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Beitrag Monitor

CBG Redaktion

19. Januar 2006

Der Fall Bayer: Der Weltkonzern und der Umgang mit Kinderarbeit

TV-Magazin Monitor dokumentiert Zustände bei indischen Bayer-Zulieferern

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Tausende von Kinder werden von indischen Zulieferern großer Saatgut-Unternehmen ausgebeutet – darunter Konzerne wie Bayer, Monsanto und Syngenta. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren initiierte vor zwei Jahren eine Kampagne in Deutschland; zahlreiche Organisationen schlossen sich an. Der folgende internationale Druck führte dazu, dass sich Bayer zu seiner Verantwortung bekennen musste und ein Programm zur Ersetzung der Kinder durch erwachsene Arbeitskräfte startete.

Doch noch immer schuften hunderte Kinder bei Zulieferern des Konzerns. Die Arbeitsbedingungen der Kinder dokumentiert heute abend das TV-Magazin Monitor. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert die Zahlung gerechter Löhne (zumindest der staatlichen Mindestlöhne), Wiedereinschulungsprogramme und eine ausschließliche Beschäftigung von Erwachsenen in der gesamten Produktionskette von Bayer.

Das vollständige Skript:

Der Fall Bayer: Der Weltkonzern und der Umgang mit Kinderarbeit

Anmoderation Sonia Mikich: „Bleiben wir bei der Arbeit. Wenn ein großes Unternehmen wie Bayer etwas produziert, zum Beispiel Saatgut, dann wird jeder einzelne Schritt genau kontrolliert, zum Beispiel, auf welcher Fläche das Saatgut hergestellt wird, welche Pestizide dabei eingesetzt werden dürfen, wie dicht die Pflanzen stehen und so weiter. Kontrolle hilft Qualität zu erzielen. So weit, so wichtig fürs Firmen-Image.
Aber was für Saatgut gilt, gilt nicht zwingend für die Menschen, die es produzieren. Etwa die Arbeiter auf indischen Baumwollfeldern. Und dort schuften auch Kinder. Und das bekommt Bayer einfach nicht in den Griff, auch wenn man das Problem seit drei Jahren kennt.
Monika Pohl über Kinderarbeit in einem Dorf, 7.000 km entfernt von Leverkusen, dem Sitz des Weltkonzerns Bayer.“

In der indischen Baumwollprovinz Andhra Pradesh ist die Kindheit kurz. Hier auf dem Dorf müssen die Kinder früh mit anpacken. Ihre Eltern verdienen nicht viel. Die meisten arbeiten als Tagelöhner auf den Feldern. Und viele junge Mädchen auch – in der Zucht von Baumwollsaatgut. Sie müssen die hybriden Pflanzen bestäuben, weil die sich nicht selber vermehren können. Bis zu 10 Stunden stehen die Mädchen Tag für Tag in der brütenden Hitze, obwohl das indische Gesetz solche Arbeit verbietet. Aber die Kinder haben keine Wahl.
Das ist Rasul. Ich bin acht Jahre alt, sagt er, und habe fünf Geschwister. Die Arbeit ist sehr schwer, aber wir müssen alle arbeiten, sonst geht es nicht. Sie ist zehn und arbeitet von 9 Uhr morgens bis 6 Uhr abends auf dem Baumwollfeld – für 30 Rupien am Tag. Das sind 50 Cent. Natürlich würde ich gerne zur Schule gehen, sagt sie, aber die Eltern müssen Schulden zurückzahlen.

Ein großer Arbeitgeber hier ist die Firma PROAGRO. Seit drei Jahren gehört sie zum deutschen Bayer-Konzern. Auf Druck von indischen Hilfsorganisationen hat man das Projekt „Harvest of Happiness“, „Glückliche Ernte“ gestartet. Das ist ein Aktionsplan für den Kampf gegen die Kinderarbeit. Darin heißt es zum Beispiel:
„PROAGRO verfolgt eine klare Politik: ‚Keine Kinderarbeit‘.“
Und:
„Kinderarbeit wird auf Bayer-Vertragsfarmen nicht toleriert.“

Soweit so gut. Aber nicht ganz zutreffend. Ein indischer Agrarexperte hat uns diese Bilder geschickt. Gedreht auf PROAGRO-Feldern. Etwa 500 Kinder hat er dort bis letzten Dezember gezählt. Er beobachtet die Situation seit Jahren und macht seit Jahren auch PROAGRO auf das Problem aufmerksam. Sicher, sagt er uns, die Zahl der Kinderarbeiter sei in den letzten Jahren zurückgegangen. Aber kann so ein Weltkonzern wie Bayer nicht gründlicher dafür sorgen, dass hier kein einziges Kind mehr schuften muss?
Die Mädchen wissen, dass sie eigentlich nicht hier sein dürfen und versuchen sich zu verstecken, als sie die Kamera bemerken.
Ein paar Meter weiter: In den Sprühflaschen ist Pestizid, das regelmäßig über die Pflanzen gespritzt wird. Auch wenn die Kinder im Feld stehen.

Wir fahren in die Dörfer, wo die Kinder mit ihren Familien leben. Mittlerweile ist die Saison vorbei, die Felder sind abgeerntet.
Wir kommen an einer Grundschule vorbei. Während der Pflanz- und Erntesaison ist der Schulhof längst nicht so voll. Der Lehrer erzählt uns, im Sommer würde die Hälfte seiner Schüler auf dem Feld stehen statt in der Schule zu sitzen.

Masoom Vali, Schulleiter (Übersetzung MONITOR): „Wenn die Regierung uns Lehrern die Macht geben würde, die Kinder in der Schule zu halten, dann könnten wir auch dafür sorgen,
dass die Gesetze eingehalten werden. Aber wer in der Schule sitzt, verdient eben nichts. Das Problem hier auf dem Land ist die große Armut.“
Das Dorf Mela Cheruvu mitten zwischen den Baumwollfeldern. Hier leben die Familien der einfachen Feldarbeiter. Wir treffen Vandanam. Er arbeitet im Steinbruch. Von seinen fünf Kindern schickt er eins zur Schule. Seine älteste Tochter arbeitet auf dem Baumwollfeld. Ob er denn nicht wisse, dass Kinderarbeit verboten sei? Es geht nicht anders, sagt er. Wir müssen sie schicken. Ich verdiene zu wenig.
Seine Nachbarin Yeshodamma hat ebenfalls fünf Kinder. Auch sie schickt eine ihrer Töchter zur Arbeit aufs Feld. Wir haben einen Vorschuss bekommen, erzählt sie. „Einen Vertrag haben wir nicht. Ich kenne die Firma nicht, für die wir arbeiten.“ Und das gilt auch umgekehrt.

Die Bayer-Firma PROAGRO kennt die Leute im Dorf auch nicht, denn sie schaltet einen Agenten dazwischen, den Seed Organizer. Der schließt einen Vertrag mit dem Bauern und handelt aus, was dieser für das fertige Saatgut bekommt. Der Bauer heuert dann die Arbeiter an und bestimmt deren Lohn.
In dem Vertrag, den der Bauer von den Saatgut-Agenten bekommt, steht drin, dass Kinderarbeit verboten ist. Wer keine Kinder anheuert bekommt …
„… einen Aufschlag von 5 %, als Anreiz ausschließlich Erwachsene zu beschäftigen.“
Das ist gut für die Bauern, aber den einfachen Arbeitern nützt das nicht viel. Sie verdienen so wenig, dass sie nach wie vor ihre Kinder zur Arbeit schicken müssen, um über die Runden zu kommen.

Bauer Siva Reddy erzählt, dass die Eltern schon im März und April kämen und ihn anflehen würden, ihren Kindern im Sommer Arbeit zu geben. Das Problem, sagt auch er, ist die Armut
Wir fragen Bayer, wie sie das Problem lösen wollen. Und bekommen einen freundlichen Brief:
„Wir danken Ihnen für Ihr Interesse an unserem Engagement zur Bekämpfung von Kinderarbeit in Indien.“
Ein Interview könne man leider nicht geben, aber man weist uns auf die Punkte im Aktionsplan hin. Man habe schon 29 Creative Learning Centers eingerichtet, die die Kinder auf die Schule vorbereiten sollen. Außerdem gebe es wirtschaftliche Anreize für die Farmer, die auf Kinderarbeit verzichten. Und Sanktionen für die, die das nicht täten.

Über die Hungerlöhne steht nichts im Brief. Muss auch nicht, denn für Löhne ist Bayer nicht zuständig. Nur für den Preis, den sie für das Saatgut zahlen. Der ist so niedrig, dass die Bauern nicht viel daran verdienen. Mindestlöhne aber wären der Schlüssel, um Kinderarbeit endgültig abzuschaffen.
Dr. Davuluri Venkateswarlu, Agrar-Experte (Übersetzung MONITOR): „So lange die Firma PROAGRO nicht ganz ernsthaft über die Abnahmepreise für das Saatgut nachdenkt“, sagt uns Dr. Venkateswarlu, „wird sie der Verpflichtung nicht nachkommen können, Kinderarbeit auf ihren Vertragsfarmen wirklich auszuschließen.“
Er hat ausgerechnet, dass die Bayer-Tochter PROAGRO den Bauern 37 % mehr für das Kilo Baumwoll-Saatgut bezahlen müsste. Nur so könnten die Bauern den Arbeitern das geben, was ihnen gesetzlich zusteht: Etwa ein Euro am Tag. Und nur dann wären die Eltern nicht mehr gezwungen, ihre Kinder zur Arbeit zu schicken.
Bericht von Monika Pohl