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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

150 Jahre BAYER

CBG Redaktion

Presse Information vom 28. Februar 2013
Coordination gegen BAYER-Gefahren

BAYER: 150 Jahre Bürgerproteste

Kampagne zur Schattenseite der Firmengeschichte gestartet

Die Firma BAYER feiert in diesem Jahr mit zahlreichen Festveranstaltungen ihr 150-jähriges Bestehen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) startet heute eine Kampagne zu den Schattenseiten der Firmengeschichte.

Jan Pehrke vom Vorstand der CBG: „In der offiziellen Firmen-Chronik kommen Themen wie chemische Kampfstoffe, Umweltschäden, tödliche Pharmaprodukte wie Heroin oder die Kollaboration des Konzerns mit dem Dritten Reich nicht vor. Wir möchten deutlich machen, dass die 150-jährige Unternehmensgeschichte von Beginn an von Bürgerprotesten begleitet wurde. Hierdurch konnte in vielen Fällen der Schutz von Umwelt, Anwohnern und Belegschaft erstritten werden.“

Im Verlauf des Jahres wird die Coordination eine Serie von Artikeln veröffentlichen, u. a. zur Rolle des Konzerns im 3. Reich und zur „Entnazifizierung“ nach dem Krieg.

Den Anfang macht ein Artikel des Historikers Stefan Blaschke zur Werksgeschichte im 19. Jahrhundert. Von Beginn an sah sich das Unternehmen mit Protesten gegen die anhaltende Luft- und Wasserverschmutzung konfrontiert. Diese führten zur ersten Werksverlegung von Wuppertal-Barmen nach Elberfeld. Auch in Leverkusen gab es Klagen gegen das neue Unternehmen, besonders wegen der Verschmutzung des Rheins.

Die CBG wird zudem mehrere Karikaturen zum Jubiläum veröffentlichen. Den Anfang macht eine Zeichnung von Berndt Skott.

Alle Veröffentlichungen finden sich auf unserer Kampagnenseite

[Yasmin] Antibaby-Pillen

CBG Redaktion

28. Februar 2013

Antibaby-Pillen: BAYER muss 1,2 Milliarden Euro zurückstellen

BAYER vereinbarte bisher mit rund 4800 Anspruchsstellerinnen in den USA Vergleiche über eine Summe von einer Milliarde US-Dollar (760 Mio Euro). Die Zahl der Anpruchstellerinnen, mit denen noch kein Vergleich geschlossen wurde, liegt bei 13 600. Diese Zahlen nannte Vorstandschef Marijn Dekkers heute bei der Bilanzvorlage in Leverkusen.

In der Bilanz 2012 traf BAYER mit Sonderaufwendungen in Höhe von fast 1,2 Milliarden Euro Vorsorge für weitere Rechtsstreitigkeiten. Die Summe übersteigt damit den Versicherungsschutz. Mit den Verhütungsmitteln Yaz und Yasmin setzte Bayer 2012 weltweit 1,045 Milliarden Euro um.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): "Alle Präparate mit dem Hormon Drospirenon müssen umgehend vom Markt genommen werden, eine weitere Zulassung ist nicht zu rechtfertigen. Mit einem freiwilligen Einlenken von BAYER ist jedoch nicht zu rechnen, so lange die Entschädigungen nicht die Gewinne durch den Verkauf übersteigen – eine zynische Rechnung!“.

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Glufosinat

CBG Redaktion

Presse Information vom 22. Februar 2013

Glufosinat: BAYER erhöht Produktion von hochgefährlichem Pestizid

EU hat weitere Zulassung verboten / „doppelte Sicherheitsstandards“

Die Firma Bayer CropScience hat gestern angekündigt, die Produktion des hochgefährlichen Herbizids Glufosinat (Markennamen: BASTA und LIBERTY) erneut zu erhöhen. In einer Pressemitteilung des Konzerns heißt es:

Um die steigenden Marktbedarfe begleiten zu können, ist ein Investitionsvolumen in Höhe von mehr als 30 Millionen Euro für den Standort Knapsack bis Ende 2014 geplant. Der Großteil hiervon wird in den Ausbau der Produktion eines Vorproduktes für das Herbizid BASTA® eingesetzt.

Glufosinat gehört zu den rund 20 Pestiziden, die von der EU wegen ihrer hoher Gefahren für Landwirte und Verbraucher/innen aus dem Verkehr gezogen werden. Trotz der seit langem bekannten Risiken hatte BAYER bereits vor drei Jahren die Glufosinat-Produktion erhöht, vor allem für den Export nach Nord- und Südamerika. Nach Auffassung der Coordination gegen BAYER-Gefahren ist dies ein klassischer Fall von doppelten Sicherheits-Standards.

Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Es ist unverantwortlich, im Ausland eine Anbautechnik zu forcieren, die mit der Verwendung eines hochgiftigen und bei uns verbotenen Pestizids verknüpft ist. Das Schicksal der Landarbeiterinnen und Landarbeiter in Lateinamerika oder Asien ist dem Konzern augenscheinlich gleichgültig!“. Die CBG fordert einen weltweiten Verkaufs-Stopp – sowohl für Glufosinat als auch für Saatgut, dessen Einsatz mit Glufosinat gekoppelt ist.

Glufosinat kann Missbildungen bei Föten verursachen und ist daher als reproduktionstoxisch klassifiziert. Studien zufolge beeinträchtigt der Wirkstoff die Entwicklung des menschlichen Gehirns und ruft Verhaltensstörungen hervor. Schwedische Gesundheitsbehörden hatten schon 2006 ein Verbot der Substanz gefordert.

BAYER bietet das Herbizid in Kombination mit gentechnisch verändertem Saatgut an, u.a. Raps, Reis, Zuckerrüben, Mais, Soja und Baumwolle. Da die Pflanzen resistent gegen den Wirkstoff sind, haben die Landwirt/innen die Möglichkeit, das Pestizid in großen Mengen zu verwenden, ohne die Nutzpflanze zu schädigen. In der EU hat BAYER eine Importzulassung für glufosinat-resistenten Reis (Liberty Link Reis 62) beantragt. Eine ebenfalls von BAYER entwickelte Reis-Sorte, Liberty Link Reis 601, hatte im Jahr 2006 zur bislang größten Gentech-Kontamination weltweit geführt. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren führt seit fast zehn Jahren eine Kampagne zur Verhinderung einer EU-Zulassung von Liberty Link Reis.

Mit einem Weltmarktanteil von rund 20 % ist Bayer CropScience der zweitgrößte Pestizidhersteller der Welt. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt die Zahl der jährlichen Pestizidvergiftungen auf 3 bis 25 Millionen. Mindestens 40.000 Fälle pro Jahr verlaufen tödlich, bei einer hohen Dunkelziffer. Rund 99% aller Pestizid-Vergiftungen treten in den Ländern des Südens auf.

Presse Info: Herbizid Glufosinat vom Markt nehmen!

Bayer´s Tonic

CBG Redaktion

Presse Information vom 18. Februar 2013
Coordination gegen BAYER-Gefahren

wirkungsloses Stärkungsmittel

Indien: „Bayer´s Tonic“ weiter auf dem Markt

Testkäufe der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) in Indien belegen, dass die Firma BAYER dort weiterhin das umstrittene Stärkungsmittel Bayer´s Tonic vertreibt. Das freiverkäufliche Präparat enthält eine Kombination aus Leberextrakt, Hefe, Zucker und 10% Alkohol und wird von ÄrztInnen als völlig unwirksam bezeichnet.

Jan Pehrke vom Vorstand der CBG: „Ein unnützes und teures Präparat wie Bayer´s Tonic dient nicht der Gesundheit – im Gegenteil. Mit der vermeintlichen Qualitätsware aus Deutschland wird den indischen PatientInnen lediglich das Geld aus der Tasche gezogen. Einmal mehr zeigt sich, dass die Industrie selbst vor dem Verkauf von Pharma-Schrott nicht zurückschreckt!“. Pehrke kritisiert insbesondere den verharmlosenden Werbeaufdruck „Bon Appetit“ (siehe Foto).

Bayer´s Tonic wurde in Indien trotz des hohen Alkoholanteils viele Jahre lang speziell als Stärkungsmittel für Kinder beworben. Das Versprechen der Firma BAYER, das Präparat ohne Alkohol zu verkaufen, wurde nicht eingehalten. Proteste von Gesundheits-Initiativen führten dazu, dass die Packung nun den kleingedruckten Schriftzug „Not for Paediatric Use“ („nicht für pädiatrischen Gebrauch“) trägt.

Wegen der jahrzehntelangen Werbekampagnen empfehlen viele indische ApothekerInnen das Mittel jedoch weiterhin auch für Kinder. „In Bangalore empfahl uns dies ein Apotheker genau so auf die Frage hin, ob wir es auch unseren Kindern geben könnten. Ein unhaltbarer Zustand“, so Dr. Christiane Fischer von der BUKO Pharma-Kampagne. Zudem ist der Warnhinweis für analphabetische Patienten nicht zu verstehen. Vor allem unterernährte Kinder laufen bei regelmäßiger Einnahme Gefahr, eine Leberzirrhose zu entwickeln.

In den Ländern des Südens sind die Menschen oftmals nicht in der Lage, sich den Besuch eines Arztes oder einer Ärztin zu leisten. Die Pharma-Riesen haben sich darauf eingestellt und bieten Arzneien mit einem umfassenden und zugleich diffusen Wirkprofil an. Die Werbung verleitet viele Eltern dazu, das teure Mittel zu verabreichen. Eine sinnvolle Behandlung sowie der Kauf von Obst und Gemüse unterbleiben. Die Kosten für eine Flasche Bayer´s Tonic in Höhe von 83,65 Rs (ca. 1,20 Euro) reichen aus, um eine indische Familie mindestens einen Tag lang mit gesunden Lebensmitteln zu ernähren.

[BPA] Bisphenol A

CBG Redaktion

Jährlich werden rund vier Millionen Tonnen Bisphenol A hergestellt. Der BAYER-Konzern gehört neben den US-Firmen Dow Chemicals und Hexion sowie den taiwanesischen Unternehmen Nan Ya Plastics und Chang Chun Plastics zu den größten Herstellern weltweit. BAYER produziert Bisphenol A in Krefeld, Antwerpen, Baytown/Texas, Map Ta Phut/Thailand und Shanghai/China.

HORMONGIFT BISPHENOL A

Schweden plant Komplett-Verbot

Die Chemikalie BPA ist zwar in Babyflaschen verboten, nicht aber in Zahnfüllungen oder Thermopapier. Die Regierung in Stockholm will das nun ändern.VON REINHARD WOLFF

5. Feb 2013, taz | Die Chemikalie Bisphenol A (BPA) soll in Schweden verboten werden. Umweltministerin Lena Ek legte eine lange Liste von Studien über negative Gesundheitsauswirkungen vor. Ihr Fazit: Am Gesundheitsrisiko von BPA gebe es keine ernsthaften Zweifel
Für eine Substanz mit hormonstörenden Eigenschaften könne man nicht – wie die EU das tue – Grenzwerte setzen, die sich am Risiko einer akuten Vergiftung orientierten. Da langfristige hormonelle Wirkungen möglich seien, helfe nur ein Totalverbot, um Langzeitschäden mit Sicherheit ausschließen zu können.
BPA ist ein hormonell aktiver Stoff, der im Körper ähnlich wie das weibliche Sexualhormon Östrogen wirkt. Es ist gleichzeitig eine der meistproduzierten Basis-Chemikalien und damit ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Chemieindustrie. Als Grundstoff zur Herstellung von Kunststoffen und Kunstharzen findet es sich beispielsweise in vielen Plastikprodukten, der Innenbeschichtung von Konservendosen, Zahnfüllungen, Lacken, dem Thermopapier von Quittungen und in Trinkwasserrohren. Aus diesen Produkten kann sich der Stoff lösen, vom menschlichen Körper aufgenommen werden und auch die Umwelt belasten.

„Vorsorgeprinzip vernachlässigt“
Schwedens Umweltministerin wirft der EU und ihrer Lebensmittelbehörde EFSA vor, trotz sich mehrender Alarmsignale nicht aktiv zu werden und damit gegen das Vorsorgeprinzip zu verstoßen: Jahrein, jahraus blockierten die Lebensmittelbehörden innerhalb der EU die Einschätzungen, die von den für die Risiken von Chemikalien zuständigen Behörden gemacht werden. Das sei unverantwortlich.
Die Ministerin verweist auf den Ende Januar von der EU-Umweltagentur EEA veröffentlichten „Late Lessons from Early Warning-Rapport“, der illustriere, wie teuer und folgenreich die Vernachlässigung des Vorsorgeprinzips werden könne. Es sei wichtig zu agieren, bevor irreparable Schäden eingetreten seien.

Keine Scheu vor Ärger mit der EU
Erst nach jahrelangem Zögern und nachdem Länder wie Kanada und Dänemark es vorgemacht hatten, verbot die EU 2011 zumindest BPA-haltige Babyflaschen. In Frankreich und Schweden gibt es mittlerweile ein Verbot von BPA in Lebensmittelverpackungen für Kleinkinder, und Frankreich will die toxische Substanz ab 2015 aus allen Lebensmittelverpackungen verbannen.
Stockholm schließt sich diesem Vorstoß nun an und will mehr: Man werde umgehend die Vorarbeiten für ein vollständiges Verbot von BPA in allen Anwendungen einleiten. Einen möglichen Konflikt mit der EU-Kommission werde man nicht scheuen, erklärte Ek. Primär aber wolle man für die Linie eines Totalverbots im EU-Parlament und in anderen EU-Staaten Verbündete gewinnen.

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Bienensterben

CBG Redaktion

Presse Info vom 31. Januar 2013
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Bienensterben: EU will Neonicotinoide verbieten

„Hersteller für Schäden haftbar machen!“

Die EU-Kommission hat heute empfohlen, drei Pestizide aus der Substanzklasse der Neonicotinoide ab dem 1. Juli aus dem Verkehr zu ziehen. Das Verbot soll zunächst für zwei Jahre gelten. Betroffen sind die Insektizide Clothianidin und Imidacloprid von BAYER sowie Thiamethoxam von SYNGENTA.

Die Mitgliedsstaaten sollen Ende Februar über den Vorschlag abstimmen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) begrüßt die Ankündigung als „Schritt in die richtige Richtung“, fordert jedoch ein dauerhaftes Verbot. Außerdem müssten die Hersteller für die entstandenen Schäden haften.

Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Seit 1998 fordern wir ein Verbot von Neonicotinoiden wegen ihrer Schädlichkeit für Bienen. BAYER und SYNGENTA haben mit den Präparaten Milliarden verdient - es darf nicht sein, dass die Firmen jetzt die Gewinne einsacken, die Allgemeinheit hingegen für die entstandenen Schäden aufkommen muss!“. Die CBG hatte in den vergangenen 15 Jahren wiederholt Gegenanträge zur BAYER-Hauptversammlung eingereicht und zusammen mit Imker/innen aus drei Kontinenten gegen den fortgesetzten Einsatz der Mittel protestiert. „BAYER und SYNGENTA müssen Neonicotinoide jetzt umgehend weltweit vom Markt nehmen – ein doppelter Sicherheitsstandard für Europa und den Rest der Welt ist nicht hinnehmbar!“, so Mimkes weiter.

Die CBG fordert zudem die Bundesregierung auf, den Vorschlag der EU rückhaltlos zu unterstützen. Nach Medienberichten wollen insbesondere England und Deutschland ein Verbot torpedieren. Das EU-Verbot soll für die wichtigsten Kulturen (Sonnenblumen, Raps, Mais und Baumwolle) gelten.

Nach den massiven Bienensterben im Jahr 2008 hatte die CBG wegen „wissentlicher Gefährdung von Bienen, Wildinsekten und Vögeln“ Strafanzeige gegen den BAYER-Vorstand eingereicht. In der Hauptversammlung des Konzerns waren im vergangenen Jahr mehr als eine Million Unterschriften für einen Verkaufs-Stopp übergeben worden.

Bereits vor zwei Jahren hatte die UN-Umweltbehörde UNEP Imidacloprid und Clothianidin in einem Bericht zum globalen Bienensterben als „Bedrohung zahlreicher Tierarten“ bezeichnet.

Die Auseinandersetzung um das globale Bienensterben hat viel Zeit und Geld gekostet. Sie können die Kampagne online mit ihrer Spende unterstützen

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Yasmin / Yaz

CBG Redaktion

28. Januar 2013

Anti-Baby-Pillen auf dem Prüfstand der EU

Die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) will neuere Antibaby-Pillen wegen möglicher Thrombose-Gefahren unter die Lupe nehmen. Frankreich habe die Behörde gebeten zu prüfen, ob der Einsatz von Verhütungsmitteln der sogenannten dritten und vierten Generation auf Frauen beschränkt werden sollte, die keine anderen Pillen nehmen könnten, teilte die EMA am Montag in London mit.
Die französische Regierung hatte die EMA vor zweieinhalb Wochen aufgerufen, die Verschreibung von Anti-Baby-Pillen der dritten und vierten Generation einzuschränken. Das wolle den Einsatz solcher Verhütungsmittel zugunsten älterer Präparate der sogenannten zweiten Generation einschränken.
Bei den jüngeren Verhütungsmitteln besteht im Vergleich zu Pillen der zweiten Generation ein erhöhtes Thrombose-Risiko und damit ein höheres Schlaganfall-Risiko. In Frankreich wurde die Diskussion unter anderem durch die Mitte Dezember eingereichte Klage einer jungen Frau gegen den deutschen Pharma-Konzern Bayer angeheizt. Die junge Frau, die die Bayer-Pille Meliane einnahm, erlitt 2006 einen Schlaganfall und ist seitdem schwerbehindert. In Frankreich nehmen derzeit rund 2,5 Millionen Frauen Pillen der dritten oder vierten Generation - das ist etwa die Hälfte der Frauen, die die Pille nutzen.
Die EMA betonte am Montag, das Thrombose-Risiko sei auch bei Pillen der dritten und vierten Generation „sehr gering“. Vor zweieinhalb Wochen hatte die Agentur beteuert, es gebe für Nutzerinnen dieser Pillen „überhaupt keinen Grund“, sie abzusetzen. Es gebe „keine neuen Beweise“ für ein verändertes „Sicherheitsprofil“ der Verhütungsmittel.
Für Wirbel sorgt in Frankreich derzeit auch das Akne-Medikament Diane 35, das häufig als Verhütungsmittel verschrieben wird. Die französische Arzneimittelaufsicht (ANSM) stellte am Wochenende vier Todesfälle mit der Einnahme des von Bayer hergestellten Medikaments in Zusammenhang. Am Montag forderte die Behörde die Ärzte in Frankreich auf, Diane 35 nicht mehr als Verhütungsmittel zu verschreiben.

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Nanotubes

CBG Redaktion

Presse Info vom 24. Januar 2013
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Nanotechnik-Projekte von BAYER

Millionen-Förderung für Risikotechnologie

Der BAYER-Konzern hat öffentliche Zuschüsse von mindestens neun Millionen Euro für die Erforschung sogenannter Carbon Nanotubes (CNT) erhalten. Dies geht aus einer auf Anfrage der Coordination gegen BAYER-Gefahren erstellten Aufstellung des Bundesforschungsministeriums (BMBF) hervor. Nanotubes sind winzige Röhrchen aus Kohlenstoff. Tierversuche zeigen, dass bestimmte CNT - ähnlich wie Asbestfasern - die Entstehung von Krebs begünstigen können.

Allein 4,3 Mio. Euro hat das BMBF demnach für ein „Scale Up“ zur großtechnischen Herstellung von Nanotubes bewilligt. Die Mittel flossen in den Bau der nach Angaben von BAYER „weltgrößten Pilotanlage für Kohlenstoff-Nanoröhrchen“, die im Januar 2010 in Leverkusen eröffnet wurde. Geplant war dort eine jährliche Produktion von 200 Tonnen. Wegen technischer Probleme läuft die Anlage bis heute jedoch mit einer weit geringeren Kapazität.

Wegen der Probleme in Leverkusen hat BAYER im vergangenen Jahr den Antrag gestellt, eine Versuchsanlage im badischen Laufenburg in unmittelbarer Nähe von Schulen, Kindergärten und Wohngebieten in einen regulären Produktionsbetrieb zu überführen. Obwohl Umweltverbände und Anwohner/innen rund 60 Einwendungen eingereicht haben, wurde im November die Herstellung von 75 Jahrestonnen Nanotubes genehmigt. Nach Angaben von BAYER handelt es sich um die einzige Produktion weltweit im „Multitonnen-Maßstab“.

Das Regierungspräsidium Freiburg stützte sich in seinem Bescheid ausschließlich auf einseitig recherchierte Aussagen des umstrittenen Toxikologen Helmut Greim, der seit Jahrzehnten für seine industrie-freundlichen Expertisen bekannt ist. Greim hatte in seinem Gutachten hauptsächlich Studien zitiert, die BAYER selbst durchgeführt hatte.

Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Es ist nicht einzusehen, weswegen ein Konzern mit einem Jahresgewinn von rund drei Milliarden Euro öffentliche Fördergelder erhält – zumal für die großtechnologische Produktion einer Risiko-Technologie, deren toxikologische Auswirkungen auf Mensch und Umwelt noch gar nicht umfassend erforscht sind. Stattdessen sollte das Forschungsministerium lieber unabhängige Untersuchungen von Nanotubes unterstützen.“

Claudia Baitinger vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND NRW) ergänzt: „Bislang gibt es bei Freisetzungen von Nanomaterialien im Wasser-, Bodenschutz- und Abfallrecht noch keinerlei Regelungen. Wir halten deshalb den Umgang mit diesen Stoffen über den Labormaßstab hinaus für unverantwortlich, solange der Gesetzgeber mit drittschützenden Maßnahmen hinterherhinkt.“

Carbon Nanotubes sollen in Lacken, beim Bau von Rotorblättern und in Sportartikeln wie Skiern oder Hockey-Schlägern eingesetzt werden. Die winzigen Partikel können vom Körper über die Atemwege, den Magen-Darm-Trakt und die Haut aufgenommen werden. DNA-Schäden sind hierdurch ebenso möglich wie eine Beeinträchtigung der Lungenfunktion. Selbst der BAYER-Konzern hält in dem Sicherheitsdatenblatt zu den in Laufenburg produzierten „BAYTUBES C 70P“ fest: „Achtung – noch nicht vollständig geprüfter Stoff“ und warnt vor einem Kontakt mit dem Material, denn: „Toxikologische Untersuchungen am Produkt liegen nicht vor.“

=> Die Aufstellung der vom BMBF geförderten Projekte

weitere Informationen zur Nanotubes-Kampagne

Lipobay

CBG Redaktion

Presse Info vom 23. Januar 2013
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Lipobay-Skandal:

BAYER in Italien zu Entschädigung verurteilt

Italienische Medien berichten, dass der BAYER-Konzern in der vergangenen Woche von einem Gericht in Venedig zu einer Entschädigung von 350.000 Euro an ein Lipobay-Opfer verurteilt wurde (siehe Artikel Il Gazzettino). Ein damals 51-jähriger Arzt hatte sich das Präparat im Jahr 1999 selbst verschrieben. Zwei Monate später erlitt er eine lebensbedrohliche Rhabdomyolyse (Muskelzerfall) und war zu 100% arbeitsunfähig geworden. Er bezieht seitdem eine Invalidenrente. BAYER muss auch die Verfahrenskosten in Höhe von 14.000 Euro tragen.

Erst im vergangenen September war das Unternehmen in Buenos Aires zu einer Entschädigung von 160.000 Euro an ein argentinisches Lipobay-Opfer verurteilt worden. Das Urteil hatte einen kausalen Zusammenhang zwischen der Einnahme des Präparats und schweren Gesundheits-Schäden sowie ein schuldhaftes Verhalten des Konzerns festgestellt.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Firmeninterne Dokumente belegen, dass das Management von BAYER die schweren Gesundheitsschäden der Patienten billigend in Kauf nahm und dabei sogar Warnungen aus dem eigenen Haus missachtete. Die Entscheidungen der Gerichte in Argentinien und nun in Italien sind daher eine große Genugtuung für die Betroffenen in aller Welt. Zusätzlich fordern wir strafrechtliche Konsequenzen für die damaligen Verantwortlichen bei BAYER.“

Der Konzern hatte das Präparat im August 2001 nach über 100 Todesfällen vom Markt genommen. Weltweit leistete BAYER Vergleichszahlungen von über einer Milliarde Euro. In den meisten Fällen zahlte das Unternehmen Entschädigungen, bevor es zu einer Verurteilung kam. In Deutschland kam es nur zu marginalen Zahlungen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat heute eine Kampagnenseite zum Lipobay-Skandal mit Berichten von Betroffenen, Gerichtsurteilen und Presseberichten veröffentlicht

[TDI] TDI Dormagen

CBG Redaktion

22. Januar 2013
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Dormagen: Genehmigung für umstrittene TDI-Anlage

hoher Energie- und Rohstoff-Verbrauch / Kritik von Umweltverbänden führt zu Auflagen / Schutzraum und Warntafeln am S-Bahnhof „Bayerwerk“

Die Bezirksregierung Köln hat eine Bau- und Betriebsgenehmigung für die umstrittene TDI-Anlage in Dormagen erteilt (siehe: http://www.bezreg-koeln.nrw.de/brk_internet/presse/pressemeldungen/archiv_2013/presse_003_2013/bekanntmachung.pdf). Umweltverbände hatten das Projekt vor allem wegen des enormen Ressourcen-Verbrauchs sowie wegen der Verwendung hochgefährlicher Zwischenprodukte wie Phosgen kritisiert. Die Einwendungen der Coordination gegen BAYER-Gefahren und des BUND waren Ende 2011 in einem zweitägigen Erörterungstermin diskutiert worden.

Auf viele Kritikpunkte geht die Bezirksregierung in dem Genehmigungsbescheid nicht ein. So fehlt eine vollständige Energie- und Treibhausgas-Bilanz, da die Herstellung von Vorprodukten wie Kohlenmonoxid und Chlor in getrennte Verfahren ausgelagert wurde. Eine Bewertung der Umweltauswirkungen der TDI-Produktion ist nach Auffassung der Umweltverbände daher nicht möglich.

Auch wird die Forderung nach einer Betonhülle um alle phosgen-führenden Anlagenteile nicht erfüllt. Geplant ist stattdessen eine Einhausung aus Blechplatten. Zu dieser Frage hatten Behördenvertreter/innen eigens eine Betonhülle in einem Isocyanat-Betrieb in Stade besichtigt.

Rund um die Anlage sollen Phosgendetektoren installiert werden. Zudem wird am S-Bahnhof Bayerwerk ein Schutzraum mit Warntafeln gebaut. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hatte bemängelt, dass der Bahnhof nur 300m von der Anlage entfernt liegt, während die Kommission für Anlagensicherheit für Phosgen einen Sicherheits-Abstand von 1.500m empfiehlt.

Philipp Mimkes von der CBG: „Wir sind nach wie vor gegen die Genehmigung einer Anlage, deren Bau über Jahrzehnte hinweg die Herstellung gefährlichster Stoffe zementiert. Nirgendwo in den Antragsunterlagen werden die Folgen eines Austritts großer Mengen Phosgen untersucht, obwohl sich in der Anlage zu jedem Zeitpunkt 60 Tonnen dieses einstigen Kampfgases befinden. Zwar führte die jahrzehntelange Kritik der Umweltverbände dazu, dass neue Isocyanat-Betriebe nur noch mit Einhausung gebaut werden dürfen. Der Bau eines Schutzraums auf öffentlich zugänglichem Gelände stellt aber eine Externalisierung der Maßnahmen zu Anlagensicherheit zu Lasten der Bevölkerung dar“.

Hier einige Anmerkungen zu Auszügen aus dem Genehmigungsbescheid im Detail:

Klimaemission (S. 29)
Hier heißt es: „Abgesehen von der Wärmeträgeröl-Anlage emittiert die TDI-Anlage kein CO2. Sie unterliegt daher nicht dem Treibhausemissionshandelsgesetz (TEHG) und bedarf daher keiner Genehmigung nach diesem Gesetz. Eine mögliche Vermeidung oder Reduzierung der CO2-Emissionen ist nicht ersichtlich. Weitergehende Anforderungen z.B. durch Erstellung einer Energie- oder CO2-Bilanz ergeben sich nach aktuellem deutschem Recht nicht.“
Diese Sichtweise ignoriert, dass für die Herstellung der Vorprodukte wie Kohlenmonoxid, Chlor, TDA, etc ein hoher Ressourcen-Einsatz erforderlich ist.

Störfälle (S. 56)
Hierzu heißt es: „Es wird seitens der Einwender befürchtet, dass die Antragstellerin Ereignisse und Störfälle, die in der Vergangenheit bei anderen Anlagen stattgefunden haben, bei der Planung der Anlage nicht berücksichtigt hat.
Wie bereits ausgeführt, wurde durch die Antragstellerin im Rahmen der Planung der Anlage zur Erfüllung der Betreiberpflichten gemäß Störfall-Verordnung eine Gefahrenanalyse durchgeführt, die vom LANUV geprüft wurde. Im Rahmen dieser Prüfung wurden seitens des LANUV auch Ursachen verschiedener Störungen der Vergangenheit und die Vergleichbarkeit dieser Störungen im Hinblick auf die geplante Anlage mit der Antragstellerin besprochen.“
Die Einwender/innen hatten auf mehrere Groß-Unfälle in BAYER-Werken hingewiesen (Baytown/US, Dormagen, Institute/US), auf die in den öffentlich zugänglichen Antragsunterlagen nicht eingegangen wird. Es fehlt eine nachvollziehbare Erläuterung, welche Konsequenzen aus den vorherigen Störfällen gezogen wurden.

Gefahren benachbarter Anlagen
Die Einwender/innen hatten auf Gefahren durch „Domino-Effekte“ hingewiesen. Hierzu wird lediglich ausgeführt: „Gemäß den Antragsunterlagen befinden sich im relevanten Abstand zur TDI-Anlage die TAD-Anlage, ein BCS-Lager, die Salzsäure-Anlage und die NaCl-Elektrolyse sowie ein CO-Reformer. Weiterhin wird ein zusätzlicher CO-Reformer im Umkreis der TDI-Anlage geplant. Diese Anlagen unterliegen alle den Pflichten der Störfall-Verordnung und müssen die Umsetzung der Anforderungen dieser Verordnung dokumentieren.“

Betonhülle S. 64
Hierzu heißt es: „Im Rahmen des Erörterungstermins wurde darüber hinaus die Bauform der geplanten Anlage in Frage gestellt. Die Anlage eines anderen Betreibers im Norden Deutschlands sei mit einer druckfesten Einhausung ausgestattet. Diese Einhausung sei auch für die TDI-Anlage notwendig und zu fordern.
Wie auf dem Erörterungstermin zugesagt, wurde diese Anlage im Nachgang des Erörterungstermins von Vertretern der Genehmigungsbehörde und des LANUV am 19.12.2011 besichtigt. Die Betreiberin dieser Anlage hat dabei umfangreich Informationen zum Sicherheitskonzept und zu Ausführung und Betrieb der Anlage gegeben.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich die besagte Anlage, die 1991 errichtet wurde, und die TDI-Anlage in wesentlichen sicherheitstechnischen Verfahrensbedingungen unterscheiden. Zunächst handelt es sich nicht um eine Anlage zur Herstellung von Toluylendiisocyanat (TDI), sondern Methylendiphenyldiisocyanat (MDI), die anderen verfahrenstechnischen Bedingungen unterliegt. Dem entsprechend wird ein anderes Lösungsmittel eingesetzt und diese MDI-Anlage bei höheren Drücken betrieben, was wiederum eine andere sicherheitstechnische Ausstattung erfordert. Weiterhin handelt es sich bei dem Verfahren der besichtigten Anlage um eine Flüssigphasenphosgenierung, während die TDI-Anlage das unstrittig sicherheitstechnisch vorzuziehende Gasphasenphosgenierverfahren verwendet.“

Angemessene Abstände nach Art. 12 der Seveso-II-Richtlinie (S. 69/70)
Dies ist der wohl interessanteste Punkt: die Bahnstrecke und die Straße, die durch das Werk führen, sowie der S-Bahnhof Bayerwerk befinden sich deutlich innerhalb des empfohlenen Sicherheits-Abstands von 1.500m. Die Frequentierung von 5.000 PkW bzw. 140 Zügen wird als niedrig (!) bezeichnet. Immerhin führte die Kritik zur Errichtung eines öffentlichen Schutzraums. Wörtlich heißt es:
„Um auch diesen Aspekt der angemessenen Abstände mit ausreichender Sorgfalt prüfen zu können, wurde als zusätzliche Erkenntnisquelle ein Gutachten durch einen Sachverständigen nach § 29a BImSchG in Auftrag gegeben, um die angemessenen Abstände in Anlehnung an die Regelungen des KAS-18-Leitfadens (Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung - Umsetzung § 50 BImSchG) zu ermitteln.
Im Ergebnis wurde festgestellt, dass nahezu alle relevanten schutzbedürftigen Gebiete (Wohngebiete, öffentlich genutzte Gebiete, Freizeitgebiete und naturschutzrelevante Gebiete) außerhalb der jeweils ermittelten angemessenen Abstände liegen.
Nur die S-Bahn-Station „Dormagen Bayerwerk“ sowie Teile der Verkehrswege Bahntrasse und Parallelweg liegen innerhalb dieser angemessenen Abstände. Aufgrund der geringen Frequentierung des Parallelweges von ca. 5.000 PKW pro Tag ist dieser nicht als wichtiger Verkehrsweg im Sinne Art. 12 der Seveso-II Richtlinie zu betrachten. Aufgrund der Frequentierung der Bahntrasse durch ca. 140 Züge pro Tag wird auch dieser nicht als wichtiger Verkehrsweg angesehen. Es handelt sich auch nur um ein kurzes Streckenstück, das sich innerhalb der angemessenen Abstände befindet.
In Absprache mit der Antragstellerin und der CHEMPARK-Betreiberin wurde für die S-Bahn-Station „Dormagen Bayerwerk“ ein zusätzlicher Schutzraum auf der westlichen Bahnsteigseite errichtet. Weiterhin werden in der Umgebung des Bahnhofes „Informationstafeln mit Sicherheitsmaßnahmen und zum richtigen Verhalten im Störungsfall“ aufgestellt.“

Phosgendetektoren (S. 72)
Auch hier kommt die Behörde den Forderungen der Umweltverbände nach: „Neben der Detektion von Leckagen durch verschiedene Detektionssysteme innerhalb der geplanten TDI-Anlage, sind außerhalb der Anlage in geeignetem Umkreis Phosgendetektoren auf mehreren Gebäudedächern geplant. Die Lage wurde mit der Behörde abgestimmt.“

Auswärtige Feuerwehren (S. 73)
Nicht nachvollzogen werden können die Aussagen zu auswärtigen Feuerwehren. Beim großen INEOS-Brand in Dormagen waren hunderte von Feuerwehrleuten eingesetzt worden, die mit den spezifischen Gefahren nicht vertraut waren. Hierzu heißt es im Bescheid:
„Die Aus- und Fortbildung von Mitarbeitern der Gefahrenabwehr als auch der ehrenamtlichen Angehörigen öffentlicher Feuerwehren sind im Feuerschutz- und Hilfeleistungsgesetz geregelt. Danach sind für Grundausbildung die Gemeinden, für die weitergehende Aus- und Fortbildung die kreisfreien Städte und Kreise zuständig. Eine Ausbildung von ehrenamtlichen Feuerwehren hinsichtlich anlagen- oder stoffspezifischer Fragestellungen ist im Übrigen nicht erforderlich, da Aufgaben, die dies erfordern, von diesen Personen nicht wahrgenommen werden.“

Versicherung (S. 77)
Die Einwender hatten nachgefragt, welche möglichen Schäden durch Versicherungen abgedeckt wären. Hierzu heißt es lediglich: „Die Deckungssumme der Haftpflichtversicherung kann seitens der Genehmigungsbehörde mangels rechtlicher Prüfgrundlagen nicht überprüft werden.“

Presseberichte, Einwendungen und weitere Informationen

Blutprodukte

CBG Redaktion

siehe auch: Experten dringen auf Entschädigung der durch Blutprodukte mit HCV infizierten Bluterkrankten

Presse Information vom 18. Januar 2013

Coordination gegen BAYER-Gefahren
Robin Blood (www.RobinBlood.org)

Hepatitis-belastete Blutprodukte in den 80er Jahren

„Infektionen billigend in Kauf genommen“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren und das Netzwerk Robin Blood kritisieren die in der vergangenen Woche veröffentlichten Antworten der Bundesregierung auf zwei Anfragen der Linkspartei zu Hepatitis-belasteten Blutprodukten (Drucksachen 17/10910 und
17/11934). Die Regierung bezeichnet die damaligen Infektionen Tausender Bluter darin als „schicksalhaft“.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Der Bundestags-Untersuchungsausschuss „HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte“ (Bundestagsdrucksache 12/8591) kam zu dem Ergebnis, dass ab Ende 1982 nahezu alle Infektionen hätten verhindert werden können. Es ist nicht hinnehmbar, wenn Behörden und Industrie nun versuchen, die Geschichte umzuschreiben“.

Andreas Bemeleit, Betroffener und Gründer des Netzwerks Robin Blood, ergänzt: „Die pharmazeutischen Unternehmen haben aus reiner Profitgier unzählige Infektionen billigend in Kauf genommen. Die Bundesregierung hat seinerzeit ihre Aufsichtspflicht verletzt und sich zum Handlanger der Industrie gemacht. Der hilflos anmutende Verweis auf eine angebliche Schicksalhaftigkeit der Ereignisse zeigt, dass die Bundesregierung nicht gewillt ist, Verantwortung zu übernehmen und nicht fähig ist, ihre Positionen gegenüber der pharmazeutischen Industrie durchzusetzen.”

Etwa 90 Prozent des für die Gewinnung von Gerinnungsfaktoren verwendeten Blutplasmas wurden in den 70er und 80er Jahren aus den USA importiert. Dort galten andere Sicherheitsbestimmungen, u. a. wurden bis 1985 Risikogruppen wie Drogenabhängige, Prostituierte und Strafgefangene als Spender zugelassen. Eine risiko-mindernde Auswahl der Blutspender gab es meist nicht. Der in Deutschland seit 1976 vorgeschriebene ALT-Test wurde in den USA erst ab 1986 Pflicht. Zudem wurden Inaktivierungsverfahren zur Senkung der Infektionsgefahr wegen des Widerstands der Pharma-Industrie jahrelang nicht angewendet.

Andreas Bemeleit bezeichnet es als „erstaunlich“, mit welcher Vehemenz die Regierung die vorliegenden Fakten, darunter das Ergebnis des Untersuchungsausschusses, ignoriert: „Viele Infektionen hätten damals vermieden werden können, wenn das Bundesgesundheitsamt auf die Verwendung virus-inaktivierter Präparate bestanden hätte. Stattdessen ließ sich das BGA in eine jahrelange Diskussion mit der Industrie verwickeln, die die teuren Umstrukturierungen in den Fertigungsbetrieben vermeiden wollte. Fast 75 Prozent der Infektionen erfolgten in diesem Zeitraum.“

Weltmarktführer damals war der Leverkusener BAYER-Konzern. Nach dem Verbot unbehandelter Blutprodukte in den USA und Europa hatte das Unternehmen die übriggebliebenen Chargen nach Lateinamerika und Asien exportiert, wo es zu weiteren Infektionen kam.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren kooperiert seit 25 Jahren mit HIV- und Hepatitis-infizierten Blutern. Ziele der Kampagne sind eine dauerhafte Stiftungslösung, die den Betroffenen ein würdiges Leben ermöglicht, sowie strafrechtliche Ermittlungen gegen die Verantwortlichen in der Pharma-Industrie.

weitere Informationen:
=> Süddeutsche Zeitung „Eiskalte Abwicklung eines Skandals“
=> Neue Dokumente zur HIV-Infizierung Tausender Bluter durch die Bayer-Tochterfirma Cutter
=> Interne Aufstellung des Gesundheitsministeriums: http://robinblood.org/?page_id=239
=> Pharmaindustrie muss infizierte Bluter entschädigen!
=> Rede von Andreas Bemeleit in BAYER-Hauptversammlung
=> Ergebnisse des Untersuchungs-Ausschuss des Deutschen Bundestags (40 MB): http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/12/085/1208591.pdf
=> „Tödlicher Ausverkauf“: Cutter-Exporte nach Asien
=> Gier nach Beute: Interview mit Todd Smith, USA

[EFSA] Bienensterben

CBG Redaktion

16. Januar 2013
Coordination gegen BAYER-Gefahren

EFSA-Bewertung von Neonicotinoiden

EU-Behörde: „unakzeptable“ Gefahren für Bienen

Die European Food Safety Authority (EFSA) hat in einer heute veröffentlichten Stellungnahme vor den Gefahren von drei Insektiziden gewarnt. Nach Auffassung der Behörde zeige sich für einige Anwendungsgebiete „ein hohes Risiko für Honigbienen“. In der von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen Untersuchung ging es um Wirkstoffe der Unternehmen BAYER und SYNGENTA, die zur Substanzklasse der Neonicotinoide gehören.

Die EFSA warnt, dass Bienen die Wirkstoffe über belasteten Nektar und Pollen aufnehmen. Hierdurch wird der Orientierungssinn der Tiere gestört, sodass sie nicht mehr in ihre Bienenstöcke zurückfinden. Eine Gefahr sieht die EFSA auch durch den Abrieb der Wirkstoffe von gebeiztem Saatgut. Die Behörde hält daher eine Verwendung von Neonicotinoiden allenfalls auf solchen Pflanzen für akzeptabel, die für Bienen unattraktiv sind. Mais, Raps und Sonnenblumen dürften dann nicht mehr mit Insektiziden gebeizt werden.

Ein Sprecher von EU-Kommissar Tonio Borg kommentierte, die Untersuchung habe „ziemlich klare“ und „beunruhigende“ Schlussfolgerungen ergeben. Die EU werde gemeinsam mit den Mitgliedstaaten über ein Verbot beraten. Bereits 2011 hatte die UN-Umweltbehörde UNEP Neonicotinoide in einem Bericht zu globalen Bienensterben als eine Bedrohung für zahlreiche Tierarten bezeichnet.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) arbeitet seit 1998 zur Bienengefährlichkeit der von BAYER CropScience verkauften Wirkstoffe Imidacloprid und Clothianidin und kooperiert hierbei eng mit Imker/innen im In- und Ausland. Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Die Gefahren von Neonicotinoiden sind in zahlreichen großen Studien bestätigt worden. Durch die fortgesetzte Vermarktung der Präparate gefährdet das BAYER-Management wissentlich den Bestand von Bienen, Wildinsekten und Vögeln. Die EU-Behörden müssen nun reagieren und die Zulassung von Clothianidin und Imidacloprid vollständig aufheben“.

In der Hauptversammlung der BAYER AG waren mehr als eine Million Unterschriften für einen sofortigen Verkaufs-Stopp übergeben worden. Geschädigte Imker hatten in der Versammlung wiederholt auf die durch Neonicotinoide verursachten Bienensterben hingewiesen.

Nach einer Reihe großer Bienensterben hatten die Wirkstoffe bereits in Deutschland, Frankreich und Italien die wichtigsten Zulassungen verloren. Trotzdem exportiert BAYER die Präparate in mehr als 100 Länder.

ausführliche Informationen zur Kampagne

Die vollständige Bewertung der EFSA: http://www.efsa.europa.eu/en/press/news/130116.htm?utm_source=homepage&utm_medium=infocus&utm_campaign=beehealth

[Yasmin] Antibaby-Pillen

CBG Redaktion

Presse Information vom 15. Januar 2013

Coordination gegen BAYER-Gefahren
Selbsthilfegruppe Drospirenon Geschädigter (SDG)

Verbot gefährlicher Antibaby-Pillen gefordert

Klagen gegen BAYER in Frankreich, USA, Deutschland und der Schweiz / mindestens 18 Todesfälle in Deutschland / mehr als 700 Mio. Euro Entschädigung

Wegen der erhöhten Thrombose-Gefahren von Antibabypillen der 3. und 4. Generation werden gegen den BAYER-Konzern immer mehr Klagen eingereicht, aktuell in Frankreich und der Schweiz. Für Vergleichszahlungen musste der Konzern bisher über 700 Mio. Euro aufwenden. Insgesamt sind gegen BAYER mindestens 13.500 Klagen anhängig.

Die Geschädigten erneuern nun ihre Forderung, wonach alle „Pillen“ mit erhöhten Nebenwirkungen vom Markt genommen werden müssen. Felicitas Rohrer, Mitbegründerin der Selbsthilfegruppe Drospirenon-Geschädigter, hat bereits Klage eingereicht: „Die jüngsten Entwicklungen in den USA, Frankreich und der Schweiz zeigen, dass BAYER mit dem Rücken zur Wand steht. Von einem angeblichen „positiven Nutzen/Risiko-Profil“ der Präparate kann längst nicht mehr gesprochen werden. Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass BAYER amerikanische Opfer mit enormen Summen entschädigt, sich aber in Europa weiterhin weigert, Verantwortung für exakt dieselben Pillen zu übernehmen.“ Rohrer kritisiert, dass BAYER auf die Gesprächsangebote der Opfer bislang nicht eingegangen ist: „Immer noch werden wir als Einzelfälle behandelt. Klägerinnen in Deutschland müssen nun schon seit Jahren für Gerechtigkeit kämpfen!“. Rohrer hatte nach Einnahme der BAYER-Pille Yasminelle eine schwere Embolie erlitten und nur durch ein Wunder überlebt.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) ergänzt: Alle Präparate mit dem Hormon Drospirenon müssen umgehend vom Markt genommen werden, eine weitere Zulassung ist nicht zu rechtfertigen. Mit einem freiwilligen Einlenken von BAYER ist jedoch nicht zu rechnen, so lange die Entschädigungen nicht die Gewinne durch den Verkauf übersteigen – eine zynische Rechnung!“. Die BAYER AG macht mit drospirenonhaltigen Antibabypillen einen jährlichen Umsatz von über einer Milliarden Euro.

In Frankreich sollen die Kosten von Pillen wie Yasmin und Yaz ab Anfang April wegen ihres erhöhten Risiko-Profils nicht mehr von den Krankenkassen übernommen werden – nach Auffassung der CBG ein „Schritt in die richtige Richtung“. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte mehrfach Gegenanträge zur BAYER-Hauptversammlung gestellt und Betroffene eingeladen, vor Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionären über die tödlichen Risiken neuerer Antibaby-Pillen zu sprechen.

Pillen wie Yasmin, Yasminelle, Yaz, Aida und Petibelle, die das Hormon Drospirenon enthalten, verursachen Studien zufolge ein um den Faktor drei erhöhtes Embolie- und Thromboserisiko. Nach Angaben der Aufsichtsbehörde FDA starben in den USA mindestens 190 Frauen nach der Einnahme von Yaz. In Deutschland waren es nach jüngsten Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 18 Frauen. Ein kausaler Zusammenhang ist im Einzelfall nicht zu belegen (die Zahlen bieten also nur einen Anhaltspunkt), zu befürchten ist aber eine hohe Dunkelziffer.

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Antibaby-Pille

CBG Redaktion

9.01.2013

Anti-Baby-Pille:

30 Französinnen verklagen Pharma-Firmen wegen fahrlässiger Körperverletzung

Thrombosen, Lungen-Embolien, Hirnschläge – 30 Frauen in Frankreich sehen einen Zusammenhang zwischen schweren Gesundheitsproblemen und der Einnahme der Anti-Baby-Pille. Sie verklagen die Pharma-Konzerne.

Paris. „Meliane“ hat ihr Leben zerstört, sagt Marion Larat. Die Anti-Baby-Pille sei schuld daran, dass sie 2006 einen Gehirnschlag erlitt und ins Koma fiel. Seither leidet sie an epileptischen Anfällen und ist zu 65 Prozent behindert. Neun Mal musste sie operiert werden. „Weil sie eine Verhütungspille genommen hat, wurde ihr Alltag zu einem Albtraum“, erklärt Marions Vater André Larat. Deshalb klagt die 25-jährige Französin gegen das Pharma-Unternehmen Bayer als Hersteller von „Meliane“ (in Deutschland nicht auf dem Markt) wegen fahrlässiger Körperverletzung sowie gegen den Generaldirektor der französischen Nationalagentur für die Sicherheit von Medikamenten ANSM. Ihr haben sich nun 30 weitere Französinnen angeschlossen, die die Konzerne Bayer, Schering, Pfizer und Merck verklagen wegen der Herstellung von Pillen der dritten und vierten Generation.

Die Frauen im Alter zwischen 17 und 48 Jahren sehen einen Zusammenhang zwischen der Einnahme und schweren Gesundheitsproblemen wie Thrombosen, Lungen-Embolien, Hirnschlägen und Venenentzündungen. Eine von ihnen ist gestorben; ihre Familie hat Klage eingereicht. Die Pillen der dritten und vierten Generation sind in Frankreich seit den 80er Jahren auf dem Markt und haben gegenüber denen der ersten und zweiten Generation einen geringeren Östrogengehalt. Das soll unerwünschte Nebenwirkungen wie Akne oder Gewichtszunahme vermeiden. Allerdings konnten diese Vorteile laut einer Studie der Gesundheitsbehörde HAS vom September 2012 nicht nachgewiesen werden; dennoch nehmen 1,5 bis zwei Millionen Frauen in Frankreich diese Pille.

Als erwiesen gilt hingegen ein verdoppeltes Risiko von Blutgerinnseln gegenüber den Pillen der ersten und zweiten Generation, die ebenfalls bereits diese Gefahr bergen, vor allem in Verbindung mit Tabak-Konsum, Übergewicht oder häufigen Flugreisen. In den USA wurden Ende 2011 mehr als 13 000 Klagen gegen den Konzern Bayer eingereicht, der sich auf einen Vergleich und die Zahlung von 107 Millionen Euro einließ.

Bernard Delorme von der ANSM sagte in der französischen Zeitung „Le Figaro“, jährlich sterben in Frankreich zehn bis 30 Frauen an den Folgen der Pillen-Einnahme. Dementsprechend stark stehen nun auch die Gesundheitsbehörden in der Kritik. Die ANSM empfiehlt nun, die Verschreibung der Pillen der dritten und vierten Generation massiv einzuschränken. Gesundheitsministerin Marisol Touraine hat angekündigt, ab März würden die Kosten nicht mehr von der Krankenkasse erstattet. Den Betroffenen und vielen Experten geht das nicht weit genug. „Auch wenn das erhöhte Risiko relativ schwach ist, ist es nicht akzeptabel, wenn es sichere Alternativen gibt“, sagt der Professor für medizinische Pharmakologie Jean-Louis Montatruc. Véronique Séhier vom Nationalen Büro für Familienplanung fordert eine klare Entscheidung: „Entweder die Pillen der dritten und vierten Generation sind gefährlich, dann muss man sie vom Markt nehmen. Oder sie sind ungefährlich, dann darf man keine Unterschiede zu den anderen Verhütungspillen machen.“

Marion Larat ist von der Gefahr überzeugt und kämpft dafür, dass andere Frauen nicht dasselbe Schicksal erleiden wie sie selbst. Bayer hat erklärt, die Vorwürfe prüfen zu wollen. Man habe aber Verständnis für den Schmerz der Klägerin und ihrer Familie.

Behörden haben geschlafen
Fehlerhafte Brustimplantate, krank machende Appetitzügler – und jetzt eine Klagewelle gegen Hersteller von Anti-Baby-Pillen, die krank machen sollen: Frankreich hat einen neuen Gesundheitsskandal. Das Vorgehen der Behörden muss dabei verwundern: In Studien wurden die angepriesenen Vorteile der betroffenen Pillen nicht erwiesen, wohl aber eine erhöhte Gefahr für Blutgerinnsel. Dennoch wird mit Maßnahmen gezögert, und die Krankenkasse erstattet weiter einen Teil der möglicherweise schädlichen Pillen, während man gleichzeitig vor Risiken warnt. Zurück bleibt eine große Verunsicherung bei den Konsumentinnen, die sich schlecht oder falsch informiert fühlen. Erneut haben die Behörden geschlafen oder ein Auge zugedrückt. Das ist umso unverzeihlicher, als es sich um das wertvollste Gut der Patienten handelt: ihre Gesundheit.

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Yasmin

CBG Redaktion

8. Januar 2013

Anti-Baby-Pille

CSS will Geld im Fall Celine zurück

Hunderttausende Franken hat die Krankenkasse für die Nebenwirkungen Anit-Baby-Pille Yasmin von Bayer bereits ausgegeben. Nun fordert sie vom deutschen Pharma-Riesen das Geld zurück.

Die Schweizer Krankenkasse CSS nimmt den Pharmakonzern Bayer ins Visier: Sie unterstützt die Klage des mutmasslichen Antibabypillen-Opfers Celine auf finanzielle Entschädigung. Die CSS hat für Celine und auch für andere Frauen hunderttausende Franken für Heilungskosten aufgewendet – und will nun dieses Geld zurück, wie das Nachrichtenmagazin «10vor10» des Schweizer Fernsehens berichtet.

Laut dem Rechtsanwalt Felix Rüegg, der für die Familie des mutmasslichen Antibabypillen-Opfers Celine Klage gegen den Pharmakonzern Bayer eingereicht hat, hat die CSS im Fall Celine bis heute 600‚000 Franken und in einem andern Fall über 900‘000 Franken für Behandlungskosten aufgewendet. Rüegg sagt gegenüber «10vor10»: «Es soll nicht sein, dass die Allgemeinheit bezahlt und auf der andern Seite die Firma Bayer Gewinn macht».
Konkret hat die CSS eine sogenannte «Nebenintervention zur Unterstützung der Klägerin» eingereicht. Celine hatte als sechszehnjährige nur wenige Wochen die Antibabypille Yasmin der Firma Bayer eingenommen, eine schwere Lungenembolie erlitten und ist seither schwerstbehindert.

Bayer muss zahlen
Für Bayer haben die Fälle aber bereits vor einer Entscheidung im Fall Celine weitreichende Folgen. In den USA ist der deutsche Konzern mittlerweile mit 12‘400 Klagen konfrontiert, rund ein Drittel wurde mit Vergleichszahlungen in der Höhe von 750 Millionen Dollar abgegolten.
Zudem wurde die betroffene Yasmin-Pille von der Konkurrenz überholt. Nuvaring von der Firma Merck, Sharp & Dohme MSD ist seit zwei Jahren das meistverkaufte hormonelle Verhütungsmittel. Aber auch diesen droht ähnlichen Ärger. «Eine neue, grosse dänische Studie zeigt für den Nuvaring ein ähnliches Thrombose-Risiko wie die Dritt- und Viert-Generations-Pillen», sagt Stephan Krähenbühl, Präsident der Swissmedic-Kommission zu «10vor10».
Darum müssten die Warnhinweise in der Packungsbeilage des Nuvarings voraussichtlich verschärft werden. Auch die Firma MSD gerät in den USA unter Druck. Bis heute sind über 1200 Klagen wegen Nebenwirkungen des Nuvarings eingereicht worden. Bayer wollte zu den rechtlichen Schritten der CSS wegen des laufenden Verfahrens keine Stellung nehmen.

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[Pharmatests] STICHWORT BAYER 01/2013

CBG Redaktion

Arznei-Tests in Indien

BAYERs Pharma-Sklaven

Im Jahr 2010 berichtete Stichwort BAYER zum ersten Mal über die Arznei-Tests des Leverkusener Multis in Indien. Der Artikel stieß auf viel Resonanz und machte viele Medien auf das Thema aufmerksam. Zuletzt strahlte der WDR eine 45-minütige Dokumentation über die „Pharma-Sklaven“ aus, die unwissentlich ihr Leben für die Profite von Big Pharma riskieren. Auch die Politik reagierte. Die Partei „Die Linke“ zwang die Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage, zu den skandalösen Zuständen Stellung zu beziehen.

Von Jan Pehrke

„Nein, ich weiß nicht, was das war, keine Ahnung“, antwortet der 87-jährige Inder Bhimaji Jatav auf die Frage, ob ihm klar sei, dass er gerade an einem Medikamenten-Test teilnehme. Das wussten auch die anderen ProbandInnen nicht, welche die beiden JournalistInnen Benjamin Best und Rebecca Gudisch in der WDR-Dokumentation „Die Pharma-Sklaven“ interviewten. „Ich habe schweres Asthma und bin deshalb in Behandlung. Als ich dann im staatlichen Krankenhaus war, hat mich ein Arzt namens Dr. Salil Bhargav angesprochen. Er hat gesagt, ich soll in seine Privatklinik kommen. Da würde ich die beste Behandlung bekommen. Er sagte, dass sie dort Medikamente hätten, die mich heilen könnten. Er forderte mich auf, Papiere zu unterschreiben. Das waren unzählige Unterschriften auf 10 Seiten. Aber er hat nie gesagt, warum ich unterschreiben soll“, erzählt Dhananjay Shrivastav. Eine Familie berichtet von ähnlichen Erfahrungen. „Der Arzt hat uns nie etwas über die Tabletten gesagt. Er hat sie uns einfach gegeben. Er sagte, das sind teure Medikamente aus dem Ausland. Sie bekommen nur das Beste (...). Mein Vater hat erzählt, dass er aufgefordert wurde, Papiere für die Behandlung zu unterschreiben. Wir haben dem Arzt vertraut, dass er meinen Mann heilt“, erzählen etwa die Angehörigen von Mannalal. Der Arzt heilte ihn jedoch nicht. Mannalal verstarb während der Arznei-Erprobung. „Plötzlicher Herztod“ lautete die Diagnose. So wie er ließen in den vergangenen Jahren Tausende InderInnen für Big Pharma ihr Leben. Allein zwischen 2007 und 2011 gab es 2.038 Test-Tote, 158 davon bei Versuchen von BAYER.

Ethik pro forma
Eigentlich haben Ethik-Kommissionen die Aufgabe, den ordnungsgemäßen Ablauf der klinischen Pillen-Prüfungen zu überwachen. Sie sollen beispielsweise kontrollieren, ob die MedizinerInnen die TeilnehmerInnen – oftmals AnalphabetInnen – auch wirklich über die Tests informiert haben und sich behandlungsbedürftige Menschen nicht unwissentlich dem Risiko aussetzen, nur Placebos verabreicht zu bekommen. In dem süd-asiatischen Land existieren diese Organe jedoch nur auf dem Papier, wie Best und Gudisch herausfanden. Manchmal sitzen dem Gremium sogar bloß TierärztInnen vor. „Bei uns ist es auch kein Doktor“, eröffnete den ReporterInnen frank und frei ein Ethik-Kommissar, dem gegenüber die beiden sich als Angestellte einer Forschungsagentur ausgegeben hatten. An eine wirksame Beaufsichtigung der Test-Reihen durch die Komitees ist seiner Auskunft nach nicht zu denken: „Wie soll das denn gehen? Sie sind ja keine Behörde. Es sind bloß sieben, acht Leute. Wegen dieses Gesetzes müssen sie da sein, und sie treffen sich ab und zu, alle zwei Monate.“ Eine besondere Qualifikation brauchen die Mitglieder nicht. Amar Jesani vom „Centre for Studies in Ethics and Rights“ berichtete dem Tagesspiegel sogar von Pharma-Riesen, die ihre eigenen Ethik-Kommissionen gründen. Und besondere Umstände bei der Absegnung der Pillen-Erprobungen macht kaum eine der Prüf-Institutionen. „Sie zahlen, Sie kriegen den Stempel“, erklärt Chandra Gulhati, der einst selbst einer solchen Einrichtung angehörte, in dem WDR-Film das Prinzip.
Um Geld geht es auch den anderen Akteuren. Die Konzerne sparen durch die Verlagerung der Tests in arme Staaten rund ein Drittel ihrer Kosten, und die MedizinerInnen verdienen pro Versuch 3.500 Euro, was einem Jahresgehalt in einem staatlichen Krankenhaus entspricht. Darüber hinaus bekommen sie noch Leckerlis. So spendierte BAYER etwa einem indischen Doktor einen Trip nach Spanien. „Patienten werden ausgebeutet, weil sich Pharma-Firmen und Ärzte den Profit teilen wollen“, kritisiert der Augenarzt Dr. Anand Rai die gängige Praxis.
Der Leverkusener Multi wollte sich zu dieser in „Die Pharma-Sklaven“ nicht äußern. Dem Tagesspiegel gegenüber zeigte sich der Global Player, der gerade 36 Tests in dem Land laufen oder gerade abgeschlossen hat, ein wenig auskunftsfreudiger. „Klinische Prüfungen werden bei BAYER nach global einheitlichen Standards durchgeführt“, bringt eine Öffentlichkeitsarbeiterin den Textbaustein in Anschlag, den die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) schon aus den AktionärInnen-Versammlungen kennt. Zudem würden sich EmissärInnen des Unternehmens vor Ort angeblich selbst ein Bild vom ordnungsgemäßen Ablauf machen, so die Konzern-Sprecherin. Und einer besonderen Gefahr setzten sich die ProbandInnen in Mumbai und anderswo auch nicht aus: „In Indien ist der Anteil an unerwünschten Ereignissen nicht höher als in anderen Ländern.“

Die Kleine Anfrage
Die Bundesregierung sieht ebenfalls alles im grünen Bereich, wie aus ihrer Antwort auf eine von der Partei „Die Linke“ gestellte Kleine Anfrage hervorgeht, an der die CBG mitgearbeitet hat. Das verwundert allerdings nicht weiter, zeichnet für das Schriftstück als Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium doch federführend Ulrike Flach verantwortlich, die beste Kontakte zu BAYER unterhält. Im letzten Jahr besuchte die FDP-Politikerin den Leverkusener Chemie-„Park“ und heuer empfing sie in Berlin 20 Lehrlinge des Pharma-Riesen zu einem Gespräch über das Thema „Nachhaltigkeit“.
Der schwarz-gelben Koalition zufolge verlegen die Pillen-Hersteller ihre Medikamenten-Tests nicht etwa aus schnöden Kosten-Gründen in Entwicklungs- oder Schwellenländer, sondern „um eine möglichst effektive weltweite Verwendbarkeit der gewonnenen Daten sicherzustellen“. Um die Standards machen sich CDU und FDP auch keine Sorgen, denn die Studien „müssen den international festgelegten Anforderungen der Guten Klinischen Praxis entsprechen, einschließlich entsprechender Inspektions- und Überwachungsmaßnahmen“. Ob das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ oder eine andere bundesdeutsche Institution die entsprechenden Überprüfungen unternimmt, dazu mochte sich die Regierungskoalition jedoch konkret nicht äußern. Es ist lediglich „von den zuständigen Behörden der EU-Mitgliedsstaaten“ die Rede. Und besondere Aktivitäten entfalten diese nicht. So gab die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ (EMA) gegenüber einem Journalisten der Faz zu, „nur eine kleine Anzahl der Studien“ untersuchen zu können, noch dazu erst ein Jahr nach dem Abschluss und ohne Zugang zu den PatientInnen zu haben. Sie baue aber gerade Kontakte in Indien, Russland und China auf, um die Zahl der Kontrollen zu erhöhen, versuchte die EMA zu beschwichtigen.
Eine solche Kontakt-Anbahnung scheint auch die christlich-liberale Koalition nötig zu haben, liegen ihr doch „keine systematischen Informationen darüber vor, welche bundesdeutschen Unternehmen klinische Prüfungen von Arzneimitteln außerhalb Europas durchführen“. Zur Höhe des Anteils der Todesfälle durch Pharmazeutika-Nebenwirkungen im Vergleich zu den Todesfällen durch Vorerkrankungen vermag die Bundesregierung ebenfalls keine Angaben zu machen, da es keine „übergreifende Statistik“ gibt und keine Pflicht besteht, die Todesfälle durch Vorerkrankungen in den Dokumenten zu verzeichnen. Nach der – äußerst strittigen – Darstellung BAYERs starben 2010 in Indien „bloß“ fünf ProbandInnen zweifelsfrei an unerwünschten Medikamenten-Effekten. Den Hinterbliebenen zahlte der Konzern dafür eine Entschädigung von jeweils 5.250 Dollar. „Life is very cheap in India“, so der Kommentar eines Lesers der Publikation moneylife dazu. Merkel & Co. wollten zu diesen Fällen nicht Stellung beziehen: „Die Bundesregierung sieht davon ab, das Entschädigungssystem in Indien zu bewerten.“
Generell bekennt sie sich aber dazu, „geeignete Maßnahmen zum Schutz der von einer klinischen Prüfung betroffenen Personen“ zu unterstützen. Darüber hinaus versichert Schwarz-Gelb, kein Pharmazeutikum zu genehmigen, dessen klinische Erprobung nicht den in der Helsinki-Deklaration festgelegten ethischen Standards entspricht: „Grundsätzlich sind Daten aus Studien, von denen bekannt ist, dass diese Grundsätze nicht eingehalten wurden, nicht für eine Zulassung verwertbar.“
Demnach wären allerdings die Pillen, die BAYER & Co. in Indien unter den vom WDR dokumentierten Bedingungen getestet haben, nicht verkehrsfähig. Peter Sawicki, der ehemalige Leiter des „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“, spricht das in dem Film deutlich aus: „Wenn die Patienten nicht richtig aufgeklärt worden sind, dass sie an einer Studie teilnehmen, handelt es sich um einen klaren Verstoß gegen die Helsinki-Konventionen. Eine Studie, die dagegen verstößt, darf für nichts verwendet werden. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.“

Zweifelhafte Reaktionen
Ob die Bundesregierung das tun wird, bleibt abzuwarten. Bisher ist sie weniger bestrebt, den Schutz der ProbandInnen in den armen Staaten zu erhöhen als vielmehr die Verfahren hierzulande zu „entbürokratisieren“ und so für eine Angleichung auf niedrigerem Niveau zu sorgen. So haben die Ethik-Kommissionen mit dem im Oktober 2012 in Kraft getretenen „2. Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ nicht mehr die Pflicht, die Qualifikation aller an dem Verfahren beteiligten MedizinerInnen zu kontrollieren. Auch müssen die Pharma-Riesen die VersuchsteilnehmerInnen bei „risiko-armen“ Tests nicht mehr versichern.
Die EU will bei der Nivellierung noch weiter gehen und macht dabei keinen Hehl aus ihren Motiven. „Die Richtlinie über klinische Prüfungen wird von allen Interessenträgern (von Patienten über Forscher bis hin zur Wirtschaft) dafür kritisiert, dass sie die patienten-orientierte Forschung und diesbezügliche Studien in der EU wesentlich weniger attraktiv gemacht hat (...). Dadurch verliert Europa an Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der klinischen Forschung“, heißt es in dem Entwurf zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG. Folgerichtig plant sie, minderjährige und nicht einwilligungsfähige Versuchsteilnehmer größeren Risiken auszusetzen, Ethik-Kommissionen nur noch gemeinsam mit den Arzneimittel-Behörden der Mitgliedsländer entscheiden zu lassen und ihnen weniger Zeit zur Begutachtung zuzugestehen. Auf diese Weise beabsichtigt Brüssel, die Zulassungsverfahren zu beschleunigen und BAYER & Co. dazu zu bewegen, wieder mehr Versuche in Europa zu starten. Der „Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen“ bezweifelt die Sinnhaftigkeit dieses Unterfangens und hält fest, dass die Zunahme an klinischen Prüfungen in Ländern wie Indien, China und Brasilien nicht den vermeintlich kürzeren Genehmigungsverfahren zu verdanken ist, sondern „den sehr großen Zahlen behandlungsnaiver Patienten, die in der Teilnahme an einer klinischen Prüfung oft die einzige Chance sehen, zu einer medizinischen Behandlung zu kommen“. In diesem Zusammenhang moniert der Verein auch das Weglassen eines Passus’ zur Einhaltung des ProbandInnen-Schutzes bei Tests in Drittländern, der ursprünglich Eingang in das Schriftstück finden sollte. „Der Vorschlag der Europäischen Kommission ist in bedrohlicher und dabei in von Fakten nicht gedeckter Weise von vermutlich wirtschaftlichen Interessen getrieben (...)“, konstatiert der Arbeitskreis.
Sogar nach Ansicht der Bundesregierung überzieht Brüssel mit diesen Vorschlägen. GesundheitspolitikerInnen und der Bundesrat machten gravierende Einwände geltend. Deshalb wird Indien vermutlich doch nicht zur Blaupause der Direktive, die 2016 Gesetzeskraft erlangen soll. Dhananjay Shrivastav und seine vom WDR-Team interviewten Leidensgenossen tröstet das vermutlich kaum. Seinem am Ende des Films geäußerten Wunsch, dass BAYER & Co. aufhören, ihn und seine Landsleute wie Pharma-Sklaven zu behandeln, dürften ihn nämlich weder Brüssel noch Berlin mit konkreten Maßnahmen zur Eindämmung des Test-Tourismus näher bringen.

[Editorial] STICHWORT BAYER 01/2013

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

Der Nachhaltigkeitsdiskurs hat zwei Entkoppelungsdiskurse hervorgebracht, die jeweils beanspruchen, die wünschenswerten von den unerwünschten Bestandteilen der industriellen Maschinerie abtrennen zu können. Es handelt sich zum einen um die Erhöhung der Effizienz beziehungsweise Ressourcen-Produktivität und um die ökologische Konsistenz.

Effizienz-Maßnahmen orientieren sich daran, den pro Leistungseinheit erforderlichen Input an Energie und Material zu mindern. So gewährleistet beispielsweise ein Passiv-Haus aus Sicht seiner BewohnerInnen dieselben Funktionen wie ein konventionelles Wohnhaus, verbraucht aber nur einen Bruchteil der Wärme-Energie. Ähnliches gilt für Energiespar-Birnen, Drei-Liter-Autos oder Kühlschränke, deren Energie-Bedarf unter Wahrung aller bisherigen Wohlstandsmerkmale reduziert werden kann. Auch veränderte Arrangements von Verfügungsrechten wie etwa beim Carsharing lassen eine Entkoppelung theoretisch möglich erscheinen. An gefahrenen Kilometern soll indes nicht gespart werden, denn sonst ließe sich das zentrale Versprechen dieser Dienstleistungsstrategie nicht einlösen: Entlastung der Ökologie ohne Wohlstandsverlust.

Mit exakt derselben Beteuerung wartet das zweite Entkoppelungsszenario auf, nämlich die ökologische Konsistenz. Sie bezweckt im Unterschied zur Effizienz keine quantitative Reduktion materiellen Inputs, sondern setzt am industriellen Stoffwechsel an. So sollen nach dem Vorbild der Natur alle materiellen Kreisläufe geschlossen und insbesondere die verwendeten Substanzen, Energieträger und Umwandlungsprozesse durch Recycling-Verfahren perfekt in die Ökologie eingebettet werden.

Allerdings scheint sich diese Entkoppelungseuphorie seit Neuestem nicht mehr der gewohnten Einhelligkeit zu erfreuen. Spätestens mit einer sich zum Krisen-Dreigestirn mausernden Gemengelage – der Klimawandel dramatisiert sich, der Ressourcen-Basis des Wohlstandsmodells droht ein „Peak Everything“, die Finanzwelt durchlebt ein nie dagewesenes Chaos – polarisiert sich der Diskurs um eine nachhaltige Zukunftsperspektive.

Jüngst hat eine im Auftrag der Bundeswehr erstellte Studie für Furore gesorgt. Ein „ökonomischer Tipping Point“ bestehe dort, wo infolge des Peaks „die Weltwirtschaft auf unbestimmte Zeit schrumpft. In diesem Fall wäre eine Kettenreaktion die Folge, die das Wirtschaftssystem destabilisiert“. Weiter heißt es dort: „Mittelfristig bricht das globale Wirtschaftssystem und jede marktwirtschaftlich organisierte Volkswirtschaft zusammen.“ Auch für die Bundesrepublik sagt die Untersuchung bei einer solchen Entwicklung in Anbetracht des hohen Globalisierungsgrades ein hohes systemisches Risiko voraus. Vor diesem Hintergrund werden Lebens- und Versorgungsstile, die unabhängig vom Wachstum und externer Ressourcen-Zufuhr realisierbar sind – folglich eine reaktivierte Balance zwischen lokaler Selbst- und industrieller Fremdversorgung zur Basis haben müssen – zum reinen Selbstschutz. Dieser Logik scheint sich nicht einmal die Bundeswehr, wenngleich strukturell eher für andere Lösungsansätze prädestiniert, verschließen zu können: „Auf gesellschaftlicher Ebene ist (...) auch eine Stärkung von Möglichkeiten und Fähigkeiten zur Selbstorganisation von Bürgern auf lokalem Level denkbar.“

BU: Prof. Dr. Niko Paech lehrt als außerplanmäßiger Professor am Lehrstuhl für Produktion und Umwelt der Oldenburger „Carl von Ossietzky“-Universität

[Nachhaltigkeitsbericht] STICHWORT BAYER 01/2013

CBG Redaktion

BAYERs Umweltbilanz

Nicht im grünen Bereich

Es grünt so grün im neuen Umweltbericht des Leverkusener Multis, dass mensch sich in einem Öko-Paradies wähnt. Nachhaltigkeit, so weit das Auge reicht: bei der Produktion, bei den Produkten und sogar bei den Lieferanten. Auf fast 80 Seiten erblüht das Biotop BAYER, nur lassen es die schnöden Zahlen im Kleingedruckten recht schnell wieder eingehen. Sie dokumentieren nämlich fast durchweg eine wachsende Belastung von Mensch, Tier und Umwelt durch die Geschäftstätigkeit des Konzerns.

„Nachhaltigkeit ist fest in unserem Kerngeschäft verankert“, verkündete BAYERs Forschungsvorstand Wolfgang Plischke bei der Vorstellung des Nachhaltigkeitsberichtes für das Geschäftsjahr 2011 und vermeldete in allen Bereichen „erfreuliche Fortschritte“. Das gelingt dem Leverkusener Multi allerdings nur, indem er – ganz im Gegensatz zu seinen sonstigen Gepflogenheiten – nicht die nackten Zahlen sprechen lässt, sondern in dichterischer Freiheit die Bemessungsgrundlage für Nachhaltigkeit um Themen wie „soziales Engagement“, „Gleichberechtigung“, „demographischer Wandel“ sowie „Risiko-Management“ erweitert und auch sonst einige Phantasie entfaltet, um die harten Fakten in Vergessenheit geraten zu lassen. So versucht sich etwa der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers als Science-Fiction-Autor: „In unseren Kerngeschäftsfeldern engagieren wir uns für die Gesundheit von Mensch und Tier, für eine bessere Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung sowie auf dem Gebiet der Energie- und Ressourcen-Effizienz.“

CO2-Reduktionen eingefroren
Die wahre Umweltbilanz, wie sie sich nur im Kleingedruckten der Emissionstabellen und in einigen Randbemerkungen findet, fällt dann allerdings um einiges prosaischer aus. So weigert sich der Konzern, den Ausstoß des klimaschädigenden Kohlendioxids zu senken. Er möchte ihn bis 2020 vielmehr in etwa auf dem Niveau von 2007 halten, wo er sich auf 9,3 Millionen Tonnen belief. Aktuell betrugen die CO2-Emissionen 8,15 Millionen Tonnen, 350.000 Tonnen weniger als 2010. Allerdings fließen nicht alle Faktoren in diese Rechnung ein. Anders als die BASF bezieht BAYER das Kohlendioxid, das bei der Herstellung der extern bezogenen Vorprodukte entsteht, ebenso wenig mit ein wie dasjenige, das bei der Verwendung der Endprodukte anfällt. Deshalb musste das Unternehmen im Nachhaltigkeitsranking der britischen Nichtregierungsorganisation EIO auch mit dem 151. von 800 Plätzen vorliebnehmen, während die BASF Position 1 errang.

Für den Großteil des klima-schädigenden Gases ist die Energie-Erzeugung verantwortlich. Und da der Leverkusener Multi sich hier keine Einspar-Ziele vornimmt – die Terrajoule-Produktion blieb von 2007 bis heute quasi konstant – und sogar noch selber als Strom-Dealer auftritt, kann er seinen CO2-Ausstoß gar nicht substanziell senken. Wenigstens dürfte ihn das in nächster Zeit teurer zu stehen kommen, denn die EU will die Regeln des Emissionshandels verschärfen und nicht mehr so viele Verschmutzungsrechte wie bisher umsonst vergeben. Trotz großzügiger Ausnahme-Paragraphen für Großkonzerne, die im globalen Wettbewerb stehen, „müssen wir ab 2013 mit weiteren Kosten-Steigerungen rechnen“, konstatiert der Nachhaltigkeitsbericht deshalb. Mit intensivem Lobby-Einsatz wird BAYER das Schlimmste zu verhindern suchen.

Mehr Luftverschmutzung
Doch auch andere Stoffe, die aus den Schornsteinen des Global Players steigen, tragen zur Klima-Erwärmung bei. Die Emissionen der ODS (Ozone Depleting Substanzen) gingen im Berichtszeitraum um 4,5 Tonnen auf 16,3 Tonnen zurück. Das liegt jedoch keinesfalls an einem grüneren Wirtschaften – Leckagen hatten im letzten Jahr zu außergewöhnlich hohen Werten geführt. Abermals stammt fast das gesamte ODS aus einem einzigen Werk: Die Pestizid-Fabrik im indischen Vapi sorgt für 92 Prozent des Aufkommens. Zusammen mit der Fertigungsstätte im ebenfalls indischen Ankleshwar trug diese auch am meisten zum Anstieg des Wertes für die flüchtigen organischen Substanzen (VOC) bei, der um 150 auf 2.690 Tonnen zulegte. Und dazu, dass die Staatsregierung die Vapi-Region zum verseuchtesten Gebiet im ganzen Land erklärte; Ankleshwar folgt in dieser Aufstellung auf Rang sieben. Ändern wird sich an der Größe dieses Anteils vorerst nichts. BAYER kündigt zwar schon seit langem Maßnahmen an, mit der Umsetzung hat der Agro-Riese jedoch erst im letzten Jahr begonnen, und mit einem Abschluss rechnet er nicht vor 2015. Bis dahin müssen Mensch, Tier und Umwelt die immensen Belastungen noch ertragen.

Die Zahlen für weitere Luftverschmutzungen verharrten ebenfalls auf einem hohem Niveau. Wie schon 2010 entwichen den Schloten des Unternehmens auch 2011 wieder 3.700 Tonnen Stickoxide und 200 Tonnen Staub. Der Kohlenmonoxid-Ausstoß ging geringfügig von 1.400 Tonnen auf 1.300 Tonnen zurück, und das auch nur, weil BAYER die Kunststoff-Produktion im japanischen Niihama einstellte. Lediglich bei den Schwefeloxiden tat sich etwas. Ihr Ausstoß senkte sich um 16,7 Prozent auf 2.300 Tonnen. Der Multi setzte nämlich verstärkt Import-Kohle ein, die einen geringeren Schwefel-Gehalt aufweist. Die Bedingungen allerdings, unter denen diese Kohle beispielsweise in Kolumbien gefördert wird, machen den ökologischen Vorteil wieder zunichte, denn den Minen muss oftmals nicht nur der Mensch weichen, sondern auch die Natur. Die Betreiber-Gesellschaften holzen ganze Wälder ab, vertreiben die indigene Bevölkerung und leiten das umweltschädliche Grubenwasser in die Flüsse ein. Schwerer noch wiegen die gesundheitlichen Folgen für die ArbeiterInnen. Da der Abbau nicht dem neuesten Stand der Technik entspricht, setzen sich die Beschäftigten – unter ihnen viele Kinder – einem hohen Gesundheitsrisiko aus, das durch die erhöhte Unfall-Gefahr in den schlecht abgesicherten Stollen noch zusätzlich steigt. Der Chemie-Riese bekundet zwar, selbst die Lieferanten auf seine Nachhaltigkeitsziele zu verpflichten, ob er jedoch den Weg der Importkohle zurückverfolgt, steht sehr in Frage.

Mehr Wasserverschmutzung
Das Element „Wasser“ schont der Konzern ebenfalls nicht. Mit 72 Millionen Kubikmetern leitete er vier Millionen Kubikmeter mehr Abwässer in die Flüsse als noch 2010. Zu allem Übel stieg auch noch der Anteil der ungereinigten Prozess-Abwässer um drei Millionen auf 18 Millionen Kubikmeter. Die „Rückführung in den Wasser-Kreislauf“ von Kühlwasser reduzierte sich dagegen von 396 auf 324 Millionen Kubikmeter. Da es laut BAYER „ausschließlich erwärmt wird“, gilt es nicht als umweltgefährdend, was allerdings nicht ganz der Wahrheit entspricht. Dieses Wasser trägt nämlich zur Aufheizung der Flüsse bei und zerstört damit die Lebensgrundlage vieler aquatischer Lebewesen.

Bei den reinen Schadstoff-Frachten ist fast durchweg eine Zunahme zu verzeichnen. Auf 926.000 Tonnen anorganischer Salze (2010: 866.000), 1.500 Tonnen organisch gebundener Kohlenstoffe (2010: 1.420 Tonnen) und 530 Tonnen Stickstoff (2010: 490) kam der Gen-Gigant. Als Gründe dafür gibt er eine Ausweitung der Fertigung an, vor allem hervorgerufen durch das neue Kunststoff-Werk im chinesischen Caojing. Entsprechend sanken die Phosphor-Emssionen durch eine geringere Auslastung der Fabriken für phosphat-haltige Produkte von 90 auf 80 Tonnen. Die Werte für Schwermetalle nahmen ebenfalls ab, sie fielen von 11,4 auf 10,8 Tonnen, was der Multi auf ein verbessertes Abwasser-Management und andere technische Innovationen zurückführt. Auch konnte der Multi seinen Durst etwas lindern: Er drosselte seinen Wasser-Verbrauch um 63 auf 411 Millionen Kubikmeter.

Mehr Abfälle
Die Menge des erzeugten Abfalls stieg hingegen von 807.000 auf 958.000 Tonnen. Der Anteil des gefährlichen Mülls daran nahm ebenfalls zu, er erhöhte sich von 354.000 auf 474.000 Tonnen. Ausschlaggebend für diese Zahl sind weniger die Produktionsrückstände als vielmehr die Hinterlassenschaften von Rückbau- und Sanierungsaktivitäten. Während es 2010 keine umfangreicheren Arbeiten gab und das Müll-Aufkommen entsprechend sank, stand 2011 „ein groß angelegtes Grundwasser- und Bodensanierungsprojekt“ im indischen Thane an. Die dort von 1963 bis 2007 betriebene Pestizid-Herstellung ruinierte die Umwelt so nachhaltig, dass BAYER über acht Millionen Euro investieren musste, um das verseuchte Erdreich abzutragen und andere Maßnahmen zu ergreifen. Ein Großteil nicht nur der dort zu Tage geförderten Altlasten landet auf einer Deponie, 38 Prozent allen Ausschusses geht dorthin; in die Verbrennung gelangt 33 Prozent. 28 Prozent seiner Fertigungsreste recycelt der Leverkusener Multi. Das hört sich erst einmal gut an, aber diese Art von Kreislauf-Wirtschaft erweist sich in der Praxis als auch nicht gerade sehr ökologisch. Der „thermischen Wiederverwertung“, beispielsweise in BAYERs Krefelder Industrie-Kraftwerk, zugeführt, produziert der Müll nämlich viel mehr Schadstoffe als das bei einer Entsorgung in Sonderabfall-Verbrennungsöfen mit ihren aufwändigen Reinigungssystemen der Fall wäre (SWB 3/11).

Mehr Unfälle
Die Zahl der Beinah-Katastrophen, die BAYER verharmlosend als „Umweltereignisse“ bezeichnet, hat sich nach Angaben des Konzerns von sieben auf drei reduziert. Die Freisetzung von Ammoniak am Standort Krefeld, die Verseuchung des Kanawha-Flusses durch Prozess-Abwässer in Institute und einen Unfall eines mit Produkten von BAYER CROPSCIENCE beladenen LKWs in Peking führt der Nachhaltigkeitsbericht auf. Daneben verweist der Konzern auf das Internet, wo er „Ereignisse, die von unseren Stakeholdern wahrgenommen und gemeldet werden, aber nicht unsere eigenen Kriterien für Umwelt- und Transport-Ereignisse erfüllen“, auflistet. Dort finden sich dann Hinweise auf den Austritt von Phenol in Map Ta Phut und die Emission von Sandstaub in Leverkusen.

Daneben gibt es allerdings noch so einige Vorfälle, die weder der Multi selber noch seine Stakeholder als Unfälle ansehen und die deshalb nirgendwo erwähnt sind. Als da wären: die Gebäudeschäden bei japanischen BAYER-Niederlassungen nach dem Erdbeben vom März 2011, das Entweichen von Chemikalien in Institute nach einem Stromausfall, der Austritt von Schwefelsäure durch ein Leck auf einem Gefahrgut-Transport, das Auslaufen von einem Lösungsmittel in Wuppertal und die permanenten Geruchsbelästigungen in Bergkamen. Nur weil das Unternehmen diese Geschehnisse kurzerhand zu Nicht-Ereignissen erklärt und einige andere zu Halb-Ereignissen, kann er sich gesunkener Unfall-Zahlen rühmen.

Mehr Ignoranz
Ähnlich kreativ zeigt sich BAYER, wenn es gilt, die Produkte und Projekte zu verteidigen, die im Geschäftsjahr 2011 für Negativ-Schlagzeilen en masse gesorgt haben. Zur Industrie-Chemikalie Bisphenol A (BPA), deren Verwendung in Baby-Flaschen die EU untersagt hat, weil die Substanz Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen verursachen kann, heißt es im Umweltbericht: „Im Einklang mit zahlreichen wissenschaftlichen validen Studien (...) sind wir weiterhin der Überzeugung, dass die Sicherheit von BPA in den bestehenden Anwendungsgebieten gegeben ist.“ Auch den durch viele Expertisen belegten Zusammenhang zwischen dem Ausbringen von BAYER-Pestiziden und dem Sterben von Bienenvölkern streitet der Agro-Riese ab. „In der wissenschaftlichen Literatur sind jüngst einige Publikationen erschienen, die einen Rückgang von Bienen-Populationen mit Pflanzenschutzmitteln in Verbindung bringen. Diese Studien waren jedoch ganz oder teilweise unter unrealistischen Bedingungen durchgeführt worden und sind daher nicht auf Praxis-Bedingungen übertragbar“, stellt der Pillen-Gigant fest. Warum die Behörden Maßnahmen gegen die Einfuhr von Reis-Sorten ergriffen haben, nur weil aus vermeintlich unerfindlichen Grünen ein bisschen Gentech aus Leverkusener Laboren drin war, mag der Multi ebenfalls nicht verstehen. „Obwohl der Reis keine Gefährdung der Lebensmittel-Sicherheit darstellte“, verhängten einige Länder Import-Verbote, beklagt er sich bitterlich. Und selbstverständlich gibt es auf der ganzen Welt nichts Sichereres als den Transport von hochgiftigem Kohlenmonoxid quer durch das Rheinland per Pipeline, wenn sich denn ein Konzern vom Format BAYERs der Sache annimmt.

So fällt die Umweltbilanz ernüchternd aus. Bei fast allen Öko-Parametern gibt es negative Entwicklungen. Und steigen die Werte einmal nicht, dann liegt das nicht etwa an einer grüneren Geschäftspolitik, sondern lediglich an einer geringeren Auslastung der Dreckschleudern aufgrund schlechterer Absatzchancen oder an Standort-Schließungen. Nur in Ausnahmefällen ringt sich das Unternehmen doch einmal zu Umbau-Maßnahmen durch wie etwa im indischen Vapi oder im US-amerikanischen Baytown – und immer erfolgen sie zu spät oder dauern zu lange. Besonders skandalös mutet in dieser Hinsicht das Klimaschutz-Moratorium an, das BAYER beschlossen hat. Trotz immer beunruhigenderen Wetter-Phänomen wie dem Hurrikan Sandy die CO2-Emissionen bis 2020 auf dem Stand von 2007 einfrieren zu wollen, kündet von beispielloser Ignoranz. Das Steuerprüf- und Beratungsunternehmen ERNST & YOUNG, das den Nachhaltigkeitsbericht absegnete, störte das allerdings ebenso wenig wie die Ratingagentur SAM, die den Report sogar prämierte.
Von Jan Pehrke

[CO Pipeline] STICHWORT BAYER 01/2013

CBG Redaktion

BAYER will Planungshoheit

Pipelines & andere Projekte

Mit einem neuen Genehmigungsantrag wegen der zahlreichen „Planungsanpassungen“ während der Bau-Phase – und 22.000 Einwendungen dagegen – geht die Auseinandersetzung um BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline ins siebte Jahr. Die Beharrlichkeit, mit welcher der Leverkusener Multi das Vorhaben verfolgt, lässt dabei vermuten, dass er dabei für mehr als nur für die Gas-Leitung streitet: nämlich für das Prinzip als solches, Projekte nach eigenem Belieben durchführen zu können.

Von Uwe Koopmann

Die Chance, bei einer Havarie an BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline zu überleben, ist so signifikant klein, dass Bilder des Grauens aufsteigen: Giftgas-Einsatz im 1. Weltkrieg, CO-Einsatz in den Gaswagen von Januar 1940 bis Juli 1941. Und die Giftgas-Pipeline heute kommt ähnlich gut getarnt daher wie es die Giftgas-Fahrzeuge im Faschismus taten: Niemand, der die von Krefeld nach Dormagen verlaufende Trasse nicht kennt, vermutet unter den Sonnenblumenfeldern von Bauer Hans-Wilhelm Kuwertz am Gollenberger Weg in Hubbelrath Giftgas, so wie niemand, der 1940 im damaligen Ostpreußen oder im okkupierten Polen den Lkw-Anhänger mit der Aufschrift „Kaiser’s Kaffee“ sah, vermutet hätte, dass es sich dabei um eine fahrbare Gaskammer handelte.
Es geht heute nicht um den militärischen Einsatz von Kohlenmonoxid. Es geht auch nicht um gezielte Tötungspläne mittels CO. Allerdings: Kollateralschäden können nicht ausgeschlossen werden, denn das Giftgas ist geruchlos, farblos, unsichtbar, und absolut tödlich auch in kleinsten Mengen.
Um in der Sprache der Militärs zu bleiben: Bei der Verlegung und Nutzung der BAYER-Pipeline geht es nicht nur um ein kurzfristiges Kampfziel, bei dem der Widerstand der betroffenen Bevölkerung trotz einer wie auch immer gescheiterten BAYER-Kommunikationspolitik gebrochen werden soll. Es geht auch um die Absicherung der „Heimatfront“ im Düsseldorfer Landtag. Die Divisionen von CDU und SPD stehen mit Ausnahme von ein paar DeserteurInnen hinter der Pipeline. Das Bataillon der Grünen hat sich durch den Koalitionsvertrag mit der SPD neutralisiert. Die Kompanie der FDP steht geschlossen in der BAYER-Front, während die Piraten-Partei der ganze Sache ergebnisoffen gegenübersteht und lediglich „die vollständige Transparenz des gesamten Verfahrens“ anmahnt.
Es geht bei der Pipeline aber nicht nur darum: Sie ist vielmehr ein Baustein in der strategischen Planung der BAYER-Chefetage, welche die Wirtschaftspolitik des Landes Nordrhein-Westfalen nach eigenen Konzern-Vorgaben ausgerichtet sehen will. Die Annahme liegt nahe, dass die Rohrleitung hier eine Vorreiterrolle für weitere Projekte spielt.
Strategische Vorgaben liefert ebenfalls der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), in dem mit BAYER und 1.649 weiteren Firmen mehr als 90 Prozent der Chemie-Unternehmen in Deutschland vereinigt sind. Nach Angaben des Verbandes machte die Branche 2011 mit 428.000 Beschäftigten einen Umsatz von 184 Milliarden Euro. Der Präsident Dr. Karl Ludwig Kley ist der BAYER AG seit 30 Jahren verbunden. 1982 war er Assistent des Vorstandsvorsitzenden, danach für den Konzen in Japan und Italien aktiv und schließlich Leiter des Bereichs „Finanzen und Investor Relations“, bevor er dann 2004 zu MERCK ging.
Gleich zwei Tage nach seinem Aufstieg vom Vizepräsidenten zum Präsidenten des VCI formuliere er in der FAZ Anforderungen an eine „wirkungsvolle Industriepolitik“: Sie müsse langfristig angelegt sein und Planungssicherheit gewähren. Sperre sich die Politik, diese Bedingungen im Sinne der Multis zu erfüllen, „muss sie sich nicht wundern, wenn Investitionsentscheidungen zu Gunsten anderer Länder fallen.“ Es wäre doch alles so einfach: „Die Politik sorgt für stabile Rahmenbedingungen (...) Die Wirtschaft ist dafür verantwortlich, den Rahmen verantwortungsvoll zu nutzen.“ Ebenso fordert Kley „Ideologiefreiheit“: „Wir sollten uns davor hüten, die Industrie in ‚gute grüne’ und ‚schlechte ressourcenintensive’ Industrie aufzuteilen.“ Zudem mahnt Kley „den Abbau der verbreiteten Technologieskepsis“ an. Ohne sie beim Namen zu nennen, ist der VCI-Chef mit diesen Hinweisen – oder sind es versteckte Drohungen? – schon ganz dicht bei der CO-Pipeline.
Wo liegen nun die Differenzen zwischen BAYER und dem VCI auf der einen Seite und der NRW-Landesregierung von SPD und Grünen auf der anderen Seite? Für „Planbarkeit“ steht in der am 12. September 2012 abgegebenen Regierungserklärung von Hannelore Kraft eine ähnliche Formulierung: „Es reicht nicht, wenn wir in der Politik nur reagieren. Wir müssen viel öfter vorausschauend agieren.“ Das gilt auch für Großinvestitionen, die durchgesetzt werden sollen: „Damit solche Investitionen weiter akzeptiert werden, haben wir die Geschäftsstelle ‚Dialog schafft Zukunft’ ins Leben gerufen. Sie soll helfen, Dialogprozesse bereits im Vorfeld von geplanten Investitionen in Gang zu bringen.“ Mit Blick auf die CO-Pipeline ist hier fast ein versteckter Rüffel an die Adresse der BAYER-Kommunikationspolitik zu hören.
Man könnte Hannelore Kraft mit dem BAYER-Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers in einem Boot wähnen, wenn die Ministerpräsidentin im Gespräch mit WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz nach ihrer ersten gewonnenen Wahl feststellte: „Wir, Unternehmen und Politik, müssen uns diesen möglichen Zielkonflikten frühzeitig stellen.“ Das war noch vor der Wahl ganz schlecht gelaufen, denn die SPD-geführte Bezirksregierung Düsseldorf als Genehmigungsbehörde erfüllte alle BAYER-Wünsche, ließ sich dabei aber immer wieder von den Initiativen erwischen, welche die Pipeline unter ständiger Beobachtung hatten.
Das Interpretationsmonopol innerhalb der Landesregierung liegt bei Hannelore Kraft. Auf einen Bericht der Rheinischen Post über Differenzen mit den Grünen hinsichtlich der CO-Pipeline antwortete sie schon 2010 bei ihrer ersten Regierungsbildung scheinbar sybillinisch und machtbewusst eindeutig: „Das werden wir in den Koalitionsverhandlungen sehen.“ Nach den Verhandlungen war schließlich zu sehen, dass die Grünen – im deutlichen Gegensatz zu ihren Oppositionszeiten – nicht mehr offen gegen die CO-Pipeline auftraten.
Die SPD gewann dann auch die zweite Landtagswahl. Hannelore Kraft suchte sich mit Garrelt Duin einen neuen Wirtschaftsminister, der es nun richten soll. Duin besuchte sogar schon die Pipeline-GegnerInnen in Erkrath. Die Initiative freute sich, und Duin erklärte dann: „Die Chemie-Industrie ist eine Schlüsselbranche der NRW-Wirtschaft. Großvorhaben stärken den Standort und sichern Wachstum und Beschäftigung.“ Die Fragen der BürgerInnen wollte er dem Konzern zuleiten. Kurze Zeit später kritisierte Duin in der Rheinischen Post nicht etwa die Pipeline an sich; es seien lediglich „in der Umsetzung deutliche Fehler gemacht“ worden. Den AnwohnerInnen riet er derweil, ihre politische Arbeit an ExpertInnen zu delegieren. Diese sollten als Ombudsleute den BürgerInnen helfen, „das Verfahren zu verstehen“.
Die Mehrheit der Menschen an der Trasse der CO-Pipeline ließ sich aber nicht einlullen. Der Widerstand wuchs sogar. Gegen den neuen Genehmigungsantrag des Multis, der nötig wurde, weil BAYER während des Baus zahlreiche „Planungsanpassungen“ vorgenommen hatte, erreichten die Bezirksregierung Düsseldorf sage und schreibe 22.000 Einwendungen, darunter auch eine der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (siehe S. ). Die Behörde will die Eingaben im ersten Halbjahr 2013 abschließend bearbeitet haben. Dann gibt es eine Erörterung. Es handelt sich dabei um einen „nicht-öffentlichen Termin, an dem alle Einwendungen mit den Verfassern von Einwendungen erörtert werden“ sollen. Danach entscheidet die Bezirksregierung, ob sie den geänderten Plänen des Pharma-Riesen nachträglich zustimmt – oder den betroffenen BürgerInnen.
Auch noch nach der Übergabe der Einsprüche ging der Protest weiter: Bei der Stadt Düsseldorf wurde angefragt, wie es denn nun um den Allgemeinen Gefahrenabwehrplan (AGAP) bestellt sei. Die Antwort war eindeutig: Er ist nicht rechtskräftig. Einen Sonderrettungsplan gebe es ebenfalls nicht in einer rechtlich abgesicherten Fassung, da der voraussetze, dass es einen gültigen AGAP gebe. Gefragt wurde auch, ob vielleicht Karten einzusehen seien, die deutlich machen würden, wo BAYER „nacharbeiten“ würde. Diese Karten, so die Antwort aus dem Gerresheimer Rathaus, hätte BAYER vorlegen müssen. Sie lagen aber nicht vor. Fazit: Mit einer umfassenden Rettung ist bei Vollbruch der Leitung nicht zu rechnen.
Und dann ist da noch die vor dem Oberverwaltungsgericht Münster anhängige Klage, welche die Rechtsmäßigkeit des Projekts bestreitet, weil es nicht wie behauptet dem Allgemeinwohl dient. „Die BI (Bürgerinitiative Contra Pipeline Duisburg-Süd, Anm. SWB), aber auch die Kläger gehen davon aus, dass vor dem OVG in Münster, dem BVG in Leipzig oder letztendlich vor dem VG in Karlsruhe das AUS für dieses unsinnige und unnötige Projekt fällt. Denn das Allgemeinwohl der CO-Pipeline ist niemals herstellbar“, das trug BI-Sprecher Erich Hennen bei der gemeinsamen öffentlichen Sondersitzung des Umweltausschusses, des Ausschusses für Wirtschaft, Stadtentwicklung und Verkehr sowie der Bezirksvertretung Duisburg-Süd vor. Ein weiteres Statement von ihm war direkt an die Adresse BAYERs gerichtet: „Wir dulden nicht, dass Duisburg irgendwann als die Stadt der toten Kinder bezeichnet wird.“ Und eine solche Zukunft für ihre Städte werden auch alle anderen Initiativen entlang der 67 Kilometer langen CO-Pipeline nicht dulden.