedrungen komplett online, in Form eines international besetzten Podiums.

Und da die CBG damit rechnete, dass die Proteste in ihrer ursprünglichen Gestalt keinen Eingang in BAYERs Online-Stream finden würden, stellte sie eine ganztägige Parallelaktion im Netz auf die Beine. Hier sollten neun Stunden lang begleitend zur BAYER-Hauptversammlung KritikerInnen des Konzerns aus aller Welt zu Wort kommen. Zugleich war geplant, BAYERs Online-HV in Live-Blöcken zu bestimmten Uhrzeiten zu kommentieren. Überdies war die Möglichkeit gegeben, dass sich zu diesen Nachrichten-Blöcken auch JournalistInnen per Hotline direkt durchschalten lassen und Fragen stellen konnten. Unter dem Motto „BAYER geht online, der Protest auch“ wurden die Proteste auf allen für die CBG erreichbaren Internet-Kanälen im In- und Ausland bekannt gemacht: auf YouTube, verschiedenen Internetseiten, Facebook, Twitter etc.

Trotzdem fand die CBG es aber auch nach wie vor sehr wichtig, auf der Straße zu demonstrieren. Doch wo, wenn es keine reale HV gibt? Natürlich vor dem BAYER-Studio in der Leverkusener Konzern-Zentrale! Mit einer solchen Demonstration sollte nicht nur die Tradition des Straßenprotestes zur BAYER-HV fortgeführt werden, es sollte auch deutlich gemacht werden, dass sich Protest selbst in Zeiten von Corona nicht zum Schweigen bringen lässt und dass die Coordination Grundrechte auch in dieser Situation verteidigt wissen will. Ihr war aber klar, dass sie um eine solche Demonstration kämpfen musste. Zunächst erhielt die Coordination den Bescheid, dass alle Kundgebungen verboten seien – und einen Insider-Hinweis mit der Information, dass der „Krisenausschuss“ der Stadt Leverkusen auf Druck „einer bestimmten Firma“ hin ein komplettes Demonstrationsverbot für Leverkusen erlassen hätte.

Doch glücklicherweise kam das Bundesverfassungsgericht zu Hilfe. Es stellte kurz vor der Hauptversammlung in einem Grundsatz-Urteil fest, dass auch in Corona-Zeiten Demonstrationen unter besonderen Voraussetzungen zugelassen werden müssten. Entsprechend erneuerte die CBG ihren Antrag und machte corona-gerechte Vorschläge für die Aktion. Und tatsächlich bekam sie einen Tag vor der HV per Email eine Sondergenehmigung. Dabei war sie bereits darauf vorbereitet, Rechtsmittel gegen das Verbot einlegen zu müssen. Mit politischer Hartnäckigkeit und juristischer Argumentation hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN so das Recht auf die Demonstration am Tag der HV durchgesetzt.

Erste Aktionen
Aber schon davor war so einiges los. Am 23. April hielten INKOTA, MISEREOR und die Rosa-Luxemburg-Stiftung ein Webinar zu den doppelten Standards von BAYER und BASF bei ihren Pestizid-Geschäften in Brasilien und Südafrika ab und schalteten dabei auch AktivistInnen aus diesen Ländern zu. Am darauffolgenden Tag fand der Online-Klimastreik von FRIDAYS FOR FUTURE statt. Unter anderem präsentierten die AktivistInnen im Internet eine Deutschland-Karte, auf der mensch in seiner jeweiligen Stadt mit Protest-Fotos zumindest virtuell vor Ort sein konnte, was die CBG – zusammen mit 87.000 anderen digitalen MitstreiterInnen – auch nutzte. Und zu dem am 25. April im World Wide Web von MULTIWATCH aus Basel im World Wide Web organisierten „March against BAYER & SYNGENTA“ schickte die Coordination eine Video-Botschaft.

Am 26. April fand dannwie geplant die internationale Online-Auftaktveranstaltung der CBG zu den HV-Protesten 2020 statt. Moderiert wurde sie von Christiane Schnura und Marius Stelzmann von der CBG.

>Lena Luig von INKOTA stellte dabei die Studie „Gefährliche Pestizide“ über die Pestizid-Verkäufe von BAYER und BASF in Südafrika und Brasilien vor. BAYER vermarktet in den untersuchten Ländern 15 Ackergifte, die keine EU-Genehmigung haben. Bei fünf davon lehnte Brüssel eine Zulassung wegen der Gesundheitsschädlichkeit der Mittel explizit ab oder widerrief diese.

>Falko Schröder von FRIDAYS FOR FUTURE gab zwei Tage nach dem Online-Klimastreik aus gegebenem Anlass Informationen zum Klimakiller BAYER und zu dem Druck, den das Unternehmen auf die Regierungen ausübt, um weiter ungehindert Kohlendioxid ausstoßen zu können.

>Anna Schönberg von der AKTION UNTERHOLZ berichtete über den praktischen Widerstand gegen die von BAYER, RWE & Co. betriebene klima-zerstörende Geschäftspolitik.

>Der US-Amerikaner Jeffrey Smith vom „Institute for Responsible Technology“ schaute tief ins Herz der Finsternis des agro-industriellen Modells von BAYER/MONSANTO, für das Glyphosat ein Sinnbild geworden ist. Sein Fazit: „Ein System, das die Intelligenz der Natur nutzt, braucht so etwas alles nicht“.

>Die bekannte Fernsehköchin und grüne EU-Politikerin Sarah Wiener schloss sich diesem Statement an und zog eine verheerende Bilanz der grünen Pestizid-Revolution.

Der große Tag

Am Tag der Hauptversammlung, am 28. April, dann die beiden Großprojekte: Die Kundgebung vor der Konzern-Zentrale und die ganztägige Protest-Begleitung von BAYERs Online-HV im Internet. Zur realen Demonstration vor der Konzern-Zentrale in Leverkusen hatten sich morgens um 9 Uhr 16 TeilnehmerInnen eingefunden. Vertreten waren neben der CBG die Partei DIE LINKE, LandwirtInnen, BLOCK BAYER und EXTINCTION REBELLION.

Der bekannte Liedermacher Konstantin Wecker schickte ein Video-Grußwort, mit dem die Kundgebung per Lautsprecher eröffnete. Die Reden der AktivistInnen, die alle live in den Protest-Stream der CBG eingespeist wurden, hatten nicht zuletzt das Versagen von BAYER im Angesicht der Corona-Pandemie zum Thema, was auch zur Forderung führte, den Konzern unter demokratische Kontrolle zu stellen. Und die Transparente der Kundgebung thematisierten dieses Mal nicht nur die Risiken und Nebenwirkungen von BAYERs gnadenloser Profit-Jagd, sondern auch die Aushebelung von AktionärInnen- und Grundrechte durch das Unternehmen. Sogar für ein kleines Kulturprogramm war gesorgt. Das Kölner Demo-Urgestein Klaus, der Geiger bestritt es.

Der neunstündige Online-Protest-Stream zur BAYER-HV bildete am 28. April das Kernstück des Protestes. Da kamen dann alle Probleme und Verbrechen auf die Tagesordnung, die bei der BAYER-Veranstaltung durch Abwesenheit glänzten. In einem ebenso kurzweiligen wie umfangreichen und sachkundigen Programm informierte die CBG den ganzen Tag durchgängig. Natürlich wurde da auch immer wieder darüber gesprochen, wie Konzernmacht eingedämmt und gebrochen werden kann. Nicht umsonst stand morgens bei der Real-Kundgebung auf einem der Transparente bereits die Losung „Brecht die Macht der Konzerne!“.

Viele, teils prominente Gäste und hochkarätige VertreterInnen aus Politik, Gesellschaft und Kultur gingen für die CBG auf Sendung. Von der Partei DIE LINKE war die Bundestagsabgeordnete und ehemalige Fraktionschefin Sarah Wagenknecht zugeschaltet. Ebenso Gesine Lötzsch, auch Bundestagsabgeordnete sowie stellvertretende Fraktionschefin der Partei DIE LINKE und nicht zuletzt Eva Bulling-Schröter, ehemalige Bundestagsabgeordnete der Linken und CBG-Beiratsmitglied. Von den Grünen sprachen die ehemalige Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Renate Künast, sowie der Bundestagsabgeordnete Harald Ebner.

Zudem gab es Statements von Betroffenen der Geschäftspolitik von BAYER. So kamen Glyphosat-, DUOGYNON- und Verhütungsmittel-Geschädigte zu Wort. Auch ehemalige Heimkinder, an denen der Pharma-Riese einst Medikamente getestet hatte, erhielten ein Forum. Die Videos dokumentierten in erschütternder Weise die Schicksale der von den BAYER-Produkten geschädigten Menschen. Viele hatten neben ihren gesundheitlichen auch finanzielle und soziale Schäden erlitten, die sie ihr ganzes Leben lang begleiten. Die Solidarität mit ihnen stellt eine der zentralen Säulen dar, auf denen die CBG ruht. Für BAYER wiederum ist der Kampf dieser Menschen um Schuldeingeständnisse des Vorstands und um angemessene Entschädigungen einer der Gründe dafür gewesen, in eine virtuelle Hauptversammlung zu flüchten, anstatt das AktionärInnen-Treffen zu verschieben.

Weltweite Beteiligung

Durch die Corona-Pandemie war es für unsere vielen ausländischen Gäste aus Lateinamerika, USA, Kanada und anderen Ländern nicht möglich, nach Deutschland zu reisen. Carey Gillam und andere internationale Gäste, darunter auch Glyphosat-Geschädigte, schafften es aber dennoch, am Tag der HV mit eigens aufgenommen Videoclips oder per Live-Zuschaltung ihre Stimmen hörbar und ihren Protest sichtbar zu machen.

Jeder Block des Online-HV-Protestes wurde von CBG-Vorstand Jan Pehrke eröffnet. Der für Stichwort BAYER verantwortliche Redakteur sprach am Morgen Einführungsworte, kommentierte und ordnete ein, was an dem Tag nebenan bei BAYER geschah und hielt nach, was BAYER-Chef Werner Baumann bei der Beantwortung der KritikerInnen-Fragen „vergaß“.

Aber das tat nicht nur Pehrke. Zahlreiche Netz-AktivistInnen waren dem Aufruf der CBG gefolgt und haben dem BAYER-Chef Werner Baumann bei seinen Ausführungen genau auf den Mund geschaut. Wenn er etwa auf den Klimawandel zu sprechen kam, posteten sie den genauen Kohlendioxid-Ausstoß des Konzerns: 3,71 Millionen Tonnen im Jahr 2019. Und wenn es um die Glyphosat-Klagen ging, lieferten sie die genaue Anzahl nach. Aber es gab natürlich nicht nur „Fakten, Fakten, Fakten“. Unter dem Hashtag „

  • meineStimmeGegenKonzernverbrechen“ fand sich natürlich auch beißende Kritik wie diese: „Das ist ein Zynismus sondergleichen: Ein Mittel wie Glyphosat verkaufen, bei dem ich davon ausgehe, der Gewinn ist immer noch höher als das, was ich den Opfern, die daran krebskrank werden, als Entschädigung zahlen muss: Das ist BAYERs menschenverachtende Kalkulation, die dahintersteht“. Und in Zeiten von Corona geriet vor allem die Pharma-Sparte in den Blick: „BAYERs Ausrichtung am Shareholder Value begünstigt Forschung in den Bereichen, in denen man Medikamente mit Mondpreisen verkaufen kann, und widerspricht der nötigen Forschung in Impfstoffe und andere elementaren Medikamente.“ Und da die Coordination im Vorfeld für solche Messages einen großen Resonanz-Raum organisiert hatte, braute sich in den sozialen Netzwerken ganz schon was über den Leverkusener Multi zusammen.

Beim Leverkusener Multi war dagegen schon um 16.00 Schluss. Bereits zu dieser Zeit beendete der Konzern – historisch einzigartig – die Frage-Runde und leitete die Abstimmungen ein.

BAYER-Vorstand Werner Baumann hatte vor der HV großmundig angekündigt, alle Fragen von AktionärInnen zu beantworten. Tatsächlich geschah dies nicht. Der CBGler Axel Köhler-Schnura nahm dazu im WDR Stellung: „BAYER verlangte, dass alle Fragen zwei Tage vor der HV schriftlich eingereicht werden. Damit hatte der Konzern genügend Zeit, sich vorzubereiten. Er fasste die Fragen unter allgemeinen Oberthemen zusammen, zog seine vorgefertigten Stellungnahmen aus der Schublade und verlas sie. Das war‘s!“ Und so musste auch BAYER gegenüber dem Sender zurückrudern: „Die Fragen konnten nicht alle in vollem Wortlaut vorgetragen werden, deshalb wurden die Fragen so zusammengefasst, dass das Thema für die Zuhörer verständlich war. Die Fragen wurden so beantwortet.“ Kein Dialog, keine Nachfragen. Überdies blieben die Namen der Fragenden unerwähnt –– wenn es sich nicht gerade um GroßaktionärInnen handelte.

Um ca. 17.45 Uhr meldete sich dann die Coordination zum letzten Mal zu Wort. CBG-Gründer Axel Köhler-Schnura und CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann präsentierten eine Tour de Force der Verbrechen des Konzerns: IG FARBEN-Gründung, Medizin-Verbrechen, Umweltsünden. Und bekräftigt wurde einmal mehr das Versprechen der CBG für 2021 und die nächsten Jahre: Sie wird dem Konzern auf den Fersen bleiben!

15 % gegen den Vorstand

Insgesamt konnte ein positives Fazit der Aktionen gezogen werden: Hunderte von AktionärInnen hatten der CBG ihre Stimmrechte übertragen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN war mit Tausenden von Aktien auf der Online-HV präsent. Mehr als 100 kritische Fragen wurden von dutzenden Konzern-KritikerInnen gestellt. Bei den Abstimmungen votierten viele Millionen Aktien mit der CBG für „Nein“ und stattdessen für die Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie gegen die maßlose Dividenden-Ausschüttung. Weitere zig Millionen Aktien enthielten sich der Stimme. Überhaupt musste BAYER erstmals seit langer Zeit wieder die Enthaltungen bekanntgeben, womit der Gesamtumfang der nicht mit dem Vorstand konform gehenden Aktien deutlich wurde. Bei der Entlastung des Vorstands stimmten mehr als 43 Mio. Aktien mit „Nein“, viel mehr als zu allen anderen Tagesordnungspunkten. Insgesamt ca. 15 Prozent aller Aktien optierten für „Nein“ oder eine Enthaltung.

Und: Viele Tausende Male wurden die Online-Proteste der CBG über den Tag im Internet aufgerufen, und die Medien berichteten über die Demonstration vor der Konzern-Zentrale in Leverkusen. Die Flucht des BAYER-Konzerns mit dem Ziel, die Proteste im Umfeld der HV und auf der HV selbst einzudämmen oder gar zu unterbinden, war damit gründlich missglückt! Die FreundInnen der CBG waren ebenfalls rundum zufrieden. „Toll, wie ihr das auf die Beine gestellt habt. Und post coronam gehen wir wieder auf die Straße“, schrieb etwa Konstantin Wecker.

[BAYER allein zu Haus] Die BAYER-Hauptversammlung 2020

CBG Redaktion

Der BAYER-Konzern hat immer schon nichts unversucht gelassen, um sich auf seinen Hauptversammlungen Protest vom Hals halten zu können. Dieses Mal instrumentalisierte er die Corona-Pandemie und verlegte sein AktionärInnen-Treffen kurzerhand ins Internet. Konzern-KritikerInnen mussten so draußen bleiben. Nur ihre Fragen an den Vorstand erhielten Einlass.

Von Jan Pehrke

Im Jahr 2017 hielt der BAYER-Konzern HauptversammlungsprotestlerInnen auf Abstand, indem er ihnen ein Riesen-Zelt vor die Nase setzte. „Terror-Gefahr“ lautete die Begründung, welche die Polizei einfach übernahm. 2020 schließlich nutzte der Global Player Corona für seine Zwecke aus. Statt das AktionärInnen-Treffen zu verlegen, wie es andere Unternehmen vorgemacht hatten, berief er eine Online-HV ein, ohne kritische AktionärInnen und ohne Reden. Nur Fragen, die zwei Tage vorher eingereicht werden mussten, ließ der Pillen-Riese zu.
Er war am 28. April 2020 also ganz allein zu Haus. Eine 5-köpfige Rumpfbelegschaft, bestehend aus dem Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann, Finanzvorstand Wolfgang Nickl, dem Aufsichtsratschef Werner Wenning, seinem designierten Nachfolger Norbert Winkeljohann und Aufsichtsratsvize Oliver Zühlke, bestritt die ganze Hauptversammlung. Nur einen Notar hatte die Riege noch an ihrer Seite.

Baumann sah BAYER deshalb ganz weit vorne. In seiner obligatorischen Eröffnungsrede nahm er für den Agro-Giganten angesichts der „ersten virtuellen Hauptversammlung eines DAX-Unternehmens“ in Anspruch, ein „digitaler Pionier zu sein“ – „Baumann ist gerne der Erste und Schnellste“, bemerkte die Süddeutsche Zeitung dazu süffisant. Der Manager vergoss aber pflichtgemäß auch ein paar Krokodilstränen. „Sehr gerne hätte ich Sie heute persönlich vor Ort in Bonn begrüßt. Aber die Corona-Krise lässt das leider nicht zu“, gab er zu Protokoll. Und die Pandemie beschäftigte ihn an diesem Tag auch weiterhin. Seiner Ansicht nach zeigt diese nämlich, dass BAYER in den richtigen Geschäften aktiv sei. „Gesundheit und Ernährung – diese Branchen sind systemrelevant“, so der Vorstandschef.

Systemrelevantes hat der Konzern da allerdings nicht zu bieten. In Sachen „SARS-CoV-2“ blieb es bei Geld- und Sachspenden, der Bereitstellung von Desinfektionsmitteln, Beatmungsgeräten, Apparaturen zur Virus-Diagnostik und der Abstellung von 140 Beschäftigten zur Arbeit in COVID-19-Testlaboren. Medizinisch steht die größte deutsche Pillen-Schmiede mit leeren Händen da. Baumann vermeinte zwar „erste Hinweise“ auf eine Wirksamkeit der Uralt-Arznei Chloroquin bei der Behandlung der Infektion zu haben, diese verdichteten sich in den bisherigen Studien jedoch nicht.

Trotzdem hat Corona sogar zu einem Umsatz-Wachstum im ersten Quartal 2020 geführt. Neben „Vorratskäufen“ nannte das Unternehmen hierfür die „stark gestiegene Nachfrage durch COVID-19, z. B. nach Nahrungsergänzungsmitteln“, als Grund. BAYER rechnet jedoch ebenfalls mit einer Rezession in Folge der Pandemie und brachte die ökonomische Krise gleich schon mal auf der Großbaustelle des Konzerns in Anschlag: den Glyphosat-Verfahren. Bei den laufenden Mediationsgesprächen haben nämlich nicht nur Termin-Absagen wegen Corona „den Verhandlungsfortschritt erheblich verlangsamt“, wie der Vorstandsvorsitzende kundtat, sondern nicht zuletzt auch das Bestreben BAYERs, die Ungunst der Stunde zu nutzen, um mit den RechtsanwältInnen bereits vereinbarte Entschädigungslösungen wieder in Frage zu stellen.

Die juristischen Auseinandersetzungen hielten Baumann allerdings nicht davon ab, weiter in Treue fest zu Glyphosat zu stehen. Auch auf Dicamba, das zweite gerichtsnotorische Pestizid des Leverkusener Multis, ließ er nichts kommen. Schließlich vermeldete der Große Vorsitzende noch einige Erfolge bei den Arbeitsplatz-Vernichtungen, bzw. „Portfolio-, Effizienz- und Strukturmaßnahmen“ und gab einige Lippenbekenntnisse zur Nachhaltigkeit ab, bevor er zum Schluss kam.

So weit, so ungut und altbekannt. Im Anschluss begann auch wie üblich die „Aussprache“. Aber da wurde dann alles anders, weil die Fragen kein Gesicht mehr hatten. Eine Rede ging ihnen ebenfalls nicht mehr voraus. Noch nicht einmal namentlich zuordnen mochte das Unternehmen sie. Und damit fehlte das Wesentliche. Er macht eben einen fundamentalen Unterschied, ob etwa eine Medikamenten-Geschädigte vor das Mikrofon tritt, ihre Leidensgeschichte erzählt und am Schluss fragt, wann BAYER die betreffene Arznei endlich vom Markt zu nehmen gedenkt, oder ob es einfach heißt: „Eine Aktionärin fragte nach dem Produkt DUOGYNON.“ Zudem ist es nichts weniger als das pure Informationsbedürfnis, das die Menschen an das Rede-Pult treibt. Überdies sprechen sie nicht ins Nichts hinein. Sie haben vielmehr Adressaten: die ManagerInnen des Konzerns und die AktionärInnen, die sie am Schluss ihrer Ausführungen stets auffordern, Aufsichtsrat und Vorstand nicht zu entlasten und stattdessen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre Stimme zu übertragen. Tatsächlich passiert das auch nicht zu knapp. Und nicht zuletzt kommt es bei den AktionärInnen-Treffen immer wieder zu Begegnungen, beispielsweise zwischen ImkerInnen und InvestmentbankerInnen, die ebenfalls ihre Spuren hinterlassen.

Guck & Horch

Dies alles fiel am 28. April weg, als es an die Beantwortung der Fragen – allein 115 von insgesamt 19 Personen hatte die CBG eingereicht – ging. Nur eines blieb beim Alten: die Art und Weise, wie der Konzern sich um korrekte Antworten herummogelte. So geriet Werner Baumann das Schmieren einer US-amerikanischen JournalistInnen-Vereinigung zum Zweck der Pflege der publizistischen Landschaft unter der Hand zu einem zivilgesellschaftlichen Engagement: „BAYER unterstützt seit Langem auch gemeinnützige Organisationen, die den Journalisten-Beruf fördern.“ Auch Maßnahmen gegen unliebsame Presse-VertreterInnen hatten ihm zufolge weder der Konzern selbst noch seine Tochter-Gesellschaften je getroffen. Der ehemaligen Reuters-Journalistin Carey Gillham, derem Arbeitgeber MONSANTO laut internen Firmen-Dokumenten „weiter Druck bei jeder Gelegenheit, die sich uns bietet“ machen wollte, weil sie kritisch über Glyphosat & Co. berichtete, beschied der BAYER-Chef: „Wir respektieren die Unabhängigkeit von Journalisten und Medien-Vertretern und engagieren uns für einen transparenten und fakten-basierten Austausch.“ Und Spionage-Methoden hat der Konzern laut Werner Baumann weder in ihrem Fall angewandt noch bei ihren KollegInnen oder AktivistInnen, PolitikerInnen und anderen „Stakeholdern“, die in den berühmt-berüchtigten MONSANTO-Listen auftauchten. Über Karl Bär vom UMWELTINSTITUT hatten BAYER und/oder MONSANTO nicht weniger als 1.049 Datensätze zusammengetragen. Sogar dessen Besuch der Jahreshauptversammlung des Gartenbau-Vereins Oberleiterbach war in den Dossiers verzeichnet. Trotzdem behauptete der Agro-Riese an dem Tag steif und fest, Bär sei nicht Opfer einer gezielten Personen-Fahndung geworden, das Unternehmen wäre vielmehr nur seinem berechtigten Interesse nachgegangen, mittels bestimmter Suchbegriffe Meinungen und Trends zu erfassen.

Auch um die Frage nach den Lobby-Aktivitäten des Pillen-Riesen im Allgemeinen und nach der Anzahl der Treffen mit Bundestagsabgeordneten wand Werner Baumann sich herum. Dennoch erlaubt seine Antwort einen Einblick in den Umfang des Antichambrierens, das der Leverkusener Multi betreibt: „Im Rahmen der politischen Arbeit in Berlin unterhält BAYER Kontakte zu den Ministerien, deren Zuständigkeiten in Politik-Feldern liegen, die für das Unternehmen hohe Relevanz haben (...) Dazu zählen unter anderem die Ressorts Wirtschaft und Finanzen, Arbeit und Soziales, Forschung, Gesundheit, Ernährung und Landwirtschaft sowie Entwicklungszusammenarbeit.“ Und diese Kontakte nutzte der Global Player auch, um vor der zu erwartenden gesammelten Konzern-Kritik ins World Wide Web flüchten zu können. Lobbyismus wollte Finanz-Vorstand Wolfgang Nickl das allerdings nicht nennen. Er drückte es vornehmer aus: „Gemeinsam mit einer Vielzahl anderer Emittenten (Aktien-Gesellschaften, Anm. SWB) haben auch wir uns vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und der behördlichen Versammlungsverbote in die Diskussion um die Ermöglichung von virtuellen Hauptversammlungen durch den Gesetzgeber eingebracht.“

Glyphosat & Co.

In die Diskussion um die Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden hat sich der Agro-Riese auf diese Weise ebenfalls schon häufig eingebracht. Und Werner Baumann ließ sich von den Unbedenklichkeitsbescheinigigungen, die er Glyphosat & Co. in seiner Rede ausgestellt hatte, auch von den FragestellerInnen aus den Reihen MISEREORs, der ImkerInnen, der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, des PESTIZID AKTIONS-NETZWERKES, des INSTITUTES FOR RESPONSIBLE TECHNOLOGY, des DACHVERBANDES DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE und von BEYOND PESTICIDES, COLABORA TOGETHER oder INKOTA nicht abbringen. „Glyphosat ist bei sachgerechter Anwendung sicher“, konstatierte der Ober-BAYER. Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide schadeten Bienen nicht, wiegelte er weiter ab, und mitnichten hätte Dicamba in den USA durch Abdrift Ernten vernichtet. Die Existenz von doppelten Standards bei der Vermarktung der BAYER-Ackergifte in den Staaten des globalen Südens stellte Baumann schlicht in Abrede. Er sprach stattdessen von „spezifischen agronomischen Bedingungen der jeweiligen Länder“, denen es gerecht zu werden gelte. Wenn ein Produkt in der Europäischen Union nicht zugelassen sei, sage das noch nichts über seine Sicherheit aus, meinte der Vorstandschef zudem. Dementsprechend wenig hielt er von der Maßnahme Frankreichs, ein Export-Verbot für Ackergifte ohne EU-Genehmigung zu verhängen: „Wir bedauern diese Entscheidung, denn sie schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Produktionsstätten.“

Alternativ-Modelle zur Agrarchemie, wie sie der indische Bundesstaat Sikkim praktiziert, verwirft der Manager. Einer radikalen Landwende, die Bernward Geier von COLABORA TOGETHER mit Verweis auf diese Region einforderte, setzte er das Konzept „nachhaltige Intensivierung“ entgegen. Dieses baut unter anderem auf die „Präzisionslandwirtschaft“ der BAYER-Tochter CLIMATE CORPORATION mit ihrer digitalen Plattform FIELDVIEW. Drohnen, Sensoren und Satelliten sammeln da Informationen über das Wetter, die Bodenbeschaffenheit, Pflanzenkrankheiten und Schadinsekten. 39 Millionen Hektar haben diese Tools schon erfasst. „Mehrere zehntausend Landwirte in mehr als 20 Ländern“ zählt der Vorstandsvorsitzende zu den KundInnen. Damit beherrscht der Konzern den Markt.

Aber die Befürchtungen der OXFAM-Aktivistin Marita Wiggerthale, das Unternehmen würde diese Monopol-Stellung ausnutzen, versuchte Baumann zu zerstreuen. Der Algorithmus von FIELDVIEW & Co. wäre nicht auf BAYER-Produkte geeicht, versicherte er. Und auch Datenschutz-Bedenken wies der Manager zurück, obwohl diese jüngst durch einen Vorfall in den USA Nahrung erhalten hatten. Dort war die CLIMATE CORPORATION eine Partnerschaft mit der Firma TILLABLE eingegangen, die eine Handelsplattform für Ackergrund betreibt. Bereits unmittelbar nach der Vereinbarung der Kooperation erhielten FarmerInnen dann unmoralische Angebote für ihr Farmland, was einen massiven Shitstorm nach sich zog. Werner Baumann aber stellte das einfach in Abrede: entsprechende Berichte wären „unzutreffend“.

Chloroquin & Co.

Mit den Fragen zu den gesundheitsschädlichen Effekten von Medikamenten hielt der Unternehmensleiter es ähnlich. Zum Schwangerschaftstest DUOGYNON, den die heute zum Leverkusener Multi gehörende Firma SCHERING bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre verkaufen konnte, eröffnete er dem Mediziner Gottfried Arnold kurz und knapp: „BAYER schließt DUOGYNON als Ursache für embryonale Missbildungen nach wie vor aus.“ Und von tausenden Totgeburten wollte Baumann erst recht nichts wissen. Das Langzeit-Kontrazeptivum JADELLE war ihm ebenfalls über jeden Zweifel erhaben. Der Konzern vertreibt das Präparat in Tateinheit mit der „Bill & Melinda Gates Foundation“, die es als ein Instrument zur Entwicklungshilfe auffasst. „Verhütungsmittel können mit am besten zur Armutsbekämpfung beitragen“, sagt Melinda Gates nach der Devise „Keine Armen, keine Armut“ und nimmt dabei zu allem Übel auch noch Risiken und Nebenwirkungen in Kauf. Bei JADELLE zählen Kopfschmerzen, Depressionen, Gewichtszunahme, Sehstörungen und Migräne dazu. Aber das hindert den BAYER-Chef nicht daran festzustellen, „dass das Nutzen/Risiko-Profil von JADELLE positiv ist“ und die Kritik, die Josephine Brämer und Anthea Kyere an dem Mittel übten, auch sonst zurückzuweisen.

Die System-Relevanz BAYERs im Angesicht von Corona wollte der Vorstand ebenfalls nicht in Frage gestellt wissen, wenngleich die Einlassungen zum von Donald Trump einst als „Geschenk Gottes“ gepriesenen Chloroquin nurmehr recht distanziert daherkamen. So hielt Baumann fest: „Das Malaria-Medikament Chloroquin wird weiterhin als eine der möglichen Behandlungsoptionen bei Covid-19-Erkrankungen diskutiert. Bisher lässt sich ein entsprechendes Nutzen/Risiko-Verhältnis allerdings noch nicht belegen.“ Und das wird es auch wohl nicht mehr: Bei mehreren Tests mit dem Präparat starben nämlich ProbantInnen. Auskünfte dazu wollte der Vorstandsvorsitzende lieber nicht geben: „Diese Studien werden von dritter Seite aus federführend durchgeführt. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir über derartige, außerhalb unseres Geschäfts liegende Aktivitäten keine Stellungnahme abgeben können.“ Damit nicht genug, geriet das Chloroquin-Werk in Pakistan wegen Unregelmäßigkeiten im Produktionsablauf, inkorrekten Wirkstoff-Konzentrationen und fehlerhafter Lagerhaltung schon öfters in den Fokus der Aufsichtsbehörden. Darum steht jetzt die Produktsicherheit auf dem Prüfstand. Hier sieht der Konzern jedoch nicht sich selbst, sondern die Regierungen in der Pflicht: „Diese sind für die Überprüfung der jeweiligen Qualität zuständig.“
Aber es ist nicht nur das Chloroquin. BAYER verfügt nicht einmal mehr über die pharmazeutischen Voraussetzungen, um SARS-CoV-2 Paroli bieten zu können. Nicht nur hat die Aktien-Gesellschaft bereits vor langer Zeit die tropenmedizinische Forschung eingestellt, auch der Bereich „Infektionskrankheiten“ existiert nicht mehr. Mit den Worten „Wir müssen Geld verdienen mit unseren Produkten. Das führt dazu, dass nicht alle Medikamente entwickelt werden, die wir brauchen“, hat der ehemalige BAYER-Chef Marijn Dekkers die Konzentration auf nur noch wenige, besonders lukrative Anwendungsfelder einmal gerechtfertigt. Und Baumann hält an dieser Politik fest: „Wir werden und müssen auch weiterhin mit unseren Produkten Geld verdienen, ja. Auch wenn wir weiter steigende Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen planen, werden auch in der Zukunft nicht alle Bedarfe auf allen Indikationsgebieten gedeckt werden können, denn auch hier müssen wir mit begrenzten Mitteln priorisieren.“

CO2 & Co.

Ganz und gar nicht sparsam zeigt sich der Leverkusener Multi dagegen beim Kohlendioxid-Ausstoß. Im Geschäftsjahr 2019 stiegen die Emissionen massiv an. Von 2,88 Millionen Tonnen auf 3,71 Millionen erhöhten sich die Werte. Zur Erklärung verweist der Vorstandsvorsitzende auf die BAYER-Tochter MONSANTO, deren schlechte Zahlen erstmals ganz in die Klima-Bilanz eingingen. Konkrete Pläne, diesen „Konsolidierungseffekt“ einzudämmen – etwa durch Maßnahmen gegen die extrem klimaschädliche Glyphosat-Produktion am US-amerikanischen Standort Soda Springs – hat das Unternehmen nicht. Baumann verwies lieber auf ferne Zeiten und schwadronierte vom Ziel der Klimaneutralität bis 2030, obwohl der Konzern da fast bei Null anfangen muss. „Zwei Prozent der 2019 bezogenen Strom-Menge stammen aus erneuerbaren Energie-Quellen“, antwortete Baumann auf eine Frage der CBG-Aktivistin Lars-Ulla Krajewski. Und beim nicht zugekauften, sondern selbst erzeugten Stom sieht es nicht viel besser aus. Damit nicht genug, versucht der Konzern darüber hinaus noch, die staatliche Umweltpolitik zu hintertreiben. So steht er in Verdacht, Umlagen, die das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) den Unternehmen auferlegt, nicht ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Netzbetreiber wie AMPRION werfen BAYER und anderen Unternehmen vor, mit dem windigen Trick des „Scheibenpacht-Modells“ den Besitz eigener Kraftwerke vorgetäuscht zu haben, um in den Genuss des Eigenstrom-Privilegs zu kommen und so Abgaben in Millionen-Höhe zu sparen. Derzeit beschäftigen sich die Gerichte mit dem Fall. Baumann aber rechtfertigte die Praxis trotzdem und wies Betrugsvorwürfe „entschieden“ zurück.

Kurz & schlecht

Auch Vorwürfe, das Management habe bei der Prüfung des MONSANTO-Deals Fehler gemacht und die Prozess-Risiken in Sachen „Glyphosat“ nicht erkannt, mochte der Konzern-Chef nicht gelten lassen: Weder BAYER noch MONSANTO hätten damit rechnen können, Schadensersatz-Prozesse um ein zugelassenes Produkt zu verlieren. Trotz alledem bewertet er die Übernahme nach wie vor positiv. Im besten ManagerInnen-Sprech befand der Vorstandsvorsitzende: „Vor dem Hintergrund der beschleunigten Synergie-Realisierung und der starken Position des kombinierten Geschäfts gilt die strategische Rationale der Akquisition ungebrochen.“

Mit Fragen nach alten BAYER-Kampfstoffen in Ost- und Nordsee, neuen Gentechniken, Gentech-Pestiziden und Tierversuchen hielt Werner Baumann sich ebenfalls nicht allzu lange auf. Darum traf ein, was die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) prophezeit hatte: Es wurde die kürzeste HV der jüngeren Konzern-Geschichte. „So turbulent BAYERs Hauptversammlung im vergangenen Jahr war, so harmonisch ist sie am Dienstag abgelaufen“, konstatierte der Kölner Stadtanzeiger.

Auch die Schmach von 2019, als die AnteilseignerInnen Werner Baumann die Entlastung verweigerten, wiederholte sich nicht. Der BAYER-Vorstand ist nach dem Debakel Klinken putzen gegangen und hat mit rund 500 AktionärInnen persönliche Gespräche geführt. So erhielt der Konzern-Chef diesmal die Absolution. 581 Millionen Aktien (92,57 Prozent) stellten sich hinter ihn, 43 Millionen taten das nicht, und noch einmal 48 Millionen enthielten sich. Immer noch ein wenig schmeichelhaftes Ergebnis, verglichen mit denjenigen der Prä-MONSANTO-Ära.
Die Coordination vermochte bei der Abstimmung auch einiges in die Waagschale zu werfen. Von mehr als hundert AktionärInnen erhielt sie rund 26.000 Stimmrechte übertragen, die natürlich jeweils in den Nein-Topf gingen. Und beim nächsten Mal, unter normalen Bedingungen, wenn BAYER nicht wieder kurzen Prozess machen darf und sich der direkten Konfrontation mit der Konzern-Kritik stellen muss, dürften es noch ein wenig mehr werden.

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CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Appell zur EU-Ratspräsidentschaft

Am 1. Juli hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Das CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO), LOBBYCONTROL, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und zahlreiche andere Organisationen haben die Befürchtung, dass dabei die großen Konzerne die Marsch-Richtung vorgeben werden. Die Gründe dafür legten die Initiativen in der Studie „Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft – Industrie in der Hauptrolle“ dar. Die Untersuchung zeigt, welch großen Einfluss die Unternehmen auf die Entscheidungen in Berlin haben. Im Einzelnen beschäftigen die AutorInnen sich etwa damit, wie die Auto-Industrie, die Banken, die Pharma-Riesen und die Erdgas-Multis die politische Landschaft pflegen. Die Umtriebe der Chemie-Industrie im Allgemeinen und BAYERs im Besonderen zeichnete die CBG nach. Angesichts dieser Gemenge-Lage appellieren die Gruppen an die Große Koalition: „Die Bundesregierung muss die Vergangenheit hinter sich lassen, sich von Konzern-Interessen frei machen (trotz der massiven Lobby-Aktivitäten, die derzeit unter dem Stichwort „Coronawashing“ laufen) und das Gemeinwohl an die oberste Stelle setzen.“ In diesen Zeiten Individual-Interessen, den Interessen Superreicher oder einseitig den Unternehmen entgegenzukommen, könnte für die Europäische Union weitreichende und zutiefst destruktive Folgen haben, warnen die Initiativen.

Lieferengpässe: AOK wehrt sich

Der Pharma-Markt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. BAYER und andere große Unternehmen setzen mehr und mehr auf neue, patent-geschützte Pillen, da diese besonders hohe Renditen versprechen. Bei ihrem nicht so viel Geld abwerfenden Alt-Sortiment rationalisieren die Konzerne hingegen nach Kräften. So beziehen sie Vor- und Zwischenprodukte zur Wirkstoff-Herstellung und manchmal auch die komplette Substanz zunehmend aus Schwellen- oder Entwicklungsländern wie Indien und China. Dort konzentriert sich die Fabrikation auf immer weniger Anbieter. Und wenn da einmal Störungen im Betriebsablauf auftreten, leiden PatientInnen auf der ganzen Welt unter den Lieferengpässen. Seit einigen Jahren passiert das immer häufiger. Auch Präparate des Leverkusener Multis glänzen in den Apotheken zunehmend durch Abwesenheit. Die Schuld dafür geben die Firmen gerne den Krankenkassen. Diese zwängen die Hersteller durch den Preis-Druck ihrer Rabatt-Verträge, eigene Pharma-Produktionen aus Kosten-Gründen zu schließen und die benötigten Substanzen stattdessen auf dem Weltmarkt einzukaufen. Der AOK-Vorstandschef Johannes Bauernfeind weist die Kritik zurück: „Dieser Argumentationsgang ist ebenso eingängig wie unwahr. Bereits seit den späten siebziger Jahren wich die Wirkstoff-Produktion nach Fernost aus.“ Zudem träten Lieferengpässe auch in Ländern auf, in denen es gar keine Rabatt-Verträge gebe, so Bauernfeind.

Mexiko: Pestizid-Beschwerde

Im Jahr 2017 hatten 43 Personen bei der mexikanischen Menschenrechtskommission CNDH wegen des unkontrollierten Einsatzes hochgefährlicher Pestizide in dem Land eine Beschwerde eingereicht. Unter den inkriminierten Ackergift-Wirkstoffen finden sich zahlreiche, die auch in BAYER-Produkten enthalten sind, wie z. B. Mancozeb, Glyphosat, Atrazin, Deltamethrin, Methamidophos, Imidacloprid, Carbofuran, Endosulfan, Bifenthrin und Carbendazim. Die CNDH gab den Beschwerde-TrägerInnen im Februar 2019 Recht und empfahl der Politik eine Reihe von Maßnahmen. Diese umfassten beispielsweise Vorschläge zu einer strengeren Regulierung der Agro-Chemikalien, zu einem besserem Schutz der LandwirtInnen und LandarbeiterInnen sowie zu einer besseren Ermittlung des Risiko-Potenzials der Substanzen.

MONSANTO-Listen: Die CBG hakt nach

Die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO hat über Jahre hinweg in eigener Regie oder über externe Dienstleister hunderte von JournalistInnen, PolitikerInnen, AktivistInnen und andere Personen ausspioniert. Mit diesem Wissen wollte sie dann unter anderem die Entscheidung der EU über die Zulassungsverlängerung für das Herbizid Glyphosat, die im Herbst 2017 anstand, im Sinne des Konzerns beeinflussen. Im Frühjahr 2019 flog der Skandal dann auf. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) startete sofort eine Reihe von Initiativen, um das ganze Ausmaß der Umtriebe aufzuklären. Unter anderem forderte die Coordination die Datenschutz-Beauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen auf, aktiv zu werden. Das lehnte diese jedoch zunächst ab. Es lägen keine Anhaltspunkte für ein zielgerichtetes Auskundschaften einzelner Personen vor, MONSANTO hätte vielmehr themen-bezogen agiert, lautete die Antwort. Damit gab sich die CBG allerdings nicht zufrieden. In einem weiteren Schreiben zitierte sie aus den Unterlagen des von MONSANTO mit der Observation beauftragten Unternehmens FLEISHMANHILLARD. Diesen Dokumenten zufolge hatte die Agentur bei ihren Ziel-Objekten auch „Freizeit oder andere Interessen (Golf, Tennis, Jagd etc.)“ im Blick. Und mit der Drecksarbeit, „Auskünfte und Informationen zu sammeln, die NICHT (Hervorhebung im Original) öffentlich zugänglich sind“, beauftragte sie die Firma PUBLICIS. Diese Fakten-Lage bewog die Landesdatenschutz-Beauftragte dann, sich in der Sache doch noch mal an BAYER zu wenden. Eine Antwort steht jedoch noch aus.

CBG beim Online-Klimastreik dabei

Wegen der Corona-Pandemie konnte der Klimastreik am 24. April nicht wie gewohnt auf der Straße stattfinden. Trotzdem gab es viele Aktionen. Die Menschen stellten Plakate ins Fenster, bestückten Bäume, Briefkästen und Tor-Eingänge mit Demo-Schildern und legten Transparente vor den Ratshäusern aus. Und um zumindest digital vor Ort präsent zu sein, suchten sie auf der von FRIDAYS FOR FUTURE ins Netz gestellte Deutschland-Karte ihre Stadt und luden da Protest-Fotos hoch. Daran beteiligte sich auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) – zusammen mit 87.000 anderen virtuellen MitstreiterInnen.

Patent-Kampagne erfolgreich

Der BAYER-Konzern hält nicht nur Patente auf gen-manipulierte Pflanzen, sondern auch auf solche aus konventioneller Zucht. Das Europäische Patentamt (EPA) erteilt diese recht freigiebig, rund 200 Anträge genehmigte es. Sogar nach einem im Juni 2017 erfolgten Beschluss des Verwaltungsrates, in dem VertreterInnen aus 38 Ländern sitzen, solche Genehmigungen nicht mehr zu erteilen, wich das Amt nicht von seiner Linie ab. Seine technische Beschwerdekammer bewertete das Verwaltungsratsvotum nämlich als Verstoß gegen EU-Bestimmungen. Daraufhin gewährte das EPA Produzenten, die auf traditionellem Wege eine Tomate mit reduziertem Wassergehalt sowie einen Brokkoli mit angeblich krebs-präventiven Nebenwirkungen entwickelt hatten, Schutzrechte. Das wiederum rief das Europäische Parlament auf den Plan. Die Abgeordneten prüften die Praxis der Behörde und kamen zu einem eindeutigen Ergebnis. In einer Entschließung sprachen sie sich gegen die Verleihung solcher Patente aus. Schließlich musste sich dann die Große Beschwerdekammer des EPA mit der Sache befassen und ein Grundsatz-Urteil fällen. Im Vorfeld reichte ein breites Bündnis aus verschiedenen Organisationen – darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) – und Einzelpersonen Stellungnahmen ein, welche die Kammer bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen muss. Und das blieb offenbar nicht ohne Wirkung. Die Große Beschwerdekammer befand am 14. Mai 2020, dass Pflanzen und Tiere aus „im Wesentlichen biologischen“ Züchtungsverfahren nicht patentierbar sind. Der Beschluss gilt rückwirkend und betrifft alle Anträge, die ab Juni 2017 eingingen. Die Initiative KEINE PATENTE AUF SAATGUT und andere Gruppen begrüßten dieses Votum, allerdings machten sie noch rechtliche Grauzonen aus. „Das aktuelle Urteil kann dazu beitragen, ein Jahrzehnt voller rechtlicher Absurditäten und chaotischer Entscheidungen am EPA zu beenden. Es gibt aber immer noch ein großes Risiko, dass große Konzerne wie BAYER, ehemals MONSANTO, das Patent-Recht dazu missbrauchen, um die Kontrolle über Landwirtschaft und Lebensmittel-Produktion zu erhalten“, so Katherine Dolan von ARCHE NOAH. Beispielsweise besteht für die Unternehmen immer noch die Möglichkeit, zufällige Pflanzen-Mutationen als eigene Erfindungen auszugeben. So hat das EPA bereits kurz nach dem Spruch der Großen Beschwerdekammer einige mit einem Moratorium belegte Patent-Verfahren wieder anlaufen lassen. Darum dringen die Patent-KritikerInnen unter anderem darauf, die Unterschiede zwischen technischen Erfindungen und den Methoden konventioneller Züchtung genauer zu bestimmen. Um der Forderung nach mehr Klarheit in diesem Bereich mehr Nachdruck zu verleihen, setzte die Initiative TESTBIOTECH einen Offenen Brief an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) auf, den neben vielen anderene Organisationen auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN unterschrieben hat.

Kunst gegen Konzerne

Die US-amerikanische Künstlerin Kirsten Stolle setzt sich intensiv mit dem Treiben der Agro-Industrie auseinander. Ihre persönlichen Erfahrungen motivierten sie dazu: „Meine von Pestiziden verursachten Gesundheitsstörungen haben mich dazu gebracht, mich mit der unheilvollen Geschichte von BAYER/MONSANTO und DOW CHEMICAL zu befassen und deren Desinformationspolitik bloßzustellen.“ Im Zuge dessen nahm sich Kirsten Stolle etwa die ganzseitige Glyphosat-Anzeige vor, die BAYER am 4. Juni 2019 in der New York Times geschaltet hatte, um gut Wetter für das Mittel zu machen. Die Künstlerin „überarbeitete“ die Annonce und schwärzte den größten Teil des Textes ein, so dass nur noch Wort-Fetzen wie „likely to be carcinogenic“ übrig blieben. Umgekehrt ging sie bei „Annotated“ vor, da ließ sie den Glyphosat-Text stehen, versah ihn aber mit einer Fülle von Anmerkungen. Auch bei TV-Spots von MONSANTO legte Kirsten Stolle Hand an. Zudem entwickelte sie eine makabre BAYER/MONSANTO-Version des Spiels „Scramble“: Zu den Wörtern, die aus einem Quadrat mit 400 Buchstaben herauszuklauben waren, gehören unter anderem „Auschwitz“, „Vietnam“ und „DDT“.

Anfrage in Sachen „Glyphosat“

Im Streit um das Ackergift Glyphosat, das die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft, hat sich die Bundesregierung gegen einen sofortigen Stopp entschieden. CDU und SPD beschlossen im September 2019 lediglich eine Minderungsstrategie. Andere Länder gehen da rigoroser vor. So erließ Österreich ein Verbot. Das nahm ein Mitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Anlass, sich bei Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) nach den Gründen für diese zögerliche Haltung zu erkundigen. „Die Risiko-Bewertung von Glyphosat im Rahmen der Erneuerung der Genehmigung hat unter Zugrundelegung aller verfügbaren Studien ergeben, dass alle gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen für eine erneute Genehmigung gegeben sind“, anwortete das „Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft“ (BMEL). Weder eine krebserregende noch eine nervenschädigende Wirkung habe die „Europäische Chemikalien-Agentur ECHA bei ihrer Prüfung feststellen können, so das BMEL. Der Fragesteller hatte in seinem Brief auf Untersuchungen verwiesen, die zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen waren. Darauf aber ging das Ministerium nicht ein.

KAPITAL & ARBEIT

AktionärInnen-Richtlinie light

Im Jahr 2017 hat die Europäische Union als späte Reaktion auf die Finanz-Krise von 2008 eine neue Richtlinie zum AktionärInnen-Recht erlassen (Ticker 2/20). Unter anderem ermächtigt die Verordnung die AnteilseignerInnen, über die Gehälter der ManagerInnen mitzuentscheiden. „Um sicherzustellen, dass die Aktionäre auch tatsächlich Einfluss auf die Vergütungspolitik nehmen können, sollten sie das Recht erhalten, eine Abstimmung mit verbindlichem oder empfehlenden Charakter über die Vergütungspolitik (...) durchzuführen“, hält die Direktive fest. Und zu den dabei auf den Hauptversammlungen anzulegenden Maßstäben heißt es: „Die Leistung von Mitgliedern der Unternehmensleitung sollte anhand sowohl finanzieller als auch nicht-finanzieller Kriterien, gegebenenfalls einschließlich ökologischer, sozialer und Governance-Faktoren, bewertet werden.“ Also ausdrücklich nicht nur nach Profit-Kriterien. Ende 2019 hat der Bundestag die Richtlinie 2017/828 in bundesdeutsches Recht überführt. Allerdings fehlen bedeutende Teile. Von sozialen und ökologischen Messgrößen zur Ermittlung des ManagerInnen-Salärs findet sich in dem „Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechte-Richtlinie“ kein Wort mehr, stattdessen heißt es nur noch: „Die Vergütungsstruktur ist bei börsen-notierten Gesellschaften auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft auszurichten.“

Wenning weg

BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning gibt sein Amt vorzeitig auf. Die GroßaktionärInnen des Konzerns schassten ihn offenkundig wegen des desaströsen Krisen-Managements des Konzerns in Sachen „MONSANTO“, für das Wenning Mitverantwortung trägt. Vor seiner Zeit als Ober-Aufseher stand er dem Leverkusener Multi lange als Vorstandsvorsitzender vor. Sein Amtsantritt im Jahr 2002 markierte eine Zäsur. Mit ihm gelangte zum ersten Mal ein Finanz-Experte an die Spitze des Leverkusener Multis, und genau das strich der Global Player bei seiner Bestallung auch heraus: „Als ausgewiesener Finanzfachmann besitzt er hohe Akzeptanz auf den internationalen Kapitalmärkten.“ Die besaß Wennings Vorgänger Manfred Schneider nämlich eher nicht. Schneider war Betriebswirt und hat nicht selten sein Befremden über die Finanz-AnalystInnen geäußert. In seinen Augen waren das alles Laien, grüne Jungs, die noch nie ein Unternehmen geführt hatten. Er wusste auch gar nicht so recht, woher diese Leute sich plötzlich das Recht nahmen, ihm etwas sagen zu wollen. Wenning hingegen wusste das nur allzu gut. Schon in seiner Zeit als Finanzchef hatte er BAYER finanzmarkt-kompatibler gestaltet. So führte er beispielsweise das Wertmanagement ein, die konsequente Ausrichtung jeder Unternehmenshandlung, jedes Beschäftigen auf die Steigerung des Aktienkurses. Und Wenning richtete 1998/1999 auch eine eigene Abteilung für „Investor Relations“ ein. Als Vorstandsvorsitzender bestand dann eine seiner ersten Amtshandlungen darin, aus BAYER eine Holding zu machen, um „Werttreiber und Wertvernichter noch leichter identifizieren zu können“. Und mit der Chemie-Sparte hatte er bald auch schon einen „Minderleister“ identifiziert. Im Jahr 2003 trennte sich die Aktien-Gesellschaft von diesem Geschäft und gab damit dem Druck der Kapitalmärkte nach, dem Manfred Schneider noch widerstanden hatte. Von da an setzte sich der Umbau des Konzerns dann munter fort – bis hin zur verhängnisvollen MONSANTO-Akquisition.

Arbeitsplatz-Vernichtung in Berlin

Die Prozesse in Sachen „Glyphosat“ mit ihren millionen-schweren Schadensersatz-Urteilen haben zu einem Absturz der BAYER-Aktie geführt. Großaktionäre wie BLACKROCK mahnten Handlungsbedarf an, und der Leverkusener Multi lieferte. Im November 2018 verkündete er ein großes Rationalisierungsprogramm („Super Bowl“), das unter anderem die Streichung von 12.000 Stellen vorsieht. Dabei kommt es auch am Standort Berlin zu Einschnitten. Dort gibt der Global Player die Forschung auf dem Gebiet klein-molekularer Wirkstoffe auf. Die Firma NUVISAN übernimmt zwar den Bereich, aber längst nicht alle der rund 400 Beschäftigten.

Tarifvertragsquote: 55 Prozent

Weltweit hat BAYER im Geschäftsjahr 2019 nur mit 55 Prozent seiner Beschäftigten Tarifverträge abgeschlossen, 2014 waren es 52 Prozent. In der Region „Europa/Nahost/Afrika“ gibt es solche Vereinbarungen für 80 Prozent der Belegschaften (2014: 87 Prozent), in Lateinamerika beträgt die Quote 54 Prozent (2014: 45 Prozent) und in den USA lediglich zwei Prozent (2014: fünf Prozent).

599 Arbeitsunfälle

Für das Geschäftsjahr 2019 führt BAYER 599 „berichtspflichtige Arbeitsunfälle mit Ausfall-Tagen“ auf. In fünf Prozent der Fälle war dabei der Kontakt mit Chemikalien die Ursache.

34 Fälle von Berufskrankheiten

Im Geschäftsjahr 2019 kam es bei BAYER laut Nachhaltigkeitsbericht zu 34 „arbeitsplatz-bedingten Erkrankungen“. „Sie betrafen u. a. den Bewegungsapparat und Haut-Reaktionen, ohne dass sich klare Risiko-Bereiche abzeichnen lassen“, heißt es darin.

IG FARBEN & HEUTE

Keine Stunde Null

Am 8. Mai vor 75 Jahren befreiten die Alliierten Deutschland vom Faschismus. Das von BAYER mitgegründete Industrie-Konglomerat IG FARBEN war ein wesentlicher Bestandteil des NS-Systems. Der Mega-Konzern hatte sich schon 1932 mit Hitler verbündet und den „Benzinpakt“ geschlossen. Nach der Machtergreifung erstellte er die Blaupause für den Vierjahresplan, mit dem die Nazis die Wirtschaft wehrtüchtig machten. Als es dann 1939 so weit war, vermochte der Multi die Armee fast alleine auszustatten. An der Vernichtungspolitik wirkte die IG FARBEN ebenfalls mit. Sie errichtete in unmittelbarer Nähe von Auschwitz ein Chemie-Werk und unterhielt in der Nähe der Baustelle ein eigenes ZwangsarbeiterInnen-Lager als Arbeitskräfte-Reservoir, während ihre Tochter-Firma DEGESCH den FaschistInnen mit dem Zyklon B die Mordwaffe lieferte. Darum stand die Zerschlagung des Giganten zunächst ganz oben auf der Agenda der Kriegskoalition. „Wenn es die Politik der Alliierten ist, dass ‚Deutschland nie wieder seine Nachbarn oder den Frieden der Welt bedrohen wird’, dann müssen die IG FARBEN zusammen mit ihren kriegswichtigen Anlagen zerstört werden“, hieß es in einem Bericht des US-Finanzministeriums. Aber es sollte anders kommen. Zum einen änderten sich in den USA die politischen Kräfteverhältnisse, sodass die „Tabula Rasa“-Fraktion unter Finanzminister Henry Morgenthau in die Defensive geriet. Zum anderen unterhielt die US-Industrie umfangreiche Geschäftsbeziehungen zu deutschen Unternehmen und verlangte von der Regierung, ihre Absatzgebiete zu sichern. Und schließlich begann der Kalte Krieg, weshalb ein starkes Deutschland gefragt war, das als „Frontstaat“ agieren konnte. Die westlichen Besatzungsmächte beließen es deshalb bei einer mehr als halbherzigen Entflechtung, die BAYER, BASF und HOECHST unbeschadet überstanden. Und bereits 20 Jahre später waren die einstigen IG-Teile allein größer als das damalige Ganze.

IG FARBEN & HEUTE

Benjamin Ferencz wurde 100

Im März 2020 feierte Benjamin Ferencz seinen 100. Geburtstag. Bei den Nürnberger KriegsverbrecherInnen-Prozessen hatte er das Verfahren gegen die Einsatz-Truppen des NS-Regimesgeleitet. In den 1950er Jahren dann verhandelte der Ungar im Auftrag der „Jewish Claims Conference“ mit der Bundesregierung und denjenigen Unternehmen, die während der Nazi-Zeit ZwangsarbeiterInnen beschäftigt hatten, über Entschädigungszahlungen. Die von BAYER mitgegründete IG FARBEN musste nur 27 Millionen DM aufbringen. Da blieb für die ehemaligen SklavenarbeiterInnen nicht viel übrig. „Sogar die strengen Härtefälle unter denen, die die Arbeit für die IG FARBEN in Auschwitz überlebt haben, erhielten jeder nicht mehr als 1.700 Dollar“, klagte Ferencz.

KONZERN & VERGANGENHEIT

100 Jahre Betriebsräte-Gesetz

Die Weimarer Verfassung sah umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten für Betriebsräte vor. Sie billigte den Beschäftigten-VertreterInnen im Artikel 165 das Recht zu, „gleichberechtigt in Gemeinschaft mit den Unternehmern an der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie an der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte mitzuwirken“. Näheres sollte das Betriebsräte-Gesetz regeln. BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg ersann darum prophylaktisch schon einmal geeignete Gegenmaßnahmen. So plante er unter anderem, die Gesamtzahl an Betriebsratssitzen zu erhöhen, um die Beschäftigten überstimmen zu können. Am Ende erwiesen sich solche Tricks jedoch als unnötig, denn es gelang der Kapital-Seite, die Regelungen massiv zu verwässern. Dementsprechend kritisch standen die KPD sowie Teile von USPD und Freien Gewerkschaften dem Gesetzes-Vorhaben gegenüber. Für den Tag der 2. Lesung des Paragrafen-Werkes riefen sie deshalb zu Protesten auf, bei denen es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam. Die Schätzungen reichen von 20 bis hin zu 42 Toten; zudem gab es über 100 Verletzte. Niemals zuvor und niemals wieder hat in der deutschen Geschichte eine Demonstration so viele Opfer gefordert. Von all dem findet sich in BAYERs Firmen-Chronik „Meilensteine“ nichts. In ihr feiert sich der Global Player unter der Überschrift „Schneller als die Gesetze: Mitbestimmung und Mitverantwortung“ hingegen als ein Unternehmen, das seinen Beschäftigten aus freien Stücken schon weit vor dem Betriebsräte-Gesetz und dem 1916 verabschiedeten „Vaterländischen Hilfsdienst-Gesetz“ eine Interessensvertretung zugestanden hatte.

Feine Füße von drüben

Der Fußball-Club BAYER Leverkusen hatte die DDR bereits in den 1980er Jahren als Spieler-Reservoir entdeckt. Wie aus Stasi-Unterlagen hervorgeht, beobachtete er mit Hilfe des in die Bundesrepublik geflohenen Trainers Jörg Berger DDR-Kicker bei Auswärtsspielen und verleitete geeignete Kandidaten wie Falko Götz oder Dirk Schlegel zur Republikflucht (Ticker 3/00). Und nach der Wende legte der Verein in Tateinheit mit anderen Bundesligisten erst so richtig los. „Am 5. Januar 1990 kam ich zum ersten Training nach der Winterpause und wusste nicht, wer überhaupt noch da war“, klagte etwa der Trainer des PSV Schwerin, Manfred Radtke, über das Ausmaß des „Schlussverkaufs“. Im Juni des Jahres bestritt er mit seiner Mannschaft das DDR-Pokalfinale gegen Dynamo Dresden. Der damalige BAYER-Manager Reiner Calmund saß damals auf der Tribüne und lockte Matthias Stammann für 350.000 DM vom PSV weg. Andreas Thom hatte Calmund da schon eingesackt. Am liebsten hätte er auch noch den zu der Zeit bei Dynamo Dresden spielenden Matthias Sammer verpflichtet, aber da war der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl vor. „Sie können die DDR nicht einfach leerkaufen“, redete dieser den Leverkusener ManagerInnen ins Gewissen. Aber BAYER ließ nicht locker und angelte sich dann noch Ulf Kirsten. Unter der Überschrift „‚Go West’– Zwischen Flucht und Mauerfall – Feine Füße von drüben“ handelt der Verein selber das Ost-Kapitel ab.

POLITIK & EINFLUSS

Online-HV nach BAYER-Gusto

Der Leverkusener Multi ergreift stets jede Gelegenheit, um sich die bei seinen Hauptversammlungen notorischen Proteste so gut es geht vom Leib zu halten. Im Jahr 2020 hieß die Gelegenheit „Corona-Pandemie“. Der Leverkusener Multi nutzte die Ungunst der Stunde und flüchtete vor den Konzern-KritikerInnen ins Virtuelle: Er berief eine Online-HV ein. Die rechtliche Handhabe dazu bot ihm das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie“. Dessen Passagen zu den AktionärInnen-Treffen erlaubten den Konzernen, statt Reden nur noch Fragen zu gestatten. Sie konnten dabei sogar noch aussieben und Groß-Investoren wie BLACKROCK den Vortritt lassen. Ein Aktivist der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) stellte dazu einige Bundestagsabgeordnete zur Rede und erhielt erhellende Antworten. So schrieb der CDUler Dr. Carsten Brodesser, in den letzten Jahren würden Hauptversammlungen „zunehmend als politisches Forum genutzt, was bei den Abläufen zu teilweise unübersichtlichen Situationen führte“. Das sei in der realen Welt noch zu managen, nicht aber in der virtuellen, und „dem will der Gesetzgeber mit seinem Vorstoß unter anderem Rechnung tragen“. Das Büro des CDU-Parlamentariers Sepp Müller hielt bei nur im Netz stattfindenden Hauptversammlungen hingegen „eine Flut von Fragen und auch – wie bei sozialen Medien nicht unüblich – inhaltlich inakzeptablen Einwürfen“ für denkbar, dem Vorschub geleistet werden müsse. Und dabei halfen BAYER & Co. kräftig mit. Stellungnahmen zum Gesetzes-Entwurf „werden vermutlich auch die Vorstände mancher AGs geschrieben haben“, hielt Brodesser-Mitarbeiter Carl Canzler fest. Sein Kollege aus dem Büro Müller verwies indessen etwas unkonkreter auf „externe Expertise aus allen Bereichen“, die es den Abgeordneten ermöglicht habe, „auch praktische Auswirkungen auf unterschiedliche Akteure abbilden zu können“. Auf der Hauptversammlung selber hat BAYER dann auch eine Einflussnahme über den „Bundesverband der deutschen Industrie“, den „Verband der Chemischen Industrie“ und das „Deutsche Aktieninstitut“ eingeräumt.

Forschungsförderung für BAYER & Co.

Seit Jahr und Tag fordert der BAYER-Konzern die staatliche Förderung von Forschungsaufwendungen. Nun hat die Bundesregierung die Signale erhört. Anfang 2020 trat das „Forschungszulagen-Gesetz“ in Kraft, das jährliche Subventionen in Höhe von 1,27 Milliarden Euro vorsieht. Bis zu 500.000 Euro kann ein einzelnes Unternehmen abgreifen – und im Zuge der Corona-Maßnahmen erhöhte die Große Koalition die Summe dann noch einmal auf vier Millionen. Ursprünglich sollten nur kleine und mittelgroße Firmen in den Genuss der Gelder kommen, aber Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) räumte den Weg für die Multis frei. Dem „Verband der chemischen Industrie“ (VCI) gelang es bei seiner Lobby-Arbeit für BAYER & Co. darüber hinaus sogar noch, finanzielle Unterstützung für Labor-Arbeiten herauszuschlagen, die gar nicht bei den Konzernen selber stattfinden: Auch für Auftragsforschung hält die Große Koalition Mittel bereit.

Verfassungsrichter nach BAYER-Gusto

Der neue Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, ist ein Mann ganz nach dem Geschmack der Leverkusener. Als Anwalt und späterer Partner der Wirtschaftskanzlei SZA hat er nämlich schon zahlreiche Unternehmen wie etwa VW vor rechtlichem Unbill geschützt. Das hat bei SZA eine Tradition, die weit zurückreicht. So tüftelten die beiden Gründer Heinrich Kronstein und Wilhelm Zutt in der Weimarer Republik die rechtliche Konstruktion für die von BAYER mitgegründete IG FARBEN aus, den späteren Mörder-Konzern mit eigenem ZwangsarbeiterInnen-Lager in Auschwitz. Auch bei von BAYER gesponserten Events trat Harbarth schon auf. So hielt der Jurist im Jahr 2018 auf der „German American Conference“, zu deren Förderern außerdem noch SIEMENS und die BOSTON CONSULTION GROUP zählten, eine Rede über den Schutz der Meinungsfreiheit.

MONSANTO verstieß gegen Lobby-Regeln

Die nunmehrige BAYER-Tochter MONSANTO investierte Unsummen, um für ihr umstrittenes Pestizid Glyphosat 2017 eine erneute EU-Zulassung zu bekommen. Die von ihr zu diesem Behufe engagierte PR-Firma FLEISHMANHILLARD scheute dabei vor keinem Mittel zurück. Sie legte umfangreiche Listen von PolitikerInnen, JournalistInnen sowie Behörden-MitarbeiterInnen an und ordnete sie in Kategorien wie „Verbündeter“, „möglicher Verbündeter“, „zu erziehen“ oder „im Auge behalten“ ein (siehe SWB 3/19). Allein in Brüssel bei der EU betrieb FLEISHMANHILLARD mit rund 60 Beschäftigten Einfluss-Arbeit. Die Kosten für die von Oktober 2016 bis Dezember 2018 dauernde „Glyphosate Renewal Campaign“ hat BAYER auf 14,5 Millionen Euro beziffert. Diese Summe findet sich im Lobby-Register der EU allerdings nicht wieder (siehe Ticker 2/20). Dort gab FLEISHMANHILLARD für 2016 lediglich 0,8 Millionen Euro an und MONSANTO für den Zeitraum von September 2016 bis August 2017 bloß 1,45 Millionen Euro. „Diese Zahlen zeigen, dass die Lobby-Macht der Pestizid-Industrie viel größer ist, als offiziell verlautbart (...) Diese Diskrepanz zwischen den angegebenen Aufwendungen und den 14,5 Millionen Euro kann als ein klarer Fall von Desinformation angesehen werden“, konstatierte das CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) und reichte eine Beschwerde ein. Daraufhin prüfte das Sekretariat des Lobby-Registers die MONSANTO-Zahlen. Dabei kam heraus, dass der Konzern nur seine Aufwendungen für das Antichambrieren in Brüssel selber aufgeführt und die Lobbying-Investitionen in den Mitgliedsländern ausgespart hatte. Damit verstieß das Unternehmen gegen die Vorschriften. Die Meldungen müssen nämlich alle Ausgaben „zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf EU-Organe, unabhängig vom Ort, an dem die Tätigkeiten ausgeführt werden“, enthalten. Eine Strafe will die Europäische Union trotzdem nicht verhängen, sie kündigte lediglich an, die Regeln klarer fassen zu wollen.

Konzerne schreiben neues EEG-Gesetz

Die in der Strom-Rechnung enthaltene EEG-Umlage ist für die Förderung alternativer Energien bestimmt. Allerdings tragen nicht alle gleichermaßen zu der Subventionierung von Wind & Co. bei. Der Gesetzgeber hat BAYER und andere Chemie-Firmen wegen ihres hohen Energie-Bedarfs und entsprechend hoher Kosten weitgehend von der Abgabe befreit. Zudem zahlen die Konzerne für die Elektrizität, die sie in ihren eigenen Kraftwerken selbst erzeugen, nichts in den EEG-Topf ein. Das sogenannte Eigenstrom-Privileg entbindet sie davon. Aber den Multis reichte das noch nicht. Sie wollten sich auch bei dem zugekauften Strom vor den EEG-Zahlungen drücken. Dafür bedienten sich die Gesellschaften des „Scheibenpacht-Modells“, das sich schlaue BeraterInnen ausgedacht hatten. Diese entwickelten Verträge, die BAYER, RWE, DAIMLER und andere Global Player von schnöden Strom-Kunden zu fiktiven Pächtern von Kraftwerk-Anteilen machten – und damit zu Nutznießern des Eigenstrom-Privilegs. „Einzelne Unternehmen sparten auf diese Weise Hunderte Millionen Euro“, so der Spiegel, der den Skandal aufdeckte. Darum haben Netzbetreiber wie AMPRION die Unternehmen nun verklagt. Der Leverkusener Multi hingegen ist sich keiner Schuld bewusst und beteuert, sich immer an geltendes Recht gehalten zu haben. Betrugsvorwürfe wies BAYER-Chef Werner Baumann auf der Hauptversammlung des Konzerns am 28. April 2020 „entschieden“ zurück. Damit nicht genug, gehen die Firmen in die Offensive. Wie wiederum der Spiegel berichtete, möchten sie eine Gesetzes-Änderung erreichen, die sie vor Strafzahlungen schützt. Dazu haben BAYER & Co. dem Wirtschaftsministerium schon einmal frei Haus die passende Vorlage geliefert und eine „Novellierung Paragraf 104 Absatz 4 Erneuerbare Energien Gesetz (EEG)“ verfasst. Zudem trafen sich AnwältInnen und andere VertreterInnen der Firmen sowie EmissärInnen des „Verbandes der chemischen Industrie“ und anderer Organisationen in der Causa bereits mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Und nach dem Gespräch zeigte sich ein Konzern-Jurist auch hoffnungsfroh, dass „Missverständnisse“ über das Eigenstrom-Privileg bald „zielführend ausgeräumt“ werden.

Baumann kritisiert „Green Deal“

Im Mai 2020 hat die Europäische Union zwei wesentliche Elemente ihres „Green Deals“ vorgestellt: die Biodiversitätsstrategie und die Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“. Letztere gibt nach Ansicht der EU „eine umfassende Antwort auf die Herausforderungen nachhaltiger Lebensmittel-Systeme und erkennt an, dass gesunde Menschen, gesunde Gesellschaften und ein gesunder Planet untrennbar miteinander verbunden sind“. Auf der Agenda steht unter anderem eine Verringerung des Pestizid-Einsatzes bis 2030 um 50 Prozent. Das passt BAYER-Chef Werner Baumann gar nicht. „Es wäre illusorisch zu glauben, wir könnten ohne Pflanzenschutzmittel die bald acht Milliarden Menschen auf der Erde ernähren, die Biodiversität schützen und zugleich keine weiteren Flächen für die Landwirtschaft erschließen“, sagte er in einem Interview mit der FAZ. Ähnlich argumentiert der Konzern seit Jahren. Die Initiative OXFAM spricht in diesem Zusammenhang vom „Welternährungsmythos“. Sie hält die Zahlen, mit denen BAYER & Co. die Notwendigkeit einer Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion (und damit des Gebrauchs der Ackergifte) begründen, für nicht belastbar. In diese fließt nämlich nicht nur der mutmaßliche Bedarf an Lebensmitteln, sondern auch derjenige an Futtermitteln und Agrar-Rohstoffen zum industriellen Gebrauch ein. Auch zweifelt OXFAM den Zusammenhang zwischen der Menge an vorhandenen Nahrungsgütern und dem Hunger an. „Er suggeriert, dass eine höhere Produktion weniger Hunger bedeutet. Menschen hungern jedoch, weil sie extrem arm sind und sich keine Lebensmittel leisten können“, konstatiert die Organisation. Ihr schlichtes Fazit lautet: „Jenen, die den Welternährungsmythos bemühen, geht es in erster Linie um die Profite von Agrar-Konzernen und weniger um bessere Bedingungen für Hungerleidende.“

„Green Deal“: Klöckner reserviert

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zeigt sich wenig begeistert von der Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“, welche die Europäische Union am 20. Mai 2020 als „Kernstück“ ihres „Green Deals“ vorstellte. Diese sieht nämlich unter anderem eine Reduzierung des Pestizid-Einsatzes um 50 Prozent bis 2030 vor. „Die Vorschläge sind sehr ambitioniert“, konstatierte die CDU-Politikerin und führte weiter – ganz im Sinne von BAYER-Chef Werner Baumann (s. o.) – aus: „Die ausreichende Verfügbarkeit unserer Grundnahrungsmittel und die Ernährungssicherung der EU und global müssen stets im Vordergrund stehen. Und das wird immer Umwelt-Einflüsse haben.“ Klöckner bezeichnete die 24 Seiten lediglich als „Diskussionsgrundlage“ und stimmte schon einmal auf Kontroversen ein. Vielsagend wies sie in ihrer Presseerklärung darauf hin, dass der EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski bei der Präsentation der „Vom Hof auf den Tisch“-Strategie fehlte.

BfR unter Einfluss

Das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) fällt immer wieder durch Entscheidungen im Sinne der Konzerne auf. So stellte es dem von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften BAYER-Pestizid Glyphosat im Rahmen der EU-Entscheidung über die Zulassungsverlängerung eine aus Industrie-Unterlagen zusammengeklaubte Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Das wundert allerdings nicht weiter, denn das Bundesinstitut steht unter Einfluss. So sitzt in der „BfR-Kommission für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände“ neben VertreterInnen von BASF auch der BAYER-Manager Dr. Frank Pierre Laporte.

PROPAGANDA & MEDIEN

VCI macht Schule

BAYER & Co. drängen mit aller Macht in die Schulen, um Einfluss auf die Lehrpläne zu nehmen und ForscherInnen-Nachwuchs zu rekrutieren. Nach einer Studie der „Otto Brenner Stiftung“ haben sie bereits rund 800.000 – natürlich kostenlose – Lehrmaterialien erstellt, die noch nicht einmal die bei normalen Schulbüchern üblichen pädagogischen Eignungstests durchlaufen müssen, ehe sie in den Klassenzimmern landen. Ganz vorne mit dabei: der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Mit einem Etat von ca. zwölf Millionen Euro gedenkt er im Jahr 2020 die Schullandschaft zu pflegen. Dabei reicht das Programm von „Finanzmitteln für Experimente über kostenfreie Unterrichtsmaterialien bis hin zu Angeboten für die Lehreraus- und -fortbildung“.

EU ermöglicht Gift-Importe

Die Europäische Union hatte sich vorgenommen, konsequent zu sein und Rückstände von Pestiziden, die sie wegen ihrer gesundheitsschädlichen Wirkungen verboten hat, auch nicht mehr in Lebensmittel-Importen zu dulden (siehe auch SWB 3/20). Das wussten BAYER & Co. allerdings zu verhindern. Immer wieder trafen EmissärInnen des Leverkusener Multis mit EU-KommissarInnen und/oder deren Kabinettsmitgliedern zusammen, um die Pläne zu vereiteln. So präsentierte der Konzern der Generaldirektion Handel etwa einen Report, der vor großen finanziellen Einschnitten durch die avisierten EU-Maßnahmen warnte. Und der beharrliche Lobby-Einsatz zahlte sich am Ende aus. Die Wünsche der Unternehmen fanden Eingang in die neue EU-Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“. In dem entsprechenden Passus heißt es, Brüssel gewähre „Einfuhr-Toleranzen für Pestizid-Wirkstoffe, die in der EU nicht mehr genehmigt sind“. „Das ist ein Offenbarungseid. Die EU-Kommission räumt den Konzern-Interessen den Vorrang vor der menschlichen Gesundheit ein“, konstatierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in ihrer Presseerklärung.

DRUGS & PILLS

EMA überprüfte CIPROBAY

Antibiotika mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs CIPROBAY können zahlreiche Gesundheitsschädigungen auslösen (siehe auch SWB 3/18). Besonders häufig kommen Lädierungen von Muskeln und Sehnen vor. Darüber hinaus zählen Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen zu den Risiken und Nebenwirkungen. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen schon. Da sich in letzter Zeit zudem Meldungen über Schädigungen der Herzklappen durch die Mittel häuften, leitete die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ (EMA) ein Prüfverfahren ein. Dieses bestätigte den Verdacht jedoch nicht. Darum müssen BAYER & Co. die Warnhinweise auf den Beipackzetteln nicht ändern.

Gefährliche Hormonersatz-Therapie

BAYER & Co. ist es gelungen, die Wechseljahre zu einer Krankheit zu erklären, bei der nur eins hilft: die Hormonersatz-Therapie. Was die Konzerne „Menopausen-Management“ nennen, bezeichnen KritikerInnen als „die Medikalisierung körperlicher Umbruchphasen im Leben von Frauen“. Und diese setzt die Patientinnen erheblichen Gesundheitsgefahren aus. Da neue Studien das Brustkrebs-Risiko von Hormonersatz-Therapien zu bestätigen schienen, hatte die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ (EMA) ein Prüfverfahren eingeleitet. Erhöhten Handlungsbedarf sah die EMA nach Vorlage des Berichts jedoch nicht. „Zurzeit keine weiteren Maßnahmen“, verkündete sie.

Mehr Umsatz mit YASMIN & Co.

Verhütungsmittel der dritten und vierten Generation wie die Präparate aus BAYERs YASMIN-Produktreihe stehen seit Jahren wegen des erhöhten Thrombose-Risikos, das von ihnen ausgeht, in der Kritik. Während sich unter YASMIN, YAZ, YASMINELLE & Co. bei 9 bis 12 von 10.000 Frauen ein Blutgerinnsel bildet, kommt es bei älteren Arzneien mit den Wirkstoffen Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat nur bei 5 bis 7 von 10.000 Frauen dazu. Die Geschäfte des Pharma-Riesen beeinträchtigt das jedoch nicht. Im Geschäftsjahr 2019 stieg sein Umsatz mit diesen Medikamenten gegenüber 2018 um 42 Millionen auf 681 Millionen Euro.

Neue Arznei gegen Prostata-Krebs

BAYER hat gemeinsam mit dem finnischen Unternehmen ORION ein Medikament zur Behandlung von Prostata-Krebs entwickelt. Das Präparat NUBEQA mit dem Wirkstoff Darolutamid ist dabei auf solche Patienten zugeschnitten, die zwar noch keine Metastasen haben, aber erhöhte, nicht auf eine Therapie mit Testosteron-Blockern reagierende PSA-Werte. Bei dieser Gruppe von Kranken stört das Darolutamid angeblich die Arbeit des Androgen-Rezeptors und hemmt so die Bildung von Testosteron, welches das Tumor-Wachstum befördert.

PCOS-Kooperation mit EVOTEC

BAYER hat mit dem Hamburger Biotech-Unternehmen EVOTEC eine Kooperation auf dem Gebiet der Frauen-Heilkunde vereinbart. Die Firma will für den Leverkusener Multi eine Arznei zur Therapie des polyzystischen Ovarial-Syndroms (PCOS) entwickeln. Bei dieser Gesundheitsstörung handelt es sich um eine Erkrankung des Eierstocks, bei der Zysten-Bildungen den Ei-Sprung und so auch mögliche Schwangerschaften verhindern. Daneben forscht EVOTEC für den Global Player noch an Präparaten gegen Gebärmutterschleimhaut-Wucherungen, Husten und Nierenschäden. Die engen Verbindungen zum Pillen-Riesen kommen dabei nicht von ungefähr. Das ehemalige BAYER-Vorstands- und jetzige Aufsichtsratsmitglied Wolfgang Plischke steht nämlich dem EVOTEC-Aufsichtsrat vor.

Galileo-Studie: Keine Aufklärung

BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO hat viele Risiken und Nebenwirkungen. So kann er beispielsweise schwere Blutungen verursachen, die allzu oft tödlich enden. Trotzdem versucht der Leverkusener Multi unermüdlich, neue Anwendungsfelder für sein Präparat zu finden. Nicht einmal dramatische Zwischenfälle bei den entsprechenden klinischen Prüfungen halten ihn davon ab. So musste der Pharma-Riese im Oktober 2018 die Galileo-Studie abbrechen, weil die Erprobung des Mittels an PatientInnen, die gerade eine künstliche Herzklappe bekommen hatten, gehäuft zu Todesfällen führte (Ticker 1/19). Anfang 2020 publizierten der Konzern und sein US-amerikanischer Vertriebspartner JANSSEN einen Aufsatz über den Arznei-Test in einer Fachzeitschrift. Aber Aufschluss über die hohe Sterberate konnten die beiden Unternehmen nicht geben. „Wir verstehen die Ergebnisse nicht ganz“, gab James List von JANSSEN anlässlich der Veröffentlichung zu Protokoll, vergaß dabei aber nicht, XARELTO eine Unbedenklichkeitsbescheinigung auszustellen. „Da die TeilnehmerInnen am GALILEO-Test sich grundlegend von denen der anderen XARELTO-Tests unterscheiden, bleibt das Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil von XARELTO bei den acht von der FDA (US-amerikanische Gesundheitsbehörde, Anm. Ticker) genehmigten Indikationen positiv“, so der Pharma-Manager.

Zahlreiche XARELTO-Nebenwirkungen

BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO löst immer wieder schwere Gesundheitsstörungen aus. 113.707 Meldungen über gravierende Nebenwirkungen gingen bis zum 30. Mai 2020 bei der Europäischen Datenbank für unerwünschte Arzneimittel-Effekte ein.

XARELTO für junge Erwachsene

Bald läuft das Patent für BAYERs umsatzstärkstes Pharmazeutikum, dem mit vielen Risiken und Nebenwirkungen behafteten Gerinnungshemmer XARELTO, aus. Darum versucht der Konzern fieberhaft, seinem Top-Seller mit dem Wirkstoff Rivaroxaban neue Anwendungsgebiete zu erschließen. So beantragte der Pharma-Riese jetzt in Aussicht auf eine sechsmonatige Patent-Verlängerung eine EU-weite XARELTO-Zulassung zur Behandlung von jungen Thromboembolie-PatientInnen bis 17 Jahre. Dabei ist die Fakten-Lage dünn. Am entsprechenden klinischen Test nahmen nur 500 Kinder und Jugendliche teil. Zudem handelte es sich nicht um eine Doppelblind-Studie. Auch das Ergebnis spricht nicht gerade für das Präparat. Unter dem BAYER-Mittel bekamen 1,2 Prozent der TeilnehmerInnen eine Thromboembolie, unter der Standard-Medikation Heparin mit drei Prozent nicht viel mehr. Zudem traten in der XARELTO-Gruppe mehr Blutungen auf (drei Prozent gegenüber 1,9). Diese seien aber weniger schwer verlaufen, versucht der Leverkusener Multi zu relativieren.

Neue XARELTO-Zulassung

Der BAYER-Konzern hat seinem umstrittenen Gerinnungshemmer XARELTO in den Vereinigten Staaten ein neues – das bisher achte – Anwendungsgebiet erschlossen. Die US-Gesundheitsbehörde FDA erteilte dem Präparat eine Zulassung zur präventiven Behandlung von solchen PatientInnen mit Thromboembolie-Risiko, die wegen akuter internistischer Gesundheitsstörungen wie etwa Schlaganfällen, Infektionskrankheiten oder Herzinsuffienz in ein Krankenhaus eingeliefert werden müssen.

GLYPHOSAT & CO.

Größeres Krebs-Risiko durch Dicamba

Der von BAYER und anderen Agro-Konzernen vermarktete Pestizid-Wirkstoff Dicamba lässt für LandwirtInnen die Wahrscheinlichkeit steigen, an Leber- und Gallenwegkrebs zu erkranken. Bei FarmerInnen, welche die Substanz intensiv nutzen, stieg das Risiko gegenüber solchen, welche den Stoff nicht einsetzen, um den Faktor 1.8. Die Leukämie-Gefahr nahm ebenfalls zu. Das ergab eine Untersuchung der US-amerikanischen „National Institutes of Health“ (NIH) auf der Basis eines rund 50.000 Bauern und Bäuerinnen umfassenden Daten-Satzes der „Agricultural Health Study“. Auch 20 Jahre nach der Erst-Exposition blieb die erhöhte Gefährdung noch bestehen. Nach dem Fall „Glyphosat“ droht BAYER nun also auch ein Fall „Dicamba“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) forderte die Bundesregierung in einer Presseerklärung auf, die neuen Erkenntnisse bei den Entscheidungen über Zulassungsverlängerung für dicamba-haltige Produkte zu berücksichtigen. „Es besteht dringender Handlungsbedarf“, hielt die CBG fest.

Notfall-Zulassungen in Deutschland

„Wenn eine Gefahr anders nicht abzuwehren ist, kann das ‚Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit’ kurzfristig das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels für eine begrenzte und kontrollierte Verwendung und für maximal 120 Tage zulassen“, heißt es auf der Webpage der Behörde. Und das tut diese immer häufiger. Schon 60 Notfall-Zulassungen gewährte das BVL im laufenden Jahr. Zumeist handelt es sich dabei um die Erlaubnis, die Pestizide in weiteren Kulturen gegen Schadinsekten oder Wildpflanzen nutzen zu können. So verhielt es sich auch bei dem BAYER-Insektizid MOVENTO SC 100. Gleich vier Mal genehmigte das Bundesamt eine Ausweitung der Anwendungszone. So dürfen die bundesdeutschen LandwirtInnen das Mittel mit dem Wirkstoff Spirotetramat zusätzlich gegen die Maulbeer-Schildlaus, die Rote Austern-Schildlaus, den Gemeinen Birnenblatt-Sauger, die Hopfen-Blattlaus, die Apfel-Blutlaus, die Reben-Schildlaus und zahlreiche weitere Tiere einsetzen.

Notfall-Zulassungen in der EU

Nicht nur Deutschland erteilt Notfall-Genehmigungen für Pestizide (s. o.), auch andere europäische Länder tun das. Dabei schrecken einige Staaten nicht einmal davor zurück, bereits auf den Index gesetzte Agro-Chemikalien wie etwa BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO aus der Gruppe der Neonicotinoide kurzzeitig wieder zuzulassen. Finnische, belgische und spanische LandwirtInnen können das Mittel, das die Europäische Union wegen seiner Bienengefährlichkeit im Jahr 2018 aus dem Verkehr gezogen hatte, in diesem Jahr wieder nutzen. Nur in Einzelfällen interveniert die EU. So untersagte sie im Februar 2020 Rumänien und Litauen, die Neonicotinoide wieder aus dem Giftschrank zu holen. Daneben durften sich noch einige Produkte des Leverkusener Multis über eine Ausweitung der Anwendungszone auf bisher verbotene Früchte freuen, so SIVANTO mit dem Wirkstoff Flupyradifuron und RONSTAR (Oxadiazon) in Griechenland, MOVENTO 48 C (Spirotetramat) in Italien und CONVISO ONE (Foramsulfuron und Thiencarbazone-methyl) in der Slowakei. Die einzelnen EU-Mitgliedsländer nutzen das Instrument der Notfall-Zulassungen in unterschiedlichem Maß. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, strebt die Europäische Union nun eine Harmonisierung der Praxis an. Geschehen ist allerdings bisher noch nichts.

Artensterben durch PONCHO

Die EU hat Pestizid-Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonicotinoide im Jahr 2018 wegen ihrer bienenschädlichen Effekte verboten. In den meisten anderen Ländern der Welt dürfen sich Produkte wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) jedoch weiterhin auf den Feldern tummeln und dort ihr Gefährdungspotenzial entfalten. Und dieses beschränkt sich bei Weitem nicht nur auf Bienen. So haben PONCHO & Co. einen fatalen Effekt auf das Ökosystem „Reisfeld“, wie eine Studie des japanischen Wissenschaftlers Masumi Yamamuro ergab. Die von den Reisbauern und -bäuerinnen eingesetzten Neonicotinoide lösen nämlich eine ganze Ketten-Reaktion aus. Die Mittel töten Libellen ab, die vielen Fischen als Nahrung dienen. Darum ging der Stint-Bestand drastisch zurück, und viele FischerInnen mussten ihren Beruf aufgeben. Der Leverkusener Multi aber bestreitet den Befund und zieht Methodik und Daten-Interpretation Yamamuros in Zweifel. „Es gibt keinen Beweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Rückgang von Insekten-Populationen und dem Gebrauch von Neonicotinoiden in der Landwirtschaft“, erklärte der Konzern.

PFLANZEN & SAATEN

Pilot-Projekt „Kurzhalm-Mais“

BAYER führt in Mexiko ein Pilot-Projekt mit Kurzhalm-Mais durch. Dem Konzern zufolge erweist sich die gestutzte Pflanze Wetter-Einflüssen gegenüber als stabiler. Zudem braucht die hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Sorte mit dem Produkt-Namen VITALA weniger Wasser. Auch kommt sie angeblich mit weniger Pestiziden aus, die überdies nicht mehr von der Luft aus versprüht werden müssen. Auf der letzten Hauptversammlung Ende April 2020 gab sich BAYER-Chef Werner Baumann hoffnungsvoll, „dass diese Innovation den Mais-Anbau, und damit den Anbau einer der wichtigsten Kultur-Pflanzen überhaupt, revolutionieren kann.“

GENE & KLONE

Schweine als Ersatzteillager

BAYER setzt sowohl im Pharma- als auch im Agro-Bereich stark auf die „Gentechnik 2.0“, also zum Beispiel auf Gen-Scheren wie CRISPR-Cas9, die das Erbgut angeblich genau an einer vorgegebenen Stelle auftrennen können, um es dann „umzuschreiben“ oder neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einzufügen. Diverse Kooperationsabkommen in Sachen „Genome Editing“ hat der Leverkusener Multi bereits geschlossen. Und Anfang November 2019 investierte er 50 Millionen Dollar in das Start-up eGENESIS. Dieses nimmt sich vor, Schweine als Ersatzteillager für Menschen zu nutzen und in den Tieren Organe für Transplantationen zu züchten. Bisher galten derartige Unterfangen – von moralischen Bedenken ganz abgesehen – als extrem risiko-reich. Im Organismus von Schweinen tummeln sich nämlich viele Viren, sogenannte PERVs (porcine endogenous retrovirus), die das Potenzial haben, gefährliche Krankheiten auszulösen. Die 2009 ausgebrochene Schweinegrippe etwa kostete hunderttausende Menschen das Leben. Aber die eGENESIS-FoscherInnen wollen die PERVs im Erbgut der Tiere einfach mit einer Genschere herausschneiden und damit die Gefahr bannen. „Unser Team wird den PERV-freien Schweinestamm weiterentwickeln, für eine sichere und wirksame Xeno-Transplantation“, so eGENESIS-Mitgründerin Luthan Yang über das Projekt „pig3.0“. Von einer „Sprung-Innovation“ spricht BAYERs Pharma-Chef Stefan Oelrich deshalb. Und sein Kollege Dr. Jürgen Eckhardt sekundiert: „Wir glauben, dass eGENESIS den gesamten Markt für Organ-Transplantationen revolutionieren kann.“ Frühere Versuche des Leverkusener Multis, Tiere in Wert zu setzen, erwiesen sich nicht als erfolgreich. Das Klon-Schaf „Dolly“ der schottischen Biotech-Firma PPL THERAPEUTICS, an welcher BAYER einst 8,5 Prozent der Anteile hielt, verstarb vorzeitig. Zudem verweigerten die Tiere auch dem „Gene Pharming“ den Gehorsam. Das vollmundig als „Doing drugs the milky way” angekündigte PPL-Vorhaben, in Euter ein menschliches Gen einzuschleusen und aus ihnen so Reaktoren zur Herstellung eines Wirkstoffes zur Behandlung von Lungenkrankheiten zu machen, scheiterte.

Neue Zulassung, alte Standards

Seit Ende 2013 gelten in der Europäischen Union strengere Standards bei den Import-Genehmigungen für Gen-Pflanzen. Wenn es bloß um die Verlängerungen der Einfuhr-Erlaubnisse geht, will Brüssel diese Maßstäbe jedoch nicht in Anschlag bringen. So erhielt der BAYER-Konzern im Dezember 2019 eine erneute Zulassung für zwei Soja-Arten, obwohl keine bzw. nur mangelhafte Fütterungsstudien vorlagen und die Feldversuche sich nicht an den tatsächlichen Anbau-Bedingungen orientierten. Konkret handelte es sich dabei um das glyphosat-resistente Produkt MON89788 und um die Laborfrucht A2704-12, die immun gegen das jetzt von der BASF vermarktete und in der EU wegen seiner Gesundheitsschädlichkeit nicht mehr zugelassene Pestizid Glufosinat ist. Die Initiative TESTBIOTECH kritisiert die Entscheidung. Nach Ansicht der Organisation bestehen nämlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beschlusses. Sie verweist dabei auf eine EU-Verordnung, in der heißt: „Damit sichergestellt ist, dass Anträge auf Zulassungsverlängerungen in Bezug auf die Prüfverfahren denselben Standards entsprechen, sollten diese Anforderungen auch für Anträge auf Verlängerung der Zulassung von GV-Lebens- und Futtermitteln gelten (GV = gentechnisch verändert, Anm. Ticker)“. Hätte die bisherige Praxis aber trotzdem weiter Bestand, „gäbe es in der EU doppelte Sicherheitsstandards für transgene Pflanzen“, warnt TESTBIOTECH.

WASSER, BODEN & LUFT

CO2-Ausstoß steigt

Der BAYER-Konzern hat erstmals seit vielen Jahren wieder einen separaten Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt. Er hat seine Umweltberichterstattung also nicht reduziert, wie irrtümlicherweise im Ticker 2/20 berichtet. Nur leider gibt es in der Sache selbst kaum Positiveres zu melden, was das Unternehmen hauptsächlich dem „akquirierten Agrar-Geschäft“, also dem MONSANTO-Deal, zuschreibt. So stiegen die Kohlendioxid-Emissionen im Geschäftsjahr 2019 um 830.000 Tonnen auf 3,71 Millionen Tonnen. Ein Großteil dieses Zuwachses ist auf die extrem energie-intensive Glyphosat-Produktion am Standort Soda Springs zurückzuführen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert hier bereits seit Langem Maßnahmen ein, bisher blieb der Global Player allerdings untätig.

BAYER verbraucht mehr Strom

Der im Geschäftsjahr 2019 erstmals vollständig in BAYERs Energie-Bilanz einfließende Strom-Verbrauch des zugekauften MONSANTO-Geschäfts sorgt für eine massive Erhöhung der Zahlen. Der Energie-Einsatz des Konzerns erhöhte sich von 29.903 Terrajoule auf 38.744 Terrajoule.

Mehr Kohle im Strom-Mix

Der BAYER-Konzern verbrauchte im Geschäftsjahr 2019 nicht nur mehr Energie (s. o.), diese kam, was den selbst erzeugten Strom angeht (für den zugekauften Strom macht das Unternehmen keine detaillierteren Angaben), im Vorgleich zum Vorjahr teilweise auch aus schmutzigeren Quellen. So erhöhte sich der Kohle-Anteil am Energie-Mix von 2,38 Prozent auf 13,5 Prozent. Für Flüssigbrennstoffe sanken die Werte hingegen. Sie reduzierten sich von 23,11 Prozent auf 13,44 Prozent. Hauptenergie-Lieferant für den Leverkusener Multi ist mit 66,86 Prozent Erdgas.

Mehr ozon-abbauende Substanzen

Im Geschäftsjahr 2019 haben die BAYER-Werke mehr ozon-abbauende Substanzen ausgestoßen. Der Wert für die „Ozone Depleting Substances“ (ODS) stieg von 9,3 auf 17,8 Tonnen. Und diesmal ist daran nicht MONSANTO schuld. Die Uralt-Dreckschleudern des Konzerns im indischen Vapi sorgten für den Großteil des Zuwachses. An diesem Standort hatte das Unternehmen zwar jahrelang Modernisierungsarbeiten durchgeführt, aber ausgezahlt hat sich das Ganze offenbar nicht.

Mehr flüchtige Substanzen

2019 hat BAYER mehr flüchtige Substanzen in die Luft emittiert als 2018. Von 1.360 Tonnen auf 1.610 Tonnen erhöhte sich der Wert.

Weniger Kohlenmonoxid-Emissionen

Der Kohlenmonoxid-Ausstoß von BAYER ging 2019 gegenüber dem Vorjahr von 3.990 Tonnen auf 3.300 Tonnen zurück.

Mehr Stickstoff-Emissionen

2019 hat der BAYER-Konzern mehr Stickstoff in die Luft emittiert als 2018. Der Wert erhöhte sich von 3.260 auf 4.700 Tonnen.

Mehr Schwefeloxid-Emissionen

2019 hat der BAYER-Konzern mehr Schwefeloxid in die Luft emittiert als 2018. Der Wert erhöhte sich von 730 Tonnen auf 2.310 Tonnen.

Weniger Staub-Emissionen

BAYERs Staub-Emissionen sanken im Geschäftsjahr 2019 gegenüber 2018 von 2.350 Tonnen auf 1.580 Tonnen.

Höhere Abwasser-Frachten

Im Geschäftsjahr 2019 stieg BAYERs Wasserverbrauch gegenüber 2018 von 42 Millionen Kubikmeter auf 59 Millionen Kubikmeter und dementsprechend auch das Abwasser-Aufkommen. Die Gesamtmenge wuchs um 42,1 Prozent auf 26 Millionen Kubikmeter.

Mehr Einleitungen in Gewässer

Im Geschäftsjahr 2019 leitete der BAYER-Konzern mehr schädliche Stoffe in die Gewässer ein als 2018. „2019 stiegen alle Emissionen in das Wasser. Dies ist insbesondere auf die ganzjährige Einbeziehung der Standorte des akquirierten Agrar-Geschäftes zurückzuführen“, heißt es dazu im Nachhaltigkeitsbericht. Die Phosphor-Werte stiegen von 180 auf 510 Tonnen, die Stickstoff-Werte von 390 auf 420 Tonnen, die Schwermetall-Werte von 2,4 auf 2,6 Tonnen, die für organisch gebundenen Kohlenstoff von 600 auf 980 Tonnen und diejenigen für anorganische Salze von 97.000 auf 167.000 Tonnen.

Viele Pestizide in NRW-Gewässern

Die Gewässer in Nordrhein-Westfalen sind stark mit Agro-Chemikalien belastet, wie eine Große Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen an die CDU/FDP-Landesregierung ergab. Demnach weisen von 351 untersuchten Fluss-Abschnitten des Rheins 207 Pestizid-Rückstände über dem Beurteilungswert auf, der für die WissenschaftlerInnen den Übergang von einem guten in einen mäßigen Zustand markiert. Für die Ems traf dies auf 58 von 59 Bereichen zu, für die Maas auf 47 von 68 und für die Weser auf 65 von 82.

Dormagen: Ein bisschen Umweltschutz

Der BAYER-Konzern baut seine Dormagener Fertigungsanlage zur Herstellung der beiden Fungizide ASCRA XPRO (Wirkstoffe: Bixafen, Prothioconazol, Fluopyram) und ANTRACOL (Wirkstoff: Propineb) nicht nur aus (siehe STANDORTE & PRODUKTION), sondern aus Umweltschutz-Gründen zudem ein wenig um. Das erscheint angesichts der verheerenden Öko-Bilanz des Unternehmens (s. o.) auch dringend geboten. So kündigte die Firma Investitionen in eine leistungstärkere Aufbereitung von Abgasen und Abwässern an. Unter anderem will sie das bei der Prothioconazol-Produktion anfallende Eisen(II)-Clorid zu Eisen(III)-Clorid aufbereiten und wieder in den Herstellungsprozess leiten. Nach Angaben der „Deutschen Energie-Agentur“ sorgt das für eine Reduzierung der Abfall-Ströme um 95 Prozent. Überdies kann der Leverkusener Multi auf diese Art nicht nur den Rohstoff-, sondern auch den Energie-Verbrauch drosseln, was die Kohlendioxid-Emissionen der Fertigungsstätte um rund 9.000 Tonnen pro Jahr reduziert.

PolitikerInnen wollen Geld von BAYER

Die Gewässer Deutschlands sind nicht nur stark mit Pestiziden belastet (s. o.), sondern auch mit Arznei-Rückständen. Den Wasserwerken verursacht das enorme Zusatzkosten bei der Trinkwasser-Aufbereitung. Darum fordern die verantwortlichen PolitikerInnen eine Beteiligung von BAYER & Co. an den Mehraufwendungen. „Nach Auffassung der Umweltministerinnen und -minister sowie der -senatorinnen und -senatoren der Länder gibt es klare Adressaten für eine verursacher-gerechte Kostentragung, da es nur eine geringe Anzahl von Herstellern und Inverkehrbringern von Pflanzenschutzmitteln bzw. von unter Gewässerschutz-Aspekten problematischen Medikamenten gibt“, so die nordrhein-westfälische Landesregierung in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen. Dementsprechend haben die Bundesländer die Bundesregierung gebeten, „Regelungsperspektiven aufzuzeigen und mögliche nationale und europäische Instrumente zu prüfen“.

Runder Tisch zu Röntgen-Kontrastmitteln

BAYERs Röntgen-Kontrastmittel haben es in sich. Bei deren Inhaltsstoffen handelt es sich nämlich um Abkömmlinge des Schwermetalls Gadolinium. GADOVIST enthält Gadobutrol, PRIMOVIST Gadoxet-Säure und MAGNEVIST Gadopentent-Säure. Diese Substanzen können zahllose Gesundheitsschäden verursachen wie z. B. Herzrhythmus-Störungen, Muskel-Zuckungen, Blutdruck-Schwankungen, Leber-Erkrankungen und Fibrose, ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes. Noch dazu zählen die Präparate zu den Arzneimitteln, welche die Gewässer am stärksten belasten. Und auch das liegt an den Schwermetallen, denn diese bauen sich biologisch nur sehr langsam ab. Darum gibt es bereits ein Forschungsprojekt, das bei Röntgen-PatientInnen den Einsatz von Urin-Beuteln testet, um GADOVIST & Co. in den Sondermüll statt in die Kanalisation gelangen zu lassen. Daneben hat die Bundesregierung ein ExpertInnen-Gremium ins Leben gerufen, das die Aufgabe hat, Vorschläge zur Verminderung der Stoff-Einträge von Röntgen-Kontrastmitteln, anderen Medikamenten und Pestiziden zu erarbeiten.

Pilotanlage eliminiert kaum PCB

Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau, wo die schweren Gerätschaften viel Hydraulik-Öl zum Schmieren brauchten. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Die Altlasten lagern in Fässern und anderen Behältern, die nicht selten Leckagen aufweisen. Um das PCB nicht in das Grundwasser und die Flüsse gelangen zu lassen, muss der Bergbau-Konzern RAG das Grubenwasser über ein bestimmtes Niveau pumpen. Die kontaminierte Fracht leitet er dann in die Gewässer ein. Das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz entnahm unter anderem an den Bergwerken in Bottrup, Bergkamen und Essen Proben und wies PCB-Belastungen nach, die an manchen Stellen um das Dreifache über den Grenzwerten lagen. Darum hat die RAG jüngst an den Einleitungsstellen „Bergwerke Ost“ und „Ibbenbüren“ Pilotanlagen zum Herausfiltern des PCB aus dem Grubenwasser erprobt. Die Ergebnisse ließen allerdings zu wünschen übrig. Es gelang nur, 30 bis 40 Prozent der Polychlorierte Biphenyle zu eliminieren. Jetzt empfiehlt eine ExpertInnen-Gruppe unter anderem, „zu gegebener Zeit alternative Aufbereitungsverfahren an anderen Einleitungsstellen mit vorhandener Fracht zu testen“.

RAG will fluten

In Nordrhein-Westfalen muss der RAG-Konzern aus seinen stillgelegten Bergwerken das Grubenwasser vollständig abpumpen, um die darin enthaltenen Giftstoffe wie z. B. Polychlorierte Biphenyle – oftmals made by BAYER (s. o.) – nicht ins Grundwasser gelangen zu lassen. Zudem kann so Erd-Erschütterungen vorgebeugt werden. Im Saarland besteht keine Pflicht zu diesen Arbeiten, weil die geographische Lage eine andere ist. Das wollte das Unternehmen ausnutzen und viele Pumpen abstellen. Dagegen klagte jedoch die Gemeinde Nalbach, zu welcher der ehemalige Schacht Primsmulde gehört. Sie erhielt Ende 2019 auch Recht zugesprochen, aber die RAG legte Beschwerde gegen das Urteil ein. Jetzt liegt die Angelegenheit dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zur Entscheidung vor.

Das Rheinbrücken-Fiasko

Durch nichts ließen sich die nordrhein-westfälischen PolitikerIn-nen von CDU, SPD und FDP davon abhalten, Leverkusens marode Rheinbrücke durch einen Neubau zu ersetzen und im Zuge dessen auch die Autobahn A1 auf zwölf Spuren auszubauen, obwohl sie dazu Hand an BAYERs Dhünnaue-Altlast legen mussten. Vergeblich warnten UmweltschützerInnen vor Stoff-Austritten aus der stillgelegten Giftmüll-Deponie und vor Baugrund-Absenkungen durch die fortwährende Zersetzung der organischen Substanzen. Der rot-grünen NRW-Landesregierung unter Hannelore Kraft konnte es gar nicht schnell genug gehen. Der damalige Bau-Minister Michael Groschek (SPD) brachte sogar eine „Lex Leverkusen“ auf den Weg, um Klage-Möglichkeiten gegen das Vorhaben einzuschränken und so die Umsetzung zu beschleunigen. Aus dem gleichen Grund verzichtete er bei der Ausschreibung auf ein Verhandlungsverfahren. Damit vergab sich das Land die Möglichkeit, dem ausgewählten Unternehmen genauere Bedingungen, z. B. zu den Qualitätsstandards, zu stellen. Nur billig sollte alles sein. Und genau das fällt der Politik jetzt auf die Füße. Auf den Stahl, den der General-Unternehmer PORR für die Brücken-Konstruktion von einem chinesischen Subkontraktor bezog, konnte nämlich niemand bauen. 250 bis 600 Mängel pro Bauteil entdeckte der Landesbetrieb „Straßen.NRW“. Nach langem Hin und Her zog die schwarz-gelbe Landesregierung dann die Reißleine. Sie kündigte den Vertrag mit PORR und schrieb die Arbeiten neu aus. Dadurch kommt es nicht nur zu großen Verzögerungen, sondern auch zu erheblichen Kosten-Steigerungen zu Lasten der SteuerzahlerInnen. Für eine Realisierung von Alternativen beim Neustart wie etwa der Tunnel-Lösung, welche die Dhünnaue unangetastet ließe, ist es nach Meinung vieler UmweltschützerInnen allerdings zu spät.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Der Untergang der „Grande America“

Nicht weniger als 25 Transport-Unfälle mit zum Teil als Gefahrgut deklarierter Ladung verzeichnet BAYERs Nachhaltigkeitsbericht für 2019. Der fatalste ereignete sich am 12. März des Jahres. Da geriet das Container-Schiff „Grande America“ rund 330 Kilometer vor der französischen Westküste in Brand und sank. Es bildete sich ein zehn Quadratkilometer großer Ölteppich, der mehr als 250 Vögel das Leben kostete. Neben 2.100 Autos, 62 Tonnen Kunstharz, 16 Tonnen Terpentin-Ersatz und 720 Tonnen Salzsäure befanden sich auch 25 Tonnen BAYER-Fungizide an Bord. Ob die Behälter ausliefen oder mehr oder weniger friedlich auf dem Mee

[Vergleich] Presse-Information CBG vom 25.06.20

CBG Redaktion

Zynische Kalkulation mit Menschenleben!

BAYER speist Glyphosat-Geschädigte ab

Am gestrigen Mittwoch, dem 24. Juni gab BAYER die Einigung im Mediationsverfahren um die Klagen von Glyphosat-Geschädigten in den USA bekannt. Mit der Zahlung von 8,8 bis 9,6 Milliarden US-Dollar will der Konzern drei Viertel der anhängigen 125.000 Krebs-Klagen abschließen. 1,25 Milliarden hält BAYER für potenzielle künftige Vereinbarungen mit Geschädigten vor, die durch das vom Unternehmen vornehmlich unter dem Produkt-Namen ROUNDUP vermarktete Agrargift am Non-Hodgin-Lymphom leiden.

Was sich öffentlichkeitswirksam nach einer riesigen Summe anhört, bedeutet für die Krebserkrankten aber nur erbärmliche Brotkrumen. Die US-amerikanische Journalistin Carey Gillam von der Initiative U.S. Right to Know kritisiert: „Nach Abzug der Anwaltshonorare und -kosten werden einige KlägerInnen sehr wenig Geld erhalten, verglichen mit den großen Urteilen, die wir bisher gesehen haben in den drei Fällen, die bis vor Gericht kamen. Außerdem arbeitet BAYER daran, dass künftige KlägerInnen ihre Ansprüche nicht vor einer Jury geltend machen können.“

James Hayes, ein Glyphosat-Kläger in den USA, sagt gegenüber der CBG: „Es ist enttäuschend zu hören, dass keine Warnhinweise auf ihren (BAYER-) Produkten erscheinen werden. Tabakkonzerne haben diesen Schritt vor Jahrzehnten getan.“

In der Tat ergibt eine erste Schätzung der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG), vorbehaltlich der intransparenten Zahlen von BAYER, pro KlägerIn nur 60.000 bis 70.000 Dollar. Unterstellt, dass die von Glyphosat verursachten Krebserkrankungen, die hohe psychische Belastungen auslösen sowie umfangreiche materielle Schäden nach sich ziehen, den Tod der Betroffenen durchschnittlich vielleicht zwanzig Jahre vorverlegen, bleiben gerade einmal 300 US-Dollar Entschädigungszahlung pro verlorenem Monat Lebenszeit.

„Das menschliche Leben ist BAYER weniger wert als ein Mindestlohn“, kommentiert CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann. „Die so genannte Entschädigung würdigt nicht nur nicht den Verlust von Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen, sie reicht noch nicht einmal annähernd für die erheblichen medizinischen und anderen Folgekosten, unter denen sie und ihre Familien zu leiden haben. Das ist menschenverachtender Zynismus.“ Zum Vergleich: In einem ersten Gerichtsverfahren zu Glyphosat erhielt der Hausmeister einer Schule in den USA, Dewayne Johnson, einen Schadensersatz von 39 Millionen Dollar zugesprochen.

Im Rahmen seines Vergleichs will der Leverkusener Agrar- und Pharma-Multi allen, die in Zukunft durch das Pestizid Gesundheitsschäden erleiden, oftmals sogar mit Todesfolge, den Rechtsweg verbauen. Mit ihren Beschwerden soll sich kein Gericht mehr befassen, sondern ein von BAYER organisiertes „unabhängiges Wissenschaftsgremium (Class Science Panel)“. Das soll entscheiden, „ob ROUNDUP das Non-Hodgin-Lymphom verursachen kann“, frohlockt der Chemiegigant. Allerdings braucht er für diese „konzernbetriebenen Gerichte“ noch den Segen der US-Justiz.

BAYER leugnet weiter beharrlich und wider alle offenkundigen Belege jede Schuld. So ließ der Agrar-Riese auch nun wieder verlauten, dass die Vereinbarungen keinerlei Eingeständnis einer Schuld oder eines Fehlverhaltens beinhalten. Dabei liegen eindeutige Beweise auf dem Tisch, von der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO hat sie selbst geliefert. So informierte beispielsweise ein Beschäftigter bereits frühzeitig die US-Toxikologin Donna Farmer laut internen Firmen-Dokumenten über eine Untersuchung zum Zusammenhang zwischen Glyphosat und dem Non-Hodgkin-Lymphom. „Die Fall-Kontroll-Studie ergibt ein Chancen-Verhältnis von 2,02 für Glyphosat-Exposition (eine verdoppelte Wahrscheinlichkeit, die Krankheit zu bekommen)“, heißt es in der Mail. Farmers Kollege William Heydens wusste sogar schon genauer, wo sich bei dem Herbizid der neuralgische Punkt befindet. Er verortete ihn nicht in dem Wirkstoff Glyphosat selbst, sondern in der endgültigen, noch mit Wirkungsverstärkern und anderen Substanzen angereicherten Zusammensetzung ROUNDUP. „Glyphosat ist OK, aber das formulierte Produkt verursacht den Schaden“, so Heydens.

BAYER behauptet, die anhaltende Prozesswelle durch den Abschluss dieser Vergleichszahlungen beendet zu haben.

Dem widerspricht Marius Stelzmann von der CBG energisch: „Weitere ca. 35 Tsd. Prozesse sind allein in den USA anhängig, viele KlägerInnen haben dem Vergleich nicht zugestimmt. Außerdem sind weitere Klagen sicher, immerhin kippt der Konzern nach wie vor Abermillionen Liter des hochgiftigen Stoffes in die Umwelt. Auch hier in Deutschland und der EU. Der Aktienkurs hat sich mehr als halbiert durch die Glyphosat-Verbrechen und leidet nach wie vor, trotz des von BAYER gefeierten Vergleichs.“

Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren zu dem Deal: „Die von BAYER erhoffte Normalität wird keinesfalls einkehren, da die Massenvergiftung anhält. Die Proteste, der Widerstand, die Prozesse gegen BAYER werden andauern. Der Konzern verseucht für maximale Profite gnadenlos Mensch und Umwelt im ganz großen Stil. Es geht um Körperverletzung, wenn nicht sogar um Mord; und um hohe materielle Schäden sowie um irreparable Zerstörung der Umwelt. Die verantwortlichen BAYER-MangerInnen müssen mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden, Produktion und Vertrieb von Glyphosat müssen sofort eingestellt werden, die Betroffenen und ihre Familien und Hinterbliebenen müssen gerecht entschädigt werden. Auch in den Ländern, die unter korrupten und konzernhörigen Regimes stehen.“

Pressekontakt:

Marius Stelzmann 0211/33 39 11

[Berufungsverfahren] Presse-Information CBG vom 29.05.20

CBG Redaktion

===Am 2. Juni beginnt das erste Berufungsverfahren in Sachen &

  • 8222;Glyphosat“===


BAYERs Prozess-Strategie ist menschenverachtend

Am 2. Juni geht das Schadensersatz-Verfahren in Sachen &

  • 8222;Glyphosat“, das der US-Amerikaner Dewayne Johnson angestrengt hatte, in die zweite Runde. Erst-instanzlich hatte Johnson im August 2018 gewonnen. Die Geschworenen sahen es als erwiesen an, dass das Pestizid bei dem Schul-Hausmeister Krebs ausgelöst hat. Darum sprachen sie dem damals 46-Jährigen ein Schmerzensgeld in Höhe von 39 Millionen Dollar zu. Zusätzlich verurteilte die Jury die BAYER-Tochter MONSANTO zu einer Strafzahlung von 250 Million Dollar, da diese ihre Einschätzung nach um die Gefährlichkeit des Mittels wusste und es trotzdem nicht aus dem Verkehr zog.

Die BAYER-AnwältInnen streben an, den Prozess noch einmal komplett neu aufzurollen. Dazu wird es nach Informationen der Initiative &

  • 8222;U. S. Right to Know“ jedoch eher nicht kommen. Das Gericht hat im Vorfeld nämlich angekündigt, sich auf Fragen zum Schadensersatz konzentrieren zu wollen und beide Parteien gebeten, sich darauf vorzubereiten. Anders als im zweiten Glyphosat-Verfahren darf der Leverkusener Multi auch nicht auf Beistand von oben hoffen. Während das US-Justizministerium zum Fall „Hardeman“ eine Stellungnahme abgeben konnte und dies zu einem Plädoyer pro BAYER nutzte, ließen die RichterInnen in San Francisco eine solche Intervention nicht zu.

In ihrer Eingabe zum Berufungstermin verlangen die JuristInnen des Leverkusener Multis, die &

  • 8222;punitive damages“ in Höhe von 250 Millionen Dollar ganz zu streichen, obwohl dem Gericht 2018 eindeutige Beweise für ein schuldhaftes Vorgehen MONSANTOs vorlagen. Gleich eine ganze Reihe von firmen-internen Unterlagen, aus denen hervorgeht, welch umfassende Kenntnisse die WissenschaftlerInnen des Agro-Unternehmens über die gesundheitsschädliche Wirkung von Glyphosat besaßen, hatten Johnsons AnwältInnen präsentiert. So wurde die Toxikologin Donna Farmer etwa von einem Kollegen über das Risiko informiert, sich durch das Pestizid das Non-Hodgkin-Lymphom – eine Krebs-Form, welche die Lymph-Drüsen befällt – zuzuziehen. „Die Fall-Kontroll-Studie ergibt ein Chancen-Verhältnis von 2,02 für Glyphosat-Exposition (eine zweifache Wahrscheinlichkeit, die Krankheit zu bekommen)“, heißt es in dem Schriftstück.

Überdies drängen die Rechtsbeistände des Konzerns darauf, das Schmerzensgeld von 39 Millionen Dollar drastisch zu reduzieren. Dieser Posten setzt sich in den USA aus den vergangenen und zukünftigen ökonomischen und nicht-ökonomischen Verlusten der Geschädigten zusammen und legt auf der Basis der durchschnittlichen Lebenserwartung für jedes Jahr eine Million Dollar fest. Das jedoch erscheint den Kanzleien &

  • 8222;Horwitz & Levy“ und „Bryan Cave Leighton Paisner“ in Anbetracht der wenigen Zeit, die Johnson vermutlich noch bleibt, viel zu hoch. „Das Gericht sollte die vorgesehenen Zahlungen für zukünftige nicht-wirtschaftliche Schäden einer Revision unterziehen, da diese Zahlungen nicht der projizierten Lebenserwartung des Klägers zur Zeit des Prozesses entsprechen“, schreiben die JuristInnen.

&

  • 8222;Diese Verteidigungsstrategie ist menschenverachtend. Nach ihrer Logik käme BAYER gerade deshalb glimpflich davon, weil die Wirkung von Glyphosat so fatal ist und die Lebenszeit der Geschädigten drastisch verkürzt. Johnson und seine Familie haben ein Anrecht auf die volle Summe. Ganz zu Recht hatten seine RechtsanwältInnen auch Geld für die Jahre eingefordert, die das Pestizid ihm geraubt hat“, hält Marius Stelzmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fest.

Der Glyphosat-Geschädigte T. B., der ebenfalls gegen BAYER klagt und deshalb seinen vollen Namen nicht nennen möchte, pflichtet dem bei: &

  • 8222;Ich hoffe und vertraue darauf, dass das Ergebnis der Berufungsverhandlung in Dewayne Johnsons Fall sein wird, an der ursprünglichen Entschädigungssumme festzuhalten. Die Entscheidung damals war sehr klar, und der Rechtsstreit zieht sich für den schwerkranken Johnson schon viel zu lange hin.“

Pressekontakt
Jan Pehrke 0211/30 58 49

[Pestizidrückstände] Presse-Information CBG vom 25.05.20

CBG Redaktion

Lebensmittel-Importe dürfen Rückstände von EU-weit verbotenen Pestiziden enthalten

Brüssel knickt vor BAYER & Co. ein

Die Europäische Union duldet bei Nahrungsmittel-Importen Rückstände von Agro-Chemikalien, die auf ihrer eigenen Verbotsliste stehen. Im Rahmen der neuen Landwirtschaftsstrategie &

  • 8222;From farm to fork“ bekennt sie sich zu „Einfuhr-Toleranzen für Pestizid-Wirkstoffe, die in der EU nicht mehr genehmigt sind“. Nur vage konzediert Brüssel, bei der Prüfung der entsprechenden Anträge auch „Umwelt-Aspekte berücksichtigen“ zu wollen. „Das ist ein Offenbarungseid. Die EU-Kommission räumt den Konzern-Interessen den Vorrang vor der menschlichen Gesundheit ein. Das Extrem-Lobbying von BAYER & Co. hat wieder einmal Erfolg gehabt“, kritisiert Marius Stelzmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG). Zudem brüskiert die Entscheidung die europäischen LandwirtInnen, die auf ihren Feldern weniger gefährliche Stoffe einsetzen, konstatiert der CBG-Geschäftsführer.

Wie massiv die Interventionen der Agro-Branche waren, offenbaren Dokumente, die das &

  • 8222;Corporate Europe Observatory“ unter Berufung auf die Transparenz-Verordnung der EU einsehen konnte. Zahllose Zusammenkünfte von Konzern-VertreterInnen und EmissärInnen von Lobby-Organisationen mit hochrangigen EU-FunktionärInnen fanden den Unterlagen zufolge statt. So brachte ein BAYER-Abgesandter im Februar 2017 bei einem Treffen mit einem Kabinett-Mitglied des damaligen Landwirtschaftskommissars Phil Hogan die Erwartung des Konzerns zum Ausdruck, dass die EU die Frage der Agrochemie-Rückstände bei Einfuhren „im Einklang mit den WTO-Regeln zur Vermeidung von Handelsbarrieren“ behandle. Zwei Tage später sprach der Leverkusener Multi in der Angelegenheit bei Nathalie Chaze vor, die während der Amtszeit von Gesundheitskommissar Vyvenis Andriukaites dessen Kabinett angehörte. Chaze erteilte dem Global Player allerdings eine Abfuhr. Es sei das erklärte Ziel der EU, „die Konsumenten vor Rückständen von unter das Ausschluss-Kriterium fallenden Substanzen in der Nahrung zu schützen, egal, woher sie stammen“, so Chaze. Und auch Andriukaites selber ließ nicht mit sich reden. Bei EU-weit inkriminierten Pestiziden „Rückstände über der Nachweis-Grenze zuzulassen, würde ein inakzeptables Gesundheitsrisiko darstellen“, konstatierte Andriukaites.

Doch BAYER blieb beharrlich. Im November 2017 präsentierte das Unternehmen der Handelskommission eine Studie, wonach striktere Import-Regelungen Agrar-Einfuhren im Wert von 70 Milliarden Euro zur Disposition stellen würden. Diese Zahl findet sich später auch in der WTO-Beschwerde gegen das EU-Vorhaben, welche die USA und Australien im gleichen Monat einreichten. Der Druck zeigte schließlich doch Wirkung auf die Europäische Union: &

  • 8222;Nach Diskussionen mit den Mitgliedsländern über den ursprünglichen Vorschlag und im Angesicht der Reaktionen von Stakeholdern und Drittstaaten findet ein weiteres Nachdenken statt, um den Ansatz der Kommission festzulegen“, hielt die Generaldirektion Gesundheit fest. Und in den Dokumenten zu den Verhandlungen mit Kanada über ein Handelsabkommen heißt es sogar: „Das langfristige Ziel der EU ist es, sich von einem gefahren-basierten Ausschluss-Kriterium bei Regulierungsentscheidungen wegzubewegen.“ Dieses fordern BAYER & Co. seit Langem ein. Sie plädieren stattdessen für ein risiko-basiertes Modell, das keine absoluten Gesundheitsgefährdungen kennt, sondern nur relative und deshalb durch Grenzwerte einhegbare.

&

  • 8222;Mit dem Zugeständnis von Import-Toleranzen für EU-weit verbotene Ackergifte steht die Glaubwürdigkeit der ganzen Pestizid-Politik Brüssels in Frage. Jetzt ist zu befürchten, dass die am letzten Mittwoch verkündete Absicht, den Agrochemie-Einsatz bis 2030 um 50 Prozent zu senken, ebenfalls am Widerstand der Konzerne und handelspolitischen Erwägungen scheitert, so Stelzmann abschließend.

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CBG Redaktion

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[Corona-Gegenantrag] Presse-Information CBG vom 27.04.20

CBG Redaktion

Keine Arznei, kein Impfstoff, keine Forschung – CBG stellt Gegenantrag

BAYER versagt im Angesicht von Corona

Der BAYER-Konzern ist das größte Pharma-Unternehmen Deutschlands. Trotzdem zeigt BAYER sich den Herausforderungen, welche die Corona-Krise stellt, nicht einmal im Ansatz gewachsen. Alle Gebiete, die Erkenntnisse zur Behandlung von Covid-19 hätten liefern können wie „Atemwegserkrankungen“, „Infektionskrankheiten“ oder „Tropenmedizin“ hat der Pillen-Riese schon vor Jahrzehnten aufgegeben. Stattdessen konzentriert er sich auf Krankheiten wie Krebs, weil er für Tumor-Arzneien – bei noch dazu oft zweifelhaftem Nutzen – Mondpreise verlangen kann. Der ehemalige BAYER-Chef Marijn Dekkers charakterisierte diese Geschäftspolitik 2015 in einem Spiegel-Interview einmal so: „Wir müssen Geld verdienen mit unseren Produkten. Das führt dazu, dass nicht alle Medikamente entwickelt werden, die wir brauchen.“

Der Aufsichtsrat trägt diese Strategie mit. Darum hat die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) zur morgigen Hauptversammlung einen Gegenantrag eingereicht, der dessen Nicht-Entlastung fordert. In einem weiteren Gegenantrag verlangt die CBG, die Dividende bis auf den Mindest-Sockel von 10 Cent pro Aktie zu kürzen und die frei werdenden Summen zum Aufbau einer Pharma-Sparte zu nutzen, die den Ansprüchen der Zeit besser gerecht wird.

„Corona traf Big Pharma völlig unvorbereitet. Keiner der 20 größten Pillen-Konzerne hat zu den Vorgänger-Viren von SARS-CoV-2 wie SARS 1 und MERS geforscht. Diese Lücke macht sich jetzt schmerzlich bemerkbar. ‚Marktversagen’ lautet die Diagnose. Aber Epidemien, die alle paar Jahre einmal auftreten oder auch nicht, bieten eben keine belastbare Kalkulationsgrundlage für die rendite-orientierten Geschäftsmodelle von BAYER & Co.“, kritisiert CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann.

Besonders die Abwicklung der Tropenmedizin Ende der 1980er Jahre erweist im Angesicht der grassierenden Pandemie als fatal. Ein Erzeugnis dieser Sparte – das 1937 von BAYER als Malaria-Wirkstoff zum Patent angemeldete Chloroquin – macht jetzt nämlich gerade eine zweifelhafte Karriere als Wundermittel gegen SARS-CoV-2. Holländische VirologInnen hatten der Substanz bereits 2004 bei In-vitro-Versuchen mit dem ersten SARS-Virus „einen gewissen pharmakologischen Effekt“ bescheinigt. Der Leverkusener Multi aber reagierte nicht und startete keine Erprobung auf breiterer Basis. Hätte das Unternehmen dies getan, lägen jetzt belastbare Resultate vor, und die Gesundheitsbehörden bräuchten angesichts von elf Toten bei einem Klinischen Test in Brasilien und Sterbefällen durch Selbstmedikation nicht dringend vor einer Chloroquin-Einnahme zur Covid-19-Therapie zu warnen.

„Sieht sich BAYER durch die zunehmenden Zweifel an der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Chloroquin bei der Behandlung von Covid-19-PatientInnen gehalten, zu einem vorsichtigeren Umgang mit dem Medikament zu raten?“, lautet deshalb eine der Fragen, mit denen die Coordination den Vorstand auf der bevorstehenden Hauptversammlung konfrontrieren will. Zudem hat sie weitere Gegenanträge zu Themen wie „Chemische Kampfstoffe in Nord- und Ostsee“, „Klimawandel“, „Glyphosat“ und „MONSANTO-Listen“ gestellt.

Alle Gegenanträge der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) finden sich auf der BAYER-Internetseite
https:www.bayer.de/de/hv-2020-gegenantraege.pdfx

Die CBG vertritt mehrere hundert KleinaktionärInnen mit mehren zehntausend Aktien. Sie hat Redebeiträge/Fragen und Wahlvorschläge von 28 Kritischen AktionärInnen eingereicht.

Morgen 9 bis 10.30 Uhr demonstriert die CBG mit vielen anderen vor der Konzern-Zentrale in Leverkusen/Kaiser-Wilhelm-Allee 1B unter der Losung

  • stopBAYER/MONSANTO

Im Internet finden die Proteste per Livestream ganztägig mit zahlreichen KünstlerInnen, Organisationen und PolitikerInnen aus dem In- und Ausland statt http:www.cbgnetwork.org/7604.html

Pressekontakt
Jan Pehrke 0211/30 58 49
Marius Stelzmann 0211/33 39 11

[Protestprogramm] Protestprogramm HV

CBG Redaktion

PresseErklärung 26. April 2020

Proteste am 28. April rund um die BAYER-HV 2020
Virtuell im Internet und real auf der Straße gestartet

  • StopBayerMonsanto

Gemeinsam gegen Konzernverbrechen!

Straßen-Proteste am 28. April, 9-11 Uhr Konzernzentrale Leverkusen (Kaiser-Wilhelm-Allee 1b)

Online-Proteste ganztägig ab 9 Uhr parallel zur BAYER-HV im Internet unter www.CBGnetwork.org/HV

• Möglichkeit für Exklusiv-Interviews am Di vor der Konzernzentrale und während des Livestreams / Anfragen an info2@CBGnetwork.org

• Vier exklusive Presseblöcke um 9.30 Uhr, 12.30 Uhr, 16.00 Uhr und am Ende der HV Möglichkeit für Medienvertreter per eMail und Telefon-Hotline Fragen zu stellen (0)211 - 22 95 09 11 / info2@CBGnetwork.org

• Exklusive Musik- und Kulturbeiträge von Konstantin Wecker, Gerd Schinkel, Jane Zahn u.a.

• Beiträge von Betroffenen von BAYER-Konzernverbrechen wie etwa Glyphosat-, Yasmin- und Duogynonschäden

• sowie Beiträge von:
Sarah Wiener, Österreich, Abgeordnete im Europaparlament (Grüne), Fernseh-Köchin “für mündige Esser”
Carey Gillam, USA, Research Dir. U.S. Right to Know
Gesine Lötzsch, ehem. Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages (stellvertretende Fraktionsvorsitzende DIE LINKE im Bundestag)
Renate Künast, ehem. Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Sprecherin für Ernährungspolitik der Fraktion B90/GRÜNE im Bundestag)
Sarah Wagenknecht, Mitglied des Bundestags für Düsseldorf-Süd (ehem. Fraktionsvorsitzende DIE LINKE im Bundestag)
BLOCK BAYER Protestnetzwerk
Bettina Müller, Powershift
Jeffrey Smith, USA, Institute for Responsible Technology
u.v.a.m. (genaues Programm im Rahmen der Moderation am Dienstag, 28. April)
u.v.w. Beiträgen aus Argentinien, Deutschland, Italien und den USA

• Kritische AktionärInnen melden sich mit Fragen an den Vorstand zu Wort, hunderte AktionärInnen haben der Coordination gegen BAYER-Gefahren die Stimmrechte übertragen

• Dokumentarfilm „Tödliche Agrikultur“ mit aktuellem Begleitwort zur BAYER-HV von der Filmemacherin und investigativen Journalistin Gaby Weber

Der BAYER-Konzern steht nicht nur wegen seiner MONSANTO-Übernahme im Zentrum breiter öffentlicher Kritik und hat international mit mehr als 48.000 Klagen zu kämpfen. Mit einem eigens erlassenen Aktionärs-Notstandsgesetz versucht er den massiven Protesten sowie der Kritik vieler seiner mehreren hunderttausend (Klein)AktionärInnen zu entkommen. Die CBG hat zusammen mit dem Dachverband der Kritischen Aktionäre bereits Anfang April mit einem Offenen Brief zu diesem Skandal Stellung genommen (findet sich auf unserer Homepage http:www.cbgnetwork.org/7591.html). Wirtschaftsmedien wie „Capital“ und „Wirtschaftswoche“ und andere sprechen von einer „Entmachtung der KleinaktionärInnen“.

Am Samstag, 25. April starteten die nationalen und internationalen Proteste

  • StopBAYERMONSANTO zur diesjährigen Aktionärshauptversammlung 2020 des BAYER-Konzerns. Es sind viele Organisationen im In- und Ausland aktiv, darunter das internationale Netzwerk der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG).

In der Schweiz fand am 25. April der ersten Online March Against BAYER & SYNGENTA“ statt. Am 26. April organisierte die CBG einen Live International Panel. An diesem nahmen neben Brad Harris, einem Glyphosat-Betroffenen aus den USA, und Falko Schröder, einem Vertreter von Fridays For Future, u.a. auch die Fernsehköchin Sarah Wiener aus Österreich und Jeffrey Smith, Vorstand des Institute for Responsible Technology, aus den USA teil.

Am Dienstag, 28. April werden die Proteste real auf der Straße vor der Konzern-Zentrale in Leverkusen und parallel zum HV-Livestream des BAYER-Konzerns den ganzen Tag über im Internet stattfinden.

Axel Köhler-Schnura, Gründungsvorstand der CBG erklärte dazu: „Anstatt seine Hauptversammlung zu verschieben, hat sich der BAYER-Konzern ins Internet verzogen. Doch die Coordination gegen BAYER-Gefahren wird trotz aller von BAYER errichteten Hürden auch auf dieser Hauptversammlung das Wort ergreifen und den Konzern mit den Kehrseiten seiner Geschäftstätigkeit konfrontieren.“
Hier der

Original Livestream des BAYER-Konzerns
Di 28. April / 10 Uhr / Online
BAYER-Hauptversammlung 2020
Auf der Internetseite des BAYER-Konzerns
https:
www.bayer.de/de/hauptversammlung-2020.aspx

Kontakt

HV-Proteste Hotline
nur Di. 28. April 9 bis 18 Uhr
(0)211 - 22 95 09 11
info2@CBGnetwork.org

Marius Stelzmann (Geschäftsführer, alle Fragen zur Organisation)
info@CBGnetwork.org
0211 – 33 39 11

Simon Ernst (CBG-Aktionärshotline)
se@CBGnetwork.org
0211 – 26 11 210

via Twitter,
und via Facebook

[Editorial] Liebe Leserinnen 
und Leser,

CBG Redaktion

die Corona-Pandemie, die ungeheueres Leid über die Menschheit bringt und heute noch gar nicht absehbare Folgen haben wird, traf die Pharma-Industrie völlig unvorbereitet. Von den 20 größten Pillen-Konzernen forschte kein einziger an den Vorläufer-Viren von SARS-CoV-2, MERS und SARS 1. Diese Erkenntnisse fehlen heute. „Hätten wir einen Impfstoff gegen SARS entwickelt, könnten wir heute Covid-19 vielleicht besser verstehen und behandeln“, sagt etwa Francesca Colombo von der Industrieländer-Organisation OECD.

Dabei sah das im Jahr 2002 beim Auftreten des ersten SARS-CoV-Abkömmlings noch ganz anders aus. Damals brach in den Labors ähnlich wie jetzt hektische Betriebsamkeit aus. Aber diese legte sich rasch. „Wenn diese Epidemien auftreten, gibt es sehr viel Interesse (...), aber danach verliert sich das Interesse wieder, und die Investoren ziehen sich zurück“, so erklärte NOVARTIS-Boss Vasant Narasimhan in einem Interview die Untätigkeit von Big Pharma auf diesem Sektor. Mittel für Epidemien zu entwickeln, die vielleicht alle zehn, fünfzehn Jahre mal ausbrechen, vielleicht aber auch nicht, bieten den Unternehmen kaum Aussicht auf verlässliche Renditen. Das Geschäftsfeld „Infektionskrankheiten“ haben deshalb immer mehr Firmen aufgegeben. Beim Leverkusener Multi war es 2004 so weit. Da wickelte er die Sparte gemeinsam mit „Atemwegserkrankungen“ und vielen anderen ab. „Apotheke der Welt“ wollte BAYER spätestens da ebenso wenig mehr sein wie andere Hersteller. Spezialisierung auf wenige, besonders viel Aussicht auf Profit versprechende Bereiche lautete von nun an das Gebot der Stunde. „Wir müssen Geld verdienen mit unseren Produkten. Das führt dazu, dass nicht alle Medikamente entwickelt werden, die wir brauchen“, mit diesen Worten umriss der ehemalige Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers einmal die politische Ökonomie des Medikamenten-Geschäfts.

Wir gehen auf dieses Thema im vorliegenden Stichwort BAYER (SWB) ausführlich ein und hätten es auch gerne auf die Tagesordnung der nächsten BAYER-Hauptversammlung gesetzt. Aber während alle anderen DAX-Konzerne ihre AktionärInnen-Treffen wegen der Pandemie verschoben, machte sich der Global Player für eine Online-Alternative stark. Mit Erfolg Das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz-und Strafverfahrensrecht“ gibt dem Konzern jetzt das Recht dazu, sich vor den zu erwartenden Protesten nicht nur in Sachen „SARS-CoV-2“ ins Virtuelle flüchten zu können. Und dann hat die Bundesregierung BAYER & Co. auch noch einen milliarden-schweren Rettungsschirm aufgespannt für den Fall, das die Geschäfte durch die Pandemie Einbußen erleiden. Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN steht ein solcher finanzieller Schutz nicht zur Verfügung. Sie erhält keinerlei institutionelle Förderung und finanziert sich hauptsächlich über Spenden, die schon jetzt – aus verständlichen Gründen – spärlicher fließen. Darum möchte ich an dieser Stelle SWB-LeserInnen, die durch die Pandemie absehbar keine ökonomische Einbußen erleiden, bitten, der CBG zu helfen, diese Krise zu überstehen. Damit sie imstande ist, sich dann an der Diskussion um das „Danach“ zu beteiligen. Denn eines ist klar: So wie es vor Corona war, kann es nicht bleiben. Die Defizite des derzeitigen Wirtschaftssystems haben sich vor allem auf dem Gesundheitssektor zu klar abgezeichnet. Um aus gegebenem Anlass aus der „Pest“ von Albert Camus zu zitieren: „Es werden alle neu anfangen müssen.“ Dieses Buch einmal zu lesen – natürlich erst nach dem neuen SWB - empfiehlt

Ihr Jan Pehrke
(SWB-Redakteur)

[Brüning] Die Totengräber der Demokratie

CBG Redaktion

Die Politik der IG FARBEN in der Weimarer Republik

Vor 100 Jahren, am 30. März 1930, übernahm Heinrich Brüning die Regierungsgeschäfte der Weimarer Republik. Mit seiner autoritären Politik, die auf Notverordnungen setzte und dem Parlament so eine StatistInnen-Rolle zuwies, erfüllte er die Forderungen des vom IG-FARBEN-Aufsichtsratschef Carl Duisberg geleiteten „Reichsverbandes der deutschen Industrie“ – und ebnete dem Faschismus den Weg.

Von Reiner Zilkenat

Die Großoffensive des deutschen Monopolkapitals gegen die Arbeiterbewegung und die von ihr erkämpften Errungenschaften begann im Jahr 1929. Sie entwickelte sich parallel zur kapitalistischen Weltwirtschaftskrise, die im Herbst des Jahres begonnen hatte.(1) Welche Ziele sollten realisiert werden?
Erstens sollten die Arbeiter-Organisationen dauerhaft politisch ausgeschaltet werden. Dabei ging es sowohl um die auf revolutionäre Überwindung des Kapitalismus orientierte KPD als auch um die SPD, die auf Reformen innerhalb der bürgerlich-parlamentarischen Ordnung setzte, sowie den von ihr dominierten „Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund“. So wollte die Wirtschaft die vom sozialdemokratischen Kanzler Hermann Müller geführte Regierung durch ein autoritär regierendes Kabinett ersetzt wissen, das seine Amtsgeschäfte mit Hilfe von Notverordnungen führen sollte.

Zweitens ging es den Exponenten des Monopolkapitals um die rückhaltlose Wiederherstellung des „Herr-im-Hause“-Status’. Sie reklamierten unverblümt die Rolle des Hausherren in einem Staat für sich, der ihrer Auffassung nach zu viele Kompromisse zu Gunsten der Arbeitenden eingegangen war. In der Kritik standen u. a. der Acht-Stunden-Arbeitstag, das Tarifvertragswesen und der Rechtsanspruch für Erwerbslose auf Zahlung staatlicher Unterstützung.

Drittens existierte ein grundsätzlicher Konsens innerhalb der deutschen Monopolbourgeoisie darüber, dass langfristig ein zweiter „Griff nach der Weltmacht“ vorbereitet werden müsse. Zunächst galt es, die „Fesseln von Versailles“ abzustreifen, die der Weimarer Republik nur ein 100.000-Mann-Heer gestatteten. Unter größtmöglicher Geheimhaltung traf das Kapital in Konzern-Betrieben, z. B. bei den Borsig-Werken in Berlin, mit Wissen und Unterstützung der Reichsregierung Vorbereitungen für den „Tag X“, an dem die Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages ihre Gültigkeit verlieren würden, und rüstete sich für die Produktion moderner Waffen.

Parole „Kapitalbildung“

Um ein solches Programm vorzubereiten, tagte am 20. und 21. September 1929 in Düsseldorf die Mitgliederversammlung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (RDI). Hierbei handelte es sich um die mit Abstand einflussreichste Interessenvertretung des deutschen Kapitals, in der die mächtigsten Monopol-Herren des Landes den Ton angaben. Es war „das Gremium der wirklichen Beherrscher Deutschlands“, wie es der kommunistische Reichstagsabgeordnete Theodor Neubauer ausdrückte.(2)

Als Präsident amtierte Carl Duisberg, der Aufsichtsratsvorsitzender der 1925 von BAYER mitgegründeten IG-FARBEN AG, des größten Chemiekonzerns weltweit. Im Präsidium des RDI saßen u. a. Carl-Friedrich von Siemens, Aufsichtsratsvorsitzender der Siemens-Halske- und der Siemens-Schuckert-Werke AG; Paul Silverberg, Generaldirektor des Rheinischen Braunkohlensyndikats, des größten Produzenten von Braunkohle in Europa; Ernst von Borsig, Großindustrieller aus Berlin und zugleich Vorsitzender der „Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ und Paul Reusch, Vorstandsvorsitzender der Gutehoffnungshütte AG. Die wichtigste Aufgabe des RDI bestand darin, eine gemeinsame Strategie der deutschen Großindustrie zu formulieren und durchzusetzen.

Die Tagung des RDI fasste den Beschluss, eine programmatische Denkschrift zu erarbeiten, in der die wichtigsten Ziele des Verbandes gegenüber der Reichsregierung und der Öffentlichkeit dargestellt werden sollten. In welche Richtung die in dieser Denkschrift zu formulierenden Vorschläge weisen sollten, legte in Düsseldorf Prof. Dr. Paul Duden, Vorsitzender des Direktoriums der IG Farben, unmissverständlich dar. Er gab die Parole aus, die künftig im Mittelpunkt des RDI-Forderungskatalogs stand: Im Zentrum aller wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen des Staates, aber auch der Inhalte von Tarifverträgen, habe die Förderung der „Kapitalbildung“ für die Unternehmen zu stehen. Deshalb sei „eine mechanische Tariferhöhung (…) identisch mit einer Schmälerung der Kapitalbildung“; es könne „der bisherige Weg auf diesem Gebiete der Tarifbildung nicht weiter gegangen werden.“(3) Der Kapitalbildung müsste auch die Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik des Staates untergeordnet werden. Um jedes Missverständnis über seine Idealvorstellungen zur Festlegung von Löhnen und Gehältern auszuschließen, ließ Duden am Ende seiner Ausführungen die Katze aus dem Sack: Vorbildlich sei in diesem Zusammenhang die „magna charta del lavoro“ („Große Arbeitsverfassung“) des faschistischen Italien, die Streiks strikt untersagte und jede freie Betätigung von Gewerkschaften verbot!(4)

Aufstieg oder Niedergang?

Wenn auch Ende 1929 noch nicht erkannt werden konnte, welche beispiellosen Dimensionen die mittlerweile aus den USA nach Deutschland übergreifende Weltwirtschaftskrise in den kommenden Jahren noch erreichen sollte, so hatte der RDI allerdings begriffen, dass für die von ihm forcierte Kapitaloffensive jetzt günstigere Bedingungen herangereift waren. Angesichts rasch wachsender Arbeitslosigkeit und der damit einhergehenden Schwächung der Kampfkraft der Arbeiter-Organisationen waren die Chancen der Großindustriellen gestiegen, ihre politischen und ökonomischen Ziele durchzusetzen.

Am 2. Dezember 1979 wurde die Denkschrift des RDI der Öffentlichkeit zugeleitet. Welche wesentlichen Forderungen waren in ihr enthalten? Zunächst postulierte der Verband die „Freimachung“ der deutschen Wirtschaft: „Sie muss verschont bleiben von Experimenten und politischen Einflüssen, die von außen her in den Wirtschaftsprozess hineingetragen werden. Der Aufstieg der Industrie und die Beschaffung von auskömmlichen Arbeitsplätzen für die Bevölkerung und die Beseitigung der Arbeitslosigkeit kann nur auf der Grundlage der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und eines frei schaffenden Gewerbes erzielt werden.“ Und weiter: „Staat und Volk haben (…) das größte Interesse an einer arbeitsfreudigen und erfolgsgläubigen Unternehmerschicht. Je tüchtiger und optimistischer sie ist, je mehr Bewegungsfreiheit sie für ihre Arbeit hat, umso größer wird auch die Produktivität der Wirtschaft, ihre soziale Kapazität, umso günstiger werden auch die Lebensbedingungen für die Bevölkerung.“(5)

Weiteren Lohnerhöhungen erteilte der RDI eine klare Absage. Vielmehr könne die Verbesserung der Lebenshaltung für die breite Masse nur „auf dem Wege einer vermehrten Kapitalbildung und einer Wiederherstellung der Rentabilität“(6), d. h. durch den absoluten Vorrang der Mehrung unternehmerischer Profite erreicht werden.

Zur Steigerung der Profite forderten Duisberg & Co. weitere Reduzierungen der für Unternehmen relevanten Steuern, diese seien „auf das unumgängliche notwendige Maß zurückzudämmen“. Konkret verlangte die Denkschrift die „sofortige Herabsetzung der Gewerbesteuer mindestens auf die Hälfte“(7), wobei perspektivisch „ihre vollständige Beseitigung“(8) gefordert wurde, sowie eine gleichartige Reduzierung der Grundvermögenssteuer und die Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommenssteuer auf maximal 25 Prozent.(9) Neue Arten von Steuern müssten eingeführt werden, die besonders die Lohnabhängigen zahlen würden, hieß es zudem. Hierzu zählte vor allem das Projekt einer „Mietsteuer“(10), die alle zur Miete wohnenden Bürgerinnen und Bürger, in Höhe eines festzulegenden Anteils ihrer Mietzahlung, an die Finanzämter abzuführen hätten.(11)

Weiterhin propagierten die Unternehmenslenker die Privatisierung öffentlicher Betriebe. Zur Begründung führten sie fernab jeder realen Erfahrung an: Nur „das freie Unternehmertum“ habe sich „als fähig erwiesen, den schwierigen Markt- und Wirtschaftsverhältnissen der Zeit gerecht zu werden und sich stets dabei auch verantwortungsvoll gegenüber den sozialen Forderungen des Staates gezeigt.“(12) Ferner sollten vor allem die Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherungen drastisch schrumpfen. „Die Sozialversicherung soll die wirklich Schutzbedürftigen und Notleidenden betreuen, eine unberechtigte, die Volksmoral schädigende Ausnutzung ihrer Einrichtungen aber verhindern.“(13) Dazu hatte der Aufsichtsratsvorsitzende des Deutschen Kali-Syndikates, August Rosterg, bereits am 5. Mai 1929 in einem Zeitungsartikel die Melodie vorgegeben, als er behauptete, „die Hälfte aller Kranken sind Simulanten“.(14) Für die Erwerbslosen galt, dass die Zahlungen der „Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“ an sie weiter eingeschränkt werden sollten.(15)
Über die Sphäre der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik hinaus wiesen die Vorschläge zur „Reform“ des Staates und seiner Organe. Hierzu gehörte besonders die Eliminierung des wichtigsten und ältesten Rechtes eines jeden Parlamentes, nämlich das der Bewilligung und Kontrolle des Staatshaushaltes. In diesem Zusammenhang schrieb der RDI ganz unverblümt: „Der Reichstag muss in der Ausübung seines Rechtes, Ausgaben zu bewilligen, weitgehende Selbstbeschränkung üben. Ohne Zustimmung der Reichsregierung dürfen die Ausgaben nicht erhöht werden.“(16)

Im Schlusskapitel der Denkschrift stand dann der heuchlerische Satz: „Wir sind uns darüber klar, dass eine gründliche Durchführung der Reformen von allen Seiten Opfer verlangt, aber diese Opfer müssen unbedingt gebracht werden, um die Gesamtheit der Wirtschaft und des Volkes vor dem Zusammenbruch zu retten.“(17)

Faschisierungskurs

Eine realistische Einschätzung der Denkschrift „Aufstieg oder Niedergang“ konnte nur zu dem Ergebnis gelangen, dass der hier vorgeschlagene ökonomische und politische Kurs nicht im Rahmen einer bürgerlich-parlamentarischen Ordnung realisiert werden konnte. Vielmehr deutete die Gesamtheit der in dieser Denkschrift niedergelegten Forderungen ohne jeden Zweifel in Richtung eines autoritären Regimes. Aus alldem ergab sich: Mit seiner Denkschrift hatte der RDI einen sehr wesentlichen Beitrag zur Installierung einer Variante monopolkapitalistischer Herrschaft geleistet, wie sie das ab dem 30. März 1930 regierende Kabinett unter Heinrich Brüning praktizierte, das seine Amtsgeschäfte mit Hilfe von Notverordnungen des Reichspräsidenten führte anstatt mit vom Parlament verabschiedeten Gesetzen. Zugleich legte es ein Programm für die weitere Faschisierung Deutschlands und den forcierten Kampf gegen die Arbeiterbewegung vor. In den darauffolgenden Jahren zeigte sich dann, dass Kapitaloffensive und Faschisierung nichts anderes waren als zwei Seiten einer Medaille.

Doch der Wechsel der Kanzlerschaft von Hermann Müller zu Heinrich Brüning, und im Verlauf des Jahres 1932 zu Franz von Papen und Kurt von Schleicher, genügte den tonangebenden Herren der Industrie nicht. Nachdem die NSDAP einen immer größer werdenden Massenanhang gewinnen konnte und sie aus den Reichstagswahlen im Juli und November 1932 als stärkste Partei hervorgegangen war (37,3 bzw. 33,1 Prozent der abgegebenen Stimmen), setzten bedeutende Monopolherren und Bankiers endgültig auf Hitler und seine faschistische Bewegung. Einige von ihnen, darunter Fritz Thyssen und Albert Vögler, Aufsichtsratsvorsitzender bzw. Generaldirektor der Vereinigten Stahlwerke AG, der ehemalige Präsident der Reichsbank Hjalmar Schacht, das Vorstandmitglied der zum FLICK-Konzern gehörenden Mitteldeutschen Stahlwerke AG, Otto Steinbrinck, der Aufsichtsratsvorsitzende der Commerzbank AG, Franz Heinrich Witthoeft sowie Otto Wolff, einer der weltweit größten Stahlhändler und Großaktionär diverser Großkonzernen, ebneten der faschistischen Partei durch finanzielle Alimentierung und politische Unterstützung den Weg in die Reichskanzlei.(18)
Und die IG FARBEN AG? Sie pflegte unter anderem über Heinrich Gattineau, Leiter der Presse- und Volkswirtschaftlichen Abteilung des Konzerns, und Heinrich Bütefisch, Direktor der Leuna-Werke, spätestens seit 1931 Kontakte zu Adolf Hitler persönlich sowie zum Gauleiter der NSDAP in Thüringen, SS-Obergruppenführer Fritz Sauckel.(19) Bei diesen Kontakten ging es vor allem um die zur Führung eines Angriffskrieges notwendige Energie-Autarkie Deutschlands. Hier boten sich die IG Farben AG mit ihrem Projekt der Herstellung synthetischen Benzins als Problemlöser an. Das Unternehmen sicherte Hitler und Heß die unbegrenzte Lieferung von Treibstoffen zu. Im Gegenzug erhielt die Firma nach 1933 Absatz-Garantien für synthetischen Treibstoff und Kautschuk („Buna”). Das dafür notwendige Verfahren der aufwendigen Kohlehydrierung war auf dem Weltmarkt bis dahin nicht konkurrenzfähig und damit eine gigantische Fehlinvestition des Konzerns. Nur durch den „Benzin-Pakt“ konnte es sich schließlich amortisieren.Und umgekehrt taten die VertreterInnen der IG FARBEN AG alles, um den „Führer“ der NSDAP an die Macht gelangen zu lassen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Als am 5. März 1933 – kurz nach der Machtübergabe an die Nazis – eine vertrauliche Runde von RepräsentantInnen der Monopole mit Adolf Hitler und Hermann Göring im Palais des Reichstagspräsidenten in Berlin tagte, ging es darum, für die bevorstehenden Wahlen Geld für die Kassen der NSDAP einzusammeln. Der IG-Vertreter Georg von Schnitzler, Vorstandsmitglied des Konzerns, zeigte sich von allen anwesenden Industriellen und Bankiers am spendabelsten. Er sagte die Überweisung von 400.000 Reichsmark auf das Konto der faschistischen Partei zu; eine Investition, die sich aus der Sicht des Konzerns rentieren sollte.(20) Hitler konnte mit Hilfe des Terrors der SA und SS sowie des Einsatzes des staatlichen Repressionsapparates die Wahlen gewinnen (43,9 Prozent der abgegebenen Stimmen plus 8,3 Prozent für die verbündete Deutschnationale Volkspartei) und mit den ökonomischen, politischen, militärischen und ideologischen Kriegsvorbereitungen beginnen; die Unterstützung des weltweit größten Konzerns der chemischen Industrie war ihm dabei sicher.
Die Denkschrift des RDI vom Dezember 1929 stand am Beginn des Prozesses der Faschisierung in Deutschland. Die maßgeblichen Repräsentanten der IG FARBEN gehörten zu den treibenden Kräften und zu den Begünstigten dieses Prozesses. Am Ende lag Europa in Trümmern. Dass die von den Alliierten als Kriegsverbrecher in Nürnberg („Fall 6“) angeklagten Lenker des Konzerns mit vergleichsweise milden Strafen für ihre an KZ-Häftlingen, in Gefangenschaft geratenen Soldaten und SklavenarbeiterInnen verübten Verbrechen davonkamen, war ebenso dem von den USA provozierten Kalten Krieg geschuldet wie der am 31. Januar 1951 verkündete „Gnadenerlass“. Durch diesen Akt des Hohen Kommissars der US-Regierung und Militär-Gouverneurs in Deutschland, John McCloy, erlangten die braunen Manager schon bald ihre Freiheit wieder. Und so konnten Verurteilte wie etwa Fritz ter Meer, Hans Kühne, Heinrich Hörlein oder Wilhelm Rudolf Mann wieder zu BAYER stoßen und dort ihre Karrieren fortsetzen.

Dieser Text ist die erweiterte Fassung eines Artikels, der am 30.11.2019 in der jungen Welt erschien.

Fußnoten

(1) Siehe zum Folgenden Reiner Zilkenat: Sozialabbau in der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932/33, in: Isaf Grün/Benedikt Hopmann/Reinhold Niemerg, Hrsg.: Gegenmacht statt Ohnmacht. 100 Jahre Betriebsverfassungsgesetz – Der Kampf um Mitbestimmung, Gemeineigentum und Demokratisierung, Hamburg 2020 (VSA-Verlag), S.65ff.
(2)Verhandlungen des Deutschen Reichstages, 4. Wahlperiode, 1928/1930, 115. Sitzung, 13. Dezember 1929, Seite 3544B, (Band 426 der Gesamtreihe).
(3) Mitgliederversammlung des „Reichsverbandes der Deutschen Industrie“ am 20. und 21. September 1929 in Düsseldorf, Berlin 1929 (Veröffentlichungen des RDI, Nr.48), S.49.
(4) Siehe ebenda.
(5) Aufstieg oder Niedergang? Deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik 1929. Eine Denkschrift des Präsidiums des „Reichsverbandes der Deutschen Industrie“, Berlin 1929 (Veröffentlichungen des RDI, Nr.49), S.7f.
(6) Ebenda, S.8.
(7) Ebenda, S.14.
(8) Ebenda, S.35.
(9) Ebenda, S.56.
(10) Ebenda, S.15
(11) Ebenda, S.39.
(12) Ebenda, S.21.
(13) Ebenda, S.12.
(14) August Rosterg: Drehpunkte der deutschen Wirtschaftspolitik, in: Deutsche Bergwerks-Zeitung, Nr.105, 5.5.1929.
(15) Siehe Aufstieg oder Niedergang, S.28f.
(16) Ebenda, S.14.
(17) Ebenda, S.45.
(18) Siehe Reiner Zilkenat: Das deutsche Großkapital, der Keppler-Kreis und die NSDAP: Eine unentbehrliche Vorgeschichte des 30. Januar 1933, in: Rundbrief, hrsg. von der AG Antifaschismus beim Parteivorstand der Partei DIE LINKE, Heft 3-4/2012, S.4ff.; erweiterte Fassung in: https://nrw-archiv.vvn-bda.de/bilder/keppler-kreis.pdf (letzter Abruf: 14.2.2020)
(19) Siehe derselbe: „Gefangene Hitlers“. Ende November 1945 wurden 23 Manager der IG Farben verhaftet, in: junge Welt, 2.12.2015, S.12/13.
(20) Siehe James Borkin: Die unheilige Allianz der I.G. Farben. Eine Interessengemeinschaft im Dritten Reich, Frankfurt a. M. u. New York 1979, S. 59 u. Helmuth Tammen: Die I.G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft. (1925-1933). Ein Chemiekonzern in der Weimarer Republik, Berlin 1978, S.284 u. 431f.

[BAYER & der Virus] Profite first

CBG Redaktion

Pandemien wollen nicht so recht ins Profit-Modell von Big Pharma passen. Darum vernachlässigten BAYER & Co. Forschung und Entwicklung in diesem Bereich sträflich. Das trifft nun die Menschen mit voller Wucht. Die mit dem Ausbruch der Corona-Krise einsetzenden hektischen Aktivitäten können die Zeit nicht aufholen, die der Branche mit ihrer Konzentration auf rendite-trächtige Blockbuster-Medikamente hat verstreichen lassen.

Von Jan Pehrke

„Noch nie haben Pharma-Unternehmen und Forschungseinrichtungen so schnell auf einen neuen Erreger reagiert wie auf das neue Corona-Virus SARS-CoV-2, das die Krankheit Covid-19 hervorruft“, lobt sich der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) mit Verweis auf die vielen Bemühungen zur Entdeckung von Impfstoffen und Arzneien selbst. „Reagiert“ – das trifft es. Proaktive Unternehmungen stehen nämlich nicht zu Buche. Dabei sah das nach dem Auftreten des ersten SARS-CoV-Erregers im Jahr 2002 noch ganz anders aus. Damals brach in Labors ähnlich wie jetzt eine hektische Betriebsamkeit aus. 14 Firmen – von den Großen beteiligte sich nur PFIZER – forschten an Gegenmitteln, wie die Fachzeitschrift Pharmaceutical & Diagnostic Innovation 2003 berichtete. Nur hielten sie nicht lange durch. Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte, stellten die meisten Unternehmen ihre Aktivitäten wieder ein. Spätestens als es galt, mit einem Wirkstoff-Kandidaten in die Klinischen Prüfungen zu gehen, scheuten sie die fälligen Investitionen. Der Appell der damaligen Direktorin der Weltgesundheitsorganisation WHO, Gro Harlem Brundtland, die Arznei-Entwicklung weiterzutreiben, verhallte ungehört. Brundtland hatte 2003 nach der Eindämmung der Pandemie vor einer Rückkehr des Erregers gewarnt, deshalb eine Stärkung der öffentlichen Gesundheitssysteme angemahnt und gefordert: „Die SARS-Forschung muss weitergehen“. Die Industrie aber wandte sich lieber lukrativeren Projekten zu. So gibt es bis heute keinen Impfstoff gegen SARS 1, kein Medikament gegen die damit einhergehende Lungen-Krankheit – und keine Grundlagen-Arbeit, welche die MedizinerInnen in Sachen „Sars-CoV-2“ hätten nutzen können. „Hätten wir einen Impfstoff gegen SARS entwickelt, könnten wir heute Covid-19 vielleicht besser verstehen und bald schon behandeln“, so Francesca Colombo von der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD)

Keine Epidemie-Forschung
Mittel für Epidemien zu entwickeln, die vielleicht alle zehn, fünfzehn Jahre mal ausbrechen, vielleicht aber auch nicht, bieten BAYER & Co. kaum Aussicht auf verlässliche Renditen. „Vorsorge ist ein lausiges Geschäftsmodell, wenn es um steigende Margen und Aktien-Kurse geht“, konstatierten Jürgen Kaube und Joachim Müller-Jung jüngst in der FAZ. Der NOVARTIS-Chef Vasant Narasimhan räumte die Schwierigkeiten der Branche mit solchen Phänomen wie Corona dann auch freimütig ein. „Epidemiologische Kontrolle“ wäre das Gebot der Stunde, auf einen Impfstoff gilt es noch mindestens ein Jahr zu warten, sagte er in einem Interview. Auf die anschließende Frage der Journalistin, ob die Industrie angesichts der Seuchen der letzten Zeit wie SARS 1, der Vogelgrippe oder der Schweinepest nicht einmal etwas anderes tun sollte, als nur zu reagieren, nämlich zu versuchen, dem Virus zuvorzukommen, gab er eine klare Antwort. „Wenn diese Epidemien auftreten, gibt es sehr viel Interesse (...), aber danach verliert sich das Interesse wieder, und die Investoren ziehen sich zurück“, so erklärte Narasimhan in der TV-Sendung die Untätigkeit von Big Pharma auf diesem Sektor.
Diese dokumentiert auch der „Access to Medicine Index“. Die jüngste Ausgabe, die im November 2018 herauskam, verzeichnet bei den 20 größten Arznei-Unternehmen kein einziges Forschungsprojekt zu den bekannten Corona-Viren MERS und SARS 1. Dementsprechend unterfinanziert sind die Anstrengungen der InfektiologInnen. Dem australischen Thinktank „Policy Cures Research“ zufolge flossen in den Bereich an Industrie-Geldern 2016 nicht mehr als 27 Millionen Dollar, 2017 50 Millionen und 2018 36 Millionen. Zum Vergleich: Im Geschäftsjahr 2019 investierte BAYERs Pharma-Sparte – Marketing-Kosten mit eingerechnet – rund 2,7 Milliarden Euro in Forschung & Entwicklung.
Über die Jahre haben immer mehr Firmen das Geschäftsfeld „Infektionskrankheiten“ abgewickelt. Übrig blieben vier große Player, die 80 Prozent des Marktes beherrschen. BAYER hat das Forschungsgebiet gemeinsam mit „Asthma“ und „Urologie“ bereits 2004 aufgegeben und die Sparte 2006 an die SANTOS HOLDING verkauft. Die Abteilung „Atemwegserkrankungen“ schlug der Leverkusener Multi noch früher los. Der Konzern vollzog zu dieser Zeit einen Strategie-Wechsel. Er wollte sich fortan auf viel Gewinn versprechende „High priority“-Projekte wie etwa Krebs-Therapeutika konzentrieren und nicht länger ein umfassendes Arznei-Angebot bereitstellen. Als „Gelübde an den Kapital-Markt“ bezeichnete die Börsen-Zeitung damals die Entscheidung.
Aus der Tropenmedizin – lange nur ein Teilgebiet der Infektionskrankheiten, inzwischen aber darüber hinausgehend – hatte sich der Global Player bereits 1987/88 verabschiedet. Hier konnte er Anfang des 20. Jahrhunderts einige Erfolge dabei erzielen, pharmakologischen Flankenschutz für die kolonialistischen Bestrebungen des Deutschen Reiches – oder wie BAYER es ausdrückt: „die kulturelle und wirtschaftliche Erschließung der Tropen“ – zu gewähren. Darum verlieh er seinem 1923 entdeckten Pharmazeutikum gegen die von der Tsetse-Fliege übertragene Schlafkrankheit auch den patriotischen Namen GERMANIN. Und noch zwei weitere Tropen-Arzneien brachte der Pillen-Riese heraus. Er entwickelte das Malaria-Mittel RESOCHIN, dessen Wirkstoff Chloroquin er 1937 zum Patent anmeldete, 33 Jahre später LAMPIT gegen die Chagas-Krankheit und Mitte der 1970er Jahre schließlich gemeinsam mit MERCK BILTRICIDE zur Behandlung der Bilharziose.

Das war es dann aber auch. Ab einem bestimmten Zeitpunkt verwaltete BAYER nur noch die Bestände, obwohl einzelne Präparate wie etwa RESOCHIN an Wirksamkeit einbüßten. „Ein neues Malaria-Mittel wäre ethisch wünschenswert, aber die Aufwendungen sieht eine Firma nie wieder“, bekundete der Leverkusener Multi. Die Welt am Sonntag veranlasste das zu einem bitteren Kommentar: „Die Pharma-Multis arbeiten nur nach ihren Satzungen – also nicht gegen die Geißeln der Menschheit, sondern für die Dividende. In diesem Umfeld sind Medikamente gegen Malaria und Lepra, Tuberkulose und Bilharziose nur Nischenfüller.“ Wie wichtig es dagegen gewesen wäre, die Tropenmedizin weiterzuführen, zeigt sich daran, dass zu den rund 115 derzeit getesteten Therapien-Ansätzen gegen SARS auch Versuche mit Chloroquin gehören. Ironischerweise verbreitete sich die Nachricht ein paar Monate nachdem das Unternehmen die Substanz aus dem Sortiment genommen hatte. „Grund dafür ist, dass die Herstellung des Arznei-Stoffs Chloroquin-Phosphat nicht mehr in der erforderlichen Qualität erfolgen kann. Die weltweite Suche nach einem alternativen Hersteller verlief laut Konzern erfolglos, sodass die Produktion zum Stoppen kam“, vermeldete das Web-Portal Apotheke adhoc im November 2019. Zuvor war es wegen der Fertigungsprobleme immer wieder zu Lieferengpässen gekommen.

Der Leverkusener Multi hatte dann auch mit der „Anschlussverwendung“ von RESOCHIN gar nichts mehr zu tun. Erste Forschungen mit dem Tuberkulose-Präparat als Antidot zum ersten SARS-Erreger unternahmen holländische VirologInnen im Jahr 2004, Arbeiten zur Anwendung bei SARS-CoV-2 gab es jüngst in China. Diese bescheinigten dem BAYER-Mittel bei In-vitro-Versuchen „einen gewissen pharmakologischen Effekt“. Ein Test mit 100 ProbandInnen schien das zu bestätigen, allerdings fand die Arznei-Prüfung wie auch eine weitere in Frankreich nicht unter den sonst üblichen strengen Bedingungen statt. Der Tübinger Tropenmediziner Peter Kremsner, der das Mittel gerade in einer allen wissenschaftlichen Anforderungen genügenden Doppelblind-Studie untersucht, warnt deshalb vor einer voreiligen Verwendung. „Wenn ich an Covid-19 erkrankt wäre, würde ich es (...) nicht einnehmen“, sagt er mit Verweis auf die Nebenwirkungen und Todesfälle nach Überdosierungen. Und tatsächlich starb in den USA bereits ein Mann an Chloroquin. Der Pillen-Riese aber nutzte die Wiederauferstehung seines just entsorgten Alt-Medikamentes für eine PR-Kampagne und spendete in den USA gleich mal drei Millionen Tabletten – wo immer er diese in der erforderlichen Qualität auf einmal auch hergeholt haben mochte.

Bill Gates als Ausputzer

Tropenmedizin betrieb der Konzern nur noch, wenn er auf öffentliche Unterstützung bauen konnte. So forschte er mit Geldern der „Bill & Melinda Gates Foundation“ (BMGS) an einem neuen Malaria-Medikament. Und NOVARTIS-Chef Narasimhan weiß auf die Frage: „Wie sorgen Sie für ein ausreichendes Investment, wenn das Interesse an Pandemien (...) nachlässt?“, auch nur die eine Antwort: Bill Gates. Er verweist auf die von dem Multi-Millionär mitgegründete „Coalition for Epidemic Preparedness Innovations“ (CEPI), die auch Zuwendungen der Bundesregierung erhält. CEPI fördert momentan unter anderem die Tübinger Firma CUREVAC und das Impfstoff-„Joint Venture“ des staatlichen US-amerikanischen „Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten“ (NIAID) mit dem Biotech-Betrieb MODERNA.

„Das Corona-Virus scheint zu der langen Liste von Gesundheitsproblemen zu stoßen, denen die Industrie den Rücken zukehrt, es sei denn, es gibt zusätzliche Anreize von außen“, resümiert Ellen ’t Hoen von der Nichtregierungsorganisation MEDICINES LAW AND POLICY. Selbst wenn die Millionen dann bereitstehen, zieren sich die Firmen noch und besitzen die Unverschämtheit, die Annahme der Schecks an Bedingungen zu knüpfen. So bestanden sie CEPI gegenüber auf Profit-Garantien und Patent-Ansprüchen. ÄRZTE OHNE GRENZEN musste deshalb schon einen eindringlichen Appell an die Institution richten, zu den mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungen auch einen öffentlichen Zugang zu gewähren. Und nicht genug damit, dass die Unternehmen selbst mit leeren Händen dastehen, was SARS-CoV-2 betrifft. Sie scheuen sich nicht einmal, bei der Weiterentwicklung hoffnungsvoller Arznei-Kandidaten ihre Mithilfe zu verweigern. Als NIAID-Direktor Anthony Fauci, mit der Bitte an die Pharma-Multis herantrat, ihre Fertigungskapazitäten zur Verfügung zu stellen, um das von dem Institut gemeinsam mit MODERNA kreierte Vakzin für die anstehenden Klinischen Tests in ausreichender Menge zu produzieren, erhielt er nur Absagen. Es ist „sehr frustierend“, gab Fauci anschließend zu Protokoll.

Die CEPI und die „Bill & Melinda Gates Foundation“ sehen die Pillen-Industrie nicht unbedingt in einem besseren Licht. „Und man kann argumentieren, dass es auf dem Gebiet der Pandemie-Bereitschaft ein massives Marktversagen gibt“, sagt etwa BMGF-Vorstandschef Mark Suzman. Trotzdem kommt ihm kein kritisches Wort zum Gebaren der Branche über die Lippen. Er versteht die Foundation ganz diplomatisch als „Brückenbauer“ zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor, welche die Multis mit Millionen-Zuschüssen dazu verleiten will, nicht nur „in das nächste VIAGRA“ zu investieren. Nur übernimmt die Gates-Stiftung auf diese Weise faktisch die Funktion eines Ausputzers, die mit ihrer Politik dafür sorgt, dass alles so bleiben kann, wie es ist. Es müsste hier aber zu einschneidenden Veränderungen kommen, denn die Dysfunktionalität des Arznei-Business’ hat sich schon vor Corona erwiesen und zeigt sich nicht nur an seiner Vorliebe für gewinnbringende Lifestyle-Präparate.

Dysfunktionales System

BAYER bietet da ein gutes Beispiel. Die pharmazeutische Grundlagen-Forschung hatte der Konzern schon lange vor der Mitte der 2000er Jahre verkündeten „High priority“-Strategie ad acta gelegt. Und der mit deren Implementierung vollzogenen Kehrtwende fielen längst nicht nur die Anti-Infektiva zum Opfer. Auch die Suche nach neuen Antibiotika gab der Pillen-Produzent auf, trotz der immer häufiger auftretenden Resistenzen von Krankheitserregern gegen die alten Mittel. Präparate, welche die Menschen nur über einen bestimmten Zeitraum einnehmen dürfen, rechnen sich eben nicht. „Wir müssen Geld verdienen mit unseren Produkten. Das führt dazu, dass nicht alle Medikamente entwickelt werden, die wir brauchen“, mit diesen Worten umriss der ehemalige Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers einmal die politische Ökonomie des Medikamenten-Geschäfts. Um dieser zu entsprechen, entwickelt der Global Player statt dringend benötigter Mittel jede Menge Pharmazeutika, die niemand braucht. Er schafft es sogar, Krankheiten zu erfinden wie die „Wechseljahre des Mannes“, wenn es gilt, neue Absatz-Märkte zu schaffen. VIAGRA hat das Unternehmen natürlich auch im Angebot, in der Leverkusener Ausführung heißt es LEVITRA. Und anstatt sich den großen Menschheitsplagen zu widmen, kapriziert sich die Aktien-Gesellschaft auf seltene Krankheiten, locken hier doch laxere Zulassungsbedingungen und einträgliche Gewinne. Selbst die zunächst einmal sinnvoll erscheinende Aktivität auf dem Gebiet der Tumor-Behandlung erweist sich bei näherer Betrachtung als fragwürdig. So verlängert das Krebs-Mittel NEXAVAR das Leben der PatientInnen bloß um rund zwölf Wochen, schlägt aber pro Monat mit über 5.000 Euro zu Buche. Und es geht noch teurer: Das Onkologie-Therapeutikum VITRAKVI kostet in den USA 32.800 Dollar.

Zudem betrifft die Dysfunktionalität nicht nur die Produkte, sondern auch die Produktion. Wie andere Hersteller auch, fertigt der Konzern viele Inhalts- oder Grundstoffe für seine Medikamente nicht mehr selber, sondern kauft sie auf dem Weltmarkt ein, vor allem in China und Indien. Diese beiden Länder sind die ersten Glieder der globalen Lieferketten von Big Pharma, allerdings sehr fragile Glieder, weil sich die Fertigung auf immer weniger Anbieter konzentriert. Deshalb kommt es immer wieder zu Lieferengpässen. Davon war bei BAYER längst nicht nur RESOCHIN betroffen. Das die Gehirn-Durchblutung fördernde Produkt NIMOTOP, das Krebs-Präparat XOFIGO, das Herz/Kreislauf-Pharmazeutikum ADALAT, der Blutdruck-Senker BAYOTENSIN, das Kontrastmittel ULTRAVIST, das unter anderem bei der Akut-Behandlung von Herzinfarkten zum Einsatz kommende ASPIRIN i. v. 500 mg sowie die Johanniskraut-Arznei LAIF zur Behandlung milder Depressionen fehlten in den Apotheken ebenfalls schon. Insgesamt traten im vergangenen Jahr bei insgesamt ca. 270 Medikamenten Lieferengpässe auf; 2020 dürften es wegen der Corona-Krise deutlich über 300 werden, den in Wuhan dem Epizentrum der Pandemie, finden sich viele Arzneifabriken.

Alles in allem unterwerfen die Firmen das Gesundheitssystem knallhart dem Diktat des Profits. Die Kranken haben Glück, wenn sie an einer Krankheit leiden, deren Behandlung Renditen abwirft, wenn nicht, stehen sie auf dem Schlauch. Auch müssen die PatientInnen sich auf Gedeih und Verderb in die Abhängigkeit von den weltweiten Pharma-Lieferketten begeben und bei Lieferengpässen Gesundheitsstörungen oder Schlimmeres riskieren, nur weil die Globalisierung der Produktion sich für BAYER & Co. rechnet.

Diese ganzen Missstände führt auch die FAZ in ihrem Artikel „Ein Patient ist kein Kunde“ auf und stellt dann die V-Frage, die das British Medical Journal ebenfalls schon aufgeworfen hatte: „Ist es an der Zeit, die Pharma-Industrie zu verstaatlichen?“ Die FAZ-Autoren Jürgen Kaube und Joachim Müller-Jung beantworten sie angesichts des offensichtlichen Markt-Versagens durchaus positiv. „Wenn das, was sich als entscheidend erweist, um die Freiheit des öffentlichen und privaten Lebens zu schützen, von Firmen allein nicht bereitgestellt wird, sind – mit einem freundlichen Ausdruck – ‚Public Private Partnerships’ ohne Alternative“, schreiben sie. Unfreundlichere Ausdrücke verwenden und von „Verstaatlichung“ oder „Gesundheitssozialismus“ sprechen, wollen die beiden nicht. Aber sie fordern schon „eine stärkere Intervention in die pharmazeutische Grundsicherung, die nicht einfach dem Gewinn-Kalkül überlassen werden sollte, so als sei dieses Kalkül die mit immer demselben Zitat von Adam Smith belegbare Lösung aller Probleme“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN braucht in ihrer Wortwahl hingegen keine Vorsicht walten zu lassen. Für sie hat die Corona-Krise einmal mehr demonstriert, wie lebensgefährlich die Pillen-Riesen agieren, wenn sie aus Profit-Gründen wichtige Forschungen unterlassen, Arzneien für immer weniger Krankheiten vorhalten, abstruse Lifestyle-Präparate entwickeln und noch nicht einmal für eine reibungslose Lieferung sorgen können. Darum fordert die CBG, dass BAYER & Co. unter gesellschaftliche Kontrolle gestellt werden müssen.

[BAYERs Bilanz] Mehr Profit, mehr Glyphosat-Klagen

CBG Redaktion

Am 27. Februar lud der BAYER-Konzern zu seiner Bilanz-Pressekonferenz nach Leverkusen ein. Aber für den Unternehmensgewinn im Geschäftjahr 2019 interessierten sich die Investoren kaum noch. Sie bewerten den Agro-Riesen inzwischen nach ganz anderen Zahlen. Dementsprechend warteten sie gespannt auf die neuesten Angaben zur Menge der Glyphosat-Klagen. Und was sie da hörten, tat Mehr Profit, mehr Glyphosat-Klagen

Von Jan Pehrke

„Ich möchte heute mit Ihnen auf das Geschäftsjahr 2019 zurückblicken, das für mich unter der Überschrift steht: ‚Wir haben geliefert’“, hob BAYER-Chef Werner Baumann auf der Bilanz-Pressekonferenz des Konzerns am 27. Februar an. Zunächst meldete er im Hinblick auf die Einahmen Vollzug und verwies auf die 43,5 Milliarden Euro Umsatz. „Das ist der höchste Wert, der jemals bei BAYER erzielt wurde“, so Baumann stolz. Auch mit dem Ende 2018 angekündigten „Portfolio-, Effizienz- und Strukturmaßnahmen“, welche die Vernichtung von 12.000 Arbeitsplätzen vorsehen, lag der Agro-Riese ihm zufolge im Soll. Mit den „Positionen“, die das Unternehmen in „Populationen“ streicht – wie Finanzvorstand Wolfgang Nickl den Kahlschlag umschrieb – geht es nach Bekunden des Vorstandsvorsitzendes nämlich zügig voran.

Die Investoren warteten allerdings auf ganz andere Zahlen, die zu den Glyphosat-Prozessen nämlich. „Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, war der Rechtskomplex um unseren Wirkstoff Glyphosat eines der prägenden Themen für BAYER im Jahr 2019, auch wenn wir es uns anders gewünscht hätten“, mit diesen Worten leitete Werner Baumann zu dem schwierigen Kapitel über. Und was die Investoren daraus zu hören bekamen, war nicht gerade dazu angetan, sie zu erfreuen. 48.600 Klagen von Geschädigten des Herbizids sieht sich der Global Player mittlerweile gegenüber – noch einmal 5.300 mehr als im Oktober 2019. Trotzdem steht der BAYER-Chef nach wie vor in Treue fest zu dem Produkt. „Glyphosat war und ist bei sachgemäßer Anwendung sicher“, bekräftigte er in seiner Rede und kündigte an: „Wir werden die drei Berufungsverfahren notfalls durch alle Instanzen betreiben.“

Flankenschutz bekam der Konzern dabei jüngst von der US-Regierung. „Die Trump-Administration stützt BAYER in Herbizid-Verfahren“ meldete das Wall Street Journal. Das Justizministerium nutzte das Rechtsinstitut des „Amicus Curiae“, das Unbeteiligten Einlassungen zu laufenden Prozessen erlaubt, und setzte einen Brief an das Gericht auf. In diesem befand es kurzerhand: „Der Kläger ist im Unrecht“ und verlangte von den RichterInnen, das Urteil aufzuheben.
Das durfte Werner Baumann in seinen Ausführungen natürlich nicht unerwähnt lassen: „Zuletzt hat die US-Regierung im Rahmen einer Stellungnahme für eines der Verfahren wichtige Punkte unserer Argumentation ausdrücklich bekräftigt.“ Zu den parallel zu den juristischen Auseinandersetzungen laufenden Mediationsgesprächen unter der Leitung des Anwalts Ken Feinberg bemerkte er dagegen nur knapp, BAYER beteilige sich „weiterhin konstruktiv“ daran.
In den Wochen nach der Bilanz-Pressekonferenz häuften sich dann Berichte, die von kurz vor dem Abschluss stehenden Vergleichsverhandlungen mit den AnwältInnen der Geschädigten kündeten. Auch eine konkrete Schmerzengsgeld-Summe stand schon im Raum: Zehn Milliarden Dollar. Noch aber gibt es keine solche Übereinkunft, und das liegt nicht unbedingt am Geld. Normalerweise gehen die Vergleiche bei Produkthaftungsverfahren für den Hersteller nämlich immer mit der Pflicht einher, künftig besser vor den Risiken und Nebenwirkungen seiner Hervorbringungen zu warnen. BAYER müsste also auf die Krebs-Gefahr von Glyphosat hinweisen. Da ist allerdings die US-amerikanische Umweltbehörde EPA vor, denn diese hat – von Donald Trump auf Linie gebracht – dem Herbizid erst vor Kurzem Unbedenklichkeit attestiert. Aber nicht nur das erschwert die Einigung. Weitere Kopfschmerzen bereitet Feinberg die vom Leverkusener Multi erhobene Forderung, durch das Übereinkommen in Zukunft vor Klagen gewappnet zu sein. Künftigen Glyphosat-Kranken den Rechtsweg verbauen zu wollen – das rührt an die Grundfeste des Rechtsstaats und bringt JuristInnen in Gewissensnöte. „Das ist wirklich am Rande dessen, was Sie als Anwalt ethisch einwandfrei tun können, sagt der Rechtswissenschaftler David Noll von der „Rutgers Law School“.

In dem zeitgleich mit der Bilanz-Pressekonferenz erschienenen Geschäftsbericht hat der Konzern seine AktionärInnen schon einmal auf die mit dem „Rechtskomplex“ eventuell verbundenden Kosten hingewiesen und auf mögliche drastische Schritte wie Verkäufe von Unternehmensteilen eingestimmt. „Wir könnten gezwungen sein, diesen möglichen erhöhten Finanzbedarf durch die Aufnahme weiterer fremdfinanzierter Mittel, durch die Erhöhung unseres Eigenkapitals, durch die Veräußerung von Vermögenswerten – ggf. zu ungünstigen Konditionen – oder durch Kombinationen dieser Instrumente zu decken“, heißt es dort.

Damit nicht genug, geht in Sachen „Glyphosat“ jetzt auch noch ein US-amerikanischer Investor gerichtlich gegen BAYER vor. Rebecca Haussmann vom KONSTANTIN S. HAUSSMANN TRUST beschuldigt das Management, bei der Prüfung der MONSANTO-Übernahme den Prozess-Risiken nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt zu haben und verlangt deshalb Schadensersatz. 168 Seiten brauchte die Klageschrift, um alle Versäumnisse aufzulisten. Haussmann bringt auch den kurz vor der Bilanz-Pressekonferenz bekanntgegebenen vorzeitigen Rücktritt von BAYER-Aufsichtsratschef Werner Wenning mit den von ihr erhobenen Vorwürfen in Verbindung. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) sieht ebenfalls einen Zusammenhang mit dem Desaster-Deal. Die GroßaktionärInnen des Konzerns schassten Wenning offenkundig, weil er derjenige ist, der für die Akquisition hauptverantwortlich ist und es dem Manager nun schon seit Jahren nicht gelingt, die damit verbundenen Skandale und Katastrophen einzudämmen.

Diese ganze Gemengelage ließ am 28. April eine turbulente Hauptversammlung erwarten, und die CBG schickte sich wieder an, das ihrige dazu beizutragen. Aber das hat der Leverkusener Multi jetzt umgangen. Während alle anderen Unternehmen ihre AktionärInnen-Treffen wegen der Corona-Krise verschoben, nutzte BAYER die Pandemie, um die HV ins Internet zu verlegen und so den zu erwartenden Protest vor und im Bonner World Conference Center auszubremsen. Die Coordination wird jedoch trotzdem alles tun, um den Tag für den Leverkusener Multi so unangenehm wie möglich zu gestalten.

BAYER HV 2020

CBG Redaktion
Pressebericht der WDR Lokalzeit zu den Protesten der Coordination gegen BAYER-Gefahren gegen die Aktionärs-Hauptversammlung des BAYER-Konzerns am 28.4.2020: online & vor der Leverkusener Zentrale live international protest Online-Proteststream der CBG Dienstag 28.4. ganztags ab 9:00 Uhr
  • stopBayerMonsanto
  • MeineStimmeGegenKonzernverbrechen
  • MyVoiceAgianstCoporateCrime
  • BayerHVOnlineDemo

Programm-Highlights 28.4.:

ab 9:30 Uhr – live Auftakt-Statements & Reden live vom Werkstor

Marius Stelzmann, Geschäftsführer Coordination gegen BAYER-Gefahren Tilman Massa, Dachverband Kritische AktionärInnen Bernward Geier, aktivistischer Bio-Landwirt Harald Ebner, Bundestagsabgeordneter Schwäbisch Hall – Hohenlohe (GRÜNE) Hanno von Raußendorf, DIE LINKE Bonn Christiane Schnura, Coordination gegen BAYER-Gefahren Micha, Block Bayer Im Anschluss: Betroffene von Bayer-Monsanto-Konzernverbrechen richten sich an die Öffentlichkeit: Von Contergan, über Duogynon bis Glyphosat/Round Up. +++Exklusive Musik- und Kulturbeiträge von Konstantin Wecker, Gerd Schinkel, Jane Zahn und Klaus dem Geiger+++

ab 12:30 Uhr – live Statements zur BAYER-HV

Experteneinschätzungen von Jan Pehrke, Zeitschrift STICHWORT BAYER, CBG-Vorstand Sahra Wagenknecht, Mitglied des Bundestags für Düsseldorf-Süd (ehem. Fraktionsvorsitzende DIE LINKE im Bundestag) Renate Künast, ehem. Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Sprecherin für Ernährungspolitik der Fraktion B90/GRÜNE im Bundestag) Gesine Lötzsch, ehem. Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages (stellvertretende Fraktionsvorsitzende DIE LINKE im Bundestag) Bettina Müller, Powershift Gaby Weber, Filmemacherin und investigativen Journalistin

Sowie internationale Beiträge ab 13:00 Uhr von

Carrey Gillam, Research Dir. U.S. Right to Know Carla Poth, Argentinien, Asamblea por la Semilla (Saatgut-Versammlung) Barry Castleman, USA, Umweltberater / Gutachter Vandana Shiva, Indien, Wissenschaftlerin und Umweltaktivistin Sarah Wiener, Österreich, Abgeordnete im Europaparlament (Grüne), Fernseh-Köchin “für mündige Esser” Bernd Schmitz, Aktion Bäuerliche Landwirtschaft Judith Düsberger, genet(h)isches Netzwerk - GEN Dr. Gottfried Arnold, Kinderarzt, CBG-Mitglied Lalo Botessi, Argentinien, Iriarte Verde (Bio-Genossenschaft) Bernward Geier, aktivistischer Bio-Landwirt Jana, Klimaaktivistin Carlos Vicente, Argentinien

ab 16:00 Uhr – live Statements zum Nachmittag der BAYER-HV

Jan Pehrke, verantwortlicher Redakteur STICHWORT BAYER Eva Bulling-Schröter, ehem. Vors. Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit des Bundestags, Kuratoriumsmitglied der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, Beiratsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) Jeffrey Smith, USA, Institute for Responsible Technology Dokumentarfilm „Tödliche Agrikultur“ mit aktuellem Begleitwort zur BAYER-HV von der Filmemacherin und investigativen Journalistin Gaby Weber Sowie bei langem Verlauf abends ein weiterer live-Block nach Abschluss der BAYER-HV

Aktionen vor der Konzernzentrale

BREAKING: HV-Protest vor der BAYER-Zentrale ab 9 Uhr CBG erhält Sondererlaubnis für Aktion in Leverkusen am Di. 28.4. Treffpunkt: Kaiser-Wilhelm-Allee 1b

Gegenanträge

Trotz der virtuellen HV stellen wir Gegenanträge, die wir hier für Presse & interessierte Öffentlichkeit zusammengestellt haben.

Redebeiträge HV / Fragen

Trotz der beschnittenen Frage- und Antwortrechte stellen wir mit unserem Aktienstimmrechten Fragen an den Vorstand, mehr dazu hier.

Online-Protestwelle

Hier Infos zu den diversen online-Protesten ab dem 23. April & zum CBG-online-Protest zur BAYER-HV am Di. 28.4.

Hintergrund-Infos

Zur Gesamtlage bei HV-Einberufung findet ihr hier und zu BAYERs extrem verkürzten Fristen hier.

Wir brauchen eure Spende!

Wir werden die Einschränkung des Aktienrechtes nicht hinnehmen. Doch die juristische Prüfung des Aktiengesetzes kostet Geld. Auch unsere Gegenaktionen zur HV kosten Geld. Unterstützt unseren Kampf gegen die Entrechtung kritischer AktionärInnen z.B. mit einer Spende. Eine Fördermitgliedschaft hilft uns, auch die kommenden Kämpfe zu führen!

Mitmachen – dabei sein!

Sorgt mit Share, Forward & Tweet dafür, dass die Online-Veranstaltung am 26.04 aus den Nähten platzt & dass am Tag der HV der Widerstand im Netz unübersehbar wird: auf eurer Seite, in euren Gruppen, im Messenger und bei BAYER selbst auf den Seiten des Konzerns und des Vorstands! Teilt uns mit, wenn ihr an der online-Protestwelle teilnehmen wollt und Hilfe braucht. Bringt alle Eure Social Media und E-Mail-Kanäle an den Start. Auch Eure eventuellen Medien- und anderen MultiplikatorInnen-Kontakte, Eure FreundInnen, KollegInnen, Familien etc. Der Protest wird auch vor den Werkstoren sichtbar sein. Teilt uns bitte mit, ob Ihr am 28.4. in Leverkusen bei unserer Protest-Aktion sein könnt. Über den Verlauf der Kundgebung, die Maßnahmen, die wir zum Schutz vor Corona ergreifen, und den Status der Anmeldung halten wir euch hier auf dem Laufenden!

Kontakt

HV-Proteste Hotline nur Di. 28. April 9 bis 18 Uhr (0)211 - 22 95 09 11 info2@CBGnetwork.org Marius Stelzmann (Geschäftsführer, alle Fragen zur Organisation) info@CBGnetwork.org 0211 – 33 39 11 Simon Ernst (CBG-Aktionärshotline) se@CBGnetwork.org 0211 – 26 11 210 via Twitter, und via Facebook

[Statement Corona] Presse-Information CBG vom 26.03.2020

CBG Redaktion

Pharmakonzerne ruinieren Gesundheitssystem und Medikamentenforschung

CBG mit Statement zur Coronakrise

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hat die aktuelle Coronakrise mit einem Statement kommentiert, das hier zu finden ist. Die Pandemie traf die Pharma-Industrie und das Gesundheitswesen völlig unvorbereitet. Sie brach in einer Zeit aus, da BAYER & Co. kaum noch auf dem für sie nur wenig einträglichen Gebiet der Infektionskrankheiten forschten und die Krankenhäuser sich Einspar-Wellen, Effizienz-Programmen und Privatisierungen gegenübersahen. Die verheerende Wirkung, die das Coronavirus auf die Gesellschaft hat, wäre nicht denkbar ohne die jahrelangen Privatisierungs-Attacken auf das Gesundheitssystem.

In dem Statement zeigt die Coordination die weitreichenden Folgen von Privatisierung und „Deregulierung“ von staatlichem Gesundheitssystem und medizinischer Forschung detailliert am Beispiel des BAYER-Konzerns auf. So machte sich BAYER dafür stark, mehr Leistungen aus dem Erstattungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung auszuklammern. Die Versicherten sollten die Kosten selbst tragen. Auch kritisiert die Coordination das starke Zusammenstreichen der pharmazeutischen Forschung beim Leverkusener Pharma-Giganten. Dass dem Konzern im Zweifel Profite vor Bedürfnissen von Kranken gehen, illustriert eine Aussage des ehemaligen BAYER-Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers: „Wir müssen Geld verdienen mit unseren Produkten. Das führt dazu, dass nicht alle Medikamente entwickelt werden, die wir brauchen“.

Neben der Entwicklung wurde auch die Herstellung von Pharmazeutika auf ihre Profitträchtigkeit zugeschnitten. Dies bedeutet Fertigung in Billiglohnländern und krisenanfällige Lieferketten. CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura hält zu den planeten-umspannenden Lieferketten fest: „Man sollte nicht vergessen, dass die Konzerne bewusst ihre Produktion in Billiglohnländer verlegt haben, um das Maximum an Profit herauszuschlagen,. Dort sparen sie die Kosten, die eine faire und angemessene Entlohnung ihrer Arbeitskräfte mit sich bringen würde. Die Verzögerungen und Ausfälle in der Lieferkette sind also kalkulierte Inkaufnahmen von nicht mehr stattfindender Versorgung mit potentiell lebenswichtigen Medikamenten.“

Die Coordination zieht das Fazit, dass die Corona-Krise das verheerende Ausmaß der Konsequenzen einer auf Profitmaximierung ausgerichteten Pharma-Industrie offenbart. Daher fordert sie einen umfassenden Umbau des weltweiten Gesundheitssystems in Richtung Gemeinwohl-Orientierung. CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann stellt fest: „Es ist unfassbar, dass lebenswichtige Dinge wie die Produktion von Medikamenten in den Händen von Konzernen sind, die nur auf ihre Profit-Maximierung schauen. Dringend notwendige Impfstoff-Forschung- und Produktion, ebenso wie die Herstellung von Medikamenten müssen sofort unter gesellschaftliche Aufsicht gestellt werden.“

Pressekontakt:
Marius Stelzmann 0211/33 39 11

[Monsanto-Krise] Presse-Information CBG vom 27.02.20

CBG Redaktion

Immer mehr Klagen, immer weniger Jobs, immer schlechtere Umwelt-Werte

BAYERs MONSANTO-Krise verschärft sich

Die MONSANTO-Krise macht BAYER immer mehr zu schaffen. Das belegen die zur Bilanzpresse-Konferenz vorgelegten Zahlen. Die Klagen von Glyphosat-Geschädigten erhöhten sich noch einmal deutlich auf nunmehr 48.600. Zudem kommt es wegen der Risiken und Nebenwirkungen des Pestizids Dicamba zu immer mehr gerichtlichen Auseinandersetzungen; 170 nennt der Geschäftsbericht. Ein erstes Verfahren endete für BAYER und BASF mit der Verurteilung zu einer Summe in Höhe von 265 Millionen Dollar.

Eines ist jetzt schon klar: Der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning muss seinen Hut nehmen. Die Großaktionär*innen des Konzerns schassen ihn offenkundig, weil er derjenige ist, der für die MONSANTO-Übernahme hauptverantwortlich ist und es ihm nun seit Jahren nicht gelingt, die damit verbundenen Skandale und Katastrophen einzudämmen. Es war Wenning, der den Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann ins Amt gehievt hat und seine Hand schützend über diesen und den desaströsen MONSANTO-Deal hielt. Baumann wurde auf der vergangenen BAYER-HV 2019 wegen der drohenden „Reputationsschäden durch die MONSANTO-Übernahme“ die Entlastung verweigert. Noch in der Nacht nach der HV stellte sich Wenning vor Baumann und hielt ihn im Amt. Der vorzeitige Rückzug des Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning erscheint da nur folgerichtig, als „Signal an die Investoren“ meint das „Handelsblatt“.

Das Management aber macht gute Miene zum bösen Spiel und verweist dabei auf den um 3,5 Prozent gestiegenen Umsatz. „Der BAYER-Konzern war im vergangenen Jahr strategisch und operativ erfolgreich“, heißt es in der Pressemitteilung des Unternehmens. „Geliefert haben wir auch mit Blick auf die Ende 2018 angekündigten Portfolio-, Effizienz- und Strukturmaßnahmen“, erklärt der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann. Bestellt hatten das Paket die Investoren nach dem ersten Glyphosat-Prozess, der eine Strafzahlung von 78 Millionen Dollar zur Folge hatte, was BLACKROCK & Co. angesichts der vielen weiteren Klagen das Schlimmste befürchten ließ. Und bezahlt haben es die Beschäftigten. Hinter den „Portfolio-, Effizienz- und Strukturmaßnahmen“ verbirgt sich nämlich die Vernichtung von 12.000 Arbeitsplätzen.

Auf die Umweltbilanz wirkt sich die Aquisition ebenfalls verheerend aus: Die Kohlendioxid-Emissionen stiegen von 2,88 auf 3,71 Millionen Tonnen. Und auch dafür trägt wieder hauptsächlich Glyphosat die Verantwortung. Die Gewinnung des Glyphosat-Vorprodukts Phosphor aus Phosporit ist nämlich extrem energie-aufwendig. Auf eine Betriebstemperatur von 1500° muss der Ofen kommen, damit das Phosphorit das Phosphor preisgibt. Der Geschäftsbericht gibt dazu jedoch nur verklausuliert Auskunft. „Mit dem akquirierten Agrargeschäft haben wir neben Standorten für die Saatgutproduktion u. a. auch eine Rohstoffgewinnung für die Herstellung von Pflanzenschutzmittel-Vorprodukten übernommen, mit der energieintensive Auf- und Weiterverarbeitungen verbunden sind“, steht da zu lesen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte da schon auf der letzten Hauptversammlung Handlungsbedarf angemahnt, der Konzern hat aber offensichtlich nichts unternommen. Überhaupt hat der Konzern seine Umweltberichterstattung auf Schrumpfstufe gestellt. So fehlen etwa Angaben zum Ausstoß von Phosphor, Schwermetallen, Schwefeldioxid und Stickstoff. Die ständigen Bekenntnisse zur Nachhaltigkeit erscheinen angesichts dessen wie blanker Hohn.

„Reine Profitgier hat den BAYER-Konzern dazu getrieben, MONSANTO zu übernehmen. Jetzt zeigen sich die Auswirkungen dieses rücksichtslosen Handelns auf allen Ebenen: Die Zahl der Glyphosat-Klagen nimmt immer mehr zu, 12.000 Beschäftigte kostete der Deal bisher schon den Job und die Glyphosat-Fabrik in Soda Springs entpuppt sich als veritabler Klima-Killer. Wann zieht das Management endlich die Konsequenzen aus dem Desaster?“, so Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren.

Nur folgerichtig, wenn der erste Gegenantrag (siehe Anhang) der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) zur BAYER-Hauptversammlung am 28. April 2020 mit Verweis auf das Glyphosat-Desaster die Nicht-Entlastung des Vorstands fordert.

Pressekontakt:
Marius Stelzmann 0211/33 39 11

[Giftexportverbot] Presse-Information CBG vom 06.02.2020

CBG Redaktion

Urteil des höchsten französischen Gerichts

Frankreich verbietet giftige Exporte! Jetzt muss Deutschland handeln!

Am vergangenen Freitag hat das französische Verfassungsgericht die Rechtmäßigkeit eines Exportverbotes für solche Pestizide bestätigt, deren Gebrauch in der EU untersagt ist. Der Conceil constitutionnel wies damit die Klage von BAYER, SYNGENTA und anderen im Unternehmensverband UIPP organisierten Hersteller gegen das Agrikultur- und Nahrungsmittelgesetz (Egalim) ab. Die Konzerne hatten den Conseil angerufen, weil sie die verfassungsmäßig garantierte Freiheit des Unternehmertums durch den ab dem Jahr 2022 geltenden Ausfuhr-Bann eingeschränkt sahen. Das Verfassungsgericht wog diese jedoch gegen die ebenfalls verfassungsmäßig garantierten Rechte auf Gesundheitsschutz und eine intakte Umwelt ab und erklärte den entsprechenden Egalim-Passus daraufhin für rechtmäßig.

Während BAYER & Co. sofort verheerende Folgen für den Wirtschaftsstandort Frankreich heraufbeschworen und mit Abwanderung drohten, begrüßten Umweltrechtler*innen und Aktivist*innen das Urteil. Der Jurist Sébastien Mabile bezeichnete es sogar als „historisch“.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) kritisiert die Praxis der doppelten Standards bei der Vermarktung von Pestiziden schon seit Langem und hält den Richter*innen-Spruch für nur konsequent. „Es ist bei BAYER & Co. Standard, nach einem Verbot hierzulande die betroffenen Gifte in anderen Ländern weiter zu verkaufen, die noch nicht so weit sind. Das zeigt, dass den Konzernen das Leben und die Gesundheit von Menschen vollkommen egal sind. Das Einzige was zählt, sind die Profite. Jetzt muss Deutschland nachziehen! Auch hier muss den Giftmischern von BAYER & Co. klar verboten werden, ihre innerhalb der EU nicht mehr handelbaren Ackergifte nach Afrika, Asien, Nord- und Südamerika oder sonst wohin zu exportieren“, so CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann.

Allein in Brasilien bietet der Leverkusener Multi zwölf in der Europäischen Union wegen ihres Gefährdungspotenzials verbotene Stoffe an: Carbendazim, Cyclanilid, Ethiprole, Ethoxysulfuron, Fenamidone, Indaziflam, Ioxynil, Oxadiazon, Propineb, Thidiazuron, Thiodicarb und Thiram. Zur Rechtfertigung dieser Praxis erklärt der Global Player lapidar: „Auf der Welt herrschen unterschiedliche gesellschaftliche, wirtschaftliche oder auch klimatische Bedingungen. Daher unterscheiden sich mitunter auch die rechtlichen Rahmenbedingungen.“

Eigentlich müsste der Agro-Riese umgekehrt vorgehen und in den Staaten des Südens ungefährlichere statt gefährlichere Substanzen vertreiben. In diesen Absatz-Gebieten ist nämlich die Analphabet*innen-Rate hoch, weshalb viele die Warnhinweise auf den Agrochemie-Packungen nicht lesen können. Überdies verfügen zahllose Landwirt*innen nicht über eine geeignete Schutzkleidung. So aber überrascht es nicht weiter, dass sich die meisten Vergiftungen in den Entwicklungs- und Schwellenländern ereignen. Auf der BAYER-Hauptversammlung im April 2019 nannte Alan Tygel aus Rio de Janeiro von der PERMANENTEN KAMPAGNE GEGEN AGRARGIFTE UND FÜR DAS LEBEN die Zahlen für Brasilien: 2.185 Sterbefälle in der Zeit von 2007 bis 2017. „Für Euch Europäer ist Carbendazim verboten, und die anderen drei erwähnten Wirkstoffe haben Grenzwerte, die um den Faktor 1.200 niedriger liegen als in Brasilien. Sind unsere brasilianischen Körper etwa widerstandsfähiger gegen Agrargifte als die Körper der Europäerinnen und Europäer?“, fragte er Vorstand und Aktionär*innen.

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