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Rede Uwe Friedrich

CBG Redaktion

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

mein Name ist Uwe Friedrich, ich bin langjähriges Mitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Ich spreche heute zum besonderen Gefährdungspotenzial von PFAS, BAYERs neuen Ewigkeitschemikalien.

Bis heute sorgen bekannte Chemikalien wie Asbest, DDT oder PCBs für Angst und Schrecken, obwohl BAYER & Co. sie längst nicht mehr in Umlauf bringen dürfen. Die Substanzen gehören nämlich zu den sogenannten Ewigkeitschemikalien, die extrem stabil sind und sich deshalb nur äußerst langsam abbauen. Doch jetzt drängen neue Gifte auf diese schwarze Liste: die PFAS, polyfluorierte Alkylverbindungen, die auch der Leverkusener Konzern im Angebot hat. BAYER gehört zu den zwölf größten Produzenten weltweit.

Bei den „PFAS“ handelt es sich um rund 12.000 verschiedene Erzeugnisse, bei denen die Wasserstoff-Atome ganz oder teilweise durch Fluor-Atome ersetzt wurden. Diese sogenannte Fluorierung dient zum einen dazu, die Effektivität zu steigern, z. B. bei Arzneien dafür zu sorgen, dass der Körper das Medikament gut aufnehmen kann. Zum anderen werden die Substanzen stabiler. Sie halten Hitze ebenso stand wie anderen aggressiven Chemikalien und sind praktisch unkaputtbar. Dies verschafft ihnen zahlreiche Einsatzmöglichkeiten, von Antibeschlagmitteln bis hin zu Zahnseide. In Outdoor-Kleidung halten sie den Regen ab, in Lederwaren und Teppichen dienen sie zur Imprägnierung. Auch in Antihaft-Beschichtungen von Bratpfannen und anderen Koch-Utensilien wirken diese Stoffe. Und in Pestiziden erfüllen sie die gegenteilige Funktion: Sie sorgen dafür, dass die Ackergifte einen besseren Halt auf den Pflanzen finden. 

Deshalb sind PFAS auch in zahlreichen BAYER-Pestiziden zu finden – unter anderem in Flufenacet, Bifenthrin, Diflufenican, Difluthrin, Flubendiamide und Isoxaflutole. Im Pharma-Sektor setzt BAYER PFAS-Verbindungen u. a. in Arzneiverpackungen ein. 

Doch gerade die genannten Eigenschaften wie Vielseitigkeit und Stabilität bereiten die meisten Probleme. Der menschliche Organismus kriegt die Substanzen kaum klein, und auch in der Umwelt halten sie sich lange. Die US-amerikanische Umweltbehörde (EPA) stuft die Stoffe nicht zuletzt deshalb schon in geringsten Mengen als extrem gefährlich ein: „Die EPA hält jeden PFAS-Gehalt für potenziell toxikologisch signifikant.“ 

Studien wie die vom Bonner „Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen“ bestätigten den Befund, dass PFAS Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern. Und ihre Nebenwirkungen gehen weit darüber hinaus. Sie haben das Potenzial, Krebs, Diabetes und Fruchtbarkeitsstörungen auszulösen. Sie können die Leber schädigen sowie die Schilddrüsen-Funktionen und das Immunsystem schwächen.

Wegen der breiten Palette ihrer Anwendungen finden sich PFAS fast überall in der Umwelt, Gewässer und Böden weisen zum Teil große Belastungen auf. Besonders hoch sind die PFAS-Konzentrationen im Rhein. Als Eintragsquelle Nr. 1 firmiert der Chem„park“ Leverkusen. Die ehemalige BAYER-Tochter LANXESS stellte dort bis zum Frühjahr 2024 PFAS-Chemikalien her, deren Produktionsrückstände die Kläranlage des Chem„park“-Betreibers CURRENTA nicht ausreichend aus dem Abwasser herausfiltern konnte. Der Großeinsatz der Feuerwehr bei der Explosion im Entsorgungszentrum Leverkusen-Bürrig am 27. Juli 2021, die sieben Menschenleben forderte, steigerte das Aufkommen der Substanzen im Rhein dann noch einmal deutlich. Rund zwei Kilogramm PFAS enthielt das Lösch- und Ereigniswasser nach Angaben des NRW-Umweltministeriums. Das alles macht Leverkusen zu einem der rund 300 PFAS-Hotspots in Deutschland. 

Dabei wusste die Industrie früh um die Gefahren. Während in medizinischen Fachblättern erst Ende der 1990er Jahre erste Artikel über die Gesundheitsgefährdung durch PFAS erschienen, waren die Chemie-Multis schon Jahrzehnte früher im Bilde. Ein DUPONT-Wissenschaftler bezeichnete PFAS bereits 1970 als „hochgiftig, wenn sie inhaliert werden“

Doch so langsam bildete sich Widerstand gegen diese tickende Zeitbombe und ihre Produzenten. In den USA stellte die Biden-Administration bereits im Oktober 2021 einen „Plan zur Bekämpfung der PFAS-Verschmutzung“ mit einem umfassenden Maßnahmen-Katalog vor. Ende 2022 verbot die US-Umweltbehörde EPA dann zwölf PFAS-Chemikalien in Pestiziden. Einige Bundesstaaten gehen inzwischen noch viel weiter. Und den US-Kommunen wurde ein 21-Milliarden-Dollar-Infrastruktur-Fonds zur Verfügung gestellt, um die Gifte aus den örtlichen Wasserleitungen fernzuhalten. 

Die Europäische Union hat Höchstgrenzen für PFAS-Rückstände in Lebensmitteln und Kosmetik-Artikeln vorgeschrieben und plant, Ewigkeitschemikalien in Verpackungen und Feuerlöschschaum zu untersagen. Die EU-Trinkwasser-Richtlinie von Ende 2020 enthält ebenfalls Bestimmungen zu PFAS. 2023 setzte sie die Ampel-Regierung in nationales Recht um. So gilt ab 2026 ein Grenzwert von 100 Nanogramm pro Liter für die summierten Konzentrationen von 20 PFAS und ab 2028 einer von 20 Nanogramm für vier besonders harte Fälle. Dies sind erste Anfänge einer Regulierung. Doch steht EU-weit derzeit eine große Lösung an, nämlich übergreifende PFAS-Restriktionen, die alle Stoff-Gruppen und Anwendungen umfassen. Nur Pestizide, Biozide und Arzneimittel sind ausgenommen. Doch die Unternehmen und ihre Lobby-Organisationen laufen Sturm dagegen. Der Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI), der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagebau und der Verband der Elektro- und Digitalindustrie empören sich gegen ein „Generalverbot“ von PFAS. BAYER & Co. drohen mit Abwanderung und sehen einmal mehr den „Wirtschaftsstandort Europa“ untergehen. Und schlau wie sie sind, betonen sie die Bedeutung von PFAS-Verbindungen für die Klimapolitik. Schließlich lassen sich diese auch in Windkraftanlagen, Brennstoffzellen-Membranen und Lithiumionen-Batterien einsetzen.

Im August 2024 schrieben rund 500 Unternehmen einen Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz. Sie verlangten von der Politik, statt ganze Stoffgruppen zu verbieten oder deren Gebrauch stark einzuschränken, Einzelfall-Prüfungen durchzuführen – auf der Basis ihres eigenen, subjektiv auslegbaren, sogenannten „risiko-basierten Ansatzes“. Und man beließ es nicht beim Briefeschreiben. Die Bundestagsabgeordneten wurden direkt bearbeitet: Das deutsche Lobby-Register weist entsprechende Bemühungen auch von BAYER aus. Der Leverkusener Konzern setzte sich dabei schwerpunktmäßig dafür ein, dass PFAS in der Arzneimittelproduktion weiterhin erlaubt bleiben. Dies sei notwendig, um die Arzneimittelproduktion in Europa und die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu sichern.

Daneben steht BAYER weiterhin fest zu seinen PFAS-haltigen Pestizid-Wirkstoffen wie Flufenacet, obwohl bei dessen Zersetzung der PFAS-Stoff Trifluoressigsäure (TFA) als Metabolit entsteht. Dabei hatte der Konzern dieses Abbauprodukt bei der obligatorischen EU-Einstufung gemäß der Chemikalien-Verordnung REACH selbst als „vermutlich reproduktionstoxisch beim Menschen“ bezeichnet. Nicht umsonst hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit deshalb im Oktober 2024 die Zulassung von Flufenacet widerrufen. Und zwei Monate später schlug die EU-Kommission ein Verbot vor.

Im Großen aber beugt sich die Politik wieder mal vor den Konzernen und plädiert nur für Einschränkungen. Bundeskanzler Olaf Scholz nahm BAYER & Co. auf ihrer Verbandstagung alle Befürchtungen. „[…] bei PFAS setzen wir uns für eine praktikable und ausgewogene Regulierung für Sie ein. Darauf können Sie sich auch für die Zukunft verlassen.“ Auch der aktuelle Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD stellt klar: „Ein Totalverbot ganzer chemischer Stoffgruppen wie PFAS lehnen wir ab“. Und auf der EU-Ebene haben bereits Ende 2024 mehrere Staaten, auch Deutschland, ihre eigenen strengen Regulierungsvorschläge einer Revision unterzogen. Die offiziellen Eingaben von BAYER & Co. bewirkten also einen Meinungsumschwung. Vor allem das Arbeitsplatz-Argument hat offensichtlich wieder einmal verfangen. Die Folge ist nun, dass das ganze Jahr 2025 erst einmal für die Überarbeitung des Regulierungsvorschlags draufgehen wird.

Ohne Druck von außen wird sich daher kaum etwas bewegen. Und diesen Druck gibt es. Seit der Landwirt Wilbur Tennant erfolgreich gegen DUPONT vor Gericht zog, weil sein in der Nähe der Chemie-Fabrik weidendes Vieh verendete, häufen sich die juristischen Auseinandersetzungen. BASF z. B. sieht sich mit über 4.000 Klagen konfrontiert und musste bereits über 300 Millionen Euro für Vergleiche aufbringen. Auch gehen immer mehr Menschen gegen die PFAS-Belastungen auf die Straße und fordern einen Produktionsstopp, wie Ende Mai 2024 im französischen „Tal der Chemie“ nahe Lyon. In Belgien, den Niederlanden, den USA, Schweden, Dänemark und Italien kam es ebenfalls schon zu Protesten. Anfang Dezember 2024 appellierten zahlreiche WissenschaftlerInnen, Umweltgruppen und andere Initiativen in einem Offenen Brief an EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, nicht vor der Industrie-Lobby einzuknicken und den vorliegenden Regulierungsvorschlag zu verwässern, „damit eine deutliche und zeitnahe Reduzierung der PFAS-Emissionen erreicht werden kann.“ 

Auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gehört zu den Unterzeichnern dieses Schreibens, das der BUND und das Europäische Umweltbüro (EBB) initiiert haben. Anlässlich der heutigen BAYER-Hauptversammlung haben wir deshalb zum besonderen Gefährungspotenzial der PFAS einen Gegenantrag gestellt – im Rahmen des TOPs 2 „Entlastung des Vorstands“. 

Vielen Dank.

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