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BAYERs Giftspuren

CBG Redaktion

Corporate Europe Observatory legt Schwarzbuch vor

Das Corporate Europe Observatory (CEO) veröffentlichte im September diesen Jahres unter dem Titel „BAYER`s TOXIC TRAILS – market power, monopolies and the global lobbying of an agrochemical giant” einen 32 Seiten langen Bericht über den Agro-Riesen, der es in sich hat. 

Von Max Meurer

„In diesem Bericht untersuchen wir die toxischen Spuren, die BAYER während seiner langen Geschichte hinterlassen hat, und seine Pläne, sich in einer unsicheren Zukunft über Wasser zu halten – vom Glyphosathandel und neuen GMOs zur Behauptung, sein Agrarmodell sei ‚climate smart‘. Der modus operandi des Konzerns besteht darin, sich verschiedenen politischen Regimen anzunähern oder vorsichtig politischen Druck aufzubauen, um seine Produkte und seinen Monopolstatus durchzusetzen, wobei auf Marktmacht, Größe, finanzielle Assets und Lobbying als Werkzeuge zurückgegriffen wird“, so beginnt der Bericht des konzernkritischen Corporate Europe Observatory (CEO). Die 1997 gegründete NGO mit Sitz in Brüssel klärt über die kleinen und großen Schweinereien der europäischen Monopole auf. Da liegt auch der Blick auf BAYER nahe. 

BAYERs Landschaftspflege

Der BAYER-Konzern steckte 2023 sieben bis acht Millionen Euro in die Lobbyarbeit auf EU-Ebene. Mehr Geld gaben nur die IT-Unternehmen META und APPLE aus. Und dabei  ist noch zu bedenken, dass diese Zahlen auf den Angaben der Firmen selbst beruhen und überdies auf einem „Minimum“ basieren. Die realen Geldwerte sind also vermutlich noch deutlich höher.

Ein weiteres Beispiel für die Unzuverlässigkeit der genannten Zahlen stellt aber auch die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO dar, die in der Vergangenheit etwa einen 14,5 Millionen Euro schweren Vertrag mit der Lobbyfirma Fleishman-Hillard abgeschlossen hatte, der nicht im EU-Transparenzregister auftauchte. Und MONSANTO hatte allen Grund, diesen zu verschweigen. Fleishman-Hillard bespitzelte für das Unternehmen nämlich über tausend AktivistInnen, PolitikerInnen, JournalistInnen und WissenschaftlerInnen und bewertete ihre Nähe zum Agro-Riesen mit Noten von „0“ bis „5“. Eine spezielle Liste zum umstrittenen Herbizid Glyphosat, die im Zuge der Ende 2017 anstehenden Entscheidung der EU über die Verlängerung der Zulassung entstand, führte 74 Personen auf und teilte diese in Kategorien wie „Verbündeter“, „möglicher Verbündeter“, „zu erziehen“ und „beobachten“ ein. Wohlmeinende fütterte FLEISHMAN HILLARD dann mit Propaganda-Material bis hin zu vorfabrizierten Twitter-Meldungen. Damit nicht genug, kaufte MONSANTO auch noch WissenschaftlerInnen ein, die bloß ihren Namen unter Entlastungsstudien setzen mussten, pflegte enge Beziehungen zu PrüferInnen und PolitikerInnen und betrieb eine strategische Manipulation und Einschüchterung der Presse, wie der Report unter Berufung auf die – ebenfalls von MONSANTO ausspionierte – investigative Journalistin Carey Gillam festhält.

Zu diesem toxischen Umgang mit der Presse gesellt sich dann der mindestens genauso fragwürdige Umgang mit der Toxizität der eigenen Produkte: So hat BAYER beispielsweise im Juni 2021 100.000 US-Dollar an das „Genetic Literacy Project“ für seine Bemühungen gezahlt, in den USA „übertriebene legislative Eingriffe ins genetic engineering“ in den USA zu verhindern.

Innerhalb der EU findet sich BAYER regelmäßig unter den Top 5 derjenigen Unternehmen wieder, die das meiste Geld in die Lobbyarbeit pumpen. Die Pflege der politischen Landschaft läuft dabei natürlich nicht nur direkt und indirekt über das Gespräch mit Abgeordneten, sondern auch über Industrieverbände, „Öffentlichkeitsarbeit“ und viele weitere Wege. Exemplarisch für die Bemühungen des Großkonzerns, Gesetzesvorhaben zu beeinflussen, ist etwa sein Versuch, am „Green New Deal“ der EU rumzudoktern. Zu diesem Zweck trafen sich seine LobbyistInnen sechsmal mit dem einst für den Green Deal zuständigen EU-Kommissar Frans Timmermans, viermal mit Phil Hogan und Valdis Dombrovskis (ehemals Generaldirektion Handel), dreimal mit Janusz Wojciechowski (ehemals Generaldirektion Agrar) und vielen weiteren Verantwortlichen, um Änderungen zu verlangen. 

Die Kiste mit dem Glyphosat

Ein besonders kontroverses Vorhaben des BAYER-Konzerns bildet einen weiteren Fokus des Berichts: Die EU-weite Glyphosat-Zulassungsverlängerung im letzten Jahr. Die Genehmigung lief ursprünglich im Dezember 2022 aus, aber das Herbizid durfte noch bis Dezember 2023 noch einmal eine Ehrenrunde drehen. Die PolitikerInnen vor allem Deutschlands schmissen sich für den Agrarriesen immer wieder massiv in die Bresche. Das war auch notwendig, denn, wie „BAYER’s Toxic Trails“ über die vorletzte Verlängerungsentscheidung im Jahr 2018 festhält: „Zu diesem Zeitpunkt wurde die Verlängerung beschlossen, obwohl eine Mehrheit im Europäischen Parlament gegen sie war und nur eine knappe Mehrheit im EU-Rat, angeführt vom deutschen CDU-Landwirtschaftsminister, für die Glyphosatzulassungsverlängerung stimmte, und zwar gegen den Beschluss der Regierungskoalition, sich zu enthalten.“ 

Auch im Fall von Glyphosat erweisen sich also die Lobbybemühungen BAYERs und seiner Tochtergesellschaft MONSANTO als ausgesprochen wirkungsvoll, denn die öffentlichen Diskussionen über das Mittel sind von Ablehnung und Kritik geprägt. Das hat Gründe: Allein in den USA gab es schon 170.000 Klagen auf Entschädigung. Die meisten der Betroffenen leiden am Non-Hodgkin-Lymphom – einer bestimmten Form des Lymphdrüsen-Krebses. Darauf reagierte MONSANTO wie gewohnt: Der Konzern startete eine Kampagne gegen die „International Agency for Research on Cancer“ (IARC) der Weltgesundheitsorganisation, die Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hatte. Zudem unternahm er es, inkriminierende Krebsstudien als unglaubwürdig darzustellen und dazu, so der damalige MONSANTO-Manager Samuel Murphy wörtlich: „internationale KrebsforscherInnen, die es für wahrscheinlich hielten, dass Glyphosat-Herbizide für Menschen karzinogen sein könnten, zu diskreditieren und stattdessen die Gegenbotschaft der Sicherheit von Glyphosat zu verbreiten“.

Trotz dieser Vorfälle, trotz diverser wissenschaftlicher Belege für die krebserregende Wirkung von Glyphosat wurde die EU-Zulassungsverlängerung im Herbst 2023 schließlich durchgedrückt. Das Pestizid-Aktionsnetzwerk (PAN) fasste die Entscheidung wie folgt zusammen: Die Wiederzulassung sei „eine Verletzung des EU-Pestizidgesetzes, das festhält, dass Gesundheit und Umwelt absoluten Vorrang haben. Im Falle von grundsätzlichen Zweifeln muss das Vorsorge-Prinzip Anwendung finden.“ PAN und weitere NGOs stellten daraufhin den Antrag, das Votum zu überprüfen. Das lehnte die EU-Kommission jedoch ab. Deshalb ziehen die Organisationen nun vor den Europäischen Gerichtshof. 

Lobbying als Teilhabe?

Eine weiterer ausführlicher Teil des Berichts widmet sich den Lobby-Bemühungen von BAYER in den USA, wo das Unternehmen zuletzt durch hohe Wahlkampfspenden an Donald Trump von sich reden machte. BAYER-Chef Bill Anderson sieht darin kein Problem, ganz im Gegenteil. So schreibt er im Vorwort des konzerneigenen „BAYER Political Advocacy Transparency Report“: „Politische Einflussnahme oder Lobbying bedeutet, sich an demokratischen Prozessen zu beteiligen und die Politik mitzugestalten, indem die Interessen einer Person oder einer Organisation gegenüber PolitikerInnen und Institutionen, die regulatorische Rahmenbedingungen und Gesetze schaffen, die den Kernbereich ihrer Aktivitäten und Geschäfte berühren, kommuniziert werden. Findet dies in einer ethischen und verantwortungsvollen Weise statt, dann ist Lobbying ein wichtiger und legitimer Teil des politischen Prozesses, der Interessen ausbalanciert.“ So kann mensch es auch formulieren, wobei der „ethische“ und „verantwortungsvolle“ Teil bei BAYER offensichtlich öfter mal über die Planke gehen muss. 

Mit der Transparenz verhält es sich ähnlich, die hat in der Praxis nämlich Hinterzimmer-Absprachen zu weichen. Mit Informationen darüber, wie ein Meinungsfindungsprozess ausgewogen sein soll, wenn auf der einen Seite milliardenschwere Großkonzerne und auf der anderen Privatpersonen und NGOs stehen, hält sich Anderson sehr bewusst zurück. Eine mit BAYER vergleichbare Lobby haben darüber hinaus weder die LandwirtInnen in Südamerika, die der Großkonzern mit seinen Lizenz-Verträgen für Gen-Pflanzen geknebelt hält, noch die Geschädigten der Agro-Chemikalien made in Leverkusen. 

Weltweiter Giftexport

Eine ganze Reihe von BAYER-Pestiziden ist ob ihrer gesundheitsschädlichen Wirkung in der EU zwar verboten, wird jedoch von BAYER trotzdem in alle Welt exportiert. So gelangten den Organisationen PUBLIC EYE und UNEARTH zufolge 2018 2.500 Tonnen solcher Mittel in die Länder des Globalen Südens. Der Grund: In diesen Staaten ist der Umgang mit den Risiken noch deutlich laxer als in der EU, wodurch der Konzern auf dem Rücken von Betroffenen Extraprofite erwirtschaften kann. Diese Gelegenheit lässt sich der Agroriese natürlich nicht entgehen. 

In den betroffenen Ländern bemüht er sich dabei um einen besonders engen Draht zu den Machthabern. Zum ultrarechten brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro pflegte der Chemiemulti darum sehr herzliche Beziehungen. Und das nicht ohne Grund: So war es doch Bolsonaro, der mit seinen Deregulierungskampagnen die Bahn für viele BAYER-Gifte freimachte. Das ließ sich der Agroriese auch einiges kosten: so flossen nach offiziellen Angaben rund 1,5 Millionen Euro in die brasilianischen Lobbykassen (die Dunkelziffer dürfte auch hier deutlich höher liegen). Darüber hinaus sponserte das Unternehmen Thinktanks wie das „Instituto Pensar Agro“, über das sich die Türen zur Politikelite des Landes öffnen lassen. 60 Treffen von BAYER-VertreterInnen mit der brasilianischen Regierung fanden laut dem CEO-Report allein zwischen 2019 und 2022 statt. Und das ist kein Wunder: Brasilien ist auch ein extrem wichtiger Abnehmer von Glyphosat und glyphosat-resistenten Gen-Pflanzen. Der Fuß in der Tür zahlt sich für den Global Player also aus. 

Und in Brüssel lobbyierte er erfolgreich für die Beibehaltung der doppelten Standards und brachte das anvisierte Export-Verbot erst einmal zu Fall. Auch Versuche der EU, die Gift-Dosen auf den Äckern der Mitgliedsländer zu verringern, torpedierte er in Tateinheit mit anderen Agro-Riesen und den entsprechenden Unternehmensverbänden. Die Europäische Union knickte ein und gab das Ziel, den Pestizid-Verbrauch bis zum Jahr 2030 auf die Hälfte zu senken, auf.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Lektüre des BAYER-Schwerpunktreports des Corporate Europe Observatory, zu dem auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ein bisschen was beigesteuert hat, lohnt! Neben den Punkten, die wir in diesem Artikel behandelt haben, gibt es darin auch zahlreiche Infos über die Rolle der von BAYER mitgegründeten I.G. FARBEN zur Zeit des Hitlerfaschismus, Details und Zahlen zur Verstrickung von BAYER in weltweiten Lobby-Strukturen und hunderte Querverweise zu weiteren großen und kleinen Machenschaften des Chemieriesen – dringende Leseempfehlung also für alle AktivistInnen! ⎜

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