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Beiträge verschlagwortet als “CO-Pipeline”

[HV Reden] STICHWORT BAYER 03/2012

CBG Redaktion

Das HV-Tribunal

„Übernehmen Sie Verantwortung!“

Konzern-Kritik in Großaufnahme: Von A wie Antibaby-Pillen bis Z wie Zwangslizenzen reichte die Agenda der Konzern-KritikerInnen auf der diesjährigen BAYER-Hauptversammlung.

Wie immer bei den BAYER-Hauptversammlungen stand am Anfang das Wort des Großen Vorsitzenden. Dieses Mal aber öffnete sich gleich nach dem Routine-Programm mit den Reden von Marijn Dekkers, dem Aufsichtsratschef Manfred Schneider und den Vertretern der AktionärInnen-Vereinigungen der Reigen der Konzern-Kritik, der fortan auch kaum noch unterbrochen werden sollte. Christoph Koch vom DEUTSCHEN BERUFS- UND ERWERBSIMKERBUND legte dar, welche verheerende Wirkung die BAYER-Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide auf die Bienenvölker haben. Bereits zum vierten Mal Gegenredner auf dem AktienhalterInnen-Treffen, informierte er die Versammlung über neue Studien, wonach die zumeist als Saatgut-Beize eingesetzten Mittel den Tieren schon in den geringsten Dosen schaden – und das bis in die zweite und dritte Generation. Deshalb haben Koch zufolge einige Länder GAUCHO & Co. bereits die Zulassung für bestimmte Anwendungen entzogen. „Die Beweise werden immer erdrückender für Sie und letztlich für den Konzern als Ganzes!“, stellte der Bienenzüchter fest und appellierte an den Vorstandsvorsitzenden: „Schwenken Sie um, bevor es zu spät ist, Herr Dekkers!“
Das verlangten auch seine Kollegen Holger Netzel und Roland Netter – und 563.475 weitere Personen. „Diese Menschen haben in den vergangenen 24 Stunden eine Petition unterzeichnet, die Sie, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, auffordert, durch Ihr verantwortungsvolles Handeln dem Bienensterben weltweit ein Ende zu bereiten“, berichtete Stephanie Brancaforte vom Kampagnen-Netzwerk AVAAZ. Aber es nützte alles nichts, obwohl der BAYER-Chef den Befund selber nicht in Frage stellte. Auch nach Dekkers Einschätzung haben 300.000 von einer Million Bienenvölkern den letzten Winter nicht überlebt. Doch nannte Dekkers dafür einen anderen Grund: „Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Institute für Bienenforschung hat wie zahlreiche weitere Wissenschaftlergruppen ausdrücklich dokumentiert, dass der Hauptfeind für die Gesundheit der Bienenvölker in vielen Regionen der Welt die Varroa-Milbe ist.“ Die Pestizide würden zwar akute Wirkungen hervorrufen, dank moderner Anwendungstechniken bliebe eine Belastung der Bienen jedoch weitgehend aus, so der Vorstandsvorsitzende.
Eine Belastung stellte in seinen Augen auch die Industrie-Chemikalie Bisphenol A nicht dar, die der Leverkusener Multi als einer der weltgrößten Produzenten in einer Menge von ca. 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr fabriziert. Unfruchtbarkeit, Fehlbildungen und verfrühte sexuelle Reife – zu diesen zuvor von Friedhelm Meyer aufgezählten Risiken und Nebenwirkungen der vor allem in Lebensmittel-Verpackungen, Kunststoff-Geschirr, Kassen-Quittungen und Zahnfüllungen Verwendung findenden, hormonell wirkenden Substanz schwieg der Ober-BAYER sich aus. Auch dem Appell des Vertreters der SOLIDARISCHEN KIRCHE IM RHEINLAND, das aus dem 1. Weltkrieg als Giftgas berühmt-berüchtigt gewordene Giftgas Phosgen als Bisphenol-Vorprodukt zu substituieren, mochte er nicht folgen. „Phosgen ist und bleibt ein unverzichtbarer Grundstoff für Kunststoff“, antwortete Dekkers dem Pfarrer im Ruhestand, der das Thema „Bisphenol“ zusammen mit seiner Gruppe auch auf die Agenda des letzten Evangelischen Kirchentags in Dresden gesetzt hatte.

Rohrkrepierer Pipeline
Ebenfalls als unverzichtbar erachtet der Vorstandsvorsitzende die von Dormagen nach Krefeld führende Kohlenmonoxid-Pipeline. Nur steht das dem Wunsch von 110.000 BürgerInnen entgegen, wie Dieter Donner von der Initiative STOPP-BAYER-CO-PIPELINE ausführte. So viele Menschen haben nämlich die Petition gegen das Projekt unterschrieben. Einspruch hatte im letzten Jahr laut Donner auch das Düsseldorfer Verwaltungsgericht erhoben. Für „rechtswidrig und nicht vollziehbar“ hielt der Richter den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung zur Errichtung der Giftgas-Leitung, weil er die Erdbeben-Sicherheit nicht gewährleistet sah. Und sogar der Leverkusener Multi selber liefert Argumente gegen den Bau. Hatte er in der Vergangenheit stets betont, es gebe am Standort Dormagen CO-Überkapazitäten, die eine Ableitung nach Krefeld dringend erforderlich mache, so entsteht dort jetzt mit der neuen Kunststoff-Produktion sogar ein Gas-Mehrbedarf, so der Aktivist. „Also schicken Sie die CO-Pipeline in die Wüste“, forderte er Marijn Dekkers auf.
Dem schloss sich Dr. Gottfried Arnold von ÄRZTE GEGEN DIE CO-PIPELINE an. Er erhob aus medizinischer Sicht schwerwiegende Einwände gegen die Verbundleitung. Die Trasse verläuft Arnold zufolge nämlich an Wohngebieten, Schulen und Kindergärten „im dichtest besiedelten Landkreis Deutschlands“ vorbei. Deshalb ist im Falle eines Rohrbruchs eine angemessene ärztliche Versorgung nicht zu gewährleisten, zumal für eine fachgerechte Behandlung einzig die Sauerstoff-Überdruckkammer in Düsseldorf zur Verfügung steht, die gerade einmal über zwei Plätze verfügt. „Dies alles ist uns als Ärzten nur zu bewusst, und wir sehen daher die CO-Pipeline als unverantwortliches Hochrisiko-Projekt an“, resümierte Arnold.
Dekkers focht das alles nicht an. BAYER hätte „große Sicherungsanstrengungen“ unternommen, versicherte er und strich noch einmal die Unerlässlichkeit des Projekts nicht nur für den Konzern, sondern für die ganze verarbeitende Industrie und gar den Standort NRW im Allgemeinen heraus. Damit nicht genug, nutze die Pipeline nicht nur der Ökonomie, auch ökologisch sei das Vorhaben, so Dekkers. Produzierte das Unternehmen das Kohlenmonoxid in Krefeld vor Ort mit einem Steam-Reformer, würden nämlich CO2-Emissionen entstehen, behauptete er scheinheilig. Warum der Bau trotz dieser Segnungen auf so viel Ablehnung stößt, kann der Niederländer folglich nicht verstehen, um so weniger, als der Global Player doch „von Beginn an einen intensiven Dialog“ mit den KritikerInnen gesucht habe.

Rechtsfreie BAYER-Räume
Was der BAYER-Chef wirklich über diese denkt, tat er fünf Wochen vor der Hauptversammlung in Düsseldorf vor der „Wirtschaftspublizistischen Vereinigung“ kund. Dort hatte er die GegnerInnen der Pipeline, des Kraftwerks Datteln und des „Stuttgart 21“-Projekts abschätzig als „aufgeklärte Wohlstandsbürger“ bezeichnet, die „beschlossene Projekte in Frage stellen“ und so einer standort-gefährdenden Technologie-Feindlichkeit Vorschub leisteten. Das veranlasste Claudia Baitinger vom BUND in Bezug auf den „Schwarzbau“ Datteln zu einer Richtigstellung: Nicht die „Wohlstandsbürger“ seien es, welche die Planungssicherheit gefährdeten, dafür sorge vielmehr die Politik selber mit ihren wirtschaftsfreundlichen Beschleunigungsgesetzen und Teilerrichtungsgenehmigungen. Und der Leverkusener Multi selber hilft der Umweltschützerin zufolge kräftig mit, rechtsfreie Räume zu schaffen. „Die Fragen nach Recht und Rechtssicherheit sind auch in einem Genehmigungsverfahren zu stellen, das von der ehemaligen BAYER-Tochterfirma H. C. STARCK in Laufenburg im Auftrag von BAYER zu Beginn diesen Jahres in Gang gesetzt wurde“, so Baitinger. Dort lief nämlich die Produktion der BAYTUBES-Nanoröhrchen bereits geschlagene sechs Jahre im Versuchsbetrieb, ehe sich der Betreiber bemüßigt fühlte, einen Antrag auf eine offizielle behördliche Zulassung zu stellen. Das wiegt nach Ansicht der ehemaligen Lehrerin umso schwerer, als von den auf winzig kleine Formate geschrumpften Kohlenstoffen eine Gesundheitsgefahr ausgeht. Während des Verfahrens dann zeigte sich der Konzern nicht verantwortungsvoller. So reichte er kurzerhand völlig neue Dokumente ein, als die vorgelegten Sicherheitsdatenblätter zu Unsicherheitsfaktoren mutierten. „Wenn sich nunmehr die dringlich herbeigesehnte Genehmigung in Laufenburg verzögert, weil das Freiburger Regierungspräsidium dem Braten offenbar nicht so richtig traut und sich noch ein Arbeitsschutzgutachten von unabhängiger Seite anfertigen lässt (...), so hat die Verzögerung nichts mit dem Widerstand ‚aufgeklärter Wohlstandsbürger’ zu tun, sondern schlicht mit einem unentschuldbaren Versäumnis des Antragstellers, der Firma BAYER“, resümierte Claudia Baitinger.
Unentschuldbare Versäumnisse mit tödlichem Ausgang thematisierte der Verfasser dieser Zeilen. Er setzte das Thema „Medikamenten-Versuche in Indien“ aus gegebenem Anlass wieder auf die Tagesordnung. Hatte der Redakteur von Stichwort BAYER 2010 vom Unternehmen Auskunft über die Zahl der bei den Klinischen Tests Gestorbenen und Geschädigten erbeten und zur Antwort erhalten, kein einziger Proband habe Gesundheitsstörungen erlitten, so konnte er den Vorstand nun der Falschaussage überführen. Der CBGler zitierte eine Untersuchung der indischen Regierung, wonach zwischen 2007 und 2010 138 Menschen bei den Arznei-Prüfungen von BAYER ihr Leben gelassen haben. Dekkers jedoch bestritt den Zusammenhang von Pharmazeutika-Nebenwirkungen und Tod. Da es sich bei den Testpersonen um zum Teil sehr kranke Risiko-PatientInnen handle, sei „die Mortalität grundsätzlich hoch“.
BAYERs Pharma-Sparte betrachtet Indien „als Ressource“. Als Absatz-Markt interessiert das Land den Multi wegen der geringen Kaufkraft der Bevölkerung hingegen bedeutend weniger. Deshalb bietet er beispielsweise sein Krebspräparat NEXAVAR nicht in ausreichenden Mengen und noch dazu mit 4.200 Euro pro Monat völlig überteuert an. Die Regierung hat daraus die Konsequenz gezogen, sich auf eine Schutz-Klausel im Patent-Abkommen TRIPS zu berufen und eine Zwangslizenz zu erteilen. Philipp Frisch von ÄRZTE OHNE GRENZEN begrüßte diese Entscheidung, das Patentrecht außer Kraft zu setzen und sah darin „ein wichtiges Signal“. „Damit hat die Behörde klar gemacht, dass Patentmonopole kein Freifahrtschein für überteuerte Preise sind“, erläuterte Frisch.
Marijn Dekkers möchte dieses Signal jedoch lieber überhören: „Sicher steht das indische Gesundheitssystem vor besonderen Herausforderungen, aber das hat nichts mit Patenten zu tun.“ Mit der Erteilung von Zwangslizenzen werde das Problem nicht gelöst, so der BAYER-Chef. Seiner Ansicht nach dient die Privatisierung von Wissen sogar dem öffentlichen Interesse, weil nur die Monopol-Gewinne Investitionen in Forschung & Entwicklung ermöglichten. Und den „besonderen Herausforderungen“ will der Pharma-Multi allein mit milden Gaben wie Hilfsprogrammen, die den Armen den Zugang zu Arzneimitteln erleichtern, begegnen. Ansonsten soll alles beim Alten bleiben. Deshalb kündigte Dekkers an, gegen das Votum des indischen Patentgerichtes Berufung einzulegen, was dann kurz nach der Hauptversammlung auch geschah.

BAYER bleibt stur
In Sachen „Tierversuche“ strebt der Agro-Riese ebenfalls keine Änderungen an. Christine Esch von PETA, die im letzten Jahr über Misshandlungen von Hunden und Katzen in BAYERs Auftragslabor PLRS berichtet hatte, fragte nach, welche Konsequenzen der Konzern aus den Vorfällen gezogen hat. „Da die Kontrollmechanismen ja im Fall des PLRS-Labores offensichtlich versagt haben: In welcher Weise wurden die Kontrollmodalitäten seitdem abgeändert?“, wollte die Tierärztin wissen. Aber Dekkers drückte sich um eine Antwort herum und sprach lediglich allgemein von der Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf. Arznei-Tests mit den Kreaturen hält der Chemiker bis auf Weiteres für unverzichtbar. Kaum tröstlich wirkten da seine Worte: „Das schließt die intensive Suche nach anderen Methoden nicht aus.“ Gefunden hat das Unternehmen dabei nämlich noch nie etwas. Und so hat BAYER die Tierversuche denn auch nicht drastisch reduziert, wie der Vorstandsvorsitzende Esch gegenüber behauptete, ihre Zahl stieg vielmehr von 192.412 im Jahr 2010 auf 199.636 im Jahr 2011.
Auch Philipp Mimkes von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) widmete sich dem Leid der Tiere. Er thematisierte die massenhafte Verwendung von BAYER-Antibiotika in der Massentierhaltung und nahm dabei auf eine Studie des Landes Nordrhein-Westfalen Bezug, derzufolge 90 Prozent aller Hühner in der „Genuss“ der Mittel kommen. Mit schwerwiegenden Folgen, wie der Physiker schilderte, denn durch die Dauergaben entwickeln die Krankheitserreger Resistenzen. Gelangen die Keime dann durch den Nahrungskreislauf in den menschlichen Organismus, können sie Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist. Dazu fiel Marijn Dekkers nicht viel ein. „Wenn Tiere erkranken, müssen sie behandelt werden, egal, wie sie gehalten werden“, meinte der Vorstandsvorsitzende und stritt im Übrigen einen großflächigen Einsatz des BAYER-Mittels BAYTRIL ab.
Die Antibiotika-Problematik machte jedoch nur einen Teil der Sammelklage aus, die der CBG-Geschäftsführer mit seinem Überblick über die gesamten BAYER-Aktivitäten schon fast traditionell in den Hauptversammlungen vorträgt. So befasste er sich außerdem noch mit dem Blutungen auslösenden Gerinnungshemmer XARELTO, dem sich immer wieder in konventionellen Handelssorten wiederfindenden Genreis der Marke LIBERTYLINK und den 64 hochgefährlichen Pestizide, welche das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK in den Beständen des Agro-Riesen identifiziert hat. Zudem setzte Mimkes die astronomischen Marketing-Ausgaben in Höhe von neun Milliarden Euro und die zahlreichen Forschungskooperationen mit Universitäten auf die Agenda. Und auch da konnte der Leverkusener Multi zu seiner Verteidigung nicht allzu viel vorbringen.

Konzernkritik + x
Zu allem Überfluss musste der Konzern sich darüber hinaus noch mit Gegen-RednerInnen auseinandersetzen, die sich nicht von vornherein den „Kritischen AktionärInnen“ zurechneten. Ramona Pisal vom DEUTSCHEN JURISTINNENBUND zeichnete ein trostloses Bild vom Stand der Gleichberechtigung bei BAYER, auf das keine einzige Vorstandsfrau und lediglich drei weibliche Aufsichtsratsmitglieder passen. Und Klaus Hebert-Okon von der alternativen Gewerkschaftsgruppe BELEGSCHAFTSTEAM rechnete der Hauptversammlung einmal haarklein vor, welche Einschnitte die Beschäftigten, denen Dekkers in seiner Rede für ihren Beitrag zum Erfolg des Unternehmens einen routinierten Dank abstattete, in der letzten Zeit hinzunehmen hatten. Einsparungen beim Bonus, Wegfall von Leistungen bei Dienstjubiläen, Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, Überarbeitung der Entgeltgruppen-Struktur, Wegfall von Leistungen für Neueingestellte, Wegfall der Kontoführungsgebühr, Kürzung von 3 Urlaubstagen für WechselschichtlerInnen und der Ausschluss der CURRENTA-Belegschaft aus der Standortsicherungsvereinbarung standen auf seiner langen Liste. Dann nahm Hebert-Okon, der auch Bezirksvorsitzender der Gewerkschaft VER.DI im Rhein-Wupper-Kreis ist, sich der KollegInnen der jüngst ausgegliederten IT-Sparte von BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) an. Er fragte, ob der Vorstandsvorsitzende diese Belegschaftsangehörigen ebenfalls in seinen Dank eingeschlossen hatte und was BAYER zu deren Absicherung zu tun gedenkt. Darauf blieb Dekkers jedoch eine Antwort schuldig. Er ließ sich lediglich die allgemein gehaltene Zusicherung entlocken, für die nicht mehr zum Unternehmen gehörenden Beschäftigten hätte der Multi Übergangsregelungen vereinbart.
So viel Kritik wie auf dieser Hauptversammlung hatte sich der Gen-Gigant noch niemals anhören müssen. Irgendwann wusste sich der Versammlungsleiter Manfred Schneider dann nicht mehr anders zu helfen, als die Redezeit auf fünf Minuten zu begrenzen. Aber auch diese Maßnahme schützte den Konzern nicht davor, die ur-kapitalistische Institution der AktionärInnen-Versammlung zu einer Anklagebank für eine nur der Profitjagd verpflichtete Geschäftspolitik umfunktioniert zu sehen.
Von Jan Pehrke

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 03/2012

CBG Redaktion

HV-Jubiläum der CBG

BAYER schafft Bannmeile

Zu ihrem 30-jährigen Hauptversammlungsjubiläum bot die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) so viele Konzern-KritikerInnen auf wie nie zuvor. Der Leverkusener Multi wappnete sich dagegen, indem er den Eingangsbereich der Kölner Messehallen weiträumig abschirmte. So ersparte er seinen AnteilseignerInnen die Konfrontation mit Medikamenten-Geschädigten, Bienenzüchtern, TierschützerInnen und anderen AktivistInnen. Im Saal selber gab es dann allerdings kein Entrinnen mehr: Die GegenrednerInnen dominierten das Aktionärs-Treffen.

Vor Beginn der BAYER-Hauptversammlungen in den Kölner Messehallen bot sich Jahr für Jahr das gleiche Bild: Die den Bussen entstiegenen AktionärInnen mussten sich den Weg in die heiligen Hallen des Profits durch einen Kordon von Konzern-Kritikern bahnen, die sie mit Transparenten, Flugblättern und politischen Aktionen empfingen. Das wollte der Leverkusener Multi ihnen dieses Mal ersparen. Er zog einen weiträumigen Bannkreis um den Eingangsbereich und chauffierte seine AnteilseignerInnen auf diese Weise unbehelligt von den ProtestlerInnen bis vor die Tür.

Allzu lange konnte der Leverkusener Multi sie allerdings nicht abschirmen, denn im Saal selber machten ihnen mit 20 GegenrednerInnen mehr Kritische Aktionärinnen und Aktionäre denn je ihre Aufwartung. Besonders die leibhaftige Konfrontation mit den Opfern, welche die gnadenlose Jagd nach Profit zwangsläufig produziert, dürfte den Aktien-Haltern einiges Unwohlsein bereitet haben. So berichtete etwa Monika Thinschmidt über ihre Qualen nach dem Einsetzen von BAYERs Hormonspirale MIRENA. „Die kommenden fünfeinhalb Monate sollten mich bis dato prägen. Meine Beschwerden waren: nächtliche Schweißausbrüche, Herzrasen, Unruhe, Schlaflosigkeit, permanente Bauchkrämpfe und Oberbauchschmerzen.“ Zudem klagte sie über Brustknoten, eine Eierstock-Zyste als Tumorvorstufe, Libido-Verlust und eine verfrühte Menopause. Und damit ist sie beileibe nicht die Einzige. Die Frau zitierte eine Untersuchung des Frauengesundheitszentrums Graz, wonach 96 Prozent der Teilnehmerinnen Gegenanzeigen schilderten, über die sich die bunten Werbe-Broschüren ausschwiegen. „Sie bringen also ein unsicheres Produkt auf den Markt, informieren falsch, unzureichend und zu spät (...) Sie gefährden damit die Gesundheit von vielen Millionen Frauen weltweit. Sie streichen die Profite ein und sind nach meiner Einschätzung deshalb auch haftbar“, resümierte Thinschmidt.

Auch Geschädigte des hormonellen Schwangerschaftstests DUOGYNON, den die heute zu BAYER gehörende Firma SCHERING bis Mitte der 1970er Jahre hinein vermarktete, gingen ans Mikrofon. „Ich wurde im Juni 1976 mit einer Schädigung an beiden Armen geboren“, legte Silke Ehrenberg dar und erzählte von ihrem Martyrium mit Krankengymnastik ab dem Alter von sechs Wochen, häufigen Operationen und Folge-Erkrankungen. Hinzu traten noch die seelischen Schmerzen: „Ich bin anders, und das bekam ich ständig und überall zu spüren.“ Es war ein langer Prozess, bis die 36-Jährige sich so annehmen konnte, wie sie ist. Und er ist noch immer nicht abgeschlossen. „Dies heute und hier ist für mich ein weiterer Schritt, zu mir zu stehen. Zu sagen: Ich lebe mit einer Behinderung“, betonte sie deshalb. Immer wieder trieb die 36-Jährige die Frage um, woher ihre Behinderung rühre. Auf die Antwort stieß sie erst vor zweieinhalb Jahren. Da wurde sie auf Andre Sommer aufmerksam, den Gründer einer Initiative DUOGYNON-Geschädigter, der im letzten Jahr auf der Hauptversammlung gesprochen hatte und schon lange mit der CBG kooperiert. Seither kennt sie die Ursache ihrer Leiden. Die Erzieherin will aber ebenso wie Sommer mehr wissen und fordert BAYER zur Offenlegung interner Dokumente über den Zusammenhang von DUOGYNON und den Fehlbildungen auf. Ein Gericht in Berlin wies diesen Anspruch jedoch zurück. „Die Aussage, die Angelegenheit DUOGYNON sei verjährt, ist ein Schlag ins Gesicht aller Betroffenen. Ich stehe hier heute vor ihnen und lebe damit. Von Verjährung keine Spur“, so Ehrenberg.

Auch die extra aus England angereiste Valerie Williams, deren Sohn durch den in ihrer Heimat unter dem Namen PRIMODOS angebotenen Schwangerschaftstest stark gehandicapt zur Welt kam, verlangte den Zugang zum Firmen-Archiv. Die bislang bekannt gewordenen Unterlagen belegen nämlich eindeutig: Der SCHERING-Konzern wusste, was er tat. „1969 schrieb SCHERING, heute BAYER SCHERING, dem Britischen Ausschuss für Sicherheit und Medizin, dass PRIMODOS wegen der hohen Rate von Fehlgeburten bei einer Studie mit Ratten zurückgezogen würde“, referierte Williams und fragte dann: „Welche Gründe hatten Sie, PRIMODOS weiter herzustellen?“ Die Antwort darauf gab Gisela Clerc, ebenfalls Mutter eines DUOGYNON-Opfers. Finanzielle Erwägungen ließen ihrer Ansicht nach das Unternehmen an dem Produkt festhalten. DUOGYNON habe BAYER „viel Geld, den Kindern viel Schmerz und den Eltern viel Leid“ gebracht, fasste sie den Fall zusammen.

BAYER-Chef Marijn Dekkers zeigte sich ungerührt von den Leidensgeschichten und holte die Textbausteine von der letzten Hauptversammlung wieder hervor. „Wir haben schon mehrfach betont, dass wir ihr Schicksal bedauern und dass wir die Suche nach den Ursachen verstehen“, antwortete er den DUOGYNON-Geschädigten, um dann unmissverständlich die Konzern-Sicht darzulegen, wonach es keinen Zusammenhang zwischen dem Schwangerschaftstest und den Fehlbildungen gebe. Zur Hormonspirale MIRENA stand er gleichfalls in Treue fest. Sie werde seit 22 Jahren von 20 Millionen zufriedener Frauen angewendet und weise kein erhöhtes Brustkrebsrisiko auf, so Dekkers. Auch die Gefahr, eine Eileiter-Schwangerschaft zu erleiden, sei verschwindend gering, führte er weiter aus. „Es kann (...) jede Arznei unerwünschte Nebenwirkungen haben“, räumte der Vorstandsvorsitzende dann zwar ein, aber die seien ja auf dem Beipackzettel aufgeführt, womit er den Konzern – geschützt vor juristischen Ansprüchen – auf der sicheren Seite wähnte.

Die Verhütungsmittel des Pharma-Riesen mit dem Wirkstoff Drospirenon, die zahlreiche, zum teil tödlich verlaufende Thrombo-Embolien verursacht hatten, verteidigte der Ober-BAYER ebenfalls. „Wir sind vom Risiko-Profil Drospirenons überzeugt“, hielt er dem Rechtsanwalt Martin Jensch entgegen, der im Namen der betroffenen Frauen der SELBSTHILFEGRUPPE DROSPIRENON-GESCHÄDIGTER gesprochen hatte. Nicht einmal die nunmehr ausdrücklich auf das Risiko „Embolie“ aufmerksam machenden Warnhinweise auf den Packungen und die Zahlungen von 142 Millionen Dollar an US-amerikanischen Klägerinnen galten ihm als Schuld-Eingeständnis. Und einen Imperativ, ähnlich mit bundesdeutschen Geschädigten umzugehen, wollte er daraus schon einmal gar nicht ableiten. Die Zahlungen seien der Besonderheit des Rechtssystems in den USA geschuldet, erklärte Dekkers.

Diese Besonderheit lenkte sogar die Aufmerksamkeit der sonst nur auf ihre Dividende fixierten AktionärInnen-Vertreter einmal auf die Nebenwirkungen der Konzern-Präparate. „Das ist kein Gerinnsel, das ist ein Risiko“, konstatierte Hans-Martin Buhlmann von der „Vereinigung institutioneller Privatanleger“. Und sein Kollege Marc Tüngler von der „Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz“ fragte in Anspielung auf den unseligen BAYER-Cholesterinsenker, der das Leben von mehr als hundert Menschen gekostet hatte und den Konzern zu Schadensersatz-Zahlungen in Höhe von über einer Milliarde Dollar zwang: „Ist das LIPOBAY II?“

Das Geschäft mit den Pillen rief jedoch noch mehr GegenrednerInnen auf den Plan. Philipp Frisch von ÄRZTE OHNE GRENZEN befasste sich mit BAYERs Pharma-Patenten, die dem Konzern Monopol-Einnahmen sichern und Menschen in den ärmeren Ländern den Zugang zu einer erschwinglichen Versorgung mit Pharmazeutika versperren. So kostet das Krebspräparat NEXAVAR in Indien 5.500 Dollar pro Monat, weshalb Frisch die Entscheidung der indischen Regierung begrüßte, den Schutz des geistigen Eigentums für das Mittel unter Berufung auf den Ausnahme-Paragraphen im TRIPS-Handelsabkommen aufzuheben und eine Zwangslizenz zu erteilen. Der Verfasser dieser Zeilen wandte sich ebenfalls dem südasiatischen Land zu und machte auf den Skandal aufmerksam, dass dort von 2007 bis 2010 138 Menschen während der Klinischen Tests von Medikamenten des Global Players starben. Die Tierärztin Dr. Christine Esch von PETA DEUTSCHLAND schließlich widmete sich dem Leid der Tiere, die in den Arznei-Laboren des Unternehmens oder seiner Vertragspartner ihr Leben lassen, noch dazu, ohne valide Erkenntnisse zu produzieren, wie die vielen unerwünschten Pillen-Folgen zeigen.

Aber nicht nur der Pharmazeutika-Entwickung fallen Kreaturen zum Opfer, auch die Agrochemikalien des Leverkusener Multis fordern ihren Tribut. Sie sorgten in den vergangenen Jahren für das Verenden von Millionen Bienenvölkern. Deshalb sind ImkerInnen bereits seit langem Stammgäste auf der Hauptversammlung. „Der Mais kommt, die Bienen gehen“, so beschrieb Christoph Koch vom DEUTSCHEN BERUFS- UND ERWERBSIMKERBUNDES die fatale Wirkung der auf den Feldern nicht nur dieser Ackerfrüchte eingesetzten BAYER-Produkte. Sein Kollege Holger Nettler bezeichnete das Mantra des Konzerns, bei sachgemäßer Anwendung seiner Pestizide und Saatgut-Beizen träten keine Beeinträchtigungen der Bienen auf, als „Augenwischerei“. Dem schloss sich Roland Netter an, sich dabei auf eigene Erfahrungen berufend. Er nahm nämlich an dem Projekt „Melissa“ teil, das die Effekte der Pestizide auf Bienen unter Berücksichtigung aller Schutzmaßnahmen untersuchte. Ergebnis: Die gemessenen Ackergift-Werte lagen sogar noch über denen des fatalen, von BAYER als „Unfall“ bezeichneten Bienensterbens in Baden-Württemberg 2008. Darum schloss sich Roland Netter dem Vorstoß der CBG an, Vorstand und Aufsichtsrat auch wegen des Bienensterbens nicht zu entlasten: „Wir Imker aus Österreich unterstützen den Gegenantrag der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN.“ Der BAYER-Chef ließ sich jedoch von alldem nicht beeindrucken und sprach GAUCHO & Co. von jedem Verdacht frei. „Die Gründe für den in einigen Ländern beobachteten Rückgang der Bienenvölker sind vielschichtig. Die Hypothese, dass Saatgut-Beizungen dazu gehören, wird durch eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen widerlegt“, antwortete er den Imkern.

Ähnlich ignorant zeigte sich Marijn Dekkers den Konzern-KritikerInnen gegenüber, die weitere Risiken und Nebenwirkungen der Profit-Jagd auf die Tagesordnung setzten. Dieter Donner von STOPP-BAYER-CO-PIPELINE und Dr. Gottfried Arnold von ÄRZTE GEGEN DIE CO-PIPELINE warnten einmal mehr vor der Inbetriebnahme der Kohlenmonoxid-Leitung von Dormagen nach Krefeld, Friedhelm Meyer von SOLIDARISCHE KIRCHE zeigte die Problematik der in vielen Alltagsgegenständen auftauchenden Industrie-Chemikalie Bisphenol A auf und Claudia Baitinger vom BUND beschäftigte sich mit der neuesten Gefahren-Quelle aus dem Hause BAYER, der Nano-Technik. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes schließlich vervollständigte die Liste, indem er das Gefährdungspotenzial von Tier-Antibiotika, des Gerinnungshemmers XARELTO und des LIBERTYLINK-Genreises darstellte. Zudem verlangte er abermals Auskunft über die Marketing-Ausgaben und den vom Unternehmen mit der Universität Köln geschlossenen Kooperationsvertrag.

Der CBGler Axel Köhler-Schnura schließlich ergänzte dieses neue „Schwarzbuch BAYER“ aus gegebenem Anlass um die historische Dimension. Er beging im Kölner Messe-Saal nämlich nicht nur das 30-jährige Betriebsjubiläum der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den Hauptversammlungen des Konzerns, sondern verabschiedete auch den Aufsichtsrats- und ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Manfred Schneider. Während jedoch dessen Aufsichtsratskollege Paul Achleitner Schneider als „BAYER-Urgestein“ titulierte, das immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort und ein „höchst aktiver Lotse für das Unternehmen“ gewesen sei, sah der Rückblick Köhler-Schnuras etwas anders aus. „Herr Schneider und ich, wir stehen auf verschiedenen Seiten, wir spielen in verschiedenen Mannschaften. Sie, Herr Schneider, sagen: ‚Wir sind auf Profit aus. Das ist unser Job.’ Ich sage, um in Ihrer Wortwahl zu bleiben: ‚Ich bin auf demokratische Konzern-Kontrolle aus. Das ist mein Job.’ Und dann stellte er die Negativ-Bilanz von dessen Amtszeit vor. Der Aktivist erinnerte noch einmal an den LIPOBAY-Skandal, die Farce um die Entschädigungen der ZwangsarbeiterInnen der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, das gebrochene Versprechen, bis zum Jahr 2000 sämtliche hochgefährlichen Pestizide der Klasse I vom Markt zu nehmen und den Coup, mit Heribert Zitzelsberger den Steuer-Chef des Konzerns ins Finanzministerium einzuschleusen. Das alles kam dann in dem „Geschenk“ zum Ausdruck, das der Diplom-Kaufmann dem Manager abschließend darbot: ein schwarzes Holzkreuz. „Es ist eines der Kreuze, das wir in den letzten 35 Jahren bei vielen unserer Protest-Aktionen zum Gedenken an die vielen Opfer der BAYER-Produkte und der Vernichtung der tausenden von Arbeitsplätzen bei BAYER eingesetzt haben“, erläuterte Axel Köhler-Schnura, „Möge es Ihnen Erinnerung und Mahnung zugleich sein.“ Doch der Konzern verweigerte die Annahme. Er sah darin einen Missbrauch christlicher Symbole. Auch mit dem Redebeitrag des CBG-Vorstandsmitglieds mochte das Unternehmen sich nicht so recht anfreunden. „Wir spielen nicht nur in unterschiedlichen Mannschaften, wir sind auch in unterschiedlichen Ligen. Wir stehen unverbrüchlich zur parlamentarischen Demokratie und zur sozialen Marktwirtschaft. Wir wissen, dass Sie da ganz andere Ansichten haben“, beschied ihm Dekkers.

Wie unverbrüchlich der Multi zu demokratischen Werten steht, das hatte am Morgen die Einrichtung der Bannmeile gezeigt und im Laufe des Tages die Ignoranz, die er den – die überwältigende Mehrheit der RednerInnen stellenden – KritikerInnen entgegenbrachte. Entsprechend schlecht für den Chemie-Riesen fiel deshalb das Urteil der Presse aus. „Zwischen Jubel und Tribunal“ überschrieb etwa die Westdeutsche Zeitung ihren Bericht, „Noch mehr Ärger mit der Pille“ titelte der Tagesspiegel, „Kleinkrieg mit den Kritikern“ der Kölner Stadtanzeiger und „Die Störenfriede“ die Frankfurter Rundschau. Von Jan Pehrke

[HV Bericht] Bayer HV 2012

CBG Redaktion

BAYER-HV 2012 im Zeichen der Kritik

Demonstration vor dem Saal / 20 Redebeiträge von Kritischen AktionärInnen / Ein etwas anderes BAYER-Kreuz als Abschiedsgeschenk der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) für Dr. Manfred Schneider (Vorstandsvorsitzender 1992 bis 2002, danach Aufsichtsratsvorsitzender bis 2012)

Am 27. April 2012 hat BAYER dafür Sorge getragen, dass die etwa 3 Tsd. nach Köln anreisenden BAYER-AktionärInnen keinen Kontakt mit den zahlreich vor der Hauptversammlung demonstrierenden KritikerInnen hatten: Der Konzern hat das Areal großräumig mit Sperrgittern umzäunt, die Busse mit den AktionärInnen fuhren durch spezielle Einlässe, die DemonstrantInnen mussten draußen bleiben. Einmal mehr stellte der Konzern sein mangelndes Demokratie-Verständnis unter Beweis, er sperrte Kritik kurzerhand aus.

Das änderte jedoch nichts daran, dass deutlich wurde, dass der Konzern massiv im Kreuzfeuer umfangreicher Kritik steht. Die Presse titelte „BAYER: Zwischen Jubel und Tribunal“.

Bei den Protesten vor dem Saal ging es um tödliche Menschenversuche, Arbeitsplatzvernichtung, gefährliche Medikamente mit tödlichen Risiken, Nanotechnik, verweigerte Entschädigungen für die Opfer von BAYER-Pharmazeutika, die ultragefährliche CO-Pipeline durch
dichtbesiedelte Ballungsgebiete, millionenfache Tierversuche und immer wieder um das weltweite Bienensterben durch BAYER-Gifte, das die Lebensgrundlagen der Menschheit in Gefahr bringt. Zu den Protesten waren auf Einladung der CBG Imker aus Österreich und andere Gäste aus dem In- und Ausland angereist.

Im Saal sprachen 28 RednerInnen, 20 davon waren Kritische AktionärInnen. Und selbst von den VertreterInnen der Aktionärsgemeinschaften kamen hartnäckige Fragen zu den von der CBG und deren Gästen angesprochenen Themen. Die Versammlungsleitung reagierte darauf, indem sie nach dem ersten Frageblock die Redezeit kurzerhand von 10 auf 5 Minuten reduzierte.

Nachdem BAYER-Chef Dekkers zu Beginn der Veranstaltung noch versuchte, Stimmung gegen die CBG und ihre Gegenanträge zu machen, reagierte er schließlich auf die erdrückenden Argumente und Fakten der GegenrednerInnennur noch stereotyp mit ausweichenden und verharmlosenden Stellungnahmen. Insbesondere den Opfern wie etwa den Medikamentengeschädigten gegenüber zeigte sich Dekkers kalt. Zwar betonte er, dass ihm die Schicksale sehr zu Herzen gingen, er leugnete aber nicht nur jede BAYER-Verantwortung für die Todesfälle und die zahllosen lebensbedrohlichen Gesundheitsschäden durch Menschenversuche und BAYER-Medikamente, sondern bezeichnete die BAYER-Produkte weiterhin sogar als „sicher“ und weigerte sich, diese vom Markt zu nehmen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren vertrat erneut zusammen mit dem Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre rund 40 Tsd. Aktien im Börsenwert von etwa 2,2 Mio. Euro. Bei den Abstimmungen stimmten stets sehr viel mehr Aktien mit Nein, als die CBG zur HV mitgebracht hatte. Selbst bei der Dividende waren es weit über 100 Tsd. Aktien. Bei der Entlastung von Aufsichtsrat und Vorstand kamen sogar rd. 1,6 Mio. Stimmen hinzu. Bei den Wahlen zum Aufsichtsrat stimmten im Fall des ehemaligen BAYER-Chefs Werner Wenning, den der Konzern nun zum Aufsichtsratsvorsitzenden machte, 12,9 und im Fall von Dr. Kleinfeld, dem ehemaligen SIEMENS-Boss, sogar 33,4 Mio. Stimmen mit Nein.
Dabei ist zu beachten, dass BAYER die Enthaltungen komplett unter den Tisch fallen lässt. Sie werden einfach nicht angegeben. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass das durchaus mehrere Prozent sein können.

Damit es keine Missverständnisse gibt: Auf der HV waren ca. 450 Mio. Stimmen vertreten (von insgesamt ca. 833 Mio. Stimmen). Die GroßaktionärInnen, die sogenannten Investoren, haben mit ihren Multimillionen Stimmen stets für satte Mehrheiten von weit über 90 Prozent gesorgt.

Die Hauptversammlung 2012 war eine besondere: Sie verabschiedete den langjährigen Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Manfred Schneider, der von BAYER und den Medien als ökonomischer Superstar gehandelt wird. 38 Jahre im Konzern, prägte er 20 Jahre lang das Unternehmen an der Spitze des Konzerns. Als „ungekrönter König der Deutschland AG“ galt er lange Zeit als „mächtigster Mann Deutschlands“ (manager magazin).

Die CBG würdigte seinen Abgang auf ihre Art: Sie überreichte ihm zum Abschied „ein etwas anderes BAYER-Kreuz“, eines der Kreuze, die sie bei den Protesten in Gedenken an die zahllosen Opfer der BAYER-Produkte und der Arbeitsplatzvernichtung durch das Unternehmen eingesetzt hat. Allerdings war der Redebeitrag von Köhler-Schnura von der BAYER-Regie nahezu auf das Ende der HV gelegt worden, so dass die Medien die alternative Würdigung von Herrn Schneider nicht mehr vor Redaktionsschluss zur Kenntnis nehmen konnten.

[Aktionsbericht] Bayer HV 2012

CBG Redaktion

Aktionsbericht zur Hauptversammlung des BAYER-Konzerns

Freitag, 27. April 2012 - 08.00 Uhr bis ca. 18.00 Uhr

BAYER-HV 2012 im Zeichen der Kritik

Demonstration vor dem Saal / 20 Redebeiträge von Kritischen AktionärInnen / Ein etwas anderes BAYER-Kreuz als Abschiedsgeschenk der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) für Dr. Manfred Schneider (Vorstandsvorsitzender 1992 bis 2002, danach Aufsichtsratsvorsitzender bis 2012)

Am 27. April 2012 hat BAYER dafür Sorge getragen, dass die etwa 3 Tsd. nach Köln anreisenden BAYER-AktionärInnen keinen Kontakt mit den zahlreich vor der Hauptversammlung demonstrierenden KritikerInnen hatten: Der Konzern hat das Areal großräumig mit Sperrgittern umzäunt, die Busse mit den AktionärInnen fuhren durch spezielle Einlässe, die DemonstrantInnen mussten draußen bleiben. Einmal mehr stellte der Konzern sein mangelndes Demokratie-Verständnis unter Beweis, er sperrte Kritik kurzerhand aus.

Das änderte jedoch nichts daran, dass deutlich wurde, dass der Konzern massiv im Kreuzfeuer umfangreicher Kritik steht. Die Presse titelte „BAYER: Zwischen Jubel und Tribunal“.

Bei den Protesten vor dem Saal ging es um tödliche Menschenversuche, Arbeitsplatzvernichtung, gefährliche Medikamente mit tödlichen Risiken, Nanotechnik, verweigerte Entschädigungen für die Opfer von BAYER-Pharmazeutika, die ultragefährliche CO-Pipeline durch dichtbesiedelte Ballungsgebiete, millionenfache Tierversuche und immer wieder um das weltweite Bienensterben durch BAYER-Gifte, das die Lebensgrundlagen der Menschheit in Gefahr bringt. Zu den Protesten waren auf Einladung der CBG Imker aus Österreich und andere Gäste aus dem In- und Ausland angereist.

Im Saal sprachen 28 RednerInnen, 20 davon waren Kritische AktionärInnen. Und selbst von den VertreterInnen der Aktionärsgemeinschaften kamen hartnäckige Fragen zu den von der CBG und deren Gästen angesprochenen Themen. Die Versammlungsleitung reagierte darauf, indem sie nach dem ersten Frageblock die Redezeit kurzerhand von 10 auf 5 Minuten reduzierte.

Nachdem BAYER-Chef Dekkers zu Beginn der Veranstaltung noch versuchte, Stimmung gegen die CBG und ihre Gegenanträge zu machen, reagierte er schließlich auf die erdrückenden Argumente und Fakten der GegenrednerInnennur noch stereotyp mit ausweichenden und verharmlosenden Stellungnahmen. Insbesondere den Opfern wie etwa den Medikamentengeschädigten gegenüber zeigte sich Dekkers kalt. Zwar betonte er, dass ihm die Schicksale sehr zu Herzen gingen, er leugnete aber nicht nur jede BAYER-Verantwortung für die Todesfälle und die zahllosen lebensbedrohlichen Gesundheitsschäden durch Menschenversuche und BAYER-Medikamente, sondern bezeichnete die BAYER-Produkte weiterhin sogar als „sicher“ und weigerte sich, diese vom Markt zu nehmen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren vertrat erneut zusammen mit dem Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre rund 40 Tsd. Aktien im Börsenwert von etwa 2,2 Mio. Euro. Bei den Abstimmungen stimmten stets sehr viel mehr Aktien mit Nein, als die CBG zur HV mitgebracht hatte. Selbst bei der Dividende waren es weit über 100 Tsd. Aktien. Bei der Entlastung von Aufsichtsrat und Vorstand kamen sogar rd. 1,6 Mio. Stimmen hinzu. Bei den Wahlen zum Aufsichtsrat stimmten im Fall des ehemaligen BAYER-Chefs Werner Wenning, den der Konzern nun zum Aufsichtsratsvorsitzenden machte, 12,9 und im Fall von Dr. Kleinfeld, dem ehemaligen SIEMENS-Boss, sogar 33,4 Mio. Stimmen mit Nein.

Dabei ist zu beachten, dass BAYER die Enthaltungen komplett unter den Tisch fallen lässt. Sie werden einfach nicht angegeben. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass das durchaus mehrere Prozent sein können.

Damit es keine Missverständnisse gibt: Auf der HV waren ca. 450 Mio. Stimmen vertreten (von insgesamt ca. 833 Mio. Stimmen). Die GroßaktionärInnen, die sogenannten Investoren, haben mit ihren Multimillionen Stimmen stets für satte Mehrheiten von weit über 90 Prozent gesorgt.

Die Hauptversammlung 2012 war eine besondere: Sie verabschiedete den langjährigen Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Manfred Schneider, der von BAYER und den Medien als ökonomischer Superstar gehandelt wird. 38 Jahre im Konzern, prägte er 20 Jahre lang das Unternehmen an der Spitze des Konzerns. Als „ungekrönter König der Deutschland AG“ galt er lange Zeit als „mächtigster Manager Deutschlands“ (manager magazin).

Die CBG würdigte seinen Abgang auf ihre Art: Sie überreichte ihm zum Abschied „ein etwas anderes BAYER-Kreuz“, eines der Kreuze, die sie bei den Protesten in Gedenken an die zahllosen Opfer der BAYER-Produkte und der Arbeitsplatzvernichtung durch das Unternehmen eingesetzt hat. Allerdings war der Redebeitrag von Köhler-Schnura von der BAYER-Regie nahezu auf das Ende der HV gelegt worden, so dass die Medien die alternative Würdigung von Herrn Schneider nicht mehr vor Redaktionsschluss zur Kenntnis nehmen konnten.
Weitere Reden, Aktionsfotos und Infos: www.CBGnetwork.org

[Pipeline] Bayer Hauptversammlung

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 24. April 2012

STOPP-CO-PIPELINE - Initiative vor und auf der Bayer-Aktionärsversammlung

Am Freitag, 27. April 2012 um 10:00 Uhr, Congress-Centrum Koelnmesse, Eingang Nord, Halle 7, Deutz-Mülheimer-Straße 111, 50679 Köln startet die diesjährige Aktionärsversammlung.

Bayer-Chef Dekkers hatte im Vorfeld ja selbst schon Skepsis hinsichtlich der CO-Pipeline erkennen lassen. Jetzt muss er seinen Aktionären erklären, weshalb er bis heute das „Pleiten-Pech und Pannen-Projekt“ auch nach dem Verdikt „Rechtswidrig“ des Verwaltungsgericht Düsseldorf im Mai letzten Jahres dennoch weiterpropagiert.

Zumal Bayer auch verzweifelt versucht, den Protest der über 400 Ärzte einzufangen, um nicht noch mehr an Imageverlust einzugrenzen.

Die Initiative „Stopp Bayer-CO-Pipeline“ wird vor der Versammlung - etwa ab 9 Uhr – die Aktionäre in einem neuen Flyer über die lange und für Bayer verlustreiche Geschichte dieses Projektes informieren.

Auch für diese Versammlung haben wir wieder den Auftrag von langjährigen, treuen Bayer-Aktionären erhalten, deren Rederecht wahrzunehmen und den Aktionären die ganze Wahrheit vorzustellen. So auch über die geplante Vorratsbestellung des CO-Pipeline-Großvaters Werner Wenning, der jetzt in den Aufsichtrat einrücken soll. Freuen Sie sich auf eine spannende Aktionärsversammlung.

alle Infos zur Hauptversammlung

[30 Jahre] Bayer Hauptversammlung

CBG Redaktion

Presse Info vom 19. April 2012
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

BAYER: 30 Jahre Kritische Aktionäre

erste Kritische Aktionärsgruppe in Deutschland / Protestaktion zu BAYER-Hauptversammlung am 27. April / Glückwunsch von Nina Hagen

Seit 30 Jahren protestieren Kritische Aktionäre in den Hauptversammlungen der BAYER AG gegen die Kehrseiten der Geschäftspolitik des Konzerns. 1982 hatten Mitglieder der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) erstmals in der Versammlung das Wort ergriffen. Zum Aktionärstreffen am 27. April in Köln reichte die CBG nun erneut Gegenanträge ein, diese wurden auf der BAYER-website veröffentlicht.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren war die erste Organisation, die Vorstand und Aktionäre eines deutschen Konzerns direkt mit Kritik konfrontierte. Mittlerweile gibt es bei rund 25 Unternehmen Kritische Aktionäre.

Axel Köhler-Schnura, Vorstands- und Gründungsmitglied der CBG: „Als wir vor 30 Jahren das erste Mal in der BAYER-Hauptversammlung auftraten, gerieten die Verantwortlichen geradezu aus dem Häuschen. Nie zuvor war die heilige Profitruhe einer Aktionärsversammlung derart gestört worden. Noch nie hatte jemand gewagt, den „Rat der Götter“ in der Öffentlichkeit derart zu kritisieren. Die mit den Profiten verbundenen Verbrechen kommen seitdem Jahr für Jahr auf die Tagesordnung. Faktenreich, konkret und fundiert.“

Die Rockmusikerin Nina Hagen, Förderin der Coordination, gratuliert zum Jubiläum: „Viele herzliche Glück- und Segenswünsche an alle Freunde und Mitstreiter der Coordination gegen BAYER-Gefahren zum 30-jährigen Hauptversammlungs-Jubiläum! Ich bewundere und unterstütze Euch von ganzem Herzen, frei nach dem Motto: The People United Will Never Be Defeated.“

Schwerpunkte der Protestaktion in diesem Jahr sind tödliche Pharma-Studien in Indien, der Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung, Risiken von Antibabypillen, die geplante CO-Pipeline quer durch NRW, Fehlbildungen durch den hormonalen Schwangerschafts-Test Duogynon und Bienensterben durch BAYER-Pestizide. Zu den Aktionen vor den Kölner Messehallen werden Umweltaktivisten aus dem In- und Ausland erwartet. Rund fünfzehn Kritikerinnen und Kritiker werden in der Versammlung das Wort ergreifen, darunter Vertreter des BUND und von Ärzte ohne Grenzen.

Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre: „Keine Nichtregierungsorganisation beschäftigt sich so intensiv mit den Machenschaften eines einzelnen Konzerns wie die Coordination gegen BAYER-Gefahren. Seit drei Jahrzehnten wird die Hauptversammlung für den BAYER-Vorstand dadurch zum Ärgernis. Ich wünsche unserer Mitgliedsorganisation viel Erfolg für die nächsten 30 Jahre!„. Die CBG gehörte vor 25 Jahren zu den Gründern des Dachverbands.

Axel Köhler-Schnura abschließend: „BAYER hat seit unserem ersten Besuch der Hauptversammlung alles versucht, uns loszuwerden: Einschüchterung, abgestellte Mikrofone, Bespitzelung, Diffamierung, Prozesse, Einsatz des Werkschutzes. Ohne Erfolg. Die RednerInnen der Coordination gegen BAYER-Gefahren enthüllen auf den Hauptversammlungen des Konzerns Jahr für Jahr die Kehrseite der Profite: Ausbeutung und Umweltzerstörung, Verbrechen an Mensch und Umwelt. Und benennen die Verantwortlichen im Vorstand.“

Alle Infos zu Kritischen Aktionären bei BAYER

[CO Pipeline] STICHWORT BAYER 02/2012

CBG Redaktion

Die Pipeline-Streitsache

BAYERs Rohrkrepierer

Seit sechs Jahren schwellt nun schon der Streit um die Pipeline, die BAYER zwischen Dormagen und Krefeld in Betrieb nehmen will. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Von Uwe Koopmann

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zeigt in seiner Terminvorschau für den Februar 2012 einen vollen Sitzungskalender für öffentliche Verhandlungen. BAYER, die CO-Pipeline und Bauer Muhr werden allerdings am Münsteraner Aegidienkirchplatz 5 in noch nicht erwartet. Eine genaue Auskunft über das Datum für die Entscheidung in Sachen „Kohlenmonoxid-Rohrleitung“ vermochten weder Dr. Ulrich Lau, Vorsitzender Richter am OVG Münster noch Michael Schlösser, Leitung Externe Kommunikation bei BAYER MATERIALSCIENCE AG in Leverkusen, zu geben. Dabei zieht sich die juristische Auseinandersetzung inzwischen schon über sechs Jahre hin. „Die Sache ist noch lange nicht ausgeschrieben. Bislang liegen lediglich die Berufungsbegründungen der Beteiligten vor. Stellungnahmen dazu stehen noch aus. Damit ist das Verfahren noch nicht entscheidungsreif und eine Terminierung derzeit nicht absehbar“, antwortete Lau auf eine entsprechende SWB-Nachfrage. Für BAYER ist das eine verlorene Zeit. Alles hätte – Time to Market – noch schneller und noch kostengünstiger laufen können. Wären da nicht die vielen engagierten Leute, die ebenfalls seit Jahren gegen die Inbetriebnahme der hochgiftigen CO-Pipeline des Konzerns kämpfen.

Wie alles anfing
Den Startschuss für die Pipeline gab der 15. März 2006, als das „Rohrleitungsgesetz“ im Plenum des NRW-Landtages ohne Aussprache beschlossen wurde. Das ging so glatt über die Bühne, weil schon zuvor der Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie eine zustimmende Empfehlung ausgesprochen hatte. In den Umweltausschuss brachten CDU und FDP den Gesetzentwurf erst gar nicht ein. Und dem Plenarsaal präsentierten sie ihn am 16. März unter dem irreführenden Titel: „Flüssiggas als Chance für mehr Versorgungssicherheit und Wettbewerb im Gasmarkt. Flüssiggas als Chance für mehr Versorgungssicherheit und Wettbewerb im Gasmarkt“. Auch die spätere Bezeichnung des Paragrafen-Werks trug nichts zur Erhellung bei: „Gesetz über die Errichtung und den Betrieb einer Rohrleitungsanlage zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen“.

Die partielle Blindheit der Landtagsabgeordneten oder potentielle Verblödung angesichts des harmlos erscheinenden Rohrleitungsgesetzes erklärt sich vielleicht auch etwas, wenn die „Geburtsstunde“ des Gesetzes in den Blick gerät. In dem Zusammenhang taucht die Frage auf, ob das Gesetz nach den Regeln der Geschäftsordnung des Landtages überhaupt hätte verabschiedet werden dürfen. Der Paragraph 39 hängt die Latte hoch: „Der Landtag ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der gesetzlichen Mitgliederzahl anwesend ist“. Aus heutiger Sicht ist es strittig, ob genug Abgeordnete im Saal waren. Das jedoch thematisierte während der Sitzung niemand, weshalb keine Ahndung erfolgte. Es hätte allerdings auch eine schnelle Reaktion sein müssen: „Die Beschlussfähigkeit des Hauses kann nur unmittelbar vor (Hervorhebung d. V.) einer Abstimmung angezweifelt werden.“ Nach der Abstimmung – oder heute – sind die Zweifel nicht mehr rechtswirksam. Es stellt sich trotzdem die Frage, warum kein einziger der späteren KritikerInnen der CO-Pipeline erklärt hat: „Aber hallo, der Saal ist ja mehr als nur halb leer!“ In diesem Fall hätte sich allerdings der zweite Notausgang geöffnet: „Wird die Plenarsitzung wegen Beschlussunfähigkeit aufgehoben, so wird die Abstimmung zu Beginn der nächsten Sitzung nachgeholt.“

Die ProtokollantInnen des Landtages hatten es leicht, denn der Tagesordnungspunkt 13 war in wenigen Momenten abgehandelt: „Auch hier ist eine Beratung heute nicht vorgesehen, sodass wir unmittelbar zur Abstimmung kommen ... Wer dieser Empfehlung folgen möchte, der möge die Hand aufzeigen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung einstimmig angenommen und in zweiter Lesung“ (Plenarprotokoll 14/23 vom 15.03.2006 auf Seite 2411). So schnell geht das, wenn sich die Fraktionen einig sind. Die Sitzung begann übrigens nach Protokollangaben um 10.03 Uhr und endete um 17.39 Uhr. Bis zum Tagsordnungspunkt 11 werden penibel die unterschiedlichen Minuten für die Redezeiten der einzelnen Fraktionen vorgegeben. Danach heißt es zum „Beratungsverfahren“ übereinstimmend „ohne Debatte“. Die Verabschiedung des Gesetzes war außerhalb der „Kernzeit“ avisiert. Die Tagesordnung enthielt noch einen ergänzenden Hinweis: „Am Donnerstag, dem 16. März 2006, findet um 9.15 Uhr im Raum E 3 – Z 03 eine Landtagsandacht statt.“

Die „Time to Market“ (Vorbereitungszeit zur Inbetriebnahme der CO-Pipeline) dehnte sich auch noch nach den Geburtswehen. Zunächst läuft alles nach Plan. Der Startschuss für den Baubeginn der Kohlenmonoxid-Leitung fällt am 15. Februar 2007 an drei Stellen gleichzeitig: in Solingen, Langenfeld und in Duisburg-Süd. Ein halbes Jahr später wird in allen Kommunen gebuddelt. Aber dann kam von der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf im Mai 2011 das Stopp-Zeichen: Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte sich wieder einmal als kleiner Helfer von BAYER erwiesen und einen Planfeststellungsbeschluss geliefert, der den Interessen von BAYER entsprach – aber nicht der Rechtslage. Auch für eine Pipeline muss der Antragsteller nämlich eine Erdbebensicherheit nachweisen. Und dieser Nachweis fehlte, weshalb die Pipeline nicht in Betrieb gehen durfte. Ein neues Planverfahren der Bezirksregierung Düsseldorf, mit dem es BAYER gelingt, eine Unzahl von „kleinen Fehlern“ zu korrigieren, wäre allerdings ein Freibrief für die spätere Inbetriebnahme.

Die aktuelle Situation
Ein nächster Schritt ist auf das OVG in Münster gerichtet. Dort geht es dann wieder um Grundsätzliches: Sind die Interessen des BAYER-Konzerns identisch mit dem „Allgemeinwohl“? Durfte der NRW-Landtag ausgehend von dieser Gleichsetzung Zwangsenteignungen im Trassenbereich durch das Rohrleitungsgesetz legalisieren? Wann das Gericht diese Fragen beantwortet, steht jedoch noch nicht fest.
So schnell, wie der ehemalige Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow die Wünsche von BAYER erfüllte, so groß sind nach seinem Abgang die Hoffnungen der Pipeline-Gegner, dass seine Nachfolgerin Anne Lütges Verstöße gegen die Planungsvorgaben wie zu schmale Sicherheitsmatten über der Pipeline, Schummeleien bei der Rohrqualität oder Abweichungen von der Trassenführung nicht mehr einfach so durchgewinkt. So legte das Verwaltungsgericht Stuttgart für eine Ethylen-Pipeline in Baden-Württemberg eine Distanz von mindestens 350 Metern zu Wohnhäusern fest. In Hilden nähert sich die CO-Pipeline Häusern aber bis auf 20 Meter. Bei einem Totalbruch gäbe es hier sofort 140 Tote. Hier hat BAYER nicht korrigiert. Bleiben auch noch die scharfen Bomben aus dem 2. Weltkrieg im Umfeld der Pipeline. Luftbild-Aufnahmen haben sich bei der Suche als unzuverlässig erwiesen. Trotzdem fanden sich auch ohne sichtbaren Anhaltspunkt gleich mehrere Exemplare.

Vielfältige Aktivitäten
In einem Brief an sämtliche Abgeordneten des NRW-Landtages kritisieren die Gegner der CO-Pipeline von BAYER, dass sich dieser Chemie-Konzern neue Quellen für Monopol-Gewinne aus der Herstellung von Vorprodukten wie Polycarbonat sichern will. Als weitere Einnahmequelle wünscht sich der Leverkusener Multi, dass die hochgiftige CO-Pipeline endlich in Betrieb gehen soll. Die Forderung der CO-Pipeline-Gegner an den Landtag: „Schalten Sie die CO-Pipeline 2012 politisch ab und stellen Sie Monopolen wie BAYER endlich einmal die Gegenrechnung auf.“ Dazu müsste der Landtag allerdings Entscheidungen treffen, mit denen die Giftgasleitung endgültig gestoppt wird.

Da dies eher unwahrscheinlich ist, gehen für die Initiativen der offene Protest und die Arbeit hinter den Kulissen weiter. Das Pipeline-Kataster, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf durch die Bezirksregierung und deren Umgang mit dem Planfeststellungsverfahren sowie die von der rot-grünen Koalition angekündigte Evaluierung des Rohrleitungsgesetzes stehen an.
Der Koalitionsvertrag legt fest, dass die Landesregierung bis Ende 2010 das Rohrleitungsgesetz evaluieren muss. In der Vereinbarung heißt es dazu: „Die Landesregierung überprüft bis zum 31. Dezember 2010 die Auswirkungen dieses Gesetzes und unterrichtet den Landtag. In diesem Zusammenhang wollen wir den bislang versäumten Versuch unternehmen, in Vermittlung zwischen Unternehmen und Betroffenen einen Dialogprozess und eine umfassende Problemlösung auszuloten. Dabei soll auch ein Ausbau der Produktion von Kohlenmonoxid am Standort Uerdingen geprüft werden.“ Ein Gesetzesantrag, dass die Regierungsparteien von SPD und Grünen nach diesem Prozess das Rohrleitungsgesetz von CDU und FDP aufheben wollen, ist nicht bekannt.
Dieter Donner, Pressekoordinator der Initiativen, kündigte zum Auftakt der diesjährigen Aktivitäten einen Wiederaufbau der zerstörten Dauermahnwache in Hilden an. „Damit starten wir unsere öffentlichen Kampagnen im Jahr 5 der Planfestellungsgenehmigung und empfinden Genugtuung darüber, dass auch vier Jahre nach dem ursprünglich geplanten Start des CO-Transportes durch diese Leitung noch kein Giftgas strömen konnte und durfte. Wir werden weiter dafür kämpfen, dass dies so bleibt. Sicher werden die betroffenen Bürger wachsam bleiben und uns weiter unterstützen“, so Donner.

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2012 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Die CBG in Indien beim PPT
Das seit 1979 bestehende PERMANENT PEOPLES’ TRIBUNAL (PPT) befasste sich im Dezember 2011 mit den katastrophalen Folgen des großflächigen Einsatzes von Agro-Chemikalien. Das Tribunal, das diesmal im indischen Bangalore stattfand, hatte auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eingeladen, um den Fall des von BAYER-Pestiziden wesentlich mitverursachten globalen Bienensterbens darzulegen. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes schilderte das Ausmaß der Katastrophe in aller Ausführlichkeit – und konnte die Jury überzeugen. Das sechsköpfige Gremium verurteilte in seiner Abschlusserklärung BAYER und die andern fünf Unternehmen, die den Weltmarkt für Pestizide und Saatgut dominieren, wegen schwerster Umwelt- und Gesundheitsschäden. Der ungezügelte Einsatz von Agrogiften verletze das Menschenrecht auf Gesundheit und Leben; Millionen Menschen, vor allem in den Ländern des Südens, würden wissentlich hohen Risiken ausgesetzt, so die RichterInnen (siehe auch SWB 2/12).

BAYER und die Kinderarbeit
Im Jahr 2003 veröffentlichte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Studie zur Kinderarbeit in Indien, die Erschreckendes zu Tage förderte. Allein auf den Feldern von Zulieferern der BAYER-Tochter PROAGRO malochten ca. 2.000 Minderjährige. Die CBG startete daraufhin eine Kampagne. Sie informierte die Medien, schrieb einen Offenen Brief an BAYER, brachte das Thema auf die Hauptversammlung und wandte sich an die OECD. Trotzdem tat sich fünf Jahre lang kaum etwas. Nur ganz allmählich beugte sich der Leverkusener Multi dem öffentlichen Druck und zeigte Initiative, um einen Image-Schaden zu vermeiden. Der Konzern belohnte FarmerInnen, die auf Kinderarbeit verzichteten, gab ihnen Tipps zur besseren Bewirtschaftung der Felder und richtete Schulen ein. So konnte er das Problem weitgehend lösen. Der Agro-Riese stellt das jedoch anders dar. Er sieht sich als Entwicklungshelfer, der jahrelang heldenhaft gegen Windmühlen kämpfte. Und die Financial Times Deutschland kaufte BAYER diese Geschichte ab. Auf zwei Seiten schilderte die Zeitung im Dezember 2011 das Engagement des Unternehmens und ging dabei nur im Kleingedruckten auf seine profanen Beweggründe ein.

Kölner Uni richtet Kommission ein
Vor vier Jahren vereinbarte BAYER mit der Kölner Hochschule eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen befürchteten eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Profit, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten die Organisationen eine Offenlegung des Vertrages. Die Universität verweigerte das jedoch, weshalb die CBG die Hochschule im Mai 2011 verklagte. Intern jedoch scheint sich etwas zu regen. So hat die Bildungseinrichtung eine Kommission ins Leben gerufen, die Richtlinien für künftige Kooperationen dieser Art mit Unternehmen erarbeiten soll.

Vorgenehmigung für TDI-Anlage
Auf den Erörterungsterminen für die von BAYER in Dormagen geplante Kunststoff-Anlage hatten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Verbände Anfang Oktober 2011 viele Vorbehalte geäußert. Sie beanstandeten etwa die fehlenden Angaben zur Umweltbelastung, eine mangelhafte Störfall-Vorsorge und eine ungenügende, da nur mit Blech statt mit Beton vorgenommene Ummantelung der Produktionsstätte. Zudem verlangten die Initiativen den Einbau eines Schutz-Schleiers, der bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte, und stellten in Frage, ob der Sicherheitsabstand der Fertigungsstätte zu Wohnsiedlungen ausreicht. Die Bezirksregierung hat dem Projekt trotzdem eine Vorgenehmigung erteilt. Aber so ganz unbeeindruckt hat sie die Kritik nicht gelassen. So hat die Behörde ein Gutachten zur Abstandsregelung in Auftrag gegeben und eine Exkursion nach Stade unternommen, um ein Chemie-Werk mit einer Betonhülle zu besichtigen. Allerdings führte das alles nicht zu geänderten Bau-Auflagen.

Kreuzweg der Arbeit führt zu BAYER
Die KATHOLISCHE ARBEITNEHMER-BEWEGUNG (KAB) hat Anfang März 2012 in Leverkusen einen „Kreuzweg der Arbeit“ initiiert, um auf das Leiden an den modernen Beschäftigungsverhältnissen aufmerksam zu machen. Sinnigerweise beginnt der Zug an einem Werkstor des Global Players. „Immer mehr Arbeitsplätze wurden in den letzten Jahren abgebaut, natürlich nicht nur bei BAYER. Aber eben das wollten wir darstellen“, so der KAB-Sekretär Wienfried Gather zur Erklärung.

Protest gegen Nano-Produktion
Bislang betreibt der Leverkusener Multi an seinem Stammsitz offiziell nur eine Versuchsanlage zur Nano-Produktion. Auch bei seiner ehemaligen Tochterfirma H. C. STARCK in Laufenburg läuft die Auftragsfertigung der Kohlenstoff-Röhrchen mit dem Produktnamen BAYTUBES nur im Testlauf. Dies soll sich nun ändern. H. C. STARCK hat beim Regierungspräsidium Freiburg einen Antrag auf einen Normalbetrieb nebst einer Kapazitätserweiterung von 30 auf 75 Tonnen im Jahr gestellt (siehe auch SWB 2/12). Die zuständige „Abteilung Umwelt“ hält das für eine reine Formsache. Da „keine schweren, komplexen, irreversiblen oder grenzüberschreitende, erheblich nachteilige Unweltauswirkungen auf den Standort (...) zu erwarten“ seien, will sie auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichten und im Genehmigungsverfahren lediglich immissionsschutzrechtliche Aspekte berücksichtigen sowie eine Erheblichkeitsuntersuchung durchführen. Doch dagegen erhebt sich Protest, denn der Verein LEBENSWERTER HOCHRHEIN und die ÖKOLOGISCHE ÄRZTE-INITIATIVE HOCHRHEIN IM BUND befürchten sehr wohl negative Auswirkungen. Die Nano-Technologie lässt nämlich Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen, wodurch diese unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften entwickeln. Deswegen haben die Verbände beim Regierungspräsidium eine Einwendung gegen das Vorhaben eingereicht, die sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zum Vorbild für eine eigene genommen hat, und ihre Kritik am 21. März auch auf einem Erörterungstermin vorgetragen.

Leserbrief zur Sportförder-Kürzung
BAYER zieht sich immer mehr aus der Breitensport-Förderung zurück. So kündigte der Konzern Ende 2011 an, die Unterstützung um einen weiteren „niedrigen einstelligen Millionenbetrag“ zu kürzen und sich mit dem Etat von 13 Millionen Euro „zukünftig auf sechs Großvereine konzentrieren“. Dies führte zu einem erbosten Leserbrief an den Leverkusener Anzeiger. „Für mich zeigt sich in dieser Art der Unternehmensführung die scheußliche Fratze des ungezügelten Kapitalismus“, empört sich der Schreiber.

310 MedizinerInnen warnen vor Pipeline
Im vergangenen Jahr hatte der Hildener Kinderarzt Dr. Gottfried Arnold die Landesregierung in einem Offenen Brief vor den Gefahren der zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline gewarnt. Inzwischen haben sich 310 MedizinerInnen seiner Meinung angeschlossen. Auf einer Pressekonferenz hat Arnold, der auch Mitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ist, vor dem Hintergrund jüngster Unfälle mit Kohlenmonoxid-Vergiftungen nochmals auf die Unmöglichkeit hingewiesen, im Falle eines Falles angemessen zu reagieren. „Die Rettungsmöglichkeiten bei einem Massen-Unfall sind völlig unzureichend“, kritisierte der Arzt angesichts ungenügender Behandlungskapazitäten in der Universitätsklinik Düsseldorf und nur einem Notarzt- und zwei Krankenwagen im Kreis Mettmann.

DIE LINKE gegen NRW-Hochschulräte
In den Hochschulräten als neuen Aufsichtsgremien der Universitäten sitzen zu einem Drittel VertreterInnen von Unternehmen. Der Leverkusener Multi darf da natürlich nicht fehlen. So ist der Konzern durch sein Vorstandsmitglied Richard Pott beispielsweise im Komitee der Universität Köln vertreten, mit welcher der Konzern auch eine umfassende Forschungskooperation unterhält (SWB 2/09). Die Partei DIE LINKE will solche Gepflogenheiten in Nordrhein-Westfalen jetzt unterbinden. Sie hat einen Gesetzes-Entwurf zur Abschaffung der Räte vorbereitet. Eine Mehrheit dürfte dieser jedoch kaum finden, obwohl die jetzige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die durch das „Hochschulfreiheitsgesetz“ geschaffene Einrichtung im Wahlkampf noch als Beispiel für eine „Privatisierung der Hochschulen“ kritisiert hatte.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER verlegt Rechnungslegung
Im Zuge seines 800 Millionen Euro schweren Rationalisierungsprogramms, das 4.500 Arbeitsplätze vernichtet, verlegt der Multi Teile der Rechnungslegung wie etwa die Kunden- und Lieferantenbuchhaltung von Leverkusen nach Asien und Osteuropa. Der Abteilung am Stammsitz bleiben dann nur noch Koordinierungsaufgaben, weshalb es dort zu Arbeitsplatz-Vernichtungen kommt.

BMS rationalisiert Rechnungswesen
BAYERs Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE hat seinen Bereich „Rechnungswesen“ einem Rationalisierungsprozess unterzogen. So schuf die Abteilung eine gemeinsame Controlling-Plattform für alle Standorte und legte Planungszyklen und Kostenstellen zusammen. Dadurch reduzierte das Unternehmen in den letzten drei Jahren seine Ausgaben um drei Millionen Euro – zum Leidwesen der Beschäftigten. „Der wesentliche Kostentreiber im Controlling ist das Personal. Der Großteil der Einsparungen beruht auf weggefallenen Personalkosten“, so der für die Umstrukturierungen verantwortliche Manager Axel Steiger-Bagel.

Weniger Jobs in Patent-Abteilung
Bisher beschäftigt der Leverkusener Multi in seiner Patent-Abteilung 200 Personen. Jetzt kündigte er im Zuge seines Rationalisierungsprogramms Umstrukturierungsmaßnahmen an, die 25 Arbeitsplätze vernichten. Der Konzern gründet die Tochter-Gesellschaft BAYER INTELLECTUAL PROPERTY (BIP) und löst die Patent-Sparte in Leverkusen komplett auf. Die Arbeit konzentriert sich so auf Monheim und die beiden neuen Standorte Eschborn und Schönefeld, die das Unternehmen nach eigenen Angaben aus Gründen der Steuer-Ersparnis wählte.

Sparen für die Traumrendite
Im Geschäftsjahr 2011 steigerte BAYERs Pillen-Sparte ihren Gewinn vor Sondereinflüssen um 6,7 Prozent auf 4,7 Milliarden Euro. Der Konzern führt diese Entwicklung neben den besseren Verkaufszahlen für nicht verschreibungspflichtige Arzneien auf „Kostensenkungen bei Pharma“ zurück. In der Tat trifft das Rationalisierungsprogramm des Unternehmens, das die Vernichtung von 4.500 Arbeitsplätzen vorsieht, vor allem den Medizin-Bereich. „Sparen für die Traumrendite“ kommentierte deshalb die Financial Times Deutschland.

Sparen für die AktionärInnen
BAYER will mit seinem Rationalisierungsprogramm, das 4.500 Arbeitsplätze kostet, 800 Millionen Euro sparen.
Die Frankfurter Rundschau fragte deshalb den Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers: „Warum heben Sie dann die Dividende an, was dieses Jahr allein 120 Millionen Euro kostet?“. Aber der Konzern-Leiter war um eine Antwort nicht verlegen: „Weil die Aktionäre Eigentümer des Unternehmens sind und sie einen Anspruch darauf haben, am Geschäftserfolg des vergangenen Jahres beteiligt zu werden“.

Schlechte Noten für Aufsichtsrat
Der Hochschulprofessor Peter Ruhwedel hat das Wirken der Aufsichtsräte der 30 DAX-Konzerne genauer untersucht und bewertet. BAYER kam dabei mit 59 von 100 möglichen Punkten nur auf den 25. Rang. Das Gremium des Konzerns ließ es sowohl an Sitzungsfleiß als auch an Transparenz fehlen und wies eine zu geringe Frauen- und AusländerInnenquote auf. RWE und LINDE, die anderen beiden Unternehmen, bei denen BAYER-Aufsichtsratschef Manfred Schneider die Rolle des Oberkontrolleurs innehat, erreichten sogar nur die Plätze 29 und 30.

Wennings Comeback
Seit 2010 verbietet das Aktiengesetz den unmittelbaren Wechsel vom Posten des Vorstandsvorsitzenden zu demjenigen des Aufsichtsratsvorsitzenden und schreibt eine 2-jährige Karenzzeit vor. Das Paragraphen-Werk sieht dadurch die Unabhängigkeit des Kontroll-Gremiums besser gewährleistet. Der Leverkusener Multi bekämpfte die Regelung von Beginn an vehement und beabsichtigt jetzt, ihre Folgen für das Unternehmen durch winkeladvokatische Tricks möglichst gering zu halten. Obwohl der ehemalige BAYER-Chef Werner Wenning zum Zeitpunkt der nächsten Hauptversammlung im April 2012 noch nicht zwei Jahre aus dem Amt ist, will ihn der Konzern dort mittels Vorratsbeschluss schon einmal inthronisieren, damit er schon im Herbst auf Manfred Schneider folgen kann und nicht bis 2013 warten muss.

Veränderungen im Aufsichtsrat
Im BAYER-Aufsichtsrat steht ein Wandel an. Es geht nicht nur der bisherige Vorsitzende Manfred Schneider (s. o.), mit Hubertus Schmoldt verlässt auch der ehemalige Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) das Gremium. Seinen Sitz übernimmt Petra Reinbold-Knape, die Bezirksleiterin der IG BCE für die Region Nordost/Berlin. Der Vertreter der BELEGSCHAFTSLISTE, eine oppositionelle Gruppe innerhalb der Gewerkschaft, wechselt ebenfalls: André Aich ersetzt Michael Schmidt-Kiesling. Desgleichen verändert sich die personelle Zusammensetzung der Kapital-Seite. Sie nominierte als neue KandidatInnen den PROSIEBEN/SAT.1-Vorstand Thomas Ebeling und Sue H. Rataj, obwohl diese zur Zeit der „Deep Water Horizon“-Katastrophe Hauptverantwortliche für das Ölgeschäft von BP war.

IG BCE: kein Ja zum Plaste-Verkauf
Im März 2011 hatte BAYER-Chef Marijn Dekkers die Bereitschaft erkennen lassen, die Kunststoff-Sparte zu veräußern, falls der Konzern Geld für eine Akquisition benötige. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) kündigte an, einem solchen Beschluss im Aufsichtsrat „mit Sicherheit“ nicht zuzustimmen. „Es wird darum gehen, eine gewisse Grunderdung bei BAYER als weltweit agierender Konzern zu erhalten“, so das IG-BCE-Vorstandsmitglied Peter Hausmann.

Keine Behinderten-Integration
Der Gesetzgeber verpflichtet die Unternehmen seit langem, mindestens fünf Prozent Behinderte zu beschäftigen. Der Leverkusener Multi schafft jedoch nur eine Quote von 4,4 Prozent und muss dafür eine Ausgleichsabgabe in Höhe von 347.000 Euro zahlen.

ERSTE & DRITTE WELT

Zwangslizenz für NEXAVAR-Version
Der indische Generika-Hersteller NATCO PHARMA kann eine preisgünstige Version von BAYERs Krebs-Medikament NEXAVAR herausbringen. Das Indian Patent Office (IPO) hat dem Unternehmen unter Berufung auf einen Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS Anfang März 2012 eine Zwangslizenz zur Herstellung des Mittels erteilt. Dafür muss NATCO eine Gebühr von sechs Prozent des Verkaufspreises an den bundesdeutschen Pharma-Riesen zahlen. Die Behörde begründete die Entscheidung damit, dass BAYER es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Zudem habe der Konzern ihnen die Arznei nicht in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt. Von den 8.842 Krebskranken, die das Mittel benötigt hätten, hätten es nur 200 erhalten, so das IPO. Die CBG begrüßt dieses Urteil aus prinzipiellen Gründen, obwohl sie NEXAVAR wegen seiner geringen Heilwirkung – das Präparat verlängert das Leben der PatientInnen nur um wenige Wochen – für kein sinnvolles Therapeutikum hält. Die Wirtschaftspresse hat die Nachricht hingegen in helle Aufregung versetzt. „In Bombay enteignet“, kommentierte etwa die Faz und stellte den ganzen Status Indiens als gelobtes Land der Pharma-Industrie in Frage. BAYER kündigte an, gerichtliche Schritte zu prüfen.

Soja-Anbau kostet ein Leben
In den südamerikanischen Ländern boomt der Soja-Anbau, wovon BAYER als einer der weltgrößten Pestizid-und Saatgut-Anbieter profitiert. Die GroßgrundbesitzerInnen können für die Pflanzungen gar nicht genug Flächen akquirieren und schrecken deshalb nicht einmal vor brutalsten Landnahmen zurück. So engagierten sie Mitte November 2011 in Brasilien sogar Killer, die ein Indigenen-Camp in Mato Grosso do Sul überfielen, einen Menschen töteten und drei Kinder verschleppten, um die UreinwohnerInnen einzuschüchtern und aus dem Gebiet zu vertreiben.

ACTA behindert Generika-Hersteller
Das umstrittene Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) schützt nicht nur das geistige Eigentum der Konzerne im Internet, sondern auch in der realen Welt – mit teilweise verheerenden Auswirkungen. So macht es das Abkommen Herstellern von Nachahmer-Arzneien schwerer, ihr Geschäft zu betreiben, was die Versorgung von Menschen in armen Ländern mit erschwinglichen Medikamenten behindert. Schon in der Vergangenheit hat Big Pharma diesen Firmen durch Patent-Prozesse und andere Mittel immer wieder Schwierigkeiten bereitet. So boten die Konzerne schon mal den Zoll auf, um Lieferungen indischer Generika an den Grenzen zu stoppen, obwohl die Arzneien gar nicht für den europäischen, sondern für den südamerikanischen Markt bestimmt waren. Jetzt haben die Unternehmen ein noch leichteres Spiel, denn ACTA sieht bei angeblichen Verstößen gegen Urheberrechte hohe Strafen für die Produzenten solcher Präparate, Zulieferer und Händler vor. Auch unterscheidet das Paragrafen-Werk nicht trennscharf zwischen Generika und Fälschungen, weshalb laut Sandy Harnisch vom AKTIONSBÜNDNIS GEGEN AIDS die Gefahr besteht, „dass legal hergestellte Generika mit Fälschungen verwechselt und deshalb beschlagnahmt oder sogar vernichtet werden können“.

IG FARBEN & HEUTE

„Berüchtigt“ ohne IG FARBEN
In dem Hitchcock-Film „Berüchtigt“ schmieden deutsche Wissenschaftler nach dem Zweiten Weltkrieg einen Plan, um dem Nationalsozialismus wieder zur Macht zu verhelfen. Den Auftrag dazu erteilte ihnen die IG FARBEN. „Als Teil eines Verbundes, der die deutsche Kriegsmaschine aufgebaut hat“, charakterisiert das Werk den von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzern. Jedenfalls im Original. In der bundesdeutschen Version, die 1951 in die Kinos kam, fehlt jeder Hinweis auf den Faschismus im Allgemeinen und die IG FARBEN im Besonderen. In der 1969 ausgestrahlten TV-Fassung durfte es dann immerhin schon Nazis geben, aber die IG FARBEN auch weiterhin nicht.

POLITIK & EINFLUSS

Sechs Millionen Dollar für Lobbying
BAYER hat nach Angaben des US-amerikanischen CENTERS FOR RESPONSIBLE POLITICS im Jahr 2011 6,465 Millionen Dollar für Lobbying-Aktivitäten ausgegeben. Der Konzern lässt beispielsweise gegen den „Ban Poisonous Additives Act“ opponieren, der eine Anwendungsbeschränkung für die Industrie-Chemikalie Bisphenol A vorsieht. Zudem versucht der Leverkusener Multi ein Gesetz zu verhindern, das den Gebrauch von Antibiotika wegen der zunehmenden Resistenzen von Krankheitserregern einschränken will. Auch fühlte er sich berufen, die Kongress-Mitglieder für viel Geld davon zu unterrichten, welche Mühen es angeblich kostet, ein „innovatives“ Medikament auf den Markt zu bringen.

BAYERs US-Spenden
BAYER investiert viel Geld, um die politische Landschaft in den USA zu pflegen. Im Jahr 2010 gab der Konzern dafür 506.000 Dollar aus. Mit 406.000 Dollar unterstützte er US-amerikanische PolitikerInnen, besonders die republikanischen. Sie erhielten 57 Prozent vom Kuchen, die demokratischen dagegen lediglich 41 Prozent. Und im Wahljahr 2012 legt der Pharma-Riese noch einmal mächtig zu. 276.000 Dollar gab er bis zum 31. Januar schon aus. 234.000 davon erhielten Abgeordnete, wobei das Unternehmen Konservative noch deutlicher als 2010 bevorzugte. Sie bekamen 70 Prozent der Summe, Obamas Partei-GenossInnen dagegen nur 30 Prozent.

BAYER als Gesetzgeber

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Das „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) ist eine von den Konzernen gesponserte JuristInnen-Vereinigung. Die BAYER-Managerin Sandra Oliver sitzt für den Agro-Riesen in dem ALEC-Beirat, ihr Kollege Mike Birdsong gehört der „Health and Human Services Task Force“ an, und Bill Corley, das ALEC-Mitglied des Jahres 2005 in der Sektion „Privatwirtschaft“, steht im Bundesstaat Arkansas demjenigen Gremium vor, das sich um das legislative Wohlergehen von BAYER & Co. kümmert. Dank ALEC kontrollieren die Multis das ganze legislative Verfahren. Als etwa die republikanischen Politiker James Inhofe, George Nethercutt und Orrin G. Hatch mit Hilfe großzügiger Wahlkampf-Spenden von BAYER Mandate erlangten, da machten sich die willigen JuristInnen von ALEC gleich daran, ihnen die Entwürfe für Gesetzesinitiativen zum Öko-, Agrar- und Tierrechts„terrorismus“ zu liefern. Und im letzten Jahr gelang es dank ALEC, im Bundesstaat Wisconsin ein Paragrafen-Werk zu verabschieden, das für BAYER & Co. die Standards der Produkthaftung aufweicht und beispielsweise für Pillen-Hersteller die im Haftungsfall zu zahlenden Entschädigungssummen auf 750.000 Dollar begrenzt. Verkauft wurde das Ganze dann als Teil eines Programms zur Arbeitsplatz-Beschaffung.

ALEC leugnet Klimawandel
Einen Klimawandel gibt es für das „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) nicht. Die von BAYER & Co. gesponserte JuristInnen-Vereinigung opponiert nicht nur gegen jegliche Art von Klimapolitik, sie sieht sogar etwas Gutes in der Aufheizung des Planeten. „Selbst eine substanzielle Erderwärmung ist gut für die Vereinigen Staaten“, meint ALEC. Und auf seinem Jahrestreffen, das BAYER finanziell unterstützt hat, pries der Klassenjustiz-Verband sogar „die Vorzüge von Kohlendioxid“.

Tricks mit Ökosteuer-Ausnahmen
Für BAYER und andere Energie-Großverbraucher hält die Ökosteuer großzügige Ausnahmeregelungen parat (Ticker 3/06), die den Konzernen jährlich ca. fünf Milliarden Euro ersparen. Die EU betrachtet das als eine versteckte Subvention und drängt auf Veränderungen. So will Brüssel die Vergünstigungen an Klimaschutz-Maßnahmen geknüpft wissen. Das allerdings plant ein neuer Gesetzesentwurf aus dem Finanzministerium zu umgehen. Er erhebt nur Energieverbrauchssenkungen zur Vorschrift, welche die Unternehmen ohnehin erbringen müssen.

Zwei Milliarden Euro Steuer-Entlastung
1999 brachte BAYERs ehemaliger Finanzchef Heribert Zitzelsberger die Unternehmenssteuer„reform“ auf den Weg, die dem Bund allein bis zum Jahr 2003 Einnahme-Ausfälle von mehr als 50 Milliarden Euro bescherte. Und seither haben Regierungen aller Couleur sogar immer noch „nachgebessert“. Momentan schnürt die schwarz-gelbe Koalition ein zwei Milliarden teures Geschenk. Ganz wie es sich der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) gewünscht hatte, will Wolfgang Schäuble den Konzernen die Verrechnung von Gewinnen und Verlusten zwischen Tochter- und Muttergesellschaften erleichtern. Zudem plant er, die Verlustnutzung wieder zu erlauben, die es den Unternehmen gestattet, die Verluste gekaufter Firmen steuersparend vom eigenen Ertrag abzuziehen.

BAYER gegen Banken-Regulierung
1,85 Millionen lässt sich der Leverkusener Multi seine Lobby-Aktivitäten bei der EU nach eigenen Angaben jährlich kosten. Momentan investiert er viel von dem Geld in den Versuch, eine umfassende Reform des Finanzsektors zu verhindern. Der Konzern befürchtet nämlich steigende Kosten durch eine strengere Regulierung der Derivate – eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber – , die der Chemie-Multi hauptsächlich zur Absicherung seiner globalen Transaktionen nutzt. Zudem graust es ihn vor schärferen Eigenkapital-Vorschriften für Banken, weil das seine Kredit-Konditionen verschlechtern könnte. Darum lässt der Global Player einen Brüsseler Emissär klagen: „Seitens der Realwirtschaft sind wir sehr besorgt über die Verteuerung nicht nur der OTC-Derivate (außerbörslich gehandelte Derivate, Anm. SWB) (...), sondern auch für die Refinanzierung, die aus den geänderten Eigenkapital-Vorschriften resultieren“.

BAYER & Co. gründen Rohstoff-Allianz
Den großen Konzernen drohen schon bald die Rohstoffe auszugehen. Darum haben BAYER, BASF, THYSSENKRUPP und andere Unternehmen Ende Januar 2012 eine „Allianz zur Rohstoff-Sicherung“ gegründet. Um auch in Zukunft die Versorgung der Multis mit Seltenen Erden, Wolfram, Kokskohle und anderen Substanzen zu garantieren, will die Initiative selber Vorkommen erkunden und Abbau-Rechte erwerben.

Arznei-Gremien ohne BAYER?
Die Bundesregierung plant, VertreterInnen der Pharma-Industrie aus wichtigen Arzneimittel-Kommissionen wie dem „Sachverständigen-Ausschuss zur Verschreibungspflicht“ zu verbannen, weil dies „im Hinblick auf die notwendige Unabhängigkeit der Gremien in rein fachspezifischen Fragen erforderlich“ sei. BAYER & Co. haben Einspruch eingelegt und versuchen, diese Veränderung des Arzneimittelgesetzes zu verhindern.

Gröhe bei BAYER
Der CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe besuchte BAYER zu einem „Fachgespräch“. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers nutzte den Termin, um ein Klagelied über die Energiewende, die zu höheren Strompreisen führe, anzustimmen und einmal mehr die steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsausgaben zu fordern. Einsparungen in Höhe von 20 bis 30 Millionen Euro erhofft sich der Holländer von einer solchen Gesetzes-Änderung.

Voigtsberger bei BAYER
BAYERs Chemie„parks“ liegen dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) besonders am Herzen. Nachdem er bereits im November 2011 eine Konferenz zu deren Zukunft veranstaltet hatte (Ticker 1/12), die passenderweise auch gleich beim Leverkusener Multi stattfand, initiierte er Ende Februar 2012 ein Pressegespräch zum Thema – und natürlich wieder am Stammsitz des Konzerns.

Trittin bei BAYER
Schon zu seiner Zeit als Bundesumweltminister besuchte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin den Leverkusener Multi. Anfang Dezember 2011 schaute er mal wieder vorbei. Bei den Gesprächen ging es nicht nur um die alten BAYER-Gassenhauer „Energie-Preise“ und „steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsausgaben“ (s. o.), sondern zusätzlich auch noch um den Klimaschutz und finanzpolitische Fragen.

Jianmin Xu bei BAYER
Hierzulande lässt es der Leverkusener Multi auf seinen Hauptversammlungen – vorzugsweise bei den Gegenreden des CBG-Vorstandsmitglieds Axel Köhler-Schnura – selten an antikommunistischen Parolen fehlen, andernorts gehören KommunistInnen jedoch zu den geladenen Gästen BAYERs. So wohnte mit Jianmin Xu der Sekretär der Kommunistischen Partei Chinas der Einweihung einer Konzern-Anlage in Shanghai bei.

China: Mitwirkung an Patent-Gesetz
Eines der größten Hindernisse für die wirtschaftliche Aktivität der Global Players in Schwellenländern ist der angeblich mangelhafte Schutz des geistigen Eigentums. Deshalb hat BAYER in China schon „Entwicklungshilfe“ geleistet und an der Shanghaier Tongji-Universität einen Lehrstuhl für Patentrecht gestiftet (Ticker 1/08). Und das Engagement scheint sich auszuzahlen. Das Gesetzemachen gestaltet sich im Reich der Mitte fast schon so „demokratisch“ wie im Westen. So zeigte sich BAYERs oberster Patentschützer in China, Oliver Lutze, froh, im Prozedere zur Vorbereitung eines neuen Paragraphen-Werks zu den intellectual property rights (IPR) gehört zu werden: „Sie schicken den Industrie-Verbänden Entwürfe zu, und wir schicken es mit unseren Statements zurück. Und in manchen Punkten wurden unsere Vorschläge akzeptiert und die Passagen geändert.“

BAYER stellt Hunger-Experten
Im letzten Jahr initiierte der Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung zum Hungerproblem. Unter den geladenen ExpertInnen war auch der BAYER-Manager Dr. Manfred Kern. Und er wusste natürlich auch die Lösung: Eine nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft mit mehr Pestiziden, mehr Saatgut und mehr Gentechnik. Also noch mehr von alledem, was schon seit Jahrzehnten keinen Erfolg bei der Verbesserung der Welternährungslage zeigt und nur die Kassen der Agro-Multis füllt.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER-Kreuz am Jungfrau-Berg
Jetzt müssen sogar schon Berge als Litfaßsäulen für die großen Unternehmen herhalten. So prankte auf dem schweizer Jungfrau-Massiv ein riesiges BAYER-Kreuz. Mit dieser „Bandenwerbung“ finanzierten die Jungfrau-Bahnen zu ihrem 100-jährigen Jubiläum eine Lichtkunst-Aktion von Gerry Hofstetter, der das Schweizerkreuz auf eine Gebirgswand projizierte. Die „Stiftung Landschaftsschutz“ übte Kritik an dem Budenzauber: „Es tut weh zu sehen, wie multinationale Konzerne die grandiose Berglandschaft zur Werbeleinwand degradieren.“ Und auch Katharina Conradin von der Naturschutz-Organisation MOUNTAIN WILDERNESS protestierte: „Ein Berg ist doch kein Werbeobjekt.“

BAYER spendet an Heartland-Institut
Auch BAYER zählt zu den Unterstützern des US-amerikanischen Heartland-Institutes, einer konservativen Lobby-Organisation, die durch die Finanzierung von Klimawandel-LeugnerInnen einige Berühmtheit erlangt hat. Der Leverkusener Multi allerdings benannte einen anderen Verwendungszweck für seine Spende. Er wollte das Geld in Kampagnen gegen die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherungspflicht investiert wissen. Das legen interne Unterlagen der Einrichtung nahe, die ein Whistleblower dem Internet-Portal DeSmogBlog zugespielt hat.

KundInnen-Bindung 2.0
Das bundesdeutsche Gesetz erlaubt keine Werbung für verschreibungspflichtige Arzneien. BAYER & Co. streben eine Lockerung an und tun alles dafür, eine entsprechende Lösung auf EU-Ebene zu erreichen (Ticker 1/12). Bis es soweit ist, versuchen die Konzerne, bis an die Grenze des Erlaubten zu „informieren“. Dazu nutzen sie vor allem das Internet. So betreibt BAYER etwa das Portal MS-Gateway, das sich an Multiple-Sklerose-PatientInnen richtet. Es verfügt über einen offenen und einen geschlossenen Bereich, der nur für NutzerInnen des Konzern-Präparats BETASERON bestimmt ist. Einziges Ziel: neue KundInnen zu gewinnen und alte zu halten. Von Veranstaltungshinweisen über die Vermittlung von BeraterInnen und Apps zum Therapie-Management bis zu Foren und „Wellness-Diagrammen“ reicht das Angebot. Es stößt offenbar auf Resonanz: Auf 12.000 Mitglieder kann MS-Gateway zählen.

Eltern berichtet über MIRENA
Mehr als jede zehnte Anwenderin von BAYERs Hormon-Spirale MIRENA leidet unter schweren Nebenwirkungen wie Depressionen, Zyklusstörungen, Gewichtszunahme, Eierstock-Zysten, Unterleibsentzündungen, Schwindel, Übelkeit, starker Haarwuchs, Akne, Hautkrankheiten und Kopfschmerzen Zudem besteht der Verdacht auf Erhöhung des Brustkrebs-Risikos. Diesen unerwünschten Arzneimittel-Folgen widmete sich im Februar 2012 auch die Zeitschrift Eltern. Der Frauenarzt Michael Ludwig zerstreute dann allerdings die Bedenken. Und er hatte guten Grund dazu, der Mediziner steht nämlich seit Jahren immer wieder in Diensten BAYERs. Diese Information enthielt die Zeitschrift ihren LeserInnen jedoch vor. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat der Redaktion deshalb einen Brief geschrieben, in dem es hieß: „Diese Abhängigkeiten hätten in dem Artikel unbedingt genannt werden müssen. Besser noch wäre es gewesen, ausschließlich unabhängige Frauenärzte zu befragen.“

Winnackers Gentech-Lob in der Zeit
Zeit Online bot dem BAYER-Aufsichtsrat Ernst-Ludwig Winnacker, einem „der einflussreichsten Wissenschaftsmanager und Politik-Berater Europas“, die Gelegenheit, sich ellenlang über die Behinderungen zu verbreiten, mit denen sich die „grüne“ Gentechnik konfrontiert sieht. Sie werde fälschlicherweise für das Artensterben verantwortlich gemacht, klagte er, wo sie doch so dringend für die Ernährung der Menschen rund um den Globus benötigt werde, denn: „Wer den Welthunger nur für ein Verteilungsproblem hält, argumentiert zynisch.“ Aber trotzdem machten die Abstandsregelungen hierzulande Freisetzungsversuche fast unmöglich, so Winnacker. Nur in Sachen „Patente auf Leben“ räumte der Biochemiker Fehler der Konzerne ein. Er selber bekennt sich zu einer kritischen Haltung gegenüber solchen Eigentumstiteln, „weil ihre gelegentlich kompromisslose Durchsetzung nicht in die Kultur der Landwirtschaft passt“ und stellt fest: „Die Patent-Strategien einiger Unternehmen haben zu einem beträchtlichen Vertrauensverlust und Imageschaden geführt.“

BAYER-Land der Ideen
BAYER gehörte 2006 zu den Sponsoren der Kampagne „Land der Ideen“, welche die Fußball-Weltmeisterschaft dazu nutzte, um für den hiesigen Industrie-Standort zu werben. Der PR-Betrieb hat die Ball-Treterei sogar überlebt und veranstaltet alljährlich den Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“. Selbstredend finden sich darunter immer wieder BAYER-Orte. Im letzten Jahr war es mit dem Baykomm das Kommunikationszentrum des Leverkusener Multis. Und dieses Mal schafften es sogar drei Konzern-Projekte in die Auswahl: das Integrationsprogramm „Einfach Fußball“, der Ideen-Trimmpfad des TSV BAYER 04 Leverkusen und die „Dream Production“ – ein alles anderer als traumhafter Versuch, bei der Kunststoff-Produktion Kohlendioxid zu recyclen (Ticker 4/11).

BAYER investiert in Schulen
Der Leverkusener Multi fördert Schulen über die „BAYER Science & Education Foundation“, denn dieses Stiftungsmodell erlaubt nebenher auch noch Steuer-Ersparnisse. Bei der Sponsoring-Maßnahme bilden nicht von ungefähr die naturwissenschaftlichen Bereiche einen Schwerpunkt. „Ich muss gestehen, wir fördern die Schulen nicht ganz uneigennützig. Wir sehen das als langfristige Investition“, so Stiftungsvorstand Thimo V. Schmitt-Lord.
Im Jahr 2011 verteilte der Konzern 462.000 Euro unter 52 Schulen in der Nähe seiner Standorte. Mit Geld bedachte er unter anderem die Monheimer „Lise-Meitner-Realschule“ für ihr Projekt „Nanotechnologie in Theorie und Praxis“, das „NaturGut Ophoven“ für ihre Lernwerkstatt zum Klimaschutz, das Schulzentrum Steinen für ihre Unterrichtseinheit zu naturwissenschaftlichen Grundgesetzen und die Gemeinschaftshauptschule Neucronenberg für ihren Lern-Parcours.

Das Humboldt-BAYER-Mobil rollt
In Kooperation mit der Berliner Humboldt-Universität betreibt der Leverkusener Multi ein rollendes Labor. Das „Humboldt-BAYER-Mobil“ fährt Schulen in Berlin und im Osten Deutschlands an und arbeitet mehr oder weniger spielerisch den naturwissenschaftlichen Lernplan des Konzerns ab.

BAYER lanciert Nano-Wettbewerb
Der Leverkusener Multi arbeitet eifrig an der Akzeptanz der umstrittenen Nano-Technologie und hat zu diesem Behufe gemeinsam mit dem „Landescluster NanoMikro+Werkstoffe.NRW“ den Wettbewerb „Nano erleben“ gestartet. Dieser fordert SchülerInnen, LehrerInnen und WissenschaftlerInnen auf, „ihre kreativen Ideen in Nanotechnologie-Demonstrationsversuche fließen zu lassen“. Davon erhofft sich dann BAYERs Nano-Beauftragter Peter Krüger „das Potenzial, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass Nanotechnologie fundierte und spannende Wissenschaft ist, die wesentlich zu unserer Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit beiträgt“.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern intern immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2011 verteilte die Stiftung 126.000 Euro. Geld gab es unter anderem für die Ausbildung von jugendlichen StreitschlichterInnen in Dithmarschen, für die Bitterfelder Jugendkunstschule, einen Gnadenhof für Ponys in Leichlingen, eine Leverkusener Schuldenpräventionsinitiative, eine ForscherInnen-Werkstatt in Schochwitz und ein neues Beachvolleyball-Feld in Wollbach. Darüber hinaus soll der ASPIRIN-Sozialpreis das Bild vom barmherzigen Samariter BAYER in die Welt tragen. 2011 hat der Leverkusener Multi die Auszeichnung an eine Organisation verliehen, die brandverletzte Kinder unterstützt.

XARELTO-Muster per Post
Seit Mitte der 1980er Jahre untersagt das Arzneimittelgesetz BAYER & Co. die großflächige Versendung von Arzneimittel-Mustern an MedizinerInnen. Nach dem Paragrafen-Werk dürfen die Konzerne nur zur Tat schreiten, wenn eine Anforderung vorliegt. Der Leverkusener Multi verschickte jedoch trotzdem große Massen seines umstrittenen Blutverdünnungsmittels XARELTO (siehe DRUGS & PILLS), eine Empfangsbestätigung als „Just-in-Time“-Antrag für die Proben wertend. Die unabhängige Fachzeitschrift arznei-telegramm hat BAYER deshalb angezeigt, und auch die „Freiwillige Selbstkontrolle der Pharma-Industrie“ prüft den Fall.

BAYER VITAL wirbt für 54 Millionen
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat 2011 nach Angaben des „Deutschen Apotheker-Verbandes“ allein in der Bundesrepublik 54,5 Millionen Euro für Reklame ausgegeben. Nur KLOSTERFRAU und BOEHRINGER INGENHEIM investierten mehr.

Podiumsdiskussion mit BAYER und DSW
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur großen Befriedigung BAYERs erfreut sich diese Ansicht auch heute noch großer Beliebtheit, die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. Um die Geschäftsaussichten für YASMIN & Co. noch ein wenig zu verbessern, sponsert das Unternehmen seit geraumer Zeit die „Deutsche Stiftung Weltbevölkerung“ (DSW), „denn mit ihren Projekten in Entwicklungsländern hilft die DSW vor allem jungen Menschen, ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden und sich vor HIV/Aids zu schützen. Damit nutzt sie die Chancen zur menschenwürdigen Verlangsamung des Weltbevölkerungswachstums und trägt zugleich unmittelbar zur Verbesserung der Lebensverhältnisse vor Ort bei“. Der Leverkusener Multi führt gemeinsam mit der DSW auch regelmäßig einen „Parlamentarischen Abend“ in Berlin durch. Am 24. April 2012 stehen unter anderem die Anwältin und Publizistin Seyran Ates, der kongolesische Botschafter S. E. Kennedy Nyauncho Osinde und die SPD-Bundestagsabgeordnete Karin Roth auf der Gästeliste.

TIERE & ARZNEIEN

ASPIRIN im Stall
BAYERs „Tausendsassa“ ASPIRIN hat sich einen neuen Markt erobert: die Tiere. Da die Massenzucht Hühnern, Puten und anderen Kreaturen unendliche Qualen bereitet, verabreichen ihnen TierärztInnen oft das Schmerzmittel, obwohl seine Anwendung nicht erlaubt ist.

Noch mehr Tierarzneien
Der Leverkusener Multi hat die Veterinärmedizin-Sparte des US-amerikanischen Chemie-Konzerns KMG übernommen. Diese besteht vor allem aus Insektiziden, die Rindern, Schweinen und Geflügel mittels Chemie Fliegen und andere Plagegeister vom Leib halten.

DRUGS & PILLS

TRASYLOL-Comeback
Im Februar 2012 gab die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA bekannt, BAYERs Arznei TRASYLOL wieder zuzulassen. Nach Ansicht der Behörde wies die sogenannte BART-Studie des „Ottawa Hospital Research Institutes“, die im Jahr 2007 den Ausschlag für den Verkaufsstopp gegeben hatte, gravierende Mängel auf. Das Institut wehrt sich gegen diese Vorwürfe. „Die BART-Wissenschaftler stellen fest, dass die Durchführung und Analyse der BART-Untersuchung den höchsten Standards entsprach“, heißt es in der Antwort auf eine Ticker-Nachfrage. Zudem beschwerte sich die Einrichtung darüber, von der EMA nie in der Angelegenheit kontaktiert worden zu sein. Aber selbst wenn die ForscherInnen Fehler gemacht haben sollten – bereits vorher hatten unzählige Expertisen dem Mittel, das zur Blutstillung nach Bypass-Operationen zum Einsatz kam, Gesundheitsgefährdungen bescheinigt. Nicht einmal eine von BAYER selbst in Auftrag gegebene Studie konnte bessere Resultate liefern. Der Harvard-Professor Alexander Walker analysierte für den Konzern die Unterlagen von 78.000 Krankenhaus-PatientInnen und stellte im Falle einer Behandlung mit TRASYLOL eine erhöhte Sterblichkeitsrate, sowie ein größeres Risiko für Nierenversagen, Schlaganfälle und Herzerkrankungen fest. „2.653 Patienten mussten zur Dialyse und 2.613 Patienten starben“, so lautete damals sein eindeutiger Befund, den das Unternehmen den zuständigen Behörden lieber verschwieg.

ASPIRIN-Entlastungsstudie
BAYERs „Tausendsassa“ ASPIRIN gerät mehr und mehr in die Kritik. So schätzt Dr. Friedrich Hagenmüller von der Hamburger Asklepios-Klinik die Zahl der Todesopfer durch die Nebenwirkung „Magenbluten“ allein in der Bundesrepublik pro Jahr auf 1.000 bis 5.000. Der Leverkusener Multi musste also etwas für das ramponierte Image der Arznei tun und gab eine Entlastungsstudie in Auftrag. Und siehe da: Es „wurde deutlich, dass das Jahrhundert-Medikament bei Kurzzeit-Behandlungen von Schmerzen und Fieber ebenso verträglich ist wie andere Schmerzmittel, zum Beispiel IBUPROFEN oder PARACETAMOL“.

Neue YASMIN-Packungsbeilage
Mit Drospirenon-haltigen Verhütungsmitteln wie BAYERs Produkten aus der YASMIN-Familie steigt im Vergleich zu Levonorgestrel-haltigen Kontrazeptiva das Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Das haben Untersuchungen aus den USA und England nun erneut bestätigt. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) reagierte und forderte BAYER zu einer nochmaligen Aktualisierung des Beipackzettels auf, um deutlicher vor der Gefahr zu warnen.

LEFAX nur „ausreichend“
Die „Stiftung Warentest“ testete fünf Präparate gegen Blähungen und kam zu wenig überzeugenden Ergebnissen. Vier Präparate, darunter auch BAYERs LEFAX, bekamen die Note „ausreichend“, und ein Mittel erhielt das Prädikat „mangelhaft“.

XARELTO jetzt auch in Europa
Der Leverkusener Multi darf sein Präparat XARELTO jetzt auch in Europa und Japan als Mittel zur Schlaganfall-Vorbeugung bei PatientInnen mit Vorhofflimmern vermarkten. Eine entsprechende Genehmigung hatte vorher schon die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA erteilt. Allerdings tat sie sich mit der Entscheidung schwer. MitarbeiterInnen hatten sich noch Anfang September 2011 gegen die Genehmigung ausgesprochen, weil die von BAYER eingereichten Studien ihrer Meinung nach Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken aufwarfen. Zudem konnten sie im Vergleich zum bislang gebräuchlichen Wirkstoff Warfarin keinen therapeutischen Zusatznutzen entdecken. Aber die Behörde setzte sich über diese internen Einwände hinweg. Nicht einmal Meldungen über Sterbefälle bei der Klinischen Erprobung des Mittels in Indien (Ticker 1/12) vermochten sie umzustimmen.

Neue XARELTO-Indikation
Der Leverkusener Multi strebt eine Zulassung seines umstrittenen Mittels XARELTO (s. o.) zur Nachbehandlung des akuten Koronar-Syndroms (ACS) an. Das Präparat soll in Kombination mit einer anderen Therapie der nochmaligen Entstehung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie vorbeugen. In den Tests zeigten sich allerdings auch deutlich die Risiken und Nebenwirkungen der Arznei. So erlitten XARELTO-ProbandInnen häufiger schwere Blutungen als die Test-Personen, welche die bisherige Standard-Medikation bekamen.

NICE nicht nice zu XARELTO
Die britische „National Institute for Health and Clinical Excellence“ (NICE), das Kosten und Nutzen neuer Arzneimittel bewertet, hat Zweifel an der Qualität von BAYERs Blutverdünner XARELTO. Da ihm die vom Leverkusener Multi zur Verfügung gestellten Daten für die Anwendungsgebiete „Thrombosen“ und „Schlaganfall-Vorbeugung bei PatientInnen mit Vorhofflimmern“ nicht ausreichten, forderte es vom Pillen-Riesen mehr Informationen an. Auch in Spanien erwartet der Konzern harte Verhandlungen mit den Behörden. Nur in der Bundesrepublik blüht dies dem Unternehmen nicht. Das hiesige Arzneimittel-Gesetz erspart nämlich Präparaten, die für andere Indikationen schon zugelassen sind, wie XARELTO zur Thrombose-Prophylaxe bei schweren orthopädischen OPs, eine solche Prozedur.

Zulassung für Augenmittel
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat BAYERs Augen-Arznei VEGF-Trap-Eye genehmigt. Das Mittel zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt jedoch nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Medikament mit dem Produktnamen EYLEA lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Nach dem positiven Bescheid strebt das Unternehmen nun auch Zulassungen für andere Krankheitsgebiete an.

Regorafenib-Zulassung beantragt
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch der Wirkstoff Regorafenib, für den BAYER 2012 in Europa und den USA die Zulassung beantragen will. Er darf nur bei PatientInnen mit fortgeschrittenem Darmkrebs, bei denen alle sonstigen Therapien versagten, zum Einsatz kommen und zeigte nur äußerst bescheidene Test-Ergebnisse. Die Substanz steigerte die Gesamtüberlebenszeit der ProbandInnen im Vergleich zur Placebo-Gruppe gerade einmal um 1,4 Monate und schenkte ihnen bloß eine um 0,2 Monate längere Zeit ohne weiteres Tumor-Wachstum.

Überdosis CIPROBAY
Immer mehr Krankheitserreger bilden gegen Antibiotika wie BAYERs CIPROBAY Resistenzen aus und lösen so todbringende Gesundheitsstörungen aus (siehe auch SWB 2/12). Trotzdem verordnen MedizinerInnen die Mittel immer noch viel zu häufig. Das ergab eine Studie der Universität Bremen zur Verschreibungspraxis von KinderärztInnen. Obwohl die Präparate nur gegen Bakterien wirken, setzen PädiaterInnen sie der Untersuchung zufolge häufig auch bei Virus-Infektionen wie Erkältungen oder Mittelohr-Entzündungen ein. Und in Schwellenländern wie Indien geben Apotheken CIPROBAY sogar ohne Rezept und Beipackzettel ab.

Muskelschwäche durch CIPROBAY
Antibiotika sorgen nicht nur für resistente Krankheitskeime (s. o.), sie haben auch noch ganz andere Risiken und Nebenwirkungen wie beispielsweise Sehnen-Entzündungen und Sehnenrisse. Health Canada warnt jetzt vor einer neuen Gegenanzeige: BAYERs CIPROBAY und andere Mittel aus der Substanzklasse der Fluorchinolone können die Autoimmun-Krankheit Myasthenia gravis auslösen. Die Medikamente stören das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, indem sie die Aufnahme des Impulse weiterleitenden Neurotransmitters Acetylcholine behindern und führen so zu Lähmungserscheinungen im Bereich der innere Organe, im Bewegungsapparat oder im Gesicht. Deshalb zwang die Behörde den Leverkusener Multi und andere Hersteller, die PatientInnen über diese mögliche Folge der Antibiotika-Einnahme zu informieren.

Neue Preisgestaltung ärgert BAYER
Nach dem 2011 in Kraft getretenen Arzneimittel-Gesetz dürfen die Pharma-Riesen die Preise für ihre neuen Medikamente nicht mehr selber festlegen. Sie sind jetzt Gegenstand von Verhandlungen auf Basis des Zusatznutzens im Vergleich zu älteren Pillen und der in anderen Staaten verlangten Beträge. Die Veröffentlichung der Länder-Referenzliste, auf der sich unter anderem Belgien, Dänemark, Großbritannien, Frankreich und Griechenland befinden, sorgte jetzt für einigen Unmut beim von BAYER gegründeten „Verband forschender Arzneimittel-Hersteller“ (VFA). „Deutschland ist nicht Griechenland. Ein Unterbietungswettbewerb durch Vergleich mit wirtschaftlich schwachen Ländern gefährdet die Einführung von Arzneimittel-Innovationen in Deutschland“, ereiferte sich die VFA-Geschäftsführerin Birgit Fischer.

Zwangsrabatte ärgern BAYER
Nach dem seit 2011 gültigen „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ müssen BAYER & Co. den Krankenkassen für neue Medikamente einen Hersteller-Rabatt von 16 Prozent einräumen. Darüber hat sich BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Bilanz-Pressekonferenz im Februar 2012 bitterlich beklagt und angesichts der diesjährigen Überschüsse von DAK & Co. eine Abschaffung der Regelung gefordert: „Sachliche Gründe für eine Beibehaltung gibt es also nicht.“ Trotzdem ließ sich die Bundesregierung nicht erweichen. Das rief wiederum den von BAYER gegründeten „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ auf den Plan. Er sah „Politisches Kalkül statt faktenbasierter Prüfung“ am Werk und wiederholte Dekkers’ Kritik wortwörtlich: „Sachliche Gründe für eine Beibehaltung gibt es also nicht.“ Die Dienstwege sind eben kurz.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

HEDONAL geht an die Nieren
In El Salvador sorgen Pestizide für massive Gesundheitsprobleme. So leiden in der Küstenregion Bajo Lempa über 20 Prozent der Menschen an Nieren-Erkrankungen. Mauricio Sermeño von der Umweltorganisation UNIDAD ECOLÓGICA SALVADOREÑA macht dafür hauptsächlich zwei Ackergifte verantwortlich: SYNGENTAs GRAMOXON und BAYERs HEDONAL mit dem Wirkstoff 2-4-Dichlorphenoxyessigsäure, der als ein Bestandteil von Agent Orange traurige Berühmtheit erlangte. Nach den Angaben der Organisation gibt es in bestimmten Gebieten des Landes kaum EinwohnerInnen, die nicht einen Verwandten oder Freund durch Nieren­Versagen verloren hätten (siehe auch SWB 2/12).

OXFAM kritisiert FLINT-Sprühungen
Auf den Bananen-Plantagen Ecuadors herrschen einer OXFAM-Studie zufolge unhaltbare Zustände. So müssen die Angestellten dort für einen Hungerlohn arbeiten und auch noch ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. Während Flugzeuge Pestizide wie Mancozeb (enthalten unter anderem in BAYERs FLINT) versprühen, dürfen die LandarbeiterInnen die Felder nicht verlassen, obwohl sie bloß in Ausnahmefällen Spezialkleidung tragen. „Wir bekommen die Pestizide ab und können uns nur mit unseren Händen und Bananen-Blättern schützen“, klagt einer von ihnen. Zudem verseuchen die auf dem Luftweg ausgebrachten Ackergifte auch die Umgebung und sorgen so für hohe Krankheitsraten, vor allem unter Kindern. „Sie leiden unter Gehirn-Erkrankungen, Problemen in den Armen und Beinen, Hautausschlag etc.“, so eine Feldarbeiterin.

COCA COLA mit Carbendazim
In Orangensäften des Unternehmens COCA COLA fanden sich Spuren des BAYER-Pestizids Carbendazim. Und der Wirkstoff, den der Leverkusener Multi unter dem Produktnamen DEROSAL vermarktet, hat es in sich. „Giftig für Wasser-Organismen“, „kann das Kind im Mutterleib schädigen“, „kann vererbbare Schäden verursachen“ – so lauten einige Warnhinweise für das Fungizid. Darum sollte die Substanz ursprünglich ebenso wenig wie weitere fünf Agro-Chemikalien des Konzerns eine neue Zulassung von der Europäischen Union erhalten. Aber für Carbendazim machte Brüssel dann kurz vor Ablauf der Frist eine Ausnahme und gewährte eine Verlängerung. Es gäbe „annehmbare Anwendungen“, erklärte die EU-Kommission und berief sich dabei ausgerechnet auf Studien der Agro-Riesen sowie auf eine Expertise der von Industrie-VertreterInnen durchsetzten „Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (siehe auch TICKER 2/11).

Kein Glyphosat-Verbot
Die Liste der Risiken und Nebenwirkungen des von MONSANTO entwickelten Pestizid-Wirkstoffs Glyphosat, den BAYER etwa im Kombi-Pack mit der gegen diese Substanz immun gemachten Baumwollpflanze „GHB 614“ verkauft, ist lang. So stört die Agrochemikalie das Embryo-Wachstum, lässt Soja-Gewächse absterben und Mais verwelken, macht wertvollen Boden-Organismen den Garaus und dezimiert die biologische Vielfalt. Das alles aber reichte der Bundesregierung nicht aus, um den Stoff aus dem Verkehr zu ziehen. Sie lehnte Anfang Februar 2012 einen entsprechenden Antrag der Grünen ab und verlängerte die Zulassung bis 2015.

Verkauf von Ultra-Giften
Der Leverkusener Multi trennt sich im Rahmen der Verkleinerung seines Pestizid-Sortiments weiter von besonders schädlichen Agrochemikalien der Gefahrenklasse I. Nachdem er im letzten Jahr schon NEMACUR und MOCAP verkauft hatte, stößt er nun SEVIN (Wirkstoff: Carbaryl) ab. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisiert diesen Schritt, den der Konzern der Öffentlichkeit gegenüber als Teil seiner Nachhaltigkeitsstrategie verkauft: „BAYER hätte die Produktion längst einstellen müssen, statt diese Ultra-Gifte jetzt noch profitabel zu verramschen“.

GAUCHO befördert Milben-Befall
BAYERs Imidacloprid-haltiges Pestizid GAUCHO sorgte für den Tod von Millionen Bienen. Der Leverkusener Multi streitet diese „Nebenwirkung“ jedoch ab und macht stattdessen die Varroa-Milbe für die Sterbefälle verantwortlich. Eine von einem Bienenforschungsinstitut, das dem US-amerikanischen Landwirtschaftsministerium untersteht, durchgeführte Studie wies jetzt einen Zusammenhang zwischen beiden Phänomen nach. Der Untersuchung zufolge zeigten sich durch GAUCHO & Co. geschwächte Bienen anfälliger für den Befall mit der Milben-Art als gesunde Tiere.

GENE & KLONE

BAYER-Gensoja zugelassen
Nachdem sich weder ein ExpertInnen-Gremium der EU noch ein Berufungsausschuss über die Import-Genehmigung für BAYERs Gensoja der BASTA-Produktreihe und drei weiteren Laborfrüchten einigen konnte, hat die Europäische Kommission ein Machtwort gesprochen und alle Sorten zugelassen. Die COORDINATON GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Initiativen haben immer vor einem solchen Schritt gewarnt. „A5547-127“ ist nämlich durch eine auf gentechnischem Wege eingebaute Resistenz auf den Gebrauch des hochgefährlichen Herbizides LIBERTY mit dem Wirkstoff Glufosinat abgestimmt, dessen Gebrauch die Europäische Union ab 2017 verboten hat. Zudem unterscheidet sich die LIBERTYLINK-Pflanze auf Stoffwechsel-Ebene von seinen konventionellen Ebenbildern, was auf eine genetische Instabilität hindeutet, die eigentlich der Gegenstand eines Stress-Tests hätte sein müssen. Dieser unterblieb jedoch. Auch Daten-Material von Fütterungstests liegt nur sporadisch vor. Das alles macht den Soja des Konzerns zu einem unkalkulierbaren Risiko.

Genbaumwoll-Anbau beantragt
Der Leverkusener Multi hat in Spanien einen Antrag auf eine Anbau-Genehmigung für seine Gentech-Baumwolle „GHB 614“ gestellt, die gegen das gefährliche Anti-Unkrautmittel Glyphosat (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) resistent ist.

Genraps-Anbau beantragt
BAYER hat in Australien einen Antrag auf eine Anbau-Genehmigung für seine Genraps-Sorte INVIGOR gestellt. Die Pflanze ist nicht nur gegen Glufosinat immun, sondern auch gegen MONSANTOs berühmt-berüchtigten ROUND-UP-READY-Wirkstoff Glyphosat (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Schadinsekten gewöhnen sich nämlich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen. Ein Lizenzabkommen mit dem US-Unternehmen ermöglichte dem Leverkusener Multi die Entwicklung des Doppelpacks. Die australische Initiative GENEETHICS hat Einspruch gegen das Zulassungsbegehr erhoben und dabei mit der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zusammengearbeitet.

Pestizide per Gentechnik
BAYER nutzt die Biotechnologie zur Produktion von Pestiziden. So kommen bei der Herstellung des Anti-Unkrautmittels INDAZIFLAM gen-manipulierte Coli-Bakterien zum Einsatz.

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft Raps-Sparte
BAYER hat die Rapssaatgut-Abteilung des Unternehmens RAPS GbR erworben. Nach Ansicht der BAYER-CROPSSCIENCE-Vorsitzenden Sandra Peterson wird der Kauf „den Eintritt von BAYER CROPSSCIENCE in den europäischen Raps-Markt weiter beschleunigen“. Der Agro-Multi, der in den USA bereits eine führende Stellung im Raps-Geschäft innehat, will noch in diesem Jahr erste Sorten auf den EU-Markt bringen.

WASSER, BODEN & LUFT

Luftverschmutzungskosten: bis zu 169 Mrd.
Die Europäische Umweltagentur EUA hat ausgerechnet, wie hoch die Kosten für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sind, welche die Luftverschmutzung verursacht. Sie kam auf staatliche Zahlen: Zwischen 102 und 169 Milliarden Euro bewegt sich der Wert. Dabei richten die 191 größten Betriebe die Hälfte des Gesamtschadens an. Und auf dieser Liste durfte BAYER natürlich nicht fehlen. Sowohl die Werke in Leverkusen als auch die in Krefeld fanden sich auf ihr wieder.

Endgültiges Aus für Kohlekraftwerk
Im letzten Jahr hatte der Leverkusener Multi nach massiven Protesten den Verzicht auf die Errichtung eines klimaschädlichen Kohlekraftwerks in Krefeld bekannt gegeben. Stattdessen plante er gemeinsam mit TRIANEL ein umweltfreundlicheres Gas- und Dampfkraftwerk. Aber so ganz in trockenen Tüchern war das Vorhaben lange nicht. „Ob dieses Projekt wirtschaftlich umsetzbar ist, wird sich im Laufe der Projekt-Entwicklung zeigen“, erklärte der Konzern nämlich. Aber Anfang Februar 2012 machte er die Entscheidung dann endgültig, indem er den Bauantrag für die Dreckschleuder offiziell zurückzog.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BAYER: „Bisphenol keine Gefahr“
Im März 2011 hatte die EU die Verwendung der Industrie-Chemikalie Bisphenol A in Babyflaschen untersagt, da die Substanz Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen verursachen kann. Der Leverkusener Multi, der zu den größten Produzenten des Stoffes zählt, spielt die Gefahr jedoch immer noch herunter. Eine Studie des BUNDs, der Kindertagesstätten überprüfte und in 92 von 107 Staubproben Bisphenol nachwies, fand er nicht weiter beunruhigend. Bisphenol A sei nicht krebserzeugend und habe keinen Einfluss auf die Fruchtbarkeit, wiegelte Konzernsprecherin Gisela Stropp gegenüber dem Pfälzischen Merkur ab.

CO & CO.

Erdeinbrüche durch Zechen-Schächte?
Immer wieder kommt es entlang der Trasse von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline zu Erdeinbrüchen. In Erkrath und rund um Ratingen bildeten sich teilweise schon 80 cm tiefe Krater. Stillgelegte Zechen entlang der Trasse könnten diese Gefahr durch die Hohlräume, die von den Schächten herrühren, noch verstärken. 12 solcher Bergbau-Areale hat Erich Hennen von der Initiative STOPP BAYER-CO-PIPELINE ausgemacht, obwohl die Bezirksregierung und das Bergbau-Amt keine Unterlagen herausgaben. „Es wird gemauert, verdeckt, verschwiegen“, kritisierte Hennen.

NANO & CO.

Nano-Kongress in Bayreuth
Anfang Februar 2012 hielt die vom Bundesforschungsministerium geförderte „Innovationsallianz Carbon Nanotubes“, der auch der Leverkusener Multi angehört, ihren vierten Jahreskongress in Bayreuth ab. Von dem Gefährdungspotenzial, das von den Kohlenstoff-Nanoröhrchen (CNT) ausgeht, sprachen die TeilnehmerInnen natürlich nicht, obwohl einige WissenschaftlerInnen es mit demjenigen von Asbest vergleichen. Die Nano-Technologie lässt nämlich Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen, wodurch diese unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften entwickeln. BAYER-Manager Peter Krüger focht das nicht an. Er malte die Nano-Zukunft in goldenen Farben: „Unsere Forschungsarbeiten zeigen, dass CNT wichtige Impulse geben können (...) Das sorgt für innovative Produkte, stärkt die Wirtschaft und schafft Arbeitsplätze. Außerdem geben Kohlenstoff-Nanomaterialien wichtige Impulse für mehr Klimaschutz und Ressourcen-Effizienz.“

BAYER eröffnet Nano-Konferenz
Am 21. und 22. März fand in Brüssel die Konferenz „Nano Enhancers for Plastics 2012“ statt. Sie befasste sich mit dem Segen, den die Nanotechnologie angeblich für die Kunststoff-Industrie bereithält. Das Grundsatz-Referent durfte BAYERs Nano-Beauftragter Peter Krüger halten. Und natürlich ließ er es sich nicht nehmen, in seinem Beitrag die Werbetrommel für die BAYTUBES-Kohlenstoffröhrchen des Konzerns zu rühren.

NIOSH für höhere Nano-Grenzwerte
Selbst ist der Multi: BAYER hatte den Grenzwert für die Belastung der Beschäftigten mit Nano-Stäuben eigenmächtig auf 50 Mikrogramm festgesetzt – und die damalige schwarz-gelbe Landesregierung Nordrhein-Westfalens nickte diesen auch ohne Murren ab. Mittlerweile fordern WissenschaftlerInnen viel schärfere Limits. So empfiehlt das US-amerikanische „National Institute for Occupational Safety and Health“ (NIOSH) eine Marke von sieben Mikrogramm pro Kubikmeter Raumluft.

Nanotubes können Erbgut schädigen
Nano-Röhrchen aus Kohlenstoff, wie der Leverkusener Multi sie mit seinen BAYTUBES herstellt, sind imstande, das Erbgut zu schädigen. Das kann dem österreichischen „Institut für Technikfolgen-Abschätzung“ zufolge sowohl durch einen direkten Kontakt mit der DNA als auch durch entzündliche Reaktionen des Körpers geschehen.

Energie-intensive Nano-Herstellung
Die Herstellung von Kohlenstoff-Nanoröhrchen (CNT) wie BAYERs BAYTUBES ist sehr energie-intensiv. Die Produktion von einem Kilogramm Nanotubes verschlingt bis zu 1 Terrajoule, zu deren Erzeugung es ca. 26.550 Liter Erdöl braucht. „Demnach wären CNTs eines der energie-intensivsten Materialien, die uns bekannt sind“, resümiert das österreichische „Institut für Technikfolgen-Abschätzung“.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Gas-Austritt in Tarragona
Am 11. Januar 2012 kam es auf dem Gelände des spanischen BAYER-Standortes Tarragona zu einem Gasaustritt, was einen mehrstündigen Alarm auslöste.

PLASTE & ELASTE

Neues Forschungszentrum
BAYER MATERIAL SCIENCE, die Kunststoff-Sparte des Leverkusener Multis, hat in Dormagen ein neues Forschungszentrum in Betrieb genommen. Es hat die Aufgabe, „die technischen Abläufe bei der Produktion der Isocyanate MDI und TDI sowie der dabei benötigten Vorprodukte weiter zu erforschen und zu optimieren“. Es geht also vornehmlich um Effizienz-Steigerung. Dabei wäre ein ganz anderer Forschungsschwerpunkt wichtig: Der Versuch, bei der Herstellung der Plaste-Produkte ohne das gefährliche Giftgas Phosgen auszukommen.

STANDORTE & PRODUKTION

Chemie-„Park“ als Giftlager
Seit Jahren bemüht sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) darum, Angaben über die auf den Werksarealen von BAYER gelagerten gefährlichen Chemikalien zu erhalten. Trotz Umweltinformationsgesetz gelang ihr dies bisher nie – der Leverkusener Multi machte stets Terror-Gefahren geltend. Im Frühjahr 2011 jedoch entsprach die Bezirksregierung erstmals einem Antrag der CBG und teilte Zahlen für den gesamten Dormagener Chemie„park“ mit. Sie geben einigen Anlass zur Sorge. So befinden sich auf dem Gelände 70.000 Tonnen „giftige“ bzw. „sehr giftige“, über 13.000 Tonnen leicht entzündliche und über 65 Tonnen brandfördernde Stoffe. Von den sehr giftigen BAYER-Substanzen erreicht Toluol-diisocyanat (TDI) mit 7.765 Tonnen das größte Volumen. Es folgen Dimethylsulfat mit 51, Phosgen mit 36 und Brom mit zwei Tonnen. Bei den „nur“ giftigen Chemikalien nimmt die Propylenoxid-Menge mit 6.400 Tonnen das beträchtlichste Ausmaß an. Dann kommen Methanol mit 951, Chlor mit 761 und Hydrazin mit 360 Tonnen.

Mehr Pillen aus Weimar
BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie haben mehr Nebenwirkungen als andere Kontrazeptiva. So registrierte allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA in den letzten zehn Jahre 190 Sterbefälle nach Thromboembolien. Trotzdem will der Konzern die Produktion von YASMIN und anderen Pillen ausweiten. Darum rief er seine Niederlassungen zu einem internen Standort-Wettbewerb auf, aus dem Weimar als Sieger hervorging. Hier baut der Multi demnächst für 25 Millionen Euro; neue Arbeitsplätze entstehen durch die Investition nicht.

BMS investiert 700 Mio. in Deutschland
BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) kündigte an, bis 2014 ca. 700 Millionen Euro in der Bundesrepublik zu investieren. Zu den Projekten der Kunststoff-Sparte gehört die TDI-Anlage in Dormagen, eine neue Fabrik für Lackrohstoffe in Leverkusen und eine Kapazitätserweiterung in Krefeld. Der Multi feiert das als Bekenntnis zum Standort, obwohl sein finanzielles Engagement in Asien die für Deutschland vorgesehene Summe bei Weitem übersteigt – allein in Shanghai hat sich BMS neue Fertigungsstätten binnen der letzten zehn Jahre 2,1 Milliarden Euro kosten lassen. Viele neue Arbeitsplätze schafft das Unternehmen durch die Bau-Vorhaben auch nicht. So entstehen durch die in Leverkusen geplante Lack-Produktion nach Angaben des Konzerns gerade einmal „bis zu zehn“ neue Jobs.

Keine „Kultur GmbH“ in Leverkusen
Seit der Unternehmenssteuerreform von 2000/2001, die BAYERs ehemaliger Finanzchef Heribert Zitzelsberger in seiner Funktion als Staatssekretär wesentlich mitgeprägt hat, verringerte sich die Abgabenlast des Global Players merklich. Das bescherte den Städten mit BAYER-Standorten große finanzielle Nöte. Darum existierten im chronisch klammen Leverkusen Pläne, das Kulturprogramm des Pharma-Riesen stärker mit demjenigen der Kommune zusammenzuführen. Dazu wird es allerdings nicht kommen. „Wir haben schließlich bemerkt, dass die erhofften Synergie-Effekte bei einer engeren Kooperation doch nicht so groß wären“, so die Kulturpolitikerin Marion Grundmann zu den Motiven für den Entschluss, doch lieber weiter getrennte Wege zu gehen. Der Pharma-Riese, der gern

CO Pipeline

CBG Redaktion

15. Februar 2012

310 Ärzte fordern Stopp der CO Pipeline

Mehr als 300 Ärzte aller Fachrichtungen fordern von der NRW Landesregierung ein Ende der CO-Pipeline, die die BAYER-Werke Dormagen und Krefeld verbinden soll. Wir dokumentieren den Offenen Brief, der von dem Kinder- u. Jugendarzt Dr. Gottfried Arnold initiiert wurde. Ausführliche Informationen finden sich auf unserer Kampagnenseite.

An die Ministerpräsidentin von NRW,
an den Umweltminister von NRW,
an den Landtag von NRW,
an die Bezirksregierung Düsseldorf,
an die CO-Pipeline-Betreiber-Firma BAYER

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir wenden uns gemeinsam als Ärzte im Bereich der CO-Pipeline der Fa. Bayer an Sie, weil wir die Auffassung vertreten, dass im Falle eines CO-Pipeline-Unfalls viele Tote und Verletzte mit Langzeitschäden zu beklagen sein werden und daher das CO Pipeline-Projekt nicht in Betrieb genommen werden darf.

Zur Verdeutlichung dieser Annahme beschreiben wir einige medizinische Fakten:

1. Wie für Radioaktivität gibt es kein menschliches Sinnesorgan, das CO wahrnehmen und damit eine Schutzreaktion in Gang setzen kann. Daher ist die Diagnose schwierig und es hat schon mancher Helfer beim Versuch, einen Bewusstlosen zu retten, selbst eine CO-Vergiftung erlitten.

2. Die Behandlung einer schweren CO-Vergiftung erfordert eine Sauerstoff-Überdrucktherapie, die in ganz NRW im 24-Std.-Dienst nur an der Uni Düsseldorf für 2 bettlägerige Patienten gleichzeitig möglich ist (1).

3. Bei einem Gesunden können bereits nach 3-minütiger Hypoxie (Sauerstoffmangel) irreversible Gehirnschäden auftreten. Noch empfindlicher reagieren chronisch Herz- u. Lungenkranke, Anämiker, Schwangere und kleine Kinder. Ebenso kann auch ein Herzinfarkt durch eine CO-Vergiftung ausgelöst werden, was dessen Erkennung und Versorgung noch erschwert. Je später die effektive Behandlung beginnt, je länger der Sauerstoffmangel besteht, desto größer sind die Folgeschäden. Diese können auch noch nach mehr als einem Jahr nach erfolgreicher Anfangsbehandlung einer CO-Vergiftung auftreten und sind bei schweren CO-Vergiftungen in mindestens der Hälfte der Fälle irreversibel (2,3). Dazu gehören u.a. Parkinson-Erkrankung, Persönlichkeitsveränderungen, dauerhafte und z.T. progrediente Hirnschäden (3-5).

4. Die Rettungsmöglichkeiten bei einem Massenunfall (7,8) sind völlig unzureichend:
a) die Feuerwehren dürfen ihr Personal mit umluftunabhängigen Atemschutzanzügen nur 10 Minuten in eine CO-Wolke hineinschicken, danach muß der Rückweg angetreten werden;
b) die örtlichen Feuerwehren der Städte z.B. im Kreis Mettmann verfügen etwa über 1 Notarzt- und 2 Krankenwagen, womit also nicht mehr als 3 Patienten mit Sauerstoff versorgt werden können. Längere Wartezeiten bis zum Eintreffen unterstützender Feuerwehren beim Massenanfall von Verletzten gehen mit einer Zunahme von bleibenden Hirnschäden und Todesfällen einher;
c) bei einer Intervall-Behandlung von 2 - 3 Std. mit hyperbarem Sauerstoff (HBO) in der einzigen Sauerstoff-Überdruckkammer in NRW mit 24-Std.- Dienst (s.o.) können also maximal nur 16 - 24 bettlägerige Patienten mit schwerer CO-Vergiftung behandelt werden;
d) in dem im TÜV-Gutachten (6) vorgelegten Scenario eines Massenunfalls bei Rohrbruch wohnen laut Angaben der Stadt Hilden (8) in der AEGL -2- Zone 930 Personen (potentiell CO-Vergiftete), in der AEGL-3-Zone 140 Menschen (potentiell Tote).

Aufgrund dieses menschenverachtenden Gefahrenpotentials appellieren wir nachdrücklich an die Firma Bayer, das CO-Pipeline-Projekt aufzugeben.

Dr. med. Gottfried Arnold
Kinderarzt im Ruhestand

(1) Internetauftritt der Überdruckkammer des Universitätsklinikums Düsseldorf.
Verfügbar unter: www.uniklinik-duesseldorf.de->Institute->Hyperbare
Sauerstoff-therapie (HBO).
(2) www.medizin.uni-halle.de/kai/media/ELearning/Kohlenmonoxid.pdf
(3) Gillespie ND et al., Severe parkinsonism secondary to carbon monoxide
poisoning. J R Soc Med 1999; 92(10): 529-530
(4) Gallerani M et al., Parkinsonian syndrome after acute carbon monoxide
poisoning. Am J Emerg Med 2000; 18(7): 833-834
(5) Min SK, A brain syndrome associated with delayed neuropsychiatric sequelae
following acute CO intoxication. Acta Psychiatr Scand 1986; 73(1): 80
(6) TÜV Nord (2005): Betrachtung der Auswirkung von Lecks und einem Vollbruch
in der Kohlenmonoxidleitung von Köln-Worringen nach Krefeld-Uerdingen
der Bayer Industry Services GmbH&Co.OHG, Gutachten, Essen
(7) von Mühlendahl,KE et al., Risikowahrnehmung und -kommunikation bei
Planung und Bau einer CO-Pipeline am Niederrhein. Umweltmed Forsch
Prax 16 (1) 21-27 (2011)
(8) persönliche Mitteilung Stadtverwaltung Hilden am 13.4.2011

[BAYER HV 2012] Hauptversammlung 2012

CBG Redaktion

20 Betroffene und Initiativen haben in der BAYER-Hauptversammlung am 27. April zu den Kehrseiten der BAYER-Geschäftspolitik gesprochen (Fotos und ein Film-Clip)

Medienecho
=> Frankfurter Rundschau: 30 Jahre Kritische BAYER-Aktionäre
=> Tagesspiegel: Duogynon - Wahrheit verjährt nicht
=> ND: Bienentod und Pillenklage
=> RP: Tote durch Bayer-Tests
=> Tagesspiegel: Kritik an Antibaby-Pillen von BAYER
=> Süddeutsche: Nina Hagen unterstützt Aktionen zur BAYER HV
=> Kritische Redebeiträge (Zusammenfassung und ein Aktionsbericht
=> weiterer Bericht von der BAYER Hauptversammlung

Presse Informationen
=> 30 Jahre Kritische Aktionäre / Glückwunsch von Nina Hagen
=> BAYER: Tödliche Pharma-Studien in Indien
=> BUND kritisiert Risiken von Nanotubes
=> Statement von Ärzte ohne Grenzen zu Patentstreit in Indien
=> noch Mitstreiter gesucht!
=> Xarelto: unklares Risiko-Profil
=> „Werbe-Ausgaben von BAYER werden verschleiert“
=> Protest gegen CO-Pipeline auf Aktionärsversammlung

Gegenanträge
=> GenReis, Tier-Antibiotika, gefährliche Antibaby-Pillen: CBG reicht Gegenanträge ein
=> Gegenantrag zu verschleierten Marketing-Ausgaben sowie zu Risiken von Xarelto
=> Gegenantrag zu tödlichen Medikamenten-Studien in Indien
=> Gegenantrag Bienensterben durch Pestizide
=> Tierschutz-Organisation PETA reicht Gegenantrag ein

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[TDI] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

Erörterungstermin für TDI-Anlage

Umweltverbände lehnen Genehmigung ab

Der BAYER-Konzern will im Kölner Norden eine neue Kunststoff-Anlage bauen. Als Zwischenprodukt sollen Tausende Tonnen des einstigen Kampfgases Phosgen eingesetzt werden (siehe SWB 4/2011). Die Coordination gegen BAYER-Gefahren und der BUND erläuterten in dem von der Bezirksregierung Köln organisierten Erörterungstermin ihre Kritik. Auf viele wichtige Fragen gab es von BAYER keine Antworten.

von Philipp Mimkes

Mehr als 100 Personen drängten sich im Technischen Rathaus der Stadt Dormagen beim Erörterungstermin für die geplante Toluylendiisocyanat (TDI)-Anlage. Anwohner, Behörden und Medien waren bei der zweitägigen Diskussion zahlreich vertreten. Sechs EinwenderInnen brachten ihre Kritik vor, darunter Vertreter der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG), die Dormagener Grünen sowie Dieter Donner und Angelika Horster vom BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ (BUND). Angelika Horster ist Mitglied der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission für Anlagensicherheit, Donner gehört zu den Koordinatoren des Widerstands gegen die CO-Pipeline zwischen Dormagen und dem BAYER-Werk Krefeld.
Der BAYER-Konzern rückte gleich mit 30 Personen an. Vom Produktionsleiter, dem Chef der Feuerwehr und dem Pressesprecher bis hin zum Leiter der Müllverbrennungsanlage und dem Betriebsratsvorsitzenden waren alle wichtigen Repräsentanten des Standorts zugegen.
Bei der Bezirksregierung Köln waren zuvor 60 Einwendungen eingegangen, 52 stammten von UnterstützerInnen der CBG. Coordination und BUND hatten zuvor rund 1.500 Seiten aus den Antragsunterlagen ausgewertet, darunter die Umweltverträglichkeits-Untersuchung, das Brandschutzkonzept und die Störfall-Analyse. Dementsprechend lang war die Tagesordnung: Anlagensicherheit, Störfall-Szenarien, Luft-Emissionen, Wasserverschmutzung, Schallschutz, Müllentsorgung, uvm.

Ressourcen-Einsatz unklar
Auch nach der ausführlichen Diskussion halten die Umweltverbände an ihrer grundsätzlichen Kritik an dem Projekt fest. So machte BAYER trotz wiederholter Nachfrage keine genauen Angaben zum Ressourcen-Einsatz bei der Produktion von TDI. Ohne Kenntnis aller eingesetzten Rohstoff- und Energie-Mengen ist eine Analyse der Umweltauswirkungen jedoch unmöglich.
Knackpunkt der Genehmigung ist der Einsatz hochtoxischer Chemikalien wie Phosgen, Kohlenmonoxid, Orthodichlorbenzol und Chlor, von denen dauerhaft Gefahren für Mitarbeiter und Anwohner ausgehen. Angesichts einer Lebensdauer von bis zu 40 Jahren, würde eine Genehmigung der Anlage diese risikoreiche Produktion über Jahrzehnte hinweg zementieren.
Dieter Donner vom BUND bemängelt die fehlenden Angaben zu Auswirkungen eines großen Störfalls: „BAYER hat die fast alltäglichen Leckagen von Dichtungen und Flanschen zum größtmöglichen Unfall stilisiert. Welche Schäden durch die Verbreitung von Giftstoffen wie Kohlenmonoxid oder Phosgen bei einem Leitungscrash wie damals bei INEOS entstehen können, wurde gar nicht erst untersucht.“ Die Bezirksregierung kündigte immerhin an, solche worst case-Szenarien von BAYER nachzufordern. Auch kritisiert Donner die geplante Einhausung: „Die Anlage in Dormagen soll lediglich mit einer Blechhülle umschlossen werden. Bei der Firma DOW CHEMICALS hingegen musste eine ähnliche Anlage auf Anforderung der Behörden mit Beton umschlossen werden. Weder BAYER noch das Landesumweltamt konnten oder wollten sich dazu äußern, warum hier ein niedrigerer Standard verwendet wird.“
Manfred Puchelt von der DORMAGENER AGENDA 21 kritisiert die fehlenden Angaben zur Umwelthaftung: „Wenn es zu einer umfassenden Katastrophe durch Freisetzung von Phosgen, Kohlenmonoxid oder TDI kommt, wie ist dann die Haftung für die Bevölkerung geregelt? BAYER antwortete sinngemäß, die Frage stelle sich nicht, weil die Anlagen sicher sind. Aber nicht alle Risiken lassen sich mit mathematischer Wahrscheinlichkeits-Rechnung vorhersagen, siehe Fukushima.“ Vor einigen Jahren hatte die Bundesregierung feste Regelungen für eine Deckungsvorsorge angekündigt. Da es bis heute aber kein Gesetz gibt, wird die Höhe des Versicherungs-Schutzes vom Betreiber selbst festgelegt - und wird noch nicht einmal kontrolliert. Puchelt weiter: „Für die Bevölkerung bleibt die bange Ungewissheit, ob die als „geheim“ eingestufte Deckungssumme im Fall einer Katastrophe ausreichend ist. Merkwürdig, wo doch jeder Mopedfahrer eine garantierte Haftpflichtsumme nachweisen muss.“

Einhausung durchgesetzt
Trotz der grundsätzlichen Kritik an der Chlorchemie, für die die TDI-Produktion exemplarisch steht, begrüßt die Coordination gegen BAYER-Gefahren den Fortschritt bei der geplanten Sicherheitstechnik. Dieser sei auf beständigen Druck von außen zurück zu führen. So fordern Umweltverbände seit den 80er Jahren eine Einhausung, also eine feste Hülle um gefährliche Anlagen. Aus Kostengründen hatte die Industrie dies stets abgelehnt. BAYER will nun erstmals einen solchen Schutz bauen. Zudem soll eine automatische Abschalt-Vorrichtung installiert werden, die auch ohne Strom funktioniert. „Hinter den nun erreichten Sicherheits-Standard wird die Industrie zumindest in Deutschland nicht mehr zurückfallen können – ein wichtiger Erfolg für die Umweltbewegung insgesamt“, so Jan Pehrke von der CBG. BAYER-Werke in den USA hingegen verfügen über weit niedrigere Sicherheits-Technik als in Deutschland, dort kam es in den vergangenen Jahren zu mehreren schweren Störfällen.
Mit welch harten Bandagen gekämpft wird, wenn es um die Kosten für die Sicherheitstechnik geht, zeigen kürzlich bekannt gewordene Unterlagen der Firma DUPONT. Darin lehnt die Firma eine Einhausung phosgenführender Anlagen ab, um keinen Präzedenzfall zu schaffen. In dem internen Memo heißt es: „Wenn wir zwei Millionen Dollar ausgeben, werden wir in 10.000 Jahren statistisch 14 Leben retten. Das bedeutet, der Preis eines Menschenlebens plus öffentlicher Empörung liegt bei $143.000. Möglicherweise könnten wir uns zwei Millionen Dollar für eine Einhausung leisten. Aber können wir es uns leisten, eine solche Maßnahme durchzuführen, die einen Präzedenzfall für alle hochgefährlichen Chemikalien schafft?“.
Die nun von BAYER geplante Schutzhülle verhindert zwar den Austritt von Phosgen, würde einer Explosion oder einer Beschädigung von außen jedoch nicht standhalten. Die CBG forderte in der Erörterung daher ein kräftigeres Containment, das auch einen Schutz gegen Feuer oder erhöhten Druck liefert. Außerdem fordert die Coordination zusätzliche Schutzmaßnahmen für den Fall einer Explosion innerhalb der Einhausung. Ein solcher Schutz wäre z.B. durch Einsprühen von Ammoniak-Dampf zu erreichen, womit sich das hochtoxische Phosgen neutralisieren ließe.

geringe Abstände
Ein weiteres Thema in dem Erörterungstermin waren die geringen Abstände der TDI-Anlage zur Werksgrenze. So liegt eine Haltestelle der S-Bahn gerade einmal 300m entfernt. Zur Wohnbebauung sind es 1.000 Meter. Die Kommission für Anlagensicherheit hingegen empfiehlt für Phosgen-Anlagen einen Abstand zur Bevölkerung von 1,5 km. Da mehrere Studien zeigen, das bei einem massiven Phosgenaustritt auch in einem Abstand von 1.000m Gesundheitsgefahren drohen, sollte der Mindest-Abstand aus Sicht der CBG in keinem Fall unterschritten werden. BAYER hingegen argumentierte, dass die Empfehlung nur für die Bauleitplanung gelte, nicht aber bei der Genehmigung von Anlagen.
Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs spricht jedoch eine andere Sprache. Einem Gartenbaubetrieb war es untersagt worden, sich in einem Abstand von 250m von einer Chemie-Fabrik anzusiedeln. Begründet wurde das Mitte September ergangene Urteil damit, dass der in der Seveso-II-Richtlinie der EU geforderte Mindestabstand nicht eingehalten wird. Juristen gehen davon aus, dass die Entscheidung dazu führen wird, dass Bauprojekte mit hohem Publikumsverkehr in der Nähe von Industrieanlagen künftig häufiger untersagt werden. Auch werde es für Industrieunternehmen wohl schwerer, neue Standorte zu finden beziehungsweise Anlagen dicht an Siedlungen zu erweitern.
BAYER ist von der verschärften Auslegung der EU-Gesetze auch an einer anderen Stelle betroffen: in Leverkusen wollte der Konzern eine unmittelbar neben dem Werk gelegene Fläche an ein Sport-Kaufhaus verkaufen. Auf Drängen der Stadt wurde das Geschäft zunächst auf Eis gelegt, um das EU-Urteil zu prüfen.
Die Entscheidung der Bezirksregierung Köln zur Genehmigung der TDI-Anlage soll zum Jahreswechsel fallen.

alle Infos zur Kampagne

[HV Artikel] STICHWORT BAYER 03/2011

CBG Redaktion

Turbulente BAYER-Hauptversammlung

Massenauflauf der Einzelfälle

Die BAYER-Hauptversammlung entwickelt sich mehr und mehr zu einem Hort von Konzern-KritikerInnen. Rund 150 Menschen kamen am 29. April 2011 nach Köln, um den AktionärInnen zu demonstrieren, mit welch desaströsen Folgen das erkauft ist, was Konzern-Chef Marijn Dekkers in seiner Eröffnungsrede als „höchsten Umsatz der BAYER-Geschichte“ pries.

Von Jan Pehrke

ImkerInnen in Berufskleidung mit Rauchgeräten, eine Person in einem Käfig, Menschen mit Schildern wie „Warum wurden wir als Versuchskaninchen missbraucht?“ und junge Frauen in roten T-Shirts nahmen die BesucherInnen der Hauptversammlung am Eingang der Kölner Messehalle 7 in Empfang. „Was hat das alles mit BAYER zu tun?“, mochten sich die AktionärInnen gefragt haben, als sie sich einen Weg durch den Pulk bahnten. Aber längst nicht alle wollten das wirklich wissen. Viele würdigten die Konzern-KritikerInnen keines Blickes, und manche beschimpften sie sogar: „Ihr solltet euch schämen!“.
Wer jedoch aufgeschlossener war, der bekam auf der „Protestmeile“ die Antwort plastisch vor Augen geführt. So hatten die Bienenzüchter reichlich Anschauungsmaterial mit nach Köln gebracht, das die verheerenden Wirkungen der BAYER-Pestizide illustrierte: Auf einem weißen Laken zeigten sie den Aktien-Haltern ihre von den Ackergiften en masse getöteten Bienen. Die Person im Käfig entpuppte sich bei näherer Betrachtung als die Verkörperung eines von Pillen made in Leverkusen malträtierten Versuchskaninchens. Den Frauen in der roten Kluft stand schon auf den Leib geschrieben, was Produkte des Leverkusener Multis ihnen angetan hatten. „Erfolgsbilanz ‚Die Pille‘: Susan, 29 Lungenembolie“ war da etwa zu lesen. Und nicht wenigen der Versammelten schließlich vermochten die Hauptversammlungsgäste sogar gleich die Schädigungen anzusehen, die der Schwangerschaftstest DUOGYNON - bis Mitte der 1970er Jahre vom inzwischen zu BAYER gehörenden SCHERING-Konzern vertrieben - verursacht hat: entstellte Hände, Kleinwüchsigkeit oder lädierte Augen.
Einige suchten dann auch den Kontakt zu den Gehandicapten, die nie eine Entschädigung erhalten haben, und unterstützten ihr Ansinnen, den Pharma-Riesen per Gericht zur Herausgabe von internen Dokumenten über das Präparat zu zwingen. „Ich bin schon der Meinung, dass BAYER Akten-Einsicht gewähren muss“, sagte etwa eine ehemalige Beschäftigte des Konzerns laut Westfälischer Rundschau. Der Uerdinger SPD-Vorsitzende Peter Schröder reagierte weniger verständnisvoll auf die DUOGYNON-AnklägerInnen, die teilweise sogar aus England angereist waren. „Der Wohlstand, den wir haben, der hat auch etwas mit dieser Firma zu tun“, sagte er einer von ihnen aufs Gesicht zu. „Ich habe keinen Wohlstand durch BAYER“, entgegnete ihm die Angesprochene daraufhin erbost, „Ich habe ein behindertes Kind“.
Seinen Wohlstandsspruch hätte Schröder auch den GegnerInnen der Kohlenmonoxid-Pipeline, den AktivistInnen von der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT oder Mitgliedern der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) an den Kopf werfen können, denn diese komplettierten die Protest-Aktion. Rund 150 Menschen nahmen daran teil, so viel wie noch nie. Das entging auch der Presse nicht. Von BAYER-KritikerInnen, „die gefühlt immer stärker werden“, kündete die Rheinische Post, und als „außerordentlich lebhaft“ beschrieb der Kölner Stadtanzeiger das Treiben vor der Messehalle.

Verlesung der Anklagen
Drinnen im Saal ging es nicht weniger turbulent weiter. Hatten die Konzern-KritikerInnen Vorstand und Aufsichtsrat in früheren Jahren zumeist „nur“ mit ihren Reden traktiert, so setzten sie diesmal zusätzlich auf non-verbale Kommunikation. Die DUOGYNON-Geschädigten traten zu mehreren ans RednerInnen-Pult, stellten sich kurz vor und übergaben dann das Wort an den CBG-Mitstreiter Friedhelm Meyer. Als dieser sich daranmachte, die Übersetzung des Beitrages von Karl Murphy zu verlesen, setzte ein Teil der Gruppe sich in Bewegung, schritt die Gasse zwischen Bühne und Publikum ab und zeigte den ManagerInnen auf dem Podium ihre deformierten Hände. Fast zehn Minuten lang mussten Dekkers & Co. diese stumme Prozession über sich ergehen lassen, während Meyer ihnen darlegte, wie genau die SCHERING-Verantwortlichen damals über die Risiken und Nebenwirkungen des Schwangerschaftstests informiert waren. „Dieses Hormon sollte nicht eingesetzt werden, wenn eine Schwangerschaft besteht und die Verwendung in einer kritischen Phase der Organ-Entwicklung erfolgen könnte“, zitierte der Pfarrer im Ruhestand aus internen Firmen-Dokumenten.
Einen umfassenden Einblick in diese Unterlagen verlangt Andre Sommer. Bisher hat BAYER diesen verweigert, und auch eine Auskunftsklage konnte in der ersten Instanz noch keine „Akten-Einsicht“ erzwingen. „Aus welchem Grund verweigert BAYER-SCHERING die Auskunft über DUOGYNON?“, fragte er deshalb auf der Hauptversammlung. Der Grundschullehrer hat die Website www.duogynonopfer.de initiiert und seither mehr als 3.500 Emails und Briefe von Menschen erhalten, die mit schweren Schädigungen wie offenem Rücken, Wasserköpfen, Harnleiter-Fehlbildungen, Verstümmelungen an den Gliedmaßen oder Nieren-Krankheiten auf die Welt kamen. Eindrucksvoll begründete Sommer, weshalb den Betroffenen eine Einsichtnahme in das Firmen-Material so wichtig ist. „Sie leben tagtäglich mit dem Trauma und denken, wenn nicht täglich, dann immer wieder daran und stellen die Frage nach dem Warum (...) Diese Menschen wollen nun endlich Gewissheit haben, ob DUOGYNON schuld an Missbildungen hatte oder nicht“, führte er aus. Der Engländer John Santiago unterstützte die Forderung Sommers. „Bei dem Gerichtsverfahren in Berlin vor ein paar Monaten hatten Sie Gelegenheit, die Verantwortung zu übernehmen. Stattdessen fanden Ihre clevere Anwälte einen formalen Ausweg: Ansprüche müssen innerhalb von dreißig Jahren angemeldet werden, seien jetzt also verjährt“, hielt er dem Vorstand vor und schloss mit den Worten: „Wachen Sie auf, BAYER. Helfen Sie den Geschädigten!“.
Auch die Geschädigten eines anderen Präparates des Pharmariesen, des Verhütungsmittels YASMIN und seiner Ableger, traten diesmal gemeinsam vor das Mikrofon. So wollten die Frauen von vornherein verhindern, als Einzel-Schicksale bagatellisiert zu werden, was Dekkers-Vorgänger Werner Wenning im letzten Jahr versucht hatte. „Ich bin heute hier nicht allein - ich bin kein anonymer Einzelfall“, stellte Felicitas Rohrer deshalb von Anfang an klar und wies auf die Leidensgenossinnen neben ihr. „Mit mir sind hier: Nana, Lungenembolie mit 30 nach Einnahme der YAZ; Susan, Lungenembolie mit 29 nach Einnahme der YASMINELLE; Britta, beidseitige Lungenembolie mit Rechtsherz-Insuffizienz mit 32 nach Einnahme der YASMINELLE; Antonia, sieben Lungenembolien ab dem Alter von 16 Jahren nach der Einnahme der YASMIN“, zählte die junge Frau auf und vergaß auch diejenigen nicht, die kein Glück im Unglück hatten. „Sind zwölf tote Frauen in Deutschland und rund 200 tote Frauen in den USA wirklich als Einzelfälle zu bewerten?“, fragte sie den Vorstand.
Ein anderer durch Pharmazeutika von BAYER um seine Gesundheit Gebrachter konnte nicht mehr nach Köln reisen: Andreas Bemeleit vom Bluter-Netzwerk ROBIN BLOOD. Nur durch seine Worte war er in der Halle präsent, denen dann auch die Erklärung dafür zu entnehmen war: „Wäre da nicht diese alte Geschichte, dann würde nicht Frau Schneider hier stehen und meine Rede für mich verlesen“. Und diese alte Geschichte, das ist die seiner ab den 1970er Jahren erfolgten Infektion mit Hepatitis C durch verseuchte Blut-Präparate des Global Players. „Wir Bluter hatten darauf vertraut, dass wir mit sicheren Medikamenten versorgt werden. Doch die Konzerne benutzten für die Herstellung der Gerinnungspräparate vor allem preiswertes Blut von Hochrisikogruppen wie Gefängnis-Insassen“, so schilderte Bemeleit seine Krankheitsgeschichte. Eine Einladung zu einem Gespräch, ein Bekenntnis zur Verantwortung oder gar ein Entschädigungsangebot - auf all das wartete der Bluter bisher ebenso vergeblich wie die VorrednerInnen. Trotzdem machte er noch mal einen Vorschlag zur Güte: „Wäre es für die Außenwirkung der BAYER AG nicht von Vorteil, sich als verantwortungsvolles Unternehmen darzustellen, indem sie eine für alle Beteiligten annehmbare Regelung vereinbart?“.
Aber der Konzern blieb hart. Marijn Dekkers stritt ein Fehlverhalten ab und kündigte an, das Unternehmen werde „entschieden gegen die Ansprüche vorgehen“. Auch den DUOGYNON-Geschädigten kam er nicht entgegen. Der BAYER-Chef verwies auf die bereits von seinem Vorgänger bekundete Anteilnahme, um sich dann aber gleich wieder unerbittlich zu zeigen. „Ich kann das nur wiederholen. Wiederholen kann ich allerdings auch, dass sich nichts an den Fakten geändert hat. Sie sprechen eindeutig gegen ihr Anliegen. Es gibt keinen Nachweis für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen DUOGYNON bzw. PRIMODOS und den diskutierten embryonalen Missbildungen“, so der Ober-BAYER. Und selbstverständlich auch keinen zwischen den firmen-eigenen Verhütungsmitteln und Embolien. Auf YASMIN & Co. zurückzugreifen, sei die „sicherste, komfortabelste Methode, eine Schwangerschaft zu verhüten“, behauptete der Vorstandsvorsitzende. Überdies versprach er der auf den Hauptversammlungen stets als BAYER-Claqueurin auftretenden Betriebsrätin Gudrun Kiesler, ihre Anregung aufzugreifen und in Zukunft die vermeintlichen Vorteile der konzern-eigenen Kontrazeptiva stärker herauszustreichen. Die betroffenen Frauen hielt es kaum auf den Sitzen ob einer solchen Ignoranz.

Risikogesellschaft BAYER
Aber lebensgefährlich ist nicht nur die Pharma-Produktion des Global Players. Das Thema „Risiken“ zog sich als Leitmotiv durch fast alle Gegenreden der Konzern-KritikerInnen. Und die Bezugnahme auf Fukushima fehlte auch fast nie. Marijn Dekkers hingegen haben die Ereignisse in Japan nicht zu einem Umdenken bewogen. Hatte er in einem Interview bereits die bundesdeutschen Reaktionen auf die Atom-Katastrophe als überzogen bezeichnet, so legte er in seiner Eröffnungsrede noch einmal nach: „Ich halte es für bedenklich, dass unsere Gesellschaft Risiken am liebsten komplett ausschließen will“.
CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes hielt gerade diese Waghalsigkeit für bedenklich, da sie beim Leverkusener Multi in der Vergangenheit bereits für einige mittlere Katastrophen gesorgt hat. Aus aktuellem Anlass begann sein Überblick über die BAYER-Risikogesellschaft ohne Haftung bei der Atomkraft. Der gelernte Physiker erinnerte daran, dass der Konzern bei der Einführung der Kernkraft in der Bundesrepublik zu den treibenden Kräften gehört hatte und dieser Energieform bis zuletzt - etwa durch die Teilnahme an der Kampagne zur Laufzeit-Verlängerung - in Treue fest verbunden blieb. Und wer solche Gefahren nicht scheut, der nimmt auch gerne die Gefährdungen in Kauf, die von dem als Kunststoff-Zwischenprodukt verwendeten Giftgas Phosgen ausgehen, obwohl die Konkurrenz teilweise bereits Alternativ-Verfahren in Betrieb hat. Aber BAYER zeigt zu einer Umstellung ebenso wenig Bereitschaft wie dazu, zu Gunsten einer unbedenklicheren Vorort-Fertigung des lebensbedrohlichen Kohlenmonoxids (CO) auf eine fast 70 Kilometer lange, Wohngebiete streifende Pipeline zu verzichten, monierte der CBGler. Wohin diese Haltung führen kann, das hatte vor drei Jahren die Explosion in Institute deutlich gemacht, bei der zwei Menschen starben. Was der Gen-Gigant als Risikobereitschaft darstellt, bezeichnete das US-amerikanische „Chemical Safety Board“ in einer Untersuchung des Vorfalls laut Mimkes als mangelnde Anlagen-Sicherheit. „Der Tod der Arbeiter ist umso tragischer, als er hätte vermieden werden können“, zitierte er aus dem Untersuchungsbericht.
Auf das vom CBG-Vorständler nur gestreifte Thema „CO-Leitung“ ging Dieter Donner in voller Breite ein. Und auch ihm kam dabei Fukushima in den Sinn. „Das Gas Kohlenmonoxid, das Sie durch diese Pipeline leiten wollen, ist extrem heimtückisch und im Falle einer Leckage in seiner Wirkung durchaus Auswirkungen eines Atomunglücks vergleichbar“, redete der Aktivist von der STOPP-BAYER-CO-PIPELINE-Initiative dem Vorstand ins Gewissen. Angesichts katastrophaler Katastrophen-Pläne, bestehender Alternativen und einer wegbrechenden Geschäftsgrundlage für die Pipeline - der CO-Überschuss in Dormagen existiert nicht mehr - forderte er Dekkers zu einem Baustopp auf. Dabei konnte Donner sich auch auf eine Entscheidung des Stuttgarter Verwaltungsgerichts berufen, das ein ähnliches Vorhaben zu Fall gebracht hat, weil es wie das BAYER-Projekt den von der „Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung“ vorgegebenen Sicherheitsabstand zur Wohnbebauung nicht einhält.
Philipp Strom von der österreichischen GREENPEACE-Sektion zog derweil Parallelen zwischen der Gentechnik und der Kernkraft. „Die größte Gemeinsamkeit ist wohl, dass beide nicht wirklich kontrollierbar sind und dass - wenn etwas schief geht - die Auswirkungen katastrophal und unumkehrbar sind“, so Strom. Und bei BAYER ist da schon etwas schief gegangen. Der Greenpeaceler erinnerte die AktionärInnen in seiner Rede an BAYERs LL601-Reis, der 2006 plötzlich in allen möglichen Supermarkt-Sorten auftauchte. Axel Köhler-Schnura schließlich nannte in seinem Beitrag noch andere GAU-Kandidaten aus dem BAYER-Angebot: die Nanotechnik und die für das weltweite Bienensterben mitverantwortlichen Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide. „Meine Damen und Herren, auch wenn die Bienen nur kleine Mitbewohner unseres Planeten sind - ohne sie können wir einpacken. Sie sind nämlich maßgeblich verantwortlich für die Bestäubung der Pflanzenwelt und damit für die weltweite Lebensmittel-Produktion. Ohne Bienen keine Lebensmittel - so einfach ist das. Und wenn der kritische Punkt überschritten ist, dann haben wir eine BAYER-verursachte Menschheitskatastrophe!“ mahnte er.
Ein Menetekel für diese Apokalypse stellten 2008 die Ereignisse in der Rheinebene südlich von Karlsruhe dar. „Über 12.500 Bienenvölker sind damals nachweislich durch das BAYER-Saatgut PONCHO bzw. PONCHO PLUS vergiftet worden“, klagte der Imker Christoph Koch an. Der Leverkusener Multi machte jedoch nicht die Produkte an sich, sondern nur eine fehlerhafte Verarbeitung dafür verantwortlich. Obwohl er diese Mängel inzwischen behoben hat, kommt es in Ländern wie Österreich, in denen der Konzern die Mittel nach wie vor verkaufen darf, weiterhin zu Vergiftungen. Dafür hatte Koch sogar Beweismaterial mit nach Köln gebracht. Er zeigte ein großes Foto mit einem Maissaatkorn hoch, dessen Beiz-Hülle aufgeplatzt war und erläuterte: „Dieser Abrieb, dieses Absplittern aber ist der Grund für die immer noch stattfindenden Bienenvergiftungen“. Aufgrund dieser neuen Befunde stellte auch sein Kollege Walter Haefeker, der Präsident des Europäischen Berufsimkerverbandes EPBA, fest: „Eine bienen-ungefährliche Anwendung dieser Produkte ist offensichtlich in der Praxis nicht möglich“. Und dass die BienenzüchterInnen mit dieser Meinung nicht alleine dastehen, demonstrierte an diesem Freitag Stephanie Brancaforte vom Kampagnen-Netzwerk AVAAZ. Sie übergab der Vorstandsriege eine Petition zum Verkaufsstopp von PONCHO & Co., die über 1,2 Millionen Menschen unterzeichnet haben. „Diese gewaltige Anzahl Unterschriften bringt das Ausmaß der öffentlichen Besorgnis - und gewiss auch der Empörung - zum Ausdruck“, erläuterte Brancaforte.
Da brauchte der Imker Bernhard Heuvel gar nicht mehr in eigener Sache zu sprechen, weshalb er die Gelegenheit nutzte, um grundsätzlicher zu werden. „Wie die vielen in den Vorreden vorgestellten Fälle von menschlichem Leid zeigen, scheint hier auch ein allgemeines Problem mit der Risikobewertung vorzuliegen“, konstatierte er. Aus diesem Grund machte der Bienenzüchter dem Agro-Riesen den Vorschlag, nicht erst ein Produkt zu entwickeln und anschließend eine Risiko-Bewertung vorzunehmen, sondern es von Anfang auf mögliche Nebenwirkungen hin zu untersuchen.

Sicher, sicherer, BAYER
Der Leverkusener Multi sah dazu keinerlei Veranlassung. Seine Pestizide hält er bei sachgerechter Anwendung für bienensicher. Gleiches gilt auch für seine Gen-Pflanzen. „Bei der Gentechnik gibt es wissenschaftlichen Studien zufolge keine Risiken“, beschied Dekkers Philipp Strom. In puncto „Phosgen“ kannte der Holländer ebenfalls keine Bedenken. „Ich kann Ihnen versichern, dass der Umgang mit Phosgen sicher ist“, antwortete er dem CBGler Philipp Mimkes. Und bei der geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline gewähre der Konzern sogar Sicherheit über das geforderte Maß hinaus. So war Fukushima dann nicht mehr überall bei BAYER, sondern nirgends. Dass Axel Köhler-Schnura BAYER in die Nähe von Atom-Katastrophen rücke, zeige, wie genau er es mit der Realität nehme, hielt der BAYER-Chef dem CBGler deshalb vor.
Wie nicht anders zu erwarten, empfand der Vorstandsvorsitzende auch den übrigen Teil der Rede Köhler-Schnuras als wirklichkeitsfern. Dabei zeigte der Diplom-Kaufmann nicht nur die Ursache für die real existierende Gemeingefährlichkeit vieler Produkte, Produktionen und Projekte des Multis auf - die gnadenlose Profit-Jagd - , er schilderte darüber hinaus die Auswirkungen der Rendite-Vorgaben auf die Belegschaft und konnte dafür sogar mit konkreten Zahlen aufwarten. „4.500 Arbeitsplätze sollen an den alten BAYER-Standorten vernichtet werden“, monierte das CBG-Vorstandsmitglied und prangerte überdies die ständig zunehmende Arbeitsverdichtung und die ständig abnehmenden Steuerzahlungen an. Das alles mochte Dekkers nicht auf sich sitzen lassen. „Sie liegen mit ihrer pauschalen Kritik an unserem Unternehmen total daneben“, teilte er dem Konzern-Kritiker mit und resümierte: „Mir ist bewusst, dass Sie ein völlig anderes Wertesystem haben“.
Das scheint aber mittlerweile auch ein Teil der eigenen Belegschaft zu haben. Zum ersten Mal nach vielen Jahren nutzten Beschäftigte die Hauptversammlung wieder als Forum für Kritik an dem Pharma-Riesen. Eine Lohnabhängige gab ihrer Sorge um den Pharma-Standort Berlin Ausdruck und zog eine bittere Bilanz der 2006 erfolgten SCHERING-Übernahme. Versprach BAYER den SCHERINGlerInnen damals „weitere Vorteile“ aus dem Zusammenschluss, so ist davon heute nichts zu sehen. Arbeitsplatzvernichtung im großen Stil, Reduzierung des dortigen Vorstands, Streichung des Namens „SCHERING“ und Verlegung der Leitung nach Leverkusen - Maßnahmen wie diese „kann man nicht als Erfüllung der Zusage werten“, meinte die Belegschaftsangehörige. Dekkers jedoch ging mit keinem Wort auf die Zukunftsängste der BerlinerInnen ein; für ihn blieb der Erwerb von SCHERING „eine Erfolgsgeschichte“.
Eine solche dokumentiert für den Manager auch der Nachhaltigkeitsbericht des Global Players, obwohl dieser einen erhöhten Kohlendioxid-Ausstoß, Schadstoff-Emissionen en masse und Störfälle dokumentiert, wie der Autor dieses Artikels darlegte. „Zur Kritik besteht kein Anlass“, entgegnete Dekkers ihm.
In den angesprochenen Nachhaltigkeitsberichten finden sich ebenfalls regelmäßig Bekenntnisse zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Tierversuchen. „Die Prinzipien gelten auch für externe Studien und werden von unserem Tierschutz-Beauftragten kontrolliert“, heißt es da etwa. Wie wenig das der Realität entspricht, schilderte die Tierärztin Christine Esch von der Tierrechtsorganisation PETA. Sie berichtete von unhaltbaren Zuständen bei einem Unternehmen, das für BAYER das Flohmittel ADVANTAGE testen ließ. Die Beschäftigten schleuderten die Tiere in ihre Käfige, spritzten sie mit Hochdruck-Reinigern ab und rissen ihnen die Krallen heraus. Und natürlich kein BAYER-Tierschutzbeauftragter weit und breit.
Warum der Multi nicht dafür gesorgt habe, den Kreaturen dieses Leid zu ersparen, wollte Esch wissen. Der BAYER-Chef bekundete, sofort nach Veröffentlichung des PETA-Recherchematerials die Geschäftsbeziehungen zu dem Kooperationspartner abgebrochen zu haben - eine dreiste Lüge, denn zu dem Zeitpunkt waren die ADVANTAGE-Versuche schon längst beendet. Die anderen Fragen von Christine Esch beantwortete er dann - wenn überhaupt - ähnlich inadäquat, wie diejenigen der anderen RednerInnen. Philipp Mimkes, dem der Versammlungsleiter Manfred Schneider überdies noch das Wort entzog, veranlasste das, Widerspruch zu Protokoll zu geben.
BeobachterInnen, die BAYERs Antwort-Praxis aus den früheren Jahren noch nicht kannten, hat dieses Verhalten, besonders den Medikamenten-Geschädigten gegenüber, tief verstört. „Wenn Menschen von Angesicht zu Angesicht von ihrem Leiden erzählen und das einfach weggewischt wird - ich habe das als unmenschlich empfunden. Ich konnte es menschlich nicht nachvollziehen, und das schockt mich“, hielt der Imker Bernhard Heuvel in seiner Nachbetrachtung fest. Einer Aktionärin erging es genauso. „Ich bin eigentlich kein sonderlich emotionaler Mensch, aber die Rede zum Thema „Schädigungen durch die Antibabypille“ hat mich trotzdem sehr berührt. Umso unverständlicher fand ich dann die Reaktion darauf, und es hat mir für die Betroffenen sehr leid getan, so abgekanzelt worden zu sein“, schrieb sie der Coordination nach der Hauptversammlung. Die Frau hatte daraus die Konsequenz gezogen, zum ersten Mal in ihrem Leben gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zu stimmen. Und genau wegen solcher Reaktionen lohnt der ganze Einsatz, der besonders den Pharma-Geschädigten viel Stärke und Mut abverlangt.

Proteste in der Bayer HV am 29. April: Videos, Reden, Fotos und Medienberichte

[CO Pipeline] STICHWORT BAYER 03/2011

CBG Redaktion

Niederlage für BAYER

Gericht stoppt CO-Pipeline

Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hat am 25. Mai 2011 die Inbetriebnahme von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline wegen ihrer mangelnden Erdbeben-Sicherheit untersagt.

Als vernachlässigbar hatte die Düsseldorfer Bezirksregierung die Erdbeben-Sicherheit von BAYERs CO-Leitung angesehen. Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht teilte die Meinung der Genehmigungsbehörde nicht. Deshalb erklärte es Ende Mai 2011 den Planfeststellungsbeschluss zu der zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline für „rechtswidrig und vorerst nicht vollziehbar“. Nach Meinung von Richter Winfried Schwerdtfeger versäumte es die Behörde zu prüfen, ob die oberirdisch verlaufenden Rohr-Brücken Erschütterungen standhalten. Zudem warf das Gericht ihr vor, keine Untersuchung des Grundwasser-Standes unter der Trasse vorgenommen zu haben, obwohl ein besonders hoher Pegel im Zusammenspiel mit ungünstigen Bodenverhältnissen bei einem Beben zu Erd-Absackungen mit verheerenden Folgen für das Röhrenwerk führen kann.

„Bis auf die Knochen blamiert“ sehen die STOPP-BAYER-CO-PIPELINE-Intiativen nun BAYER, den TÜV als Gutachter und die Bezirksregierung, die sich dann auch bass erstaunt über die „völlig neue Rechtsauffassung der Kammer“ zeigte. Die Gruppen werteten das Urteil als „Etappen-Sieg“. Am Ziel wähnen sie sich noch nicht. Die JuristInnen haben dem Projekt nämlich zugebilligt, dem Allgemeinwohl dienlich zu sein, und deshalb keinen Anstoß an den Enteignungen entlang des Streckenverlaufes genommen. Zudem haben sie den Streckenverlauf trotz bestehender Alternativen abgesegnet und sich auch nicht an den teilweise schon rostenden Bau-Teilen gestört. „Denken Sie daran, wie rostig die Stahlstreben sind, die in Stahlbeton eingebaut werden. Das ändert an der Sicherheit des so entstandenen Hauses gar nichts“, hatte der Sachverständige dem Richter erfolgreich ins Gewissen geredet.

Darum akzeptieren die Anwohner, die gegen ihre Zwangsenteignung geklagt hatten, das Urteil nicht und gehen in Berufung. Die Bezirksregierung muss indessen ein Planergänzungsverfahren auf den Weg bringen. Die grüne Regierungspräsidentin Anne Lütkes kündigte an, dieses transparent und unter Einbeziehung der BürgerInnen gestalten zu wollen. Trotzdem macht BAYER gute Miene zum bösen Spiel. „Die geringfügigen Nachbesserungen zur Erdbeben-Sicherheit sind unproblematisch“, erklärte ein Konzern-Justiziar nach dem Urteil.

Der Gerichtsbeschluss dürfte den Genehmigungsprozess jedoch nochmals empfindlich verzögern. Schon seit Jahren ist die Inbetriebnahme der Leitung ausgesetzt, da das Oberverwaltungsgericht Münster im Dezember 2007 erhebliche Zweifel an der Gemeinnützigkeit des Projekts geäußert hatte. Zudem liegen noch mehr als 40 weitere Klagen vor. Aber der Widerstand beschränkt sich nicht auf die juristische Ebene. Die Bürgerinitiativen entlang der Trasse zeigen ein beeindruckendes Engagement und haben beispielsweise mehr als 110.000 Unterschriften gegen den Bau gesammelt. Die CBG hat auf den BAYER-Hauptversammlungen mehrfach Gegenanträge zu dem umstrittenen Projekt eingereicht. Sogar die Feuerwehren haben sich gegen das Vorhaben ausgesprochen, denn sie sehen sich außerstande, die Bevölkerung im Fall eines Gas-Austritts umfassend zu schützen. Und selbst innerhalb der Belegschaft des Leverkusener Multis gibt es Pipeline-GegnerInnen.

Der Pharma-Riese zeigt sich sichtlich überrascht von der breiten Ablehnung. Er hatte das Ganze lange als reine Formsache betrachtet. Schon bevor der nordrhein-westfälische Landtag das Rohrleitungsgesetz verabschiedete und die Bezirksregierung sich mit der Genehmigung befasste, hatte er Verträge über Gas-Lieferungen nach Krefeld mit LINDE geschlossen. Steif und fest behauptete BAYER stets, dass „Pipelines sowohl unter Sicherheits- als auch unter Umweltaspekten das beste Transportmittel“ wären, weil diese Schiffs- oder LKW-Frachten ersetzten. Tatsächlich finden auf diesen Wegen jedoch keine nennenswerten CO-Transporte statt. Nicht nur deshalb muss nach Auffassung der Coordination weiter das Prinzip gelten, Gefahrstoffe nur am Ort ihrer Verwendung zu produzieren. Und dies gilt umso mehr, als durch die Errichtung neuer Kunststoff-Fertigungsstätten in Dormagen dort nun gar kein überschüssiges Kohlenmonoxid mehr anfällt, das per Röhren-Verbund nach Krefeld geleitet werden könnte, denn genau das hatte der Global Player ursprünglich zur Begründung seiner Pläne angeführt.

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), welche die BürgerInnen-Proteste Anfang 2006 mitinitiiert hatte, nimmt deshalb das Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts zum Anlass, abermals ein Ende des Projekts zu fordern. „Wir beglückwünschen die Kläger und die Bürgerinitiativen zu diesem großen Erfolg! Nun ist der Moment gekommen, dieses unselige Vorhaben zu beerdigen“, heißt es in ihrer Presseerklärung.
Von Philipp Mimkes und Jan Pehrke

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2011 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

TESTBIOTECH kritisiert EFSA
Der Verein TESTBIOTECH hat Kritik an der Art und Weise, wie die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA die Risiken der Laborfrüchte von BAYER & Co. beurteilt, geübt. So unterlässt es die EFSA, die unlängst durch ihre Verfilzung mit den Gen-Giganten für Schlagzeilen sorgte (Ticker 2/11), die Wechselwirkung zwischen dem Erbgut der Pflanze, dem eingebauten Gen und der Umwelt zu untersuchen. Auch fehlen der Behörde klare Kriterien für ein Negativ-Urteil, monierte die Initiative.

CBG verlangt Phosgen-Verzicht
Der Leverkusener Multi will in Brunsbüttel und Krefeld seine Polycarbonat-Produktion erweitern, dabei aber weiterhin das gefährliche Vorprodukt Phosgen verwenden, obwohl es bereits seit langem Alternativ-Verfahren gibt. Dagegen hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit dem BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ protestiert. „Die Phosgen-Chemie gehört nach Atomkraftwerken zu den risiko-reichsten Technologien in Deutschland. Fukushima zeigt, dass das Undenkbare möglich ist! Das Risiko, jährlich Hunderttausende Tonnen eines Giftgases zu produzieren, ist schlichtweg zu hoch - zumal es Alternativen gibt. Wir fordern, dass neue Werke nach dem neuesten Stand der Technik gebaut werden müssen“, heißt es in der Presseerklärung.

Leserbrief zu Phosgen-Produktion
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte in Presse-Erklärungen die von BAYER in Brunsbüttel und Krefeld geplante Ausweitung der Polyurethan-Produktion kritisiert, weil der Leverkusener Multi dabei weiterhin auf ein Verfahren mit dem Giftgas Phosgen setzt, obwohl Alternativen bestehen (s. o.). Daran knüpfte eine Leserin der Brunsbütteler Zeitung an. Sie schrieb dem Blatt: „Ich frage mich, ob der Brunsbütteler Bevölkerung eigentlich bekannt ist, was BAYER dort plant und welche Auswirkungen das hochgiftige Phosgen-Gas haben kann. Dieses Gas - im 1. Weltkrieg als Kampfgas genutzt - ist für den Menschen schon in geringsten Dosen tödlich! Es ist bekannt, dass von BAYER in Brunsbüttel viele oder sehr viele Arbeitsplätze abhängen und daher evtl. niemand so recht wagt, etwas dagegen zu sagen. Aber eventuell toten - vielleicht vielen toten - Menschen nützen irgendwelche Arbeitsplätze dann auch nichts mehr“.

CBG-Leserbrief an die SZ
Der BAYER seit langen Jahren besonders zugetane Journalist Stefan Weber von der Süddeutschen Zeitung verfasste für die Serie „Starke Marken“ eine halbseitige ASPIRIN-Eloge, ohne sich weiter den Risiken und Nebenwirkungen des „Tausendsassas“ zu widmen. Das tat dann die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN in einem Leserbrief. „Der Wirkstoff greift tief in den biochemischen Haushalt des Körpers ein und kann u. a. Blutungen im Magen-Darm-Trakt und Magengeschwüre verursachen. Trotzdem versucht die BAYER AG das Präparat als ‚Wunderpille‘ zu vermarkten - zum Beispiel mit der website WonderDrug.com. Von den Gefahren findet sich in der Werbung kein Wort. Dabei sterben in den USA mehr Menschen an ASPIRIN-Nebenwirkungen als beispielsweise an HIV oder Verkehrsunfällen“, heißt es in der Zuschrift.

Proteste vor Brüsseler BAYER-Büro
Die TeilnehmerInnen der „Europäischen Saatguttage“, die Mitte April 2011 in Brüssel stattfanden, haben auch vor BAYERs Brüsseler Niederlassung demonstriert. Der Leverkusener Multi gehört nämlich zu den Hauptprofiteuren der von der EU geplanten Novelle des Saatgutrechts, will diese den LandwirtInnen doch untersagen, selber Saatgut in Verkehr zu bringen und so das Monopol der Agro-Riesen zementieren. Noch dazu sollen wichtige Prüfungen künftig in den Händen von BAYER & Co. oder in denen der von Industrie-VertreterInnen durchsetzten „Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit“ liegen (siehe auch Ticker 2/11). Zum Zeichen des Protestes gegen das Projekt haben die AktivistInnen den Europa-ParlamentarierInnen außerdem 51.416 Unterschriften übergeben.

KAPITAL & ARBEIT

Pharma-Fusion unter Gleichen?
Mit schöner Regelmäßigkeit stellt BAYER-Chef Marijn Dekkers Unternehmensteile zur Disposition. Hatte er im März 2011 die Bereitschaft erkennen lassen, die Kunststoff-Sparte zu veräußern, falls der Konzern Geld für eine Akquisition benötige, so zeigte er sich zwei Monate später gegenüber Veränderungen im Pharma-Bereich aufgeschlossen. „Wir würden möglicherweise einen Zusammenschluss unter Gleichen in der Healthcare-Sparte erwägen“, sagte er nicht irgendwo, sondern bei einem Besuch der Finanzagentur BLOOMBERG in New York. Bei einem solchen Joint-Venture wäre es leichter, die Prämie für die AktionärInnen zurückzuverdienen als bei Übernahmen, führte der Holländer laut Financial Times Deutschland aus. Allerdings stellt sich bei Deals dieser Art oftmals keine echte Parität ein. Einer der Partner ist nicht selten ein wenig gleicher als der andere.

„Pharma-Campus“ schrumpft
Als der Leverkusener Multi 2006 SCHERING übernahm, stellte er den Beschäftigten Vorteile aus dem Zusammenschluss in Aussicht. Die Realität sah jedoch anders aus. 1.000 Belegschaftsangehörige mussten sofort gehen. Mit dem neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers brachen dann noch härtere Zeiten an. Er tilgte den Namen und unterstellte die Pillen-Schmiede direkt dem Kommando des Pharma-Chefs Jörg Reinhardt. Auch von dem Job-Abbau, den Dekkers kurz nach seinem Amtsantritt ankündigte, sind die BerlinerInnen in besonders hohem Ausmaß betroffen. Das alles „kann man nicht als Erfüllung der Zusage werten“, warf eine Angestellte dem Vorstandsvorsitzenden auf der Hauptversammlung im April 2011 deshalb vor. Sie fragte den Holländer ebenfalls nach der Zukunft der hochtrabenden „Pharma-Campus“-Pläne, in die nicht zuletzt der Senat der Hauptstadt große Hoffnungen steckt, weil er sich davon eine Sogwirkung auf andere Unternehmen verspricht. Der Ober-BAYER drückte sich um eine klare Antwort. Aber zwei Wochen später wurde der Konzern deutlicher. Er präsentierte eine deutlich abgespeckte Version des Masterplans; der Bau eines Hochhauses steht jetzt nicht mehr zur Debatte.

BAYER gliedert BBS aus
Der Leverkusener Multi gliedert Teile seiner IT-Sparte BAYER BUSINESS SERVICES aus; künftig übernimmt eine SIEMENS-Tochter die Dienstleistungen. Durch diese Maßnahme vernichtet BAYER im Konzern-Verbund die Arbeitsplätze von 260 Belegschaftsangehörigen und 290 LeiharbeiterInnen. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE kritisierte diesen Schritt deshalb scharf. „Offensichtlich verstehen die Arbeitgeber unter Wettbewerbsfähigkeit nur die Maximierung betriebswirtschaftlicher Kennziffern, mit denen sie die Finanzmärkte begeistern wollen“, so Reiner Hoffmann, Landesbezirksleiter der Gewerkschaft.

Job-Streichungen in Emeryville
Auch über sein im November 2010 beschlossenes Rationalisierungsprogramm hinaus vernichtet der Leverkusener Multi noch Arbeitsplätze. So stellt er die Fertigung des Multiple-Sklerose-Wirkstoffs Betaferon im US-amerikanischen Emeryville ein. Künftig übernimmt BOEHRINGER für BAYER die Herstellung. Die meisten der 540 Beschäftigten verlieren durch diese Maßnahme ihren Job. Damit bleibt der Konzern seiner Devise treu, bevorzugt Produktionen zu schließen, in denen sich Betriebsgruppen von Gewerkschaften konstituieren wollen. In Emeryville hatte das Unternehmen die Gründung hintertrieben, indem es mit Stellen-Streichungen drohte und die Beschäftigten-VertreterInnen als „Schmarotzer“ diffamierte, die es nur auf die Beiträge der Belegschaftsangehörigen abgesehen hätten.

Job-Streichungen in Leverkusen
Auch am Stammsitz Leverkusen streicht BAYER Stellen. Nach Informationen der Gewerkschaften will der Konzern 61 Arbeitsplätze in den der Geschäftsführung zuarbeitenden Corporate Centern vernichten.

Fabrik-Verkauf in Norwich
Im Rahmen seines Rationalisierungsprogramms will sich BAYER von seiner Pestizid-Fabrik im englischen Norwich trennen und stellt damit 280 Arbeitsplätze im Konzern zur Disposition. Der Leverkusener Multi, der 2010 noch elf Millionen Pfund in den Standort investiert hatte, sucht Werksleiter Tim Green zufolge einen Interessenten für die Produktionsanlagen. Er dürfte allerdings selbst kaum daran glauben, auch einen zu finden, denn als Käufer kämen nur vier, fünf Konzerne aus dem exklusiven Club des Agrochemie-Oligopols in Betracht - und nach Neuerwerbungen steht denen im Moment nicht der Sinn. Es besteht also die Gefahr, dass von Norwich nur eine Mensch, Tier und Umwelt schädigende Altlast übrig bleibt, wofür die Fertigungsstätte in Hauxton nahe Cambridge ein warnendes Beispiel abgibt (Ticker 2/10).

4,1 Prozent mehr Lohn
Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE hat sich mit dem „Arbeitgeberverband Chemie“ auf eine Lohnerhöhung in Höhe von 4,1 Prozent geeinigt. Nach Berechnungen der KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener Werk, bleiben davon inflationsbereinigt zwei Prozent übrig. Auszubildende erhalten nach dem neuen Tarifvertrag, der eine Laufzeit von 15 Monaten hat, 35 Euro mehr. „Das Ergebnis ist weder überragend, noch ist es schlecht, es bewegt sich in einer Größenordnung, die man im Allgemeinen als moderat bezeichnen kann“, resümieren die Durchschaubaren das Ergebnis. Ihrer Ansicht nach fehlten auf der Verhandlungsagenda die Themen „gleicher Lohn für LeiharbeiterInnen“ und „Festgeld-Erhöhung“, also das Streiten für die Anhebung des Tarifs um einen bestimmten Betrag, was mehr Verteilungsgerechtigkeit verspricht. Von einem prozentualen Zuwachs profitieren die oberen Einkommensgruppen nämlich mehr als die unteren.

Zehn Millionen für den Vorstand
Der Vorstand des Leverkusener Multis darf sich über üppige Bezüge freuen. Mehr als zehn Millionen Euro strich die Riege im Geschäftsjahr 2010 ein - über eine Million Euro mehr als 2009. Allein BAYER-Chef Marijn Dekkers erhielt fast vier Millionen Euro. Erstmals orientiert sich die Hälfte der variablen Vergütung an der Entwicklung der BAYER-Aktie während eines Zeitraums von drei Jahren, aber gnädigerweise hat der Konzern zweien seiner Vorstände für die „System-Umstellung“ noch einen Aufschlag von fünf Prozent gewährt.

BAYER zahlt Ex-Manager Entschädigung
BAYERs Top-ManagerInnen können mit einer Lohnfortzahlung im Ausscheidungsfall rechnen. Weil die Führungskräfte nicht direkt vom Leverkusener Multi zur Konkurrenz wechseln dürfen, erhalten sie dafür beim Abschied eine Art Schmerzensgeld. So zahlte der Global Player seinem im April 2010 ausgeschiedenen Finanz-Vorstand Klaus Kühn laut Geschäftsbericht 765.000 Euro „als Entschädigung für dieses Wettbewerbsverbot“.

BAYER gliedert Werksschutz aus
BAYER CROPSCIENCE hat am Stammsitz Monheim den Werksschutz ausgegliedert. Fortan übernehmen - wie bereits im Brunsbütteler BAYER-Werk - Beschäftigte des Sicherheitsunternehmens VSU diese Aufgabe. „Damit leisten wir einen Beitrag zur Verbesserung der Kosten-Situation an den rheinischen und niederrheinischen BAYER-Standorten“, so die Landwirtschaftssparte zur Begründung des Schrittes. Betriebsrat und Chemie-Gewerkschaft kritisieren die Maßnahme scharf. „Wir schätzen, dass die immerhin über eine formale Ausbildung verfügenden künftigen Werksschützer einen Stundenlohn zwischen zwölf und dreizehn Euro erhalten. Das liegt deutlich unter der niedrigsten Lohnstufe, in die zum Beispiel Produktionshelfer in der Chemischen Industrie eingestuft werden“, moniert der Betriebsratsvorsitzende Oliver Zühlke. Von „Lohndumping in stark sensiblen Tätigkeitsfeldern“ spricht er deshalb. Die 17 bisherigen WerksschützerInnen erhalten nach BAYER-Angaben andere Job-Angebote im Konzern.

Wenning EON-Aufsichtsratschef
Der ehemalige BAYER-Chef Werner Wenning wäre nach seiner Amtszeit am liebsten bruchlos Aufsichtsratsvorsitzender beim Leverkusener Multi geworden. Das erlauben jedoch die Gesetze nicht mehr. Also trainiert er bis zur Rückkehr an die alte Wirkungsstätte schon einmal bei anderen Konzernen. So leitet er seit 2010 den EON-Aufsichtsrat und sitzt bei der DEUTSCHEN BANK, HDI und TALANX in den Kontrollgremien. Darüber hinaus gehört er den Gesellschafter-Ausschüssen von HENKEL und BAYER Leverkusen an und ist Vize-Präsident des „Verbandes der Chemischen Industrie“.

Neues Projekt der BASIS-BETRIEBSRÄTE
Mitglieder der BASIS-BETRIEBSRÄTE, einer alternativen Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk, haben das Projekt „Wechselwirkung LEV“ ins Leben gerufen. Es hat sich zum Ziel gesetzt, ein gemeinsamer Anlaufpunkt für Erwerbslose, prekär Arbeitende und regulär Beschäftigte in der Stadt zu werden. „Alle Leute, die unbequem sind, die raus sind aus dem Chemie-„Park“ oder in sonstiger Weise nicht der Gewerkschaft angepasst sind“, sollen dort nach den Worten des Mitinitiators Nikolaus Roth zusammenkommen. Auch der Zersplitterung der BAYER-Belegschaft, die sich inzwischen auf die unterschiedlichsten Tochter-Gesellschaften mit den unterschiedlichsten Arbeitsbedingungen verteilt und so die oppositionelle Betriebsratsarbeit erschwert, will Roth durch die „Wechselwirkung LEV“ entgegenwirken.

ERSTE & DRITTE WELT

Immer mehr Menschenversuche
BAYER & Co. gehen in immer früheren Test-Phasen dazu über, Medikamente an Menschen zu erproben. Die Pharma-Riesen wollen schneller belastbare Informationen über die Praxis-Tauglichkeit einer neuen Arznei erhalten und so Entwicklungskosten sparen. Als Reservoir für die Versuchsreihen dienen vornehmlich die Länder der „Dritten Welt“. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Zu einem der beliebtesten Staaten für dieses Geschäft hat sich mittlerweile Indien entwickelt. BAYER lässt dort unter anderem das Multiple-Sklerose-Medikament BETAFERON, die Hautgeschwür-Arznei IMPAVIDO sowie vier Krebs-Präparate großflächig erproben.

Klagerecht für BAYER & Co.
Die Europäische Union schließt fleißig Freihandelsabkommen ab (SWB 2/11). Die Verträge mit Kolumbien, Peru und Südkorea sind schon unterschrieben, ein Abschluss mit Indien steht noch in diesem Jahr an. BAYER & Co. haben die Agenda der EU bei den Verhandlungen entscheidend mitbestimmt und profitieren entsprechend von den Ergebnissen wie strengere Patent-Regeln, freiere Marktzugänge, mehr Investitionsschutz, Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen und verbesserte Zugriffe auf Rohstoffe. Und jetzt geht die EU noch einen Schritt weiter. Sie räumt den Konzernen bei bilateralen Investitionsabkommen ein Klagerecht gegen Umwelt- und Sozialgesetze der Vertragspartner ein. „Diese Investitionsabkommen hebeln die Demokratie aus. Konzerne haben dadurch häufig mehr Rechte als Regierungen. Sie sind eine Gefahr für jede ökologische und soziale Politik und das öffentliche Interesse“, kritisiert deshalb Roland Süß von ATTAC.

POLITIK & EINFLUSS

Üppige Parteispenden des VCI
Der Leverkusener Multi spendet in der Bundesrepublik nicht selber an politische Parteien, um den Eindruck direkt gekaufter Entscheidungen zu vermeiden. Er überlässt diesen Job dem „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Die jüngst veröffentlichen Rechenschaftsberichte von CDU, SPD und FDP weisen für das Wahlkampf-Jahr 2009 üppige Zuwändungen von Seiten des Lobby-Clubs aus. Die ChristdemokratInnen bekamen 228.000 Euro, die Liberalen 118.000 Euro und die SozialdemokratInnen 56.000. Bündnis 90/Die Grünen und „Die Linke“ erhielten nichts.

Dekkers bei Merkel
Kaum hatte Marijn Dekkers beim Leverkusener Multi den Chef-Sessel übernommen, da machte er auch schon seinen Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Visite „diente dem gegenseitigen Kennenlernen, aber auch bereits der ersten Diskussion wichtiger politischer und wirtschaftlicher Fragen“, hielt BAYERs Propaganda-Postille direkt fest.

Yu Zhengsheng bei BAYER
Im April 2011 besuchte Yu Zhengsheng, der Parteisekretär von Shanghai, BAYERs Konzern-Zentrale in Leverkusen und sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers und anderen Managern über die Bauvorhaben des Global Players in China.

Krüger im Wissenschaftsministerium
Obwohl Nano-Teilchen eine asbest-ähnliche Wirkung entfalten können, hat die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze die neue Technologie zur Chef-Sache erklärt und fördert Forschung & Entwicklung in diesem Bereich mit 50 Millionen Euro bis 2050. Da bleiben wiederholte Treffen mit BAYER-ManagerInnen nicht aus. So lud sie im Mai 2011 den „Expertenkreis Nano-Technologie zu einem „Runden Tisch“ ins Wissenschaftsministerium ein, dem auch Péter Krüger von BAYER MATERIAL SCIENCE angehört. Zum Sinn und Zweck des Meetings erklärte dieser: „Die Nanotechnologie gehört zu den Zukunftsthemen schlechthin. Es wird erwartet, dass im Jahr 2015 die Eigenschaften von 15 bis 20 Prozent der weltweit produzierten Güter wesentlich durch Nano-Technologie bestimmt sein werden. Dabei liegt es auf der Hand, dass echte Entwicklungsoptionen über die Grenzen von rein technologischen und ökonomischen Aspekten hinaus gedacht werden müssen.“

SPDlerInnen bei BAYER
Im Januar besuchten hochrangige nordrhein-westfälische SPD-Landespolitiker das Bergkamener BAYER-Werk. Der Fraktionsvorsitzende Norbert Römer, der wirtschaftspolitische Sprecher Thomas Eiskirch und der Wahlkreis-Abgeordnete Rüdiger Weiß lobten trotz eines Kohlendioxid-Ausstoßes von acht Millionen Tonnen im Geschäftsjahr 2009 die Umweltschutz-Anstrengungen des Leverkusener Multis und versicherten dem Konzern ihren Beistand bei so umstrittenen Projekten wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und Kohlekraftwerken. „Speziell forschungsorientierte Unternehmen geben vielfach positive Impulse für die gesamte Gesellschaft. Deshalb braucht die Politik gerade dort starke Partner“, so Römer.

Weiter Druck auf Remmel
Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte bei ihrem Amtsantritt 2010 unter anderem ein Klimaschutz-Gesetz angekündigt - angesichts eines NRW-Anteiles an den bundesweiten Kohlendioxid-Emissionen von 33 Prozent eine überfällige Maßnahme. Nach einem ersten Entwurf nimmt sich Rot-Grün vor, den CO2-Ausstoß im Land bis 2020 um 25 Prozent und bis 2050 um 80 bis 90 Prozent zu senken. Ein Klimaschutzplan soll regeln, wieviel jede Branche noch emittieren darf und auch als Maßstab für die Bewilligung neuer Anlagen dienen. Sofort nach Bekanntwerden der Pläne brach ein Sturm der Entrüstung los (Ticker 2/11), der sich auch nicht mehr legte. So gab „Unternehmer NRW“, der Interessensverband von BAYER & Co., ein Gutachten in Auftrag, das in dem Paragraphen-Werk einen Verstoß gegen die Verfassung sah. Die politischen Interventionen verfehlen ihren Einfluss auf die SozialdemokratInnen nicht. Deren wirtschaftspolitischer Sprecher Thomas Eiskirch, gern gesehener Gast bei BAYER (s. o.), erklärte bereits: „Ein Klimaschutzziel von 80 bis 90 Prozent gibt es so im Gesetz nicht“. Das Vorhaben dürfte den Landtag also kaum ohne „Nachbesserungen“ passieren.

Voigtsberger bei BAYER
Der NRW-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) besuchte die Zusammenkunft des nordrhein-westfälischen Chemie-Verbundes „ChemCologne“ im Leverkusener Baykomm und hielt dort einen Vortrag zum Thema „Bedeutung und Zukunft der Chemie-Industrie in NRW“.

Birgit Fischer neue VFA-Chefin
Die frühere BAYER-Angestellte Cornelia Yzer musste den GeschäftsführerInnen-Posten beim „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller (VFA), den der Leverkusener Multi mitgegründet hat, räumen (Ticker 2/11). Die Pharma-Riesen werfen ihr vor, die im Zuge des „Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ (AMNOG) beschlossene Erhöhung des Krankenkassen-Rabattes für neue Medikamente ebenso wenig verhindert zu haben wie ein Ende der Preisfindung nach Gutsherren-Art und eine Kosten/Nutzen-Bewertung für Medikamente. Ihr folgt die frühere SPD-Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen, Birgit Fischer, nach, die das AMNOG in ihrer früheren Position als Chefin der BARMER-Krankenkasse noch als zu industrie-freundlich kritisiert hatte. BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke erklärte in seiner Funktion als VFA-Vorsitzender die überraschende Personalie mit der Notwendigkeit, den Dialog mit allen AkteurInnen der Gesundheitsbranche zu intensivieren. Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn vermutet indes ganz andere Motive hinter der Verpflichtung Fischers: „Da wettet ein Verband 30 Monate vor der Bundestagswahl gegen die amtierende Regierung auf einen Wechsel“.

Große Entrup „econsense“-Boss
Wolfgang Große Entrup ist der Umweltpolitiker des Leverkusener Multis. Er steht dem BAYER-Stab „Politik und Umwelt“ vor und leitet die Umweltkommission beim CDU-Wirtschaftsrat, den industrie-hörige ChristdemokratInnen in den 1960er Jahren präventiv aus Angst vor einem Linksschwenk Konrad Adenauers gegründet hatten. Seit kurzem hat Große Entrup noch einen Posten inne. Er hat den Chefsessel bei „econsense“ eingenommen, einer auf anti-ökologisches Lobbying spezialisierten Ausgründung des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“.

Thomas sitzt „Plastics Europe“ vor
Patrick Thomas, der Chef von BAYER MATERIAL SCIENCE, hat den Vorsitz des Verbandes „Plastics Europe“ übernommen, der die Interessen der Kunststoff-Hersteller auf europäischer Ebene vertritt.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit üppig mit Agrar-Subventionen. 183.000 Euro strich der Konzern im letzten Jahr ein. Das Geld dürfte wie ehedem BAYERs Laarcher Hof in Monheim bekommen haben, der als klassischer Ackerbau-Betrieb firmiert, obwohl er nur eine Versuchsküche für die Pestizide des Konzerns ist.

BAYERs Griechenland-Geschäfte
Von dem Geld im zweistelligen Millionen-Bereich, das griechische Hospitäler ihm schuldeten, musste der Leverkusener Multi jüngst rund 20 Prozent abschreiben. Trotzdem will der Konzern auf diesen Markt auch künftig nicht verzichten, darum lässt er seinen KundInnen ab 2010 ein Jahr Zeit, ihre Rechnungen zu begleichen.
Andere bundesdeutsche Unternehmen warten ebenfalls auf Überweisungen aus dem südosteuropäischen Land, weshalb BAYER & Co. natürlich ein vitales Interesse an den Zahlungsfähigkeit gewährleistenden Milliarden-Krediten haben.

Politikbrief mit Prominenten
„Mit dem BAYER-Politikbrief ‚Beitrag‘ bringen wir unsere Expertise in die politische Debatte in Deutschland ein“, so charakterisiert der Leverkusener Multi Sinn und Zweck seiner Publikation, die sich an „politische Entscheider auf Bundes- und Landesebene sowie Wissenschaft, Wirtschaft und Medien“ wendet. Eine weitere Funktion der Veröffentlichung ist es, Personen mit einflussreichen Posten als AutorInnen zu gewinnen. So schreibt im neuesten Politikbrief mit Namen „re:source“ Achim Steiner vom Umweltprogramm der UN, dessen offizieller Partner BAYER ist, über den Klimagipfel von Kopenhagen. Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft prophezeit: „In der Krise erneuert sich die Wirtschaft“ und Michael Vassiliadis von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE unterbreitet den Lösungsvorschlag: „Mit Forschung und Sozialpartnerschaft aus der Krise“.

PROPAGANDA & MEDIEN

5,5 Mio. an Hämophilie-Verbände
Bluter-Verbände beschenkt BAYER reichlich, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. Von den 57 Millionen Euro, die der Leverkusener Multi 2010 für „wohltätige Zwecke“ ausgab, erhielten Hämophilie-Organisationen fast zehn Prozent: 5,5 Millionen Euro, wie BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Hauptversammlung im April 2011 bekannt gab.

Kraft zeichnet Baykomm aus
BAYER gehörte 2006 zu den Sponsoren der Kampagne „Land der Ideen“, welche die Fußball-Weltmeisterschaft dazu nutzte, um für den Industrie-Standort zu werben. Der PR-Betrieb hat die Ball-Treterei sogar überlebt und veranstaltet zum Beispiel noch den Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“. Als einen dieser Orte haben die InitiatorInnen nun mit dem Baykomm das Kommunikationszentrum des Leverkusener Multis ausgezeichnet - sie wissen offenbar, was sie ihren Geldgebern schuldig sind. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft überreichte die Auszeichnung und pries das Propaganda-Forum des Konzerns dafür, „Besucher jeglichen Alters mit Wissenschaft und Forschung vertraut zu machen“.

Dekkers kritisiert Sicherheitsdenken
BAYER-Chef Marijn Dekkers kritisiert das angeblich übertriebene Sicherheitsdenken in der Bundesrepublik. Die Reaktion auf die Atom-Katastrophe in Japan hält er für überzogen, und eine andere Risiko-Kultur, wie sie der BOSCH-Vorstandsvorsitzende Franz Fehrenbach gefordert hat, braucht es für die Chemie seiner Meinung nach nicht. Die Branche habe ihre Lektion seit Seveso und Bhopal gelernt, meint der Holländer - trotz der Großexplosion in BAYERs Bhopal-Referenzwerk Institute vom August 2008. Nur etwas kleinlaut räumte Dekkers ein: „Aber auch für uns gilt: Ein Restrisiko lässt sich leider niemals ganz ausschließen“. In der Gentechnik hat der Konzern damit schon Bekanntschaft machen müssen. Im Jahr 2006 suchte gentechnisch veränderter Langkorn-Reis des Gen-Giganten weltweit die Supermärkte heim. Trotzdem bekennt sich der Ober-BAYER weiterhin wacker zu dieser Technologie. „Weltweit haben Menschen inzwischen mehr als zwei Billionen Mahlzeiten mit gentechnisch veränderten Produkten verzehrt, ohne dass sie irgendwelche Schäden erlitten hätten“, so der Manager.

Dekkers für Forschungsförderung
Hatte schon der frühere BAYER-Chef Werner Wenning bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit für eine steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsausgaben geworben, so erweist sich Marijn Dekkers als würdiger Nachfolger. In einem Handelsblatt-Beitrag forderte er die Politik angesichts der andernorts schon lange üblichen Forschungsförderung zum Handeln auf und sparte selbst mit Drohungen nicht: „Es liegt auf der Hand, dass solche Unterschiede auch bei Standort-Entscheidungen den Ausschlag geben können“. Umgekehrt wird für ihn kein Schuh draus: Dem Vorstoß der Bundesregierung, innerhalb der EU für einen Subventionsabbau auf diesem Sektor zu werben, kann Dekkers nichts abgewinnen.

BAYER „bester Apotheken-Partner“
Die Pharma-DrückerInnen des Leverkusener Multis leisten in den Pharmazien ganze Arbeit. Das sehen jedenfalls die ApothekerInnen so, die sich an der Umfrage des Branchenblattes PharmaRundschau beteiligten. Sie zeigten sich mit der persönlichen Betreuung durch die Außendienst-MitarbeiterInnen, dem Service und der Leistungsfähigkeit des Konzerns zufrieden und wählten den Pillen-Riesen in den Kategorien „Schmerzmittel“ und „Antipilzmittel“ zum „besten Apotheken-Partner“. Zweite Plätze gab es jeweils beim DiabetikerInnen-Bedarf, bei der Wund- und Brandversorgung sowie bei den Grippe- und Magen/Darmmitteln. Ein Grund für den innigen Bund dürften die hohen Preise der BAYER-Mittel sein, die den PharmazeutInnen hohe Margen versprechen. Im Fall von ASPIRIN hatten 11.000 von 21.000 bundesdeutschen Apotheken im Jahr 2007 sogar Kartell-Absprachen mit dem Pharma-Riesen getroffen und sich dazu verpflichtet, keine Billig-Angebote zu machen, wenn der Hersteller ihnen dafür im Gegenzug großzügige Rabatte gewährt. Darüber hinaus pflegt der Global Player die pharmazeutische Landschaft auch noch mit einem Schulungs- und Forschungszentrum.

BAYER VITAL stockt Werbeetat auf
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat 2010 nach Angaben des Fachmagazins Healthcare Marketing allein in der Bundesrepublik mit 54,39 Millionen Euro bedeutend mehr für Reklame ausgegeben als im Vorjahr. Nur KLOSTERFRAU investierte mehr. TV-Werbung und Anzeigen in Publikumszeitschriften schluckten dabei den Löwen-Anteil des Etats, aber immerhin schon sieben Prozent der Aufwändungen flossen in den Online-Bereich.

GynäkologInnen preisen YASMIN
BAYER sponsert die kanadische GynäkologInnen-Gesellschaft großzügig. Zum Dank dafür griffen die MedizinerInnen beim Verfassen einer Aufklärungsschrift über Verhütungsmittel auf Werbematerial des Leverkusener Multis zurück. Sie übernahmen einzelne Passagen sogar wortwörtlich und priesen YASMIN & Co. als Mittel gegen Akne und Migräne. Über die Embolie-Gefahr, die von den Mitteln ausgeht - allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte in den letzten zehn Jahren 190 Sterbefälle - fand sich natürlich nichts in der Broschüre.

US-Star preist BEYAZ
Trotz zahlreicher Todesfälle setzt BAYER weiter auf Kontrazeptiva aus der YASMIN-Familie. Weil für die Präparate der Patentschutz ausläuft, bringt der Leverkusener Multi nun Varianten mit geringfügigen Abweichungen auf den Markt. So hat er in den USA für BEYAZ die Zulassung erhalten, das zusätzlich zu dem berühmt-berüchtigten YAZ-Wirkstoff Drospirenon noch Vitamine aus dem B-Komplex enthält, um einer angeblichen Unterversorgung bei späteren Schwangerschaften und daraus resultierenden Geburtsfehlern vorzubeugen. Für die Produkteinführungskampagne in den USA hat der Konzern die Schauspielerin und Moderatorin Vanessa Minnillo verpflichtet.

LoveGent wirbt für LEVITRA
Mit einem „Emag für den Gentleman 2.0“ wirbt BAYER im Internet für seine Potenz-Pille LEVITRA. Einschlägige Artikel auf LoveGent zu den Themen „Die schnelle Nummer“, „Männerspielzeug“ oder „Prostitution“ und der eingekaufte „Experten“-Rat von Prof. Dr. Frank Sommer sollen den Kundenstamm für sein Lifestyle-Präparat erweitern. Angaben zu den Risiken und Nebenwirkungen des Präparats wie temporärer Gedächtnisverlust, zeitweilige oder dauerhafte Hörschäden, Sehstörungen bis zum Sehverlust, Schwindel, Höhenangst, Kopfschmerzen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome sowie Gesichtsrötungen finden sich deshalb auf der Website nicht.

Etikettenschwindel mit „Was ist was“
Der vom Leverkusener Multi mitgegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ nutzt die Popularität der Kindersachbuch-Reihe „Was ist was“, um Reklame für die Pharma-Riesen zu machen. „Was ist was - Wie entsteht ein Medikament?“ heißt das Machwerk ohne Risiken und Nebenwirkungen. In einer Auflage von 30.000 Exemplaren gedruckt, wollen BAYER & Co. damit vor allem Schulklassen beglücken; im offiziellen Buchhandel vertreibt es der TESSLOFF-Verlag nicht. „Die Pharma-Industrie ist sehr stark daran interessiert, eine wissensneutrale Marke wie ‚Was ist was‘ zu nutzen“, sagt die Verlagssprecherin zu dem Deal, der dem Haus durchaus „Bauchschmerzen“ bereitet habe.

Mehr Marketing, weniger Forschung
Aller Lippenbekenntnisse zur Wichtigkeit der Forschung zum Trotz erhöht der Leverkusener Multi die entsprechenden Ausgaben 2011 nicht. Er friert sie stattdessen bei 3,1 Milliarden Euro ein. Zudem nimmt der Konzern auch noch Umschichtungen im Etat vor und knappst mehr Geld für das Marketing ab. „Die neuen Produkte müssen schließlich auch verkauft werden“, so BAYER-Chef Marijn Dekkers. Die Westdeutsche Zeitung beschleichen da böse Ahnungen. „Bei der intensiveren Vermarktung von Medikamenten will er einen weiteren Schwerpunkt setzen. Das riecht nach Mauscheleien zwischen Pharma-Firmen, Ärzten und Apothekern. Davon sollte Dekkers lieber die Finger lassen“, schreibt das Blatt.

Mehr Arzneien für „Nutztiere“
„Während wir in der Vergangenheit den Hobbytieren größere Priorität eingeräumt haben, verstärken wir seit einigen Jahren wieder deutlich unser Engagement im Nutztier-Bereich“, sagt BAYERs Tiergesundheitschef Thomas Steffens. Zu diesem Behufe hat der Leverkusener Multi eine „Nutztier-Akademie“ gegründet mit Fortbildungsveranstaltungen für TierärztInnen und LandwirtInnen, ein neues Web-Portal aufgebaut und zu dem Podiumsgespräch „Gesunde Tiere, gesunde Lebensmittel“ mit „80 Meinungsbildnern aus Politik, Wissenschaft, Verbänden und Medien“ geladen.

Noch mehr „Global Compact“
Mit BAYER, DAIMLER/CHRYSLER, SHELL und 47 anderen Global Playern unterzeichnete der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan Ende Juli 2000 in New York den „Global Compact“, eine unverbindliche Vereinbarung zur Umsetzung internationaler Menschenrechts-, Sozial- und Umweltstandards (Ticker 4/00). Im Gegenzug berechtigt die Unterschrift BAYER & Co., mit dem UN-Emblem für Konzern-Produkte zu werben und so „Bluewashing“ zu betreiben. Mehrmals kritisierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Zusammenarbeit des „Global Compact“ mit BAYER, aber die Organisation stieß sich weder an Kinderarbeit bei den indischen Zulieferern des Multis noch an seinem Katastrophen-Management nach der Explosion im Instituter Werk. Und weil eine so verstandene Nachhaltigkeit den Unternehmen richtig Spaß macht, beschlossen sie auf ihrem jährlichen Klassentreffen beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos eine Ausweitung ihrer Nichtaktivitäten und starteten im Beisein von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die Initiative LEAD.

BMZ fördert Kontrazeptiva-Absatz
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur großen Befriedigung BAYERs erfreut sich diese Ansicht auch heute noch großer Beliebtheit, die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. Um die Geschäftsaussichten für YASMIN & Co. noch ein wenig zu verbessern, sponsert das Unternehmen seit geraumer Zeit die „Deutsche Stiftung Weltbevölkerung“. Diese öffnet im politischen Berlin nämlich Türen. So hat der Pharma-Riese gemeinsam mit der Stiftung einen parlamentarischen Abend veranstaltet, an dem Gudrun Kopp (FDP), parlamentarische Staatssekretärin im Entwicklungshilfe-Ministerium, teilnahm. Und die Liberale brachte gleich die frohe Kunde mit, dass die Regierungskoalition 400 Millionen Euro „vor allem für Vorhaben zur Förderung der Familienplanung und Frauengesundheit“ bereitstellen will. Internationale Geld-Töpfe kann das Unternehmen ebenfalls anzapfen: Die UN bestellte jüngst Pillen für 25 Millionen Dollar beim Pharma-Riesen (Ticker 4/10).

Deutschland-Stipendium mit BAYER
Die PolitikerInnen flankierten die Einführung von Studien-Gebühren mit der Versicherung, gemeinsam mit der Wirtschaft Modelle zur Studien-Förderung zu entwickeln. Löhnen dürfen die Studierenden zwar mittlerweile, wenn auch einige Bundesländer das Bezahlsystem wieder abgeschafft haben, aber mit dem Studier-Sponsoring hapert es noch gewaltig. So kommen an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität gerade einmal 70 von 42.790 Immatrikulierten in den Genuss des so genannten Deutschlandstipendiums. Mit dieser Private-Public-Partnership zwischen Bundesforschungsministerium und Wirtschaftsunternehmen wollte Ministerin Annette Schavan eine „neue Ära der Stipendienkultur“ begründen, viel mehr als eine PR-Maßnahme für die ihre Portokasse öffnenden Konzerne sprang allerdings nicht dabei heraus. Mit gerade einmal 9.000 Euro engagiert sich BAYER in München. Eine „subventionierte Werbekampagne“ nennt das Webportal telepolis das Deutschland-Stipendium deshalb.

Neue „Pro Industrie“-Kampagne
Die massenhafte Kritik an Großprojekten wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und Kohlekraftwerken hat den Leverkusener Multi dazu bewogen, eine Gegen-Kampagne zu starten. Der Konzern gehört zu den Mitinitiatoren der „Knechtstedener Erklärung“, die dem schlechten Image von BAYER & Co. im Raum Neuss/Dormagen entgegentreten will. „Die Akzeptanz in der Bevölkerung für unsere Industrie zu stärken und auszubauen, stellt das gemeinsame Ziel aller Beteiligten dar, damit unser Wohlstand auch in Zukunft erhalten werden kann“, heißt es in dem Papier.

TIERE & ARZNEIEN

Bakterien im Fleisch
Die in der Massentierhaltung massenhaft verwendeten Antibiotika von BAYER & Co. lassen immer mehr Krankheitserreger immun gegen die Mittel werden. Darum breiten sich Bakterien-Stämme im Fleisch stark aus. In den USA fanden ForscherInnen Ableger des Staphylococcus aureus in fast der Hälfte aller Proben. In Holland stießen WissenschaftlerInnen in 40 Prozent der Ställe auf Infektionsträger. Besonders in Schweinen siedelten sie sich gerne an; 80 Prozent der Tiere beherbergten Keime. Auslauf fanden diese dann allzu oft im Organismus von LandwirtInnen und Stallpersonal. Aber auch über die Nahrungskette können sie in den menschlichen Körper gelangen. Und es fällt immer schwerer, Staphylococcus & Co. dort unschädlich zu machen, denn die Antibiotika-Wirkstoffe aus der Human-Medizin haben für sie schon in den Tierfabriken ihren Schrecken verloren.

BAYCOX für Schafe
Die Behörden haben BAYCOX, BAYERs Mittel zur Therapie der von Parasiten ausgelösten Krankheit Kokzidiose, jetzt auch zur Behandlung von Schafen zugelassen. Laut Aussage des Konzerns genügt das Schlucken einer einzigen Dosis, „um die Kokzidiose erfolgreich zu bekämpfen und wirtschaftliche Schäden zu beschränken“.

Forschung an Altem
Forschung bei BAYER hat nicht unbedingt den Zweck, Neues zu entwickeln. Wenn der Ablauf der Patent-Laufzeit von Arzneien und damit Konkurrenz von Nachahmer-Präparaten droht, bemüht sich der Leverkusener Multi stets mit großem Aufwand, kleine Veränderungen in der Rezeptur oder der Verabreichungsform vorzunehmen, um erneut den lukrativen Schutz des geistigen Eigentums reklamieren zu können. „Schon heute geben wir rund ein Drittel unseres Forschungs- und Entwicklungsbudgets dafür aus, unser bestehendes Sortiment zu verteidigen“, sagt BAYERs Tiergesundheitschef Thomas Steffens.

DRUGS & PILLS

Todesfälle durch CIPROBAY
BAYERs Antibiotikum CIPROBAY mit dem Wirkstoff Moxifloxacin, der zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, kann tödlich wirken. Die US-Gesundheitsbehörde FDA registrierte in den letzten zehn Jahren 1.000 Sterbefälle und 14.000 schwere Nebenwirkungen durch Arzneien aus dieser Medikamenten-Gruppe. Ihr englisches Pendant weist von Januar 2000 bis März 2011 46 Tode aus. Am häufigsten treten Gesundheitsschäden im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen auf. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen. Darüber hinaus sind CIPROBAY & Co. für Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und andere Organ-Schädigungen verantwortlich. In den USA musste der Leverkusener Multi deshalb bereits im Jahr 2008 Warnhinweise auf den Packungen anbringen.

Neue Studien bestätigen YASMIN-Risiko
Gleich zwei neue Studien aus Neuseeland und den USA haben BAYERs Verhütungsmittel YASMIN und anderen drospirenon-haltigen Pillen ein erhöhtes Thrombose-Risiko bescheinigt und damit die Ergebnisse älterer Untersuchungen bestätigt. Bis um den Faktor drei steigt unter YASMIN im Vergleich zu älteren Präparaten die Wahrscheinlichkeit, sich einen Venen-Verschluss zuzuziehen, so die WissenschaftlerInnen, die nur die Daten von Frauen ohne Vorerkrankungen und Belastungsfaktoren wie Übergewicht ausgewertet haben. Der Leverkusener Multi bescheinigt ihrer Arbeit trotzdem „bedeutende Mängel“.

Neuer YASMIN-Beipackzettel
Alles, was vom YASMIN-Skandal mit seinen über 190 Toten allein in den USA übrig bleibt, ist ein neuer Beipackzettel. Nachdem das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfARM) von BAYER verlangt hatte, in den Packungsbeilagen auf eine erhöhte Thrombose-Gefahr hinzuweisen, was der Pharma-Riese nach Informationen der SELBSTHILFEGRUPPE DROSPIRENON-GESCHÄDIGTER immer noch nicht umgesetzt hat, erhob nun auch die „Europäische Arzneimittelagentur“ (EMA) eine entsprechende Forderung. Die Auswertung zweier neuer Studien zu den Risiken und Nebenwirkungen (s. o.) von YASMIN & Co. hatte die Behörde dazu veranlasst.

XARELTO verursacht Blutungen
BAYERs ganze Hoffnungen in der Pharma-Sparte ruhen auf dem Medikament XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban), das bisher EU-weit zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zugelassen ist. Wenn das Mittel zusätzlich noch Genehmigungen als allgemeines Therapeutikum gegen Venen-Thrombosen und als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe bekommt, dann rechnet der Leverkusener Multi mit einem jährlichen Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro. Die Testergebnisse eröffnen allerdings keine allzu rosigen Zukunftsaussichten. Im Vergleich zur Thrombose-Standardmedikation schnitt das Mittel in puncto „Wirksamkeit“ nicht besser ab. Weniger Nebenwirkungen hatte es auch nicht. Einziger Vorteil: XARELTO „hat das Potenzial, für den Patienten angenehmer zu sein“ (O-Ton BAYER), weil es als Tablette verfügbar ist und nicht gespritzt werden muss. Schlaganfälle vermied das Präparat ebenfalls nicht häufiger als das Mittel der Wahl Warfarin, was dem BOEHRINGER-Konkurrenzprodukt PRADAXA sehr wohl gelang. Bei Hospital-PatientInnen mit internistischen Erkrankungen verursachte die Arznei mehr Blutungen als die Vergleichssubstanz Enoxaparin, weshalb der Pharma-Riese selbst einräumen musste: „kein konsistent positives Nutzen-Risiko-Profil“. Das Unternehmen will sich aber noch einmal über die Studien-Daten der KrankenhäuslerInnen beugen und die PatientInnen-Gruppen herausfiltern, bei denen XARELTO gut anschlug - um daraus doch noch einen neuen Absatzmarkt zu generieren.

Erica Mann leitet „Consumer Care“
Die Südafrikanerin Erica L. Mann leitet künftig BAYERs Gesundheitssparte „Consumer Care“, die Abteilung für rezeptfreie Medikamente. Mann kann sowohl auf einen Studienabschluss in Chemie als auch auf ein Diplom in Marketing-Management verweisen - eine Traumkombination für den Multi. Auch ihr Engagement bei Lobby-Organisationen wie dem südafrikanischen Verband der Pharma-Hersteller PMA oder dem „Internationalen Verband der Babynahrungs-Produzenten“ dürfte sie für höhere Aufgaben beim Pillen-Riesen empfohlen haben.

USA: GADOVIST-Zulassung erhalten
Der Leverkusener Multi hat für sein Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST eine Zulassung in den USA erhalten. MedizinerInnen dürfen das Präparat künftig bei Magnetresonanz-Tomographien des zentralen Nervensystems einsetzen, obwohl die Anwendung mit Risiken behaftet ist. GADOVIST enthält nämlich - wie auch das andere BAYER-Kontrastmittel MAGNEVIST - Gadolinium, das bei Nierenkranken ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge auslösen kann. Mit 230 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen (Stand: 1.2.11) sieht der Pharma-Riese sich deshalb konfrontiert. Auch die Aufsichtsbehörden haben das Gefährdungspotenzial bereits erkannt. So hat die Europäische Arzneimittel-Agentur EMEA jüngst strengere Auflagen für den Gebrauch solcher Medizinprodukte erlassen.

Pharma-Paradies Bundesrepublik
Während eine kleine Packung ASPIRIN in Griechenland nicht einmal einen Euro kostet, müssen VerbraucherInnen hierzulande dafür mehr als fünf Euro zahlen. „Der Hersteller BAYER orientiert sich an dem, was der Verbraucher bereit ist, dafür auszugeben - und schöpft natürlich das Maximum ab“, kritisiert der Gesundheitsökonom Gerd Glaeske die Preis-Politik des Pharma-Riesen, die sich nicht bloß auf seine Schmerzmittel beschränkt.

BAYERs Gesundheitsreform-Kosten
Noch immer erreicht kaum ein Wirtschaftszweig die Traum-Renditen der Pharma-Branche. Aber weltweit wird die Luft ein bisschen dünner, weil immer mehr Regierungen die Extra-Profite etwas beschneiden. Auf der Hauptversammlung im April 2011 bezifferte BAYER-Chef Marijn Dekkers die Verluste durch solche Maßnahmen im abgelaufenen Geschäftsjahr hierzulande auf 11 Millionen Euro und weltweit auf 165 Millionen. Für das laufende Jahr rechnet er mit Einbußen von 30 bzw. 300 Millionen Euro.

BAYER entwickelt Fett-Spritze
Der Leverkusener Multi will ein neues Lifestyle-Präparat auf den Markt bringen. Seine Tochtergesellschaft INTENDIS hat mit dem Unternehmen KYTHERA einen Vertrag zur Entwicklung einer Substanz geschlossen, die - unter die Haut gespritzt - kleinere Fettpolster auflösen soll.

Forschungskosten hochgerechnet
800 Millionen Dollar kostet die Entwicklung eines neuen Medikamentes laut Angaben der Pharma-Riesen. Diese Zahl, die das industrie-nahe „Tufts Center for the Study of Drug Development“ ermittelte, rechtfertigt nach Ansicht von BAYER & Co. die in der Branche üblichen hohen Umsatz-Renditen. Sie hat nur einen Schönheitsfehler: Sie stimmt nicht. Die US-ForscherInnen Rebecca Warburton und Donald Light haben einmal nachgerechnet und kommen nur auf 43,4 Millionen Dollar - eine um das 18fache niedrigere Summe. Das Tufts Center hat nämlich nur den eher seltenen Fall einer von der Grundlagen-Forschung bis zur Zulassung komplett von Big Pharma allein bewältigten Entwicklung zugrunde gelegt, mit einer viel zu hohen Zahl von Medikamenten-TesterInnen operiert und zu viele Test-Flops eingepreist. Und dann addierte das Institut auf den ermittelten Wert als „fiktive Kapitalkosten“ auch noch das hinzu, was die eingesetzten Millionen eingebracht hätten, wenn die Konzerne sie an der Börse investiert hätten statt in Arzneien.

Mehr Pharma-Kooperationen
Entgegen vollmundiger Bekundungen zur Stellung der Forschung im Unternehmen will BAYER-Chef Marijn Dekkers vermehrt Leistungen von außen zukaufen. „Wir wollen uns stärker als Partner für Pharma-Firmen positionieren, die ein Präparat in der späten Phase der klinischen Entwicklungen haben“, sagte er der Zeitschrift Capital.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Endosulfan-Verbot in Argentinien?
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen, besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan auch in anderen Ländern nicht mehr zu vertreiben. Im vorletzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09), nicht ohne jedoch noch einmal einen aggressiven Schlussverkauf zu veranstalten (siehe auch SWB 1/11). Jetzt aber scheinen die Stunden des Ultragifts endgültig gezählt. Die „Stockholmer Konvention“ hat sich nach harten Verhandlungen dazu durchgerungen, seinen 133 Mitgliedsstaaten eine Beschlussvorlage für einen weltweiten Bann vorzulegen. Und Argentinien hat bereits reagiert: Das Parlament muss sich mit einem Verbotsantrag beschäftigen.

Pestizide greifen Gehirn an
In einer Langzeitstudie haben französische WissenschaftlerInnen die Auswirkungen der Pestizide von BAYER & Co. auf neuronale Prozesse untersucht. Das Ergebnis ist schockierend: Bei dem Teil der 614 ProbandInnen, der über einen längeren Zeitraum hinweg Agro-Giften ausgesetzt war, ließen Gedächtnis- und Konzentrationsfähigkeit deutlich stärker nach als bei den in gesünderer Umgebung arbeitenden VersuchsteilnehmerInnen. „Frappierend“ nannte die Forscherin Isabelle Baldi diesen Befund.

EU lässt Carbendazim wieder zu
Im Jahr 2009 hatte die Europäische Union eine strengere Pestizid-Verordnung verabschiedet. Ab dem 14.6.11 sollten mit Glufosinat, Carbendazim, Mancozeb, Tebuconazole, Bifenthrin und Thiacloprid unter anderem sechs Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit keine Zulassung mehr erhalten. Für Carbendazim, das der Leverkusener Multi unter dem Produktnamen DEROSAL vermarktet, macht Brüssel jetzt jedoch eine Ausnahme. Kurz vor Ablauf der Frist gewährte die EU-Kommission dem Ackergift eine Zulassungsverlängerung. Es gäbe „annehmbare Anwendungen“, erklärte sie und berief sich dabei ausgerechnet auf Studien der Agro-Riesen sowie auf eine Expertise der von Industrie-VertreterInnen durchsetzten „Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (siehe auch TICKER 2/11).

GENE & KLONE

USA: BAYER kontrolliert sich selbst
In den USA dürfen BAYER & Co. die Umweltverträglichkeitsprüfungen für ihre Genpflanzen künftig selber durchführen. Das Landwirtschaftsministerium hat das zunächst auf zwei Jahre befristete Pilot-Projekt gestartet, weil es die Selbstkontrolle für „schneller, effizienter und kostengünstiger“ hält. Nur gar keine Tests wären noch ökonomischer.

Bt im menschlichen Körper
BAYER & Co. haben in viele ihrer Pflanzen-Arten mittels gentechnischer Verfahren den Bacillus thuringiensis (Bt) eingeschleust, um Schadinsekten abzutöten. Das Gift bleibt jedoch nicht in den Laborfrüchten. So wiesen ForscherInnen Rückstände im menschlichen Körper und sogar im Leib von Ungeborenen nach. Die Behauptung der Industrie, der Bazillus würde durch die Magensäfte zersetzt, entpuppte sich damit als Mär.

Genreis-Kooperation mit BASF
Der Genreis-Skandal von 2006 - damals tauchte eine nicht zugelassene Art weltweit in Supermarkt-Packungen von UNCLE BEN & Co. auf - hält BAYER nicht davon ab, weiterhin auf dieses Produkt zu setzen. Ende 2010 gab er eine Kooperation mit BASF bekannt. Die beiden Konzerne wollen aus BAYERs hybrider, also nicht für die Wiederaussaat geeigneter Sorte ARIZE und ertragssteigernden Genen made by BASF eine neue Reis-Pflanze kreieren.

Kooperation mit DUPONT
Schadinsekten gewöhnen sich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen. Deshalb gehen BAYER & Co. nach der Devise „Doppelt hält besser“ immer mehr dazu über, ihre Sorten gleich gegen mehrere Agrochemikalien immun zu machen und gewähren sich gegenseitig Zugriff auf ihre Technologien. Nach Lizenzabkommen mit MONSANTO, SYNGENTA und DOW AGRO SCIENCES hat der Agro-Riese nun schon den zweiten Vertrag mit DUPONT geschlossen. Nach dieser Vereinbarung kann der zu PIONEER HI-BRED gehörende Konzern künftig BAYERs gegen das Herbizid Glufosinat resistente LIBERTY-LINK-Kreation nutzen und der Leverkusener Multi im Gegenzug bestimmte Raps-Zuchten von DUPONT.

Kooperation mit SYNGENTA
Nicht nur Schadinsekten (s. o.), sondern auch Unkräuter gewöhnen sich immer schneller an das Pestizid-Einerlei, mit dem die LandwirtInnen ihre Genpflanzen bearbeiten müssen. Darum strebt der Leverkusener Multi auf diesem Gebiet ebenfalls Kooperationen an. So will er mit SYNGENTA eine Soja-Art entwickeln, die gleichzeitig gegen die BAYER-Herbizide BALANCE (Wirkstoff: Isoxaflutole) und LAUDIS (Wirkstoffe: Isoxadifen-ethyl und Tembotrione) sowie gegen das SYNGENTA-Mittel CALLISTO immun ist. Mit dem neuen Präparat rechnen sich die beiden Agro-Riesen nun Chancen bei LandwirtInnen aus, „die zunehmend mit Problemen durch resistentes Unkraut konfrontiert sind“.

Gen-Baumwolle nicht zugelassen
Die AgrarministerInnen der Europäischen Union konnten sich nicht darauf verständigen, BAYERs gegen das Anti-Unkrautmittel Glyphosate resistenter Gentech-Baumwolle „GHB 614“ eine Import-Genehmigung zu erteilen. Eine endgültige Entscheidung fällt nun die EU-Kommission.

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft HORNBECK
Der Leverkusener Multi hat das US-amerikanische Saatgut-Unternehmen HORNBECK erworben. Der Konzern stärkt damit nach eigener Aussage vor allem das Geschäft mit Soja-Bohnen weiter, denn HORNBECK hatte für diese Ackerfrucht ein eigenes Zuchtprogramm entwickelt.

Neues Saatgut-Labor in Singapur
Der Leverkusener Multi baut sein Saatgut-Geschäft kontinuierlich aus (s. o.). Im Zuge dieser Strategie hat er jetzt in Singapur ein neues Saatgut-Forschungslabor eröffnet. In dem 20 Millionen Euro teuren Bau will der Konzern an neuen Sorten basteln, die Schadinsekten sowie anderem Unbill besser trotzen, einen höheren Nährwert haben und sich leichter lagern und verarbeiten lassen.

WASSER, BODEN & LUFT

Genpflanzen-Gift im Wasser
Haben die LandwirtInnen ihre Mais-Felder abgeerntet, so landen viele Reste wie Stängel, Blätter oder Kolben in den Flüssen. Handelt es sich dabei um Gen-Mais, der mit dem Gift des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückt ist, wie etwa BAYERs Sorte T25, dann kommt dabei auf die Gewässer viel Unbill zu. US-WissenschaftlerInnen untersuchten Wasser in der Nähe der Mais-Äcker und wiesen in 23 Prozent aller Proben die Bt-Substanz nach.

CO2 als Rohstoff?
Im Februar 2011 nahm BAYER eine Pilotanlage in Betrieb, die den Einsatz von Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung erprobt. Der Pharma-Riese feiert dieses gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ betriebene Projekt „Dream Production“ als eine Großaktion zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10). Als der BAYER-Manager Peter Vanacker in einem Interview gefragt wurde, wieviel CO2 die „Dream Production“ dem Recycling denn zuführe, gab er sich dann auch kleinlaut: „Genaue Zahlen möchten wir nicht veröffentlichen“.

Neue Abwasser-Behandlungsanlage
Die größere Auslastung des Bergkamener BAYER-Werkes seit 2004 hat auch das Volumen der Produktionsrückstände erhöht. Das machte den Ausbau der Abwasser-Behandlungsanlage unvermeidlich. Nach Angaben des Konzerns wäscht sie so rein, dass das Unternehmen das Wasser anschließend direkt in die Lippe einleiten kann. Auch vor Lecks sollen die Becken durch die Verwendung massiverer Werkstoffe wie Beton und mehr Kontrollmöglichkeiten besser geschützt sein.

Quecksilber-Ausstoß: 11,5 kg
Seit einiger Zeit führt der Leverkusener Multi in seinen Nachhaltigkeitsberichten den Quecksilber-Ausstoß nicht mehr an und macht nur noch Angaben zu den Schwermetall-Emissionen insgesamt. Auf der Hauptversammlung im April 2011 nach den konkreten Zahlen gefragt, gab BAYER-Chef Marijn Dekkers die Menge des in die Gewässer eingeleiteten Ultragiftes mit 11,5 Kilogramm an.

PCB is coming home
BAYER gehörte lange zu den Hauptherstellern von Polychlorierten Biphenylen (PCB), einer Krebs erregenden Chlorverbindung. Erst 1983 hat der Konzern die Produktion des Ultragiftes eingestellt, das unter anderem als Weichmacher in Kunststoffen, Kühlmittel und Isoliermaterial Verwendung fand. Aber die gesundheitsschädlichen Folgen der Chemikalie machen sich immer noch bemerkbar. So ergab eine Untersuchung von Beschäftigten der Dortmunder Entsorgungsfirma ENVIO eine hochgradige PCB-Kontamination. 95 Prozent der Belegschaft wiesen Konzentrationen im Blut auf, die bis zum 25.000fachen über dem zulässigen Grenzwert lagen. Das ENVIO-PCB landete schließlich wieder beim Absender - in den Verbrennungsöfen des Leverkusener Multis, wie BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Hauptversammlung im April 2011 der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN bestätigte.

BAYER will mehr Müll verheizen
Der mehrheitlich BAYER gehörende Chemie„park“-Betreiber CURRENTA möchte am Standort Krefeld die Preise für die Energie-Gewinnung senken und plant deshalb, 16.000 Tonnen Müll anstelle von Steinkohle zu verheizen. Was das Unternehmen als Recycling-Maßnahme zur Schonung der Umwelt verkauft, erweckt den Zorn der städtischen Grünen. „Die von CURRENTA großmundig propagierte Linie, mit der Erhöhung der Müllverbrennung werde die Energie-Erzeugung im Unternehmen umweltfreundlicher, entbehrt bei genauem Hinsehen jeder Grundlage“, kritisiert der Ratsherr Rolf Rundmund angesichts des erhöhten Schadstoff-Ausstoßes durch die Reste-Verwertung.

Altlast in Newburgh
Von den 1950er bis 1970er Jahren lud die STAUFFER CHEMICAL COMPANY auf einer städtischen Deponie nahe Newburgh Fässer mit Polychlorierten Biphenylen, Chrom, Blei und anderen Giftstoffen ab. Lange schon halten viele Behältnisse den Chemikalien nicht mehr stand. Durch Lecks gelangten die Substanzen in den Boden. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA wies BAYER und DUPONT als Nachfolger von STAUFFER an, die Müllhalde zu sanieren. Anderthalb Jahre werden die Arbeiten mindestens in Anspruch nehmen.

NANO & CO.

Nano-Kooperation mit HYPERION
Nano-Teilchen können eine asbest-ähnliche Wirkung entfalten, zu den Zellkernen vordringen oder die Blut/Hirn-Schranke überwinden. Trotz dieser Risiken und Nebenwirkungen setzt der Leverkusener Multi auf die Technologie und geht auf internationaler Ebene Kooperationen ein, um seine BAYTUBES-Röhrchen auf den Weltmarkt zu bringen. So hat der Global Player eine Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Unternehmen HYPERION vereinbart. Da große Industrie-Zweige wie die Fahrzeug- und Flugzeug-Branche sich zu BAYERs Leidwesen den neuen Materialien gegenüber noch wenig aufgeschlossen zeigen (Ticker 2/11), will der Konzern mit seinem US-amerikanischen Partner nun künftig selber Produkte auf Basis von Nano-Röhrchen entwickeln, um mit den Prototypen das Geschäft anzukurbeln.

Nano-Teilchen töten Wasserflöhe
Immer mehr Alltagsprodukte enthalten Nano-Partikel, also mikroskopisch kleine Stoff-Komponenten. So befinden sich in Sonnenmilch Nano-Teilchen aus Titandioxid. Und diese Winzlinge können Mikro-Organismen schaden, deren Entwicklungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Das haben ForscherInnen des Institutes für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau festgestellt. Sie gaben die Sonnenmilch ins Wasser und beobachteten, wie Wasserflöhe darauf reagieren. Das Ergebnis: „90 Prozent der Tiere starben“, so Studienleiter Ralf Schulz. Das Titandioxid setzte sich auf der Chinin-Hülle der Flöhe fest und verhinderte ihre Häutung. Welche Wirkung die in den Naturkreislauf eingespeisten Kleinstteilchen von BAYER & Co. auf andere Lebenwesen und Pflanzen haben, vermochten die WissenschaftlerInnen nicht zu sagen. „Hier besteht noch ein enormer Forschungsbedarf“, meint Schulz.

CO & CO.



Gericht stoppt CO-Pipeline
Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hat am 25. Mai 2011 die Inbetriebnahme von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline wegen ihrer mangelnden Erdbeben-Sicherheit untersagt. Es erklärte den Planfeststellungsbeschluss zu der zwischen Dormagen und Krefeld verlaufenden Kohlenmonoxid-Pipeline für „rechtswidrig und vorerst nicht vollziehbar“. Die Anti-Pipeline-Initiativen werteten das Urteil als „Etappen-Sieg“. Am Ziel wähnen sie sich aber noch nicht. Die JuristInnen haben nämlich die Rechtmäßigkeit der Enteignungen entlang des Streckenverlaufes bestätigt, welche die staatlichen Stellen mit den höheren, dem Allgemeinwohl dienenden Zwecken des Leitungsverbundes begründet hatten. Zudem haben sie den Streckenverlauf trotz bestehender Alternativen abgesegnet und sich auch nicht an den teilweise schon rostenden Bau-Teilen gestört. Darum wollen die Anwohner, die gegen ihre Zwangsenteignung geklagt hatten, das Urteil nicht akzeptieren und in Berufung gehen.

PLASTE & ELASTE

Unsichere BMS-Zukunft
Obwohl BAYER-Chef Marijn Dekkers sich bei seinem Amtsantritt zur Kunststoff-Abteilung BAYER MATERIAL SCIENCE bekannt hatte, bleiben selbst führende ManagerInnen skeptisch. „Ich glaube nicht, dass ich meine Rente noch unter dem Namen BAYER beziehe“, vertraute eine führende BMS-Kraft der Financial Times Deutschland schon im letzten Herbst an. Dabei hatte Dekkers da noch gar keine Zweifel an seiner Treue zu „Plaste & Elaste“ aufkommen lassen. „Wenn aber für eine sehr große Akquisition ein bedeutender Geldbetrag aufgebracht werden muss, so wären wir bei dieser extremen Option bereit, eine Sparte zu veräußern“ - dieses Statement gab der Vorstandsvorsitzende erst ein paar Monate später ab.

Öl-Kosten steigen
Erdöl stellt für die Chemie-Konzerne die mit Abstand wichtigste Rohstoff-Quelle dar. Der Leverkusener Multi braucht das „Schwarze Gold“ vor allem für seine Kunststoff-Produktion. Die zunehmende Knappheit der Ressource und die Entwicklungen in Nordafrika haben zu einem kräftigen Preisanstieg geführt, dessen Folgen der Pharma-Riese genau beziffern kann: Steigen die Kosten für einen Barrel Öl um zehn Dollar, so schlägt das beim Global Player mit einer Mehrbelastung von 200 Millionen Euro zu Buche.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Berufskrankheiten 2010: 13 Fälle
Seit langem macht der Leverkusener Multi in seinen Nachhaltigkeitsberichten keine Angaben mehr zu den von den Berufsgenossenschaften anerkannten Berufskrankheiten. Die letzten Informationen dazu stammen aus dem Jahr 2000. Damals waren es 130 Erkrankungen, die meisten von Asbest oder Lärm-Exposition ausgelöst. Auf der Hauptversammlung im April 2011 nach den aktuellen Zahlen gefragt, führte BAYER-Chef Marijn Dekkers drei Fälle in der Bundesrepublik und zehn im Rest der Welt an. So wenige dürften es jedoch kaum sein.

STANDORTE & PRODUKTION

Weniger Geld für Sport und Kultur
Im Zuge seines im November 2010 beschlossenen Rationalisierungsprogramms, das 4.500 Arbeitsplätze vernichtet (siehe auch SWB 2/11), will BAYER nach Informationen der Gewerkschaft IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE auch sein Sport- und Kultursponsoring reduzieren.

BAYER investiert in Wuppertal
Der Leverkusener Multi investiert 2011 in seinen Standort Wuppertal 95 Millionen Euro. Das Geld fließt in neue Forschungs- und Produktionsanlagen, ein Blockheizkraft-Werk und den Ausbau bereits existierender Fertigungsstätten. Die teuerste Einzelinvestition stellt mit einem Volumen von 35 Millionen Euro die Errichtung des Technikums „Zellbiologie“ dar, in dem der Pharma-Multi biologische Wirkstoffe für klinische Tests herstellen will.

BAYER baut in Dormagen
Der Chemie-Multi errichtet in Dormagen ein Technikum zur Erprobung neuer Verfahrensweisen bei der Produktion der Kunststoffe Toluylendiisocyanat (TDI) und Diphenylmethandiisocyanate (MDI). Alternativen zur ultra-gefährlichen Basis-Substanz Phosgen (siehe AKTION & KRITIK) sucht der Leverkusener Multi allerdings nicht.

Leverkusen in Finanznot
Im Frühjahr verkündete BAYER den größten Umsatz in der Firmen-Geschichte. An der Stadt Leverkusen geht dieser Geldregen allerdings vorbei. Sie muss einen Gewerbesteuer-Rückgang von über zehn Millionen Euro auf 72 Millionen Euro hinnehmen und sieht sich zu einem umfassenden Sparprogramm gezwungen.

Kooperation mit Duisburger Hafen
BAYERs Chemie-„Park“ in Uerdingen und die Duisburger Hafengesellschaft DUISPORT haben eine Zusammenarbeit vereinbart. Der Leverkusener Multi will künftig 50 Prozent der Kapazität des Container-Terminals nutzen, den DUISPORT in Hohenbudberg baut, und so mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern.

Neue Anlage in Ankleshwar
BAYER hat im indischen Ankleshwar eine neue Fertigungsstätte zur Produktion von Polyisocyanaten in Betrieb genommen, die als Basismaterial zur Herstellung von Lacken, Kleb- und Dichtstoffen dienen. Mit mehr als 5.000 Anlagen gehört die Stadt zu den größten Chemie-Clustern in ganz Asien. Das indische „Central Pollution Control Board“ stuft Ankleshwar deshalb als giftigste Region des ganzen Landes ein. Der Leverkusener Multi trägt nicht wenig dazu bei. Er betreibt an dem Ort nämlich auch noch sieben Pestizid-Fabriken. In einer von ihnen brach im letzten Jahr ein Feuer aus, was einen Ingenieur das Leben kostete (Ticker 2/10). Welches Sicherheitsrisiko diese Produktion darstellt, war schon vorher bekannt. So hatte das Umweltministerium der Region Gujarat bereits seit längerem eine Stilllegung gefordert.

IMPERIUM & WELTMACHT

Hilken neuer CURRENTA-Leiter
Günter Hilken hat von Klaus Schäfer die Leitung des Chemie„park“-Betreibers CURRENTA übernommen, der in Besitz des Leverkusener Multis und seiner Chemie-Abspaltung LANXESS ist.

BAYER übernimmt HORNBECK
BAYER hat das US-amerikanische Saatgut-Unternehmen HORNBECK gekauft (siehe auch PFLANZEN & SAATEN).

Chinas Fünfjahresplan lockt
China will mit seinem neuen Fünfjahresplan den Lebensstandard seiner Bevölkerung weiter anheben, um sozialen Unruhen vorzubeugen. Der Staat hat sich unter anderem die Erhöhung der Mindestlöhne, die Angleichung der Unterschiede zwischen Stadt und Land sowie Investitionen in den Umweltschutz vorgenommen. Und der Leverkusener Multi findet Gefallen an dieser Planwirtschaft. „Ob beim Ausbau der Infrastruktur oder der umweltfreundlichen Energie-Versorgung - BAYER hat die passenden Angebote“, frohlockt China-Chef Michael König.

ÖKONOMIE & PROFIT

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Steuerlast sinkt kontinuierlich
BAYER zahlt immer weniger Abgaben. Beliefen sich die Ertragssteuern zwischen 1997 und 2000 noch auf rund eine Milliarde Euro, so zahlte der Konzern für das Geschäftsjahr 2009 bloß noch 511 Millionen Euro und für 2010 gar nur noch 411 Millionen Euro. Dazwischen lag der Wechsel von BA

[CO Pipeline] CO Pipeline stoppen!

CBG Redaktion

Presse Information vom 25. Mai 2011
Coordination gegen BAYER-Gefahren

„Unseliges Projekt jetzt beerdigen!“

Verwaltungsgericht stoppt CO-Pipeline von BAYER

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschied heute, dass die Genehmigung der Kohlenmonoxid-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld rechtswidrig ist, weil die Erdbebensicherheit des Projekts nicht ausreichend geprüft wurde. Die Pipeline darf somit nicht in Betrieb genommen werden. Ein Gutachten des Kreises Mettmann war zu dem Ergebnis gekommen, dass mehr als 140.000 Menschen durch einen Bruch der Leitung gefährdet sind.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG), die die Bürgerproteste Anfang 2006 initiiert hatte, fordert nun ein Ende des Projekts: „Wir beglückwünschen die Kläger und die Bürgerinitiativen zu diesem großen Erfolg! Nun ist der Moment gekommen, dieses unselige Vorhaben zu beerdigen. Statt das Krefelder Werk von Dormagen aus zu versorgen, kann BAYER die sowieso benötigte neue CO-Produktionsanlage in Krefeld bauen und auf die Pipeline verzichten“, so Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG.

Die Inbetriebnahme der Leitung ist seit Jahren ausgesetzt, da das Oberverwaltungsgericht Münster schon im Dezember 2007 erhebliche Zweifel an der Gemeinnützigkeit des Projekts geäußert hatte. Durch den heutigen Gerichtsbeschluss wird sich das Genehmigungsverfahren weiter verzögern. Von Mitarbeitern des Unternehmens war in jüngster Zeit zu hören, dass der BAYER-Vorstand im Fall einer erneuten gerichtlichen Schlappe neu über das Projekt befinden will. Gegen die Pipeline liegen mehr als 40 zusätzliche Klagen vor.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte zur Pipeline mehrfach Gegenanträge zur BAYER-Hauptversammlung eingereicht. Zudem wurden von den Bürgerinitiativen entlang der Trasse mehr als 110.000 Unterschriften gesammelt. Die Feuerwehren haben wiederholt darauf hingewiesen, dass sie der Bevölkerung im Fall eines Leitungsbruchs nicht helfen könnten.

Die ursprüngliche Planung von BAYER sah vor, das giftige Gas über 67 km durch dichtbesiedeltes Gebiet zu leiten – ein gefährlicher Präzedenzfall. Die Aussage des Konzerns, wonach „Pipelines sowohl unter Sicherheits- als auch unter Umweltaspekten das beste Transportmittel“ sind, suggeriert, dass durch die Pipeline andere Transporte - z.B. per Schiff oder Lkw - überflüssig werden. Dies wurde auch wiederholt im Landtag oder von Vertretern der IG BCE geäußert. Tatsächlich finden jedoch keine nennenswerten CO-Transporte statt. Nach Auffassung der Coordination gegen BAYER-Gefahren muss das bislang geltende Prinzip, wonach Gefahrstoffe nur am Ort ihrer Verwendung produziert werden, unbedingt erhalten bleiben.

Schon im Dezember 2004 hatte BAYER mit der Firma Linde einen Vertrag über die langfristige Lieferung von CO geschlossen. Die Vereinbarung galt auch für die Belieferung des Krefelder Werks, obwohl zu diesem Zeitpunkt weder das Gesetz im Landtag zum Bau einer Pipeline, geschweige denn eine Genehmigung vorlag. Durch den jüngst angekündigten Bau neuer Kunststoff-Produktionsanlagen in Dormagen fällt dort kein überschüssiges Kohlenmonoxid mehr an, weswegen so oder so eine neue CO-Anlage benötigt wird.

alle Informationen zur Kampagne

Pressemitteilung der Stopp Bayer- CO- Pipeline Initiativen
Hilden, 25. Mai 2011

Weiterer Etappensieg zum Stopp der CO - Pipeline

Initiative geht gestärkt in die nächsten Runden

Der Vorsitzende der 3. Kammer des Verwaltungsgericht Düsseldorf Dr. Schwerdtfeger verkündete zunächst die Kostenentscheidung und diese fiel schon deutlich zu Lasten der beklagten Bezirksregierung und der Beigeladenen Bayer aus.

Dass der Planfeststellungsbeschluss als rechtswidrig und nichtvollziehbar beurteilt wurde, bedeutet:

* Baustopp an der gesamten CO – Pipeline; die technische Fertigstellung muss warten und Bilder der vor sich hinrottenden Rohre auf enteignetem Boden werden weiter am Image von Bayer kratzen.
* Der damalige Regierungspräsident Büssow, Bayer als Bauherr und der begutachtende TÜV haben sich bis auf die Knochen blamiert und sind bloßgestellt. Wer es nicht schafft europaweit anerkannte Regeln zur Erdbebensicherheit anzuwenden und zwingend vorgegebene Überprüfungen des Bodens und der oberirdischen Teile - wie Rohrbrücken - für unnötig erachtet und dann in seinen Verlautbarungen noch von einer „sicheren Pipeline“ faselt, hat jegliche Glaubwürdigkeit verspielt.

In anderen Punkten ist das Gericht bei seiner Auffassung aus dem Jahr 2007 geblieben und hat die Klagen zurückgewiesen:

* Das Rohrleitungsgesetz (Enteignungsgesetz) und in der Planbegründung sah es sich durchaus im Gegensatz zu der Auffassung des Oberverwaltungsgerichtes und wollte doch die Enteignungen nicht als rechtwidrig ansehen.

* Auch die fehlende Prüfung von Alternativtrassen spielte keine Rolle genauso wie
* Rost und Mängel an den Rohrleitungen, die von dem Gutachter für unwichtig erklärt wurden. Zitat:“ „Denken Sie daran, wie rostig die Stahlstreben sind, die in Stahlbeton eingebaut werden. Das ändert an der Sicherheit des so entstandenen Gebäude gar nichts.“

Der Vorsitzende wies selbst klar und deutlich auf die unterschiedlichen Rechtsauf-fassungen zu dem nächst instanzlichen Oberverwaltungsgericht hin. Die rechtlichen Prüfungen belassen wir als Initiative weiter vertrauensvoll in den Händen der Kläger und deren hervorragenden Anwälten.

Wir freuen uns, dass wir nun gestärkt in die nächsten Runden im Kampf um Gesundheit, Leben und bürgerliche Rechte der betroffenen Anwohner dieser Giftröhre gehen.
Deshalb verweisen wir auf unser jüngst eingeweihtes Mahnmahl, den Knoten, der sich immer enger um die Giftröhre schließen soll.

[Prozess] CO Pipeline stoppen!

CBG Redaktion

Presse Information vom 23. Mai 2011
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Prozess-Auftakt am Verwaltungsgericht Düsseldorf

CO-Pipeline: „Unseliges Projekt jetzt beerdigen!“

Heute beginnt am Düsseldorfer Verwaltungsgericht der Prozess von Anwohnern der Kohlenmonoxid-Pipeline gegen die Genehmigung des Projekts und die damit verbundenen Enteignungen. Die Inbetriebnahme der Giftröhre zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen ist seit Jahren ausgesetzt, da das Oberverwaltungsgericht Münster Ende 2007 erhebliche Zweifel an der Gemeinnützigkeit des Projekts äußerte.

„Nun ist der Moment gekommen, dieses unselige Projekt zu beerdigen. Die Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen Jahren grundlegend geändert: durch den angekündigten Bau neuer Kunststoff-Produktionsanlagen in Dormagen fällt dort kein überschüssiges Kohlenmonoxid mehr an - im Gegenteil. Statt das Krefelder Werk von Dormagen aus zu versorgen, kann BAYER die sowieso benötigte neue CO-Produktionsanlage in Krefeld bauen und auf die Pipeline vollständig verzichten“, so Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG).

Kohlenmonoxid ist ein tödliches Atemgift, das bislang – wie alle giftigen Gase – nur am Ort seines Verbrauchs produziert werden darf. Im Gefahrenkorridor entlang der Pipeline leben mehr als 140.000 Personen. Die Feuerwehren haben wiederholt darauf hingewiesen, dass sie der Bevölkerung im Fall eines Leitungsbruchs nicht helfen könnten. Nach Auffassung der CBG muss das bislang geltende Prinzip, wonach Gefahrstoffe nur am Ort ihrer Verwendung produziert werden, unbedingt erhalten bleiben.

Gegen die Inbetriebnahme der Pipeline wurden von den Bürgerinitiativen entlang der Trasse mehr als 110.000 Unterschriften gesammelt. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte die Bürgerproteste gegen die Pipeline Anfang 2006 initiiert und hierzu mehrfach Gegenanträge in der BAYER-Hauptversammlung eingereicht.

Unabhängig vom Ausgang des bis Freitag laufenden Verfahrens erhält BAYER weiterhin keine Betriebsgenehmigung, da zunächst das Oberverwaltungsgericht endgültig entscheiden muss. Von Mitarbeitern des Unternehmens ist zu hören, dass der Vorstand des Konzerns bei einer erneuten gerichtlichen Schlappe neu über das Projekt befinden will.

alle Informationen zur Kampagne

[Denkmal] CO Pipeline stoppen!

CBG Redaktion

19. Mai 2011

Ein kunstvoller Knoten verschließt die CO-Pipeline

Als weiterer Meilenstein im Kampf gegen die lebensbedrohende CO-Pipeline von BAYER wurde in Monheim/Rheinland ein „standfestes, langlebiges und kunstvolles Mahnmal“ der Öffentlichkeit übergeben. Nach der Idee des Pipeline-Kritikers Erwin Schumacher wurde das Giftrohr mit einem gekonnten Knoten symbolisch verschlossen.

Alle Kommunen an der Trasse von Monheim bis Duisburg hatten sich in politischen Stellungnahmen und in Rechtsverfahren seit Jahren gegen das Hochrisiko-Projekt gestellt. Diese Kommunen repräsentieren mehr als 1,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger.

Zahlreiche Aktive der Initiativen begrüßen, dass fast alle Kommunalpolitiker auf ihrer Seite stehen. Zugleich wird jedoch beobachtet, dass die Rot-Grüne-Landesregierung nicht aktiv wird, obwohl sie eine Mehrheit gegen die Pipeline im Landtag von NRW hätte. Offensichtlich ist der Einfluss der BAYER-Chefetage so groß, dass sich die Landesregierung nicht gegen den Konzern stellen will.

Viele Mitbürger fühlen sich verraten, zumal die Grünen vor der Landtagswahl mit zahlreichen Anträgen gegen die Pipeline brillierten, jetzt aber im Interesse des Koalitionsfriedens keinen einzigen ihrer alten Anträge wieder aus der Tasche ziehen. Bei der Einweihung des imposanten Denkmal wurde in Monheim deutlich: Verlässlich ist nur der außerparlamentarische Widerstand gegen die CO-Pipeline.

[HV 2011] Hauptversammlung 2011

CBG Redaktion

zwei Aktionsberichte zur BAYER-Hauptversammlung am 29. April 2011

BAYER-HV 2011 im Zeichen der Kritik

Vorstandsvorsitzender Dekkers eiskalt

Es war die erste Hauptversammlung der BAYER-AktionärInnen des neuen Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers. Alles war toll geplant: Super Zahlen, sensationelle Gewinne, eine noch sensationellere Dividende, jubelnde AktipionärInnen.

Doch es kam alles anders. Bereits um 8 Uhr morgens machten vor den Toren der Kölner Messehallen lautstark DemonstrantInnen auf sich aufmerksam. Sie warfen dem Konzern und seinen AktionärInnen vor, seine Profite auf Kosten von Mensch und Umwelt zu erraffen. Es ging um Tierversuche, um BAYER-Gifte, um die tödliche CO-Pipeline, um Gentechnik, um Arbeitsplatzvernichtung:
> Etwa 100 Imker hatten Bienenstöcke und 1,2 Millionen Unterschriften mitgebracht. In ihren Materialien warnten sie, dass BAYER für das weltweite Bienensterben verantwortlich ist und forderten den sofortigen Stopp der bienentödlichen BAYER-Pestizide.
> TierversuchsgegnerInnen hatten einen übergroßen Käfig mitgebracht, in dem ein menschliches Kaninchen im Dienste der BAYER-„Wissenschaft“ gefoltert wird.
> Aus mehreren Ländern waren Opfer der BAYER/Schering-Schwangerschaftstests PRIMODOS (in Deutschland DUOGYNON) angereist und machten darauf aufmerksam, dass dieser Medizin-GAU weitaus mehr Opfer forderte als die CONTERGAN-Katastrophe.
> Ein Dutzend junge Frauen in brennend roten T-Shirts informierten darüber, dass sie nur knapp dem Tod entronnen waren und nun lebenslange schwere Gesundheitsschäden haben, nachdem sie die BAYER-Antibabypille Yasmin eingenommen hatten.

Die etwa 4.000 AktionärInnen, die so nach und nach bis zum Beginn der HV um 10 Uhr aus den Bussen quollen, wurden von ohrenbetäubendem Lärm und Dutzenden von Flugblättern empfangen. Noch meinten sie, sich den Protesten raschen Schrittes zum Eingang hin entziehen zu können. Doch sie hatten die Rechnung ohne die Kritischen AktionärInnen der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) gemacht.

Wie in den 30 Jahren zuvor, trat die CBG, ausgestattet mit 40 Tsd. Stimmrechten von mehreren hundert AktionärInnen im Saal ans Mikrofon und versaute die von BAYER-Boss Dekkers und seinem Aufsichtsratsvorsitzenden Schneider beschworene Jubelstimmung kräftig. Von 32 RednerInnen in der Aussprache des Berichts gingen mehr als 20 mit dem Konzern und dem verantwortlichen Management mehr oder weniger hart ins Gericht. Neben den RednerInnen der CBG sprachen VertreterInnen von Greenpeace International, von Avaaz, von Peta, von den CO-Pipeline-GegnerInnen, von den Imkerverbänden sowie von anderen Organisationen. Es ging neben den bereits in den Flugblättern vor dem Saal erwähnten Themen um die Vernichtung von Arbeitsplätzen, um die Sicherheit in den Werken, um Unglücksfälle und Katastrophen, um die Diskriminierung der Frauen und viele andere mit den BAYER-Profiten verbundene Fragen und Probleme.

Besonders bewegend waren die Auftritte der Antibabypillen- und PRIMODOS-/DUGYNON-Opfer. Während zwei junge Frauen über ihr Schicksal nach der Einnahme von YASMIN berichteten, zogen ein weiteres halbes Dutzend junger Frauen und Angehöriger von YASMIN-Opfern durch die Reihen der AktionärInnen. Die Aufdrucke Ihrer T-Shirts gaben über die persönlichen Schicksale Auskunft.

Ebenso die PRIMODOS-/DUGYNON-Opfer. Während ihrer Rede bauten sie sich vor dem hoch oben auf seinem Podest über ihnen thronenden Vorstandsvorsitzenden auf und zeigten ihre erlittenen Missbildungen an Händen und Füßen. Fast eine Viertelstunde lang brachten sie so die Manager in Verlegenheit.

Einen Schlagabtausch der besonderen Art gab es, als der Gründer der CBG, Axel Köhler-Schnura ans Mikrofon trat. Seit 1983 ist er auf den HVs präsent. Bereits vier Vorstandsvorsitzende vor Dekkers mussten sich Jahr für Jahr seine beißende Kritik am Profitgeschäft des Konzerns anhören. Unnachgiebig enthüllte er das wahre Gesicht des Konzerns und legte faktenreich die Finger in die Wunden: Nicht um Umweltschutz und Erhöhung der weltweiten Gesundheit geht es dem Konzern, sondern einzig um immer neue Maximierung der Profite. Dabei sind Machtmissbrauch, Ausbeutung, Umweltzerstörung, Kriegstreiberei, Menschenrechtsverletzungen, Gefährdung menschlicher Gesundheit bis hin zum Tod die Regel. Das alles im großen Stil, das alles weltweit.

Dieses Jahr nahm Köhler-Schnura u.a. die Katastrophen der Kernschmelze in Fukushima und der Explosion der Deepwater Horizon im Golf von Mexiko zum Anlass, um vor drohenden Desastern gleichen Kalibers bei BAYER zu warnen. „BAYER hat gleich mehrere vergleichbare Menschheitskatastrophen in der Pipeline .... Gemeint sind die Gentechnik und die Nanotechnologie. Und gemeint ist die gleich mehrfache Verantwortung des BAYER-Konzerns für das seit nunmehr fast zwei Jahrzehnte andauernde Bienensterben. .... Ohne Bienen können wir einpacken. ... Ohne Bienen keine Lebensmittel - so einfach ist das. Und wenn der kritische Punkt überschritten ist, dann haben die von BAYER verursachte Menschheitskatastrophe!“ Darauf gibt es laut Köhler-Schnura nur eine mögliche Antwort: Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, „auch der Aufsichtsrat vertretenen GewerkschaftskollegInnen, die leider kein besseres Bild abgeben“ sowie Kürzung der Dividende „von 57 Prozent(!!) des Kapitalwertes der Aktien in Höhe 1,50 Euro auf 3,8 Prozent bzw. 0,10 Euro je Aktie“, wobei er betonte, dass er auch die vollständige Streichung zu Gunsten der Sicherung von Arbeitsplätzen, des Schutzes der Umwelt und der Entschädigung von Opfern fordern würde, dass das aber leider gesetzlich nicht möglich sei..

Der Vorstandsvorsitzende zeigte sich von allem unbeeindruckt. Jedwede Kritik prallte an ihm ab: BAYER hätte für nichts Verantwortung, alles sei bestens, die Vorwürfe seien durchweg haltlos. Und insbesondere den Opfern schrieb er mit Eiseskälte ins Stammbuch, dass YASMIN „sicher“ und irgendein Zusammenhang mit den Missbildungen durch PRIMODOS/DUOGYNON nicht bewiesen sei.

Eine Hauptversammlung ist eine hohe Messe des Kapitals. Fast eine Milliarde Aktien im Nennwert von 2,56 Euro –Kurzwert ca. 50 Euro - zirkulieren bei BAYER. 90 Prozent davon befinden sich in den Händen weniger GroßaktionärInnen. Die ca. 4 Tsd. angereisten KleinaktionärInnen haben keinerlei Bedeutung, sie geben mit den von ihnen zusammen gehaltenen vielleicht zwei Millionen Aktien das Feigenblatt für geschauspielerte Aktionärsdemokratie. Sämtliche Beschlüsse sind längst vor der HV mit den „Investoren“ geklärt. Für sämtliche Beschlussanträge hat der Vorstand sichere Mehrheiten von 90 Prozent dank der Konzentration der Aktien bei den Großaktionären im Sack. Grundlegende Gefahren für die Abstimmungen gibt es bei dieser Art von „Demokratie“ keine.

Doch um diese Diktatur des Kapitals nicht so offenkundig sichtbar werden zu lassen, wird Jahr für Jahr das Schauspiel einer Hautpversammlung aufgeführt. Um so ärgerlicher für die Konzernverantwortlichen, dass es bei BAYER seit Jahrzehnten bereits von den Kritischen AktionärInnen der Coordination gegen BAYER-Gefahren als das entlarvt wird, was es ist: Eine Farce, eine Verdummung der Bevölkerung.

Noch ärgerlicher diesmal, dass es dem Vorstandsvorsitzenden Dekkers noch nicht einmal gelang, die AktionärInnen im Saal bei der Stange zu halten. Da half es auch nicht, dass er – einigermaßen angeekelt - in den Raum schleuderte, „Herr Köhler-Schnura, Ihre pauschalen Vorwürfe zeigen, dass Sie etwas gegen soziale Marktwirtschaft, Pressefreiheit und Demokratie haben. Es zeigt ihre kommunistische Gesinnung, die sich grundsätzlich von unserer Haltung unterscheidet. ... Dass Sie BAYER in die Nähe von Atom-Katastrophen rücken, zeigt wie Sie die Realität verkennen.“ Ein Kleinaktionär, der seine Stimmrechte unmittelbar nach der Rede von Köhler-Schnura diesem übertrug, stellte fest: „Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, wo Sie die demokratische Grundordnung verletzen.“

Und so kam es wie es kommen musste. Statt der bei Hauptversammlungen üblichen 99-prozentigen Zustimmung zu den Anträgen der Vorstände gab es bei BAYER auch dieses Mal wieder nicht nur Applaus für die kritischen Redebeiträge von Köhler-Schnura und den anderen kritischen AktionärInnen, sondern mehr als 3 Millionen Gegenstimmen. Der so schön geplante Antritts-HV des neuen BAYER-Bosses Dekkers war damit gründlich missraten, die Fassade der Aktionärsdemokratie bekam Risse, die Profit-Bestie hinter den Hochglanzberichten kam unübersehbar zum Vorschein. Von Chr. LeMaan, Coordination gegen BAYER-Gefahren

Bericht zur Demonstration der Imker im Rahmen der Hauptversammlung der Aktionäre der BAYER AG, sowie zum Verlauf der Hauptversammlung

Köln, den 29. April 2011
Bernhard Heuvel

Ankunft
Bereits beim Eintreffen vor den Messehallen der Köln-Messe fielen die mit hellem Imkerschleier und -anzug gekleideten Menschen auf, die fleißig beim Aufbau waren. Daneben hoben sich die dunkel gekleideten Leute des Sicherheitsdienstes ab, die im Vergleich zu ähnlichen Veranstaltungen in auffällig hoher Anzahl vertreten waren.
Vor dem Eingang der Köln-Messe ist ein U-förmiger Busbahnhof gelegen. Die Fassade der Köln-Messe ist hochmodern mit einer hohen Glasfront verkleidet. Die Glasfassade wurde mit dem BAYER-Schriftzug versehen und vor dem Gebäude die BAYER-Flaggen gehisst. Die Imker positionierten sich gegenüber des Einganges zur Hauptversammlung. Die Shuttle-Busse hielten rechts der Imker, die Aktionäre und Besucher der Hauptversammlung liefen an der Glasfront etwa 50 Meter bis zum Eingang. Die Glasfront war mit Absperrungen abgestellt, so daß die Aktionäre wie in einer Art Schlauch eingezwängt vor den Imkern liefen.
Die Imker hatten ein großes DIB-Honigglas aufgebaut, Transparente an den Fahnenmasten angebracht, sowie Holzschilder zum Hochhalten vorbereitet.Schilder zum Umhängen gab es ebenfalls. Mehrere Bienenvölker wurden aufgestellt, wobei vor einem Bienenvolk ein weißes Laken ausgebreitet wurde, auf dem ein ganzer Eimer toter Bienen ausgeschüttet wurde. Das Transparent zeigte dazu: BAYER – Gift für Bienen! Die Veranstaltung wurde vom Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund DBIB ausgerufen, dessen Vorstand in Person von Manfred Hederer und Christoph Koch vor Ort vertreten war. Ebenfalls vertreten war der Präsident des Europäischen Erwerbsimkerbundes (EPBA ) Walter Haefeker.

Verlauf der Demonstration
Von 8 Uhr bis etwa 10:30 Uhr reisten die Aktionäre und Besucher der Hauptversammlung hauptsächlich mit den zur Verfügung gestellten Shuttle-Bussen an. Die Busse hielten rechts der Demonstranten und wurden beim Aussteigen von der Organisation AVAAZ mit einem in deutscher und englischer Sprache verfassten Banner begrüßt. Insgesamt 1,2 Millionen Menschen weltweit haben für das Verbot der Neonicotinoide und dem Stopp des Bienensterbens gestimmt – das stand auf dem Plakat. Vor dem Plakat haben sich als Bienen verkleidete Aktivisten auf dem Boden gelegt und tote Bienen dargestellt. Die Imker haben sich in Imkerkleidung dazugestellt und damit die Forderung unterstrichen.
Die Aktionäre liefen dann durch einzelne Imker hindurch, die sich mit einem Rauchgerät entlang der Fassade stellten.
Die restlichen Imker positionierten sich gegenüber der Fassade am Busbahnhof. Die Imker verliehen mit drei leeren Ölfässern als Trommeln mächtig Gehör – mit lautem Wummern, das zudem von der Fassade zurückgeworfen wurde, gestaltete sich der Gang zum Eingang (etwa 50 Meter) als richtiger Spießrutenlauf. Die Trommeln wurden durch Trillerpfeifen und Trompeten unterstützt – ein Ignorieren und Vorbeischleichen war kaum möglich.
Daher blieben viele Aktionäre stehen und studierten die Forderungen auf den Bannern.
Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich – von aufmerksamen Interesse, von auf den Boden blicken bis hin zu bösartigen und starren Blicken war jede Reaktion vertreten.
Die Absperrungen waren massiv mit Sicherheitsleuten abgestellt. Sicherheitsleute haben sich auch innerhalb des Gebäudes an den Fenstern platziert, und beobachteten die Demonstranten mit größter Aufmerksamkeit.
Das Publikum entsprach vom Altersdurchschnitt her dem Altersdurchschnitt der Imker in Deutschland, also ein älteres Publikum. Die wenigsten trugen Anzüge, einige kamen sogar in Sandalen, so daß ich mich zum Teil dem Eindruck einer Kaffeefahrt nicht erwehren konnte.
Mit einigen der Besucher kamen wir ins Gespräch – auch hier waren die Fragen sehr unterschiedlich. Von „wir sollten uns schämen“, „ich wurde durch BAYER-Medikamente gerettet“ bis zu interessierten und aufrichtigen Nachfragen unseres Anliegens.
Im Takt von etwa fünf Minuten kamen Busse, die die etwa 3.500 Aktionäre und Besucher zur Versammlung brachten. Jeder Bus wurde mit einem Donnern der Trommeln begrüßt.
Den Pressevertretern in Form von Fotografen, Kameraleuten, Radio- und Zeitungsreportern erklärten die Vertreter des DBIB die Hintergründe zu Neonicotinoiden, Saatgutbeizung und dem Bienensterben.

Parallele Demonstrationen
Die PETA demonstrierte gegen die in den Labors der Firma BAYER durchgeführten Tierversuche, wobei vor allem die unnötige Anwendung von Grausamkeiten gegenüber des Tieres im Fokus stand. Aktivisten haben entsprechende Videos in den Laboren gedreht, die auf der Homepage der Organisation zu sehen sind. Des Weiteren verwies PETA auf die heute zur Verfügung stehenden Alternativen zu Tierversuchen, die zudem aussagekräftiger sind und Risiken besser darstellen.
Die Organisation AVAAZ.org unterstützte die Imker durch ihre Darstellung toter Bienen und der Unterschriftensammlung von 1,2 Millionen Stimmen, die später BAYER-Vertretern überreicht wurde.
Die Selbsthilfegruppe Drospirenon Geschädigter (SDG) demonstrierte gegen die Wirkungen der drospirenonhaltigen Pillen Yasmin, Yasminelle, Yaz, Aida und Petibelle des Herstellers Bayer- Schering. Diese verursachen neuen Studien zufolge ein bis zu doppelt so hohes Embolie- und Thromboserisiko im Vergleich zu älteren Präparate. Nach Angaben der US-Aufsichtsbehörde Food and Drug Administration starben allein in den USA 190 Frauen nach Einnahme von Yasmin oder Yaz. In Deutschland erlitten mindestens zwölf junge Frauen tödliche Embolien. http:www.risiko-pille.de
Die Gruppe der Duogynon-Opfer werfen der Firma BAYER vor, Unterlagen zur Aufklärung zurückzuhalten, die aufklären, ob der hormonelle Schwangerschaftstest Duogynon bei Föten Missbildungen hervorruft.
Robin Blood ist eine Selbsthilfegruppe der in den 70er- und 80er-Jahren Gruppe von Blutern (4.500 Menschen), die durch verunreinigte Blutpräparate mit Hepatitis-C Viren infiziert wurden.
Die Initiative „Stopp-Bayer-CO-Pipeline kämpft gegen den Bau der CO-Pipeline in Dormagen und Umgebung, die für alle Einwohner ein nichtkalkulierbares Risiko darstellt.
Die Organisation Coordination gegen Bayergefahren unterstützte alle Demonstranten bei ihren Anliegen. http:
cbgnetwork.com

Hauptversammlung
Zur Hauptversammlung der BAYER AG ist jeder zugelassen, der Aktionär der BAYER AG ist, wobei die Anzahl der gehaltenen Aktien keine Rolle spielt. Bereits mit einer einzigen Aktie ist der Status des Aktionärs erfüllt und der Zutritt wird gewährt. Dieser Umstand ermöglichte es den Abgeordneten aller protestierenden Organisationen, an der Versammlung teilzunehmen.
Von Seiten der Imker nahmen etwa fünf Leute an der Versammlung teil. Drei dieser Imker haben die Möglichkeit einer Wortmeldung wahrgenommen: Christoph Koch als Vertreter des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes (DBIB), Walter Haefeker als Vertreter des Europäischen Erwerbsimkerbundes (EPBA). und meine Person für mich selbst als „einfacher Imker“.
Der Zugang wurde in der Vergangenheit nicht mit Imkerkleidung gewährt, weswegen wir uns umzogen und mit Hemd und Kragen ging es in die Absperrung und zum Spießrutenlauf. Die Sicherheitsleute waren etwas verwirrt, als wir an Ihnen vorbeiliefen und schwankten, ob Sie uns aufhalten sollten oder nicht. Sie haben sich augenscheinlich unsere Gesichter eingeprägt. Doch wir hatten Zugangskarten und wurden durchgelassen. Einige der Imker jedoch haben uns nicht erkannt und riefen uns zu: BAYER vergiftet Bienen! So haben wir am eigenen Leib erfahren, wie sich der Spießrutenlauf zum Eingang der Hauptsammlung anfühlte.
Ich drückte die Eingangstür auf und betrat den riesigen Vorraum der Messehallen. Sobald die Tür sich schloss, umfasste einem die wohltuende Stille und wohltemperierte Umgebung. Rechts in etwa dreißig Meter Entfernung ein Informationstresen mit zwei Empfangsdamen. Links ging es zum Zugangsbereich. Die Messehallen haben die Größe und gefühlte Atmosphäre eines Großflughafens. Um zu den Hallen zu gelangen, mussten wir durch einen Metallscanner hindurchgehen und die am Körper getragenen Metallgegenstände zusammen mit Rucksack und Handtasche auf ein Band des Scanners stellen. Nach dem Durchschreiten des Scanners wurden wir durch das Sicherheitspersonal mit einem Handscanner abermals abgescannt. Wie in einem Flughafen gab es ein Dutzend Eingänge und Röntgengeräte.
Über Lautsprecher wurde gerade die Rede von Dr. Dekkers, dem Vorstandsvorsitzenden der BAYER AG übertragen. Die Stimme hallte omnipräsent aus allen Ecken, denn überall waren Lautsprecher aufgestellt.
Wir holten uns an einem Terminal die Stimmkarten ab (inklusive Werbegeschenke) und um mehrere Ecken und Hallen, gelangten wir zum „Aktionärsbistro“. Das war eine Messehalle, die an zwei Seiten der Halle mit mehreren Bistro-Ständen ausgestattet war. Dort konnte man sich kostenlos mit Getränken (Wasser, Cola, etc.) und kleinen Happen (Brezel, Laugenbrötchen) versorgen – das Angebot wurde fleißig angenommen und der Raum war gut gefüllt, obwohl gerade die Rede des Vorsitzenden gehalten wurde.
Überall waren Sicherheitsleute – an den Eingängen, an den Ausgängen, an den Ecken des Flures – überall. Das war schon sehr auffällig. Ich war schon auf vielen Großveranstaltungen und habe noch nie so ein Sicherheitsbedürfnis erlebt. Auch in Flughäfen habe ich noch nie so viele Sicherheitsleute gesehen – mich hat das sehr nachdenklich gestimmt und ich habe mich gefragt, warum eine Firma sich so sehr Sorgen um die eigene Sicherheit machen muss.
Die Hauptversammlung hatte schon begonnen. Die als Veranstaltungsraum genutzte Messehalle mit einer geschätzten Kapazität für viertausend Besucher war abgedunkelt. Über die gesamte Breite der Messehalle war das Podium des Vorstandes und des Aufsichtsrates aufgebaut. Die gesamte Breite der Front war Fläche für die Projektion – links und rechts war das Nahbild des Redners zu sehen und in der Mitte die Präsentationsfolien.
Die Rede des Vorstandsvorsitzen Dr. Dekkers war gespickt mit den Vokabeln „hervorragend“, „optimistisch“, „tolle Produkte“, „gutes Wachstum“ und so weiter. Wortreich wurde die Fassade eines gut funktionierenden Konzerns gemalt und die saubere Arbeit des Vorstandes, sowie des Aufsichtsrates hervorgehoben. Die stellenweise ziemlich verdrehte Wortwahl, erinnerte mich an das „Neusprech“aus dem Roman von George Orwell. Der Applaus des Publikums wurde jedoch stets brav geleistet.
Nach der Rede von Dr. Dekkers, die etwa gegen 11:00 Uhr zu Ende war, kamen die Wortmeldungen an die Reihe. Sicherheitshalber wurden die kritischen Wortmeldungen in den späten Nachmittag verlegt. Am Vormittag und dem frühen Nachmittag kamen zunächst die Aktionärsvertreter zu Wort. Diese waren sehr redegewandt, überschütteten Herrn Dekkers mit Lob zum Antritt als Vorstandsvorsitzender (Herr Dekkers ist im Herbst 2010 angetreten und hat den ehemaligen Konzernchef Herrn Wenning abgelöst). Nach dem Lob folgte aber auch Tadel. Vor allem wurden bestimmte Aktivitäten des BAYER-Vorstandes in Frage gestellt. Darunter war auch die Kritik, daß der Bericht des Aufsichtsrates mit vier Seiten in Relation zum Gesamtbericht sehr dünn wäre. Durch die Blume wurde auch moniert, daß der Aufsichtsrat und der Vorstand Vetternwirtschaft betreiben. Kritisch wurden die Klagen gesehen, die der Firma BAYER zurzeit wegen Wirkungen der Verhütungsmittel YASMIN und YAZ, sowie den Klagen zur weltweiten Kontamination der Lagerbestände an Reis mit dem „Genreis“ der Firma BAYER anhängig sind.
Das im Bereich Pharma umsatzstärkste Mittel YASMIN/YAZ hat allein in den USA 7.000 Klagen ausgelöst. Den Opfern und deren Angehörigen nach, löst das Mittel auch bei Nichtrisikoanwendern Lungenembolien aus und es ist zu Todesfällen gekommen.
Der „Genreis“ wurde von BAYER in den USA im großen Stil zu Testzwecken angebaut. Dabei wurde 30% der gesamten Reisernte der USA mit dem Genreis kontaminiert. Daraufhin wurde der Import des US-Reis in viele Länder gestoppt und verboten. Das hat der amerikanischen Reiswirtschaft einen großen Schaden zugefügt. Heute wurde der Genreis von BAYER in 25 Ländern gefunden.
Die Aktionärsverbände befürchten, daß die Schadensersatzforderungen und Klagen große Summen verschlingen und den Konzern Schaden zufügen. Die entsprechenden Rückstellungen war auch Bestandteil der Kritik, insbesondere, ob die Rückstellungen groß genug bemessen wurden und welche weiteren Klagen zu erwarten sind.
Auch wurde seitens der Aktionärsverbände hervorgehoben, daß die angehobene Dividende mit einigen Tricks erkauft worden sind und die Anhebung der Dividenden zur Berechtigung der Anhebung der eigenen Gehälter des Vorstandes und der Aufsichtsratsmitglieder dienen soll. Es wurde seitens der Verbände wohl bemerkt, daß weiter Personal auf Kosten des Konzerns abgebaut wird.
Die gestellten Fragen wurden von Herrn Dekkers nach dem Sammeln der Fragen beantwortet, wobei einige Aspekte relativiert wurden, andere weit von sich gewiesen (Gehälter des Vorstandes und des Aufsichtsrates). Bei der Transparenz der Arbeit des Aufsichtsrates gelobte man Besserung.
Am Nachmittag dann kamen die ersten für BAYER kritischen Stimmen zu Wort. Unter anderem ein Sprecher der CBG (Coordination gegen Bayergefahren). Die CBG fordert, daß die Aktionäre gegen die Entlastung des Vorstandes stimmten.
Interessanterweise traten mehrmals nach kritischen Beiträgen Mitarbeiter der Firma BAYER an den Rednerpult. Zum Beispiel sprach nach dem ersten Beitrag der CBG eine Mitarbeiterin – sie brachte einige Kleinigkeiten vor – um dann mit der Forderung zu schließen, daß der Vorstand zu entlasten ist. Das wirkte auf mich sehr konzertiert. Ohnehin hatten die meisten Aktionäre die Versammlung zu diesem Zeitpunkt verlassen (etwa die Hälfte). Die Meisten hatten wohl die Speisen und Getränke, sowie die Werbegeschenke eingesackt, um danach nach Hause zu fahren. (Kaffeefahrt.)
Danach folgten die Reden der kritischen Organisationen.
Die Antworten des Vorstandes zu fast allen Wortmeldungen waren sehr ähnlich gelagert. Zusammenhänge der geschilderten Schäden durch BAYER-Produkte seien wissenschaftlich nicht erwiesen. Die Verantwortung wurde von sich gewiesen. Zum Teil waren die Antworten sehr persönlich. Einer Person wurde zum Beispiel vorgeworfen, „kommunistischer Gesinnung“ zu sein. Die Antworten waren alle recht kurz und knapp gehalten. Meist wurden die Vorwürfe weggewischt. Auffällig war auch, daß viele Fragen einfach nicht beantwortet und damit übergangen wurden. Viele Argumente, die durchaus stichhaltig waren, wurden stumpf mit dem Kommentar weggewischt, daß es altbekannte Vorwürfe seien und die Sachlage sich seither nicht verändert hat.
Eine Chance zur Nachfrage gab es für den Fragesteller nur unter erschwerten Umständen (müßte sich erneut in die Liste der Wortmeldungen eintragen und hinten anstellen).
Zu Anfang der Reihe der Wortmeldung waren es 31 Reden, die angemeldet wurden.
Im Laufe des Tages kamen aber einige Reden hinzu, so daß die Anmeldung um 16 Uhr geschlossen und keine weiteren Meldungen mehr zugelassen wurden.
Die letzten Wortmeldungen endeten um circa 17:30 Uhr.
Die gestellten Gegenanträge wurden als gegenstandslos weggewischt.

Reden im Wortlaut
•Felicitas Rohrer, Selbsthilfegruppe Drospirenon Geschädigter: http:cbgnetwork.com/3818.html
•Karl Murphy,Liverpool in England, Primodos/Duogynon: http:
cbgnetwork.com/3849.html
•John Santiago, Primodos/Duogynon: http:cbgnetwork.com/3847.html
•Walter Haefeker, Präsident des Europäischen Berufsimkerverbandes EPBA: http:
cbgnetwork.com/3845.html
•Christoph Koch, Deutscher Erwerbs- und Berufsimkerbund: http:cbgnetwork.com/3841.html
•Dieter Donner, Stopp-Bayer-CO-Pipeline: http:
cbgnetwork.com/3829.html
•Axel Köhler-Schnura, CBG: http:cbgnetwork.com/3827.html
•Jan Pehrke, CBG: http:
cbgnetwork.com/3825.html
•Andreas Bemeleit, Robin Blood: http:cbgnetwork.com/3822.html
•Andre Sommer, Duogynon: http:
cbgnetwork.com/3820.html
•Stephanie Brancaforte, avaaz, Bienensterben: http://cbgnetwork.com/3854.html

Persönlicher Eindruck
Die Rede von Christoph Koch war im ersten Block und relativ früh. Walter Haefeker sprach am Nachmittag. Meine Rede war etwa um 17:30 Uhr - obwohl ich mich zeitgleich mit Walter angemeldet habe. Meine Rede war die drittletzte der Veranstaltung. Die Leute von Avaaz.org und die Coordination gegen Bayergefahren haben ebenfalls das Bienensterben durch Neonicotinoide thematisiert.
Ehrlich gesagt war ich schockiert und bin immer noch erschüttert. Bei den Bienenthemen bin ich ja mittlerweile das Leugnen der Schäden gewohnt. Zu weit weg, zu schwer zu zeigen. Auf der Veranstaltung waren jedoch auch viele Menschen, die offensichtlich durch BAYER-Produkte geschädigt wurden. Unter anderem waren viele junge Frauen anwesend, die durch die Anwendung der Antibabypille YASMIN von der Firma Bayer eine Lungenembolie bekamen. Die Rednerin der Gruppe war aufgrund der Embolie für mehrere Minuten klinisch tot - durch Herzversagen. Sie konnte wiederbelebt werden. Andere Frauen nicht. Sichtlich bewegt, erzählte sie, daß die jungen Frauen keine Kinder mehr bekommen könnten und ihr Leben fremdbestimmt durch Ärzte und Medikamenten ist.
Aus England reisten Menschen an, die Verkrüppelungen und Behinderungen durch BAYER-Produkte davontrugen. Sie hatten den Mut, ihre geschädigten Arme und Beine zu zeigen. Und viele weitere Geschädigte meldeten sich zu Wort. Sie forderten, daß die Firma BAYER endlich mit Ihnen redet - es geht nicht nur um Schadensersatz, sondern auch um Gewissheit. BAYER hält die Akten unter Verschluss und ignoriert Gesprächsangebote.
Mir standen bei diesen Berichten über das Leid dieser Menschen die Tränen in den Augen.
All diesen jungen Menschen, deren Leben zerstört ist und deren körperliche Unversehrtheit durch BAYER verletzt wurde - all diesen jungen Menschen sagt so ein Konzernchef ins Gesicht, daß es Einzelfälle sind. Unfälle! Das wissenschaftliche Studien belegen, daß kein Zusammenhang zu den BAYER-Produkten bestünde.
Daß Bienen nicht aufgrund der BAYER-Pflanzenschutzmittel, sondern durch die Varroamilbe sterben. Das werde „von Wissenschaftlern weltweit so gesehen“.
Alles wurde vom Vorstand geleugnet und jegliche Verantwortung abgewiesen.
Ich weiß nicht, ob ihr das nachvollziehen könnt, aber wenn Menschen von Angesicht zu Angesicht von ihrem Leiden erzählen und das einfach weggewischt wird - ich habe das als unmenschlich empfunden. Ich konnte es menschlich nicht nachvollziehen und das schockt mich.

Disclaimer
Dieser Bericht gibt meine persönlichen Erfahrungen wieder und beansprucht weder Vollständigkeit noch die absolute Wahrheit. Wer die Angaben überprüfen und sich selbst ein Bild machen will, der sollte einfach zur Jahreshauptversammlung der BAYER AG im nächsten Jahr kommen.

[Pipeline]

CBG Redaktion

Pressemitteilung, 27. April 2011

STOPP-CO-PIPELINE - Initiative bei der Bayer-Aktionärsversammlung

Am Freitag, den 29.April 2011 findet ab 10 Uhr die Bayer-Hauptversammlung in der Halle 1 der Messe Köln statt.

Wir sind wieder von Aktionären um Teilnahme an der Veranstaltung gebeten worden, um dort die Rede - und Stimmrechte nachhaltig und verantwortungsvoll wahrzunehmen. Zusätzlich werden wir vor dem Eingang der Messehalle 1 die ankommenden Aktionäre mit unseren Bannern und einem Aktionärsbrief auf das weiter aktuelle Problem der Bayer-CO-Pipeline informieren. Dieser Brief enthält aber nicht nur Informationen sondern auch eine Aufforderung an die Aktionärinnen und Aktionäre:

“Verehrte Besucherinnen und Besucher der heutigen Aktionärsversammlung, entlasten Sie sich, den Vorstand und die Geschäftsleitung des Konzerns mit Ihrer Aufforderung, dieses unsinnige, gefährliche Projekt zu stoppen.“

Wir gehen davon aus, dass wie in den vergangenen Jahren eine zunehmende Anzahl „kritischer Aktionäre“ dieser Aufforderung folgen werden und Vorstand und
Aufsichtrat zu deren Fehlleistungen zumindest die Gelbe Karte zeigen werden.

[Pipeline] CO Pipeline stoppen!

CBG Redaktion

Rheinische Post, 20. Januar 2011

Trasse der CO-Pipeline sackt fast einen Meter ab

An der Trasse der Kohlenmonoxid(CO)-Pipeline des Bayer-Konzerns ist das Erdreich in unmittelbarer Nähe der bereits verlegten Leitungsrohre um 80 Zentimeter eingebrochen.

Spaziergänger hatten im November die Anti-Pipeline-Initiativen erstmals darüber informiert. Die Einbrüche wurden offenbar an verschiedenen Stellen auf Erkrather und Ratinger Stadtgebiet festgestellt.

Auch dem Pipeline-Eigentümer Bayer waren nach Angaben eines Unternehmenssprechers die Erdlöcher bereits aufgefallen. Während der Konzern von einem „normalen Vorgang beim Pipeline-Bau“ spricht, der für Statik und Sicherheit der bereits verlegten Leitungsrohre „unbedenklich“ sei, drängen die Pipeline-Gegner auf eine genauere Klärung.

„Bei jeder Leitung gibt es vor ihrem Bau eine Baugrund-Erkundung“, sagte Dieter Donner, der Koordinator der Pipeline-Gegner im Kreis Mettmann. Dazu gehörten nach Meinung Donners auch Probebohrungen. „Man darf neugierig sein, ob es es solche Bohrungen im porösem Karstgestein in Erkrath und Ratingen tatsächlich gegeben hat“, ergänzte der Pipeline-Gegner.

Die Bezirksregierung in Düsseldorf prüft den Vorgang derzeit. „Zusätzlich zu unseren Geologen klärt ein externes Ingenieurbüro, wie es zu den Erdrutschen kommen konnte und welche Konsequenzen zu ziehen sind“, sagte eine Sprecherin. Bayer hingegen schloss einen Zusammenhang zwischen den Erdlöchern und Karstgestein aus. Die Hohlräume sollen nun rasch beseitigt werden. VON JÖRG JANSSEN