taz, 03. April 2003
Bayers heimliches Giftgas
Umweltschützer protestieren gegen die Giftgas-Produktion bei Bayer-Uerdingen. Der Konzern spricht von „Diffamierung“. Umweltministerin Höhn fordert einen Bericht
Von Martin Teigeler
Giftgas sorgt für dicke Luft in NRW. Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) fordert von der Bezirksregierung Düsseldorf Aufklärung über die Phosgen-Produktion bei Bayer. Im vergangenen Jahr hatte der Pharmariese die Herstellung der giftigen Chemikalie am Standort Krefeld-Uerdingen nach Genehmigung der Bezirksregierung um 60.000 Tonnen pro Jahr erhöht. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung habe dabei nicht statt gefunden, so der Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Coordination gegen Bayer- Gefahren (CBG) in einem Protestbrief an Höhn. „Die Ministerin wartet jetzt den Bericht der Behörde ab“, sagte eine Sprecherin des Umwelt-
ministeriums zur taz. Bayer klagt über eine Desinformationskampagne der Umweltschützer.
„Die Anwohner haben ein Recht auf Informationen, welcher Gefahr sie im Falle eines Störfalles ausgesetzt sind“, sagt Angelika Horster, Chemie- expertin des BUND. Umweltverband und CBG verlangen Informationen über die umstrittene Anlage und Einblick in die Sicherheitsanalyse des Unternehmens. „Phosgen gehörte im 1. Weltkrieg zur ersten Generation von Giftgasen und zählt heute zu den giftigsten Industrie-Chemikalien überhaupt“, sagt CBG-Aktivist Philipp Mimkes. Bayer setzt Phosgen als Vorprodukt für CD-Rohlinge und andere Kunststoffwaren ein. Die Bezirksregierung Düsseldorf verteidigt die Genehmigung der zivilen Anlage, die 400 Meter neben einem Wohngebiet liegt. „Wir halten uns strikt an das Bundesemissionsschutzgesetz“, so ein Sprecher der Behörde.
Für den Bayer-Konzern betreiben die Umweltschützer „eine unsachliche und irreführende Informationskampagne“. Besonders die „so genannte Coordination gegen Bayer-Gefahren“ versuche seit Jahren mit „unsachlichen und diffamierenden Verlautbarungen“ Stimmung gegen Bayer zu machen, so das Unternehmen in einer Stellungnahme gegenüber der taz. Die Erweiterung der Phosgen-Produktion in Uerdingen sei nach dem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren genehmigt worden. „Das Unternehmen ist nicht verpflichtet, Details der Produktion öffentlich zu machen“, so der Chemieriese. Dies hänge auch mit Sicherheitsmaßnahmen wegen möglicher Terroranschläge zusammen.
BUND und CBG sehen genau hier das Problem. „Der Gewaltakt vom 11. September 2001 wird dazu missbraucht, unangenehmen Informationspflichten aus dem Wege zu gehen“, sagt Chemie-Expertin Horster. Die Umweltverbände hätten Bärbel Höhn deshalb gebeten, diesen Missbrauch nicht zu unterstützen. Das Düsseldorfer Umweltministerium erwartet den Bericht der Bezirksregierung „in wenigen Wochen“ und will dann über die Giftgas-Produktion entscheiden.