Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

[Zulassung GenReis] Zulassung Gen-Reis

CBG Redaktion

Presse-Information vom 29. November 2006
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Nachträgliche Zulassung von Gen-Reis in den USA:

„Blanker Zynismus gegenüber den Geschädigten“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren protestiert gegen die nachträgliche Zulassung der gentechnisch veränderten Reis-Sorte LL 601 in den USA. „So schnell kann aus einem Gen-GAU ein beschleunigtes Zulassungsverfahren werden“, urteilt Jan Pehrke, Vorstandsmitglied des Vereins. Pehrke fordert den BAYER-Konzern auf, alle gentechnisch veränderten Reis-Sorten vom Markt zu nehmen und die betroffenen Bauern, die ihre Ernte nicht mehr verkaufen können, zu entschädigen.

In den USA ist praktisch die gesamte Langkornreis-Ernte mit LL 601 kontaminiert. Die gegen das von BAYER produzierte Herbizid Glufosinat resistente Sorte kam dadurch weltweit in den Handel. Erst nach Bekanntwerden des Skandals im August beantragte BAYER eine Zulassung - nicht, um LL 601 kommerziell anzubieten, sondern um Schadensersatz-Verfahren den Wind aus den Segeln zu nehmen. Jan Pehrke: „Die US-Behörden machen sich zu Handlangern von BAYER. Eine seriöse Sicherheitsprüfung ist in wenigen Monaten nicht durchführbar – ob von herbizidresistentem Reis langfristige Gesundheitsgefahren ausgehen, ist völlig unklar.“

Ende Oktober wurde in Lieferungen aus den USA auch noch die von BAYER hergestellte Genreis-Sorte LL 62 gefunden. Dieser Fund ist von besonderer Brisanz, da der Konzern eine EU-Importzulassung für LL 62 beantragt hat und die Gefahr einer unkontrollierten Ausbreitung stets bestritten hat. In beiden Fällen ist die Ursache der Kontamination unklar. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren forderte die EU in den vergangenen zwei Jahren mehrmals auf, keine Importgenehmigung für genmodifizierten Reis von BAYER zu erteilen.

Auch Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, stellvertretender Vorsitzender des Agrarausschusses des EU-Parlaments, kritisiert das Vorgehen von BAYER: „Ein Unternehmen, das sich aus der Verantwortung stiehlt, indem es im Nachhinein eine Vermarktungsgenehmigung für die USA erwirken will, zeigt blanken Zynismus gegenüber den Landwirten, die geschädigt wurden. Der Fall des Gentech Reises zeigt, dass entweder ein gezieltes Interesse vorliegt, den Bäuerinnen und Bauern Gentech-Getreide unterzumischen oder aber, dass die Gentech-Saatgutindustrie nicht in der Lage ist, zu kontrollieren, wo ihre Gen-Konstrukte auftauchen.“

In den Schadensersatz-Prozessen, die hunderte US-Farmer anstrengten, schaltet BAYER bislang auf stur. In einer 30-seitigen Antwort auf die Vorwürfe der Bauern und Bäuerinnen spricht der Konzern von einem „Akt Gottes“ und einer angeblichen „Nachlässigkeit“ der Farmer. „Es ist bedauernswert, dass BAYER, anstatt die Verantwortung zu übernehmen, versucht, den Reisbauern die Schuld zuzuschieben - den Menschen, die am meisten von der Unternehmenspolitik betroffen sind“, so Adam Levitt, Anwalt der Kläger.

weitere Informationen:
Brief an europäische Lebensmittelbehörde EFSA: Gen-Reis von Bayer nicht in der EU zulassen!
Artikel zur Gen-Kontamination von Reis
Briefing about the food safety and environmental risks of Bayer's GMO rice

Gen-Weizen

CBG Redaktion

25.11.2006, junge Welt

Lobbyisten genehmigen Genweizenanbau

Umweltinstitut München leitet rechtliche Schritte gegen Freisetzungsversuch in Sachsen-Anhalt ein

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat am Donnerstag einen Freisetzungsversuch mit genmanipuliertem Weizen in Gatersleben (Sachsen-Anhalt) genehmigt. Den Antrag für das Experiment hatte das Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) gestellt. Die gentechnisch veränderten Weizenpflanzen sind resistent gegen ein sogenanntes Totalherbizid des Bayer-Konzerns und die Antibiotika Ampicillin und Streptomycin. Gegen diesen Versuch hatte das Umweltinstitut München (UIM) dem BVL im September mehr als 30000 Einwendungen überreicht. Es wird nun Dienstaufsichtsbeschwerde gegen zwei Mitarbeiter des BVL einreichen. Das Institut wirft den beiden mit der Entscheidung befaßten Spitzenbeamten Befangenheit vor. Dies ergäbe sich aus deren langjähriger öffentlicher Parteinahme für die Agrogentechnik, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung des Instituts.

So sind der Leiter der Abteilung Gentechnik im BVL, Hans-Jörg Bukh, und sein Stellvertreter, Detlef Bartsch in einem PR-Film der Gentechnikindustrie aufgetreten, der unter anderem von den Konzernen Monsanto und Syngenta finanziert wurde. In diesem Film, der in Ausschnitten in dem Politmagazin »Report Mainz« gezeigt wurde, plädiert Bukh für den Anbau von Genmais. »Von solchen Beamten sind keine abwägenden Entscheidungen bei einem so heiklen Thema wie der Freisetzung genmanipulierter Pflanzen zu erwarten«, kritisierte Harald Nestler, Vorstand beim UIM. Nestler fordert, daß Bukh und Bartsch von ihren Aufgaben entbunden und alle unter ihrer Leitung getroffenen Entscheidungen überprüft werden.

Der Genweizen soll in Gatersleben in unmittelbarer Nähe der Anbauflächen einer der weltgrößten Getreide-Genbanken freigesetzt werden. Dort lagern mehr als 60000 Getreidesorten, die zu ihrer Erhaltung regelmäßig im Freiland angebaut werden müssen. Die Möglichkeit von Auskreuzungen in die Saatgutbestände wird durch die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen keineswegs ausgeschlossen. Eine Verunreinigung dieser Pflanzen durch genmanipulierten Weizen wäre ein unersetzlicher Verlust für zukünftige Züchtungsbemühungen und die Ernährungssicherheit folgender Generationen. »Die Genehmigung zum Anbau von Genweizen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Genbank in Gatersleben ist bezeichnend für die Behörde«, so der Agrarwissenschaftler Andreas Bauer vom UIM.

Seit dem Regierungswechsel agiere das BVL »völlig enthemmt« und öffne durch die kritiklose Genehmigung riskanter Freisetzungsexperimente der Agrogentechnik Tür und Tor, so Bauer. Allein in diesem Jahr wurden vom BVL mehrere höchst kontrovers diskutierte Genehmigungen für solche Versuche mit Genpflanzen durchgewinkt. Dazu gehören die Freisetzung von Genraps und von transgenen Kartoffeln zur Produktion von Impfstoffen gegen Cholera und ein Kaninchenvirus. Dabei setzte sich das BVL über schwerwiegende wissenschaftliche Bedenken anderer Behörden, wie des Bundesamts für Naturschutz (BfN), hinweg.

Gen-Weizen von BAYER: Schon 27.000 Einwendungen gegen Freisetzungsversuch

[BIS] Bayer Industry Services

CBG Redaktion

23. November 2006

Zur heutigen Demonstration in Leverkusen:

Solidarität für die Belegschaft von Bayer Industry Services

Der BAYER-Konzern will die Bayer Industry Services (BIS) zerschlagen, sich dabei von wesentlichen Geschäftsteilen trennen und auf diese Weise 3.000 Arbeitsplätze ausgliedern oder vernichten. Anlässlich der heutigen Demonstration der Belegschaft in Leverkusen fordert die Coordination gegen BAYER-Gefahren:

· Keine Entlassungen bei BIS;
· Keine weiteren Ausgliederungen;
· Keine Verlängerung der Arbeitszeit für die Mitarbeiter und keine Lohnkürzungen;
· Chemietarifverträge für alle BIS-Mitarbeiter und –Mitarbeiterinnen;
· Langfristige Sicherung der Arbeits- und Ausbildungsplätze.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren, deren Wahlspruch lautet „Für Umweltschutz und sichere Arbeitsplätze bei Bayer weltweit!“, kritisiert, dass weder eine mangelnde Auslastung noch rote Zahlen das Unternehmen zu den Einschnitten bei BIS zwingen – im Gegenteil. Die von BIS angebotenen Leistungen werden in den BAYER-Werken benötigt, der Gesamt-Konzern ist hochprofitabel.

Die konkreten Vorschläge zur Zukunft von BIS hat die Unternehmensberatung Boston Consulting Group ausgearbeitet. Sie plädiert wegen erhoffter Rationalisierungsgewinne für das Abstoßen einzelner Sparten. Das BAYER-Management bedient sich gern solch auswärtiger Expertise, da diese mit der Autorität eines unabhängigen Votums daherkommt und sich deshalb hervorragend als Argumentationshilfe eignet. Daher schreiben die BAYER-Chefs in einem Brief an die Belegschaft, dass die Untersuchung gezeigt habe, „dass wir nicht in allen Bereichen wettbewerbsfähig sind. Jetzt geht es darum, wie wir diese Wettbewerbsfähigkeit erreichen“.

Dabei war es nie Sinn und Zweck von BIS, mit Arbeitsfeldern wie dem Chemiepark-Management, Umweltschutz, Entsorgung und Werkschutz Milliarden zu erwirtschaften - im Gegenteil: Im Zuge der Umstrukturierung zu einer Holding hatte BAYER in der Service-Gesellschaft alles geparkt, was keinen Gewinn abwirft, um die anderen Unternehmensteile zu entlasten und um spätere Ausgliederungen zu erleichtern.

Es ist nicht hinzunehmen, dass sich der Konzern jeglicher Verantwortung für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entzieht. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) erklärt sich daher solidarisch mit den Forderungen der Belegschaft.

GenMais

CBG Redaktion

21. November 2006, Greenpeace Einkaufsnetz

Brasilien will Gen-Saat von Bayer nicht

Brasilien ist kein Versuchsfeld für Gen-Mais, so die klare Botschaft der Greenpeace-Aktivisten vor der Bayer-Niederlassung in Sao Paulo. Mit einen Feld von Gen-Mais-Fratzen zeigen sie, dass Gen-Mais unkalkulierbare Risiken birgt. Bayer versucht für seinen gentechnisch veränderten Mais, der gegen das hauseigene Spritzmittel Gluphosinat widerstandsfähig ist, eine Marktzulassung in Brasilien zu bekommen.

Dieser Mais ist nicht unbekannt: In Österreich wurde er 1999 verboten und kein einziges EU-Land baut ihn an. Zu groß sind die Sicherheitsbedenken gegen diese Gen-Saat. Bayer selbst hat diese Sorte beispielsweise in Großbritannien zurückgezogen - der Anbau würde sich nicht rechnen, wenn alle Maßnahmen zum Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft vor Verunreinigungen umgesetzt würden.

Über die Zulassung in Brasilien entscheidet die „National Technical Biosafety Commission“, die am Mittwoch, dem 22. November, tagt. Zur Vorbereitung gab es Anfang November von Greenpeace ein Paket mit Dokumenten. Studien, die beispielsweise aufzeigen, dass Gen-Mais-Felder wesentlich stärker mit Spritzmitteln besprüht werden als Äcker mit herkömmlichen Mais.

Ein Problem nicht nur für die Umwelt. Auch der Mensch leidet unter dem massiven Pestizid-Einsatz: Übelkeit, Durchfall, sogar Frühgeburten können die Folge sein. Zudem breiten sich Gen-Pflanzen unkontrolliert aus und verunreinigen die Ernte von konventionell und ökologisch arbeitenden Bauern.

Greenpeace steht mit der Ablehnung des Bayer-Mais nicht allein da. Mehr als 7.000 Brasilianer haben seit dem 8. November bereits an einer Cyberaktion teilgenommen und die „Biosafety Commission“ per E-Mail aufgefordert, den Gen-Mais nicht zuzulassen. Eine Kopie ging jeweils an die Bayer-Zentrale in Deutschland.

An Post mangelt es dem Konzern nicht. Auch in Deutschland beteiligten sich Tausende an Protestaktionen gegen Bayer. Der Konzern will in Europa Gen-Reis auf den Markt drängen.

Machen Sie mit! Wie Sie sich gegen die Pläne von Bayer wehren können, erfahren Sie hier.
http://de.einkaufsnetz.org/gentechnik/23844.html

Fritz ter Meer

CBG Redaktion

Coordination gegen BAYER-Gefahren
Presse-Info vom 7. November 2006

Uerdingen: BAYER ehrt Kriegsverbrecher Fritz ter Meer

Der BAYER-Konzern verweigert weiterhin eine öffentliche Distanzierung von dem verurteilten Kriegsverbrecher Fritz ter Meer. An Allerheiligen ließ das Unternehmen an ter Meers Grab in Krefeld-Uerdingen zum wiederholten Mal einen Kranz aufstellen.

Ter Meer, geboren 1884, war seit 1925 Vorstandsmitglied der IG Farben. Während des 2. Weltkriegs war er verantwortlich für den Aufbau des IG Farben-Werks in Auschwitz, in dem rund 30.000 Zwangsarbeiter den Tod fanden. Im Nürnberger IG-Farben-Prozess wurde ter Meer im Juli 1948 wegen Versklavung und Plünderung zu sieben Jahren Haft verurteilt. In den Vernehmungen äußerte er, den Zwangsarbeitern sei kein besonderes Leid zugefügt worden, „da man sie ohnedies getötet hätte“.

Nach seiner Haftentlassung wurde ter Meer Aufsichtsratsvorsitzender von BAYER. Nach seinem Tod 1967 benannte BAYER eine Stiftung zur Förderung von Studierenden in „Fritz-ter-Meer-Stiftung“.

Axel Köhler-Schnura von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Es ist unerträglich, dass der BAYER-Konzern einen Kriegsverbrecher wie Fritz ter Meer ehrt und sich zur selben Zeit weigert, die Opfer und ihre Nachfahren angemessen und gerecht zu entschädigen. BAYER muss sich seiner Mitverantwortung für die Terrorherrschaft der Nazis, für Krieg und Zwangsarbeit stellen.“ Köhler-Schnura erinnert daran, dass internationale Proteste und eine Reihe von Prozessen in den USA zwar BAYER (und andere deutsche Konzerne) zwangen, sich ihrer verbrecherischen Nazi-Vergangenheit zu stellen. Aber statt Reue, Einsicht und Wiedergutmachung schufen die Firmen in Geheimabsprachen mit der Bundesregierung die Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, mit deren Hilfe die Opfer mit beschämenden Brosamen abgefunden wurden. Die Coordination bleibt dabei: Es gibt für BAYER und andere Konzerne keinen Schlussstrich. Die Opfer von Zwangsarbeit, Menschenversuchen und anderen Verbrechen in Konzernverantwortung sowie ihre Nachkommen müssen angemessen entschädigt werden.

Bitte lesen Sie auch:
Vergangenheitsbewältigung à la BAYER: Wie der Chemie-Konzern mit der IG FARBEN-Geschichte umgeht
Zur „Arisierung“ des Uerdinger Friedhofs: Die Grabschänder
BAYERs Menschenversuche in Auschwitz

Glosse

CBG Redaktion

saveourseeds, 07.11.2006

Sind Sie Bayer - Kennen Sie den Herrn Winnacker?

Sie, kennan Sie fei den Herrn Winnacker? Ja, den kennan Sie nicht? Aber freilich, den müssen’s doch kennan, so a Kleiner, ziemlich Großer, Kompakter, wissen’s aus München, ja, ein ganz ein feiner Herr ist das. Freilich kennt der Sie nicht, aber Sie sollten ihn schon kennan, weil er nämlich ein ganz ein Schlauer und Wichtiger ist.
Also der Herr Winnacker ist ein Professor an der Ludwigs-Maximilian-Universität in München. Nein, einen Nobelpreis hat er nicht. Aber er hat viele Bücher geschrieben, weil er nämlich ein Biochemiker und Gentechniker ist, damit wir das begreifen mit dem Achten Tag der Schöpfung. Sie wissen ja, der Herrgott hat sieben Tage gebraucht um die Welt zu erschaffen. Das glauben in Amerika fei viele bis heute wörtlich. “Smart design” nennans des und glauben, der Herrgott hat das nicht einfach der Evolution überlassen mit dem Leben, sondern richtig sauber geplant und umgsetzt. Aber der Herr Professor, der ist kein solcher Kreationist, wie man sagt, sondern ein ganz ein Rationaler. Der macht den Rest an einem Tag. Und zwar mit der Gentechnik. Da geht nämlich alles viel schneller und so wie wir des woll’n. Sie müssen praktisch nur so ein Gen nehmen und in eine Pflanze rein montieren und dann macht die Pflanze des was sie soll. Ja unglaublich, gell, die tollsten Kunststücke kann man den Pflanzen und Tieren da beibringen, sagt jedenfalls der Herr Professor, wenn man sie nur richtig dressiert, eben mit der Gentechnik. Mit Menschen macht man so was aber nicht, gell, weil das der Herrgott sicher nicht gewollt hätt. Bloss die Stammzellen, die muß man jetzt auch dressieren, sagt der Professor, aber nur zu ethisch hochwertigen Zwecken, also für nix Schlimmes.
Jedenfalls der Herr Winnacker, der hat jetzt zwar keinen Nobelpreis, aber dafür ist er der Chef von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Ja, die kennan Sie auch nicht, die De-Ef-Ge? Freilich kennt die Sie auch schon wieder net. Aber Sie sollten die schon kennan, weil da nämlich jedes Jahr viele hundert Millionen Euro von Ihren Steuergeldern durch diese Gesellschaft also praktisch hindurchfließen, in die Forschung. Natürlich nicht direkt hinein, aber doch zu den anderen Herren Professoren, den Kollegen von dem Herrn Winnacker, und die bezahlen damit die Assistenten und die Postdoks und die Sekretärin und die Reagenzgläser und die Computer und die Reisekosten und alles was der Fortschritt sonst noch braucht. Also jedenfalls ist der Herr Winnacker dort Präsident. Aber bald nicht mehr. Warum? Das werd ich ihnen gleich erklären.
Erst noch a andere Frage: Kennen Sie Bayer? Ja, freilich – Leverkusen, des Apotheken-Kreuz, Alka Selzer, Paraquat, Lipobay, und jetzt dieser Reis, dieser gentechnische, der gar nicht erlaubt ist. Ja, Reis von Bayer, da staun’S, gell, nicht vom Dr.Oetker oder Uncle Ben, sondern von Bayer. Schön heißt er ja: “Liberty Link”. Können’s die Freiheit schon schmecken? Des “Liberty” ist nämlich ein Pestizid, pardon ein Pflanzenschutzmittel, von Bayer. Und der Reis ist dressiert drauf, daß er des Liberty verträgt, aber des ganze andere Grünzeug stirbt ab vom Liberty. Bloss der Reis ist hier verboten und in Amerika auch, weil die Professoren noch net genau wissen ob er unschädlich ist. Es gibt überhaupt noch gar keinen schönen Gentechnik-Reis auf dem Markt, weil den nämlich keiner essen will; bloß die illegale Bückware praktisch, die aber keiner will. Deshalb hat die EU-Kommission jetzt gesagt: Einen Reis aus Amerika darf man nur noch einführen, wenn kein Liberty-Reis von Bayer drin ist und die Japaner, die ja sowieso nur Reis essen, hoam des aa gsogt. Mei, des war net gut für den Reis-Preis in Chicago und die Reisbauern in Arkansas und Louisiana ham gleich an Anwalt gnommen und jetzt muß der Bayer für sein Liberty Link an Haufen Geld bezahln. Selber schuld, gell. Aber des Geld kommt schon wieder rein, hofft Bayer, wenn erst mal das Gentechnikgesetz in Deutschland geändert wird. Weil “mit seinen unangemessenen Haftungsregeln behindert das Gesetz einen wichtigen Forschungszweig,” hat der Herr Wenning geklagt. Sehen Sie, dem geht es auch nur um die Forschung.
Das mit dem Reis war den Gentechnikern ziemlich peinlich, weil das mit dem achten Tag der Schöpfung hier praktisch aus Versehen passiert ist bei einem ganz einem wissenschaftlichen Experiment in Louisiana, vor fünf Jahren. Da haben die Wissenschaftler bei der Innovation irgendwie nicht richtig aufgepaßt. Deshalb ist also dieser Liberty-Reis leider aus Versehen ins Saatgut gekommen und niemand hat es gemerkt. Und wie sie es dann doch gemerkt haben bei Bayer, da dachten sie erst, daß das jetzt nicht gleich jeder wissen muß. Weil, man weiß ja was die Medien aus so einer Mücke gleich machen. Aber dann kam es eben doch raus. Wie der Reis da überhaupt rein kam weiß immer noch keiner.
Am allerwenigsten natürlich Bayer, weil denen nämlich zwar dieser Liberty-Reis gehört aber eigentlich haben sie ihn ja nur geerbt von Aventis. Sehen Sie die kennen sie jetzt wieder nicht. Die gibt es auch nicht mehr, die wurden nämlich von Bayer aufgekauft und haben vorher Hoechst gehört und Schering. Aber Schering gehört ja jetzt auch Bayer und Hoechst gibt es eigentlich auch nicht mehr. Aber Bayer, sehen’s das hätten Sie jetzt auch wieder nicht gedacht, Bayer ist jetzt der drittgrößte Saatgut-Konzern der Welt und alles was vorher Hoechst und Schering und Rhone-Poulenc und Limagrain gehört hat, heißt jetzt “Bayer Crop Science“. Aber so was steht ja auch nicht auf der Packung, wer jetzt das Saatgut hergestellt hat und wer die Pestizide für Ihr Müsli.
Und was hat das jetzt mit dem Herrn Professor Winnacker zu tun? Sehen Sie, das hätten Sie jetzt vielleicht nicht gedacht, der Herrn Professor ist nämlich im Aufsichtsrat von Bayer. Das darf man nicht falsch verstehen. Eigentlich hat er den Posten sozusagen auch nur geerbt. Der Vater vom Herrn Professor war nämlich ein ganz hohes Tier bei Bayer und den IG Farben im Krieg. Aber das war noch eine andere Zeit und die gehört jetzt eigentlich gar nicht hier her.
Bloss, wundern tut es manche schon, weshalb jetzt ein Professor, der die ganzen schönen Millionen für die Forschung verwaltet, also wie der die Zeit findet, auch noch bei Bayer im Aufsichtsrat zu sitzen und außerdem auch noch bei KWS, also der Kleinwanzlebener Saatzucht. Die ist fei gar nicht so eine kleine Wanze wie man denkt, sondern der fünftgrößte Saatgutkonzern auf der Welt und die gehört auch ein Bißchen dem Dr. Oetker und dressiert mit der Gentechnik Rüben. Jedenfalls, wie macht das der Herr Professor alles? Das ist wahrscheinlich, weil er eben so schlau ist. Deshalb hat er auch noch eine eigene Firma, Medigen, auch mit Gentechnik.
Aber jetzt wird ja alles anders. Da brauchen wir uns also keine Gedanken mehr machen, weil der Herr Winnacker ja bald nicht mehr der Präsident von der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist und dann auch nicht mehr dementieren muß, daß er gar keine Interessenskonflikte nicht kennt, weil er ja streng wissenschaftlich vorgeht und eigentlich nur dem Fortschritt verpflichtet ist. Und wenn also jetzt ihr Steuergeld an Bayer geht, daß das dann nur wegen der Wissenschaft und der Innovation ist und nicht weil der Winnacker vielleicht – also so was sollten Sie gar nicht erst denken, weil sonst müßte der Herr Professor vielleicht von Ihnen denken, daß Sie vielleicht ein Feind der Wissenschaft sind und in Wirklichkeit nur gegen die Gentechnik und zwar ganz radikal und fundamental und überhaupt, daß Sie vielleicht gar nicht objektiv denken, sondern emotional und daß sie nur verhetzt sind von den ganzen Umweltschützern und Neidhammeln und Fortschrittsverhinderern …
Aber jetzt sind wir schon wieder abgeschwiffen, weil ich Ihnen doch eigentlich erklären wollte warum der Herr Winnacker jetzt nicht mehr Präsident von der DeEfGe ist. Ja, da werden Sie wirklich staunen. Sie werden mir das vielleicht nicht glauben nach all den gemeinen Sachen, die ich da über den Herrn Professor habe anklingen lassen. Deshalb lesen Sie selbst, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die ganz bestimmt nichts gegen den Herrn Winnacker hat:
EU-Forschungsrat - Winnacker wird Generalsekretär
Es kommt nicht häufig vor, daß eine Bürokratie freiwillig Macht abgibt. Doch im Dienst des großen Zieles, Europa im Innovationswettbewerb mit Amerika und Asien zu behaupten, ist die EU-Kommission dazu bereit. Die Forschungsinvestitionen der Gemeinschaft sollen vom kommenden Jahr an nicht mehr ausschließlich von ihren Brüsseler Beamten vergeben werden, sondern zumindest teilweise von der Wissenschaftsgemeinde selbst - nach dem strengen Gutachterprinzip. Allein um herausragende Grundlagenforschung soll es im Europäischen Forschungsrat gehen, nicht wie so oft in Brüssel etwa darum, Fördermittel gleichmäßig zwischen Griechenland und Finnland zu verteilen.
Bis die Idee des Rates reifte und Gestalt annahm, sind sieben Jahre vergangen. Doch nun steht auch fest, wer den Rat leiten und sein Jahresbudget von rund einer Milliarde Euro verantworten wird. EUForschungskommissar Potocnik und der wissenschaftliche Leiter des Rates, Kafatos, haben bekanntgegeben, daß der Biochemiker Ernst-Ludwig Winnacker zum 1. Januar 2007 die Position des Generalsekretärs einnimmt. Bis dahin wird der 65 Jahre alte Winnacker noch sein Amt als Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ausüben, das ihn für die neue Aufgabe prädestiniert. Die DFG ist nicht nur die größte Wissenschaftsfördereinrichtung Europas, sie verwirklicht die Selbstverwaltung der Wissenschaft genauso, wie es der Europäische Forschungsrat nun für ganz Europa tun soll.(…)
Als Leiter des Gremiums in seiner Gründungsphase kann Winnacker entscheidende Weichen stellen, damit der Forschungsrat zum Erfolg wird. Es geht vor allem darum, den politischen Einfluß der Kommission auf die Vergabe der Mittel zu begrenzen und sicherzustellen, daß in den geplanten zehn Gutachtergremien mit je zwanzig Mitgliedern geeignete Fachleute der jeweiligen Disziplinen arbeiten, denen man die EU-Mittel anvertrauen kann.

Also jetzt kennen Sie den Herrn Winnacker zwar noch immer nicht und er sie ja auch nicht. Aber, gell, das ist schon ein verdächtiger Zufall mit den sieben Jahren und dem achten Tag der Schöpfung. Ist mir gleich aufgefallen. Ihnen auch?

[Ausgliederung] Ausgliederung BIS

CBG Redaktion

03.11.06, Leverkusener Anzeiger

„Moralisch ist das ein Armutszeugnis“

Keinerlei Verständnis für die Zerschlagungspläne bei Bayer Industry Services (BIS) hat der Leverkusener SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach.

„Politisch doppelzüngig, entlarvend und moralisch ein Armutszeugnis.“ Das ist das Urteil des in Leverkusen direkt gewählten Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach. In einem Telefoninterview mit dem „Leverkusener Anzeiger“ berichtete der Sozialdemokrat gestern, er sei am Dienstag gleich zu zwei Gesprächen in den Bayer-Konzern gebeten worden. Vormittags hätten ihn die Manager der Pharma-Sparte gebeten, in der aktuellen Gesetzgebung zur Gesundheitsreform Politik zugunsten von Bayer und für den Standort Leverkusen zu machen, abends habe ihm der BIS-Arbeitsdirektor Heinz Bahnmüller zu erklären versucht, dass der Standort Leverkusen geschwächt werden müsse, weil anders die Marktsituation für BIS nicht zu verbessern sei.

Von einer Marktsituation, so Lauterbach, könne bei BIS kaum die Rede sein. 75 Prozent der Aufträge kämen schließlich von den Müttern, der Bayer AG und Lanxess. Beide machten Rekordgewinne und seien dennoch nicht bereit, BIS auskömmliche Preise zu zahlen. „Bayer und Lanxess“, davon ist Lauterbach überzeugt, „stecken hinter den Zerschlagungsplänen, nicht etwa BIS selbst.“ „Bayer hat im Jahr 2005 sein Ergebnis um 56 Prozent, Lanxess das operative Geschäft ohne Sondereinflüsse sogar um 110 Prozent gesteigert.“ BIS könne nicht so gute Zahlen aufweisen. Das aber liege am Verhalten der beiden „Monopolauftraggeber“, die ihre Rekordergebnisse zum Teil auch zulasten von BIS erreicht hätten. Bayer-Chef Werner Wenning und der Lanxess-Vorstandsvorsitzende Axel C. Heitmann seien nicht bereit, die BIS-Mitarbeiter an den Rekordgewinnen teilhaben zu lassen. „Das soll allein an die Aktionäre gehen.“ Viele BIS-Mitarbeiter dagegen müssten künftig mit reduzierten Einkünften leben. „Und das sind die, die noch Glück haben.“ Er sei sicher, dass es in zwei, drei Jahren in den ausgelagerten Bereichen von BIS zu betriebsbedingten Kündigungen kommen werde, weil Bayer nicht bereit sei, Auftragsgarantien zu geben.

„Der kurzfristige Gewinn ist das Ziel, das ist die ganze Geschichte“, empörte sich Lauterbach. Wenn es dem Unternehmen gut gehe, wolle man nicht mit den Mitarbeitern teilen, sei der Konzern aber in der Krise, werde an die Solidarität der Belegschaft appelliert, kritisierte der Abgeordnete unter Anspielung auf die Lipobay-Krise.

Ihn jedenfalls habe das Gespräch mit BIS-Arbeitsdirektor Heinz Bahnmüller in keiner Weise überzeugt, erklärte der SPD-Politiker. Als „nicht dumm“ hingegen bezeichnete Lauterbach einige Gedanken von Bayer Health Care zur Gesundheitsreform. Allerdings hätten die Bayer-Argumente angesichts des Verhaltens des Konzerns in Sachen BIS „bei mir deutlich an Gewicht verloren“.
Die Bundesregierung müsse noch einmal über die Unternehmenssteuern nachdenken. Die bisherigen Entlastungen hätten die in Aussicht gestellten Arbeitsmarkt-Effekte nicht gehabt. Während der Bürger höhere Steuern und Beiträge zu tragen habe, wolle man die Unternehmen netto um weitere fünf Milliarden Euro entlasten. „Ich halte das für falsch“, erklärte Lauterbach und plädierte dafür, stattdessen in Bildung zu investieren. „Ich bin überzeigt, dass das für die Gesellschaft eine höhere Rendite bringt.“ VON RAINER SCHMIDT,

Rheinische Post, 26.10.2006

Bayer Industry Services: Eklat bei Abteilungsversammlung

Die Zukunft der einzelnen Abteilungen bei Bayer Industry Services ist ein sensibles Thema. Das sollte die Arbeitgeberseite spätestens nach der Demo und der großen gemeinsamen Betriebsversammlung am Dienstag erkannt haben.

Doch bei nicht allen Vorgesetzten scheint angekommen zu sein, wie viel an Emotionen sich in den letzten Wochen bei der Belegschaft angesammelt hat.
So kam es in der Abteilungsversammlung der vor dem Verkauf stehenden Technischen Betriebe gestern zum Eklat. Bis auf ein paar Dutzend hätten die rund 700 Teilnehmer demonstrativ die Veranstaltung am gestrigen Vormittag verlassen, bestätigte Gesamtbetriebsratsvorsitzender Jörg Feldmann Informationen unserer Zeitung. Grund des Protestes: eigentlich sollen die Betroffenen in den Abteilungsversammlungen Fragen stellen, die ins Detail gehen.
Doch der Vorgesetzte soll nach RP-Informationen lediglich die Ausführungen der Geschäftsführung von Dienstag wiederholt haben.
Derweil bestätigte ein Unternehmenssprecher, dass die Geschäftszahlen von BIS in diesem Jahr wegen des Konjunkturanstiegs besser sind als erwartet. So liegt der Umsatz rund zehn Prozent über Plan.
Trotzdem werde BIS am Jahresende mit einem Fehlbetrag von 17 Millionen Euro da stehen, rechnete der Unternehmenssprecher vor: den 18 Millionen Plus stünden Verpflichtungen von 35 Millionen (vor allem für Pensionsaufwändungen) gegenüber.

Stimmen aus dem Werk

Hallo Kollegen
Für mich ist eine Entscheidung gefallen. Ich habe gestern eine Verkaufsorder auf den 24.10.2006 für allen meine Bayeraktien gesetzt. Denn ich brauche keine Aktien von einem Unternehmen das sich nicht (mit mir) mit seinen Mitarbeitern identifizieren kann !
Ist eine persönliche Einstellung und ich hätte ein schlechtes Gewissen wenn ich Dividenden im nachsten April bekomme und dafür mußten so viele Kollegen gehen und Angst um ihre Existenz haben, nur damit der Akienkurs stimmt !!!

Ich denke, dass nun die Ernte eingefahren wird, die schon vor Jahren gesät wurde. Und mit immer derselben Salami-Taktik werden die Kolleginnen und Kollegen auseinander dividiert. So geht es Jahr für Jahr und niemand schreitet von den Funktionären der IGBCE voran. Ich bin der Meinung es reicht, kommt endlich mal hoch mit eurem hochbezahlten Arsch und setzt alle eure Mittel ein, um den betroffenen Kollegen von BIS zu helfen. Jeder der heute meint, es wäre nur ein BIS Problem den kann schon morgen das gleiche Schiksal ereilen. Lasst uns alle gemeinsam gegen diese fadenscheinige Firmenpolitik vorgehen. Unser Unternehmen ist kerngesund und fährt traumhafte Gewinne ein, hieran partizipieren aber nur noch die Kopfgesteuerten. Schluss damit lasst uns am besten zu Millionen nach Berlin maschieren und allen voran die Gewerkschaftsführer.
Ich hoffe für alle Betroffenen auf eine vernünftige Lösung.

Alle die mal „Unser Werk“ waren oder auch noch sind,sollten Ihre Meinung zu einem Streik kundtun.
Auch ich habe mich in über 30 Jahren von Bayer nach Lanxess hochgearbeitet??!!??
Ich persöhnlich habe die Schnauze voll und rufe unsere Gewerkschaft auf , Ihre Zurückhaltung aufzugeben.
Wir werden immer weiter zerschlagen und kleiner gemacht und irgendwann geht garnichts mehr. Wenn nicht jetzt wann dann? Vielleicht ist es unsere letzte Chance.

Es gibt nicht wenige, die endlich wissen wollen, wie es weitergeht. Die ewigen Gerüchte zehren doch an allen, aber die Geschäftsführung macht dicht. Ich habe noch die Parole im Ohr, dass zeitnah informiert wird und die BIS Grundsätze eingehalten werden.
Ein Scheiß wird gemacht, wir stehen nachher wie HR vor den Ergebnissen, und jeder muß schauen was für ihn dabei herumkommt und wie er damit umgeht. Inzwischen bin ich soweit, dass ich mir schon Bundesweit Stellenangebote anschaue, zwar ist mein Job hier relativ sicher, aber ich hab keinen Bock mich unter Wert zu verkaufen.

25.10.2006, Rheinische Post

Leverkusen: IG BCE sieht Dämme brechen

VON ANDREA RÖHRIG

Laut hergegangen muss es sein auf der gestrigen Betriebsversammlung im Leverkusener Werk zu den Plänen der Geschäftsleitung von Bayer Industry Services. 4000 Teilnehmer – allesamt Betroffene des am Montag vorgestellten Strategieprojektes – waren es nach Schätzungen der Gewerkschaft IG BCE. Und viele machten ihrem Unmut gegenüber ihren Chefs Luft.

Von 10 bis ca. 13 Uhr hatte BIS-Geschäftsführer Dr. Klaus Schäfer Rede und Antwort gestanden. Auch dort soll der 43-Jährige noch einmal bekräftigt haben, dass das Programm schnell umgesetzt wird. Bereits Ende des Jahres sollen die Entscheidungen gefällt sein.

Doch der erste Gesprächstermin mit der Arbeitnehmervertretung am morgigen Donnerstag wurde bereits gecancelt, sagte BIS-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Jörg Feldmann: „Wir haben als Betriebsrat jetzt erstmal ausführlichen Gesprächsbedarf mit unserer Gewerkschaft.“ Das Thema BIS interessiere die IG BCE bis in die Führungsebene, weil man befürchte, dass in Leverkusen erste Dämme brechen könnten, so Feldmann. Immerhin hatte man sich vor einiger Zeit mit der Unternehmensseite über eine Öffnung des Tarifs für die Logistik-Tochter Chemion mit ihren rund 1200 Beschäftigten verständigt. Nach seiner Information habe die Geschäftsführung beim Thema Chemion gestern etwas zurück gerudert. Hatte Schäfer am Montag noch keine Aussage zu einem möglichen Verkauf getätigt, habe es gestern geheißen, eine Veräußerung sowie die Suche nach einem strategischen Partner sei erst mal vom Tisch. Immerhin arbeite Chemion bereits schon eng mit „Rhenus“ zusammen, so Feldmann.

Tausende demonstrieren vor Bayer-Werk
Aber auch für so manchen Mitarbeiter, der zurück zu Bayer soll, könnte es knüppeldick kommen. Feldmann verwies auf rund 30 BIS-Beschäftigte, die das Erholungshaus managen. Für die sei ein Übergang in die Bayer Gastronomie im Gespräch, die ihre Mitarbeiter nicht nach dem Chemietarif bezahlten. Doppelt betroffen vom Sparpaket sei der Bereich der Flächen- und Gebäudeverwaltung. Diese rund 50 Beschäftigten, die unter anderem Hausmeisterdienste versähen, hätten gerade ein eigenes Sparpaket abgearbeitet. BIS bestätigte gestern einen RP-Bericht, 2008 werde man sich aus der eigenen Berufsschule zurück ziehen. Die Städte müssen Lösungen für 1000 Azubis suchen.

Am Montag trieb auch Mitarbeiter des IT-Dienstleisters Bayer Business Services die Sorge um, dass es im Hinblick auf die Fusion von Bayer und Schering bald ihnen an den Kragen geht. „Bayer Business Services befindet sich nicht in einer Situation, die vergleichbar ist mit der der Bayer Industry Services. Auslagerungen und Veräußerungen von Geschäftsfeldern oder Kündigungen stehen bei uns nicht zur Debatte“, sagte BBS-Sprecher Dietmar Bochert auf Anfrage: Zudem sei die Struktur nicht vergleichbar. BBS hat weltweit 4400 Mitarbeiter, 2000 arbeiten in Leverkusen. Hinzu kommen 500 bei vier BBS-Töchtern.

[gallery]

[Zensur] Internet Zensur

CBG Redaktion

Presseerklärung vom 31. Oktober 2006

Bayer AG lässt Website von Greenpeace sperren

Statt Proteste von Bürgern zu beherzigen, setzt die Bayer AG auf Zensur

Ohne rechtliche Befugnis hat der Agrar- und Pharmakonzern Bayer gestern die Greenpeace-Website www.einkaufsnetz.org sperren lassen. Am Vormittag startete Greenpeace eine Cyberaktion gegen gentechnisch veränderten Reis von Bayer. Bürger konnten ihren Protest gegen die Zulassung des Gen-Reises als Nahrungsmittel in Europa an den Vorstandsvorsitzenden der Bayer AG, Werner Wenning, mailen. Schon nach wenigen Stunden hatten hunderte von Cyberaktivisten Protest-Mails verschickt. Am Abend, gegen 18 Uhr, konnte die Website des Einkaufsnetzes, der Verbraucherorganisation von Greenpeace, nicht mehr aufgerufen werden. Die Bayer AG hatte diese über die Firma, die den Server der Greenpeace-Website betreibt, sperren lassen. Greenpeace wurde von keiner Seite über diesen Vorgang informiert.

„Anstatt die Ablehnung der Verbraucher gegen Gen-Reis ernst zu nehmen, nutzt die Bayer AG ihre Macht, um die Website sperren zu lassen“, sagt Greenpeace-Sprecherin Ulrike Brendel. „Offensichtlich benötigt die Bayer AG dringend Nachhilfe in Sachen Demokratieverständnis. Es existiert keine rechtliche Grundlage für die Sperrung einer unliebsamen Website.“ Nach Beschwerden von Greenpeace und der Firma, die die Website technisch betreut, wurde die Seite heute gegen elf Uhr wieder aktiviert.

Greenpeace hatte im September illegalen Gen-Reis der Bayer AG bei Aldi Nord gefunden. Inzwischen haben auch die staatlichen Behörden in mindestens 45 Proben illegalen Gen-Reis nachgewiesen. Der Gen-Reis, der keine Zulassung für Anbau und Verzehr hat, breitete sich unkontrolliert in herkömmlichen Reis aus. „Anstatt aus diesem Skandal eine Lehre zu ziehen, will die Bayer AG jetzt eine Zulassung für Gen-Reis in Europa durchsetzen“, sagt Brendel.

Achtung Redaktionen: Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an Ulrike Brendel, Tel. 0171-8780 844. Das Protest-Schreiben gegen gentechnisch veränderten Reis von Bayer finden Sie unter: http://de.einkaufsnetz.org/gentechnik/lebensmittel/23490.html

siehe hierzu auch: Bayer würgt kritische Homepage ab

[GenReis] GenReis Fund

CBG Redaktion

30. Oktober 2006, Greenpeace

Gen-Reis lagert im Hamburger Hafen / Bayer AG ist verantwortlich!

Nach einer bundesweiten Rückrufaktion lagert illegaler genmanipulierter Reis der Firma Bayer nach Recherchen von Greenpeace im Hamburger Hafengebiet. Der Gen-Reis LL601 soll nach Auskunft des Reishandelsunternehmens Euryza GmbH möglicherweise zur weiteren Verwendung als Nahrungsmittel exportiert werden.

Euryza-Reisprodukte wurden in den vergangenen Wochen bundesweit aus Supermärkten entfernt, nachdem Greenpeace und die staatlichen Überwachungsbehörden Verunreinigung mit der nicht zugelassenen Gen-Reis-Sorte festgestellt hatten. Die Auswirkungen von LL601-Reis auf die menschliche Gesundheit sind bisher nicht erforscht. Der Reis darf weder angebaut, noch als Nahrungsmittel verkauft werden. Greenpeace fordert, dass die kontaminierten Lagerbestände im Hamburger Hafen umgehend vernichtet werden.

„Es droht eine globale und illegale Kreislaufwirtschaft mit Gen-Reis“, sagt Gentechnik-Experte Christoph Then. „Exportierter Gen-Reis kann erneut mit konventionellem Reis vermischt und mit neuer Verpackung wieder auf den Markt gebracht werden. Die fortschreitende Verunreinigung eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel der Welt muss unverzüglich gestoppt werden.“ Erst Anfang Oktober hatte Greenpeace den Gen-Reis von Bayer auch in Dubai und Kuwait gefunden.

Nach einem anonymen Hinweis auf eine Lagerhalle im Hamburger Hafengebiet wurden Greenpeace-Aktivisten rasch fündig: Auf dem Gelände lagen Reiskörner lose auf einem Parkplatz. Eine Laboranalyse ergab, dass es sich tatsächlich um die Gen-Ware handelt. Auf Rückfrage hat die Firma Euryza bestätigt, dass auf dem Gelände der kontaminierte Reis gelagert wird. Die Hamburger Lebensmittelüberwachung teilte mit, den Vorgang kritisch zu verfolgen. Bislang würden jedoch gesetzliche Regelungen für den weiteren Umgang mit der Ware fehlen.

Nach Ansicht von Greenpeace ist es notwendig, den Verursacher des Gen-Reis-Skandals, den deutschen Pharma- und Agrarkonzern Bayer, für die entstandenen Schäden in die Haftung zu nehmen. Die Firma Bayer will gentechnisch veränderten Reis, der gegen Spritzmittel resistent gemacht wurde, zukünftig auch in Europa vermarkten. Der Gen-Reis hat bereits erhebliche wirtschaftliche Schäden allein auf dem deutschen Markt verursacht. Laut Schätzung des Bundesverbandes von Nährmittel aus Getreide und Reis wurden rund 10.000 Tonnen Reis in Rückrufaktionen vom deutschen Markt genommen. Der Verband schätzt nach einer kleinen Anfrage der Grünen an die Bundesregierung den in Deutschland entstandenen Schaden (Kosten für Rückruf und Lagerung) für die Lebensmittelwirtschaft auf rund zehn Millionen Euro. Viele Reis-Mühlen und Handelsunternehmen meiden inzwischen konsequent Reis aus den USA. Langfristig können auch Schäden für die Umwelt und menschliche Gesundheit nicht ausgeschlossen werden.

Interessierte Verbraucher können sich heute den Protesten von Greenpeace anschließen und die Firma Bayer unter www.einkaufsnetz.org auffordern, für den Gen-Reis zu haften und die Vermarktungsanträge für Gen-Reis in der EU zurückzuziehen.

Lesen Sie hierzu auch einen Brief an die europäische Lebensmittelbehörde EFSA: Gen-Reis von Bayer nicht in der EU zulassen!

[BIS] Entlassungen BIS

CBG Redaktion

Basis Betriebsräte, 24. Oktober 2006 (www.basisbetriebsraete.de)

BIS-Mitarbeiter enttäuscht von Betriebsversammlung

Enttäuscht stehen viele Mitarbeiter der Bayer-Tochter BIS am Dienstagmittag (24.10.06) vor dem Werkstor. In der Betriebsversammlung wurden ihre Befürchtungen bestätigt: Das Unternehmen will zahlreiche Arbeiten auslagern und rund 600 Stellen streichen.
Durch Leverkusen pfeift an diesem Dienstag der erste Herbststurm und mancher Mitarbeiter von BIS dürfte den rauhen Wind als durchaus symbolträchtiges Vorzeichen deuten. Denn nicht nur meteorologisch droht ein Unwetter: „Die Stimmung war gereizt“, berichtet einer, der am Mittag aus der Betriebsversammlung im Chemiepark Bayer kommt. Vor dem Tor werden die Beschäftigten von Journalisten umringt, doch nur wenige wollen ihren Namen nennen. Die Angst vor der Zukunft ist groß.
Uwe Demmrich traut sich. Wenig Neues habe die Betriebsversammlung gebracht, sagt der Mitarbeiter aus der Gebäudeverwaltung: „Das meiste habe ich heute Morgen schon in der Zeitung gelesen.“ Demnach soll die Bayer-Dienstleistungstochter aufgeteilt und verkauft werden. Rund die Hälfte der knapp 6.000 Beschäftigten bekämen dann einen neuen Arbeitgeber, 600 Stellen sollen ganz gestrichen werden. Für seine Enttäuschung findet der 53-jährige Demmrich markige Worte: „Wir haben dabei mitgeholfen Bayer aufzubauen und jetzt tritt man uns in den Arsch.“ Eine Einstellung, die viele BIS-Mitarbeiter teilen.

„Bayer-Mitarbeiter zweiter Klasse“
„Seit sie vor ein paar Jahren aus dem Stammkonzern ausgegliedert wurden, fühlen sich viele hier nur noch wie Bayer-Mitarbeiter zweiter Klasse“, sagt ein anderer Beschäftigter, der anonym bleiben will. Bislang sei die BIS ein Auffangbecken für Mitarbeiter gewesen, die sich in der Produktion „den Rücken krumm gearbeitet“ hätten. Dennoch kann er auch Verständnis für die Pläne der Manager aufbringen. Der Verkauf der Servicegesellschaften sei betriebswirtschaftlich notwendig und die logische Konsequenz der Entwicklung bei Bayer in den vergangenen Jahren.
Uwe Demmrich vermutet, dass in Leverkusen nur noch Forschung und Verwaltung übrig bleiben sollen. Er ärgert sich vor allem über die Versprechungen der vergangenen Jahre: „Wir haben vieles hingenommen, weil uns gesagt wurde, damit sichert ihr eure Arbeitsplätze.“ Dass es um die nach einem Verkauf der BIS schlecht bestellt sein wird, liegt für den Arbeiter auf der Hand: „Schließlich geht es darum, weiter Geld zu sparen.“

Angst vor der Arbeitslosigkeit
Sven Strebl ist 19 Jahre alt und macht derzeit seine Ausbildung bei der BIS. Nach der Betriebsversammlung fragt er sich, was aus ihm nach der Lehre wird. „Natürlich hatte ich die Hoffung, vielleicht übernommen zu werden“, sagt er. Über das, was nun kommt, mag er im Moment gar nicht nachdenken. Erst einmal geht es zurück an den Arbeitsplatz. Viele, die aus den anderen Betriebsstätten in die Halle B104 gekommen sind, steigen ernüchtert wieder in die Werksbusse.
Junge und altgediente Mitarbeiter vereint die Angst vor der Arbeitslosgkeit. „Wenn man 37 Jahre bei Bayer war, können einem die Tränen kommen“, sagt Karl-Heinz Ketterer. Zwei Jahren hat er noch bis zu Rente. Doch ob er bis dahin noch stolzer Bayer-Mitarbeiter sein wird, ist für ihn nicht mehr gewiss. Der Blick auf das vom Sturm umhergewirbelte Herbstlaub weckt bei ihm keine guten Gefühle.

Leverkusener Anzeiger, 25. Oktober 2006

Mitarbeiter gerieten in Rage

VON THOMAS KÄDING

Den Vorstandsvorsitzenden von Bayer und Lanxess sollten die Ohren klingen. Das dürfte gestern Morgen gelungen sein. Viele der rund 2000 Beschäftigten - die meisten von ihnen arbeiten noch beim Chemiepark-Betreiber Bayer Industry Services - setzten Trillerpfeifen ein, während die Betriebsräte Jörg Feldmann und Manfred Thomas die Büros von Werner Wenning und Axel Heitmann aufsuchten. Die Belegschaftsvertreter übergaben den Verantwortlichen der beiden BIS-Gesellschafter Briefe. Darin forderten sie die Eigentümer auf, den Alleingang der Arbeitgeberseite aufzugeben und mit dem Betriebsrat nach Lösungen für BIS zu suchen, die akzeptabel sind.
Die Zerschlagung des Unternehmens komme nicht in Frage, es gebe viele Möglichkeiten jenseits der puren Verkaufsstrategie, die am Montag in Aufsichtsrat und Wirtschaftsausschuss vorgestellt worden war. Danach war spontan eine Mahnwache vor dem Bayer-Kasino aufgezogen, die sich im Regen die Nacht um die Ohren schlug. Darauf bezog sich später Betriebsrätin Heike Bär, als sie auf der Betriebsversammlung in der vollbesetzten Halle B 401 den Geschäftsführer von BIS, Klaus Schäfer, diese Frage stellte: „Wie haben Sie eigentlich diese Nacht geschlafen?“

„Sonderabfall“
Auf dem Protestzug über die Kaiser-Wilhelm-Allee und die Bundesstraße 8 zur Betriebsversammlung waren die Mitarbeiter immer mehr in Rage geraten: Als die Stadtgrenze nach Köln überschritten wurde, blockierte der Tross die gesamte Bundesstraße, Verkehrsstaus waren die Folge. Viele hatten sich neben den Trillerpfeifen und Plastik-Umhängen mit IG-BCE-Logo auch mit einem gelben Aufkleber ausstaffiert: Darauf bezeichneten sie sich als „Sonderabfall“ mit der Herkunftsbezeichnung BIS.


24.10.06, Kölner Stadt-Anzeiger

Blankes Entsetzen in der Belegschaft

Das Programm heißt BIS 2009. Bis 2009 will Klaus Schäfer, Geschäftsführer von Bayer Industry Services, „jedem zweiten Mitarbeiter den Stuhl vor die Tür stellen“. So kommentierte gestern Peter Hausmann, Landesbezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) die einschneidenden Vorschläge für den Chemiepark-Betreiber.

Schockierend
Er soll in drei Jahren insgesamt nur noch 2900 Mitarbeiter haben, aber nur 300 Millionen Euro weniger Umsatz machen, nämlich 1,3 Milliarden. Heute hat BIS rund 5800 Beschäftigte, nahezu 4000 von ihnen arbeiten in Leverkusen. Gestern schlugen die BIS-Chefs im Aufsichtsrat und danach im Wirtschaftsausschuss Veränderungen vor, die Betriebsratschef Jörg Feldmann am Nachmittag als „schockierend“ und „dramatisch“ bezeichnete: Die Technischen Dienste mit rund 1500 Mitarbeitern, Hausmeister, Gärtner und andere Immobiliendienste mit 360 Beschäftigten stehen zum Verkauf an.
Auch die 180 Mitarbeiter des Tor- und Schutzdienstes werden einen neuen Arbeitgeber bekommen. 600 Arbeitsplätze sollen ersatzlos wegfallen, weitere 270 in andere Konzernbereiche verlagert werden: die in der Immobilien- und der Kulturabteilung, im Erholungshaus, der Vereinskoordinierung, Fortbildung und im Unternehmensarchiv. Die Bayer-Berufsschule soll ein Auslaufmodell werden. Bis 2008 werde man mit der Stadt Leverkusen und der Bezirksregierung nach einer Lösung suchen, sagte BIS-Sprecher Jürgen Gemke auf Anfrage.
Theodor Baikowski, Vorsitzender des BIS-Betriebsrats in Dormagen kommentierte die Unternehmensstrategie so: „Was im Moment nicht funktioniert, muss weg.“ Er beklagte, wie alle anderen Arbeitnehmer, die mangelnde Kreativität und die Zerschlagungsmentalität, mit der die Geschäftsführung nach monatelangen Untersuchungen an die Sanierung des Betreibers von Bayers Chemieparks geht. Die Gewerkschafter gehen mit der Forderung in die anstehenden Verhandlungen, „Lösungen unter einem Dach“ zu finden, sagte Peter Hausmann. Dass dies möglich sei, zeigten andere Chemieunternehmen. Weder bei der BASF, noch bei Degussa oder Henkel werde „so etwas diskutiert. Wieso gelingt es der Geschäftsführung eigentlich nicht, BIS in die schwarzen Zahlen zu bringen?“

Harte Lanxess-Linie
Er habe den Eindruck, so der Gewerkschafter, dass es Probleme auf der Leitungs- und Entscheidungsebene des Unternehmens gebe. Offenkundig kranke BIS daran, dass die beiden Gesellschafter - Bayer zu 60, Lanxess zu 40 Prozent - unterschiedliche strategische Auffassungen verträten. Offenkundig hat sich aber mit der Auswechslung des Geschäftsführers - im April folgte Klaus Schäfer auf Jürgen Hinz - die harte Lanxess-Linie durchgesetzt.
In der Belegschaft löste die angekündigte Halbierung der Firma gestern blankes Entsetzen aus. Spontan stellte sich eine Mahnwache vor das Bayer-Kasino. Betriebsrätin Heike Bär fand kein Verständnis dafür, dass aus der schwachen BIS wiederum „die schwächsten Bereiche herausgepickt würden“. Betroffen von den Verkaufsplänen seien auch viele schwerbehinderte Kollegen.
In Uerdingen „wollten um die 500 Kollegen wissen, was jetzt passiert“, berichtete die dortige Betriebsratschefin Anneliese Kreymann. Die Betriebsversammlungen, die morgen zuerst in Dormagen, dann in Leverkusen und schließlich in Uerdingen anberaumt sind, werden von Protesten begleitet sein.
Um 8.30 Uhr geht es auf der Kaiser-Wilhelm-Allee los. Der Marsch wird sich über die B 8 bis zum Pförtner 11 ziehen. Danach geht es in die Halle, in der Lanxess einst seinen Geburtstag feierte.
Heute wird das Gebäude B 401 Schauplatz einer Beerdigung sein. (VON THOMAS KÄDING)


Basisbetriebsräte bei Bayer Industry Services
Leverkusen den 21.10.2006

Aufruf zur Solidarität

Betriebsversammlung bei Bayer Industry Services (BIS)
und Kundgebung am 24.10.2006 am Standort Leverkusen
Treffpunkt 08.30 Uhr am Tor 2, anschließend Marsch über Kaiser-Wilhelm Allee und B 8 bis Flittard Tor 11 und dann nach B 401

„Ohne BIS keine Basis“
Bayer Industry Services (BIS) ist als Joint Venture der Bayer AG und der Lanxess AG Betreiber des Bayer Chemieparks mit Standorten in Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen. Zurzeit nutzen einschließlich der drei operativen Teilkonzerne der Bayer AG und der Lanxess AG über 60 Produktions- und Dienstleistungsunternehmen die Vorteile dieses größten deutschen Chemieparks.

Mit rund 6.000 Mitarbeitern, davon fast 4000 in Leverkusen, sichert BIS den Partnern optimale Rahmenbedingungen durch vielfältige Produktverbünde und ein umfassendes Service-Portfolio. Dazu zählen unter anderem Umweltdienstleistungen, Logistik und technische Dienstleistungen, Sicherheit und Umweltschutz, Energieversorgung, Entsorgung, Analytik sowie die Aus- und Weiterbildung.

Teile dieser Leistungen bietet BIS auch Kunden außerhalb des Chemieparks an. Die Geschäftsführung und die Gesellschafter der BIS kündigen umfassende Maßnahmen zur Kostensenkung und Wettbewerbseffizienzsteigerung an. Darunter sollen Verkäufe und Ausgliederungen von Teilbereichen fallen. Dies bedeutet möglicherweise Stellenabbau in ungeahnter Höhe und damit Verlust von Kompetenz und Kaufkraft am Standort Leverkusen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von BIS stehen seit Monaten vor einer ungewissen Zukunft.

„Leverkusen lebt doch von Bayer“
Neben den Kollegen und Kolleginnen sowie deren Familien wird vor allem die Stadt Leverkusen dies spüren und weiter verarmen. Besonders am Schicksal der „Bayer Kaufhäuser“(das letzte in Wiesdorf steht kurz vor der Schließung) kann man absehen in wie weit das Engagement zurückgefahren wird. Gnadenlos steht alles auf dem Prüfstand, selbst Gewinne sichern keine Arbeitsplätze mehr. Strategische und Politische Ziele beeinflussen das Handeln der Manager.
Es ist deutlich eine soziale Kälte zu spüren. Viele soziale Errungenschaften sind ersatzlos weg gebrochen und fehlen im täglichen Leben der Bürger.

[gallery]

LL Rice 62

CBG Redaktion

Coordination gegen BAYER-Gefahren
Presse-Info vom 20. Oktober 2006

weitere GenReis-Sorte von Bayer in der Nahrungskette gefunden

„Gen-Kontamination muss Konsequenzen haben: keine Importzulassung für Liberty Link-Reis!“

Die EU-Kommission hat gestern bekannt gegeben, dass in Lieferungen aus den USA die von Bayer hergestellte Genreis-Sorte LL 62 gefunden wurde. Diese Information ist von besonderer Brisanz, da der Konzern eine EU-Importzulassung für LL 62 beantragt hat und die Gefahr einer unkontrollierten Ausbreitung stets bestritten hat.

Bislang waren nur Kontaminationen mit der Sorte LL 601 bekannt geworden. Beide Reis-Sorten sind gegen das von Bayer produzierte Herbizid Liberty mit dem Wirkstoff Glufosinat resistent und in der EU nicht zugelassen. Die Information fand sich versteckt im letzten Satz der gestrigen EU-Bekanntmachung „Commission to propose strict counter testing of US rice imports“, in der es heißt: „Tests will also take into account the French authorities’ recent finding of another unauthorised GMO, LLRICE62, in US rice, as the tests to be applied will also detect this GMO.”

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Dieser Skandal muss Konsequenzen haben, die Europäische Union muss eine Zulassung von Gen-Reis kategorisch ausschließen. Denn der Fall bestätigt alle Befürchtungen: eine gentechnisch veränderte Reis-Sorte landet ohne Genehmigung in der Nahrungskette, die Wahlfreiheit der Konsumenten geht dadurch verloren“. LL62 und LL601 werden in den USA nicht kommerziell vertrieben. Wie sie in die für den Export bestimmten Lieferungen gelangten ist unklar.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte sich im September an die European Food Security Authority (EFSA) gewandt und eine Nicht-Zulassung von LL 62 gefordert. Eine Antwort der EFSA steht bislang aus. Bayer hatte den Antrag auf Import-Zulassung bereits vor drei Jahren gestellt.

Auch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hatte sich kürzlich besorgt über die gentechnische Verunreinigung von Reis gezeigt. „Dieser Fall muss genau untersucht werden, da er exemplarisch für das teilweise hohe und unvorhergesehene Ausbreitungspotenzial von gentechnisch veränderten Pflanzen sein könnte. Wir erwarten natürlich nicht, dass Reis sich in Deutschland ausbreitet. Er steht aber stellvertretend für heimische Kulturarten mit gleichem oder sogar höheren Auskreuzungspotential wie Raps“, so Prof. Dr. Hartmut Vogtmann, Präsident des BfN.

Die Presse-Info der EU-Kommission:
http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/06/1437&format=HTML&aged=0&language=EN&guiLanguage=en

Der Brief an die EFSA: http://www.cbgnetwork.com/1592.html

Babymilch

CBG Redaktion

Aktionsgruppe Babynahrung e.V.
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

12. Oktober 2006

Offener Brief an die Bayer AG

Babymilchprodukte: Klage gegen philippinische Regierung

Sehr geehrter Herr Vorstandsvorsitzender Wenning,

aus den Philippinen erreicht uns die Information, dass die Firma Bayer zusammen mit anderen Unternehmen gegen eine Verschärfung des sogenannten „Milk Codes“ durch die philippinische Regierung klagt.

Das philippinische Gesundheitsministerium hatte im Mai neue Regulierungen für die Vermarktung von Säuglings- und Kleinkindnahrung erlassen. Diese verbieten für Kinder unter drei Jahren jegliche Vermarktungsaktivitäten für Muttermilchersatzprodukte. Die Klage der Firmen führte nun zu einer Verzögerung des Inkrafttretens dieser Regeln. Zur Beteiligung von Bayer Philippines an der Klage finden Sie im Anhang einen Artikel aus dem Manila Standard.

UNICEF und WHO schätzen, dass weltweit etwa 1,5 Millionen Kinder pro Jahr sterben, weil sie nicht oder nicht ausreichend gestillt werden. Kinder, die gestillt werden, haben gegenüber ungestillten Kindern eine überlegene Immunabwehr. Die Gabe von Milchpulver führt zudem häufig zu Erkrankungen, da zum Anrühren der Milch kein sauberes Wasser zu Verfügung steht.

Die philippinische Regierung kritisiert, dass Reklame für Babynahrung „unterschwellige Botschaften“ vermittele, die „das Stillen untergraben“ und „Muttermilchersatzprodukte idealisieren“. Hierdurch werde die Gesundheit der Kinder leichtfertig gefährdet. In den Philippinen wurde in den vergangenen Jahren ein kontinuierlicher Rückgang der Stillraten beobachtet: Die durchschnittliche ausschließliche Stilldauer beträgt heute ganze 24 Tage, wohingegen die Weltgesundheitsorganisation mindestens sechs Monate empfiehlt. Nur noch 26 Prozent der Neugeborenen werden ausschließlich gestillt. Im Zentrum der Hauptstadt Manila, wo junge Eltern sehr stark mit Werbung für Muttermilchersatzprodukte konfrontiert werden, liegt diese Rate sogar unter einem Prozent.

Die neuen Vermarktungsvorschriften sollen die philippinischen Regelungen in Einklang bringen mit internationalen Bestimmungen wie der UN-Kinderrechtskonvention und dem „Internationalen Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten“. Letzterer wurde 1981 von der WHO mit Zustimmung der internationalen Babynahrungshersteller verabschiedet. Zugleich erweitern die neuen Bestimmungen den philippinischen Milk Code um einen Katalog von Sanktionen. Bei schwerwiegenden Verstößen reichen die Maßnahmen von Geldstrafen bis hin zum Rückruf der betreffenden Produkte und der Aufhebung der Geschäftslizenz des Unternehmens.

In diesem Zusammenhang möchten wir Sie fragen:

1. Beteiligt sich Bayer Philippines direkt oder über Unternehmens-Verbände an der Klage gegen die Verschärfung des philippinischen Milk Code?
2. Vertreibt Bayer Philippines Muttermilchersatzprodukte? Wenn ja, macht die Firma hierfür Werbung?

Sofern Bayer direkt oder indirekt an der Klage gegen den Milk Code beteiligt ist, fordern wir Sie auf, dieses Engagement sofort zu beenden und sich von dieser Klage öffentlich zu distanzieren. Die aggressive Vermarktung von Babymilch gefährdet die Gesundheit und das Leben Tausender philippinischer Kinder.

Harald Manninga, Aktionsgruppe Babynahrung
Philipp Mimkes, Coordination gegen BAYER-Gefahren

Manila Standard: Ban milk formula ads!

Trasylol

CBG Redaktion

Coordination gegen BAYER-Gefahren
Presse-Info vom 3. Oktober 2006

Trasylol: BAYER verheimlicht Negativ-Ergebnisse

„Veröffentlichung aller klinischen Studien zur Pflicht machen“

Im Frühjahr kam der US-Mediziner Dennis Mangano in einer Studie zu dem Ergebnis, dass die Verwendung des Bayer-Medikaments Trasylol das Risiko von Herzinfarkten, Schlaganfällen und Nierenversagen stark erhöht. Da sicherere und billigere Alternativen zu Verfügung stünden, sei der weitere Einsatz von Trasylol bei Herzoperationen nicht verantwortbar. Allein 10.000 Patienten könnte pro Jahr die Dialyse erspart bleiben. Bayer hingegen bezeichnet Trasylol gebetsmühlenartig als „sicher und wirksam“.

Nun kam jedoch heraus, dass das Unternehmen der US-Medikamentenaufsicht Food and Drug Administration (FDA) negative Studienergebnisse zu Trasylol bewusst vorenthielt. Am 21. September hatte die FDA ein Komitee einberufen, in dem die Ergebnisse von Dr. Mangano diskutiert werden sollten. Hieran waren auch Vertreter von Bayer beteiligt. Obwohl Bayer zur Zeit eine Studie mit 67.000 Behandlungsfällen durchführen lässt, von der bereits Ergebnisse vorliegen, wurden die Mitglieder des Panels nicht informiert. Erst durch den Hinweis eines der Autoren wurde die Behörde auf die Untersuchung aufmerksam. Nach Aussage der FDA kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Patienten, die mit Trasylol behandelt wurden, ein erhöhtes Risiko auf Tod, Herzinsuffizienz und Schlaganfall haben.

Die Mitglieder des FDA-Komitees kritisieren das Verhalten des Konzerns scharf. Dr. Michael Lincoff von der Cleveland Clinic (Ohio): „Ich bin verblüfft, dass uns die Vertreter von Bayer nicht mitgeteilt haben, dass eine solche Studie durchgeführt wurde. Wir haben mit ihnen einen ganzen Tag lang darüber gesprochen, dass wir aktuelle Untersuchungen benötigen. Es ist undenkbar, dass die Repräsentanten von Bayer von der Existenz der Studie oder der Relevanz für das Komitee nichts gewusst haben“. Dr. Robert Harrington von der Duke University: „Das System der Medikamenten-Bewertung funktioniert nur, wenn alle beteiligten Parteien offen und ehrlich ihre Informationen austauschen. Ironischerweise haben wir in eben dieser Sitzung kritisiert, dass Dr. Mangano seine Ergebnisse nicht für eine unabhängige Bewertung der FDA zu Verfügung stellen wollte – während Bayer sogar die Existenz solcher Daten verheimlichte. Besonders ärgerlich ist, dass mehrere Mitglieder des Panels, darunter auch ich, weitere Untersuchungen zu Risiken und Nutzen des Medikaments forderten.“

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Die Aufsichtsbehörden dürfen sich nicht von der Pharma-Industrie an der Nase herumführen lassen. Es ist ein schlechter Witz, wenn uns die Konzern-Verantwortlichen nun weiß machen wollen, sie hätten die Ergebnisse „versehentlich“ verheimlicht. Bei Fragen von Leben und Tod verbieten sich solche Ausflüchte.“

Die CBG fordert als Konsequenz aus dem Skandal eine grundsätzliche Veröffentlichungs-Pflicht für alle medizinischen Studien. „Es ist nicht hinnehmbar, dass die Medikamenten-Hersteller nur solche Untersuchungen offenlegen, die ihnen genehm sind. Alle Studien-Ergebnisse müssen verbindlich auf den Tisch“, so Mimkes weiter. Der Verein fordert zudem strengere Zulassungsbedingungen, eine Kontrolle bereits auf dem Markt befindlicher Pharmazeutika sowie industrie-unabhängige Studien. Nur bei bewiesener Wirksamkeit dürfe eine dauerhafte Zulassung neuer Medikamente erteilt werden.

weitere Informationen:
New York Times: Bayer failed to report risks of drug
Todesfälle durch TRASYLOL: BAYERs neuer Pharma-GAU


Tagesspiegel, 4. Oktober 2006

Ein bedauerliches Missgeschick

Die Aufsicht über Arzneimittel muss verschärft werden

Alexander S. Kekulé

Aus Erfahrung sollte man ja eigentlich klug werden. Im Jahre 2001 hätte der Skandal um den Lipidsenker Lipobay dem Bayer-Konzern fast das Genick gebrochen. Damals trudelten in der Leverkusener Konzernzentrale über 50 Meldungen mysteriöser Todesfälle ein. Der einstige Verkaufsschlager wurde vom Markt genommen, Bayer wurde in den USA auf über eine Milliarde Dollar Schadenersatz verklagt. Obwohl die Gerichte den Konzern von Schuld letztlich freisprachen, ist dessen Image bis heute ramponiert.

Als im vergangenen Januar bei einem weiteren Verkaufsschlager der Bayer AG tödliche Nebenwirkungen bekannt wurden, hörten Analysten für den angezählten Konzern schon das Todesglöckchen läuten. Das gute alte Trasylol, seit über 10 Jahren ein Standardmittel in der Herzchirurgie, sollte laut einer Studie jährlich 10 000 bis 11 000 Fälle von Nierenversagen verursachen - viele davon mit tödlichem Ausgang. Forscher aus den USA hatten die Klinikakten von 4374 Bypass-Operationen ausgewertet. Es stellte sich heraus, dass nach Gabe von Trasylol doppelt so oft Nierenversagen auftritt wie bei Patienten, die andere, ähnlich wirkende Medikamente bekommen haben. Auch die Rate anderer Komplikationen wie Herzinfarkte und Schlaganfälle wird dramatisch erhöht. Nach Schätzungen von Peter Sawicki, Direktor des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, bedeutet dies allein in Deutschland bis zu 300 Trasylol-Tote pro Jahr - ein Vielfaches der registrierten Lipobay-Opfer. Sawicki forderte deshalb erfolglos ein Moratorium für die Arznei. Die US- und EU-Aufsichtsbehörden leiteten Untersuchungen ein.

Besonders tragisch für die durch Trasylol geschädigten Patienten ist, dass es genauso gute Alternativen gibt. Herzchirurgen geben Trasylol, um den Blutverlust während der Operation zu verringern. Zwar gibt es schon länger Alternativen, die nebenwirkungsärmer und dazu wesentlich billiger sind. Doch Trasylol galt vielen Chirurgen als so zuverlässig wie Aspirin. Den Jahresumsatz von 200 Millionen Dollar wollte Bayer eigentlich noch bis auf 600 Millionen steigern, unter anderem durch Erweiterung der Indikation für Operationen am Hüftgelenk und der Wirbelsäule.

Stattdessen hat sich der Pharmariese jetzt einen handfesten Skandal eingehandelt. Wie erst vergangenen Freitag bekannt wurde, gab Bayer nämlich parallel zur Prüfung durch die Arzneimittelaufsicht eine eigene Studie von gigantischem Ausmaß in Auftrag: Durch die Prüfung von 67 000 Akten von Bypass-Patienten, von denen 30 000 Trasylol erhalten hatten, sollte der Bericht vom Januar 2006 überprüft - und nach Möglichkeit widerlegt werden.

Doch dabei kam nichts Gutes heraus: Die Megastudie bestätigte das Auftreten der schweren Nebenwirkungen, diesmal mit einer 15mal größeren Fallzahl, also erheblich höherer Aussagekraft.

Was dann passierte, wird von Bayer als „Missgeschick“ bezeichnet und „bedauert“: Bei der offiziellen Anhörung durch die US- Aufsichtsbehörde FDA am 21. September verloren die Bayer-Vertreter über die unbequeme Mammutstudie kein Sterbenswörtchen. Die ahnungslosen FDA-Gutachter empfahlen daraufhin nur ein paar zusätzliche Warnhinweise für die Packungsbeilage. Am nächsten Tag schloss auch die deutsche Arzneimittelbehörde (BfArM), federführend für die EU, ihre Trasylol-Überprüfung ab - mit geringfügigen Einschränkungen bei der Anwendung und Ergänzungen der Angaben zu den Nebenwirkungen.

Bayer ging mit der Erfolgsmeldung sofort an die Presse, der Aktienkurs stieg um 0,75 Prozent. Nach Informationen der „New York Times“ kam die FDA dem Versteckspiel erst durch einen anonymen Hinweis auf die Schliche. Jetzt soll die Prüfung in den USA von vorne beginnen. Auch beim deutschen BfarM dürfte die Akte wieder auf den Tisch kommen. Dessen Leiter Reinhard Kurth hatte bereits stolz verkündet, dass das hiesige Überwachungssystem „in der Lage ist, rasch auf neue Informationen über relevante Arzneimittelrisiken zu reagieren und geeignete Schutzmaßnahmen EU-weit umzusetzen“. Mit der Raffinesse deutscher Pharmamanager hatte er wohl nicht gerechnet. Aber durch Erfahrung wird man ja bekanntlich klüger.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

[BIS] STICHWORT BAYER 04/2006

CBG Redaktion

BAYERs Service-Gesellschaft BIS blutet aus

„Wir sind kein Humankapital“

Der Leverkusener Multi will die BAYER INDUSTRY SERVICES (BIS) zerschlagen, sich dabei von wesentlichen Geschäftsteilen trennen und auf diese Weise 3.000 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns vernichten. Von der BIS soll wenig mehr als ein „BISSCHEN“ übrig bleiben. Die Beschäftigten trieb das zu Protestaktionen an, deren Ausmaß in der jüngeren Geschichte des Pharmariesen ohne Beispiel ist.

„Für die BISler brechen aber auf jeden Fall harte Zeiten an“, prophezeite „Stichwort BAYER 1/06“ angesichts der fortdauernden Rationalisierungsmaßnahmen bei BAYER INDUSTRY SERVICES. Jetzt ist es endgültig soweit. Der Konzern kündigte an, die Service-Gesellschaft aufzuspalten, Teilbereiche abzustoßen und so innerhalb des Unternehmens 3.000 Stellen zu streichen. Der Pharmariese will sich von dem Bereich „Technische Dienste“ und seinen 1.500 MitarbeiterInnen trennen und Gartenarbeiten ebenso wie Wäschereidienste, Hausmeistertätigkeiten und bestimmte Wachaufgaben künftig von Fremdfirmen erledigen lassen. Die Zukunft der Logistik-Sparte CHEMION steht noch offen. 270 Beschäftigte aus dem Archiv, der Immobilien- und Kulturabteilung oder dem Erholungshaus-Team kehren heim zu BAYER, aber nicht unbedingt zu den Chemie-Tarifen. So plant der Multi, die im Erholungshaus Tätigen dem Gastronomie-Bereich zuzuschlagen, wo sie nur in den Genuß der „Nahrung-Genuss-Gaststätten-Konditionen kommen. Aber auch die verbliebenen 3.500 BISler müssen sich auf drastische Veränderungen einstellen. BAYER beabsichtigt, innerhalb der Abteilungen “Gesundheitsschutz„, “Arbeitsschutz„ und “Analytik„ 600 Arbeitsplätze zu vernichten. GewerkschaftlerInnen befürchten zudem die Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche und/oder Lohnkürzungen.

Die Beschäftigten wollen das nicht hinnehmen. “Wir verlangen von der Geschäftsführung, dass die Pläne verschwinden und nach Lösungen unter einem gemeinsamen Dach gesucht wird„, so der BIS-Betriebsratsvorsitzende Jörg Feldmann. Bereits wenige Stunden nach Bekanntgabe der Umstrukturierungsabsichten zogen Protestler vor die Konzernzentrale. “Wie hier mit Mitarbeitern umgegangen wird, die sich im wahrsten Sinne des Wortes das Kreuz kaputt geschuftet haben für den Konzern„, erbost nicht nur den BIS-Schwerbehindertenvertreter Frank Weichold. Entsprechend eindeutig fielen die Losungen auf den Transparenten aus. “Wir sind kein Humankapital„ , “BAYER läuft - über Leichen„ oder “BAYER = SIEMENS„ lauteten sie. Am Abend hielten die Belegschaftsangehörigen eine Mahnwache ab. Den Tag darauf fand eine Betriebsversammlung und eine Demonstration mit ca. 4.000 TeilnehmerInnen statt, und am 16. November gingen die BISler wieder auf die Straße. Sogar die sonst eher als soziale Friedensstifterin bekannte IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE schlägt diesmal unversöhnlichere Töne an. “Dass der Arbeitgeber harte Beschlüsse fasst und mit uns dann die sozialen Pflästerchen verhandelt„, ist für den IG-BCE-Bezirksleiter Frank Löllgen diesmal nicht drin. Die Gewerkschaft fürchtet nämlich, dass BAYER mit der Zerschlagung der BIS einen Präzidenzfall schafft und Chemie-Unternehmen mit integrierten Lösungen dem Beispiel folgen werden.

“BAYER, TELEKOM, AIRBUS - Zehntausende Jobs weg„ überschrieb die Rheinische Post einen Artikel zum Thema und befasste sich in dem Schwerpunkt “Jobkrise in NRW„ zusätzlich noch mit dem Fall “BENQ„. Und mit den Entwicklungen bei der ehemaligen SIEMENS-Tochter weist die Lage bei der BIS wirklich viele Paralellen auf. Hier wie dort haben die Beschäftigten viele Zugeständnisse gemacht, um ihre Arbeitsplätze zu retten und sehen sich nun von den Unternehmensleitungen betrogen. Bei BAYER INDUSTRY SERVICES hatte bereits im Jahr 2003 ein 150 Millionen schweres Einsparprogramm begonnen, das 1.300 Arbeitsplätze gekostet hat und Lohneinbußen zur Folge hatte. So erhielten die LogistikerInnen von CHEMION ein Entgelt, das um 20 Prozent unter dem Chemie-Tarif lag - Öffnungsklauseln machten es möglich. Aber dem Anschein nach hat die Belegschaft Löllgen zufolge mit dem Lohnverzicht nicht ihre Arbeitsplätze gesichert, sondern nur die Braut geschmückt, damit sie so früh wie möglich von zuhause auszieht.

Die konkreten Vorschläge zur Zukunft von BIS hat die Unternehmensberatung BOSTON CONSULTING GROUP in ihrem Strategiepapier “BIS 2009„ ausgearbeitet. Sie hat die Angebote der Service-Gesellschaften mit denen der Mitbewerber verglichen, erwartungsgemäß Preisunterschiede zu Ungunsten der BAYER-Sparte festgestellt und für das Abstoßen einzelner Sparten plädiert, was nach den Hochrechnungen der Consulter ab 2009 einen Rationalisierungsgewinn von 125 Millionen Euro erbringt. Den Job hätte der Vorstand eigentlich auch selber erledigen können, denn mit Zahlen kennt der sich aus, aber die Manager bedienen sich immer gern auswärtiger Expertise. Die kommt nämlich mit der Autorität eines unabhängigen, objektiven Votums daher und eignet sich deshalb hervorragend als Argumentationshilfe. Dieser bedienten sich die BAYER-Chefs in einem Brief an die Belegschaft dann auch gleich ausgiebig. Die Untersuchung habe gezeigt, “dass wir nicht in allen Bereichen wettbewerbsfähig sind. Jetzt geht es darum, wie wir diese Wettbewerbsfähigkeit erreichen„, heißt es darin.

Dabei war es nie Sinn und Zweck der BIS, mit Arbeitsfeldern wie dem Chemiepark-Management, handwerklichen Diensten, Umweltschutz, Entsorgung und Werkschutz Milliarden zu erwirtschaften - das schaffen nicht einmal die mit allen Wassern gewaschenen Leverkusener Profit-Profis. Im Gegenteil: Im Zuge der Umstrukturierung zu einer Holding hatte BAYER in der Service-Gesellschaft alles geparkt, was keinen Gewinn abwirft, um die anderen Unternehmensteile zu entlasten. Deshalb wirft der BIS-Betriebsrat Klaus Hebert-Okon den Unternehmensberatern auch vor, von falschen Voraussetzungen ausgegangen zu sein: “Manche Sparten können nicht wirtschaftlich arbeiten, also muss es auch in Zukunft Quersubventionierung geben„. Dagegen vermisst die Gewerkschaft in dem Papier eine “Vorwärtsstrategie„. Investitionen etwa kämen in dem Konzept gar nicht vor, moniert Frank Löllgen. Für das Defizit von 17 Millionen Euro macht die IG BCE vor allem Managementfehler verantwortlich und sieht Mittel und Wege für eine integrierte Lösung, zumal der BIS-Umsatz im laufenden Geschäftsjahr zehn Prozent über Plan liegt.

Auch der Leverkusener Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach kritisiert die Zerschlagungspläne der beiden BIS-Gesellschaftler BAYER und LANXESS. Als “Monopolauftraggeber„ hätten sie selber es in der Hand gehabt, dem Chemiepark-Betreiber durch faire Preise ein Auskommen zu sichern, statt nur ihre Profitinteressen zu verfolgen, meint der SPD-Gesundheitsexperte. “Politisch doppelzüngig, entlarvend und moralisch ein Armutszeugnis„ nennt er das Verhalten der Manager. Sein Fazit lautet: “Der kurzfristige Gewinn ist das Ziel, das ist die ganze Geschichte". (von Jan Pehrke)

Weitere Informationen:
Artikel „BIS: BAYER rationalisiert weiter”
Entlassungen bei Bayer Industry Services: Demonstrationen der Belegschaften und Stimmen aus dem Werk

[Arbeitskampf] STICHWORT BAYER 4/2006

CBG Redaktion

Der Arbeitskampf der BAYER-Belegschaft

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) arbeitet seit 1978. Als wir damals starteten, mussten die gewerkschaftlichen Vertrauensleute für die BAYER-Werke noch auf der Straße gewählt werden, auf dem Werksgelände waren die Wahlen verboten. Bereits damals übten wir Solidarität mit den Kolleginnen und Kollegen. Inzwischen dürfen die Gewerkschaftsvertreter innerhalb der deutschen Werke gewählt werden.
In den Jahren seither haben wir viele Arbeitskämpfe von BAYER-Beschäftigten solidarisch und tatkräftig begleitet. Gemäß unserem Motto „Für Umweltschutz und sichere Arbeitsplätze bei BAYER - weltweit!“ übten wir sehr zur Freude der kämpfenden KollegInnen Solidarität. In Brasilien, Peru und anderswo - selbst in Belgien. Nur in Deutschland, da herrschte Ruhe bei BAYER. Es gab Betriebratswahlen und Tarifverhandlungen, aber es gab keine Arbeitskämpfe. Der letzte Streik bei BAYER in Deutschland hat 1920 stattgefunden, heißt es.
Für diese Ruhe sorgte die Gewerkschaft IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) die das System der Sozialpartnerschaft und des Co-Managements immer mehr perfektionierte und so zum Sprachrohr der Konzernleitung degenerierte. Sie verstieg sich sogar soweit, über ihren direkten Einfluss und ihre Macht über die Internationale Chemie-Gewerkschaft die solidarische Zusammenarbeit mit den Belegschaften ausländischer BAYER-Werke zu sabotierten und das internationale Netzwerk der CBG zu diffamieren. Die BAYER-Bosse von Hansen bis Schneider rieben sich die Hände, nahm ihnen doch die Gewerkschaft so manche unliebsame Drecksarbeit ab und disziplinierte die Belegschaften in den deutschen Werken besser als sie selber es jemals vermocht hätten.
Im Gegenzug hagelte es für die GewerkschaftsvertreterInnen Belobigungen und Plätze an den reich gefüllten Trögen der Bosse. Viele GewerkschaftsfunktionärInnen verwechselten das mit Erfolgen oder gar mit Macht und Einfluss und schwelgten in benebelter Glückseligkeit. Dass ihnen die Mitglieder in Scharen wegliefen und immer noch weglaufen, vermochten sie nicht als Folge ihres Tuns zu erkennen. Sie klammern sich verbissen an die immer weiter sinkenden Organisationsgrade in den Werken, ohne zu merken, dass die Bosse sie ohne mit der Wimper zu zucken abservieren werden, wenn sie denn mal nicht mehr gebraucht werden.
Doch seit zwei Jahren kommt Unruhe in die deutschen BAYER-Werke. Die Kolleginnen und Kollegen werden zunehmend sauer. Der Sozialismus ist zusammengebrochen, es gibt auch für BAYER keine Notwendigkeit mehr, mit sozialen Errungenschaften die Überlegenheit des Kapitalismus vorzutäuschen. Die BAYER-Bosse kehren wie alle ihre Kollegen in den Vorstandsetagen der deutschen Konzerne zur ganz gewöhnlichen Profitdiktatur zurück (die im übrigen fernab der so genannten Nahtstelle zum Sozialismus sowieso herrschte). Zum Schrecken der IG BCE werden Löhne gesenkt, dass es nur so kracht, Arbeitshetze und Arbeitsdruck werden ins Unerträgliche gesteigert, Arbeitsplätze werden vernichtet, KollegInnen zu Tausenden gefeuert.
Nun kommt es darauf an - werden die Beschäftigten sich ihrer Kampftraditionen besinnen? Wird die Gewerkschaft sich an die Seite ihrer Mitglieder stellen? Wird Sozialpartnerschaftsgedusel endlich zugunsten von konsequenter Gewerkschaftspolitik beiseite gefegt?
Wir sind Zeugen höchst dramatischer Ereignisse, denn immerhin hat keiner der Beschäftigten in Deutschland Kampferfahrungen. Streik, betrieblicher Widerstand, ziviler Ungehorsam, das alles kam von weither, aus den Ländern jenseits der Grenzen, das ist nun absolutes Neuland. Aber dennoch, seit Wochen blockieren Montag für Montag die BAYER-KollegInnen in Leverkusen mit ihren Betriebsräten von den oppositionellen Gewerkschaftslisten die B 8. Sie können stolz auf sich sein!
Traurig ist, dass die KollegInnen anhaltend nach ihrer Gewerkschaft, nach der IG BCE rufen müssen; dass diese sich bis auf Ausnahmen (noch) nicht eingeklinkt hat. Die Schwestergewerkschaft der IG BCE, VER.DI hat sich konsequent an die Seite der Beschäftigten gestellt und verurteilt in klaren Worten die Haltung der IG BCE. Ja, selbst der DGB hat sich solidarisch erklärt!
Wir dürfen gespannt sein, wie es in den deutschen BAYER-Werken weitergehen wird. Eines ist bei allem sicher: Ruhige Zeiten wird es bei BAYER nicht mehr geben. Die IG BCE muss sich endlich darauf besinnen, dass sie keine Stabsstelle des Konzerns, sondern eine Solidargemeinschaft der Beschäftigten ist.
Axel Köhler-Schnura, Coordination gegen BAYER-Gefahren

[Trasylol] STICHWORT BAYER 4/2006

CBG Redaktion

TRASYLOL-Studie verheimlicht

BAYER täuscht US-Gesundheitsbehörde

Naja, das kann ja mal passieren: Da mussten BAYER-ManagerInnen bei der US-Gesundheitsbehörde FDA Rede und Antwort über die Gefährlichkeit der Arznei TRASYLOL stehen und vergaßen in der Aufregung doch glatt eine vom Unternehmen selbst in Auftrag gegebene Studie zu erwähnen, die dem Mittel ein hohes Risiko-Potenzial bescheinigte. Der Leverkusener Multi entschuldigte sich dann auch gleich brav für das kleine Missgeschick, aber den Gremiumsmitgliedern war alles Menschliche fremd: Sie zeigten sich geschockt über die „Irreführung der Behörden“.

Von Jan Pehrke

„Bietet die Gesamtheit der klinischen Daten die Gewähr für einen sicheren und wirksamen Gebrauch von TRASYLOL?“ Das wollte die für Arzneimittelsicherheit zuständige Kommission der US-Gesundheitsbehörde FDA am 21. September diesen Jahres von seinen 18 Mitgliedern wissen. Die Frage stellte sich, weil eine im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie dem vor allem zur Blutstillung bei Bypass-Operationen vewendeten Mittel lebensgefährliche Nebenwirkungen von Nierenversagen über Schlaganfälle bis zu Herzinfarkten attestiert hatte (siehe Stichwort BAYER 1/06). Die FDA-Runde beantwortete sie trotz dieses belastenden Materials positiv. Offensichtlich hatten die anwesenden BAYER-ManagerInnen Michael Rozycki und Pamela Cyrus mit zwei Medizinern im Schlepptau die ExpertInnen anhand der eingeforderten „neuen Sicherheits- und Wirksamkeitsprofile“ überzeugt, im Zweifel für den Angeklagten zu stimmen. Lediglich ein Vertreter enthielt sich.

Schon am Tag darauf zogen die BAYER-Aktien an der Wall Street kräfig an. Der Höhenflug dauerte allerdings nicht lange. Bei der FDA meldete sich nämlich der Harvard-Professor Alexander Walker und setzte die Behörde darüber in Kenntnis, dass die der FDA vorgelegten „neuen Sicherheits- und Wirksamkeitsprofile“ nicht das Allerneueste waren. Der Mediziner hatte nämlich mit seinen Kollegen im Auftrag BAYERs die Unterlagen von 67.000 Krankenhaus-PatientInnen analysiert und im Falle einer Behandlung mit TRASYLOL eine erhöhte Sterblichkeitsrate sowie ein größeres Risiko für Nierenversagen, Schlaganfälle und Herzerkrankungen festgestellt.

Kleinlaut räumte BAYER ein, die FDA „versehentlich“ nicht über die Arbeit von Walker & Co. informiert zu haben und entschuldigte das mit der Vorläufigkeit der Resultate. Was allerdings an dokumentierten Todesfällen vorläufig sein soll, dafür blieb der Leverkusener Multi die Erklärung schuldig. Entsprechend zurückhaltend war die Reaktion auf das Eingeständnis. „BAYERs schlappe Entschuldigung für das Zurückhalten von Daten (...) überzeugt nicht“, schrieb etwa die New York Times. Auch das Komitee-Mitglied Dr. Michael Lincoff von der Cleveland-Klinik akzeptierte diese nicht. „Wir haben den ganzen Tag darüber gesprochen, dass wir aktuelle Untersuchungen benötigen. Es ist undenkbar, dass die Repräsentanten von BAYER von der Existenz der Studie oder der Relevanz für das Gremium nichts gewusst haben“. Und der Rechtsanwalt Jason Mark meinte, wenn die FDA die Entschuldigung annehme, könne sie sich gleich auflösen und ihre Angestellten auf die Gehaltsliste der Konzerne setzen, dann wüsste wenigsten jeder, woran er ist.

Der Skandal hat die Glaubwürdigkeit der US-Gesundheitsbehörde schwer erschüttert, denn was BAYER recht war, wird anderen Pharmafirmen billig gewesen sein. Ohnehin war in den letzten Jahren immer wieder Kritik an dem viel zu laxen Zulassungsprozedere der FDA laut geworden. Darum fordern Kommissionsmitglieder wie der Mediziner John R. Teerlink, es nicht bei einer Rüge zu belassen und BAYER hart zu bestrafen. Mit Sammelklagen von TRASYLOL-Opfern sieht sich der Pharmariese ohnehin schon konfrontiert, und das Verheimlichen belastenden Materials dürfte seinen Stand vor Gericht nicht gerade erleichtern, wie schon der Konkurrent MERCK im Fall von „VIOXX“ erleben musste. Der Konzern hat in jedem Fall schon einmal vorgesorgt und den „Fehler“ nach bewährter Methode zwei Angestellten in die Schuhe geschoben und beide entlassen. Ob BAYER die RichterInnen mit diesem Bauernopfer besänftigen kann, bleibt abzuwarten.

BAYER hat diese kriminelle Energie für ein Präparat entfaltet, das mit einem Umsatz von 200 Millionen Euro lediglich einen Anteil von drei Prozent am Pharma-Umsatz hatte. Allerdings arbeitet der Multi ständig an Indikationserweiterungen und hat sich von einem positiven FDA-Votum bessere Vermarktungschancen versprochen. Bereits einmal ist das Unternehmen dafür über Leichen gegangen. Mitte der 60er Jahre testete BAYER dem Buch „Gesunde Geschäfte“ zufolge das ursprünglich nur zur Behandlung von Entzündungen der Bauchspeicheldrüse zugelassene Mittel als Therapeutikum für Schockzustände nach Unfällen. Die Ergebnisse versetzten den Auftraggeber in einen Schockzustand: Unter TRASYLOL erhöhte sich die Sterberate signifikant. Aber der Pillenriese blies das Ganze daraufhin nicht etwa ab, sondern manipulierte die Zahlen und holte die Pharma-Opfer statistisch wieder zu den Lebenden zurück - und BAYERs Ausführungen über die „Vorläufigkeit“ der Resultate Walkers ließen ähnliche „Nachbesserungen“ befürchten. Da es bei TRASYLOL „immer das Problem mit negativen Meinungsbildnern“ gab, kaufte sich der Konzern zudem einfach einen positiven. „Der Professor Blümel hat uns sehr geholfen“, packte ein Insider aus, „ ...Er hat uns zwar ganz schön gemolken, aber er hat auch etwas getan für uns, das muss man schon sagen“ (1).

Ob die bundesdeutschen Behörden dieser Skrupellosigkeit etwas entgegenzuhalten haben, erscheint zweifelhaft. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) hatte nach den alarmierenden Studien ebenfalls eine neue Sicherheitsbewertung vorgenommen. Die Berichte über Nierenschädigungen veranlassten das Haus aber lediglich, das Anwendungsgebiet der Arznei zu beschränken und die Liste der Nebenwirkungen auf dem Beipackzettel zu erweitern. Die zahlreichen Überempfindlichkeitreaktionen will es ausgerechnet mit Hilfe BAYERs in den Griff bekommen. „Das BfArM prüft derzeit Vorschläge von BAYER HEALTHCARE, wie die Zahl der Überempflindlichkeitsreaktionen in der EU so weit wie möglich, möglicherweise durch einen obligatorisch durchzuführenden immunologischen Test, gesenkt werden kann“, heißt es auf der Webpage. Für den Leverkusener Multi kann es also nur den PatientInnen selber liegen, wenn es zu Unverträglichkeiten kommt. Eine durchschaubare Strategie, aber für das Bundesinstitut offenbar nicht durchschaubar genug. Es lobt sich im Fall „TRASYLOL“ sogar noch selber dafür, dass es „in der Lage ist, rasch auf neue Informationen über relevante Arzneimittelrisiken zu reagieren und geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen“.

Auf die „neuesten“ neuen Informationen, die BAYER der Institution wie den KollegInnen aus den USA vorenthalten hatte, reagierte das Bundesinstitut bisher allerdings nicht. Eine Anfrage von Stichwort BAYER blieb bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.

(1) zit. n. Gesunde Geschäfte, Kurt Langbein et. al., S. 152

[Schering] STICHWORT BAYER 4/2006

CBG Redaktion

Nach BAYERs SCHERING-Deal:

Noch mehr bittere Pillen

Die Übernahme des Pharma-Unternehmens SCHERING macht den Leverkusener Multi zum größten Arzneihersteller der Bundesrepublik. Dabei schluckte der Konzern so manche bittere Pille - nicht nur im wörtlichen Sinn. Auch Hypotheken aus der NS-Vergangenkeit lasten auf dem Berliner Konzern und „bereichern“ so BAYERs IG-FARBEN-Erbe.

Von Jan Pehrke

1851 kaufte Ernst Schering eine Apotheke und legte damit den Grundstein zur Geschichte des Berliner Pharma-Konzerns. Bald darauf gründete er eine Fabrik zur Herstellung von Arzneistoffen und Chemikalien, die er 1871 in eine Aktiengesellschaft umwandelte. Nach dem Ersten Weltkrieg geriet diese in ökonomische Schwierigkeiten und verlor ihre Selbstständigkeit. Die OBERSCHLESISCHEN KOHLEWERKE übernahmen die Aktienmehrheit. Erst seit 1937 firmiert SCHERING wieder unter eigenem Namen.

Auch sonst gedieh das Unternehmen während der nationalsozialistischen Zeit. Es profitierte von der „Arisierung“ jüdischen Besitzes und erwarb die Firmen DEGEWOP und SCHERK sowie einige Berliner Apotheken zum „Schnäppchenpreis“. Durch die Beschlagnahme von „Feindvermögen“ erhielt SCHERING Aktien der holländischen Firma BROCADES, und die Raubzüge der Nazis im Osten bescherten dem Konzern die tschechoslowakischen Fabriken „Aussig I“ und „Aussig II“. Vor der Beschäftigung von ZwangsarbeiterInnen schreckten die Konzern-Herren ebenfalls nicht zurück.

„Negative Bevölkerungspolitik“
Und schließlich unterstützte das als „kriegswichtiges Unternehmen“ eingestufte SCHERING-Werk die NS-Vernichtungspolitik. Diese beschränkte sich nämlich nicht nur auf das Töten „unwerten Lebens“; sie wurde auch „präventiv“ tätig. „Unter Zerstörung verstehe ich nicht unbedingt die Ausrottung dieser Menschen. Ich werde einfach systematische Mittel anwenden, den Nachwuchs dieser Bevölkerung zu unterbinden“, sagte Adolf Hitler und setzte auf willige Helfer unter den Medizinern. Einen solchen fand er in Professor Carl Clauberg. Während seiner Zeit an der Universität Kiel leitete er für SCHERING die klinische Erprobung der Hormon-Präparate PROGYNON und PROLUTON. Später arbeitete der mit einem Jahressalär von 21.144 Reichsmark bestbezahlteste externe Mitarbeiter des Konzerns an einer Technik zur Massensterilisation.

Das brachte ihm ein Empfehlungsschreiben des SS-Reichsarztes Ernst Grawitz an Himmler ein. „Bei der unerhörten Bedeutung, die ein solches Verfahren im Sinne einer negativen Bevölkerungspolitik haben würde, ... erlaube ich mir daher, Reichsführer, den Vorschlag, Prof. Clauberg ein entsprechendes Forschungsinstitut in oder bei Königshütte einzurichten und diesem ein Frauenkonzentrationslager für etwa zehn Personen anzugliedern“, heißt es darin (1). Ein Jahr später, nach dem Scheitern der Experimente von Dr. Madaus, darf Clauberg Himmler im Führerhauptquartier persönlich seine Pläne zur Sterilisierung von Männern mittels Röntgenstrahlen und der von Frauen mittels einer Reizflüssigkeitsinjektion unterbreiten. Im Herbst 1942 macht sich der inzwischen zum SS-Brigadeführer aufgestiegene Clauberg gemeinsam mit dem bei SCHERING wegen Krankheit beurlaubten Paul Göbel im KZ Auschwitz-Birkenau an die Arbeit, wobei ihm die Berliner Zentrale die benötigten Medikamente und Röntgenkontrastmittel liefert. Hatte Clauberg ab 1938 bereits hochdosiertes PROGYNON und PROLUTON ohne Rücksicht auf Verluste an Frauen getestet, so ging er bei den Menschenversuchen im KZ noch rücksichtsloser vor. „Nach dem Erwachen lag ich wieder auf meiner Pritsche und war im Unterleib vollkommen verblutet. Ich bekam dann so furchtbare Schmerzen, dass ich mich wand wie eine Schlange. Ich grub mir vor Schmerzen die Fingernägel ins Fleisch.“, beschreibt Rosa Finkelstein ihr Martyrium. Die Gesundheitsschädigungen der Opfer reichen von Blasenkrankheiten, Unterleibsabszessen, Verdauungsproblemen, Sexualstörungen bis zu Unterleibskrebs.

Keine Stunde Null
Einige haben über ihre Pein auch den Verstand verloren, wie die von dem Publizisten Ernst Klee im Vorwort seines Standardwerkes „Auschwitz - die NS-Medizin und ihre Opfer“ beschriebene Frau. Bei einer polizeilichen Vernehmung konnte sie nur noch zusammenhanglos von einem Dr. Clauberg und einem ihr angeblich in den Bauch eingesetztes lebendiges Kaninchen fabulieren - offenbar eine fehlgeschlagene Verarbeitung ihres Schicksals als menschliches Versuchskaninchen. Klee beginnt sein Werk mit dem Hinweis: „In diesem Buch genannte Mediziner haben nach eigener Aussage niemals gegen ärztliches Ethos verstoßen.“ Ebendies reklamierte SCHERING nach dem Krieg auch für Dr. Clauberg. Er habe sich „mit dem Thema Sterilisierung nach den damaligen ethisch-medizinischen Richtlinien“ befasst und keine „verbrecherischen Handlungen“ begangen. „Am Interesse eines pharmazeutischen Forschers an einer für Patientinnen operationslosen und damit u. U. komplikationsärmeren Sterilisierung allein kann noch kein Interesse an einer politisch intentierten Zwangssterilisation abgelesen werden (was in der heutigen Literatur so gut wie nie bedacht wird)“, befindet der Konzern und muss auch zu einem solchen Urteil kommen. Eine Stunde Null gab es nämlich für das Unternehmen ebenso wenig wie für den Rest der medizinischen Welt. SCHERING profitierte - mit freundlicher Unterstützung der Marshall-Plan-Gelder - weiterhin von seinen Forschungen auf hormonellem Gebiet. Hatte dieser in einem Brief behauptet, die ursprünglich zur Behandlung weiblicher Unfruchtbarkeit bestimmten Mittel PROLUTON und PROGYNON könnten auch den gegenteiligen Zweck erfüllen und Schwangerschaften verhindern, so verfolgte der Pharmariese den von Clauberg und seinen Kollegen eingeschlagenen Weg konsequent weiter und brachte 1961 schließlich europa-weit die erste Verhütungspille heraus. Heutzutage ist das Unternehmen Weltmarktführer in diesem Segment, aber auch weiterhin mit der dunklen Vergangenheit Claubergs konfrontiert: Noch in diesem Jahr musste sich ein US-Gericht mit der Schadensersatzsklage des im KZ unfruchtbar gemachten Simon Rozenkier gegen SCHERING (und BAYER) befassen - lehnte diese allerdings mit Verweis auf den Entschädigungsfonds der bundesdeutschen Wirtschaft ab.

Die erste Pille
So gut die Pille den FinanzbuchhalterInnen schmeckte, so bitter stieß sie vielen Frauen auf. Das von SCHERING als „supersanft“ vermarktete Präparat FEMOVAN etwa erwies sich in seiner Wirkungsweise als nicht gerade zimperlich. Die „niedrigst dosierte Antibabypille“ führte bei vielen Komsumentinnen zu Herzkreislauf-Problemen. In England ereignete sich sogar ein Todesfall: Eine 19-jährige bekam zunächst eine Venenthrombose, dann eine Lungenembolie und starb. Die bundesdeutschen Aufsichtsbehörden erhielten bis Ende 1989 119 Meldungen über solch thromboembolische Nebenwirkungen. Der Vorstand aber schaltete auf stur. „Es gibt kein Medikament ohne Nebenwirkungen“, beschied der Vorstandsvorsitzende Guiseppe Vita einem Vertreter des SCHERING-kritischen Netzwerkes SCHAN auf der Hauptversammlung im Jahr 1989. Bei dem Fall einer Frau, die nach der Einnahme des Verhütungsmittels einen Hirninfarkt erlitten hatte, machten Unternehmenssprecher ihren hohen Cholesterinspiegel für den Gehirnschlag verantwortlich, obwohl dieser nach der Absetzung der Pille sofort von 236 auf 176 sank und erhöhte Blutfettwerte eine bekannte Nebenwirkung von Kontrazeptiva sind.

Der durch SCHAN aufgebaute öffentliche Druck bewog die Unternehmensleitung dann aber doch, den Endokrinologen Prof. Dr. Herbert Kuhl mit einem Gutachten über die Risiken und Nebenwirkungen von FEMOVAN im Vergleich zu dem Präparat MARVELON zu beauftragen. Es räumte kräftig mit dem Mythos um die „niedrigst dosierte Antibabypille“ auf. „Auch neue, extrem niedrig dosierte Gestagene (weibliches Keimdrüsenhormon, Anm. SWB) sind keine Wundersubstanzen (...), ihre starke orale Wirkung beruht in erster Linie auf ihrer langsamen Inaktivierung in der Leber und der dadurch verzögerten Ausscheidung, die - wie im Falle des Gestodens - eine für die geringe Dosis von 75 µg außergewöhnlich hohe Serumkonzentration zur Folge haben kann“, hieß es in dem Gutachten. Bei FEMOVAN war diese vier- bis fünfmal höher als bei MARVELON. SCHERING bestritt die Ergebnisse und fertigte eine hauseigene „Null Problemo“-Untersuchung an. Trotzdem dauerte es noch fast 10 Jahre, bis das „Bundesinstitut für Arzneien und Medizinprodukte“ zögerlich an der Reißleine zog und es MedizinerInnen wenigstens untersagte, Erstanwenderinnen FEMOVAN zu verschreiben.

Der Ruf der anderen „Supersanften“, TRIQUILAR und YASMIN, steht dem von FEMOVAN kaum nach. TRIQUILAR lässt ebenso wie FEMOVAN den Blutfettspiegel steigen, was Arterienverkalkung befördert und so das Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle erhöht. Der SCHERING-Konzern bestritt dies und legte zum Beweis eine Studie seines Mitarbeiters Prof. Michael Briggs vor, die sich jedoch später als Fälschung erwies. „Für die von SCHERING beanspruchte Stoffwechselneutralität von TRIQUILAR ergeben sich in der Literatur keine legitimierten Hinweise“, urteilte das arznei-telegramm deshalb und nennt kardiovaskuläre Komplikationen, Gebärmuttererkrankungen und Zystenbildungen als Nebenwirkungen. Auf die Hauptwirkung „Schwangerschaftsverhütung“ ist indes nur bedingt Verlass - wie auch bei dem Pessar MIRENA, unter dessen Anwendung es häufig zu gefährlichen Bauchhöhlenschwangerschaften kommt.

Auch bei YASMIN rät die Fachzeitschrift zu Zurückhaltung und führt die Gegenanzeigen „Kopf- und Brustschmerz“, „Übelkeit“, „Migräne“ und „Depressionen“ als Gründe auf. Zudem macht das Blatt auf die chemische Verwandtschaft des Inhaltsstoffes Drospirenon mit Spironolakton aufmerksam, dessen pharmakologische Verwendung nach Studien zum Krebsrisiko starken Auflagen unterliegt. Aber SCHERING störte das alles nicht. Der Konzern rührte mit Verweis auf eine angeblich diätische Wirkung des Kontrazeptivums kräftig die Werbetrommel, was Schlagzeilen wie „neue Anti-Baby-Pille macht sogar schlank“ produzierte. Durch den Presserummel um SCHERINGs YASMIN und das JENAPHARM-Präparat PETIBELLE sah sich das arznei-telegramm zum Eingreifen gezwungen und wandte sich mit einer Blitz-Meldung an die Öffentlichkeit. Mit Verweis auf die fehlenden Warnhinweise hieß es darin: „Bei dieser dürftigen Risikoinformation halten wir den Gebrauch von PETIBELLE und YASMIN, die offensichtlich den Lifestyle-Bereich abdecken sollen, für nicht begründbar“. Am ökonomischen Erfolg änderte diese Intervention freilich nichts: YASMIN ist Weltmarktführer unter den Verhütungsmitteln, und BAYER folgte bei der Kaufentscheidung nicht zuletzt dem Lockruf dieses Goldes.

Bevölkerungskontrolleur SCHERING
Die Pille hat die sexuelle Revolution mitausgelöst, was nicht unbedingt im Sinne der Erfinder war. Diese empfanden sich zum Teil eher als Claubergs Brüder im Geiste, da ihnen auch nach einer „negativen Bevölkerungspolitik“ der Sinn stand. Als Objekte galten ihnen aber nicht mehr Juden, sondern die Menschen in der Dritten Welt. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es nämlich für sie plötzlich zuviel davon, die Rede von der „Bevölkerungsexplosion“ ging um. Auf den Gedanken, mit einer gerechteren Verteilung der Güter und einer konsequenten Entwicklungshilfe-Politik vielleicht auch die „Überzahl“ satt zu machen, kamen ForscherInnen und PolitikerInnen nicht. „Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, meinte etwa der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson (2).

Die „Worchester Foundation for Experimental Biology“ legte ihr Geld deshalb ab 1951 in der Pharmaforschung an und machte den Biochemiker Gregory Pincus so zu einem der Väter der Pille. Der „Population Council“ von John Rockefeller III zeigte sich gleichfalls großzügig und finanzierte die Entwicklung zahlreicher Kontrazeptiva bis hin zu „Innovationen“ wie dem auch von SCHERING vertriebenen Implantat NORPLANT mit. Sogar auf ganz praktischem Gebiet kam Clauberg wieder zu Ehren. Jüngere GynäkologInnen entwickelten seine an KZ-Häftlingen erprobte „Verschweißmethode“ weiter und machten daraus ein Instrument zur Bevölkerungskontrolle in der „Dritten Welt“. Für SCHERING und die anderen Pharmariesen bahnte sich hier ein Milliardengeschäft an, ein hoch subventioniertes überdies. So gab die Weltgesundheitsorganisation WHO bereits 1990 drei Millionen Dollar für den Vertrieb von Verhütungsmitteln aus, und der SCHERING freundlich verbundene Reproduktionsforscher Egon Diczfalusy sorgte als WHO-Berater dafür, dass die Berliner dabei nicht leer ausgingen. Die Bundesrepublik ließ sich die auswärtige Bevölkerungspolitik schon in jenem Jahr bedeutend mehr kosten: jährlich 50 Millionen Euro. Deshalb hat sich der Berliner Pillenriese schon frühzeitig um gute Kontakte zu den verantwortlichen Ministerien bemüht, die sich immer wieder auszahlten. Kein anderes Unternehmen hat so viele Pillen-Packungen unter das Weltvolk gebracht, umsatzmäßig reichte das allerdings nur zu Platz 3. „Das liegt einfach daran, dass wir viel mit Familienplanungsorganisationen zusammenarbeiten und dann die Zykluspackungen zu geringen Kosten abgeben“, erläutete die SCHERING-Sprecherin Klutz-Specht in dem 1992 erschienenen SCHAN-Buch „SCHERING - die Pille macht Macht“ diese Geschäftspolitik (3).

Als eine solche politischen Landschaftspflege verstand BAYER-SCHERING es sicherlich auch, im Oktober 2006 gemeinsam mit dem „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) die Tagung „International Dialog on Population and Sustainable Development“ auszurichten. Außenpolitisch legten die Arznei-Hersteller eine ähnliche Aktivität an den Tag. Sie bauten beispielsweise über Jahre hinweg Beziehungen zum Gesundheitsministerium von Bangladesh auf, das sich infolgedessen bei der „Gesellschaft für technische Zusammenarbeit“ (GTZ) erfolgreich für das Unternehmen stark machte. Bald pumpte SCHERING 600.000 Pillen in den „gigantischen Fruchtbarkeitsmarkt“. Die Bangladesher Frauen wussten allerdings noch gar nichts von ihrem Glück. Nach Recherchen des GTZ-Mitarbeiters vor Ort waren nur rund 15 Prozent der Angesprochenen bereit, empfängnisverhütende Mittel einzunehmen. Deshalb wollte er sich auch nicht als Pharma-Drücker betätigen und kündigte. „Es ist die schiere Perversion, weiter in diese Programme zu investieren, die nicht dazu beitragen, die Strukturen für die Mehrheit der unterdrückten Bauern und Frauen (...) zu verändern“, resümierte er (4).

Und was SCHERING im Laufe der Jahre so alles auf die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ der „Drittweltländer“ warf, entsprach oft nicht den gängigen Standards. Galt den Behörden hierzulande die Dreimonatsspritze NORISTERAT wegen des Krebsrisikos nur als „Verhütungsmittel 2. Wahl“, womit es noch glimpflich wegkam, so war es für die armen Staaten gerade gut genug. 1,4 Millionen Ampulen verkaufte SCHERING davon 1982. Auch die Pillen der ersten Generation, die der Konzern daheim schon im firmeneigene Museum SCHERINGIANUM ausstellte, exportierte er noch nach Pakistan.

Test the South
Darüber hinaus nutzte die Firma die südliche Halbkugel als riesiges Versuchslabor. Das injizierbare Kontrazeptivum NET-EN testete das Unternehmen noch vor der Genehmigung durch das Bundesgesundheitsamt in Peru und Indien, wo es bei 43 Prozent der Teilnehmerinnen zu schweren Menstruationsstörungen kam. Die Zulassung in der Bundesrepublik erfolgte dann konsequenterweise nur unter strengen Auflagen. Ebenso wenig hatte das Implantat NORPLANT, von der WHO, Rockefellers „Population Council“ und der Industrie gemeinsam entwickelt und von SCHERING für den finnischen Hersteller WYETH in Thailand vertrieben, das OK der bundesrepublikanischen Behörden, als das Berliner Unternehmen es - auf Kosten der WHO - in dem südostasiatischen Land erprobte. Westlichen Gepflogenheiten entsprach die Anwendungsbeobachtung bei weitem nicht. Über mögliche Nebenwirkungen klärten die MedizinerInnen die Teilnehmerinnen, zur Hälfte Prostituierte, nicht auf. Eine gründliche gynäkologische Untersuchung erfolgte ebenfalls nicht, lediglich der Blutdruck wurde gemessen. Über die zahlreichen Frauen, die das Implantat dankend zurückgaben, schwieg die mit den Tests beauftragte Klinik. „Nicht ein einziger Fall davon steht in den Klinik-Daten. Als die Krankenschwester erklärte, dass Daten über frühzeitige Entfernung auch schon mal herausgenommen waren, zerstörte sie unsere letzte Hoffnung, herausfinden zu können, wieviele der ursprünglich 101 “Akzeptorinnen„ abgebrochen hatten“, schrieb ein deutsch-thailändisches AutorInnen-Team (5). Die hohe AbrecherInnen-Quote verwundert nicht, denn NORPLANT macht fünf Jahre unfruchtbar. Deshalb erfreut es sich unter BevölkerungspolitikerInnen, die bei der Umsetzung ihrer Programme oftmals wenig zimperlich sind, großer Beliebtheit. Die indonesische Regierung nutzte es beispielsweise großflächig zu einem gegen bestimmte Minderheiten gerichteten politischen Instrument und betrieb eine „ethnischen Säuberung“ in der Gebärmutter. Auch die Nebenwirkungen haben es in sich. Sie reichen von schweren Blutungen über Blindheit bis zu Depressionen.

Diese Rücksichtlosigkeit bei der Vermarktung von empfängnisverhütenden Mitteln steht derjenigen, die SCHERING beim Export anderer Medikamente in „Drittweltländer“ an den Tag legt, kaum nach. Der von der BUKO-PHARMAKAMPAGNE im Jahr 2004 vorgelegte Report „Daten und Fakten 2004 - Deutsche Medikamente in der 3. Welt“ stuft von den 142 in den armen Ländern auf dem Markt befindlichen SCHERING-Arzneien nur 39 als unentbehrlich ein. Ebenso viele bezeichnen die Pharma-KritikerInnen als irrational, darunter z. B. das Abführmittel KANORMAL, das angeblich gegen Blähungen und Völlegefühle wirkende PANKREOFLAT und die in der Bundesrepublik seit 2003 nicht mehr zugelassene Hämorrhoiden-Salbe SCHERIPROCT.

Noch mehr Hormone
Mit seinen Hormon-Präparaten deckt SCHERING noch viele weitere Gebiete der Frauenheilkunde ab. So brachte der Konzern 1950 das Medikament DUOGYNON als Mittel gegen Regelstörungen und als Schwangerschaftstest heraus. Die Wirkstoffkombination aus den Hormonen Gestagen und Östrogen ließ zahlreiche PatientInnen kranke Kinder zur Welt bringen. Viele Babys hatten eine gespaltene Wirbelsäule, einen Wasserkopf, Herzmissbildungen oder deformierte Gliedmaßen. Das rief die INTERESSENSGEMEINSCHAFT DUOGYNON-GESCHÄDIGTER ins Leben, die den Konzern wegen Körperverletzung verklagte. Das Unternehmen jedoch war sich keiner Schuld bewusst, wohl aber des schlechten Rufes von DUOGYNON: SCHERING nannte es kurzerhand in CUMORIT um und hielt es allen Anfechtungen zum Trotz noch bis 1987 auf dem Markt.

Ein besonders dunkles Kapitel im SCHWARZBUCH SCHERING nimmt die Hormonersatztherapie für Frauen in den Wechseljahren ein. Was der Konzern „Menopausen-Management“ nennt, nennen Pharma-KritikerInnen „die Medikalisierung körperlicher Umbruchphasen im Leben von Frauen“ Die Autorin Petra Kolips hat ihr Buch über die Hormonmedikamente deshalb programmatisch „Weiblichkeit ist keine Krankheit“ genannt. Für SCHERING aber machen typische Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche einen Pharma-Einsatz unausweichlich. Auch kosmetische Gründe lassen einen Griff zu Hormonen angeraten erscheinen: Sie machen angeblich die Haut straffer. Zudem nutzt das Unternehmen die Angst als Verkaufsargument. Angeblich beugen Hormone der Osteoporose vor und wirken präventiv gegen Demenz. Nach Untersuchungen ist das Gegenteil der Fall: Hormone steigern sogar das Risiko, an Demenz zu erkranken. „Ein riesiges, unkontrolliertes Experiment mit den Frauen“ nennt das arznei-telegramm deshalb das „Menopausen-Management“. Bei vier Millionen Anwenderinnen in der Bundesrepublik schätzt eine Expertise die Zahl der Herzinfarkte und Schlaganfälle auf 3.000 und die Zahl der Thrombosen auf 7.000. Zudem erhöhen die Hormontherapien das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. MedizinerInnen mussten sogar eine Studie abbrechen, die beabsichtigte, das genauer zu ergründen, weil dieser Zusammenhang schon früh offen zu Tage trat und die ForscherInnen die Frauen nicht länger einer Gesundheitsgefährdung aussetzen wollten. Und trotz all dieser Befunde raten Fachverbände wie die „Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe immer noch nicht von den Produkten ab. Auch die zuständigen Stellen können sich dank der Lobby-Aktivitäten SCHERINGs noch immer nicht zu einem Verbot der Hormonersatztherapie entschließen.

Daneben bietet SCHERING noch Spezialtherapeutika wie das gentechnisch mittels E.-Coli-Bakterien produzierte BETAFERON gegen Multiple Sklerose, Krebsmedikamente, Wachstumsfaktoren und Röntgenkontrastmittel wie ULTRAVIST an, das der Konzern Mitte des Jahres zurückrufen musste, da in dem Medizinprodukt kleine Partikel zu Kristallen zusammengeklumpt sind, was Arterien verstopfen und so Thrombosen auslösen könnte.

Über die Produktpalette des nun zu BAYER gehörenden Unternehmens fällt Ulrich Möbius vom arznei-telegramm im Vorwort des bereits zitierten SCHAN-Buches ein vernichtendes Urteil. “Das Symptom der Sorglosigkeit - um nicht zu sagen, das Syndrom ungezügelter Profitgier - zieht sich wie ein roter Faden durch die Pharmadivision von SCHERING", schrieb der Pharmakologe. Der Konzern reagierte prompt. Er versuchte, das Buch verbieten zu lassen.

Anmerkungen

(1) zit. n. Ernst Klee, Auschwitz - Die NS-Medizin und ihre Opfer, S. 436
(2) zit. n. Josefa Wittenborg u. a., SCHERING - Die Pille macht Macht, S. 61
(3) zit. n. Josefa Wittenborg u. a., SCHERING - Die Pille macht Macht, S. 53
(4) zit. n. Josefa Wittenborg u. a., SCHERING - Die Pille macht Macht, S. 55
(5) zit. n. Josefa Wittenborg u. a., SCHERING - Die Pille macht Macht, S. 59

(Beide Bücher sind über den J5A-Versand erhältlich - www.j5a.net)

[Baytown] STICHWORT BAYER 04/2006

CBG Redaktion

Störfall im Baytowner BAYER-Werk

Der große Knall

Wieder hat es bei BAYER in Baytown einen Störfall gegeben: Ende September explodierte in dem texanischen Werk eine Produktionsanlage für hochgiftiges Toluylendiisocyanat (TDI). Neben krebserregenden Chemikalien traten mehrere Tonnen Ammoniak aus. Die Anlage steht seither still. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) fordert seit Jahren eine Umstellung der TDI-Produktion auf weniger gefährliche Verfahren, was der BAYER-Konzern beharrlich ablehnt.

Von Philipp Mimkes

Baytown gehört nach Aussage der US-Umweltbehörde EPA zu den „Ten Most Polluted U.S. Cities“, also den schmutzigsten Städten der Vereinigten Staaten. BAYER betreibt dort zwei der weltweit größten TDI-Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 200.000 Tonnen pro Jahr. Immer wieder kommt es auf dem BAYER-Gelände zu Zwischenfällen. So explodierte im Februar 2004 eine Produktionsanlage für Toluylendiamin (TDA), einem Vorprodukt für Schaumstoffe. Die austretenden Stoffe explodierten, die Druckwelle war kilometerweit zu spüren. Im vergangenen Jahr starb ein Monteur, nachdem er von austretenden Chemikalien verätzt worden war. Die US-Arbeitsschutzbehörde OSHA strengte eine Untersuchung an und stellte „ernsthafte Verstöße“ gegen Sicherheitsbestimmungen fest, aufgrund derer eine „hohe Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Unfalls oder ernsthafter körperlicher Schäden“ bestand. Die Werksleitung „kannte die Risiken oder hätte diese kennen müssen“, weswegen die Behörde eine Geldstrafe gegen BAYER verhängte.
Der jüngste Zwischenfall ereignete sich am 26. September. Wieder gab es einen heftigen Knall. Ein mit TDI und Orthodichlorbenzol befüllter Reaktor platzte, eine Chemikalien-Wolke stieg in den Himmel. Andrea Murrow von der „Texas Commission on Environmental Quality“ bezeichnete die ausgetretenen Gase als „extrem reizend für Bindehaut und Schleimhäute“. Die Druckwelle der Detonation zerstörte mehrere Leitungen eines benachbarten Kessels, in dem sich rund 15 Tonnen Ammoniak befanden. Mehrere Tonnen des giftigen Gases traten aus. Mehr als zwanzig Arbeiter mussten mit Sauerstoff versorgt und im Krankenhaus behandelt werden, ein Mitarbeiter erlitt Verbrennungen.
OSHA-Beamte starteten unmittelbar eine Untersuchung der Unfall-Ursachen. Auch BAYER flog ExpertInnen aus Deutschland zur Analyse des Schadens ein. Prof. Dr. Jürgen Rochlitz, Mitglied der „Kommission für Anlagensicherheit“ beim Bundesumweltministerium, kritisiert die Häufung von Störfällen bei BAYER: „Es wird Zeit, dass BAYER vor allem im Ausland das Sicherheitsmanagement einer eingehenden Prüfung unterzieht, damit endlich ein spürbarer Rückgang von Schadens- und Umweltereignissen eintritt. Dies gilt vor allem für die besonders kritischen Produktionsbetriebe wie die von TDI“.

Klage eingereicht
Die Anlage in Baytown muss für rund vier Monate geschlossen werden. Die Weltmarkt-Preise für TDI zogen nach der Explosion wegen befürchteter Lieferengpässe an. Die taiwanesische Firma NAN YA PLASTICS CORPORATION gab bekannt, kurzfristig die Kapazitäten zu erhöhen. BASF und DOW CHEMICAL kündigten eine Machbarkeitsstudie für eine neue TDI-Fabrik an, die mit einer Jahreskapazität von 300.000 Tonnen die größte der Welt wäre.
19 Arbeiter des Werks Baytown reichten wenige Tage nach dem Störfall eine Schadensersatzklage ein, 13 weitere Arbeiter folgten eine Woche später. Byron Buchanan, Anwalt der Geschädigten, wirft dem Unternehmen grobe Fahrlässigkeit vor: „Wenn BAYER angemessene Sicherheitsmaßnahmen eingeleitet hätte, wäre diese Explosion niemals geschehen“. Nach Aussage des Anwalts gab es bereits im Vorfeld Probleme mit der Anlage, ohne dass diese abgeschaltet worden wäre. Buchanan beantragte einen gerichtlichen Beschluss, laut dem der Konzern die zerstörten Anlagenteile vorerst nicht abräumen durfte. Hierdurch sollten GutachterInnen der Kläger die Gelegenheit bekommen, den Ort des Geschehens zu untersuchen.

Zeitbombe Phosgen
Hierzulande wird TDI, ein Vorprodukt zur Herstellung von Polyurethan-Schaumstoffen, in Dormagen und Brunsbüttel von BAYER sowie in Schwarzheide von der BASF gefertigt. Die höchste Kapazität hat die Anlage in Dormagen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN machte am Tag nach der Explosion darauf aufmerksam, dass sich die TDI-Produktion in Dormagen unter freiem Himmel befindet und nur wenige hundert Meter von der Wohnbevölkerung entfernt liegt. Ein Unfall wie in Baytown könne daher schwerwiegende Folgen für die Anwohner haben, vor allem auch, weil in den TDI-Produktionsanlagen das Lungengift Phosgen zum Einsatz kommt, das Militärs im 1. Weltkrieg als Giftgas einsetzten - als „Grünkreuz“ erlangte es traurige Berühmtheit.
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) fordert seit Jahren ein generelles Ende der Phosgen-Chemie. Einen ersten Höhepunkt erreichte die Auseinandersetzung um den Giftstoff, als BAYER Ende der 90er Jahre eine TDI-Fabrik in Taiwan plante. Die taiwanesische Regierung wollte das Projekt ohne lästige Sicherheits-Prüfungen durchwinken und gewährte großzügige Subventionen. Der Fall wurde jedoch zum Politikum, als örtliche Bürgerinitiativen mit Unterstützung der CBG auf die Risiken von TDI und Phosgen hinwiesen und ein reguläres Genehmigungsverfahren forderten. Als sich die zuständige Regional-Regierung der Forderung anschloss und in Bürgerversammlungen eine phosgenfreie Produktion angemahnt wurde, cancelte BAYER das Milliarden-Projekt. Mittlerweile baut der Konzern die Anlage im chinesischen Shanghai, wo keine lästigen Bürgerproteste drohen, um seine Position als Weltmarktführer zu halten.
In der Bundesrepublik kam der „Bund/Länderausschuss Chemikaliensicherheit” (BLAC) schon vor sechs Jahren unter Leitung des hessischen Umweltministeriums zu dem Ergebnis, dass eine großtechnische Herstellung von TDI ohne Phosgen möglich sei. Der von dem BLAC vorgelegte Bericht „Bewertung von wesentlichen Anwendungsgebieten der Chlorchemie“ fordert, dass für Neuanlagen phosgenfreie Verfahren zur großtechnischen Anwendung weiter entwickelt werden sollten. Trotzdem setzt BAYER weiter auf die Phosgen-Chemie. In den letzten Jahren baute der Konzern mehrere Anlagen, in denen Phosgen als Vorprodukt eingesetzt wird. Bei einer Lebensdauer der Anlagen von 25 – 35 Jahren wird das Sicherheitsrisiko daher noch Jahrzehnte bestehen bleiben.

BAYER macht weiter
Die CBG machte die Öffentlichkeit in einer Presseerklärung zum Baytowner Störfall erneut auf die tickende Zeitbombe aufmerksam. Eine internationale Presse-Agentur griff diese Stellungnahme auf, woraufhin Medien in Europa und den USA - darunter das Wirtschaftsmagazin Forbes – über die Problematik berichteten. Den anschließenden Fragen der Presse nach Phosgen wich der Konzern jedoch aus: BAYER wolle an dem bestehenden Produktionsprozess festhalten, so ein Sprecher des Unternehmens. Die Risiken seien beherrschbar, da „Phosgen bei der Produktion von TDI eingesetzt wird, aber in sehr kleinen Mengen“.
Fragt sich nur, was genau „sehr kleine Mengen“ sind. Den exakten Umfang der Phosgenproduktion gibt BAYER zwar auch auf mehrmalige Nachfrage hin nicht bekannt. In jedem Fall sind es aber sowohl in Baytown wie auch in Dormagen und Uerdingen mehrere zehntausend Tonnen pro Jahr. In Anbetracht dessen, dass Phosgen schon im Gramm-Bereich tödlich wirken kann, beruhigt die Aussage, dass der Gefahrstoff „just in time“ bereit gehalten wird – also nur in den gerade benötigten Mengen – nicht. Bei einer Anfrage zur Phosgen-Produktion im BAYER-Werk Uerdingen bekannte der Konzern nämlich vor einigen Jahren, dass sich auch bei einer „just in time“-Produktion rund 34 Tonnen des Giftgases in den Leitungen befinden. Im worst case, einem Bruch phosgengefüllter Leitungen oder einem Flugzeugabsturz, ist auch dies eine tödliche Bedrohung.

[GenReis] STICHWORT BAYER 4/2006

CBG Redaktion

BAYERs LL601 ist überall

Reis mit Scheiß

Wenn es noch eines Beweises für die Unbeherrschbarkeit der Gentechnologie bedurfte, dann hat ihn der Leverkusener Multi jüngst erbracht: In 33 von 162 Lebensmittelproben fanden sich Spuren von seinem nicht zum Verzehr zugelassenen Genreis LL601. Wie er dort hineingelangt ist, konnte Konzern-Chef Werner Wenning zwar nicht sagen, aber eines wusste er genau: „Wichtig ist festzustellen, dass die US-Behörden bestätigt haben, dass es hier für die Gesundheit und für die Umwelt keinerlei Belastungen gibt“. Darum will das Unternehmen aus dem Schaden auch nicht klug werden und kündigte stattdessen unmittelbar nach dem Gen-GAU an, das Geschäft mit Reis und anderen Saaten noch ausbauen zu wollen.

Von Jan Pehrke

Nach dem Gammelfleisch-Skandal kam der Genreis-GAU. In 33 von 162 Reispackungen auf bundesdeutschen Supermarkt-Regalen fanden sich Rückstände von BAYERs gentechnisch gegen das Antiunkrautmittel LIBERTY LINK immun gemachter Sorte LL601. Dort hätte die nirgendwo auf der Welt zum Verzehr zugelassene BAYER-Kreation vermutlich auch noch sehr lange gestanden, wenn nicht eine zufällige Entdeckung auf die BAYER-Spur geführt hätte, denn die Staatliche Lebensmittelaufsicht hätte UNCLE BEN das Leben nie schwer gemacht.
Im Januar 2006 bemerkte ein Reis-Verarbeiter eine gentechnische Verunreinigung seiner Ware. Er wandte sich umgehend an den Exporteur, das US-Unternehmen RICELAND FOODS. Der Konzern schaltet ein Labor ein, das in dem Reis auch ein LIBERTYLINK-resistentes Protein nachweist. Die WissenschaftlerInnen vermuten zunächst, LL-Baumwolle oder LL-Soja made by BAYER hätten sich unter die Ernte gemischt, denn der Genreis des Multis besitzt gar keine Zulassung. Erst im Mai ergeben Untersuchungen eine flächendeckende Verunreinigung der US-amerikanischen Reis-Ernte mit LL601. Und dann nehmen die Dinge ihren Lauf. RICELAND FOODS kontaktiert BAYER CROPSCIENCE. Der Konzern informiert die US-Behörden, die wiederum die Europäische Union in Brüssel über den Vorfall in Kenntnis setzen. Am 23. August erlässt diese ein Importverbot für US-amerikanischen Langkorn-Reis. Nur noch negativ auf LL601 getesteter Reis darf die Grenzen passieren. Die Kosten von rund 200 € pro Prüfverfahren haben die Reismühlen als Importeure zu tragen, ordnet die Kommission an.

LL601 ist überall
Nach dem Glauben der Euro-BürokratInnen hatte sich die Festung Europa damit mal wieder als wehrhaft erwiesen. Aber GREENPEACE zweifelte daran. Die Initiative ließ Reis aus bundesdeutschen Supermärkten auf LL601-Rückstände analysieren und wurde bei ALDI fündig. Das Unternehmen wies die Vorwürfe umgehend zurück. „Laut unseren Untersuchungen gibt es bei ALDI NORD bislang keine Befunde auf Genreis“, so eine Sprecherin. Auch BAYER zweifelte das Ergebnis an: „Wir wissen nicht, ob GREENPEACE die Funde mit von der EU zertifizierten Testmethoden entdeckt hat“. Dass GREENPEACE das gar nicht konnte, wusste der Konzern allerdings ganz genau. Der Multi weigerte sich nämlich zunächst, der Umweltschutzorganisation originale LL601-Proben als Referenzmaterial zur Verfügung zu stellen. Bald aber bestätigte der „Europäische Verband der Reismühlen“ die Arbeit von GREENPEACE. Sie fand den BAYER-Reis in 20 Prozent des untersuchten Materials. Daraufhin reagierte ALDI, ohne jedoch eine Verunreinigung zuzugeben. „Wir haben die Reissorte vorsorglich aus den Regalen genommen, obwohl die von uns veranlassten Tests bislang keine Belastung mit gentechnisch verändertem Reis ergeben haben“, vermeldete die Zentrale. 10.000 Tonnen der Körner verschwanden daraufhin aus den Supermärkten von ALDI & Co., die deshalb einen Verlust von 10 Millionen Euro in ihre Bücher schreiben konnten.

Das Imperium schlägt zurück
Das Kind war also in den Brunnen gefallen. Plötzlich sollte es aber ein ganz liebes Kind sein. Die US-Behörden stellten LL601 innerhalb weniger Wochen einen Persilschein aus, den BAYER umgehend einlöste. „Wichtig ist festzustellen, dass die US-Behörden bestätigt haben, dass es hier für die Gesundheit und für die Umwelt keinerlei Belastungen gibt“, sprach BAYER-Chef Werner Wenning. Die EU schloss sich ihm an. Obwohl die für Lebensmittelsicherheit zuständige Behörde selber einräumte, keine ausreichenden Daten für eine Risikoanalyse zu haben, gab sie vorsorglich Entwarnung. „Besonders dringliche Sicherheitsbedenken“ bestehen ihrer Meinung nach nicht. „Im Klartext: Es wird nicht erwartet, dass jemand tot umfällt, und über alles andere lässt sich keine Aussage machen“, kommentierte der Gen-Ethische Informationsdienst (GID) sarkastisch.
Um die Sicherheitsbedenken weiter zu zerstreuen, lief BAYERs Krisenmanagement auf Hochtouren. Der Konzern tischte zur Hochzeit des Gen-GAUs in der Bild-Zeitung das bekannte Ammenmärchen von der Gentechnik als Lösung des Welthungerproblems auf. Der ehemalige BAYER CROPSCIENCE-Chef Bernward Garthoff spielte in seiner jetzigen Position als Vorstandsvorsitzender der „Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie“ die Gefahren herunter und trat unverdrossen weiter für vereinfachte Anbauregelungen ein. Aber das Unternehmen konnte auch ganz grob werden. Als GREENPEACE eine Online-Aktion gegen den Genreis startete, ließ BAYER kurzerhand die Webseite sperren.

LandwirtInnen klagen
Auch gegenüber den massiv von Einkommensverlusten betroffenen LandwirtInnen schlug BAYER eine harte Gangart ein. In den USA sanken die Reispreise nach dem Gen-GAU um 10 Prozent. Zudem brachen wichtige Absatzmärkte in Japan und Europa ein - allein an den bundesdeutschen Importen hatte US-amerikanischer Reis bislang einen Anteil von 25 Prozent. Deshalb reichten Reisbauern und -bäuerinnen aus allen Regionen Nordamerikas Klage gegen BAYER ein. Das Unternehmen hatte das kommen sehen und vorsorglich eine nachträgliche LL601-Zulassung beantragt, um die möglichen Schadensersatzansprüche zu minimieren. „Ein Unternehmen, das sich aus der Verantwortung stiehlt, indem es im Nachhinein eine Vermarktungsgenehmigung für die USA erwirken will, zeigt blanken Zynismus gegenüber den Landwirten, die geschädigt wurden“, wetterte der Grüne Politiker Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, der stellvertretende Vorsitzende des Agrarausschusses des EU-Parlamentes.
In den Prozessen, den hunderte US-FarmerInnen dann auch wirklich per Sammelklagen angestrengt haben, setzt sich der Zynismus des Agroriesen fort. Er gibt allen die Schuld am Gen-GAU - Gott, dem Schicksal und den LandwirtInnen selber - bloss sich selbst nicht. In seiner 30-seitigen Antwort auf die Vorwürfe der Bauern und Bäuerinnen spricht BAYER von „unvermeidbaren Umständen, die niemand hätte verhindern können“, einem „Akt Gottes“ und einer angeblichen „Nachlässigkeit“ der FarmerInnen. „Es ist bedauernswert, dass BAYER, anstatt die Verantwortung zu übernehmen, versucht, den Reisbauern die Schuld zuzuschieben, den Menschen, die am meisten von der Unternehmenspolitik betroffen sind“, sagt der Klägeranwalt Adam Levitt.

Von Louisiana in die ganze Welt?
Die Spuren des Skandals führen indes nicht in den Himmel, sondern nach Louisiana, obwohl hinter dem eigentlichen Tathergang noch viele Fragezeichen stehen. Am 31. August tritt die Louisiana State University mit der Erklärung an die Öffentlichkeit, auf ihrer Reisforschungsstation hätte sich der LIBERTYLINK-Reis 2003 in eine konventionelle Sorte eingekreuzt. Die Universität hatte von 1999 bis 2001 für das Unternehmen AVENTIS CROPSCIENCE, das BAYER im Jahr 2002 übernahm, die Sorten LL601 und LL62 getestet. Obwohl die ForscherInnen die Abstandregelungen eingehalten hatten und Einkreuzungen durch Pollenflug auszuschließen sind, da Reis sich selbst bestäubt, kontamierten die Genpflanzen die Sorte „Cheniere“. Am wahrscheinlichsten erscheint die Hypothese, dass bei der Genreis-Ernte einige Körner am Boden verblieben waren, die dann in später gepflanzten Ackerfrüchten aufblühten. Was auch immer die genaue Ursache gewesen sein mag, der Vorfall zeigt einmal mehr, wie unkontrollierbar die Gentechnik ist. Die industrialisierte Landwirtschaft mit ihren Monokulturen tat dann ein Übriges. Die Hochschule kreierte nämlich eine Hochleistungssorte, die professionellen ZüchterInnen als Basissaatgut diente und so die Pflanzsaison 2005 dominierte.

Gen-Gau, Teil 2
Auch die andere von den WissenschaftlerInnen getestete Sorte sollte aus US-amerikanischen Landen frisch auf dem Tisch der europäischen VerbraucherInnen landen. Im Oktober wiesen französische Behörden Rückstände von LL62 in Ladungen aus den USA nach und informierten die EU-Kommission. Ein noch brisanterer Fund, denn für diesen, ebenfalls gegen den Herbizid-Wirkstoff Glufosinat resistenten Reis hatte BAYER in Brüssel vor drei Jahren einen Antrag auf eine Importgenehmigung gestellt, der kurz vor einer Bewilligung stand. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte die EU bereits im September aufgefordert, Konsequenzen aus dem Fall „LL601“ zu ziehen und LL62 keine Importzulassung zu erteilen. „Der Fall bestätigt alle Befürchtungen: eine gentechnisch veränderte Reissorte landet im Handel, ohne dass die gesundheitlichen Risiken bekannt wären oder eine Genehmigung erteilt wäre. Dies muss Konsequenzen für die Zulassung von Genreis in der EU haben“, hieß es in dem Schreiben. Die Nachricht aus Frankreich zeigte dann die Dringlichkeit der CBG-Forderung.

Politik kapituliert
Aber eine Antwort der EU-Lebensmittelaufsicht EFSA blieb bisher aus. Anderen Laborpflanzen aus dem Hause BAYER, Genraps der Sorten Ms8, Rf3 und Ms8xRf3, hatte sie bereits die Unbedenklichkeit bescheinigt, weshalb der Brüsseler Agrarrat sich auch von dem LL601-Skandal nicht abhalten ließ, für eine Genehmigung zu stimmen. 13 Mitgliedsländer votierten dagegen, brachten aber gegen Verbraucherschutzminister Horst Seehofer und andere keine qualifizierte Mehrheit zustande, weshalb das OK der Kommission nur noch Formsache sein dürfte. „Denn auch, wenn Politiker gerne viel von Verbraucherschutz reden: Handeln tun sie letztlich im Sinne des Geldes“, kommentierte die neue bildpost die Entscheidung treffend.
Seehofer sorgte sogar dafür, dass BAYER künftig vor den finanziellen Folgen von Pleiten, Pech & Pannen aus der Zukunftswerkstatt gefeit ist. In Zukunft haben WissenschaftlerInnen nicht mehr dafür zu haften, wenn sich ihre Testpflanzen unbemerkt ausbreiten und ihre Gentech-Versuche nicht mehr auf den Feldern, sondern bei ALDI stattfinden. Nur noch LandwirtInnen in unmittelbarer Nähe des Versuchsgeländes können jetzt noch Ansprüche geltend machen, nicht aber andere Geschädigte, so sieht es ein am 24. November vorgestelltes Eckpunkte-Papier aus dem Hause Seehofer vor. Das passte den Agromultis natürlich gut ins Konzept. Kein Wunder, denn sie haben es selber passend gemacht. Die Eckpunkte der Eckpunkte zur geplanten „Reform“ des Gentechnikgesetzes lieferte nach einem GREENPEACE zugespielten Papier nämlich die „Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie“. Darin heißt es in einem Ton, der unmissverständlich deutlich macht, wer hierzulande in Sachen „VerbraucherInnenschutz“ das letzte Wort hat: „Die Definition des Inverkehrbringens (§ 3 Nr. 6, § 14) ist dahingehend klarzustellen, dass die Abgabe von Produkten mit Spuren von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) aus genehmigten Freisetzungsversuchen kein Inverkehrbringen darstellt“. Verkehrte Welt, die am selben Tag noch ein wenig verkehrter wurde. Punktgenau am 24. fruchtete nämlich auch BAYERs „Legalize-it“-Kampagne. Die US-Behörden erteilten LL601 nachträglich das Plazet, ohne freilich eine Verträglichkeitsprüfung angestellt zu haben. So schnell kann ein Gen-GAU zu einem beschleunigten Zulassungsverfahren mutieren!

BAYER macht weiter
Damit stärkten die US-amerikanischen BeamtInnen die Verhandlungsposition BAYERs bei den Sammelklagen ungemein. Der Gen-Gigant sieht dann auch gar keinen Grund, eine Kurskorrektur bei der Agro-Gentechnik vorzunehmen. Er hat sogar die Chupze, einen Ausbau des Bereiches anzukündigen. „Auf Basis der guten Ausgangsposition in unseren vier Kernkulturen Gemüse, Reis, Baumwolle und Canola (Raps, Anm. SWB) wollen wir in Zukunft im Saatgutbereich weiter wachsen. Darüber hinaus denken wir über die Erweiterung dieser Aktivitäten um neue Kulturen nach“, sagte BAYER-Vorstand Wolfgang Plitschke am 31. Oktober 2006 auf einem Presseforum zur „BAYER Innovationsperspektive 2006“. Da der Leverkusener Multi dem gid zufolge heute schon die Lizenz zu dem Großteil der 251 bis dato behördlich genehmigten Genreis-Experimente hat, können sich die VerbraucherInnen also noch auf so einiges gefasst machen.

[ter Meer] STICHWORT BAYER 4/2006

CBG Redaktion

Kranz für Fritz ter Meer

BAYER ehrt Kriegsverbrecher

Alle Jahre wieder zu Allerheiligen schmückt BAYER das Grab des ehemaligen IG-FARBEN-Vorstandsmitglieds und Kriegsverbrechers Fritz ter Meer mit einem großen Kranz.

Von Philipp Mimkes

Für BAYER ist die Vergangenheit noch nicht vergangen. Der Konzern ehrt weiterhin pflichtschuldig die verurteilten Kriegsverbrecher, die einst in seinen Diensten standen. An Allerheiligen ließ das Unternehmen an Fritz ter Meers Grab in Krefeld-Uerdingen wie in den früheren Jahren auch einen Kranz aufstellen.
Ter Meer, geboren 1884, war seit 1925 Vorstandsmitglied der IG FARBEN. Während des 2. Weltkriegs war er verantwortlich für den Aufbau des IG FARBEN-Werks in Auschwitz, in dem rund 30.000 ZwangsarbeiterInnen den Tod fanden. Im Nürnberger IG-FARBEN-Prozess wurde der IG-Vorstand deshalb im Juli 1948 wegen Versklavung und Plünderung zu sieben Jahren Haft verurteilt. In den Vernehmungen gab er zynisch zu Protokoll, den ZwangsarbeiterInnen sei kein besonderes Leid zugefügt worden, „da man sie ohnedies getötet hätte“.
Nach seiner Haftentlassung wurde ter Meer Aufsichtsratsvorsitzender von BAYER. Nach seinem Tod 1967 ehrte BAYER sein Andenken und benannte eine Stiftung zur Förderung von Studierenden in „Fritz-ter-Meer-Stiftung“.
„Für die Opfer der Politik, an der Fritz ter Meer für BAYER mitwirkte, ist es beschämend, dass der Konzern einen Kranz auf das Grab eines verurteilten Kriegsverbrechers legt“, meint der US-Amerikaner David Rosenberg, der in Pittsburgh dem „Komitee für einen angemessenen Umgang mit der Schuld“ vorsaß. „Die verspätete und widerwillige Beteiligung des Unternehmens am Entschädigungsfonds kann ter Meer und BAYER nicht für ihr Verhalten während der Kriegszeit exkulpieren. Schmutzige Hände werden nicht so schnell sauber. Ein Konzern, der ihn immer noch ehrt, erhebt sich über das Urteil der Richter des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses“, so Rosenberg weiter. Der Historiker kritisiert den Umgang des Pharmariesen mit seiner Geschichte, seitdem dieser am Standort Pittsburgh die Jüdische Gemeinde großzügig durch Spenden unterstützte, die Rolle des Unternehmens im Dritten Reich jedoch nicht thematisierte.
Auch Axel Köhler-Schnura von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestiert gegen die Vergangenheitspolitik BAYERs: „Es ist unerträglich, dass der BAYER-Konzern einen Kriegsverbrecher wie Fritz ter Meer ehrt und sich zur selben Zeit weigert, die Opfer und ihre Nachfahren angemessen und gerecht zu entschädigen. BAYER muss sich seiner Mitverantwortung für die Terrorherrschaft der Nazis, für Krieg und Zwangsarbeit stellen“. Köhler-Schnura erinnert daran, dass internationale Proteste und eine Reihe von Prozessen in den USA zwar BAYER und die anderen deutschen Multis zwangen, sich ihrer verbrecherischen Nazi-Vergangenheit zu stellen. Aber statt Reue und Einsicht zu zeigen und eine Wiedergutmachung zu versuchen schufen die Firmen in Geheimabsprachen mit der Bundesregierung die Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, welche die Opfer mit beschämenden Brosamen abfand. Die COORDINATION bleibt dabei: Es gibt für BAYER und andere Konzerne keinen Schlussstrich. Die Opfer von Zwangsarbeit, Menschenversuchen und anderen Verbrechen in Konzernverantwortung sowie ihre Nachkommen müssen angemessen entschädigt werden.