BAYERs alte CO-Leitung marode
„gravierende Materialverluste“
Nicht nur die zwischen den BAYER-Werken Dormagen und Krefeld verlegte Kohlenmonoxid-Pipeline wirft Sicherheitsfragen auf. Auch die in den 1960er Jahren gebaute und seit 2001 für den Transport von CO genutzte Leitung zwischen Dormagen und Leverkusen hat gravierende Mängel, wie die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nach Einsichtnahme in die Behörden-Bescheide und Untersuchungsberichte feststellen musste.
Von Philipp Mimkes
Lange diente die zwischen Dormagen und Leverkusen verlaufende Pipeline nur zum Transport von Stickstoff und Kohlendioxid. Im Jahr 2000 beantragte BAYER allerdings eine Umwidmung. Der Leverkusener Multi wollte das wesentlich giftigere Kohlenmonoxid durch die Rohre führen. Einem ordentlichen Genehmigungsverfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit musste der Konzern sich dafür nicht stellen. Die zuständige Bezirksregierung gab ihr Einverständnis für die Umwidmung auf dem kleinen Dienstweg.
Um die genauen Umstände der Umnutzung in Erfahrung zu bringen und Aufschluss über den Zustand der Leitung zu gewinnen, beantragte die die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bei der Bezirksregierung eine Einsichtnahme in die Akten. Das Studium der Unterlagen offenbarte schließlich schwerwiegende Mängel. Besonders dort, wo die Pipeline den Rhein unterquert, zeigten sich Korrosionsschäden, also Abnutzungserscheinungen an den Bau-Bestandteilen. So treten an diesem Rhein-Düker nach einem Bericht des TÜV Rheinland vom 22. Februar 2013 „gravierende externe Materialverluste“ auf, weswegen er „nicht dem Stand der Technik“ entspreche. Die Korrosionsgeschwindigkeit wurde mit bis zu 0,5 mm pro Jahr abgeschätzt, wegen galvanischer Kontakte sei zudem kein ausreichender Korrosionsschutz gegeben. Nach Ansicht des TÜVs sollte der Düker daher „durch eine geeignete neue Konstruktion ersetzt“ werden. In einem ergänzenden Bericht vom Juli 2013 konstatiert der TÜV, dass die Korrosion an einer unzugänglichen Stelle im Rhein so weit fortgeschritten sei, dass nur noch eine „Restlebensdauer von 2 Jahren, bis die rechnerisch geforderte Mindestrohrwandstärke von 3,6 mm erreicht wird“, gegeben sei. Bereits 1973 kamen Sicherheits-Checks zu dem Resultat, dass die Rohre im Rhein-Düker Kontakt zur Ummantelung haben, weswegen der Korrosionsschutz nicht funktioniere. Dies wird in den Folgejahren immer wieder bestätigt, etwa in den Prüfberichten der RUHRGAS vom Februar 2000 und erneut in den TÜV-Berichten 2011-2013.
Auch sonst sind Sicherheitsrisiken feststellbar. So beträgt die mittlere Verlegungstiefe der Leitung nur 1 Meter, und kein Warnband (Geogrid) weist auf die Existenz der Leitung hin. Mit dem „Worst Case“ beschäftigte sich die Bezirksregierung jedoch nur oberflächig. Die Genehmigung der Pipeline enthält keinerlei Abschätzung der Gefährdung der Bevölkerung. Einzig der Gutachter von BAYER widmet sich der Frage eines Austritts von ca. 3.500 cbm Kohlenmonoxid (Inhalt der Leitung plus 15min Nachströmen) – auf gerade mal 9 Zeilen. Eine spezifische, auf die örtlichen Begebenheiten angepasste Betrachtung erfolgt nicht. Zudem ist seine Aussage, wonach das Gas im Fall eines Lecks – wegen seiner geringeren Dichte – sofort aufsteigen würde, nicht nachvollziehbar. Der Sachverhalt ist wesentlich komplexer: Die Leitung verläuft im Boden oder im Rheinwasser, das Gas wäre daher kälter und somit schwerer als die umgebende Luft. Weiterhin kühlt sich CO beim Ausdehnen von 12 Bar auf 1 Bar stark ab. Das Gas würde daher einige Zeit in Bodennähe verbleiben und die Menschen gefährden. Schon 100 ml Kohlenmonoxid können tödlich wirken. 2001 ergab eine Druck- und Dichtheitsprüfung aber, dass es im Falle eines Falles zu einem Verlust von mehreren hundert Liter pro Stunde kommen kann. Lecks in dieser Größenordnung vermag das bestehende Überwachungssystem nicht zu finden. Das von BAYER verwendete Verfahren ist nur imstande, schlagartig auftretende Lecks, z. B. bei Beschädigung durch einen Bagger, aufzuspüren.
BAYER jedoch weist alle Kritik an der Alt-Pipeline zurück und bezeichnet sie als „Stimmungsmache von Industriegegnern aus dem Lager der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN“. Den Bau eines neuen Dükers plant der Leverkusener Multi trotzdem – so ganz sicher scheint er sich betreffs der Sicherheitslage also nicht zu sein. Der CBG reicht eine solche Maßnahme nicht. Sie fordert, generell auf den Pipeline-Transport von Kohlenmonoxid zu verzichten: „Giftige Gase wie Chlor, Kohlenmonoxid oder Phosgen müssen – wenn überhaupt – dezentral produziert und in gut gesicherten Werken verarbeitet werden. Ein Transport solcher Gefahrstoffe verbietet sich. Es ist unverantwortlich, die Bevölkerung diesem unnötigen Risiko auszusetzen.“