Pressemitteilung des VSR (Verein zum Schutz des Rheins)
Salpetersäureentsorgung stört BAYER-Produktion
Katastrophe wirft Fragen zum Krisenmanagement bei BAYER und der Landesregierung auf
Die Entsorgung des an der BAYER-Reede in Uerdingen gesunkenen Salpetersäure-Tankers rief BAYER auf den Plan. Nach einer Stunde Abpumpen mussten die Arbeiten am Mittag unterbrochen werden, da ein Ansaugstutzen des BAYER-Werkes in direkter Nähe der Unglücksstelle liegt. Sinkt der pH-Wert wird kein Wasser mehr eingezogen, die Bayer-Produktion liegt lahm. Nicht Gedanken zur Schädigung der Tiere und Pflanzen riefen eine Änderung der Planungen hervor, nein die Anforderungen der Industrie an die Wasserqualität mußten erfüllt werden, erst dann konnte man weiter die giftige, hochaggressive Säure in den Rhein gießen.
Katastrophales Krisenmanagement dokumentiert das ständige hin und her bei den Entscheidungen in Uerdingen. Nachdem weder BAYER noch die auf Gefahrguttransporte spezialisierte Reederei innerhalb von vier Tagen in der Lage waren, die noch im Schiffsrumpf verbliebenden Säure aus dem havarierten Schiff abzupumpen, wurden jetzt andere Lösungen gesucht. Damit das Tankschiff bei dem nun seit Tagen wieder steigendem Wasserstand nicht auseinanderbricht und seine schädliche Fracht sich dann plötzlich in die Umwelt ergießt, entschied man sich die Ladung kontinuierlich in den Rhein zu pumpen. Nachdem die Aktion am Montagnachmittag begann, brach man sie nach Stunden ab (DPA- Meldung). Durch den hohen Säuregehalt im Rheinwasser war die Wasserentnahme des BAYER-Werkes gefährdet. Erst nachdem eine über 80 m lange Leitung verlegt worden war, konnte die Salpetersäure weiter abgepumpt werden (Meldung Rheinische Post).
Damit verschwandt die Säure nun doch noch in den Fluten. Die gefüllten Tanks sind scheinbar für unsere hochtechnisierte Industrie ein großes Problem. Wir schicken Menschen auf den Mond und Sonden zu anderen Planeten – aber wir sind nicht in der Lage die Tanks eines Schiffes ohne Gefahren für die Umwelt leerzupumpen ! Noch dazu lag das Schiff nicht irgendwo auf Grund, sondern direkt unterhalb der Pumpanlagen der BAYER-Betriebes in Uerdingen – keine achtzig Meter entfernt!
Wie konnte es eigentlich zum Sinken des Tankers kommen? Es war doch eigentlich kein großer Unfall passiert. Durch eine undichte Leitung liefen nach Angaben von BAYER gerade mal 16 t Salpetersäure der gesamten Fracht von 1800 t zwischen die Tank- und Bordwand. Hierdurch wurden im Schiff liegende Taue und andere brennbare Materialien entzündet. Zusätzlich verursachte die aggressive Säure ein Leck in der Außenwand des Schiffes, das daraufhin sank. Wieso gab es an Bord kein Warnsystem, das frühzeitig diesen unkontrollierten Säureverlust hätte feststellen können? Warum konnte die auslaufende Säure nicht neutralisiert werden? Wenn schon so ein kleines Leck im Inneren des Tankschiffes eine derartige Katastrophe verursachen kann, was würde dann passieren, wenn der Tanker mit eine anderen Schiff kollidiert wäre, dann wären nicht nur 16 t ausgelaufen, sondern wahrscheinlich sehr viel mehr. Das Zusammenstöße auch auf dem Rhein passieren, zeigte die Kollision zwischen einem Schubverband und einem Gastanker auf dem Rhein bei Millingen einen Tag früher. Es stellt sich für uns die brennende Frage, war das Schiff überhaupt sicherheitstechnisch so weit ausgestattet, dass es eine Kollision ohne größeren Verlust an Säure überstanden hätte.
Wegen des seit einigen Tagen durch Regenfälle im Oberlauf des Rheins steigenden Wasserstandes drang weiteres Wasser in das Schiff ein. Durch die erhöhte Fleißgeschwindigkeit des Rheins an der BAYER-Reede soll sich das Schiff auch schon auf dem Grund bewegt haben. Glaubwürdig ist diese Aussage, da die Ladestelle des BAYER-Konzerns direkt am Prallufer des Rheins bei Uerdingen liegt. Jedes Schiff das dort anlegt hat mit der Strömung zu kämpfen. Nach Angaben der Feuerwehr soll jetzt das Risiko bestehen, dass die Verbindungen der einzelnen Tanks brechen und die sich noch im Schiff befindende Säure unkontrolliert austritt. Um die Gefahr zu bannen, soll die Ladung in den Rhein gepumpt werden. Hätte BAYER wie BASF am Oberrhein für die Be- und Entladung dieser sehr gefährlichen Stoffe ein vom Rhein getrennten Becken, so wäre auch diese Gefahr gebannt. Man könnte im stehendem und nicht wie in diesem Fall im stark strömenden Wasser die Bergungsarbeiten durchführen – aber eine Ladestelle im Strom ist halt wesentlich billiger, dafür aber gefährlicher.
Die Salpetersäure, die sich nun in den Rhein ergießt gehört zu den stärksten anorganischen Säuren die wir kennen. Sie wird sich dann, da sie schwerer als Wasser ist zuerst am Boden des Rheins sammeln und mit der Strömung flußabwärts treiben. Auf ihrem Weg über die Sedimente wird sie sämtliches Leben dort abtöten. Nach einiger Zeit wird das turbulente Wasser sie soweit verdünnen und verteilen, dass die akute toxische Wirkung nachläßt. Auf ihrem todbringenden Weg durch die Sedimente wird sie auch die dort angelagerten Schwermetalle mobilisieren und damit den Rhein zusätzlich belasten. Wenn sie weit genug verdünnt ist werden ihre Reaktionsprodukte wie Nitrat zum Problem. Dieses kann mit dem steigendem Wasser zusammen mit den mobilisierten Schwermetallen die grundwasserführenden Schichten im Uferbereich in die flußnahen Brunnen eindringen und zusätzliche Belastungen bei der Trinkwassergewinnung hervorrufen. Die im Wasser des Rheins verbleiben Nitrate werden mit dem Fluß dann in Richtung Nordsee getragen und sorgen dort für eine weitere Düngung der dort in Übermaß schon heute wachsenden Algen.
1300 t Salpetersäure bedeuten für das Ökosystem nicht nur eine extrem hohe Säurefracht, sondern auch zusätzlich etwa 300 t Stickstoff. Bei dem in den letzten Jahren mit hohen Kosten durchgeführten kommunalen Kläranlagenausbau hatte man es gerade mal geschafft, die Stickstofffracht des Rheins täglich um etwa 120 t Stickstoff zu verringern. Nun leitet man ein vielfaches wieder ein.
Kosteneinsparung bei der Sicherheitsausstattung des Schiffes führte zum Sinken und Kosteneinsparung bei der Anlage des Hafens führte zur Gefahr des Auseinanderbrechens. Wir müssen endlich erkennen, dass die Sicherheit beim Transport auf unsere Flüssen erhöht werden muß. Mit der Genehmigung solche ungeeigneten Hafenanlagen und Schiffe für den Transport derart hochbrisanter Ladungen zu verwenden, werden bei größeren Unfällen viele kostenintensive Erfolge im Umweltschutz wieder aufgehoben. Es ist dringen notwendig die entsprechende Investitionen zu tätigen, um die Risiken durch die Gefahrguttransporte zu verringern.
Geldern, im November 2001
Dipl.-Phys. Harald Gülzow
Pressesprecher Verein zum Schutz
des Rheins und seiner Nebenflüsse (VSR)