BAYERs US-Wahlkampf
$108.100 für schlechtes Klima
Während der Leverkusener Multi beharrlich an seinem Image als klima-bewusster Umweltengel arbeitet, tut er im wirklichen Leben alles, um weiterhin Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen zu können. So unterstützte er bei den jüngsten US-Wahlen Kandidaten, die den Klima-Wandel leugnen und sich gegen Obamas Gesetzes-Initiativen sträuben, mit über 100.000 Dollar.
Von Jan Pehrke
BAYERs Klima-Aktivismus scheint keine Grenzen zu kennen: Da gibt es ein BAYER-Klimaprogramm, einen Klima-Preis für Wissenschaftler, einen Klima-Malwettbewerb für Kinder, ein Klimaschutz-Stipendium für SchülerInnen, einen Klima-Check, einen klima-neutralen Werkskindergarten und noch so allerhand mehr. Unbedarfte Beobachter müssen glauben, grüner ginge es kaum. Und das ist auch Sinn der Übung.
Im wirklichen Geschäftsleben sieht es jedoch anders aus. Da zeichnet der Leverkusener Multi für einen Ausstoß von acht Millionen Tonnen Kohlendioxid per anno verantwortlich und tut auf der politischen Ebene alles dafür, eine Verlängerung dieser Lizenz zur Klima-Schädigung zu erhalten. Den dazu von der Bundesregierung benötigten „Mut zum Realismus“ forderte der Konzern jüngst gemeinsam mit anderen Unternehmen auf großflächigen Anzeigen ein. „Damit die Preise für alle bezahlbar bleiben, können wir bis auf Weiteres nicht auf kostengünstige Kohle und Kernenergie verzichten“, hieß es dort. Auf europäischer Ebene ließ der Pharma-Riese nichts unversucht, den Emissionshandel zu torpedieren, der die Kohlendioxid-Absonderungen über ein bestimmtes Volumen hinaus mit Kosten belegt, um Innovationen zu erzwingen. Nicht einmal vor den USA macht der Einfluss BAYERs Halt: Gegen Barack Obamas Versuch, auch in den Vereinigten Staaten einen Markt für CO2-Verschmutzungsrechte zu eröffnen und weitere Regelungen zum Schutz des Klimas zu verabschieden, geht der Global Player entschieden vor.
So hat er bei den US-amerikanischen Kongress-Wahlen im November 2010 gemeinsam mit anderen europäischen Unternehmen die Widersacher des US-Präsidenten in Sachen „Umweltpolitik“ massiv unterstützt. 240.000 Dollar spendeten BAYER, BASF, BP, SOLVAY & Co.; mit 108.100 Dollar trug der Leverkusener Multi mehr als die Hälfte dazu bei. 1.000 Dollar erhielt Republikaner James Inhofe für Debatten-Beiträge wie „Die Erderwärmung ist der größte Schwindel, der dem amerikanischen Volk jemals vorgesetzt wurde“. Elf weitere den Klimawandel in Abrede stellende Politiker bedachte das Unternehmen mit Summen zwischen 1.000 und 10.000 Dollar. Zwölf Senatoren, die Obamas Klima-Gesetz ablehnen, beglückte der Gen-Gigant mit insgesamt 78.200 Dollar, wobei er sich bei GegnerInnen des Präsidenten aus den eigenen, demokratischen Reihen besonders erkenntlich zeigte. Die Republikanerin Lisa Murkowski schließlich bekam ein Wahlkampf-Geschenk für ihr im Senat – einstweilen gescheitertes – Bemühen, der Umweltbehörde EPA das Recht zu nehmen, den Treibhausgas-Ausstoß zu regulieren.
„Öl-Gesellschaften und andere Unternehmen spenden Millionen für Kampagnen, die Luftreinhalte- und Saubere-Energie-Standards aufweichen, und gefährden damit die Gesundheit und Prosperität des Landes“, erregte sich Obama über den Einsatz der Firmen. Und sein Berater David Axelrod nannte die Wahlkampf-Spenden von Big Business, die sich auf über 75 Millionen Dollar beliefen und zum allergrößten Teil den RepublikanerInnen zugute kamen, „eine Bedrohung unserer Demokratie“.
Auch bundesdeutsche PolitikerInnen prangerten die Praxis der Konzerne an. „Es ist ein Skandal, wenn große deutsche Firmen wie BAYER und BASF sich zu Hause als Klimaschützer aufspielen, im US-Wahlkampf dann aber die extremsten Klimaschutz-Gegner finanziell unterstützen, um weltweite Vereinbarungen zu torpedieren“, wetterte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ulrich Kelber, und die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Bärbel Höhn kritisierte die „tätige Beihilfe zur Klimazerstörung“ ebenfalls vehement. Besonders die Perfidie von BAYER & Co., auf der einen Seite europäische Alleingänge in der Klimapolitik abzulehnen und auf internationale Lösungen zu pochen, auf der anderen Seite dann aber die solche internationalen Lösungen am heftigsten hintertreibenden Klimaschutz-Opponenten aus den USA zu subventionieren, stieß hierzulande auf Empörung.
Der Leverkusener Multi hingegen weist alle Schuld von sich. Als „völlig abwegig“ bezeichnete das Unternehmen den Vorwurf, systematisch Klimaschutz-GegnerInnen zu unterstützen. Es habe sich lediglich um freiwillige Spenden von BAYER-Beschäftigten gehandelt, erklärte ein Pressesprecher. Allerdings lassen die Gesetze in den Vereinigten Staaten auch gar keine andere Möglichkeit zu. Und dass ausgerechnet BAYERs US-Boss Gregory S. Babe zu den Großspendern zählt, räumt jeden Zweifel am offiziellen Charakter der Sache aus. Zudem zählt der Agro-Riese bereits seit längerem zu den Sponsoren von konservativen Thinktanks wie dem „Science Media Center“ und dem „Institute of Ideas“, die sich redlich bemühen, wissenschaftliche Beweise für die Nicht-Existenz des Klimawandels in Umlauf zu bringen (siehe Ticker 4/09).
Am Ende lohnten sich die Investitionen von BAYER. Aus der so genannten midterm-election gingen die Republikaner im Allgemeinen und die Klimawandel-BestreiterInnen im Allgemeinen gestärkt hervor. Das bedeutet das Ende für den „American Clean Energy and Security Act“ von Obama. Und auch das bisher vor allem von der auf BAYERs Payroll stehenden Lisa Murkowki vorangetriebene Projekt, die Klimaschutz-Kompetenzen der Umweltbehörde EPA zu beschneiden, dürfte Erfolg haben. Der demokratische Senator John Rockefeller hat bereits eine Gesetzes-Initiative angekündigt, welche die jüngst erlassenen strengeren EPA-Auflagen für CO2-Emissionen zwei Jahre lang aussetzen will. Es sieht also düster aus für den Himmel über Amerika – und nicht nur für den. „Vieles spricht dafür, dass sich das Zeitfenster für eine umfassende gesetzliche Neuregelung der amerikanischen Energie- und Klimaschutz-Politik für eine längere Zeit geschlossen hat“, kommentiert die Faz und prognostiziert „global tiefe und langanhaltende Auswirkungen“.