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[Editorial] STICHWORT BAYER 03/2011

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

„Die größte terroristische Bedrohung im Inland“, sagt John Lewis, ein hoher FBI-Beamter, geht vom Öko-Terrorismus, von der Tierrechtsbewegung aus“. Die Tierrechts- und Umweltbewegung hat, wie jede andere soziale Bewegung in der Geschichte, legale und illegale Elemente. Es gibt darunter Menschen, die Flugblätter verteilen, Eingaben schreiben und sich bei der Politik Gehör verschaffen. Dann gibt es Menschen, die protestieren und zivilen Ungehorsam praktizieren. Und schließlich gibt es Menschen in Gruppen wie der ANIMAL LIBERATION FRONT und der EARTH LIBERATION FRONT, die Fenster einschmeißen, Geländewagen anzünden und Tiere aus Nerzfarmen befreien.
Tierrechts- und UmweltaktivistInnen haben keine Flugzeuge auf Gebäude gelenkt, Geiseln genommen oder Anthrax per Brief versandt. Sie haben nie irgendjemanden verletzt. Der einzige Mordversuch in der Geschichte der US-amerikanischen Tierrechtsbewegung wurde von einem Agent Provocateur initiiert. Trotzdem sieht das FBI diese Menschen als größte inländische terroristische Bedrohung an. Dieser völlig unverhältnismäßige Umgang mit der Tierrechts- und Umweltbewegung, einhergehend mit dem inflationären Gebrauch des Wortes „Terroristen“, wird oft „Green Scare“ genannt („grüne Gefahr“- in Anlehnung an die während der McCarthy-Ära beschworene „rote Gefahr“/Red Scare, Anm. SWB). Genau wie der „Red Scare“ mit seiner Hexenjagd auf KommunistInnen nutzt der „Green Scare“ ein Wort – dieses Mal ist es „Terrorist“ – um eine bestimmte politische Agenda zu verfolgen, Angst zu verbreiten und die Bewegung zu spalten.
Aber warum passiert das alles? Die Regierung und die Unternehmen machen gar keinen Hehl daraus, dass das alles geschieht, um die Profite der Multis zu schützen. So warnte das Heimatschutz-Departement die Exekutiv-Organe in einem Bulletin: „Von Tierrechtsextremisten und Öko-Terroristen verübte Attacken gegen Unternehmen verursachen den betroffenen Firmen hohe Kosten und können auf die Dauer das Vertrauen in die Wirtschaft erschüttern“. Und in einer geleakten PowerPoint-Präsentation des State Departements vor Konzernen hieß es: „Obwohl Ereignisse, die mit dem Terrorismus in Verbindung gebracht werden, die Schlagzeilen beherrschen, ist es der Tierrechtsextremismus, der Ihre gewöhnlichen Geschäftsoperationen am ehesten stören kann.
Darum geht die Regierung so hart gegen die militanten AktivistInnen vor. Angst. Es dreht sich alles um Angst. Es geht darum, die Profite der Unternehmen zu schützen, indem man den gemäßigten Tierrechts- und Umweltinitiativen – und allen anderen wachsamen sozialen Bewegungen – Angst macht, die ihnen zustehenden Rechte zu nutzen.
Industrie-Vereinigungen sagen über die „Green Scare“-Kampagne: „Das ist erst der Anfang“. Aber es könnte auch der Anfang für die AktivistInnen sein. Ich habe in den vergangenen Jahren mit Hunderten von AktivistInnen aus dem ganzen Land gesprochen. Da ist viel Angst. Aber da ist auch viel Wut. Und das ist gut. Denn die gegenwärtige Repressionswelle mag viele Taktiken des „Red Scare“ übernehmen, aber die Antwort darauf muss heutzutage eine andere sein. Es geht nicht an, sich feige von einer als Kommunist beziehungsweise Terrorist gebrandmarkten Person zu distanzieren. Das Denunzieren und Treue-Eide schwören half damals den AktivistInnen nicht und tut es auch heute nicht.
Der einzige Weg für die AktivistInnen und für die Grundrechte, diese Situation zu überstehen, besteht darin, offensiv damit umzugehen. Das bedeutet, den Durchschnittsbürgern zu erklären, dass es eine Verschwendung von Antiterrorismus-Ressourcen und eine Beleidigung der Opfer des 11. Septembers darstellt, AktivistInnen als TerroristInnen zu bezeichnen. Und das bedeutet, allen Engagierten klarzumachen, dass das Schicksal dieser AktivistInnen vielleicht nur vorwegnimmt, was uns allen blühen könnte.
Nur zusammen können wir verhindern, dass die Geschichte sich wiederholt.

Will Potter ist ein US-amerikanischer Journalist und Autor des Buches „Green is the new Red“.