ehem. BAYER-Direktor verantwortlich für Giftgas-Einsatz und Zwangsarbeit / Umbenennungen auch in Wuppertal, Frankfurt und Leverkusen gefordert
Presse Info, 11. Sept. — Das Dortmunder Stadtarchiv schlägt die Umbenennung von sechs Straßen vor, deren Namensgeber historisch belastet sind. Neben den nationalsozialistischen Schriftstellern Karl Wagenfeld und Friedrich Castelle findet sich auch der frühere BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg auf der Liste. Der städtische Ausschuss für Anregungen und Beschwerden befürwortete die Empfehlungen in seiner Sitzung am Dienstag.
Jan Pehrke, Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren, begrüßt das Votum: „Carl Duisberg war der geistige Vater der IG FARBEN und ging für Profite buchstäblich über Leichen. Wegen seiner Mitverantwortung für Gaskrieg, Zwangsarbeit und die enge Zusammenarbeit mit dem Nazi-Regime taugt er nicht als Vorbild für künftige Generationen. Auch die noch verbleibenden Carl-Duisberg-Straßen im Land sowie das Duisberg-Gymnasium in Wuppertal sollten nun umbenannt werden“.
Wörtlich heißt es in der Stellungnahme des Archivs: „In der Bewertung der Person Carl Duisbergs durch das Stadtarchiv wurden durchaus auch die bis heute positiv zu wertenden Aspekte in seiner Lebensleistung berücksichtigt. Nichtsdestotrotz empfiehlt das Stadtarchiv, bei der Abwägung aller Aspekte des Lebens von Carl Duisberg, eine Umbenennung.“
Zur Begründung schreibt das Stadtarchiv: „Während des Ersten Weltkriegs wurde unter seinem Vorsitz Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. (…) Duisberg gehörte zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die – auch nach dem damals geltenden internationalen Kriegsrecht illegale – Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten. (…) Carl Duisberg war aktives Mitglied im antisemitischen Alldeutschen Verband. Als Patriarch lehnte er bis zu seinem Tod Gewerkschaften entschieden ab. Er war von Beginn an Gegner der Weimarer Demokratie.“
Die Überprüfung aller Dortmunder Straßennamen geht auf einen Antrag des früheren Ratsmitglieds Richard Kelber zurück. Über die Änderungen der Straßennamen entscheiden nun abschließend die zuständigen Bezirksvertretungen. Betroffen wären zwischen 63 Anwohner/innen in der Castellestraße und 129 in der Stehrstraße. Die Umbenennung der Carl-Duisberg-Straße ist am einfachsten, da sie nur einen einzigen Anlieger hat – ausgerechnet das Carl Duisberg Centrum, das zudem am Ende des Monats schließt.
Zum 150. Geburtstag von Carl Duisberg vor drei Jahren hatten sich unter anderem in Wuppertal, Leverkusen, Frankfurt und Marburg Initiativen gebildet, um Straßen, Schulen und Wohnheime, die den Namen des ehemaligen BAYER-Generaldirektors tragen, umzubenennen. Auch ein Entzug der Leverkusener Ehrenbürgerwürde war gefordert worden. In Frankfurt läuft das Umbenennungsverfahren der Duisbergstraße noch; in Marburg führte das Engagement immerhin dazu, am dortigen Carl-Duisberg-Haus eine Plakette mit einer „Kritischen Würdigung“ anzubringen.
weitere Informationen
=> vollständige Stellungnahme des Stadtarchivs
=> Kampagne zu Carl Duisberg
=> Ruhr Nachrichten: „Belastete Namenspaten“
Die Empfehlung des Dortmunder Stadtarchivs im Wortlaut (Auszug):
4. Carl-Duisberg-Straße (Stadtbezirk Innenstadt West) / benannt 1974
Namengeber: Friedrich Carl Duisberg
geb 29.09.1861 in Barmen (heute Wuppertal)
† 19.03.1935 in Leverkusen
Chemiker und Industrieller, Vorstandsvorsitzender
Während des Ersten Weltkriegs wurde unter seinem Vorsitz Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. In Leverkusen wurde u. a. Phosgen produziert, ein Giftgas, das in einem Lehrbuch folgendermaßen beschrieben wird: „Der Atem wird immer kürzer und stoßweiser, bis schließlich der Tod durch Ersticken eintritt. Das volle Bewusstsein bleibt auch bei dem schwersten Verlauf bis zum letzten Augenblick erhalten. Der Phosgentod ist also als ein ganz allmähliches Ertrinken im eigenen Blutserum aufzufassen.“
Duisberg gehörte auch – zusammen mit Walther Rathenau und Hugo Stinnes – zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die – auch nach den damals geltenden internationalen Kriegrecht illegale – Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten. Zudem war er maßgeblich an der Ausarbeitung des sogenannten „Hindenburg-Programms“ beteiligt, dem Wirtschafts- und Rüstungsprogramm der Dritten Obersten Heeresleitung von 1916, das die Fokussierung der gesamten Wirtschaft auf die Rüstungsproduktion vorsah.
Carl Duisberg war aktives Mitglied im antisemitischen Alldeutschen Verband. Als Patriarch lehnte er bis zu seinem Tod Gewerkschaften entschieden ab. Er war von Beginn an Gegner der Weimarer Demokratie.
In der Bewertung der Person Carl Duisbergs durch das Stadtarchiv wurden durchaus auch die bis heute positiv zu wertenden Aspekte in seiner Lebensleistung berücksichtigt.
Nichtsdestotrotz empfiehlt das Stadtarchiv, bei der Abwägung aller Aspekte des Lebens von Carl Duisberg, eine Umbenennung.
In Leverkusen und Wuppertal gibt es seit vielen Jahren politische Debatten über die Person Carl Duisbergs.