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[Ticker 03/21] AKTION & KRITIK

CBG Redaktion
BLOCK BAYER in Aktion Der BAYER-Konzern vertreibt in den Ländern der sogenannten Dritten Welt zahlreiche Pestizide, die in der Europäischen Union wegen ihrer Gefährlichkeit keine Zulassung (mehr) haben. Aus Protest dagegen haben AktivistInnen von BLOCK BAYER am 16. April 2021 zwei Verladestationen des Dormagener Chemie-„Parks“ besetzt, wo der Agro-Riese einige dieser Mittel wie z. B. Probineb produziert. „Es ist ein Skandal, dass ein deutscher Konzern im globalen Süden hochgefährliche Pestizide verkauft, die hier verboten sind. Das wollen wir hier deutlich machen und fordern, dass BAYER die Produktion hochtoxischer Pestizide stoppt“, erklärte eine Sprecherin von BLOCK BAYER. Toxic BAYER 256 Seiten stark ist das Schwarzbuch zu BAYER, das der französische Journalist Martin Boudot verfasst hat. Die ganze Geschichte des Leverkusener Multis floss in „Toxic BAYER“ ein; von den Anfängen über die Mittäterschaft im NS-Staat bis hin zum MONSANTO-Deal reicht der Bogen, den Boudot spannt. Dabei stützte er sich nicht zuletzt auf Informationen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), deren konzern-kritische Arbeit in dem Werk dann auch nicht zu kurz kommt. Patent-Krake BAYER BAYER & Co. melden immer mehr Patente auch auf solche Pflanzen an, die nicht mit Hilfe gentechnischer Methoden, sondern mittels konventioneller Verfahren entstanden sind, obwohl die Gesetze das eigentlich verbieten. Dadurch droht die Kontrolle über die gesamte Lebensmittel-Produktion in die Hände der Agro-Riesen zu fallen. Das Netzwerk KEINE PATENTE AUF SAATGUT fordert das Europäische Patentamt deshalb in einer Petition dazu auf, keine solchen Schutzrechte mehr zu erteilen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) unterstützt dieses Anliegen und unterzeichnete den Appell. Insgesamt kamen 196.000 Unterschriften zusammen. Mercosur-Abkommen stoppen! Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt den Handelsvertrag ab, den die EU mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay abschließen will. Dieser droht nämlich das agro-industrielle Modell in diesen Ländern noch einmal voranzutreiben. Und damit steigen auch die Risiken und Nebenwirkungen dieser Wirtschaftsweise wie mehr Monokulturen, mehr Pestizide und Gentechnik, mehr Vertreibungen von Indigenen und weniger Regenwald, denn die Übereinkunft verspricht den lateinamerikanischen Nationen einen erleichterten Zugang zum EU-Markt für ihre Agrar-Güter. Das wiederum erhöht die Absatz-Chancen und damit auch die Produktion – und die Nachfrage nach Glyphosat & Co. Aber BAYER würde nicht nur davon profitieren, sondern auch von den Gegenleistungen, welche die Mercosur-Mitglieder erbringen müssen, haben diese sich doch zur Senkung der Einfuhr-Zölle für Güter aus Europa verpflichtet. Brüssel erwartet durch die Reduktion der Sätze, die bisher für Autos 35 Prozent des Warenwerts, für Chemikalien bis zu 18 Prozent und für Pharmazeutika bis zu 14 Prozent betrugen, Einsparungen von rund vier Milliarden Euro für die EU-Unternehmen. Grund genug also für den Leverkusener Multi, trotz der desaströsen Folgen des Abkommens für Mensch, Tier und Umwelt für eine Unterzeichnung zu streiten. Und Grund genug für die CBG, Mercosur abzulehnen und den entsprechenden Aufruf des SEATTLE TO BRUSSELS NETWORK zu unterzeichnen. Hormongifte stoppen! Viele Pestizide von BAYER wie z. B. ARENA C, BALET oder CONSENTO wirken hormon-ähnlich und zählen deshalb zu den sogenannten endokrinen Disruptoren (EDCs). Diese können den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln und Krankheiten wie Krebs oder Diabetes auslösen. Darum appellierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gemeinsam mit den Gruppen HEJSUPPORT, WOMEN ENGAGE FOR A COMMON FUTURE (WECF) und dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), welche die Initiative gestartet hatten, an die Bundesregierung, endlich zu handeln. „Das Fehlen dringend nötiger politischer Maßnahmen und der offensichtliche Schutz der Interessen einer starken Chemie-Industrie gefährden die Gesundheit jetziger und künftiger Generationen. Hier kann die Politik nicht tatenlos zusehen. Sie hat eine Verantwortung für die BürgerInnen, die sie erfüllen muss“, so Johanna Hausmann von WECF. Glyphosat stoppen! Die kanadische Grünen-Politikerin Jenica Atwin hat eine Initiative zum Stopp von Glyphosat ins Leben gerufen und einen Gesetzesvorschlag ins Parlament eingebracht. „Dieser Erlass ändert den Pest Control Products Act, um die Herstellung, den Besitz, die Handhabung, die Lagerung, den Transport, den Import, den Vertrieb und die Verwendung von Glyphosat zu verbieten“, heißt es in der „Bill C-285“. Dabei ist Atwin bewusst, dass sie einen langen Weg vor sich hat. „Es geht gegen die großen Industrien“, sagt sie: „Es wird eine Menge Hürden geben, aber es ist der Beginn einer Diskussion.“

KAPITAL & ARBEIT

Aufsichtsrat bekommt 19 Prozent mehr Der BAYER-Aufsichtsrat hat sich eine gewaltige Lohn-Erhöhung gegönnt. Die Bezüge steigen im Vergleich zu 2017 um rund 19 Prozent. Der oder die Vorsitzende des Gremiums erhält künftig ein Fix-Gehalt von 480.000 Euro, der oder die Vize-Vorsitzende schlappe 320.000 Euro. Das gemeine Aufsichtsratsmitglied kann auf einen Betrag von bis zu 360.000 Euro kommen, die Sitzungsgelder von 1.500 Euro pro Zusammenkunft noch nicht einmal mitgerechnet. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte die Maßlosigkeit in einem Gegenantrag, den sie zur diesjährigen Hauptversammlung einreichte. „Diese Summen sind der arbeitenden Bevölkerung im Allgemeinen und den BAYER-Beschäftigten im Besonderen nicht zu vermitteln“, hieß es darin. Ohnehin liegen beim Leverkusener Multi Welten zwischen den ManagerInnen-Gehältern und denen der ArbeiterInnen und Angestellten. Nach einer Erhebung der „Hans-Böckler-Stiftung“ lag der Verdienst des BAYER-Vorstandsvorsitzenden im Jahr 2017 um den Faktor 58 über dem Durchschnittslohn der Belegschaft. Angehörige der Leitungsebenen strichen 41 Mal so viel ein und die Vorstandsmitglieder 24 Mal so viel. Auf der Hauptversammlung von 2009 hatte eine Vertreterin des DACHVERBANDES DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE die Vorstandsriege auf der Hauptversammlung einmal gefragt, ob sie bereit wäre, die eklatante Lohn-Spreizung erst einmal auf den Faktor 20 zurückzuführen. Sie erhielt jedoch eine schnöde Abfuhr. BAYERs damaliger Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Schneider sprach sich vehement gegen solche „statistischen Grenzen“ aus.

POLITIK & EINFLUSS

NRW will Steuer-Wettbewerb Im Jahr 2012 zog der BAYER-Konzern seine Patent-Abteilung aus Leverkusen ab und verlegte sie nach Monheim, das sich ihm mit der niedrigsten Gewerbesteuer ganz Nordrhein-Westfalens als gute Adresse für eine Briefkasten-Firma empfohlen hatte. Damit trat er einen gnadenlosen Unterbietungswettbewerb los. 2019 gab sich dann auch Leverkusen geschlagen. Die Stadt ließ sie sich in Kamin-Gesprächen auf einen Deal mit BAYER ein. Der Pillen-Produzent sagte die Rückverlagerung von Teil-Gesellschaften zu und erhielt im Gegenzug Hebe-Sätze auf Monheim-Niveau. Mit diesen Tarifen ging die Kommune sogar auf Werbetour und versuchte, Unternehmen aus dem Umland zu akquirieren. Das wiederum nahm die Landes-SPD zum Anlass für eine Kleine Anfrage im Landtag. „Wie will die Landesregierung den Gewerbesteuer-Kannibalismus verhindern?“, wollte sie wissen. Die Antwort lautete zusammengefasst: Gar nicht. Das Land NRW sieht anders als Brandenburg, wo Gemeinden mit hohen Gewerbesteuer-Einnahmen eine Umlage zahlen müssen, keinerlei Anlass, den ruinösen Konkurrenz-Kampf der Städte und Gemeinden um Industrie-Ansiedlungen zu beenden. Es benennt den Grund für die Misere von BAYERs Stammsitz zwar eindeutig: „Der Rückgang in Leverkusen stand in Zusammenhang mit dem vollständigen Verlust der Steuer-Einnahmen von dem bis dahin größten Gewerbesteuer-Zahler infolge der gezielten Verlagerung ausgewählter Geschäftsbereiche dieses Betriebs“, will aber nicht an der Ursache ansetzen. Stattdessen unterstützen CDU und FDP Leverkusen bei der Kapitulation vor dem Kapital bzw. dabei, „den Standort auch im internationalen Vergleich wieder wettbewerbsfähig zu machen und dadurch einerseits Steuer-Erträge ihres größten Gewerbe-Betriebs zurückzuerlangen und andererseits die bereits kommunizierte Abwanderung anderer Großsteuerzahler abzuwenden.“ Für immer virtuelle HVs Schon lange vor Corona hatten BAYER & Co. mit der Abkehr von Präsenz-Hauptversammlungen geliebäugelt, um sich kritische AktionärInnen vom Leib halten zu können. Die Pandemie gab ihnen dann die passende Gelegenheit, ihre AktionärInnen-Treffen online abhalten zu können, was BAYER als erster DAX-Konzern nutzte. Nun will die Politik den Unternehmen die Flucht ins Internet dauerhaft ermöglichen. Im Juni 2021 fasste die Konferenz der JustizministerInnen der Länder einen entsprechenden Beschluss. An das Justizministerium erging der Auftrag, dafür ein Gesetz zu erarbeiten. „Unser Aktienrecht braucht mehr digitalen Schwung“, meinte der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach (CDU) und konstatierte: „Die Pandemie hat deutlich gemacht, dass Hauptversammlungen auch virtuell gut abgehalten werden können.“ Ein bisschen weniger Glyphosat Gegen einen Glyphosat-Stopp vor dem Auslaufen der EU-Zulassung Ende 2023 hatte die Große Koalition sich schon im September 2019 ausgesprochen. Sie gab sich mit einer Minderungsstrategie zufrieden. Für diese ließen sich die PolitikerInnen dann zu allem Übel auch noch Zeit bis kurz vor Toresschluss der Legislatur-Periode. Überdies fielen die Regelungen äußerst bescheiden aus. SPD und CDU verabschiedeten diese im Rahmen des Insektenschutz-Gesetzes. Für Glyphosat sehen die Bestimmungen ein Verbot nur für die Anwendung im Privatbereich und auf öffentlichen Grünflächen vor, die mengenmäßig kaum ins Gewicht fällt. Für das Ausbringen auf Äckern lassen Merkel & Co. hingegen zahlreiche Ausnahmen zu. So darf das Mittel gegen nicht wenige Wildkräuter nach wie vor zum Einsatz kommen. Auch wenn das Pflügen, die Wahl einer geeigneten Fruchtfolge oder eines geeigneten Aussaat-Zeitpunkts nicht möglich ist, bleibt das von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Herbizid bis 2024 erlaubt. Erst dann erfolgt das Aus – und das auch noch unter Vorbehalt. Wenn die EU Glyphosat bis dahin nämlich nicht aus dem Verkehr zieht, wackelt auch der Beschluss der Bundesregierung. „Sollten sich in diesem Zusammenhang Änderungen der Dauer der Wirkstoff-Genehmigung ergeben, ist das Datum des vollständigen Anwendungsverbots gegebenenfalls anzupassen“, hält die „Pflanzenschutzanwendungsverordnung“ fest. Die anderen Vorgaben zur Handhabung der Ackergifte weisen ebenfalls starke Mängel auf. Sie beschränken sich auf Maßnahmen zur Eindämmung des Insektensterbens in bestimmten Schutzgebieten. Überdies gibt es viele Ausnahme-Tatbestände, die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch zunahmen. So sicherten sich die Länder Öffnungsklauseln. Zudem drückte die CDU einen „Erschwernisausgleich Pflanzenschutz“ durch, der den LandwirtInnen den Spritz-Entzug durch Zahlungen in Höhe von 65 Millionen Euro erleichtert.

Lieferketten-Gesetz verabschiedet

Die Lieferketten BAYERS erstrecken sich über den gesamten Globus. So bezieht der Leverkusener Multi seine Arznei-Grundstoffe zu einem guten Teil aus Indien und China, wo hunderte Firmen zu Schnäppchen-Preisen für den Weltmarkt fertigen, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. In anderen Branchen kommt es im Zuge der Globalisierung zu ähnlichen Phänomenen. Darum erkannten die Vereinten Nationen bereits im Jahr 2011 Handlungsbedarf und hielten ihre Mitgliedsländer dazu an, Maßnahmen zu ergreifen. Die Bundesregierung sah dabei zunächst davon ab, übermäßigen Druck auf die Konzerne ausüben und setzte auf Freiwilligkeit. Sie hob den Nationalen Aktionsplan (NAP) aus der Taufe und machte sich daran, erst einmal ein Lagebild zu erstellen. Dazu startete die Große Koalition eine Umfrage unter den Betrieben und bat um Informationen darüber, ob – und wenn ja – in welcher Form sie entlang ihrer weltumspannenden Lieferketten die Einhaltung der Menschenrechte gewährleisten. Von den Antworten wollte sie dann ihr weiteres Vorgehen abhängig machen. Der Befund fiel ernüchternd aus. Nur ein Bruchteil der angeschriebenen Firmen antwortete überhaupt, und von diesen genügte bei der Beschaffung kaum eines den sozialen und ökologischen Anforderungen. „Das Ergebnis zeigt eindeutig: Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel“, resümierte Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) und konstatierte: „Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen“. Und den bereitete die Politik dann auch vor, was die Industrie-VertreterInnen in Panik versetzte. „Hier wird eine faktische Unmöglichkeit von den Unternehmen verlangt: Sie sollen persönlich für etwas haften, was sie persönlich in unserer globalisierten Welt gar nicht beeinflussen können“, echauffierte sich etwa der damalige Präsident der „Bundesvereinigung der Arbeitgeber-Verbände“ (BDA), Ingo Kramer. In der Folge taten die LobbyistInnen der Industrie alles, um das Schlimmste zu verhindern. Sie mahnten eine Beschränkung des Paragrafen-Werks auf direkte Zulieferer an und lehnten eine Haftungsregelung vehement ab. Schlussendlich konnten sie sich damit durchsetzen. Im jetzigen Paragrafen-Werk fehlt beides. Dem Leverkusener Multi dürfte es daher erspart bleiben, mit einer Klage von solchen InderInnen oder ChinesInnen konfrontiert zu werden, die in den Hot Spots der globalen Pharma-Produktion leben und unter den gesundheitlichen Folgen leiden. Dazu liegen nämlich zu viele Zwischenhändler zwischen BAYER und den Arznei-Produzenten vor Ort. Zudem müssten die Betroffenen in Deutschland noch eine Nichtregierungsorganisation finden, die in ihrem Namen vor Gericht zieht und so eine „Prozess-Standschaft“ wahrnimmt. Eine Möglichkeit, direkt Ansprüche anzumelden, lässt das Lieferketten-Sorgfaltspflichtgesetz den Geschädigten nämlich nicht „Eine Verletzung der Pflichten aus diesem Gesetz begründet keine zivilrechtliche Haftung“, heißt es auf Drängen der Konzerne nun im Paragraf 3, Absatz 3. Milliarden-Amnestie für BAYER & Co. Die in der Strom-Rechnung enthaltene EEG-Umlage gilt der Förderung alternativer Energien. Allerdings tragen nicht alle gleichermaßen zu der Subventionierung von Wind & Co. bei. Der Gesetzgeber hat BAYER und andere Chemie-Firmen wegen ihres hohen Energie-Bedarfs und entsprechend hoher Kosten weitgehend von der Abgabe befreit. Zudem zahlen die Konzerne für die Elektrizität, die sie in ihren eigenen Kraftwerken selbst erzeugen, nichts in den EEG-Topf ein. Das sogenannte Eigenstrom-Privileg entbindet sie davon. Aber den Multis reichte das noch nicht. Sie wollten sich auch bei dem zugekauften Strom vor den EEG-Zahlungen drücken, die sich pro Gigawatt-Stunde auf rund 64.000 Euro belaufen. Dafür bedienten sich die Gesellschaften des „Scheibenpacht-Modells“, das sich schlaue BeraterInnen ausgedacht hatten. Diese entwickelten Verträge, die BAYER, RWE, DAIMLER und andere Global Player von schnöden Strom-Kunden zu Pächtern von Kraftwerk-Anteilen machten – und damit zu Nutznießern des Eigenstrom-Privilegs. „Einzelne Unternehmen sparten auf diese Weise Hunderte Millionen Euro“, so der Spiegel, der den Skandal aufdeckte. Darum haben Netzbetreiber wie AMPRION die Unternehmen vor einiger Zeit verklagt. Der Leverkusener Multi, der Betrugsvorwürfe „entschieden“ zurückweist, sah sich mit immensen Nachforderungen konfrontiert und schickte ein Hilfe-Ersuchen nach Berlin. Fast 20 solcher Schreiben von Unternehmen gingen bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ein. Und die Briefe zeigten Wirkung. Das Bundeswirtschaftsministerium fügte ins „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ von 2021 den Paragrafen 104 ein, der BAYER & Co. die Möglichkeit einräumt, mit den Übertragungsnetzbetreibern einen Vergleich zu schließen. „Eine Milliarden-Amnestie für Konzerne“ nannte der Spiegel das. Kein Unternehmensstrafrecht „Wir wollen sicherstellen, dass Wirtschaftskriminalität wirksam verfolgt und angemessen geahndet wird. Deshalb regeln wir das Sanktionsrecht für Unternehmen neu“, heißt es im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Sogar höhere Strafen für Multis planten die Parteien: „Die geltende Bußgeld-Obergrenze von bis zu zehn Millionen Euro ist für kleinere Unternehmen zu hoch und für große Konzerne zu niedrig.“ Und wirklich nahm auch alles seinen parlamentarischen Gang. Mitte 2019 veröffentlichte das Justizministerium erste Vorschläge und im Weiteren zwei ReferentInnen-Entwürfe. Im Juni 2020 kam dann der Gesetzesentwurf der Bundesregierung – und dann nichts mehr. Der Lobby-Druck von BAYER & Co. brachte die CDU zum Umfallen. Sie trug das Vorhaben nicht mehr mit, was Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) erboste: „Das ist ein Bruch des Koalitionsvertrags, für den mir jedes Verständnis fehlt. Das zeigt, wie wenig die CDU aus Skandalen gelernt hat.“ So braucht der Leverkusener Multi auch künftig bei Abrechnungsbetrügereien mit falschen Arznei-Rechnungen (siehe RECHT & UNBILLIG), Preisabsprachen, unlauterer Werbung oder der Vermarktung gefährlicher Produkte die Macht des Gesetzes nicht allzu sehr zu fürchten. Hickhack um Hartwig BAYERs langjähriger Chef-Jurist Roland Hartwig sitzt heute für die AfD im Bundestag. Er gehört zu den vier stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion und hat keine Berühungsängste mit extrem rechten Positionen. So hielt er im Juni 2019 eine Rede beim „Staatspolitischen Kongress“, einer Veranstaltung des von Götz Kubitscheck und Karlheiz Weißmann gegründeten braunen Thinktanks „Institut für Staatspolitik“. Ende 2020 musste Hartwig den Vorsitz der „Arbeitsgruppe VS“ abgeben, welche die Aufgabe hat, die Partei aus dem Visier des Verfassungsschutzes zu bugsieren. Der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen veranlasste seine Ablösung, nachdem der EX-BAYER ihn für die Aussage kritisiert hatte, nicht alle AfDlerInnen stünden auf dem Boden der Verfassung. Auf Initiative Björn Höckes fasste der AfD-Bundesparteitag im Frühjahr 2021 allerdings den Beschluss, den Juristen wieder in Amt und Würden zu bringen. Der Bundesvorstand lehnte das – gegen die Stimmen von Alice Weidel, Tino Chrupalla, Stephan Brandner und Stephan Protschka – jedoch ab.

DRUGS & PILLS

DUOGYNON-Studie erst 2022 Ein hormoneller Schwangerschaftstest der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen durch das unter den Namen DUOGYNON und PRIMODOS vertriebene Medizin-Produkt bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Fehlbildungen zur Welt. Geschädigte oder deren Eltern fordern den Leverkusener Multi seit Jahren auf, die Verantwortung dafür zu übernehmen, bislang allerdings vergeblich. „BAYER schließt DUOGYNON als Ursache für Missbildungen aus“, erklärte der Global Player auf der jüngsten Hauptversammlung. Die Bundesregierungen jedweder Couleur sahen ebenfalls keinen Handlungsbedarf. In England hatten die Betroffenen mehr Erfolg. Die Politik gab einen Untersuchungsbericht in Auftrag, der den Behörden zahlreiche Versäumnisse im Umgang mit den Risiken des Medizinprodukts bescheinigte, woraufhin sich der damalige Gesundheitsminister bei den Geschädigten entschuldigte. Auch die zuständigen Stellen in der Bundesrepublik versagten. So stand der damals im Bundesgesundheitamt zuständige Referatsleiter Klaus-Wolf von Eickstedt früher selbst in Diensten SCHERINGs und tat in alter Verbundenheit alles dafür, das Mittel auf dem Markt zu halten. Genau diese Machenschaften soll jetzt eine Untersuchung aufklären. Gesundheitsminister Jens Spahn kündigte eine solche bereits im September 2020 an. Geschehen ist bisher jedoch noch nichts. Darum hakten Bündnis 90/Die Grünen in einer Kleinen Anfrage nach. Zurzeit laufe die Auftragsvergabe, antwortete die Bundesregierung. Die Veröffentlichung der Arbeit kündigte sie für das Frühjahr 2022 an. Die Betroffenen bezog das Gesundheitsministerium bei der Konzeption des Studien-Designs jedoch nicht ein. Das stieß ebenso auf die Kritik der Initiative NETZWERK DUOGYNON wie die Wahl eines geheimen Ausschreibungsverfahrens. ASTEPRO ohne Rezept Nach Meinung vieler ExpertInnen müsste die Rezeptpflicht für viel mehr Medikamente gelten. Nicht wenige der Pharmazeutika, die frei in der Apotheke erhältlich sind, haben nämlich starke Nebenwirkungen und verlangen einen sorgsamen Umgang. Dazu zählen etwa das Schmerzpräparat ASPIRIN oder die Magenarzneien ANTRA und IBEROGAST aus dem Hause BAYER. Die Pharma-Multis versuchen hingegen mit allen Mitteln, den Menschen immer mehr ihrer Produkte auch ohne eine Verschreibung zugänglich zu machen, um den Absatz zu erhöhen. So setzte der Leverkusener Multi das Thema bereits einmal auf die Agenda seiner regelmäßigen Lobby-Runden in Berlin, den „Politik-Lunches“. Mit einem natürlich eindeutigen Ergebnis: „Die Referenten sprachen sich dafür aus, dass die Rahmenbedingungen für einen OTC-Switch (Wechsel von der Verschreibungspflicht zum rezeptfreien Arzneimittel) in Deutschland optimiert werden können.“ Auch in Australien ist da dem Unternehmen zufolge noch Luft nach oben, denn die Aufsichtsbehörden des Landes lehnten einen OTC-Switch seines Potenzmittels LEVITRA ab. Aber dafür konnte der Konzern in den USA jüngst einen Erfolg verbuchen. Für sein Antihistaminikum ASTEPRO, ein Nasenspray für AllergikerInnen, ist künftig keine ärztliche Verordnung mehr nötig. CIPROBAY schädigt Herzklappen Antibiotika mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs CIPROBAY können zahlreiche Gesundheitsschädigungen auslösen (siehe auch SWB 3/18). Besonders häufig kommen Lädierungen von Muskeln und Sehnen vor. Darüber hinaus zählen Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen zu den Risiken und Nebenwirkungen. Aorten-Aneurysmen und -Dissektionen – krankhafte Ausweitungen der Hauptschlagader verbunden mit der lebensbedrohlichen Gefahr eines Risses – traten ebenfalls bereits auf. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen schon. Und jetzt muss der Leverkusener Multi auf seinen Packungsbeilagen noch einen weiteren Warnhinweis ergänzen. Fluorchinolone können nämlich die Herzklappen angreifen. Schlechte Zeiten für YASMIN & Co. Von BAYERs Verhütungsmitteln mit dem Wirkstoff Drospirenon wie YAZ, YASMIN und YASMINELLE geht ein erhöhtes Embolie-Risiko aus (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Während es bei neun bis zwölf von 10.000 Frauen, welche diese Pharmazeutika oder andere der dritten oder vierten Generation gebrauchen, zu Blutgerinnseln kommt, ist das nur bei fünf bis sieben von 10.000 derjenigen Frauen der Fall, die Pillen mit den älteren Wirkstoffen Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat nutzen. Glücklicherweise hat sich das in der Bundesrepublik inzwischen herumgesprochen. Der Versorgungsanteil der Drospirenon-Präparate sank von 2009 bis 2019 von 22 auf zwei Prozent. Auf den übrigen Märkten macht der Leverkusener Multi aber immer noch gute Geschäfte mit den Mitteln. Im Jahr 2020 betrug der weltweite Umsatz mit YAZ & Co. 670 Millionen Euro. Mehr Glaukome durch Kontrazeptiva Durch die Einnahme von Verhütungsmitteln auf Hormon-Basis steigt die Gefahr, an Grünem Star zu erkranken. Forschende der „University of British Columbia“ machten bei Frauen, welche diese Kontrazeptiva nutzten, ein mehr als doppelt so hohes Risiko aus, das Augenleiden zu bekommen, als bei solchen, die nicht zu YASMIN & Co. greifen. Lieferengpässe bei BAYER-Arzneien Der Pharma-Markt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. BAYER und andere große Unternehmen setzen mehr und mehr auf neue, patent-geschützte Pillen, da diese besonders hohe Renditen versprechen. Bei ihrem nicht so viel Geld abwerfenden Alt-Sortiment rationalisieren die Konzerne hingegen nach Kräften. So beziehen sie Vor- und Zwischenprodukte zur Wirkstoff-Herstellung und manchmal auch die komplette Substanz zunehmend aus Schwellen- oder Entwicklungsländern wie Indien und China. Dort produzieren hunderte Firmen zu Schnäppchen-Preisen für den Weltmarkt, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. Damit nicht genug, konzentriert sich die Fabrikation auf immer weniger Anbieter. Und wenn da einmal Störungen im Betriebsablauf auftreten, leiden PatientInnen auf der ganzen Welt unter Lieferengpässen. Seit einiger Zeit passiert das immer häufiger. Im letzten Jahr konnten die Apotheken den PatientInnen 16,7 Millionen Packungen nicht aushändigen. Auch Präparate des Leverkusener Multis glänzen zunehmend durch Abwesenheit, 2021 waren es bisher ASPIRIN i. v. 500 mg, das Herzmittel NIMOTOP, der Gerinnungshemmer XARELTO und das umstrittene Verhütungsmittel YASMINELLE (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Die Produktion des Mittels BAYOTENSIN zur Akutbehandlung eines hohen Blutdrucks stellte der Konzern ganz ein. Für die Spezial-Behältnisse, in die der Wirkstoff abgefüllt war, gab es dem Unternehmen zufolge nämlich keine Lieferanten mehr. Globale Pharma-Lieferketten Die Lieferketten BAYERS im Pharma-Bereich erstrecken sich über den gesamten Globus. So bezieht der Leverkusener Multi Arznei-Grundstoffe aus Indien und China (s. o.). Dort locken nämlich Standort-Vorteile wie niedrige Herstellungskosten und laxe Umweltauflagen – mit den entsprechenden Risiken und Nebenwirkungen. Bei der BAYER-Hauptversammlung im April 2021 erfragte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, welche Substanzen genau der Konzern aus diesen Ländern bezieht. Antibiotika und Vorstufen für Röntgen-Kontrastmittel, lautete die Antwort.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat und kein Ende? Im Jahr 2023 läuft in der Europäischen Union die Glyphosat-Genehmigung aus. BAYER und die anderen Hersteller haben jedoch einen Antrag auf eine Zulassungsverlängerung gestellt. Und im Juni 2021 keimte bei ihnen auch Hoffnung auf. Da gab nämlich die sogenannte Bewertungsgruppe für Glyphosat (AGG) ein positives Votum ab. Durch die Behandlung von Pflanzen mit Glyphosat sei kein „chronisches oder akutes Risiko“ für die VerbraucherInnen zu erwarten, hielt die AGG fest. Das Gremium, in dem sich Prüfbehörden-VertreterInnen aus Frankreich, Ungarn, den Niederlanden und Schweden zusammenfanden, kam zu dem Schluss, dass „Glyphosat die Zulassungskriterien für die menschliche Gesundheit erfüllt“. Dementsprechend hieß es dann in der Pressemitteilung der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA: „Eine Einstufung für Keimzell-Mutagenität, Karzinogenität oder Reproduktionstoxizität war nicht gerechtfertigt. Der Vorschlag der vier Mitgliedstaaten beabsichtigt keine Änderung der bestehenden Einstufung.“ BAYER zeigte sich erfreut. Der Bericht bestätige „die Schlussfolgerungen führender Gesundheitsbehörden“, so der Konzern. Trotzdem stehen die Zukunftschancen für das Herbizid nicht eben gut. „Ich glaube nicht, dass es eine ernsthafte Chance für eine Verlängerung der Glyphosat-Lizenz gibt. Dafür ist die politische Stimmung gegen das Mittel zu aufgeheizt“, zitierte das Handelsblatt einen EU-Insider. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird alles in ihren Kräften stehende tun, um es nicht zu einem Temperatur-Abfall kommen zu lassen. Mehr Kindestode durch Glyphosat In Brasilien erhöht sich durch Glyphosat-Rückstände im Wasser die Kindersterblichkeit. Das ergab die Studie „Down the River: Glyphosate Use in Agriculture and Birth Outcomes of surrounding Populations“ von Mateus Dias, Rudi Rocha und Rodrigo R. Soares. Eine Steigerung um fünf Prozent durch das Mittel machten die drei aus, was ein Plus von 503 Sterbefällen pro Jahr ergibt. Auch die Zahl der Frühgeburten und der Babys mit einem niedrigen Geburtsgewicht steigt den ForscherInnen zufolge. Alan Tygel von der brasilianischen PERMANENTEN KAMPAGNE GEGEN AGROGIFTE UND FÜR DAS LEBEN forderte daraufhin einen sofortigen Vermarktungsstopp. Der BAYER-Konzern sah dafür keinen Grund. Er nannte die wissenschaftliche Arbeit, die im Auftrag der „Latin American and the Caribbean Economic Association“ entstand, „unsolide und schlecht durchgeführt“ und betonte, der Sicherheit bei all seinen Produkten immer die höchste Priorität einzuräumen. Glyphosat schädigt die Darmflora Glyphosat hat das Potenzial, eine Schädigung der Darmflora, eine sogenannte Dysbiose, hervorzurufen. Das ergab eine Analyse von Studien, die Jacqueline A. Barnett und Deanna L. Gibson von der kanadischen „University of British Columbia“ vornahmen. Sogar als Auslöser für Gesundheitsstörungen, die viele MedizinerInnen mit einer Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) in Verbindung bringen, kommt das BAYER-Herbizid nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen in Betracht. „Glyphosat kann eine Rolle bei vielen Krankheiten spielen, die mit der Dysbiose in Zusammenhang stehen, darunter Zöliakie, entzündliche Darm-Erkrankungen und das Reizdarm-Syndrom“, so die Forscherinnen. Damit nicht genug, vermag das Pestizid durch seine Einwirkung auf das Darm-Mikrobiom Barnett und Gibson zufolge auch die psychische Gesundheit zu beeinträchtigen und beispielsweise Depressionen auszulösen. Insektensterben durch Glyphosat BAYERs Pestizid Glyphosat trägt zum Insektensterben bei. Einen neuen Beleg dafür liefert eine Studie, die WissenschafterInnen der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität gemeinsam mit ihren KollegInnen vom „Max-Planck-Institut für chemische Ökologie“ und des japanischen „National Institute of Advanced Industrial Science and Technology“ durchführten. So greift das Herbizid ihren Angaben zufolge ein Bakterium an, das in enger Symbiose mit dem Getreideplatt-Käfer lebt und Schutzfunktionen erfüllt, ohne die das Insekt nicht existieren kann. Dabei halten die ForscherInnen ihren Befund auch übertragbar: „Da wir beobachten konnten, wie Glyphosat die symbiotische Gemeinschaft schädigt, fragten wir uns, ob Glyphosat auch für andere Insekten, die auf ihre mikrobiellen Partner angewiesen sind, eine Gefahr darstellt.“ Glyphosat gegen Koka-Pflanzen Der kolumbianische Präsident Iván Duque plant, die im Jahr 2015 von seinem Amtsvorgänger Juan Manuel Santos gestoppten Flugzeug-Sprüheinsätze mit Glyphosat zur Zerstörung von Koka-Pflanzen wieder anlaufen zu lassen (siehe auch SWB 3/21). Dabei fällt die Bilanz des Chemie-Krieges gegen die Droge verheerend aus, sowohl in gesellschaftlicher und sozialer als auch in gesundheitlicher und ökologischer Hinsicht. Entsprechend groß ist die Empörung im Land. Auch bei den aktuell stattfindenden Protesten, die sich massiver Gewalt von Polizei und Militär ausgesetzt sehen, spielt das Thema eine Rolle. So beteiligten sich indigene LandwirtInnen an einem landesweiten Streik und forderten die Regierung auf, „das Versprühen von Glyphosat aus der Luft und die Gesundheitsreform zu stoppen und die aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtungen zu erfüllen“. Der Leverkusener Multi wollte sich der Financial Times gegenüber nicht zum neuen Glyphosat-Programm Kolumbiens äußern, da er nicht direkt in die Praxis involviert sei. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) forderte das Unternehmen dagegen unmissverständlich auf, das Pestizid für solche Einsätze nicht zur Verfügung zu stellen. Dicamba: EPA übt Selbstkritik Bei einer internen Revision stellte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA schwere Mängel bei der Dicamba-Zulassung im Jahr 2018 fest. Donald Trump hatte der Behörde gleich zu Beginn seiner Amtszeit eine neue Führungsspitze verpasst, die sich offenbar massiv in den Prüfungsprozess einschaltete. „In unseren Interviews nannten die Wissenschaftler der Pestizid-Abteilung Beispiele dafür, dass wissenschaftliche Analysen geändert wurden, um die politischen Entscheidungen leitender Beamter zu unterstützen“, heißt es in dem Bericht. So fehlten dann in den Abschluss-Dokumenten plötzlich Passagen über das Gefährdungspotenzial von Dicamba. Auch erhielten die ExpertInnen die Anweisung, sich bei der Sichtung der Unterlagen ausschließlich auf Daten der Hersteller zu stützen. „Die Wissenschaft selber können wir nicht ändern, aber unsere Politik basiert nicht immer auf deren Ergebnissen“, zitiert der Report einen frustrierten EPA-Beschäftigten. Der niederschmetternde Befund veranlasste die AutorInnen der Untersuchung, eine Reihe von Reformen zur Wahrung der Unabhängigkeit der Einrichtung anzumahnen. Aus deutschen Landen Der BAYER-Konzern vertreibt in den Ländern des Globalen Südens zahlreiche Pestizide, die in der Europäischen Union wegen ihrer Gefährlichkeit keine Zulassung (mehr) haben. Einige dieser Ackergifte stellt er sogar in Deutschland her und exportiert sie dann. So produziert der Global Player in Dormagen den Wirkstoff Probineb und in Frankfurt Indaziflam sowie Ethoxysulfuron.

GENE & KLONE

Schlappe für CUREVAC Der Corona-Impfstoff von BAYERs Kooperationspartner CUREVAC hat bei den klinischen Tests ein enttäuschendes Endergebnis erzielt. Das Gentech-Mittel kam nur auf eine Wirksamkeit von 48 Prozent gegen SARS-CoV-2. ExpertInnen führen das auf die im Vergleich zu anderen Präparaten niedrige Dosierung der Wirksubstanz zurück. Die ForscherInnen hatten bewusst keine höhere gewählt, um das Vakzin nicht so stark wie etwa dasjenige von BIONTECH herunterkühlen zu müssen. Der Leverkusener Multi arbeitete seit Anfang Januar 2021 mit CUREVAC zusammen. Er erklärte damals, „sein Fachwissen und seine etablierte Infrastruktur“ einbringen zu wollen, um der Firma bei der Durchführung der Klinischen Studien, dem Zulassungsprozedere, der späteren Überwachung der Sicherheit des Vakzins sowie bei der Organisation der Lieferkette für die benötigten Zusatzstoffe zur Seite zu stehen. Rund einen Monat später erweiterten die beiden Firmen ihre Verbindung noch einmal. Sie erstreckt sich nun auch auf den Produktionsprozess; BAYER baut dafür zurzeit in Wuppertal Kapazitäten auf. Nun steht allerdings in den Sternen, ob diese überhaupt einmal zum Einsatz kommen werden. Warnung vor EYLEA Das BAYER-Präparat EYLEA zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zu Blindheit führen kann – ist nicht ohne. In einer Fertigspritze verabreicht, erhöht das Gentech-Mittel das Risiko eines Anstiegs des Augeninnendrucks. Die Aufsichtsbehörden haben den Leverkusener Multi deshalb angewiesen, vor dieser Nebenwirkung zu warnen und den ÄrztInnen einen sogenannten „Rote-Hand-Brief“ zuzustellen. Viel Geld für METAGENOMI Die Gen-Scheren, die bei der Gentechnik 2.0 zum Einsatz kommen, schnippeln längst nicht so präzise, wie ihre ErfinderInnen behaupten. Allzu oft kommt es zu so genannten Off-Target-Effekten, also zu Veränderungen der DNA an Stellen, die gar nicht im Visier der ForscherInnen standen. Dem abzuhelfen, hat sich das Start-Up METAGENOMI verschrieben. Es will zielgerichtetere Methoden des Genome Editing auf Basis der CRISPR-Cas-Technik entwickeln und konnte dafür viele Unterstützer gewinnen. BAYER, der Humboldt Fund, HOF CAPITAL und andere Investoren stellten METAGENOMI rund 65 Millionen Dollar zur Verfügung. Neues Gensoja für Brasilien Der BAYER-Konzern bringt in Brasilien ein neues Gensoja auf den Markt. Das Erbgut der Pflanze der Produktlinie ROUNDUP READY 2 XTEND ist so manipuliert, dass das Gewächs sowohl Duschen mit Glyphosat als auch solche mit Dicamba übersteht, wenn diese Herbizide auf den Feldern gegen Wildwuchs zum Einsatz kommen. Und gegen Raupen hat der Konzern die Ackerfrüchte ebenfalls gentechnisch gewappnet. SMARTSTAX-Start mit Gentech 2.0 Der BAYER-Konzern setzt massiv auf die Gentechnik 2.0. Rund 100 Patent-Anträge hat er in diesem Bereich schon beim Europäischen Patentamt eingereicht und bis jetzt sieben positive Bescheide erhalten. 2022 startet der Leverkusener Multi in den USA nun mit der Vermarktung der ersten Pflanze, in der eines der neuen Verfahren zur Anwendung kommt. Der Mais der SMARTSTAX-PRO-Produktreihe wartet nämlich nicht nur mit den üblichen Resistenzen gegen die Herbizide Glyphosat und Glufosinat auf, sondern auch mit der RNAi-Technologie. Mit Hilfe dieser sogenannten Ribonukleinsäure-Interferenz blockiert das Gewächs ein Gen im Erbgut des Maiswurzelbohrers und schützt sich so vor dem Schadinsekt. Ohne Nebenwirkungen geht das allerdings nicht ab: Die Ribonukleinsäure kann mit der Darmflora von Mensch und Tier interagieren, in den Blutkreislauf gelangen und sogar in die Steuerung von Genen eingreifen. Aber BAYER ficht das an. „Uns liegen keine verlässlichen wissenschaftlichen Nachweise dafür vor, dass die sachgerechte Anwendung von Produkten mit einer Wirkungsweise auf RNAi-Basis zu negativen Effekten führt“, erklärte Agrar-Vorstand Liam Condon auf der letzten Hauptversammlung. EU-Parlament gegen Import-Zulassungen Im März 2021 sprach sich das Europäische Parlament gegen Import-Zulassungen für zwei Gen-Pflanzen von BAYER und SYNGENTA aus. Bei der Baumwolle des Leverkusener Multi aus der Produktreihe GHB 614 x T 304-40 x GHB 119 füllte die Mängel-Liste fünf Seiten. Unter anderem machten die PolitikerInnen Fehler bei der Gefahren-Analyse der Laborfrucht aus, die zur Insekten-Abwehr mit gleich zwei Sorten des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückt und zudem gegen die beiden Herbizide Glufosinat und Glyphosat resistent ist. So ignorierte die „Europäische Lebensmittelbehörde“ (EFSA) bei ihren Risiko-Prüfungen den Abgeordneten zufolge die Tatsache, dass die Bt-Proteine in der Baumwolle eine viel stärkere Giftigkeit entfalten als in der freien Wildbahn. Sie interagieren nämlich mit den Enzymen der Gewächse. Trotzdem untersuchte die EFSA nur der Bacillus selber. Die Initiative TESTBIOTEST begrüßte die Entscheidung der EU-ParlamentarierInnen: „Damit wächst der Druck auf die EU-Kommission, wesentlich kritischer mit den Prüfberichten der EFSA umzugehen.“ Der Gentech-Schmetterling In Brasilien startet ein Freiluft-Versuch mit gentechnisch veränderten Eulenfaltern. Da sich Raupen dieser Schmetterlingsart zum Verdruss von BAYER & Co. an Mais schadlos halten, haben ForscherInnen der Firma OXITEC in das Erbgut des Spodoptera frugiperda eingegriffen. Um die Bestände der Spezies zu dezimieren, ist es nun so verändert, dass die weiblichen Nachkommen das Larvenstadium nicht überstehen. Der BAYER-Konzern unterstützt das Projekt finanziell, denn sein Gentech-Mais kann sich dieses Wurms nicht mehr erwehren, weil „einige der wirksameren Kontroll-Strategien resistenz-anfällig geworden sind“. Konkret versagt das in den Pflanzen eigentlich für die Schadinsekten-Abwehr zuständige Bt-Toxin zunehmend seinen Dienst. Die Risiken, die mit der Freisetzung der Labor-Schmetterlinge einhergehen, ignoriert der Global Player geflissentlich. Ihm geht es einzig und allein darum, die Profite im Geschäft mit seinen Gen-Pflanzen zu sichern.

WASSER, BODEN & LUFT

Neues Klimaschutz-Gesetz Im März 2021 hat das Bundesverfassungsgericht einer Verfassungsbeschwerde gegen das Klimaschutz-Gesetz stattgegeben. Die Karlsruher RichterInnen teilten den Standpunkt der BeschwerdeführerInnen, wonach dieses Paragrafen-Werk die grundgesetzlich verbrieften Freiheitsrechte künftiger Generationen ungebührlich einschränke, weil die Bundesregierung diesen die Hauptlast bei der Kohlendioxid-Einsparung aufbürde. „So sind die notwendigen Freiheitsbeschränkungen der Zukunft bereits in den Großzügigkeiten des gegenwärtigen Klimaschutz-Rechts angelegt“, heißt es in der Begründung des Urteils. Darum musste die Große Koalition nachbessern und die Klimaziele verschärfen. Jetzt legte sie sich auf eine CO2-Reduktion von 65 statt wie bisher 55 Prozent bis 2030 fest, ausgehend vom Basis-Jahr 1990. Dementsprechend senkten CDU und SPD die zulässigen Jahres-Emissionsmengen für Gebäude-Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft, Energie-Branche und Industrie ab. Für BAYER & Co. reduzierten sich die Grenzen des Erlaubten gegenüber dem Klimaschutz-Gesetz von 2019 um 22 Millionen Tonnen. 2022 dürfen sie noch 177 Millionen Tonnen ausstoßen und dann sukzessive immer weniger bis 118 Millionen im Jahr 2030. Die im Vergleich zu den anderen Bereichen strengeren Vorgaben für Industrie und Energie hatten Gründe. „Dies folgt einerseits dem ökonomischen Gedanken, dort zu mindern, wo die Vermeidungskosten am geringsten sind, andererseits sind Industrie- und Energie-Sektor weiterhin die Sektoren mit den höchsten Emissionen“, heißt es im Gesetz. Der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) kritisiert das Paragrafen-Werk. Er vermisste unter anderem Subventionsregelungen, „um Wettbewerbsnachteile auszugleichen“ und politische Weichenstellungen für „günstigen Strom“. Grüne wollen Kampfstoff-Bergung 1,6 Millionen Tonnen Munition, Minen und chemische Kampfstoffe aus zwei Weltkriegen lagern in den Gewässern von Nord- und Ostsee, darunter auch die einst von BAYER entwickelten Substanzen Lost, Tabun und Sarin. Da die Metall-Umhüllung der Chemie-Waffen mittlerweile durchrostet, treten die Gifte aus. Als besonders gefährlich betrachtet das Umweltbundesamt dabei neben bestimmten Arsen-Verbindungen Zäh-Lost, eine Mixtur aus Schwefel-Lost und Verdickungsmitteln. Während sich andere Kampfstoffe im Wasser allmählich zersetzen, behält diese Chemikalie nämlich eine feste Konsistenz und verliert kaum etwas von seiner Wirksamkeit. „Die meisten der bisher bekannten Unfälle mit Kampfstoffen wurden durch Zäh-Lost rund um das Versenkungsgebiet östlich der dänischen Ostsee-Insel Bornholm verursacht, wobei Klumpen von Zäh-Lost in Fischernetze gerieten“, konstatiert die Behörde. Die FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben die Bundesregierung jetzt aufgefordert, endlich etwas gegen die tickenden Zeitbomben in den Meeren zu unternehmen die schon viele Todesopfer gefordert haben. „Munitionsaltlasten in den Meeren bergen und umweltverträglich vernichten“, ist ihr gemeinsamer Antrag überschrieben, mit dem sich der Bundestag Mitte April 2021 befasste. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) begrüßte diesen Vorstoß, trat aber dafür ein, das Verursacher-Prinzip greifen zu lassen und die damaligen Hersteller der Kriegswerkzeuge wie etwa BAYER an der Finanzierung des Unterfangens zu beteiligen. „Die Räumungsarbeiten sind laut FDP und Grünen mit immensen Kosten verbunden. Darum ist es nur recht und billig, BAYER als Pionier auf dem Gebiet der chemischen Kampfstoffe mit zur Kasse zu bitten“, hieß es in der Presseerklärung der CBG. Glyphosat gefährdet Grundwasser Bis zu 50 Prozent des ausgebrachten Glyphosats kann ins Grundwasser gelangen. Das stellte ein ForscherInnen-Team um Andreas Hartmann von der Universität Freiburg und Thorsten Wagener von der Universität Potsdam fest. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass 99 Prozent des Pestizides im Boden versickert. Wie Hartmann und Wagener aber in einem Aufsatz, den die Zeitschrift Proceedings veröffentlichte, darlegen, leiten Risse und Hohlräume in der Erde große Mengen des Mittels bis ins Grundwasser weiter. Wasser-Strategie ohne Plan Der Klimawandel macht Wasser zu einer immer kostbareren Ressource. Das hat auch die Politik erkannt. Im Juni 2021 stellte Bundesumweltministerin Svenja Schulze den Entwurf zu einer nationalen Wasser-Strategie vor, um das Lebenselixier besser zu schützen. BAYER & Co. als die größten Wasserverbraucher und Wasserverschmutzer nahm das 76-seitige Papier dabei allerdings nicht in den Blick. Es führte keinerlei konkrete Vorhaben auf, um das gefährdete Gut vor dem Zugriff der Profit-Interessen zu bewahren, obwohl allein der Leverkusener Multi im Geschäftsjahr 2020 auf einen Wassereinsatz von 57 Millionen Kubikmetern kam. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte das scharf. „Zunehmende Trockenheitsperioden, eine schwindende Grundwasser-Neubildungsrate, der immense Durst der Konzerne und eine wachsende Schadstoff-Belastung der Gewässer verlangen ein sofortiges gesetzgeberisches Handeln. Dazu kann oder will sich die Umweltministerin aber offensichtlich nicht entschließen. So bleibt es bei bloßer Symbol-Politik“, hieß es in ihrer Presseerklärung. BAYERs großer Durst Der BAYER-Konzern hat einen enormen Wasser-Durst (s. o.) Bei der jüngsten Hauptversammlung erfragte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, wie viel Kubikmeter der kostbaren Ressource die Standorte in Nordrhein-Westfalen verbrauchen. Auf insgesamt 4,4 Millionen Kubikmeter kommen die Niederlassungen in Leverkusen, Wuppertal, Bergkamen und Monheim, bekam die Coordination zur Antwort.

ÖKONOMIE & PROFIT

Rating-Agentur stuft BAYER herab Ende Mai 2021 ließ BAYER die Vergleichsverhandlungen mit den AnwältInnen der Glyphosat-Geschädigten platzen und legte stattdessen einen eigenen Plan zur Beilegung der Rechtsstreitigkeiten vor (siehe RECHT & UNBILLIG). Unmittelbar danach stufte die Rating-Agentur MOODY’S INVESTORS SERVICE die Kreditwürdigkeit des Konzerns von Baa1 auf Baa2 herab. „Die anhaltende Unsicherheit in Bezug auf die abschließende Beilegung von Rechtsfällen gegen BAYER im Zusammenhang mit Glyphosat“, führte sie als einen der Gründe für die Entscheidung an. Auch die hohen Kosten für den Rechtskomplex „Glyphosat“ stellte die Agentur in Rechnung. Zudem zeigte sie sich von den „mittelfristigen Finanzzielen“ des Leverkusener Multis enttäuscht und bewertete die Profit-Aussichten im Agrar-Geschäft wegen des verstärkten Wettbewerbs negativ. Trotz des Verkaufs von Unternehmensteilen, eines kostensparenden Arbeitsplatz-Vernichtungsprogramms und steigenden Renditen im Bereich „Consumer Health“ kam MOODY’S bei der „Betriebsprüfung“ letztlich „zu Finanzkennzahlen, die nur mit einem Baa2 bewertet werden können“. Hohe Abschreibungen In die BAYER-Bilanz fließt auch der Wert der Zukäufe ein. Dieser sogenannte Goodwill macht beim Leverkusener Multi 118 Prozent des Eigenkapitals aus. Für MONSANTO hatte er den Goodwill allerdings viel zu hoch angesetzt. Die immensen Schadensersatz-Ansprüche in Sachen „Glyphosat“ und schlechte Geschäfte im Agro-Bereich erforderten eine massive Korrektur: 9,3 Milliarden Euro musste der Global Player abschreiben.

RECHT & UNBILLIG

Immer mehr Dicamba-Klagen Neben Glyphosat entwickelt sich für den BAYER-Konzern auch das Herbizid Dicamba, das er hauptsächlich in Kombination mit gentechnisch gegen die Substanz immunisierten Gewächsen anbietet, zu einem Sorgenkind. Der Wind treibt das vom Leverkusener Multi z. B. unter dem Namen XTENDIMAX vertriebene Mittel nämlich zu Ackerfrüchten hin, die dem Stoff nichts entgegenzusetzen haben und deshalb eingehen. 57 Wein-AnbauerInnen und vier WeiterverarbeiterInnen machen wegen dieser Abdrift auf einer Fläche von 1.200 Hektar Schädigungen an Weinreben geltend und fordern eine Kompensation in Höhe von 114 Millionen Dollar plus 228 Millionen Dollar Strafe. Zudem zog ein Imker vor Gericht, weil die chemische Keule seine Bienenvölker dezimierte und der Pflanzen-Kahlschlag den Tieren Pollen und Nektar nahm, sodass die Honig-Produktion einbrach. Zwei weitere Prozesse in Sachen „Dicamba“ laufen bereits seit Längerem. Darüber hinaus schloss der Global Player im Juni 2020 mit rund 170 KlägerInnen einen Vergleich, der ihn zu einer Zahlung von 400 Millionen Dollar verpflichtete. Trotzdem lässt das Unternehmen auf das Ackergift nichts kommen. „BAYER ist von der Sicherheit und dem Nutzen des Herbizids XTENDIMAX überzeugt. Wir werden diese Technologie auch weiterhin verteidigen“, ließ der Gen-Gigant verlauten. Klage gegen Phosphorit-Abbau „Von der Wiege bis zur Bahre ist Glyphosat ein hochproblematischer Stoff“, sagt die Umwelt-Aktivistin Hannah Connor von der US-amerikanischen Organisation Center for Biological Diversity. Und tatsächlich sorgt das Herbizid sogar schon vor seiner eigentlichen Geburt für so einige Verwerfungen. Der Abbau des Sediment-Gesteins Phosphorit, das BAYER zur Herstellung des Glyphosat-Vorprodukts Phosphor benötigt, belastet Mensch, Tier und Umwelt nämlich massiv. So gelangen etwa Schwermetalle und radioaktive Stoffe wie Uran, Radom, Radium und Selen in die Umwelt. Darum fechten mehrere US-amerikanische Umweltverbände die Genehmigung zum Abbau des Phosphorits ein, die BAYERs Minen-Gesellschaft P4 PRODUCTIONS im Jahr 2019 erhielt. Das Center for Biological Diversity, das Western Watersheds Project und die WildEarth Guardians werfen dem „Bureau of Land Management“ vor, bei der Prüfung des Antrages Umweltrichtlinien missachtet zu haben, und reichten Klage ein. Besonders das Selen stellt den Organisationen zufolge eine Bedrohung dar. „Zwischen 1996 und 2012 starben in der Nähe der Phosphorit-Minen im Südosten von Idaho über 600 Stück Vieh an Selen-Vergiftung“, hält die Klageschrift fest. Die Gewässer verseucht das Halbmetall ebenfalls. „Die Selen-Konzentration im Blackfoot-Fluss entspricht schon jetzt nicht mehr den Wasserqualitätsstandards von Idaho. Mehr Selen in fragilen Ökosystemen ist das Letzte, was die Region braucht“, so Chris Krupp von den WILDEARTH GUARDIANS. Erst Anfang März 2021 musste der Leverkusener Multi für Schäden, welche die Phosphorit-Förderung während der 1950er und 1960er Jahre in der inzwischen stillgelegten Ballard-Mine verursachte, eine hohe Summe zahlen (siehe Ticker 2/21). Der Prozess, den die US-amerikanische Umweltbehörde EPA, der Bundesstaat Idaho und eine Gruppe von Indigenen angestrengt hatten, endete mit einem Vergleich, der den Konzern fast 2,5 Millionen Dollar kostete. Ähnliche Verfahren gegen P4 PRODUCTIONS gab es in den Jahren 2011 und 2015. Bienengift-Bann bleibt Im Jahr 1999 begann die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre Kampagne gegen BAYERs bienengefährliche Pestizide. Es sollte jedoch noch fast 20 Jahre dauern, bis sich der Erfolg einstellte: Im April 2018 verbot die Europäische Union die Wirkstoffe von BAYERs GAUCHO und PONCHO (heute BASF) sowie die SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam. Aber die Konzerne gaben sich nicht geschlagen. Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGh) war nämlich noch die Klage von BAYER und SYNGENTA gegen das im Jahr 2013 von Brüssel erlassene vorläufige Verbot anhängig. 2018 verloren die Unternehmen in erster Instanz, und Anfang Mai 2021 scheiterte auch das Berufungsverfahren. Entsprechend zerknirscht reagierte der Leverkusener Multi: „BAYER ist enttäuscht darüber, dass die wesentlichen Aspekte dieses Falles vom Gericht nicht anerkannt wurden.“ Allerdings dürfen die Mittel in einigen Teilen der EU per Notfall-Zulassungen weiter ihr Unwesen treiben (s. u.) – und im Rest der Welt sowieso. Klage wg. Vogelschwund Der französische Vogelschutzbund „Ligue de protection des oiseaux“ LPO) hat BAYER und NUFARM verklagt. Der Verband macht den von beiden Unternehmen verkauften Pestizid-Wirkstoff Imidacloprid aus der Gruppe der Neonicotinoide für den Rückgang der Vogel-Populationen verantwortlich und verlangt Reparationszahlungen. Zudem fordert die LPO das Gericht auf, ein Total-Verbot der Agro-Chemikalie zu verhängen und damit die Ausnahmeregelungen des „loi du décembre 2020“ aufzuheben. „Die Neonicotinoide stehen für ein industriell geprägtes Agrarmodell, das unsere Landwirte in eine wirtschaftliche Sackgasse führt und die Vögel auf dem Land hat verschwinden lassen (...) Die Verantwortlichen für diese Katastrophe müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, erklärte LPO-Präsident Allain Bougrain Dubourg. Mexiko: Glyphosat-Bann bleibt Im Jahr 2020 hatte die mexikanische Regierung Glyphosat verboten. Der BAYER-Konzern ging gegen die Entscheidung gerichtlich vor, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Auch eine Klage des „National Farm Councils“, einer Vereinigung von GroßagrarierInnen, scheiterte. Kein Glyphosat-Vergleich Ende Mai 2021 ließ BAYER die Vergleichsverhandlungen mit den AnwältInnen der Glyphosat-Geschädigten platzen (siehe auch SWB 3/21). Der Konzern sah keine Chance mehr, den richterlichen Segen für sein Ansinnen zu bekommen, das Herbizid unbegrenzt weiter zu vermarkten, aber für weitere Gesundheitsschäden nur noch begrenzt zu haften. Stattdessen präsentierte der Leverkusener Multi einen eigenen 5-Punkte-Plan zur Beilegung der Rechtsstreitigkeiten. Dieser sieht vor, auf den Packungen des Pestizids statt eines Warn-Labels einen Hinweis auf wissenschaftliche Studien zu Glyphosat anzubringen. Überdies erwägt der Agro-Riese, das Mittel nicht mehr auf dem PrivatkundInnen-Markt anzubieten, da aus diesem Kreis über 90 Prozent der KlägerInnen stammten. Zum Umgang mit künftigen Schadensersatz-Ansprüchen enthält der Plan nichts Konkretes. „Das Unternehmen wird andere Lösungen für potenzielle künftige Klagen zu ROUND UP prüfen“, heißt es lediglich. Niederlage im Fall „Hardeman“ Der Leverkusener Multi hat bisher in allen drei großen Glyphosat-Prozessen Niederlagen erlitten. Den ersten, den Dewayne Johnson gegen die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO angestrengt hatte, musste das Unternehmen sogar schon endgültig verloren geben. Und im Fall „Hardeman“ unterlag der Agro-Riese Mitte Mai 2021 in zweiter Instanz. Dabei hatte sich der Global Player gerade hier Chancen ausgerechnet, denn er konnte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA als Entlastungszeugen aufbieten. Gemeinsam mit dem Justizministerium nutzte die Einrichtung das in den USA bestehende „Amicus Curiae“-Recht, das es Unbeteiligten gestattet, Stellungnahmen zu laufenden Rechtsstreitigkeiten abzugeben und plädierte auf Freispruch. „Der Kläger ist im Unrecht“, hieß es in dem „Brief of the United States as Amicus Curiae in Support of MONSANTO“, was das Wall Street Journal damals so kommentierte: „Die Trump-Administration stützt BAYER in Herbizid-Verfahren.“ FRAG DEN STAAT vs. BfR Anfang 2019 hatte das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) die Initiative „FRAG DEN STAAT“ verklagt (Ticker 3/19). Die Behörde warf der Organisation vor, mit der Veröffentlichung eines BfR-Gutachtens zu Glyphosat, das diese unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz angefordert und auf ihrer Website veröffentlicht hatte, gegen das Urheberrecht verstoßen zu haben. Das 6-seitige Dokument spielt eine Schlüsselrolle im wissenschaftlichen Streit um das Pestizid. Im Jahr 2015 bewertete die „Internationale Agentur für Krebsforschung“ (IARC) der Weltgesundheitsorganisation das Breitband-Herbizid als „wahrscheinlich krebserregend“ und setzte sich damit von dem Glyphosat-Prüfbericht des „Bundesinstituts für Risiko-Bewertung“ ab. Die Politik sah Klärungsbedarf und erbat vom BfR eine Stellungnahme. Daraufhin erstellte die Behörde eine ergänzende Expertise. Die Kurzfassung dieses „Addendum I“ ging dann als Handreichung an das Bundeslandwirtschaftsministerium und enthält offenbar so brisantes Material, dass das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ dieses lieber unter Verschluss halten möchte. Aber das gestaltet sich schwierig. Nach Ansicht des Landgerichts Köln kann das Dokument keine Schutzrechte mehr beanspruchen. FRAG DEN STAAT hatte nämlich einfach an UnterstützerInnen appelliert, ebenfalls Anträge zur Einsicht in das Schriftstück nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu stellen. Das geschah 45.000 Mal, auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN beteiligte sich damals. Und damit war das Gutachten dann in der Welt. Darüber hinaus deckt die im Urheberrechtsgesetz garantierte Zitat- und Berichterstattungsfreiheit das Vorgehen der AktivistInnen, befanden die RichterInnen im November 2020. Das BfR ging gegen die Entscheidung vor, verlor im Mai 2021 jedoch auch in zweiter Instanz. Pestizid-Kritikerin verurteilt Im Herbst 2020 hatte die französische Initiative ALERTE AU TOXIQUES ein Dossier über Pestizid-Rückstände in französischen Weinen aus der Region um Bordeaux veröffentlicht. Der Befund war alarmierend: In allen der 20 untersuchten Fabrikate fanden sich Ackergift-Spuren. In manchen Flaschen stießen die WissenschaftlerInnen auf bis zu 15 unterschiedliche Wirkstoffe. Sogar das EU-weit verbotene Iprodion – enthalten unter anderem in BAYERs ROVRAL und CHIPCO GREEN – wiesen die ForscherInnen nach. Der Branchenverband CIVB sah seine Umsätze in Gefahr. Deshalb verpflichtete er einen Anwalt, der schon in Diensten von MONSANTO gestanden hatte, und ging gerichtlich gegen die Alerte-Gründerin Valérie Murat vor. In erster Instanz verurteilte das Gericht die Pestizid-Kritikerin zu einer Strafzahlung in Höhe von 125.000 Euro. Murat will den RichterInnen-Spruch jedoch anfechten. Zahlreiche Gruppen stärkten ihr bei dem Prozess mit einer Solidaritätserklärung den Rücken, darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). In Sachen „Agent Orange“ Das im Vietnam-Krieg von den USA als Entlaubungsmittel eingesetzte Agent Orange hat unermessliches Leid über das Land gebracht. Dennoch hat bisher noch noch kein Vietnamese und keine Vietnamesin eine Entschädigung erhalten. Das will die in Vietnam geborene und seit Langem in Frankreich lebende Tran To Nga ändern. Sie berief sich auf ein Gesetz in ihrer Wahlheimat, das die rechtliche Verfolgung von Kriegsverbrechen gestattet, auch wenn diese außerhalb der Grenzen des Staates geschahen, und verklagte die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO sowie dreizehn weitere Unternehmen. „Ich kämpfe nicht für mich selbst, sondern für meine Kinder und die Millionen von Opfern“, sagt die 79-Jährige. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und zahlreiche andere Organisationen unterstützen sie dabei. BAYER hingegen erklärt die Schadensersatz-Ansprüche für unbegründet. Der Konzern behauptet, MONSANTO hätte lediglich als Erfüllungsgehilfe der US-Army agiert, obwohl das Unternehmen mit dem Pentagon bereits seit 1950 in einem regen Austausch über die Kriegverwendungsfähigkeit der „Agent Orange“-Chemikalie 2,4,5-T stand. BAYER-Anwalt Jean-Daniel Bretzner zog schon die Zuständigkeit des Gerichts in Zweifel. Er bestritt ihm das Recht, über die Verteidigungspolitik eines souveränen ausländischen Staates in Kriegszeiten zu richten. Die RichterInnen folgten den Argumentationen von Bretzner & Co. Sie befanden, dass die Firmen „auf Anweisung und im Namen des amerikanischen Staates“ gehandelt hätten und sprachen die Unternehmen frei. Tran To Nga akzeptiert dieses Votum jedoch nicht und kündigte an, in Berufung zu gehen.
  • YASMINELLE-Klage abgewiesen
Ende Juni 2021 hat das Oberlandesgericht Karlsruhe die Klage der Arznei-Geschädigten Felicitas Rohrer gegen den BAYER-Konzern abgewiesen. Die 37 Jahre alte Frau forderte 200.000 Euro von dem Unternehmen, weil sie nach der Einnahme des Verhütungsmittels YASMINELLE eine beidseitige Lungen-Embolie mit akutem Atem- und Herzstillstand erlitten hatte. Diese „Nebenwirkung“ des Medikaments ist seit Langem bekannt. Zudem reicht dem Arzneimittelgesetz eine bloße Kausalitätsvermutung, um Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Einen exakten wissenschaftlichen Nachweis über eine Kausalbeziehung zwischen einer Arzneimittel-Einnahme und dem Auftreten von Nebenwirkungen zu erbringen, erweist sich nämlich allzu oft als eine unlösbare Aufgabe. Trotz alledem sprach die Richterin den Leverkusener Multi frei. Dessen AnwältInnen war es nämlich gelungen, die Juristin zu überzeugen, dass auch eine lange Flugreise Rohrers den Venenverschluss ausgelöst haben könnte. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte die Entscheidung scharf. „Das ist ein Skandal-Urteil. In den USA haben bisher schon 12.000 Leidensgenossinnen von Felicitas Rohrer Recht bekommen und insgesamt zwei Milliarden Dollar Schmerzensgeld von BAYER erhalten. Hierzulande aber kuscht die Justiz vor der Macht der Konzerne“, hieß es in ihrer Presseerklärung. Ähnlich reagierte die Klägerin. „Ich bin sehr enttäuscht über dieses Urteil und hätte es so nicht erwartet. Wir werden es nun genau prüfen und schauen, welche weiteren juristischen Schritte möglich sind“, erklärte sie. Da das Gericht eine Revision skandalöserweise nicht zuließ, bleibt Felicitas Rohrer nur noch der Weg, eine Nichtzulassungsbeschwerde einzureichen, um ein endgültiges Schließen der Akte „YASMINELLE“ zu verhindern. LIPOBAY-Klage stattgegeben BAYERs Cholesterinsenker LIPOBAY hat mindestens 100 PatientInnen den Tod gebracht, bis der Konzern ihn im Sommer 2001 vom Markt nehmen musste. In der Folge sah sich das Unternehmen mit einer Unmenge von Entschädigungsprozessen konfrontiert. Derjenige, den der italienische Arzt Roberto Trevisanato führte, zog sich über 20 Jahre hin, bis er im Mai 2021 nun mit einer Verurteilung des Leverkusener Multis endete. Das Gericht bezeichnete die Arznei als gefährlich und warf dem Pharma-Riesen vor, auf den Packungsbeilagen nicht ausreichend vor den Nebenwirkungen gewarnt zu haben. Im Rückblick sagte Trevisanato in einem Interview: „Mein Leben wurde zerstört: Als ich dieses Mittel für zwei Monate einnahm, landete ich für zwei Jahrzehnte in der Hölle.“ BAYER vor Gericht In Italien müssen sich BAYER, NOVARTIS und der Krankenhaus-Konzern SAN DONATO wegen Abrechnungsbetrugs zulasten der öffentlichen Gesundheitssysteme vor Gericht verantworten. Das Hospital hatte beim regionalen Gesundheitsdienst der Lombardei Arznei-Rechnungen der beiden Unternehmen eingereicht, die nicht den wahren Preisen entsprachen, da die Pharma-Riesen SAN DONATO unter der Hand Rabatte gewährten. Auf ähnliche Weise hatte der Leverkusener Multi in Tateinheit mit anderen Pillen-Produzenten, Krankenhäusern, ÄrztInnen und Apotheken Anfang der 2000er Jahre die US-amerikanischen staatlichen Gesundheitsprogramme Medicaid und Medicare geschröpft. Den Einrichtungen, die Bedürftigen Arzneien zur Verfügung stellen, entstand so Jahr für Jahr ein Schaden von rund einer Milliarde Dollar. Im Jahr 2000 zahlte der Global Player dafür 14 Millionen Dollar Strafe und 2003 sogar 250 Millionen Dollar. Ermittlungen wg. Bestechung Der BAYER-Konzern sieht sich in Griechenland mit dem Vorwurf der ÄrztInnen-Bestechung konfrontiert. Er soll von 2005 bis 2008 rund 800 MedizinerInnen mit Sachzuwendungen und Geld-Geschenken von bis zu 20.000 Euro veranlasst haben, Medikamente des Konzerns zu verschreiben. Im Jahr 2015 hat die Staatsanwaltschaft deshalb eine Anzeige erstattet. Über den aktuellen Stand der Ermittlungen liegen keine Informationen vor.

Hormongifte stoppen!

CBG Redaktion

Hormon-Gifte von BAYER und Co stoppen

Chemikalien haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie bestimmte körpereigene Stoffe und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln und gefährlich schädigen. Solche hormonschädliche Chemikalien kurz EDCs (Endocrine Disrupting Chemicals) finden sich überall in unserem Alltag.

Ticker 3/18

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG-Anfrage an die Bezirksregierung
Im letzten Jahr hatte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA BAYERs Leverkusener Pharma-Anlagen inspiziert und dabei „signifikante Verstöße gegen die gute Herstellungspraxis“ festgestellt (siehe auch SWB 2/18). In ihrem „Warning Letter“ listete die „Food and Drugs Administration“ viele gravierende Mängel auf. So hat der Pharma-Riese etwa verschiedene Medikamente in einem Raum gefertigt, ohne die benutzte Ausrüstung und die Arbeitsflächen nach den jeweiligen Durchläufen gründlich zu säubern, was Verunreinigungen von Medikamenten zur Folge hatte. Überdies kontrollierte der Multi der FDA zufolge die Stabilität der Zusammensetzung seiner Pharmazeutika nicht ausreichend. Auch die Toleranz-Grenzen der Apparaturen zur automatisierten Qualitätskontrolle legte der Global Player zu großzügig fest, damit sich der Ausschuss in Grenzen hielt. Darüber hinaus hat er nicht angemessen auf Probleme mit undichten Medikamenten-Packungen reagiert. „Ihre Firma hat es nicht geschafft, eine ordentlich arbeitende Qualitätskontrolle-Abteilung aufzubauen“, resümierte die US-Einrichtung in ihrem Schreiben folglich. In der Bundesrepublik obliegt die Kontrolle der Pillen-Produktion des Konzerns der Bezirksregierung Köln. In einer Anfrage an ihre Adresse wollte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN deshalb unter anderem wissen, warum deren InspektorInnen die Missstände verborgen geblieben sind und wann überhaupt die letzte Kontrolle erfolgte.

Viele Marches
In 428 Städten rund um die Welt fanden im Mai 2018 „Marches Against MONSANTO“ statt. Und vielerorts hießen diese schon „Marches against MONSANTO and BAYER“. So auch in Düsseldorf, wo AktivistInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zu den TeilnehmerInnen zählten. Und in seiner Kundgebungsrede wünschte sich Jan Pehrke vom CBG-Vorstand für das nächste Jahr eine endgültige Umbenennung: „Heute ist es der „March Against MONSANTO, BAYER und BASF“, gestern war es der „March Against MONSANTO“ und 2019 muss es der „March Against BAYER“ sein, damit das alte MONSANTO-Spiel nicht unter neuem Namen ungestört weiterlaufen kann!“

Vandana Shiva kritisiert BAYSANTO
Die bekannte indische Aktivistin Vandana Shiva hatte im Zuge der letzten Hauptversammlung des Leverkusener Multis an den BAYSANTO-Protesten teilgenommen. Am Tag vor dem Aktionär-Innen-Treffen hielt sie bei der Veranstaltung, die dem Thema „Einstieg in den Ausstieg aus der Pestizid-Falle“ gewidmet war, eine Rede und diskutierte anschließend mit dem grünen Bundestagsabgeordneten Harald Ebner, dem brasilianischen Umweltschützer Alan Tygel und Jan Pehrke von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Entsprechend erbost reagierte die Wissenschaftlerin auf die knapp zwei Wochen danach erfolgende endgültige Genehmigung des Deals. „Durch die Fusion wird BAYER den Großteil des Saatgut- und Pestizidmarktes beherrschen“, kritisierte sie. Zu den Hauptleidtragenden der letzten Konzentrationswelle im Agro-Business zählt für Shiva die Umwelt, als hätte diese unter dem Status quo ante nicht bereits genug gelitten: „Die Industrialisierung der Landwirtschaft, auch angetrieben durch BAYER und MONSANTO, hat schon 75 Prozent des Planeten zerstört: Die Verarmung von Böden, die Verschmutzung von Gewässern, der Verlust von Biodiversität – das ist die wirkliche Ernte der Chemie.“ Ihrer Ansicht nach hat die Übernahme von MONSANTO durch BAYER nicht zuletzt auch politische Auswirkungen: „Zusammen sind sie größer als irgendeine Regierungseinrichtung. Deshalb ist der Zusammenschluss auch gefährlich für unsere Demokratie, und das nicht nur in Indien.“

Aufruf gegen Saatgut-Patente
„Stoppt die Monopolisierung von Saatgut durch BAYSANTO“, ist der internationale Aufruf der Initiative NO PATENTS NO SEEDS überschrieben. Er wendet sich dagegen, BAYSANTO und anderen Agrar-Konzernen das Recht zu gewähren, Patente auf Pflanzen und Tiere geltend zu machen. „BAYSANTO & Co. beeinflussen maßgeblich, welche Pflanzen gezüchtet, angebaut und geerntet werden, was Saatgut kostet und wie unsere Lebensmittel in Zukunft produziert werden. Diese Markt-Macht basiert zu großen Teilen auf einer stark steigenden Anzahl von Patenten“, so Katherine Dolan von der den Aufruf mittragenden Organisation ARCHE NOAH. Zu den über 40 Gruppen, die den Appell unterzeichnet haben, zählt auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN.

Glyphosat: Petition gegen Bahn
Die DEUTSCHE BAHN gehört zu den Großverbrauchern von Glyphosat. 65 Tonnen des von der Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Pestizids versprüht das Transport-Unternehmen Jahr für Jahr, um sein Schienennetz frei von Wild-Pflanzen zu halten. Die Initiative SumOfUs hat deshalb eine Online-Petition gegen die Bahn und ihre „33.500 Kilometer voller Glyphosat, die sich wie eine Giftspur durch die ganze Bundesrepublik ziehen“, gestartet. Über 50.000 Menschen haben den Appell bisher schon unterzeichnet (Stand: 22.06.18).

IBEROGAST: Grüne wollen BfArM stärken
Auch Medikamente auf pflanzlicher Basis wie BAYERs Magenmittel IBEROGAST, das 2013 mit dem Kauf von STEIGERWALD in die Produkt-Palette des Pharma-Riesen gelangte, können es in sich haben (siehe auch Ticker 2/18). So schädigt der IBEROGAST-Inhaltsstoff Schöllkraut die Leber. Präparate mit einer hohen Schöllkraut-Konzentration hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) deshalb schon aus dem Verkehr gezogen. Von den Herstellern weniger hoch dosierter Produkte verlangte es, einen entsprechenden Warnhinweis auf dem Beipackzettel anzubringen. Der Leverkusener Multi lehnte es aber ab, dieser Aufforderung nachzukommen. Stattdessen zog er vor Gericht – und bleibt damit so lange, wie Justitias Mühlen mahlen, von der Umsetzung der Auflage befreit. Die aufschiebende Wirkung solcher Klagen wollen die Grünen nun aber nicht länger hinnehmen. Sie forderten die Bundesregierung auf, die Rechte des BfArM BAYER & Co. gegenüber zu stärken.

KAPITAL & ARBEIT

Rationalisierungsprogramm „Super Bowl“
Als BAYER-Chef Werner Baumann bei den Investment-Gesellschaften um Zustimmung für den MONSANTO-Deal warb, sah er sich gezwungen, ihnen Kosteneinsparungen zu versprechen, um die mit der Transaktion verbundene Schuldenlast zu drücken. Sonst hätten die Verbindlichkeiten die Rating-Agenturen nämlich dazu bewogen, dem Unternehmen eine äußerst schlechte Note in Sachen „Kreditwürdigkeit“ zu geben. Besonders den neuen Finanzchef des Konzerns, Wolfgang Nickl, sahen die Finanzmarkt-AkteurInnen in der Pflicht. „Herr Nickl muss dafür einstehen, dass BAYER Cash aus jeder möglichen Quelle generiert“, gab etwa der Finanzanalyst Jeremy Redenius vor. Und so kam es im Pharma-Bereich dann zum Effizienz-Programm „Super Bowl“, dem Belegschaftsangehörigen zufolge allein in der Bundesrepublik 1.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen könnten. Besonders die Beschäftigten am Standort Berlin fürchten um ihre Jobs.

POLITIK & EINFLUSS

Neue Kriterien für Hormon-Gifte
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie FOLICUR (Wirkstoff: Tebuconazole), BETANAL (Lenacil), FENOMENAL (Fenamidon) oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Reform der Zulassungsvorschriften verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Charakterisierung der Pseudo-Hormone – sogenannter endokriner Disruptoren (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung, nicht zuletzt dem Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. geschuldet, legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Dieser ließ viele gefährliche Chemikalien aus dem Raster fallen und enthielt zudem zahlreiche Ausnahme-Regelungen wie z. B. für gezielt das Hormonsystem von Schadinsekten angreifende Ackergifte. Deshalb kritisierten das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Gruppen die Vorlage scharf. Im Marsch durch die EU-Institutionen gab es dann auch einige Nachbesserungen. So fanden etwa die hormonell wirksamen Insektizide wieder Aufnahme in den EDC-Katalog. Aber wirklich zufriedenstellen können die Ende April endgültig angenommenen und im Oktober in Kraft tretenden Kriterien trotzdem nicht – sie erfassen immer noch nicht alle endokrinen Disruptoren. Zudem legen sie die Schwelle für ein Verbot zu hoch an.

Der Branchen-Dialog „Chemie“
In der letzten Legislatur-Periode hat die damalige Große Koalition Branchen-Dialoge in den Sektoren „Pharma“ und „Chemie“ gestartet. Die Gesprächsrunde zu letzterem bewerteten die Teilnehmer äußerst positiv. Es sei gelungen, „gemeinsam Lösungen für mehr internationale Wettbewerbsfähigkeit zu entwickeln“, hielten das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE und der „Bundesarbeitgeberverband Chemie“ fest. Und die Ergebnisse können sich für BAYER & Co. wirklich sehen lassen. „BMWi bringt verstärkt Belange der Chemie-Industrie kontinuierlich in die Enterprise Policy Group (Experten-Gruppe der EU-Kommission) ein“, konstatiert der Monitoring-Bericht trocken. Auch in der 7+7-Gruppe, die aus EmissärInnen der Chemie-Verbände und der Wirtschaftsministerien der sieben Länder Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande und Spanien besteht, ist der Einfluss des VCIs der Publikation zufolge gesichert. Zudem erreichte die Organisation in zahlreichen Bereichen Zugeständnisse der Politik. So rang der Lobby-Club dem Wirtschaftsministerium ein Bekenntnis zum Pestizid-Standort Deutschland ab, inklusive fälliger Standortsicherungsmaßnahmen wie etwa beschleunigte Zulassungsverfahren. Bei der Registrierung gefährlicher Chemikalien, welche die EU seit 2007 betreibt, sicherte das Ministerium den Unternehmen ebenfalls regierungsamtliche Hilfe zu, droht hier aus Gründen des vorsorglichen Gesundheitsschutzes doch der „Wegfall von Verwendungen“ oder schlimmer noch „Stoff-Wegfall“. Der Sorge der Konzerne um eine Energie-Wende zu Lasten ihrer ebenso billigen wie schmutzigen Strom-Quellen nimmt sich indes ein informelles Gremium an, das sich mit der „energie-politischen Strategie nach 2020“ befasst und „die aktuellen Gesetzgebungen kontinuierlich weiter beobachtet“. Auch ganz generell hat sich der Branchen-Dialog vorgenommen, eine „Gesetzesfolgen-Abschätzung“ zu initiieren, weil es bisher „keine systematische Betrachtung der Auswirkungen der Regelungsvorhaben auf die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft“ gibt. Eine Innovationsbremse hat die Chemie-Industrie bereits identifiziert: das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011, das neuen Medikamenten doch tatsächlich eine Kosten/Nutzen-Prüfung aufbürdet.

NRW: Schwarz-Gelb für BAYER & Co.
Die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen bekennt sich freimütig zur Wirtschaft im Allgemeinen und zur Chemie-Industrie im Besonderen – mit entsprechenden Nebenwirkungen für Klima und Umwelt (s. u.). „Christdemokraten und Freie Demokraten stellen sicher, dass die Interessen des Industrie- und Energiestandorts Nordrhein-Westfalen künftig wieder wahrnehmbar gegenüber dem Bund und der Europäischen Union vertreten werden“, heißt es im Koalitionsvertrag. Dabei wollen die PolitikerInnen bevorzugt für eine Branche Lobby-Arbeit betreiben: „Einen besonderen Fokus legen wir auf den Erhalt der Wertschöpfungsketten, der Wettbewerbsfähigkeit, der Arbeitsplätze und der Innovationsfähigkeit der in Nordrhein-Westfalen ansässigen chemischen Industrie.“

Prima Klima in NRW für BAYER & Co.
Das Land Nordrhein-Westfalen trägt fast ein Drittel zu den bundesdeutschen Kohlendioxid-Emissionen bei, woran BAYER alles andere als unschuldig ist. Für die schwarz-gelbe Landesregierung stellt das zur Freude des Leverkusener Multis jedoch keinen Grund zum Umsteuern dar. Sie hat andere Prioritäten: „Wir werden die Energie- und Klimapolitik danach ausrichten, Nordrhein-Westfalen als Energieland Nummer eins zu stärken, um führendes Industrieland, auch für energie-intensive Industrien, zu bleiben und Wertschöpfungsketten zu erhalten“, schreiben die Parteien in ihrem Koalitionsvertrag. Dementsprechend legen sie Hand an das Landes-Klimaschutzgesetz von Rot-Grün und kappen alle Regelungen, die über EU-Maßgaben hinausgehen. Zudem bekennen sich Laschet & Co. zum Klima-Killer Braunkohle („unser einziger heimischer Rohstoff, der wettbewerbsfähig ist und zudem einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit leistet“) und drohen an, die Strom-Steuer senken zu wollen.

Klima-Politik: BAYER will mitreden
Der BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup gehört dem Wirtschaftsrat der CDU an. Er leitet dort die Bundesfach-Kommission „Umwelt“ und äußert sich dementsprechend oft zu Umwelt-Themen – natürlich auch pro domo. Jüngst ergriff er dazu in einer Beilage der Faz zum Wirtschaftstag – die Zeitung nennt diese vom Wirtschaftsrat ins Leben gerufene Veranstaltung „eines der hochkarätigsten Foren für den Austausch von Wirtschaft und Politik“ – die Gelegenheit. In seinem Beitrag klagte Große Entrup einmal mehr über die angeblich mit der Energiewende einhergehenen hohen Strom-Kosten und wusste auch schon ein probates Mittel dagegen: mehr Mitsprache-Rechte für BAYER & Co. „Dabei sollte die Wirtschaft stärker in die entscheidungsrelevanten Dialog-Prozesse eingebunden werden. Denn eine marktwirtschaftliche Umsetzung der klima- und energiepolitischen Ziele kann nur gemeinsam mit der Wirtschaft erreicht werden“, meinte Große Entrup. Ansonsten trat er in Sachen „Klima“ für „einen internationalen Schulterschluss“ ein, was Leute seines Schlages gern tun, weil sie genau wissen, dass dieser nie zustande kommen wird.

Lobbying für CRISPR/Cas & Co.
Gen-Scheren, die das Erbgut an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können, arbeiten nach Ansicht von BAYER & Co. so präzise, dass die von ihnen herbeigeführten Veränderungen sich gar nicht mehr von denjenigen unterscheiden, welche die konventionelle Züchtung zu Wege bringt. Deshalb fallen CRISPR/Cas und andere Verfahren für sie nicht unter „Gentechnik“ und ergo auch nicht unter die entsprechenden Regularien. Davon wollen die Unternehmen auch die EU überzeugen und setzen dabei auf alte Bekannte. So hat Bernd Müller-Röber vom „Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland“ (VBIO) Abgeordnete des Europa-Parlaments jüngst in einem Schreiben davon zu überzeugen versucht, die „Gentechnik 2.0“ nicht als Update der „Gentechnik 1.0“ zu betrachten und sie aus diesem Grund auch vor den für diese geltenden Auflagen zu verschonen. Eigene Patent-Anträge zu DNA-Manipulationen, die sich der neuen Methoden bedienen, verschwieg er dabei allerdings ebenso wie seine Mitarbeit an einigen alten „Gentechnik 1.0“-Patenten von BAYER.

Brexit: VfA will Übergangsfrist
Rund ein Fünftel aller Zulassungsverfahren für Medikamente bearbeitet die britische Arzneimittel-Behörde. Wegen des Brexits wird sie dies allerdings nur noch bis Ende März 2019 tun, was dem von BAYER gegründeten „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VfA) Anlass zur Besorgnis gibt. „Der Brexit könnte die Zulassung von Arzneimitteln in Europa gefährden“, warnt er und fordert Übergangsfristen. Diese müssten „ganz oben auf der Agenda der konkreten Austrittsverhandlungen stehen“, erklärt die Lobby-Organisation.

Kein Glyphosat-Verbot in Frankreich
Der französische Präsident Emmanuel Macron wollte in seinem Land das BAYER-Pestizid Glyphosat verbieten, das die Krebs-Agentur der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft. Der Politiker konnte sich mit diesem Ansinnen allerdings nicht durchsetzen. Die Nationalversammlung lehnte den Antrag ab. Selbst einige Mitglieder von Macrons „En Marche!“ stimmten gegen den Bann.

Ein bisschen weniger Glyphosat
Nach dem Dafürhalten von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner darf es ein bisschen weniger Glyphosat sein – aber nur klitzekleines bisschen. Die Christdemokratin legte im Frühjahr den Entwurf einer entsprechenden Verordnung vor. Diese will den Einsatz des „wahrscheinlich krebserregenden“ BAYER-Pestizids vor allem im HobbygärtnerInnen-Sektor einschränken, obwohl der Bereich nur für zwei Prozent des Glyphosat-Verbrauchs verantwortlich ist. Die Landwirtschaft hat hingegen kaum Einschränkungen zu fürchten. „Für unser gemeinsames Ziel, den Einsatz von Glyphosat grundsätzlich zu beenden, werden weitere Schritte folgen müssen“, sagte deshalb Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), und Toni Hofreiter von BÜNDNIS 90/Die Grünen kritisierte, „kleine, kosmetische Maßnahmen“ seien nicht genug: „Stattdessen muss die Anwendung von Glyphosat in der Landwirtschaft in den nächsten vier Jahren auf Null heruntergefahren werden.“

BAYER & Co. wollen Forschungsförderung
Seit Jahr und Tag fordert der BAYER-Konzern die steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsaufwendungen. Jetzt hat seine Interessensvertretung, der „Bundesverband der Industrie (BDI), einen neuen Vorstoß in dieser Richtung unternommen. „Steuerliche Forschungsförderung unverzüglich einführen!“ ist das entsprechende Positionspapier überschrieben. „Im weltweiten Wettbewerb um die Forschungsstandorte in multinationalen Unternehmen und Branchen ist die staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung nicht alles, oft aber der entscheidende Grund, Forschungskapazitäten auszubauen oder neu anzusiedeln“, hält die Lobby-Organisation fest. Einen konkreten Plan für die Umsetzung hat der BDI auch schon ausgearbeitet. Ihm schwebt eine Steuer-Gutschrift pro Beschäftigtem in Höhe von bis zu 6.000 Euro vor. „Maximal 2,5 Milliarden Euro“ würde das den Staat kosten – nach Ansicht von BAYER & Co. ein Schnäppchen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Neues Corporate Design
Um das Image BAYERs steht es nicht zum Besten. Darum sah das Management Handlungsbedarf. Da aber gute Taten mit einem der Profit-Logik folgenden Konzern nur schwerlich zu bewerkstelligen sind, entschloss sich der Vorstand stattdessen, am Erscheinungsbild zu feilen. „BAYER will sympathischer werden – und hat deshalb sein Corporate Design überarbeitet“ vermeldete das PR-Fachblatt W&V. Bei diesem Unterfangen hat der Leverkusener Multi dann weder Kosten noch Mühen gescheut. Er befragte 1.500 Menschen aus sechs Ländern zu seiner Reputation und wertete weitere Umfragen zu diesem Thema aus. Die Resultate wiesen BAYERs oberstem Öffentlichkeitsarbeiter Michael Preuss zufolge höhere Kompetenz- als Sympathie-Werte aus. Und da hat die Branding-Agentur LANDOR angesetzt und rechtzeitig zur MONSANTO-Übernahme alles „wärmer und emotional ansprechender“ gestaltet. Aber ob ’s hilft, ist noch die Frage ...

Vertriebskosten: Elf Milliarden Euro
Unter Vertriebskosten verbucht der Leverkusener Multi all das, was es braucht, um seine Produkte loszuschlagen: Werbung, Marketing, KundInnen-Beratung, den Außendienst inklusive Pharma-DrückerInnen und andere Posten. Im Jahr 2017 gab der Konzern dafür rund elf Milliarden Euro aus.

Lobby-Offensive wg. MONSANTO
Der BAYER-Konzern hat 2017 in den USA viel Geld investiert, um Stimmung für die Ziele des Unternehmens zu machen. 10,5 Millionen Dollar steckte er in die Pflege der dortigen politischen Landschaft – mehr Geld für solche Aktivitäten gab in dem Land kein anderes deutsches Unternehmen aus. Unter anderem galt es, die DemokratInnen und RepublikanerInnen vom Sinn der MONSANTO-Übernahme und vom Unsinn der Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel zu überzeugen. Auch die Verbreitung der Mär, dass die Neonicotinoide GAUCHO und PONCHO keiner Biene etwas zu Leide tun können, war dem Unternehmen teuer. Etwas Schlimmes konnte der Konzern an diesem Einsatz nicht finden: „BAYER ist stolz darauf, sich aktiv am politischen Prozess in den USA zu beteiligen, damit auch unsere Stimme gehört wird.“

PR-Offensive wg. MONSANTO
BAYER begleitet die Übernahme von MONSANTO mit einer PR-Offensive. Um die journalistische Landschaft zu pflegen, ließ der Konzern die 40-seitige Broschüre „Landwirtschaft und Ernährung von morgen“ in einer Auflage von 30.000 Exemplaren erstellen und sie Fachmagazinen wie Wirtschaftsjournalist und medium beilegen. Allerdings gab es prompt Ärger mit der Publikation. Der Leverkusener Multi hatte darin nämlich den Schweizer Professor Urs Niggli mit einer positiven Aussage über die neuen Gentechniken zitiert, wogegen dieser sich verwahrte (s. u.). Darüber hinaus richtete der Agro-Riese die Dialog-Plattform „Zukunftsfelder“ ein, die sich allerdings nicht gerade großen Zuspruchs von Umweltverbänden erfreute. Zudem sponserte er die vom Berliner Tagesspiegel ausgerichtete Diskussionsveranstaltung „World Food Conference“, die mit so prominenten Gästen wie der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) aufwartete, und redete zu Themen wie „Zulassungsverfahren“ auch ein Wörtchen mit.

PR-GAU
„Für Landwirte – auch für Öko-Landwirte – eröffnet die neue Methode viele Chancen“, diese lobende Worte fand Professor Urs Niggli, Direktor des schweizer Forschungsinstituts für biologischen Landbau, zu CRISPr-Gas und anderen neuen Gentechniken. Ein gefundenes Fressen für BAYER. Der Leverkusener Multi zitierte die Äußerung in seiner Propaganda-Broschüre „Landwirtschaft und Ernährung von morgen“, hatte dabei aber die Rechnung ohne Niggli gemacht. Dieser verwahrte sich gegen die Übernahme. Vom „Missbrauch meines Namens“ sprach der Agrar-Wissenschaftler und betonte, er habe völlig andere Positionen als der Agro-Riese. Der Konzern musste daraufhin alle noch verbliebenen Exemplare der Schrift in die Tonne klopfen und den Niggli-Satz von seiner Internet-Seite nehmen. Auch auf Beiträge des Professors zur Dialog-Plattform „Zukunftsfelder“ konnte er nicht länger zählen. Er sähe keinen Sinn in Dialogen, die auf die Strategie der Firma BAYER keine Wirkung hätten, erklärte Urs Niggli laut Informationsdienst Gentechnik.

BAYER vs. Vandana Shiva
Auch die bekannte indische Aktivistin Vandana Shiva nahm an den diesjährigen Protesten rund um die BAYER-Hauptversammlung teil (siehe AKTION & KRITIK). Dadurch sah sich der Leverkusener Multi zu einer Reaktion gezwungen. „Herzlich Willkomen, Vandana Shiva!“ begrüßte der Konzern die Wissenschaftlerin auf seiner Internet-Seite, um dann sieben Thesen von ihr einem „Faktencheck“ zu unterziehen. Selbstredend kam da keine einzige heil heraus. Stattdessen gibt es nichts Gesünderes auf der Welt als gentechnisch veränderte Lebensmittel, selbst wenn sie in ihrem Vorleben auf den Äckern ein paar Glyphosat-Duschen abbekommen haben, hat doch „dieser Wirkstoff eine äußerst geringe Giftigkeit“. Und indische LandwirtInnen, die Baumwolle mit einer eingebauten Resistenz gegen den Bacillus thuringiensis (Bt) anpflanzten und sich anschließend wegen der Missernten umbrachten, kennt der Konzern nicht. „Es besteht nachweislich kein direkter Zusammenhang zwischen der Einführung gentechnisch veränderter Baumwolle und der Selbstmord-Rate bei indischen Bauern“, hält er fest und behauptet stattdessen: „Die Einführung von Bt-Baumwolle in Indien war ein Erfolg.“ Und so geht die Märchenstunde dann munter bis zur siebten These weiter, wo BAYERs FaktencheckerInnen sich darin versuchen, dem goldenen Gen-Reis all den Glanz zurückzugeben, den Vadana Shiva ihm geraubt hatte.

BAYER darf mehr Schule machen
Ganz so, als hätten die Konzerne nicht schon genug Einfluss auf die Bildungseinrichtungen, darf es für Schwarz-Gelb in BAYERs Stammland Nordrhein-Westfalen gerne noch ein bisschen mehr sein. „Wir wollen Unternehmen und andere gesellschaftliche Gruppen ermutigen, ihr Personal und ihre besondere Expertise vor allem in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik, Anm. Ticker) stundenweise den Schülern zur Verfügung zu stellen“, drohte Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) an. Davon verspricht die Politikerin sich, „den Kindern Kenntnisse direkt aus der Praxis zu vermitteln“. Zudem kann der Leverkusener Multi sich in NRW über das neue Schulfach „Wirtschaft“ freuen.

DRUGS & PILLS

BfArM warnt vor XOFIGO
BAYERs XOFIGO hat bisher eine Zulassung für einen solchen Prostata-Krebs, der bereits die Knochen angegriffen hat und auf eine Hormon-Entzugsbehandlung – Testosteron und andere Androgene haben Einfluss auf das Wachstum der Krebs-Zellen – nicht reagiert. Nun wollte der Leverkusener Multi das strahlen-therapeutische Mittel mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid in Kombination mit Abirateronacetat und Prednison bei einer anderen Art des Prostata-Karzinoms zum Einsatz bringen. Er musste die klinischen Tests allerdings abbrechen (Ticker 1/18). Bei den XOFIGO-Probanden, die entweder noch gar keine oder nur schwache Symptome der Krankheit hatten, war nämlich laut BAYER „ein erhöhtes Auftreten von Todesfällen und Frakturen“ zu beobachten. Während die Todesrate in der Gruppe, die mit Abirateronacetat und Prednison ein Placebo einnahm, bei 20 Prozent lag, betrug diese bei den XOFIGO-Patienten 27 Prozent. Und Knochen-Brüche traten unter XOFIGO mehr als drei Mal so häufig auf (24 Prozent zu sieben Prozent). Darum hat die Klinische Prüfung ein Nachspiel. Nach Auskunft des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) untersucht jetzt die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ die Vorfälle, „um die Bedeutung für die zugelassene Anwendung von XOFIGO zu ermitteln“. Und den Pharma-Riesen zwangen die Aufsichtsbehörden, die MedizinerInnen in zwei Rote-Hand-Briefen davor zu waren, das Präparat weiter zusammen mit Abirateronacetat und Prednison zu verordnen.

ASPIRIN mit Warnhinweisen
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) tritt bereits seit Langem dafür ein, ASPIRIN und andere Schmerzmittel in den Apotheken nur noch dann ohne Rezept auszugeben, wenn die Anwendungsdauer auf vier Tage beschränkt ist. Die Präparate haben nämlich beträchtliche Nebenwirkungen. So kann BAYERs „Tausendsassa“ etwa Magenbluten verursachen. Mit seinem Anliegen konnte sich das BfArM zwar nicht durchsetzen, immerhin aber müssen der Leverkusener Multi und die anderen Hersteller von Schmerzmitteln auf den Schachteln künftig den Warnhinweis anbringen: „Bei Schmerzen und Fieber ohne ärztlichen Rat nicht länger anwenden, als in der Packungsbeilage vorgegeben!“ Leider nur ermangelt es dem Satz an Eindeutigkeit, zudem haben die Pharma-Riesen noch zwei Jahre Zeit, um die Anordnung umzusetzen.

FDA schränkt ESSURE-Vertrieb ein
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Sterilisationsmittel, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden von Organen, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. Das hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde „Food and Drug Admininstration“ (FDA) jetzt zu Maßnahmen veranlasst. „Jede Frau, die dieses Produkt erhält, sollte die damit verbundenen Risiken kennen“, so Scott Gottlieb von der FDA. Deshalb beschränkte die Institution den ESSURE-Vertrieb auf solche ÄrztInnen und Medizin-Einrichtungen, welche die Frauen anhand einer langen Check-Liste eingehend beraten. Zudem drohte die Behörde dem Leverkusener Multi für den Fall, dass er die potentiellen ESSURE-Interessentinnen nicht ausreichend über die Nebenwirkungen der Spirale informiert, rechtliche Schritte an.

BAYER schränkt ESSURE-Vertrieb ein
BAYER stellt den Vertrieb der Sterilisationsspirale ESSURE außerhalb der USA ein. Mit Sicherheits- oder Qualitätsbedenken (s. o.) habe das aber nichts zu tun, betont der Konzern.

EMA prüft CIPROBAY
Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs CIPROBAY (Wirkstoff: Ciprofloxacin) haben viele schwerwiegende Nebenwirkungen (siehe auch SWB 3/18). Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA listet von 2002 bis 2017 allein zu Ciprofloxacin 1.116 Todesfälle und 20.353 Meldungen über unerwünschte pharmakologische Effekte auf. Besonders häufig kommen Lädierungen von Muskeln und Sehnen vor. Überdies hemmen die Fluorchinolone Enzyme, welche die Verstoffwechselung von Arzneien im Körper steuern. Dadurch verbleiben unter Umständen hohe Konzentrationen von Arznei-Stoffen im Organismus, was die Gefahr von unkontrollierbaren Wechselwirkungen heraufbeschwört. Bereits mehrmals haben die Aufsichtsbehörden der verschiedenen Länder deshalb den Anwendungsbereich der Mittel beschränkt und die Hersteller gezwungen, ihre Packungsbeilagen um Warnungen vor bestimmten Gesundheitsschäden zu ergänzen. Und im Februar 2017 stieß das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) bei der EMA ein europäisches Risiko-Bewertungsverfahren für Fluorchinolone an. „Ziel ist eine umfassende Bewertung von schwerwiegenden und persistierenden (dauerhaften, Anm. Ticker) Nebenwirkungen, die überwiegend den Bereich des Bewegungsapparates und des Nervensystems betreffen“, teilt das Institut mit. Mitte Juni findet dazu eine öffentliche Anhörung statt. Einen Monat später will die Arzneimittel-Agentur dann das Ergebnis der Überprüfung verkünden.

BfArM überprüfte YASMIN & Co.
BAYERs Verhütungsmittel wie die Pille YASMIN oder die Hormon-Spirale MIRENA haben zahlreiche Nebenwirkungen. Zum Brustkrebs- und zum Selbstmord-Risiko wertete das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) jetzt neue Studien aus. Danach gab die Behörde Entwarnung. Die Befunde gaben ihrer Ansicht nach keinen Anlass dazu, Maßnahmen zu ergreifen.

Grenzwert-Bestimmung in der Kritik
Die Pharma-Konzerne arbeiten permanent an der Vergrößerung der Zielgruppe für ihre Medikamente. Ein probates Mittel dazu ist es, die Grenzen zwischen Gesundheit und Krankheit zu verschieben. So befindet sich etwa der Wert, ab dem der Blutdruck nicht mehr als normal, sondern als zu hoch und damit behandlungswürdig gilt, seit Jahren im Sinkflug (Ticker 1/18). Ähnlich erging es demjenigen zur Diabetes-Bestimmung. Lange Zeit zeigte ein Blutzucker-Spiegel von über 140 mg/dl die Notwendigkeit von medizinischen Maßnahmen an, bereits seit 1997 reichen jedoch 126 mg/dl. Und ganz im grünen Bereich ist mensch auch unterhalb dieses Limits nicht. Das Reich der „Prä-Diabetes“ beginnt nämlich schon ab 100 mg/dl, was den Absatz von BAYERs Zuckerkrankheitspräparat GLUCOBAY nicht unerheblich steigert. Das ExpertInnen-Gremium der „American Diabetes Association“ (ADA) hatte für die neuen Festlegungen plädiert – allerdings nicht aus hehren wissenschaftlichen Motiven. Ökonomische gaben vielmehr den Ausschlag. Kommissonschef James R. Gavin beispielsweise verfügte über lukrative BeraterInnen-Verträge mit BAYER und anderen Pharma-Riesen. Der Kölner Mediziner Prof. Dr. Stefan Wilm hält rein quantitative Angaben, etwa über die Höhe des Blutzucker-Spiegels, generell für keine hinreichenden Kriterien zur Definition einer Gesundheitsstörung und kritisiert die Ausweitung der Krankheitszonen durch die Zahlenspiele vehement. „Je niedriger wir die Grenzwerte ansetzen, (...) umso mehr Medikamente werden verordnet. Aber der Patient hat davon keinen Nutzen“, so der Arzt.

Deal mit LOXO ONCOLOGY
BAYER setzt immer weniger auf eigene Forschungsanstrengungen und kauft stattdessen Innovationen von außen zu. So hat der Konzern mit LOXO ONCOLOGY ein Geschäft abgeschlossen, das ihm die Vertriebsrechte an zwei neu entwickelten Krebs-Wirkstoffen sichert. Dabei handelt es sich um Loxo-195 und Larotrectinib, für den LOXO in den USA gerade einen Zulassungsantrag gestellt hat. Je nach Erfolg der beiden Stoffe hat der Pillen-Riese sich zu Zahlungen von bis zu 1,15 Milliarden Dollar verpflichtet. „Das ist ein strategisch sehr wichtiger Deal für zwei hochinnovative Substanzen“, konstatiert Arznei-Chef Dieter Weinand: „Damit sollte endlich auch die Frage beantwortet sein, ob BAYER angesichts der MONSANTO-Übernahme nicht die Pharma-Sparte vernachlässige.“

„Consumer Health“ schwächelt
Der Leverkusener Multi hat das Geschäft mit den rezeptfreien Arzneien in der letzten Zeit stark ausgebaut und ist in diesem Bereich zur Nr. 2 auf der Welt aufgestiegen. Aber nicht nur die 2014 zugekaufte MERCK-Sparte erfüllte ihre Erwartungen bisher nicht, auch der Absatz der restlichen Produkte schwächelt bereits seit Langem. Im Geschäftsjahr 2017 ging der Umsatz um 1,7 Prozent auf 5,9 Milliarden Euro zurück, und der Gewinn schrumpfte sogar um 13 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro. Im November 2017 kostete das Sparten-Chefin Erica Mann ihren Job.

AGRO & CHEMIE

Aus für GAUCHO, PONCHO & Co.
Im Jahr 2014 hatte die Europäische Union die Pestizid-Wirkstoffe Imidacloprid und Clothianidin von BAYER sowie die SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam wegen ihrer Bienengefährlichkeit vorläufig aus dem Verkehr gezogen. Ende April 2018 verkündete die EU-Kommission ein dauerhaftes Verbot der Mittel aus der Gruppe der Neonikotinoide. Zum Leidwesen des Leverkusener Multis, der die Entscheidung mit den Worten „ein trauriger Tag für die Landwirte und ein schlechter Deal für Europa“ kommentierte, dürfen PONCHO, GAUCHO & Co. jetzt nicht mehr auf Äckern, sondern nur noch in Gewächshäusern ihr Unwesen treiben. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) betreibt bereits seit 1999 eine Kampagne gegen diese Insektizide und kann nun endlich den Erfolg ihrer Bemühungen verzeichnen. Deshalb begrüßte sie die Entscheidung Brüssels, verlangte allerdings zugleich weitere Maßnahmen: „Dieser Schritt war überfällig. Jetzt gilt es aber auch, konsequent zu sein und die übrigen Stoffe dieser Substanz-Klasse aus dem Verkehr zu ziehen.“ Darüber hinaus forderte die CBG Brüssel auf, diejenigen Pestizide genauer unter Beobachtung nehmen, welche die Industrie als Ersatz für die Mittel vorgesehen hat. Der Leverkusener Multi zum Beispiel bemüht sich in der Bundesrepublik gerade um eine Zulassung von SIVANTO, dessen Inhaltsstoff Flupyradifuron einige WissenschaftlerInnen ebenfalls als schädlich für Bienen einstufen. So hält etwa Michele Colopy von der Organisation POLLINATOR STEWARDSHIP COUNCIL fest: „Die Forschungsergebnisse weisen vielleicht auf keine akute toxische Wirkung bei der ersten Anwendung hin, aber Zweit- und Drittanwendung zeigen eindeutige Effekte auf die Bienensterblichkeit, das Verhalten, die Brut-Entwicklung sowie Pollen und Nektar.“ Und zu ähnlichen Ergebnissen kam jüngst die Universität Würzburg.

EuGH bestätigt GAUCHO-Aus
Nach dem von der Europäischen Kommission verkündeten Aus für GAUCHO und PONCHO (s. o.) setzte BAYER noch Hoffnung auf die Justiz. Der Konzern hatte nämlich 2013 in Tateinheit mit SYNGENTA schon gegen das vorläufige Verbot der Europäischen Union geklagt und erwartete nun eine Entscheidung in seinem Sinne. Aber diese Rechtshilfe blieb aus; der Europäische Gerichtshof stellte sich auf die Seite der EU-Kommission. „Was die im Jahr 2013 beschränkten oder verbotenen Verwendungen betrifft, entscheidet das Gericht, dass die Kommission darlegen konnte, dass in Anbetracht der erheblichen Verschärfung der Anforderungen daran, dass keine unannehmbaren Auswirkungen der Wirkstoffe auf die Bienen vorhanden seien, die von der EFSA (Europäische Lebensmittelbehörde, Anm. Ticker) festgestellten Gefahren den Schluss zuließen, dass die drei fraglichen Wirkstoffe nicht mehr den Zulassungskriterien entsprächen“, lautete das Votum aus Luxemburg. Da musste der Global Player schmollen: „BAYER ist enttäuscht.“

Neue Ackergifte
2018 bringt BAYER zwei neue Agro-Chemikalien auf den Markt, wobei „neu“ relativ ist. In Ermangelung wirklicher Innovationen kombiniert der Leverkusener Multi nämlich nur altbekannte Wirkstoffe und hofft – wie bei den mit Mehrfach-Resistenzen ausgestatteten Gen-Pflanzen –, dass es die Menge macht. So besteht das Fungizid ASCRA Xpro aus den drei Substanzen Bixafen, Prothioconazol und Fluopyram. Das Herbizid LIBERATOR PRO, von dem die LandwirtInnen laut BAYER-Empfehlung ein Liter pro Hektar ausbringen sollen, wartet hingegen mit den Inhaltsstoffen Flufenacet, Diflufenicat und Metribuzin auf. Und ganz ohne sind die nicht: Metribuzin beispielsweise findet sich in der Liste der hochgefährlichen Pestizide, welche das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) im März 2018 veröffentlicht hat.

Verkauf von Bromacil-Pestiziden
Die mit der Übernahme von MONSANTO verbundenen Auflagen zwangen BAYER, einige Pestizide abzustoßen. Aber auch aus freien Stücken trennt sich der Konzern von Zeit zu Zeit von Agro-Chemikalien. So verkaufte der Global Player im Juni 2018 sein USA- und Kanada-Geschäft mit bromacil-haltigen Herbiziden. Neuer Besitzer der Ackergifte, die der Leverkusener Multi unter den Namen HYVAR und KROVAR vermarktet hatte, ist das US-amerikanische Unternehmen AMVAC.

Die „MONSANTO Papers“
Im Zuge der Klagen von US-amerikanischen Glyphosat-Geschädigten (siehe auch RECHT & BILLIG) kamen die Firmen-Unterlagen MONSANTOs zu dem Ackergift ans Licht der Öffentlichkeit. In diesen „MONSANTO Papers“ offenbaren die Konzern-WissenschaftlerInnen selber massive Zweifel an der medizinischen Unbedenklichkeit des unter dem Namen ROUNDUP vermarkteten Pestizides. „Man kann nicht sagen, dass ROUNDUP nicht krebserregend ist“, hält etwa die MONSANTO-Toxikologin Donna Farmer fest: „Wir haben nicht die nötigen Tests mit der Formulierung durchgeführt, um diese Aussage treffen zu können.“ Die Formulierung, also die mit Hilfe von Wirkungsverstärkern und anderen Substanzen erfolgte Weiterverarbeitung des Basis-Stoffes Glyphosat zum fertigen ROUNDUP, bereitete ihrem Kollegen William Heydens’ ebenfalls große Sorgen: „Glyphosat ist OK, aber das formulierte Produkt verursacht den Schaden.“ So hat es beispielsweise negative Effekte auf das Erbgut. Als eine Auftragstudie in dieser Hinsicht nicht genug Entlastungsmaterial liefern konnte, sondern den Befund sogar noch zu bestätigen drohte, schlug Heydens einfach vor, sich willigere WissenschaftlerInnen zu suchen. Wie die MONSANTO-Papers darüber hinaus belegen, griffen die Konzern-ForscherInnen zur Not auch selbst zur Feder, um ihrem Millionen-Seller einen Persilschein auszustellen, und kauften sich anschließend bekannte ExpertInnen ein, die für viel Geld ihren Namen unter den Text setzten. Zudem nutzte das Unternehmen all seinen Einfluss, um die Umweltbehörde EPA daran zu hindern, eine Untersuchung zu Glyphosat zu veranlassen.

BAYER vertreibt Bio-Stimulanzien
Der Leverkusener Multi vertreibt künftig die Bio-Stimulanzien BAYFOLAN, BAYFOLAN ACTIVATOR und COBRE des italienischen Unternehmens SICIT 2000. Eine entsprechende Vereinbarung zu den Produkten auf der Basis von Aminosäuren und Peptiden, die das Wachstum von Pflanzen anregen und ihre Widerstandskraft stärken, schlossen die beiden Unternehmen Ende 2017. Der Konzern baut damit sein Sortiment an Biologicals weiter aus. So hat er bereits die Bio-Pestizide REQUIEM, BIBACT und CONTANS sowie Saatgutbehandlungsmittel auf biologischer Basis im Angebot. Der Leverkusener Multi will wegen BAYFOLAN & Co. jedoch seinen Agrogift-Schrank nicht gleich entsorgen; „best of both worlds“ lautet die Devise. „Wir setzen auf integrierte Angebote für Nutzpflanzen. Also auf die Auswahl des passenden Saatguts und die beste Kombination aus chemischen und biologischen Produkten“, bekundet der Agro-Riese.

GENE & KLONE

Krebsgefahr durch „Gentechnik 2.0“?
BAYER setzt sowohl im Pharma- als auch im Agro-Bereich stark auf die „Gentechnik 2.0“, also zum Beispiel auf Gen-Scheren, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können. So hat der Leverkusener Multi 2015 ein Kooperationsabkommen mit CELLECTIS PLANT SCIENCE in Sachen „Genome Editing“ geschlossen und gründete im selben Jahr ein Joint Venture mit dem US-Unternehmen CRISPR THERAPEUTICS. 2016 schließlich traf der Konzern eine Lizenz-Vereinbarung mit der irischen Firma ERS GENOMICS. Diese sichert dem Pharma-Riesen den Zugriff auf mehrere Patente, die ERS auf die Anwendung der Schnippel-Technik CRISPR/Cas9 hält. Und genau diese Methode steht jetzt in Verdacht, Krebs-Erkrankungen zu befördern. Gleich zwei Studien warnen vor dieser „Nebenwirkung“. Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht das Protein p53. Dieses flickt gebrochene DNA-Stränge und hemmt gleichzeitig das unkontrollierte, und deshalb Krebs befördernde Zell-Wachstum. Gen-Scheren meiden nach Möglichkeit Zellen mit dem p53-Protein, weil dieses sich unverzüglich daran macht, die Schnitte wieder zuzunähen, und halten lieber nach solchen ohne diesen Eiweiß-Stoff Ausschau. „Indem wir Zellen nehmen, die das beschädigte Gen erfolgreich repariert haben, nehmen wir vielleicht unbeabsichtigt immer gerade solche ohne funktionierendes p53“, erläutert die Wissenschaftlerin Dr. Emma Haapaniemi vom schwedischen Karolinska-Institut. Deshalb warnt sie: „Wenn diese Zellen einem Patienten transplantiert werden, beispielsweise zur Behandlung einer Erb-Krankheit, könnten sie die Krebsgefahr erhöhen, was Fragen zur Sicherheit der CRISPR/Cas9-Therapien aufwirft.“

BAYER will Gentech-Bakterien
Im Frühjahr 2018 hat der BAYER-Konzern seinen zahlreichen Kooperationen auf dem Gebiet der Gentechnik 2.0, dem so genannten Genome Editing (s. o.), eine neue hinzugefügt. Er gründete mit GINKGO BIOWORKS ein Joint Venture. Mit zusätzlichem Geld vom Hedgefonds VIKING GLOBAL versehen, wollen die beiden Unternehmen mit Hilfe der neuen Methoden Bakterien entwickeln, die der Landwirtschaft als Dünger dienen können.

Saatgut per Gentechnik 2.0
Zur Mitgift von MONSANTO gehörte auch eine Kooperation mit dem Startup-Unternehmen PAIRWISE PLANTS. Die Firma will mit Hilfe neuer gentechnischer Methoden, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können, Saatgut entwickeln. Auf der Wunschliste stehen unter anderem Soja, Mais, Weizen, Baumwolle, Raps, Kartoffeln und diverse Obst-Sorten.

USA: Kommt die Kennzeichnungspflicht?
Die USA wollen ab 2020 eine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel einführen. Während VerbraucherschützerInnen die wenig eindeutigen Text-Vorschläge, die der Gesetzes-Entwurf enthält, kritisieren, betreiben BAYER & Co. schon einmal Extrem-Lobbying gegen die Pläne (siehe auch POLITIK & EINFLUSS).

KOGENATE unter Beobachtung
Im Jahr 2014 machten gleich zwei Studien auf eine bisher unbekannte Nebenwirkung von BAYERs Blutgerinnungspräparat KOGENATE und dem ebenfalls vom Leverkusener Multi entwickelten, jetzt aber von BEHRING vertriebenem Mittel HEXILATE NEXGEN aufmerksam. Neue, vorher nicht behandelte Bluter-Patienten reagieren auf diese beiden Gentech-Mittel der zweiten Generation öfter allergisch als auf Blutprodukte der dritten Generation, so der Befund. Für den Bluter-Weltverband „World Federation of Hemophilia“ legte dieses Ergebnis nahe, die Pharmazeutika Menschen mit frisch diagnostizierter Hämophilie lieber nicht zu verschreiben. Auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA reagierte. Sie wies BAYER und BEHRING an, in den Packungsbeilagen auf das erhöhte Risiko von Immun-Reaktionen hinzuweisen. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) beschäftigte sich im Februar 2018 mit KOGENATE & Co. Es sah einstweilen zwar keinen Handlungsbedarf, will die Mittel aber unter Beobachtung halten.

WASSER, BODEN & LUFT

Verwirr-Spiel um CO2-Emissionen
Der Leverkusener Multi treibt ein Verwirr-Spiel um seine klima-schädigende Kohlendioxid-Emissionen. Er berechnet die Menge auf zwei unterschiedliche Weisen, mit der standort-orientierten und mit der markt-orientierten Methode. Zudem gibt er diese einmal unter Einbezug des Chemie„park“-Betreibers CURRENTA an, an dem er eine 60-prozentige Beteiligung hält, und einmal nur für den Konzern selbst . Damit nicht genug, nennt das Unternehmen in seinem neuesten Geschäftsbericht für 2016 mit 4,64 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß auch andere Zahlen als im letzten Jahr, wo es noch 9,87 Millionen Tonnen waren. So ist dem für BAYER-Verhältnisse relativ niedrigen Wert für 2017 von 3,63 Millionen Tonnen kaum zu trauen.

Keine Strommix-Angaben
Wie bei den Angaben zu den Kohlendioxid-Emissionen rechnet der Leverkusener Multi auch bei den Angaben zum Energie-Einsatz seine 60-prozentige Tochter CURRENTA heraus und verschweigt darüber hinaus, in welchem Verhältnis bei dieser die relativ sauberen Strom-Quellen wie Erdgas zu schmutzigen wie Kohle stehen.

BAYER schädigt Ozonschicht
Seit Jahren schon sorgt hauptsächlich ein einziges Werk des Leverkusener Multis für den ganzen Ausstoß an ozon-abbauenden und deshalb ebenso wie Kohlendioxid klima-schädigenden Substanzen, den „Ozone Depleting Substances“ (ODS): die Niederlassung der Agro-Sparte im indischen Vapi. Und seit Jahren schon schraubt der Konzern auch ein bisschen an der Fertigungsstätte rum, so dass die Werte immer ein bisschen sinken. Aber 2017 summierten sie sich trotzdem noch auf 8.6 Tonnen (2016: 8,8).

870 Tonnen flüchtige Substanzen
Auch BAYERs flüchtige organische Substanzen entstammen hauptsächlich dem Werk im indischen Vapi. Den dortigen Sanierungsmaßnahmen sowie dem Verkauf eines Werkes in Frankreich geschuldet, ging der Ausstoß dieser gesundheitsschädlichen Gase 2017 etwas zurück. Von 920 auf 870 Tonnen sank der Wert.

Kaum weniger Stickstoff & Co.
Der Ausstoß von Stickstoffoxiden, Schwefeldioxiden, Staub und Kohlenmonoxid hat sich bei BAYER 2017 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Die Emissionen von Stickstoffoxiden stiegen von 1.500 Tonnen auf 1.520 Tonnen, während diejenigen von Schwefeldioxiden von 960 auf 920 Tonnen fielen. Bei Kohlenmonoxid reduzierten sich die Werte von 660 auf 610 Tonnen, und Staub wirbelte der Konzern genauso viel wie 2016 auf: 60 Tonnen.

BAYERs Abwasser-Frachten
Im Jahr 2017 sank BAYERs Phosphor-Eintrag in die Gewässer von 50 auf 40 Tonnen und der von organischem Kohlenstoff von 540 auf 390 Tonnen. Auch der Wert für Schwermetalle verminderte sich etwas. Er reduzierte sich von 2,1 auf 1,9 Tonnen. Dagegen legten die Einleitungen von Stickstoff und Anorganischen Salzen zu. Sie stiegen von 300 auf 400 Tonnen bzw. von 184.000 auf 188.000 Tonnen.

BAYER produziert mehr Müll
Im Jahr 2017 produzierte BAYER mehr Müll als 2016. Von 770.000 auf 846.000 Tonnen erhöhte sich die Gesamtmenge. Darunter befanden sich 485.000 Tonnen gefährlicher Abfall. Um 57.000 Tonnen stieg dessen Aufkommen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Chemikalien-Austritt in Berlin
Auf dem Gelände von BAYERs Berliner Pharma-Standort im Stadtteil Wedding kam es am 30.05.2018 zu einem Unfall. Es trat eine gefährliche Substanz aus, dessen Dämpfe zwei Personen verletzten. Der Leverkusener Multi erklärte, der Stoff hätte sich auf der Ladefläche eines LKWs befunden, der den Konzern belieferte, wäre aber nicht für ihn, sondern für einen anderen Kunden bestimmt gewesen.

IMPERIUM & WELTMACHT

Fragwürdige EU-Genehmigung
Die Europäische Union genehmigte die vom Leverkusener Multi geplante MONSANTO-Übernahme zunächst nur unter Vorbehalt. Hatte sie dem Konzern schon während des Verfahrens zur Auflage gemacht, sich von bestimmten Unternehmensteilen zu trennen, so wollte sie sich vor der endgültigen Zustimmung auch erst noch mal die potentiellen Käufer genauer anschauen. Diesen Prozess schloss Brüssel am 30. April ab. Die Generaldirektion Wettbewerb akzeptierte die BASF als neue Besitzerin von Cropscience-Produkten. Sie sieht in dem Ludwigshafener Unternehmen den geeigneten Kandidaten, um „den von BAYER ausgeübten Wettbewerbsdruck auf diesen Märkten zu ersetzen“. Der Erwerb der Geschäfte mit Gemüse-Samen, konventionellem und gentechnisch manipuliertem Saatgut, dem Pestizid Glufosinat, Saatgutbehandlungsmitteln wie PONCHO sowie mit Entwicklungen der digitalen Landwirtschaft durch die BASF reicht nach Ansicht der Kommission aus, BAYSANTO einzuhegen und für eine ausreichende Konkurrenz auf dem Agrar-Sektor zu sorgen. Dabei war am Tag der Brüsseler Entscheidung das Haltbarkeitsdatum des Veräußerungspakets schon überschritten – wofür die EU selber gesorgt hatte. Sie zog Glufosinat wegen seiner erbgut-schädigenden Wirkung und PONCHO wegen seiner Bienengefährlichkeit nämlich unlängst aus dem Verkehr. Damit fallen sie auf dem Gebiet der Europäischen Union – im Rest der Welt dürfen die Substanzen vorerst weiter ihr Unwesen treiben – als Gegengewichte zur BAYER-Dominanz aus. Eine Erklärung dazu hat die EU-Kommission der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nicht gegeben. Eine entsprechende Anfrage ließ sie unbeantwortet.

Der Grund für Dekkers’ Abgang
Im Jahr 2014 gab der BAYER-Konzern die Trennung von seiner Kunststoff-Sparte bekannt. Für die beiden verbliebenen Bereiche „Pharma“ und „Agrar“ hatte der damalige Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers eine Vision. Er plante, die beiden Abteilungen unter dem Label „Life-Science“ enger miteinander zu verknüpfen. „In allen Lebewesen, so unterschiedlich sie uns erscheinen mögen, folgen die molekularen Mechanismen gemeinsamen Regeln. Diese Gemeinsamkeiten wollen wir unter einem Dach zu unserem Vorteil nutzen“, erklärte der Holländer. Allerdings teilten viele verantwortliche ManagerInnen seine Vision nicht. Nicht einmal ein gemeinsamer Vorstandsworkshop konnte den Konflikt auflösen. Und diese Auseinandersetzung bewog Dekkers nach Informationen des manager magazins schlussendlich dazu, das Unternehmen vorzeitig zu verlassen.

Der Grund für Dietsch’ Abgang
Viele Investment-Gesellschaften beurteilten BAYERs Plan, MONSANTO übernehmen zu wollen, zunächst skeptisch. Den Fonds-ManagerInnen machte die damit verbundene hohe Schulden-Aufnahme Sorgen. Sie befürchteten eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Konzerns durch die Rating-Agenturen. Die Finanzmarkt-AkteurInnen von der Profitabilität des Coups zu überzeugen, war für den Leverkusener Multi deshalb kein leichtes Unterfangen (siehe auch KAPITAL & ARBEIT). Und den Finanz-Chef Johannes Dietsch kostete das nach Informationen des manager magazins sogar seinen Job. Weil Dietsch als Überzeugungstäter vor den GroßanlegerInnen nach Meinung des Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann keine gute Figur machte, wurde er durch Wolfgang Nickl ersetzt.

ÖKONOMIE & PROFIT

EU will Derivat-Markt beleben
Derivate – eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Schulden, Zinsen oder aber von Derivaten selber – hatten 2007 wesentlich mit zum Ausbruch der Finanzkrise beigetragen. Darum regulierte die EU diesen Markt im Jahr 2013 stärker. Sie schrieb für die Verbriefungs-deals eine Absicherung mit Eigenkapital und eine Registrierung vor. Der Leverkusener Multi, der Derivate laut Eigenauskunft „fast ausschließlich zur Absicherung von gebuchten und geplanten Transaktionen“ nutzt, protestierte in Tateinheit mit anderen Konzernen scharf gegen die Maßnahmen. Und 2017 ruderte die Europäische Union tatsächlich wieder zurück und machte sich ans Deregulieren. Sie verkündete eine neue Verbriefungsverordnung, welche den Zweck hatte, „den EU-Verbriefungsmarkt zu beleben, um die Finanzierung der EU-Wirtschaft zu verbessern“. Im Zuge dieser Wiederbelebungsmaßnahme hat Brüssel beispielsweise für bestimmte Derivate das Unbedenklichkeitslabel STS (simple, transparent, standardised) eingeführt und für den Handel mit diesen Papieren die Eigenkapital-Anforderungen gesenkt. Der Vorschlag der Grünen-Fraktion im Europa-Parlament ging genau in die gegenteilige Richtung. Die PolitikerInnen hatten für die Geschäfte mit den Derivaten eine Kapital-Unterlegung von 25 Prozent der Transaktionssumme gefordert. Zudem wollten sie Weiterverbriefungen unterbinden und es nicht mehr den Banken selber überlassen, die Risiken ihrer eigenen Finanzprodukte zu berechnen. Entsprechend vehement kritisierte Sven Giegold, der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Europa-Parlament, den Europäischen Rat sowie die konservativen, liberalen und euroskeptischen EU-ParlamentarierInnen für die Unterstützung der Regelung. „Sie sind dabei, die Lehren aus der letzten Finanzkrise zu vergessen“, so Giegold.

BAYER verkauft COVESTRO-Aktien
Im Jahr 2015 gab der Leverkusener Multi die Trennung von seinem Kunststoff-Geschäft bekannt. Unter dem Namen COVESTRO brachte er es an die Börse. Seither verringert der Konzern seinen Aktien-Anteil an der ehemaligen Unternehmenssparte peu à peu. Der letzte Verkauf fand im Mai 2018 statt. Das Unternehmen veräußerte in diesem Monat rund 29 Millionen Papiere für 2,2 Milliarden Euro. Damit reduzierte sich die BAYER-Beteiligung an COVESTRO auf rund sieben Prozent. Der Global Player kappt die Verbindung so schnell, weil er Geld braucht, um die für die MONSANTO-Übernahme gemachten Schulden abzubauen.

RECHT & UNBILLIG

Erster Glyphosat-Prozess in den USA
Kaum hatte der Leverkusener Multi die letzten amtlichen Bestätigungen für die Genehmigung der MONSANTO-Übernahme erhalten, da musste er sich auch schon den mit diesem Deal verbundenen juristischen Risiken stellen. Mitte Juni 2018 begann in den USA das erste Schadensersatz-Verfahren in Sachen „Glyphosat“. Der 46-jährige DeWayne Johnson hatte die Klage eingereicht. Der Familien-Vater leidet am Non-Hodgkin-Lymphom (NHL), einer bestimmten Form des Lymphdrüsen-Krebses, und macht das Herbizid dafür verantwortlich, das er in seinem früheren Beruf als Platzwart häufig einsetzen musste. Mit dieser rechtlichen Auseinandersetzung startet in den Vereinigten Staaten eine wahre Prozess-Lawine. Losgetreten hatte diese die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation mit ihrer Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“. Daraufhin zogen in den Vereinigten Staaten über 4.000 NHL-PatientInnen, die als LandwirtInnen, LandschaftspflegerInnen oder als Hobby-GärtnerInnen in Kontakt mit der Agro-Chemikalie gekommen waren, vor Gericht. Obwohl der „San Francisco County Superior Court“ die im Zuge anderer Verfahren ans Licht der Öffentlichkeit geratenen Firmen-Unterlagen zu dem Ackergift, die berühmt-berüchtigten MONSANTO-Papers, zur Beweisaufnahme zugelassen hat (siehe auch AGRO & CHEMIE), setzt BAYER auf Sieg. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zeigte sich „BAYER CROPSCIENCE“-Chef Liam Condon zuversichtlich, „das die Gerichte zu dem Schluss kommen werden, dass Glyphosat keine Gefährdung für die Gesundheit darstellt, wenn es vorschriftsmäßig eingesetzt wird“.

Glyphosat-Prozess in Frankreich
Französische ImkerInnen haben den BAYER-Konzern verklagt, weil ihr Honig Rückstände von dessen Pestizid Glyphosat enthielt und sie ihre Ware darum teilweise nicht mehr verkaufen konnten.

Glyphosat-Prozess in den USA
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA folgte der Einschätzung der Krebs-Agentur der Weltgesundheitsorganisation und nahm das jetzige BAYER- und frühere MONSANTO-Pestizid Glyphosat in seine Liste der wahrscheinlich krebserregenden Substanzen auf. In der Folge verfügte die „Food and Drug Administration“ das Anbringen von Warnhinweisen auf den Produkten und stellte das Einleiten von Glyphosat-Rückständen in Gewässer unter Strafe. MONSANTO klagte gegen die FDA-Entscheidung, konnte sich vor Gericht allerdings nicht durchsetzen.

Bt-Prozess in Indien
Das Oberste Gericht der indischen Hauptstadt New Dehli hat MONSANTO, dessen Rechtsnachfolger BAYER seit dem 7. Juni 2018 ist, das Recht abgesprochen, auf seine gentechnisch veränderte Bt-Baumwolle Patent-Ansprüche zu erheben. Die RichterInnen verwiesen dabei auf das indische Gesetz, das es nicht erlaubt, Saaten, Pflanzen oder Tiere zum geistigen Eigentum von Personen oder Unternehmens zu erklären. Der US-Konzern, der seine Labor-Frucht mit Genen des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückt hatte, damit diese die Pflanze vor Schadinsekten schützen, reklamierte in dem Land deshalb in weiser Voraussicht nur für den Bacillus Schutzrechte. Das reichte nach Ansicht der JuristInnen aber nicht aus, um von Saatgut-Firmen Lizenz-Gebühren für die ganze Bt-Baumwolle verlangen können. Deshalb gaben sie der Klage des Unternehmens Nuziveedu statt. Die indische Aktivistin Vandana Shiva (siehe auch AKTION & KRITIK) begrüßte das Urteil als „Sieg für die Saatgut-Freiheit“. Rechtskräftig ist es allerdings noch nicht, da noch eine Berufungsverhandlung ansteht.

GroKo will Umwelt-Klagen einschränken
Mit der Aarhus-Konvention von 1998 fand der Umweltschutz Eingang in das internationale Recht. Seither können Umwelt-Organisationen vor Gericht ziehen, wenn etwa große Infrastruktur-Projekte der Natur zu schaden drohen. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeiten dafür in den zurückliegenden Jahren sogar noch erweitert. So müssen die Verbände seit 2011 nicht mehr im Namen der Interessen Einzelner klagen, sondern sind berechtigt, dies auch im Namen der Interessen der Allgemeinheit zu tun und sich damit beispielsweise zu AnwältInnen des Artenschutzes zu machen. Nun aber kündigt die Bundesregierung an, das Rad zurückzudrehen. Prozesse, wie es sie etwa gegen die Öffnung von BAYERs Dhünnaue-Deponie im Zuge der Erweiterung der Autobahn A1 oder gegen die Kohlenmonoxid-Pipeline des Leverkusener Multis gab, verzögern die Bau-Vorhaben nach Ansicht der Großen Koalition zu sehr. Die Devise von CDU und SPD lautet stattdessen „Planungsbeschleunigung“, weshalb die Parteien „das Verbandsklage-Recht in seiner Reichweite überprüfen“ wollen, wie es im Koalitionsvertrag heißt.

2.900 MIRENA-Klagen
BAYERs Hormon-Spirale MIRENA hat Nebenwirkungen wie nächtliche Schweißausbrüche, Herzrasen, Unruhe, Schlaflosigkeit, permanente Bauchkrämpfe und Oberbauchschmerzen. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA erhielt bereits 45.000 Meldungen über unerwünschte MIRENA-Effekte. Darum reichten in den Vereinigten Staaten 2.900 Frauen Klagen gegen den Leverkusener Multi ein (Stand: 30.01. 2018).

22.000 XARELTO-Klagen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen. Allein bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA gingen bis zum 1.03.2018 mehr als 85.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte ein. In den USA ziehen deshalb immer mehr Geschädigte bzw. deren Hinterbliebene vor Gericht. Mit 22.000 Klagen müssen sich die RichterInnen mittlerweile beschäftigen (Stand: 30.01. 2018).

16.000 ESSURE-Klagen
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommende Sterilisationsmittel, beschäftigt in den USA zunehmend die Gerichte. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen, hat nämlich zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden von Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Darum nimmt die Zahl der Klagen immer mehr zu und liegt mittlerweile bei 16.000 (Stand: 30.01. 2018).

Sammelklage gegen BAYER wg. GAUCHO?
BAYERs Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie GAUCHO und PONCHO haben mit für ein massives Bienensterben gesorgt. Kanadische ImkerInnen wollen den Leverkusener Multi deshalb juristisch zur Verantwortung ziehen. In Quebec und Ontario haben sie sich deshalb vor Gericht um die Zulassung von Sammelklagen bemüht.

Asbest-Klagen
Nur in der Bau-Branche kam mehr Asbest zum Einsatz als in der Chemie-Industrie. Der hierzulande seit 1993 verbotene Stoff fand sich in Zement, Abdichtungen und Wärme-Isolierungen wieder. Desweiteren umhüllte die Substanz säure- und laugen-führende Leitungen. Filter, Lacke, Beiz-Wannen, Lager-Behälter und Reaktionsbehältnisse enthielten diese ebenfalls. Der Leverkusener Multi wusste um die Risiken und Nebenwirkungen des Silikat-Minerals, setzte seine Beschäftigten aber trotzdem weiter der Gefahr von Asbest-Vergiftungen aus. „Expositionen gegen Asbest“ zählten deshalb lange Zeit zu den häufigsten Berufskrankheiten bei dem Konzern. Darüber hinaus hat in den USA eine Beteiligungsgesellschaft von BAYER die Rechtsnachfolge von Firmen angetreten, die bis 1976 Asbest-Produkte verkauften. Deshalb sieht das Unternehmen sich dort mit mehreren Klagen konfrontiert. Allerdings mahlen Justitias Mühlen langsam. Bereits seit Jahren führt der Global Player diese gerichtlichen Auseinandersetzungen in seinen Geschäftsberichten unter der Rubrik „rechtliche Risiken“ auf.

Hawaii verbietet Sonnencremes
Durch badende StrandurlauberInnen gelangen große Mengen von Sonnencreme in die Meere. Bestimmte Mittel können dabei Korallen und anderen aquatischen Lebewesen schaden. Darum hat der US-amerikanische Bundesstaat Hawaii Produkte mit den Beistoffen Oxybenzon und Octinoxat, wie etwa BAYER sie unter dem COPPERTONE-Label vertreibt, verboten. Der Leverkusener Multi protestierte umgehend: „Die Verwendungen von Sonnencreme-Ingredienzien zu verbieten, welche die ‚Food and Drug Administration’ (die US-amerikanische Gesundheitsbehörde, Anm. Ticker) als effizient und sicher ansieht, schränkt nicht nur die Wahlfreiheit der Konsumenten ein, sondern unterminiert auch die Hautkrebs-Vorsorge.“

Die Akte „Glyphosat“

CBG Redaktion

Am 27. November 2017 verlängerte die EU die Zulassung des gesundheitsgefährdenden Pestizid-Wirkstoffs Glyphosat um weitere fünf Jahre. Den Ausschlag dafür gab das positive Votum Deutschlands. Die Absprachen der Großen Koalition brechend, räumte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) MONSANTO und BAYER den Weg für weitere Geschäfte mit dem umstrittenen Produkt frei. Im Vorfeld hatten unzählige Initiativen die PolitikerInnen davon zu überzeugen versucht, das Mittel aus dem Verkehr zu ziehen. Dazu zählte auch der Offene Brief, den Dr. Gottfried Arnold, Kinderarzt im Ruhestand, geschrieben hatte. Stichwort BAYER dokumentiert das Schriftstück, das wichtige Argumente gegen das Herbizid zusammenträgt, denn geschlossen ist die Akte „Glyphosat“ noch nicht. Vorerst gilt es jetzt, für Verbote auf nationaler Ebene zu streiten.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Frau Umweltministerin Hendricks,
sehr geehrter Herr Agrarminister Schmidt,
sehr geehrter Herr Schulz, sehr geehrter Herr Lindner,
sehr geehrte Frau Göring-Eckart, sehr geehrter Herr Özdemir,
sehr geehrte Frau Kipping, sehr geehrter Herr Riexinger,

als mitdenkende und um Demokratie bemühte Bürger und Fachleute wenden wir uns an Sie mit der entschieden vorgetragenen Bitte, die anstehende Entscheidung über die Fortsetzung der Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat unter besonderer Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung zu treffen. Glyphosat ist nach unserer wissenschaftlich begründeten Meinung gesundheitsschädlich und umweltgiftig.
Die chemische Industrie der Pestizid-Hersteller hat – sicher nicht ohne Grund - das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das dem deutschen Landwirtschaftsminister untersteht, als Berichterstatter für die Glyphosat-Bewertung ausgewählt. Die dahinter zu vermutende Nähe der Agrarchemie-Produzenten zum BfR (1) hat offenbar die Glyphosat-Bewertung (2) beeinflusst. Anders können wir uns nicht erklären, wie ein so großer Unterschied zwischen der Beurteilung der Wissenschaft mit ihren Gift-, Hormon-, Umweltforschern und den Behörden zustande kommen kann.
Insbesondere ist für uns nicht nachvollziehbar, wieso die folgenden Fakten von der Behörde, die für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung vor industriell produzierten Chemikalien federführend zuständig ist, nicht anerkannt werden:
1. die wissenschaftliche Betrachtung aller Komponenten des jeweiligen Glyphosat-Produktes
2. die Anreicherung von Glyphosat oder Resten von Glyphosat-Produkten im Menschen und in der Umwelt (Akkumulation)
3. die Hormon-Schädigung durch den Unkraut-Vernichter
4. die erbgut-schädigende Wirkung von Glyphosat (Mutagenität)
5. die mögliche Krebserzeugung (Kanzerogenität).

1. Die Inhaltsstoffe
Im wissenschaftlichen Bereich gibt es nicht den geringsten Zweifel daran, dass man bei der Beurteilung der Giftigkeit, der gesundheitlichen oder Umwelt-Risiken alle Komponenten eines Gemisches oder Produktes betrachten muss. Dass bei glyphosat-basierten Herbiziden (GBH) anders verfahren werden soll, ist eine absolute Ausnahme und mit wissenschaftlichen Kriterien nicht vereinbar. Insofern muss man die Beschränkung der Überprüfung bei der Zulassung von glyphosat-haltigen Pestiziden auf die „aktive“ Substanz (Glyphosat) und die Nichtberücksichtigung der z. T. giftigeren Zusatzstoffe (3) Netzmittel als Entgegenkommen von Politikern und Behörden an die Pestizid-Hersteller werten. Eine Fülle von Arbeiten hat nachgewiesen, dass viele GBH giftiger sind als Glyphosat allein, das als Bewertungsgrundlage ausgewählt wurde. Schließlich können Hersteller so zu sehr viel geringeren Kosten verschiedene Produkte auf den Markt bringen. Mit Gesundheitsschutz für die Bevölkerung hat das allerdings nichts zu tun. In diesem Sinne werden alle glyphosat-basierten Herbizide von den beurteilenden Behörden BfR, EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) und ECHA (Europäische Chemikalien-Agentur) ... wissenschaftlich nicht korrekt beurteilt, wenn sie sich auf Glyphosat allein beziehen.

2. Die GBH-Anreicherung
In den letzten 20 – 30 Jahren hat sich Glyphosat zu dem am häufigsten angewendeten Pestizid weltweit entwickelt. Es ist global verteilt worden in der Umwelt, angekommen in Luft und Regen, in den Böden, auf dem Getreide, im Oberflächenwasser (in der Ostsee oberhalb des Grenzwertes) und im Grundwasser. Dadurch ist der Unkrautvernichter über unsere Nahrung in kleinen, aber gesundheitlich bedeutungsvollen Mengen in den menschlichen Körper gelangt und hat sich dort in fast allen Organen verteilt. Daten über die Verteilung und Anreicherung im menschlichen Organismus und seinen Organen haben weder die Glyphosat-Hersteller vorgelegt, (...) noch der Berichterstatter BfR – das ist eine nicht hinnehmbare Wissenslücke für die Bewertung des Pestizids!
Dies ist jedoch auch ein schwerwiegendes Versäumnis, da auf diese Weise keine Beobachtung stattfinden konnte, ob und wie sich der Anstieg in verschiedenen Körper-Bestandteilen entwickelt hat. Die Behörden, insbesondere das Agrarministerium und das BfR, hätten mit einer frühzeitigen Erhebung eine mögliche Anreicherung in der Anfangsphase kontrollieren müssen, um zu überprüfen, ob die Aussage der Hersteller, es gäbe bei Glyphosat und AMPA (das Abbauprodukt Aminomethylphosphonsäure) keine Akkumulation, korrekt ist. Nach 15 Jahren Zulassung in Deutschland ist Glyphosat in Lebensmitteln, Futtermitteln, Tieren und Menschen so weit verteilt, dass man bei keiner Kontrollgruppe für statistische Vergleiche eine Nullbelastung (kein Glyphosat) voraussetzen darf. Dieses Problem wurde bei Tier-Fütterversuchen erstmals von der französischen Arbeitsgruppe von Prof. Seralini dargelegt, die nachwies, dass bei Untersuchungen von Umweltchemikalien wie z. B. Glyphosat systematische Fehler dann auftreten können, wenn Futter und Trinkwasser der Tiere nicht auch auf solche „versteckten“ Produkte untersucht werden.
Bei neugeborenen Schweinen, die im Alter von einem Tag wegen Fehlbildungen verstarben oder getötet werden mussten, wurde Glyphosat in praktisch allen Organen gefunden. Diese und andere Untersuchungen an verschiedenen Tierarten zeigen, dass Glyphosat die bedeutungsvolle Blut-Hirn-Schranke passiert. Beim Menschen gibt es hierzu keine Untersuchungen, obwohl bei Ratten Hirnschädigungen durch Pestizid-Gemische mit u. a. Glyphosat nachgewiesen wurden – ebenfalls eine bedenkliche Wissenslücke.
Als Hinweis auf eine unkritische Einstellung des Agrarministeriums und des BfR gegenüber den Pestizid-Herstellern kann man bei wohlwollender Interpretation die Tatsache werten, dass alle der nachfolgend zusammengefassten Untersuchungen zu Glyphosat-Vorkommen im menschlichen Körper nicht von der zuständigen Behörde (Ausnahme: Umweltbundesamt) veranlasst wurden, sondern von Bürgern, Umweltorganisationen oder Bundestagsabgeordneten der Grünen. Eher handelt es sich aber doch um eine juristisch zu bewertende Vernachlässigung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung (...)
2015 entdeckte Frau Prof. Krüger (Auftrag: Grüne) erstmals in Deutschland in allen 16 Muttermilch-Proben Glyphosat, während das BfR 2016 in keiner von 114 Frauenmilch-Proben Glyphosat fand. Allerdings belegen die glyphosat-freien Ergebnisse der Muttermilch-Untersuchungen des BfR und der USA (MONSANTO) keineswegs, dass in diesen Proben kein Glyphosat enthalten war, sondern lediglich, dass die Untersuchungsmethode ungenauer war als die mit positiven Ergebnissen. Statt also aus Vorsorge-Gründen im genaueren Bereich der Mess-Ergebnisse von Frau Prof. Krüger zu suchen, gab das BfR Gelder für eine Untersuchung mit einer ungenaueren Methode aus, nur um vorzugeben, es sei „kein Glyphosat in der Muttermilch“ zu finden. Unten wird ausgeführt, warum dieser niedrige, vom BfR nicht erfasste Mess-Bereich aus medizinischen Gründen wichtig ist (→ 3. Hormonschädigung).
Dass Glyphosat die Plazenta (Mutterkuchen) passieren kann, ist lange bekannt. Warum bisher das Nabelschnur-Blut von Neugeborenen nur in einer kleinen kanadischen Studie untersucht wurde, scheint wie ein Akt des bewussten Wegguckens. Wenn man als Behörde eine Beurteilung über ein global verteiltes, erbgut-schädigendes und wahrscheinlich krebs-erzeugendes Produkt/Gemisch abgeben soll, ist die Prüfung der Frage nach der Wirkung auf ungeborene Kinder zwingend erforderlich. Diese schwerwiegende Wissenslücke ist erstmals seit April 2017 durch eine thailändische Studie teilweise reduziert worden. Erstaunlicherweise sind die Glyphosat-Werte in der deutschen Muttermilch ähnlich hoch wie die Blutwerte der thailändischen Neugeborenen. Völlig unbekannt ist aber, welche Auswirkungen diese auf die Gehirn- (fehlende Blut-Hirn-Schranke!) und Gesamt-Entwicklung des Kindes in der Schwangerschaft und damit auf das spätere Erwachsenenalter haben.
Ein Vergleich von Glyphosat-Werten bei Neugeborenen mit angeborenen Fehlbildungen ist nirgendwo zu finden, obwohl in Südamerika in den GBH-Anwendungsgebieten eine Zunahme von Wirbelsäulen-Fehlbildungen mit „offenem Rücken“ (meist mit angeborener Querschnittslähmung) und vermehrtes Auftreten von Krebs bei Kindern berichtet wurde.
Die wichtigen Auswertungen von Frau Prof. Krüger einer von Bürgern initiierten und bezahlten Urin-Untersuchung („Urinale 2015“) ergaben nicht nur, dass 99,6 % der Urin-Proben Glyphosat enthielten, sondern auch, dass die höchsten Glyphosat-Belastungen in der jüngsten Altersgruppe (0 - 9 Jahre) 4 vorkamen! Das BfR bleibt – bei aller berechtigten Kritik an der Studie – die Antwort auf dieses wichtige Problem schuldig. Stattdessen versucht das BfR, mit einer scheinbar wissenschaftlichen Berechnung anhand der selbst erstellten ADI-Werte (Acceptable Daily Intake = erlaubte tägliche Aufnahme) die Tatsachen zu verniedlichen (s. u.). Ungleich bedeutungsvoller ist doch die damit abgeblockte Frage, ob die aufgenommene Glyphosat-Menge im Urin einen negativen Effekt auf die Gesundheit hat und welche Ursache und welche Auswirkungen diese Höchstwerte bei den Kindern (5) für ihre Nierenfunktion (6) langfristig haben. Hier treten Wissenslücken bei den Abbau-Wegen von Glyphosat zutage: Eine einzige Untersuchung legt die Vermutung nahe, die Halbwertszeit könnte im Gegensatz zur Ratte mit 33 Std. beim Menschen 3 - 4 Std. dauern; über Verteilung oder Anreicherung in bestimmten Organen gibt es keine Informationen. Außerdem wurde das von Prof. Krüger angesprochene Problem auch in einer kürzlich erschienenen dänischen Studie mit verblüffend ähnlichen Messwerten beobachtet, die ebenfalls belegen, dass der Urin von Schulkindern im Alter von 6 -11 Jahren signifikant stärker mit Glyphosat belastet ist als der ihrer Mütter.
Die fehlende Erklärung für dieses mehrfach beobachtete und für die Entwicklung der Kinder möglicherweise bedeutungsvolle Phänomen wiegt schwer. Denn bisher ist in mindestens 8 Staaten (7) bevorzugt bei jungen Agrar-Arbeitern ein unerklärtes Nierenversagen (CKDu = chronische Nierenerkrankung unbekannter Ursache) aufgetreten, wahrscheinlich durch das Zusammenwirken von Glyphosat und Schwermetallen (8). In Sri Lanka sind ca. 20.000 Menschen daran verstorben, so dass Sri Lanka und El Salvador glyphosat-basierte Herbizide verboten haben.

3. Die Hormonschädigung
Studien an Zellkulturen zeigen, wie wenig Roundup (GBH von MONSANTO) in wie kurzer Zeit ausreicht, um eine hormonelle Wirkung zu erzielen. Beachtenswert ist auch, dass die geringen Glyphosat-Mengen in deutscher Muttermilch (Krüger, 2015) und im Blut thailändischer Neugeborener in einem Größenordnungsbereich liegen, der Studien zufolge genügt, um ein Wachstum hormon-abhängiger Brustkrebszellen auszulösen.
Bei Tier-Studien überrascht, dass so viele Arbeiten im Bereich oder sogar unterhalb des „No Observed Adverse Effect Levels“ (NOAEL) – unter dem angeblich keine schädlichen Nebenwirkungen gefunden werden – gesundheitsschädigende Auswirkungen auf das Zwischenhirn, die Hirnanhang-Drüse und sehr viele Hormon-Drüsen der getesteten Ratten hatten! Der Widerspruch löst sich für die Verbraucher auch nicht auf durch den Hinweis, dass sich der NOAEL-Wert auf reines Glyphosat bezieht, denn Verbraucher sind den Produkten ausgesetzt. Reines Glyphosat gibt es nur im Labor.
Diese Beispiele sind aber auch ein Beleg für die wissenschaftliche Unvollkommenheit der Grenzwert-Erstellung von ADI- und NOAEL-Werten, die aus wenigen Mess-Werten auf einen „Null-Wirkungs-Bereich“ zurückschließt, dabei aber wesentliche Wirkungen im Niedrigdosis-Bereich und die oft U- oder V-förmigen, nicht-monotonen Dosis-Antwort-Kurven hormonell wirksamer Substanzen nicht berücksichtigt (d. h. hier stimmt der Grundsatz „Die Dosis macht das Gift“ nicht, Anm. SWB).
Außerdem wird in diesen Beispielen nur die Wirkung einer einzelnen Substanz (Glyphosat) oder eines Gemisches (GBH) in diesen unvollkommenen wissenschaftlichen Blick genommen. Es gibt fast keine exakten wissenschaftlichen Untersuchungen zur Kombinationswirkung etwa aller hormon-artig, z. B. östrogen-artig wirkenden Chemikalien in unserer Lebenswelt: Persistente, also schwer abbaubare Fremd-Östrogene aus PCB-, Dioxin-, DDT- und Flammschutzmittel-Rückständen sowie weniger persistente hormonschädigende Substanzen aus Plastik-Weichmachern, Kosmetika und Pestiziden wie Glyphosat.
Besonders zu beachten ist bei den Tierversuchen, zu welchem Zeitpunkt die GBH-Einwirkung erfolgte (Schwangerschaft, um die Geburt herum, im Erwachsenenalter) und in welchem Alter die Ergebnisse festgestellt wurden: So zeigen Dallegrave (9), Romano (10) und de Souza (11) dauerhafte Auswirkungen von GBH, das in der Schwangerschaft und um die Geburt herum verabreicht wurde, auf das gesamte Erwachsenenalter!
Auch beim Menschen gibt es deutliche Hinweise darauf, dass östrogen-artige Fremdhormone in der Schwangerschaft bei Jungen Hodenhochstand, Fehlmündung der Harnröhrenöffnung (Hypospadie), bei erwachsenen Männern zu beeinträchtigter Fruchtbarkeit und evtl. Hodenkrebs führen können. Ob das ebenfalls östrogen-artig wirkende Glyphosat bzw. GBH eine solche Wirkung hat oder unterstützt, ist bisher nicht untersucht worden, obwohl es naheliegend ist. Entsprechend muss bei Mädchen/Frauen darüber nachgedacht werden, ob eine erhöhte Menge von Östrogenen in der Frühschwangerschaft eine Ursache für die bisher ungeklärte erhebliche Zunahme (12) von Brustkrebs in Deutschland/weltweit ist. Zwar gibt es nach mehr als 30 Jahren wissenschaftlicher Beobachtung jetzt den Nachweis, dass DDT in der Schwangerschaft Brustkrebs bei erwachsenen Frauen fördert, für Glyphosat oder GBH gibt es keine Untersuchungen, sondern nur drängende offene Fragen.

4. Die Erbgut-Schädigung
Ein möglicher Mechanismus der Krebs-Entstehung durch Glyphosat ist die (...) Erbgutschädigung, die an Zellkulturen im „Reagenzglas“ (in vitro) oder an lebenden menschlichen Zellen (in vivo: weiße Blutkörperchen, Wangenschleimhaut) untersucht wurde. Obwohl fast alle unabhängigen Wissenschaftler, incl. der Krebsforscher der WHO (IARC), die gentoxische Wirkung von Glyphosat/GBH für eindeutig nachgewiesen halten an Pflanzen, Tieren und Menschen, bewerten das BfR und die ECHA in ihrer abschließenden Beurteilung Glyphosat als „nicht mutagen“. Dabei wurde u. a. von Clausing (13) darauf hingewiesen, dass die mit dem Ames-Test gelieferten Gegenbeweise deshalb nicht zählen, weil Glyphosat ein Breitband-Antibiotikum (S.18ff von 70) ist und dadurch Bakterien abgetötet werden können, an denen die Erbgut-Schädigung geprüft werden sollte. Auch diese Fakten streitet das BfR immer noch ab, um gegen die Mutagenität von Glyphosat argumentieren zu können.

5. Die Kanzerogenität

Die Krebsforscher der WHO (IARC) haben in ihrer zusammenfassenden Beurteilung von Glyphosat hervorgehoben ((http:monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/mono112-10.pdf), dass:
1. Glyphosat erbgutschädigend (mutagen, gentoxisch: S.78) ist
2. Glyphosat bei Tieren eindeutig krebserzeugend (kanzerogen: S.78) ist
3. Glyphosat nach den WHO-Kriterien wahrscheinlich krebserzeugend beim Menschen (S.78) ist.

Der IARC zählt als mögliche Mechanismen, wie Glyphosat krebsauslösend wirkt, die Erbgutschädigung und den oxidativen Stress auf ((Stoffwechsel-Schädigungen z. B. durch freie Radikale, Anm. SWB).
Der unabhängige Toxikologe Dr. Peter Clausing hat seit Jahren die Diskussion über Glyphosat kritisch verfolgt, war u. a. als Experte beim MONSANTO-Tribunal (2016) und als Beobachter anwesend bei der Verhandlung der Europäischen Chemikalien-Agentur (ECHA), die die letzte Beurteilung zu Glyphosat (14) abgeben musste vor der jetzt anstehenden Entscheidung über eine weitere Zulassung. In seinem detaillierten und präzise begründeten Artikel führt Clausing aus, warum er – wie auch der ehemalige Direktor des „US National Center for Environmental Health“ und der „US Agency for Toxic Substances and Disease Registry“, Prof. Christopher Portier (15) – Glyphosat als krebserzeugend ansehen im Sinne der 1 B-Klassifikation der EU (...): Nach der EU-Verordnung EG 1272/2008 genügen 2 voneinander unabhängige Tier-Studien mit Krebs-Befunden, um eine Substanz als krebserzeugend einzuordnen, für Glyphosat liegen aber bereits (...) 7 Studien mit positiven Krebsbefunden vor.
Ferner ist nach der Pestizid-Verordnung der EU von 2009 die Zulassung nicht gesetzes-konform wegen seiner „schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen“, auf die hier in ausreichendem Maße hingewiesen wurde.
Eine Zunahme von Krebs-Erkrankungen hat sich in den letzten 20 – 30 Jahren deutlich gezeigt u. a. bei:

a) Brustkrebs bei Frauen um 13 % in Deutschland zwischen 2003 u. 2013 (16). Ursachen für den Anstieg von ca. 1 % pro Jahr werden mehr in Umweltfaktoren gesehen, zumal Migrantinnen aus Japan mit seltenerem Brustkrebs-Vorkommen nach Umsiedlung in die USA sich innerhalb von wenigen Generationen angleichen.
b) Prostatakrebs: rückläufig in Deutschland um 14 % zwischen 2003 u. 2013 (siehe Anm. 16, Bericht zum Krebsgeschehen, S. 40); in Großbritannien seit den frühen 1990ern: + 44%, zwischen 2003 und 2014: + 6 %
c) Hodenkrebs: siehe dort Diagramm Fig. 2.2, S. 59 (=87/289) Nord-EU und weltweit: siehe dort Fig. 4
d) „Lymphdrüsenkrebs“ (18)
bei Frauen: + 7 % in Deutschland zwischen 2003 u. 2013 (dort S. 44);
bei Männern: +10 %
Werte zum Non-Hodgkin-Lymphom in Großbritannien liefern genaue Zahlen zu dem in epidemiologischen Studien bei Menschen (19) im Zusammenhang mit Glyphosat aufgetretenem „Lymphdrüsenkrebs“: + 39% seit den frühen 1990er Jahren.

6. Abschließende Überlegung und Forderungen

Entgegen den Ankündigungen der Hersteller bzw. Anbieter wie BASF, MONSANTO und BAYER haben sich Glyphosat bzw. GBH in der unbelebten Natur, in Tieren und Menschen in erheblichen Mengen angesammelt infolge eines ungebremsten weltweiten Einsatzes zur scheinbar kostengünstigen (20) Arbeitserleichterung in der Agrarwirtschaft. Die in Abhängigkeit geratene Landwirtschaft nimmt weiter die Pflanzen-Fruchtbarkeit negativ beeinflussende Unkrautvernichter hin und muss für steigende Pestizid-Mengen zahlen, denn eine Resistenz-Entwicklung ist längst eingetreten.
Der Gesellschaft sind dadurch aber nicht nur scheinbar kostengünstige Nahrungsmittel angeboten worden, sondern es sind bisher nicht komplett erfasste Kosten entstanden durch den erheblichen Rückgang der Artenvielfalt (Nahrungskette Insekten-Vögel), die Pestizid-Beseitigung aus unserer Umwelt (Bsp. Wasser) und eine nicht hinreichend zugeordnete Zunahme von Krankheitskosten (...)
Die Zunahme von Erkrankungen in den letzten 20 – 30 Jahren ist lautlos erfolgt. Politiker und Behörden haben versäumt, Forschungsgelder bereitzustellen, um den Zusammenhang zwischen der erbgutschädigenden, hormon-artigen Wirkung der am häufigsten angewendeten Pestizide (GBH) und der Zunahme von Erkrankungen hersteller-unabhängig wissenschaftlich zu überprüfen.

Dabei liegen für diesen Zeitraum z. T. Zahlen vor für einen Anstieg von

1. Krebserkrankungen: s. o.

2. chronischem Nierenversagen mit Dialyse-Pflichtigkeit um ca. 50 % zwischen 1996 und 2006
(s. o. Glyphosat-Verbot Sri Lanka u. El Salvador)

3. Angeborenen Fehlbildungen (mindestens über die hormon-artige Wirkung):
a) Hodenhochstand: S. 61 (=89/289) in der EU und weltweit (21)
b) Hypospadie (Fehlmündung der männl. Harnröhrenöffnung): S. 29 (=37/93) ff (22)
c) Beeinträchtigungen von Fruchtbarkeit/Samenqualität: Fig. 1 u. 2. (23)

Auch wenn eine genaue mengenmäßige Zuordnung nicht bis ins Detail geklärt ist, kann ein genereller ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen und Glyphosat nicht abgestritten werden aufgrund folgender Hinweise:

1. der Nachweis aus Zellkulturen und Tierversuchen von vielfältigen Auswirkungen von Glyphosat/GBH auf unterschiedliche Hormonsysteme:

a) Nebennieren-Hypophysen-Achse mit Cortisol und ACTH
b) Geschlechtshormone Östrogen, Progesteron, Testosteron und deren übergeordnete Regulatoren (Gonadotropine)
c) Schilddrüsenhormone und TSH (übergeordnetes Schilddrüsen-Hormon)

2. diese glyphosat-bedingten Hormon-Störungen haben bei Tieren, obwohl nur zeitweise in der Schwangerschaft, um die Geburt herum oder in der Stillzeit angewendet, zu lebenslangen, irreversiblen gesundheitlichen Problemen oder Erkrankungen im späteren bzw. Erwachsenenalter geführt:

a) vorzeitiger Pubertätsbeginn im Jugendalter der Tiere
b) verändertes Sexualverhalten bei erwachsenen Tieren
c) verminderte Spermien-Zahl und vermehrt fehlgebildete Spermien
d) Störung der Schilddrüsen-Regulation

3. zusätzlich zu gutartigen Tumoren wurde durch Glyphosat/GBH eine Förderung folgender Krebsarten bei Mäusen und/oder Ratten nachgewiesen:

a) „Lymphdrüsen-Krebs“ (maligne Lymphome) – mehrere Studien (24), (25), (26), (27)
b) Blutgefäß-Krebs (Hämangiosarkom) – mehrere Studien( 28), ( 29)
c) Bauchspeicheldrüsen-Krebs (30)
d) Nieren-Krebs (31)

4.Wissenschaftler aus dem medizinischen und naturwissenschaftlichen Bereich haben wiederholt auf den Zusammenhang hingewiesen zwischen Krankheiten

a) und Glyphosat/GBH: Portier (32), Benbrook (s. a. Projekt) (33), Myers (34)
b) und hormonschädigende Substanzen:

Endocrine Society (35): weltweite Vereinigung der Hormonwissenschaftler
Figo: Weltverband der Gynäkologen u. Geburtshelfer (36)
TENDR 2016 (37), 2017 (38): Projekt von Kinderärzten u. Toxikologen zum Schutz der körperlichen und geistigen Entwicklung von Kindern (USA) vor Umweltchemikalien.

FORDERUNGEN:
1. Anwendung des geltenden EU-Rechtes, das den Gefährdungsgedanken (globales Glyphosat-Vorkommen, Gefährlichkeit der Substanz) und das Vorsorgeprinzip ausdrücklich hervorhebt:

a) nach der Chemikalien-Verordnung von 2008 und der Pestizid-Verordnung von 2009 muss Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen, basierend auf Tierversuchen (Kategorie 1B der Krebsgefährdung) eingeordnet werden und wegen genügender Evidenz (bösartige Tumore „in mindestens 2 voneinander unabhängigen validen Tier-Studien“ Article 3.6.2.2.3.b eingeordnet und dementsprechend verboten werden. Entsprechendes gilt wegen der Giftigkeit (Toxizität) auch nach Anhang II der Pestizid-Verordnung, 3.7.2.3. (S.43/50)
b) für die Erbgutschädigung (Mutagenität) und die
c) Fortpflanzungsschädlichkeit (Reproduktionstoxizität)

2. Umstrukturierung oder Abschaffung einer Behörde (BfR), die wie im Falle von Glyphosat jahrelang im Einvernehmen mit den Pestizidherstellern (u. a. BAYER, MONSANTO), aber im Widerspruch zu unabhängigen Wissenschaftlern und entgegen ihrem Auftrag die Menschen in der EU den Gesundheitsgefahren durch eine erbgut-schädigende, hormon-schädigende, krebs-erregende Substanz aussetzt. Dabei ist sie nicht in der Lage, einen Interessenkonflikt zu erkennen und zu kontrollieren.

3. Die Einführung einer standardmäßigen Nach-Beobachtung
a) zur Frage der Verteilung in der Umwelt
b) zur Giftigkeit, incl. Krebs-Erzeugung zu bestimmten Zeiten nach der ersten Zulassung durch unabhängige Wissenschaftler zu Lasten der Hersteller, die bis dahin eine Menge Gewinne erzielt haben.

4. Wie in unserer Gesellschaft bei jeder wissenschaftlichen Arbeit üblich, muss es auch in Zukunft für Firmen- oder Behördenmitarbeiter verbindlich sein, Pressemitteilungen, Anordnungen oder sonstige Schriftsätze als Einzelperson oder als Team mit den Unterschriften aller Verantwortlichen zu versehen.

5. Geheime oder unveröffentlichte Zulassungsstudien (siehe Fußnoten 24-31) darf es in Zukunft nicht mehr geben.

Aus den genannten Gründen muss die Zulassung für glyphosat-basierte Herbizide mit sofortiger Wirkung beendet werden.

Mit freundlichem Gruß
Dr. Gottfried Arnold, Kinderarzt Es besteht kein Interessenkonflikt.

ANMERKUNGEN

(1) Ein kleiner Ausschnitt mit wortwörtlichem Vergleich ist veröffentlicht beim Umwelt-Institut München.
(2) Burtscher-Schaden, H., Die Akte Glyphosat - Wie Konzerne die Schwächen des Systems nutzen und damit unsere Gesundheit gefährden. Kremayr & Scheriau, Wien, 2017. http:
www.kremayr-scheriau.at/bucher-e-books/die-akte-glyphosat-918
(3) Mit dem Hinweis auf das „Betriebsgeheimnis“ dürfen Pestizid-Produzenten nach deutschem und EU-Recht bestimmte Zusatzstoffe aus der Deklarationspflicht herausnehmen.
(4) 1.58 ng/mL = Mittelwert von Glyphosat im Urin der Kinder unter 9 Jahre = ca. 16 x höher als oberer Grenzwert für Glyphosat im Trinkwasser
(5) Besonders drängend erscheint diese Frage innerhalb der EU für portugiesische Kinder zu sein, wenn man die Spitzenwerte im Urin in Portugal betrachtet
(6) In Deutschland ist chronisches Nierenversagen (Nieren-Insuffizienz) zwischen 1996 und 2006 um ca. 50 % gestiegen.
(7) Sri Lanka, Indien, El Salvador, Costa Rica, Nicaragua, Ägypten, Tunesien, Bulgarien
(8) Über die Chelat-Bildung, wodurch auch die Halbwertszeit stark verlängert werden kann, haben sowohl Krüger:
Einfluss von Glyphosat und AMPA auf Boden, Pflanzen, Tiere
(https:www.naturland.de/images/Erzeuger/Fachthemen/Fachveranstaltungen/Pflanzenbau/2015/Sigoelveranstaltung/EinflussvonGlyphosatundAMPAaufBodenPflanzenTiereProfemDrMonikaKrueger.pdf) 14ff und Samsel und Seneff: Gyphosate, pathways to modern diseases IV: cancer and related pathologies (www.researchgate.net) als auch Burtscher-Schaden (Die Akte Glyphosat, S.26) sich geäußert
(9) Pre- and postnatal toxicity of the commerical glyphosate formulation in Wistar rats, Dallegrave, Eliane et. al.; Archives of Toxicology. Archiv für Toxikologie; Heidelberg Vol. 81, Iss. 9, (Sep. 2007: 665-73)
(10) Glyphosate impairs male offspring reproductive development by disrupting gonadotropin expression, Romano MA et. al.; Archives of Toxicology, 2012 April; 86 (4): 663-73
(11) Perinatal exposure to glyphosate-based herbicide alters the thyrotrophic axis and causes thyroid hormone homeostasis imbalance in male rats, de Souza JS et. al.; Toxicology; 2017 Feb 15; 377: 25-37
(12) Anstieg von Brustkrebs bei Frauen zwischen 2003 und 2013 um 13 %: Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016 (S. 36 =38 von 274: „aktueller Trend“ 1,3 %/Jahr)
http:
edoc.rki.de/documents/rki_fv/renGkGzAqwKc2/PDF/28oaKVmif0wDk.pdf
(13) Glyphosat und Krebs: Systematischer Regelbruch durch die Behörden, Peter Clausing; www.pan-germany.org
(14) ECHA, Rapporteur appointed by RAC: Christine Bjørge, Opinion of the Committee for Risk Assessment on a Dossier proposing harmonised Classification and Labelling at EU Level/glyphosate (ISO), 15 March 2017. https:echa.europa.eu/documents/10162/2d3a87cc-5ca1-31d6-8967-9f124f1ab7ae
(15) Portier, C. J., Letter to Jean Claude Juncker, President of the European Commission
28 May 2017. http:
www.gmwatch.org/files/Letter_Juncker_28_May_2017.pdf
(16) Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016; S.36, Tabelle links oben, aktueller Trend
http:edoc.rki.de/documents/rki_fv/renGkGzAqwKc2/PDF/28oaKVmif0wDk.pdf
(17) State of the science of endocrine disrupting chemicals – 2012, www.who.int
(18) Ein genauer Vergleich zu dem von der WHO in Zusammenhang mit Glyphosat als Ursache gebrachten Non-Hodgkin-Lymphom ist leider für Deutschland nicht möglich
(19) Non-Hodgkin lymphoma and occupational exposure to agricultural pestizide chemical groups and active ingredients, Shinasi L.; Leon ME; International Journal of Environmental Research and Public Health; 2014 Apr. 23; 11 (4): 4449-527. Siehe dort u. a. Table 5: der Wert von 0 % belegt eine hohe Konsistenz für einen Zusammenhang zwischen NHL-Subtyp B-Zell-Lymphom und Glyphosat.
(20) Die tatsächlichen Kosten müssten mindestens die Beseitigung von Glyphosat/GBH aus der Umwelt, die beeinträchtigte Bodenfruchtbarkeit, die ökologischen Schäden und Krankheitskosten durch die Gesundheitsschädigung berücksichtigen. Für hormonschädigende Substanzen in der EU hat Trasande eine Berechnung vorgelegt: Estimating Burden and Disease Costs of Exposure to Endocrine-Disrupting Chemicals in the European Union; The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism; 2015 April; 100 (4): 1245-1255
(21) State of the science of endocrine disrupting chemicals – 2012, S. 61(=89/289); www.who.int
(22)Endocrine disrupters and child health;
http:
apps.who.int/iris/bitstream/10665/75342/1/9789241503761_eng.pdf
(23)Male Reproductive Disorders and Fertility Trends: Influence of Environment and Genetic Susceptibility, Niels E. Skakkebaek et. al.; Physiological Reviews; Jan 2016; S. 55-97
(24) Atkinson, D., Unpublished Study, 1983
(25) Sugimoto, Unpublished Study, 1997
(26) Carcinogenicity Study with Glyphosate Technical in Swiss Albino Mice, Kumar, D.; Toxicology Department Rallis Research Centre, Rallis India Limited, Unpublished, 2001
(27) Wood, B., Unpublished, 2009
(28) Atkinson, D., 1983
(29) Sugimoto, Y., 1997
(30) A lifetime feeding study of glyphosate (Roundup technical) in rats, Lankas, G., Unpublished report, Bio/Dynamics, Inc., East Millstone, 1981
(31) A chronic feeding study of glyphosate (Roundup technical) in mice, Knezevich AL et al.; Unpublished Report, Bio/Dynamics, Inc., East Millstone, 1983
(32) Differences in the carcinogenic evaluation of glyphosate between the International Agency for Research on Cancer (IARC) and the European Food Safety Authority (EFSA), Christopher J Portier et. al.; Journal of Epidemiology and Community Health; 2016 Aug; 70 (8): 741-745
(33) Trends in glyphosate herbicide use in the United States and globally, Charles M. Benbrook; Environment Science Europe; (2016) 28:3
(34) Concerns over use of glyphosate-based herbicides and risks associated with exposures: a consensus statement, John Peterson Myers et. al.; Environmental Health (2016) 15: 19
(35) EDC-2: The Endocrine Society’s Second Scientific Statement on Endocrine-Disrupting Chemicals, A. C. Gore et. al.; Endocrine Reviews; (2015) Dec 36 (6)
(36) International Federation of Gynecology and Obstetrics opinon on reproductive health impacts of exposure to toxic environmental chemicals, Gian Carlo Di Renzo et. al.; International Journal of Gynecology & Obstetrics; Volume 131, Issue 3 (2015) Dec 219-225
(37) Project TENDR: Targeting Environmental Neuro-Developmental Risk. The TENDR Consensus Statement; Environ Health Perspect; DOI: 10.1289/EHP358
(38) Targeting Environmental Neurodevelopmental Risks to Protect Children, Deborah Hirtz et. al.; Pediatrics; Feb 2017, Volume 139/Issue 2

KASTEN

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt Tierversuche ab. Auch im Fall von Glyphosat haben diese sich als unzuverlässig erwiesen. Hätten die verantwortlichen Fachgremien sich bei der Beurteilung des Antiunkraut-Mittels auf epidemologische Studien gestützt, so wäre der Beweis für die Gefährlichkeit des Stoffes eindeutig ausgefallen. Nicht zuletzt wegen ihrer zweifelhaften Aussagekraft stellt sich die CBG gegen Experimente am „Tier-Modell“und setzt sich stattdessen für Alternativen wie etwa Tests mit menschlichen Zell-Kulturen ein.

[Ticker] Ticker 04/17

CBG Redaktion

ERSTE & DRITTE WELT

Mehr Freihandel mit Mexiko
1997 schloss die Europäische Union mit Mexiko ein Freihandelsabkommen ab, das ab dem Jahr 2000 sukzessive in Kraft trat. Seit Juni 2016 nun verhandeln beide Seiten über eine Aktualisierung der Vereinbarung. Die EU verfolgt dabei das Ziel, BAYER & Co. noch bessere Kapitalverwertungsmöglichkeiten in dem Land zu verschaffen. So drängen die Brüsseler UnterhändlerInnen den lateinamerikanischen Staat, das „Übereinkommen zum Schutz von Pflanzen-Züchtungen“ (UVOP) in der 1991er-Fassung anzuerkennen. Das hätte drastische Folgen für die dortigen LandwirtInnen. „Lässt sich Mexiko auf die EU-Forderung zur Umsetzung der UVOP-Version von 1991 ein, schränkt dies den freien Saatgut-Tausch noch mehr ein und bedroht die Vielfalt der mexikanischen Land-Sorten. Zugleich würden die Gewinn-Möglichkeiten für BAYER und MONSANTO steigen, wenn die Konkurrenz durch bäuerliche Züchtungen sinkt“, warnt Thomas Fritz in seiner vom FORSCHUNGS- UND DOKUMENTATIONSZENTRUM CHILE-LATEINAMERIKA gemeinsam mit MISEREOR und anderen Organisationen herausgegebenen Studie „Menschenrechte auf dem Abstellgleis“. Kritik an den UVOP-Bestimmungen hatten ihm zufolge auch die „Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ (GIZ) und der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier de Schutter, geübt. Zudem will Brüssel den Konzernen die Gelegenheit bieten, Mexiko vor einem internationalen Schiedsgericht zu verklagen, sollte es die Geschäftskreise der Unternehmen zu sehr stören. Während sich EU-Mitglieder wie Ungarn gegen die Aufnahme eines entsprechenden Passus in den Handelsvertrag aussprachen, hielt Deutschland ihn für absolut notwendig. „DEU hingegen betonte, dass es wichtig sei, den Investitionsschutz auf der Linie, wie er für TTIP und CETA erarbeitet wurde, auch für MEX zu verankern“, zitiert Fritz aus Unterlagen des Auswärtigen Amtes. Und damit nicht genug, arbeitet die Europäische Union auch daran, den Firmen den Zugriff auf die Bodenschätze des lateinamerikanischen Landes zu erleichtern.

POLITIK & EINFLUSS

EDC-Kriterien unzulänglich
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie FOLICUR (Wirkstoff: Tebuconazole), BETANAL (Lenacil), FENOMENAL (Fenamidon) oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassungsgesetze verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Charakterisierung der Pseudo-Hormone – sogenannter endokriner Disruptoren (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung, die nicht zuletzt dem Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. geschuldet waren, legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Nach weiteren Beratungen über die Vorlage stimmte der Pestizid-Ausschuss den Bestimmungen zur Identifizierung der EDCs zu. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Gruppen kritisierten diese Entscheidung in einer gemeinsamen Stellungnahme scharf. Nach Meinung der Organisationen ist die Definition der Stoffe zu eng gefasst, was zu viele gefährliche Chemikalien aus dem Raster fallen lässt. Und schließlich verstößt der Pestizid-Ausschuss mit seinem Beschluss in den Augen des Bündnisses gegen das 7. Umweltprogramm der Europäischen Union, das eine Reduktion der Belastung von Mensch und Umwelt mit hormonellen Schadstoffen vorsieht. Aus all diesen Gründen richtete es einen Appell an die Brüsseler PolitikerInnen: „Jetzt liegt es am EU-Parlament, diese Krititerien abzulehnen.“

Billiger Strom für BAYER & Co.
Seit Jahren klagen die Konzerne über die Strom-Preise in der Bundesrepublik. „Die im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohen Energie-Kosten gefährden Deutschlands Zukunft als Industrie-Standort“, warnt etwa der BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup. Dabei zahlen die Unternehmen viel weniger als die Privat-Haushalte. Während diese im Jahr 2016 für die Kilowatt-Stunde durchschnittlich 6,71 Cent aufbringen mussten, schlug sie für BAYER & Co. nur mit 2,06 Cent zu Buche. Die Industrie profitiert nämlich von vielen Sonderregelungen. So gewährt ihnen der Staat einen Erlass bei der EEG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien. Auch werden sie bei den Netzentgelten sowie den Steuern für Energie und Strom bevorzugt. Zusätzlich profitieren besonders energie-intensive Betriebe wie BAYER von einem Spitzenausgleich. Belief sich der Geldwert der Vergünstigungen im Jahr 2005 noch auf „bloß“ 10,7 Milliarden Euro, so stieg er bis 2016 auf rund 17 Milliarden Euro, wie das FORUM ÖKOLOGISCH-SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT errechnete. 11,5 Milliarden davon finanzierten die NormalverbraucherInnen.

Betriebsrenten ohne Haftung
Das „Betriebsrenten-Stärkungsgesetz“ der Großen Koalition stärkt vor allem BAYER & Co. Fortan müssen die Unternehmen ihren Beschäftigten nämlich keine Garantie über die Mindesthöhe dieses Ruhegeldes mehr geben. Das Paragraphen-Werk spricht nur noch von einer „Ziel-Rente“ und nimmt den Firmen so das Haftungsrisiko. Zudem erhalten die Konzerne Zuschüsse aus Steuermitteln, wenn sie GeringverdienerInnen Betriebsrenten anbieten.

Wanka für Gen-Scheren
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka stimmt in den Chor all jener mit ein, die meinen, nur mit Hilfe von noch mehr Gentechnik seien alle Menschen auf dem Globus satt zu bekommen. So singt sie das Hohelied auf das wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen umstrittene Verfahren, mittels Gen-Scheren DNA-Stränge in das Erbgut von Pflanzen einzubauen. „Ein großer Fortschritt, um den Wettlauf mit dem Hunger, der noch immer die Menschheit in vielen Teilen der Welt bedroht, zu gewinnen“, urteilt die CDU-Politikerin über die Gentechnik 2.0. Dementsprechend spricht sie sich gegen allzu strenge Auflagen für die Methode aus, auf die auch BAYER stark setzt. Regeln für die neuen Züchtungstechniken müsse es zwar geben, so die Ministerin, „aber wir haben auch eine Verantwortung, Wissen weiterzuentwickeln. Dafür braucht es auf jeden Fall Experimentier-Räume, die wir uns nicht vorschnell verbauen sollten“.

Schulz bei BAYER
Selbst im Wahlkampf kommen die PolitikerInnen nicht am Leverkusener Multi vorbei. So machte der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz dem Dormagener Chemie-„Park“, den die 60-prozentige BAYER-Tochter CURRENTA betreibt, seine Aufwartung. Dabei pries er – mit 30 JournalistInnen im Schlepptau – die „hervorragende Kooperation der Stadt mit der Industrie“. Auch bei der CURRENTA eckte der Sozialdemokrat nicht an. Es gab einen „guten Austausch über „Energie-Politik, Nachhaltigkeit und Industrie-Akzeptanz“, bekundete deren Chef Günter Hilken. Künftige Unbill versprach Schulz, so gut es geht von dem Standort fernzuhalten. Als Beispiel nannte er die Seveso-Richtlinie, die als Lehre aus der Chemie-Katastrophe von 1976 einen ausreichenden Abstand zwischen Industrie-Anlagen und anderen Gebäuden vorschreibt. Sie dürfe bei der Umsetzung in bundesdeutsches Recht nicht noch mit zusätzlichen Auflagen beschwert werden, forderte der Politiker mit Blick auf die Probleme, welche die EU-Richtlinie Dormagen bei der Stadtentwicklungspolitik im Allgemeinen und bei der Planung eines Fachmarkt-Zentrums im Besonderen bereitet.

BAYERs EU-Lobbying
1,95 Millionen Euro lässt sich der Leverkusener Multi seine Lobby-Aktivitäten bei der Europäischen Union jährlich kosten. Das geht aus dem entsprechenden Eintrag im EU-Lobbyregister hervor. 15 Personen arbeiten im Brüsseler Verbindungsbüro des Konzerns. Neun von ihnen haben Zugangsberechtigungen zu den Räumlichkeiten des Europäischen Parlaments. Schwerpunkte der Einfluss-Arbeit bildeten im Berichtszeitraum die Regulierung von Pestiziden und Pharma-Produkten sowie Themen, welche die Gesundheit von Menschen und Tieren betrafen. Darüber hinaus sitzen BAYER-VertreterInnen gemeinsam mit EU-ParlamentarierInnen in der „Land Use and Food Policy Intergroup“ und im „Knowledge for Innovation Forum“. Aber darauf beschränkt sich das Antichambrieren des Global Players bei der EU nicht. Er gehört nämlich den europäischen Industrie-Verbänden „Business Europe“, „European Chemical Industry Council“ (CEFIC), „European Federation of Pharmaceutical Industries Association“ (EFPIA) und „European Association for Biotechnologies“ (EuropaBio) an, die wiederum zahlreiche LobbyistInnen beschäftigen. Allein die CEFIC verfügt laut Register über einen Etat von 10,2 Millionen Euro. Die Initiative CORPORATE EUROPE OBSERVATORY schätzt den Betrag angesichts von 150 Beschäftigten sogar noch als weit höher ein und fordert generell eine Überprüfung der von den Unternehmen und Verbänden gemachten Angaben.

Neues Arzneimittel-Gesetz
Das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 schreibt für neue Medikamente eine Kosten/Nutzen-Prüfung vor. Wenn die Arzneien den Prozess erfolgreich durchlaufen, können die Hersteller mit den Krankenkassen einen Preis aushandeln. Dieser gilt allerdings nicht ab sofort, sondern erst nach zwölf Monaten. In der Zwischenzeit dürfen BAYER & Co. beliebig viel für die Pharmazeutika verlangen. Dies wollte jetzt das „Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz“ unterbinden. Nach dem Willen von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sollten für Präparate, die im ersten Jahr nach der Zulassung einen Umsatz von mehr als 250 Millionen Euro erzielen, die mit den Kassen vereinbarten Preise rückwirkend in Anschlag gebracht werden. „Mit der Einführung einer Umsatz-Schwelle sorgen wir dafür, dass die Patienten möglichst schnell mit neuen Arzneimitteln versorgt werden, die Preise für besonders hochpreisige neue Arzneimittel aber begrenzt sind“, sagte Gröhe bei der Präsentation des Gesetzes-Entwurfs. Im fertigen Paragrafen-Werk fehlte der entsprechende Passus dann allerdings. „Einen Kniefall vor der Pharma-Lobby“ nannte das der „Sozialverband Deutschland“ (SoVD). In einem anderen Punkt gelang es der Industrie allerdings nicht, sich durchzusetzen. Die Unternehmen hätten über die mit den VertreterInnen von DAK & Co. ausgemachte Erstattungshöhe für die Medikamente gerne den Mantel des Schweigens gelegt, damit Informationen über im Inland eventuell gewährten Rabatte geheim bleiben und im Ausland nicht die Preise verderben. Dies scheiterte jedoch am Widerstand der SPD.

PROPAGANDA & MEDIEN

Millionen für das Gesundheitswesen
Die 54 Unternehmen, die im von BAYER gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ organisiert sind, pflegten die bundesdeutsche medizinische Landschaft im Jahr 2016 mit 562 Millionen Euro (2015: 575 Millionen). Keinen kleinen Teil davon brachte der Leverkusener Multi auf. Er investierte rund 41 Millionen Euro in MedizinerInnen, ärztliche Standesorganisationen, Selbsthilfegruppen, Institute, medizinische Fachgesellschaften und von Krankenhäusern betriebene Pharma-Forschung.

Neun Millionen für ÄrztInnen
Von den 41 Millionen Euro, die der BAYER-Konzern 2016 ins Gesundheitswesen pumpte (s. o.), erhielten ÄrztInnen rund 7,5 Millionen. Dabei zahlte er 1.424 von ihnen 3,23 Millionen an Honoraren z. B. für Vorträge und spendierte 4.699 Doctores Reise- und Übernachtungskosten in Höhe von 2,8 Millionen Euro. Des Weiteren übernahm der Global Player für 2.135 von ihnen Kongress-Gebühren, was sich auf 800.000 Euro summierte, und erstattete 936 der Weißkittel sonstige Auslagen von ca. 600.000 Euro.

BAYER bedenkt Fachgesellschaften
Zu den Akteuren des Gesundheitswesens, die BAYER mit hohen Summen bedenkt (s. o.), gehören auch die medizinischen Fachgesellschaften. Und wenn sich die Tätigkeiten der Organisationen auf ein Gebiet erstrecken, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ im Jahr 2016 über 147.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese sicherlich bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate. Die „Deutsche Gesellschaft für Frauengesundheit“ sponserte er mit 34.000 Euro, um das Marktumfeld für seine Verhütungsmittel zu verbessern. Zur Umsatz-Steigerung seines risiko-reichen Gerinnungshemmers XARELTO indessen investierte der Pharma-Riese unter anderem 65.000 Euro in die „Deutsche Gesellschaft für Angiologie“, die sich Gefäß-Krankheiten widmet. Hinzu kamen 30.000 Euro für die „Gesellschaft für Thrombose und Hämostase-Forschung“. Und den Absatz seiner Lungen-Arznei ADEMPAS förderte der Leverkusener Multi mit einem Scheck in Höhe von 52.900 Euro an die „Deutsche Gesellschaft für Pneumologie“.

BAYER sponsert Kongresse
Die von den medizinischen Fachgesellschaften veranstalteten Kongresse und Tagungen bieten dem BAYER-Konzern ein wichtiges Forum, um für seine Pharmazeutika zu werben. Darum sponsert er die Meetings mit hohen Summen. So steuerte der Pillen-Riese zur jährlichen Zusammenkunft der „Deutschen Gesellschaft für Neurologie“ 219.000 Euro bei, braucht er doch dem Unternehmen gewogene NervenärztInnen, um mit BETAFERON, seinem Präparat zur Behandlung der Multiplen Sklerose, auch weiterhin gute Geschäfte machen zu können. Die „Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung“, die sich der Leverkusener Multi wegen seines Blutverdünners XARELTO warmhalten muss, erhielt für ihren Kongress 84.000 Euro. Und die „Deutsche Gesellschaft für Urologie“ strich für ihr Jahrestreffen 107.000 Euro ein, was dem Beliebtheitsgrad von XOFIGO, BAYERs Medikament zur Behandlung der Prostatakrebs-Art CRPC, nicht abträglich sein dürfte.

Schulfach „MIRENA“
Die „Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung“ (ÄGGF) betreibt laut Selbstauskunft „Gesundheitsförderung durch aufsuchende Prävention“. Auf der Website heißt es weiter: „Die ÄrztInnen der ÄGGF gehen in die Schulen, beantworten die Fragen der jungen Menschen und geben wichtige Informationen zu den Themen „Gesundheit“, „Sexualität“ und „Fruchtbarkeit“. An der Neutralität dieser Informationen bestehen jedoch gehörige Zweifel. Die Gesellschaft erhielt von BAYER nämlich für eine „pädagogische“ Maßnahme, die sich MIRENA und anderen Hormon-Spiralen des Konzerns mit dem Wirkstoff Levonorgestrel widmet, Geld. Der Transparenz-Bericht des Unternehmens führt eine entsprechende Zahlung zur Promotion der auch Intrauterin-Systeme genannten Medizin-Produkte auf. Demnach überwies der Leverkusener Multi der Einrichtung zum Verwendungszweck „Verhütung und LNG-IUS (Levonorgestrel Intrauterine System, Anm. Ticker) im Unterrichtsprogramm“ 93.000 Euro.

BAYER kooperiert mit Uni-Liga
Auch in den USA versucht der Leverkusener Multi, die naturwissenschaftlichen Fächer stärker im Bildungssystem zu verankern. Er braucht nämlich qualifizierten Nachwuchs für seine Labore. So vereinbarte BAYER eine Werbe-Kooperation mit der „Big Ten Conference“, der Universitätssport-Liga von zehn Hochschulen, um SportlerInnen und Fans mehr für die Wissensgebiete „Landwirtschaft“, „Medizin“ und „Pharmazie“ zu erwärmen.

Eisstockschießen mit JournalistInnen
Zur Pflege der Presse-Landschaft lädt das Wuppertaler BAYER-Werk JournalistInnen traditionell zu einem Neujahrsempfang ein. Diesmal arrangierte der Konzern ein Eisstockschießen mit anschließendem Hüttenabend, das der Zielgruppe offenbar gefallen hat. „Alles in allem ein spannender, kurzweiliger Abend in der Hako-Eishalle“, resümierte Die Stadtzeitung Wuppertal.

TIERE & VERSUCHE

125.585 Tierversuche
Im Geschäftsjahr 2016 fanden bei BAYER 125.585 Tierversuche statt, 92 Prozent davon mit Ratten und Mäusen. Die Zahlen gehen damit etwas zurück. Im Jahr 2015 hatte der Leverkusener Multi noch 133.666 Experimente am „Tier-Modell“ unternommen.

TIERE & ARZNEIEN

Eier-Rückruf wg. Fipronil
Im Sommer 2017 machte ein neuer Lebensmittel-Skandal Schlagzeilen. Eier aus belgischen und niederländischen Lege-Batterien wiesen Spuren eines Wirkstoffs gegen Parasiten-Befall auf. Ein Desinfektionsmittel, das in Hühnerställen zum Einsatz kommt, war verbotenerweise mit der Substanz versetzt und löste so die Kontamination aus. In 45 Ländern kamen die verseuchten Eier in den Handel, allein in der Bundesrepublik belief sich die Zahl auf 10,7 Millionen Stück. Das machte gigantische Rückruf-Aktionen nötig. Das in Rede stehende Produkt – Fipronil – geriet 2002 durch den Erwerb von AVENTIS in den Besitz von BAYER. Die Wettbewerbsbehörden machten dem Leverkusener Multi jedoch zur Auflage, sich von der Chemikalie aus der Gruppe der Phenylpyrazole und anderen Stoffen zu trennen. So verkaufte der Konzern sie im Jahr 2003 an die BASF. Heutzutage vermarktet der Global Player das in der Europäischen Union nur noch für einige Anwendungen zugelassene Fipronil unter dem Namen REGENT hauptsächlich in Indien und China. Zudem bietet er den Stoff in der Veterinärmedizin als Mittel gegen Hunde und Katzen malträtierende Parasiten an. „Mit dem bewährten und gut verträglichen Wirkstoff Fipronil ist BOLFO® SPOT-ON sowohl für Kunden geeignet, deren Haustier unter einem Befall mit Flöhen oder Zecken leidet, als auch für Tierhalter, die ihren Vierbeiner künftig vorbeugend und effektiv vor den kleinen Blutsaugern schützen möchten“, textet BAYERs Werbeabteilung. Und noch ein zweites Pestizid fand sich in der DEGA-Desinfektionslösung: Amitraz. Auch diese befand sich einmal in der Produkt-Palette des Pillen-Riesen. 2005 veräußerte er die Agro-Chemikalie aber an die japanische ARYSTA LIFESCIENCE CORPORATION.

DRUGS & PILLS

Gefährliches Triclosan
Triclosan ist ein antibakteriell wirkender Stoff aus der Gruppe der polychlorierten Phenoxyphenole, der unter anderem in BAYERs FUNSOL-Spray gegen Fußpilz und -geruch enthalten ist. Er steht seit Längerem wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik. So kann die Substanz etwa die Muskeln schädigen. Nach den Forschungen von Isaac Pessah schränkt sie die Funktion zweier Proteine ein, die für die Kalzium-Versorgung der Muskelzellen sorgen (Ticker 4/12). Auch steht die Chemikalie in Verdacht, hormon-ähnliche Effekte hervorzurufen und so imstande zu sein, den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderzuwirbeln. Zudem besteht dem „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) zufolge die Möglichkeit, dass niedrig dosierte Triclosan-Produkte die Abwehrkraft von Krankheitserregern stärken und so die Wirksamkeit von Antibiotika mindern. Dieses Gefahren-Potenzial hat bereits zu einigen Reaktionen geführt. Nach einer Anordnung der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA musste das Phenoxyphenol aus Seifen-Rezepturen verschwinden. Die EU indes verbot es bisher nur in Kosmetik-Artikeln wie Cremes und Lotionen, die länger mit der Haut in Kontakt kommen.

Endometriose-Fortschritte bei EVOTEC
Im Jahr 2010 brachte der Leverkusener Multi zur Behandlung der Endometriose, einer gutartigen Wucherung der Gebärmutter-Schleimhaut, VISANNE heraus – und stellte deshalb die Produktion der ebenfalls zur Therapie dieser Gesundheitsstörung geeigneten, aber viel preiswerteren Verhütungsmittel VALETTE und CHLORMADINON kurzerhand ein (Ticker 4/14). Daneben unterhält der Konzern noch mehrere Endometriose-Forschungskooperationen. So arbeitet er auf diesem Gebiet mit der Universität Oxford und mit dem Hamburger Biotech-Unternehmen EVOTEC zusammen. Dieses entwickelte einen Wirkstoff-Kandidaten nun so weit, dass eine Klinische Prüfung der Phase 1 beginnen kann. Dafür zahlte BAYER der Firma fünf Millionen Euro.

Nierenschäden-Therapien mit EVOTEC
Nicht nur bei der Suche nach Endometriose-Therapien arbeitet BAYER mit dem Biotech-Unternehmen EVOTEC zusammen (s. o.). Der Pharma-Riese hat auch in Sachen „Nierenerkrankungen“ eine Kooperation mit der Hamburger Firma vereinbart. EVOTEC will für den Leverkusener Multi Pharmazeutika zur Behandlung chronischer Nierenschäden entwickeln und hofft, dafür auf Forschungserträge aus einem gemeinsamen Projekt mit der Harvard-Universität zurückgreifen zu können. Das Unternehmen, das zu mehreren Hochschulen solche Partnerschaften unterhält, bekommt vom Global Player 14 Millionen Euro für den Auftrag und hat darüber hinaus Aussicht auf erfolgsabhängige Zahlungen bis zu einer Höhe von 300 Millionen Euro.

AGRO & CHEMIE

Immer mehr Pestizide
Die bundesdeutschen LandwirtInnen bringen immer mehr Pestizide aus. Im Jahr 2015 landeten 123.203 Tonnen auf ihren Äckern – 5.460 Tonnen mehr als 2014. Zu den beliebtesten Mitteln gehörten dabei das von der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Glyphosat, das in BAYER-Produkten wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, sowie das erbgut-schädigende Mancozeb. Bis Ende 2016 hat auch der Leverkusener Multi diesen Wirkstoff vermarktet. Er verkaufte ihn in Kombination mit Propamocarb unter dem Namen TATTOO.

Kein Chlorpyrifos-Bann in den USA
Organophosphate entwickelten BAYER-Forscher im Zweiten Weltkrieg als chemische Kampfstoffe. Nach 1945 kamen die Nervengifte dann als Inhaltsstoffe von Pestiziden zum Einsatz – mit den entsprechenden Risiken und Nebenwirkungen. Chlorpyrifos zum Beispiel kann Schädigungen des Nervensystems, Atemwegsbeschwerden, Übelkeit, Schwindel, Krämpfe und Kopfschmerzen auslösen sowie zu Fehlbildungen bei Neugeborenen und Entwicklungsstörungen bei Kindern führen. Darum haben die Vereinigten Staaten im Jahr 2000 die Anwendung der Chemikalie im Haus- und Gartenbereich untersagt. AktivistInnen fordern jedoch bereits seit Langem ein Komplett-Verbot. Dieses hat Skott Pruitt, der seit dem Wahlsieg von Donald Trump die US-Umweltbehörde EPA leitet, jedoch vorerst abgelehnt. Einen endgültigen Beschluss über das Schicksal der Substanz, die der Leverkusener Multi unter den Produktnamen BLATTANEX, PROFICID und RIDDER vermarktet, kündigte er für 2022 an. Entscheidungshilfe dürfte dabei Andrew Liveris von DOW geleistet haben. Pruitt hatte sich nämlich vor der Verkündung des Votums mit dem Boss der Firma, die Chlorpyrifos entwickelt hat, getroffen.

Pestizide fördern Autismus
Agro-Chemikalien können das Entstehen von Autismus fördern. Das hat eine Studie des „UC Davis MIND Institute“ unter Leitung von Janie Shelton ergeben. Der Untersuchung zufolge steigt das Risiko von Frauen, die in der Nähe von Landwirtschaftsbetrieben leben, ein autistisches oder mit Entwicklungsstörungen belastetes Kind zu gebären, um zwei Drittel. Ein besonderes Gefährdungspotenzial geht nach Ansicht der WissenschaftlerInnen dabei von dem Organophosphat Chlorpyrifos (s. o.) aus, das auch BAYER im Angebot hat.

Viele Auslaufmodelle
Anfang 2015 hat die Europäische Union eine Liste mit 77 Pestiziden veröffentlicht, die wegen ihrer fatalen Effekte auf Mensch, Tier und Umwelt möglichst schnell durch weniger gefährliche ersetzt werden sollten. Unter den Substanzen, für welche die Hersteller wegen ihres besonderen Gefährdungspotenzials alle sieben und nicht wie sonst üblich alle zehn Jahre eine Neuzulassung beantragen müssen, befinden sich 13 Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln zum Einsatz kommen. Dabei handelt es sich um Bifenthrin (Produktname: ALLECTUS), Carbendazim (DEROSAL), Cyproconazol (ALLO), Fenamiphos (NEMACUR), Fluopicolid (VOLARE), Glufosinat (LIBERTY), Mecoprop (LOREDO), Metsulfuronmethyl (STREAMLINE, ESCORT), Oxadiargyl (RAFT), Propoxycarbazone (ATTRIBUT), Tebuconazole (FOLICUR, NATIVO, PROVOST OPTI) und Thiacloprid (ALANTO, BARIARD, CALYPSO).

Unzulängliche Test-Verfahren
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) haben einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben. Darum hat die EU diese beiden Produkte auch gemeinsam mit SYNGENTAs CRUISER vorläufig aus dem Verkehr gezogen. Eigentlich hätten die fatalen Effekte von GAUCHO & Co. schon während des Zulassungsverfahrens auffallen müssen, denn die Bienenverträglichkeit gehört zum Anforderungskatalog. Allerdings dauern die betreffenden Tests höchstens zehn Tage. Darum können sie keine Auskunft über die Langzeit-Wirkungen dieser Pestizide auf die Insekten geben. Bündnis 90/Die Grünen wollten in einer Kleinen Anfrage deshalb von der Bundesregierung wissen, ob sie hier auf Änderungen dränge. Aber Merkel & Co. antworteten ausweichend: „Die Entwicklung und Weiterentwicklung von Methoden und Verfahren zur Prüfung und Bewertung von Pflanzenschutzmitteln und ihrer Wirkstoffe erfolgt im internationalen Rahmen konsensual auf der Basis anerkannter Forschungsergebnisse. Hieran sind Wissenschaftler und Vertreter der zuständigen Behörden aus Deutschland intensiv beteiligt.“

GAUCHO & Co. wirken repro-toxisch
Näheren Aufschluss darüber, in welcher Weise BAYERs Pestizid PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin für eine Dezimierung der Bienenvölker sorgt (s. o.), erbrachte eine neue Studie, welche die Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlichte. Der Untersuchung von Lars Straub und anderen WissenschaftlerInnen zufolge verkürzen Clothianidin und das SYNGENTA-Neonicotinoid Thiamethoxam die Lebensdauer männlicher Bienen und beeinträchtigen Quantität und Qualität ihres Spermas.

Vertriebsdeal mit WEST CENTRAL
Der Leverkusener Multi hat in den USA einen Deal mit WEST CENTRAL DISTRIBUTION vereinbart. Das in Minnesota ansässige Unternehmen vertreibt künftig exklusiv eine Kombination aus BAYERs Saatgutbehandlungsmittel REDIGO 480 mit dem Wirkstoff Prothioconazol und TRILEX (Trifloxystrobin). Die Mittel sind für den Soja-Anbau bestimmt und sollen die Pflanzen mit vereinten Kräften vor Pilzen bewahren. Diese haben sich offenbar mittlerweile zu gut an die Einzel-Applikationen von REDIGO oder TRILEX gewöhnt.

GENE & KLONE

EU berät über Genmais-Anbau
Die EU berät zurzeit darüber, erstmals seit 1998 wieder Anbau-Genehmigungen für Gen-Pflanzen zu erteilen. Es stehen Entscheidungen über die Mais-Sorten „Bt11“ von SYNGENTA sowie „1507“ von PIONEER und DOW AGROSCIENCES an. Zudem befindet Brüssel über die Wiederzulassung von MONSANTOs MON810. „Bt11“ und „1507“ sind mit dem „Bacillus thuringiensis“ (Bt) bestückt, der Schadinsekten töten soll. Darüber hinaus hat sie ein gentechnischer Eingriff immun gegen Sprüh-Einsätze mit dem BAYER-Herbizid Glufosinat gemacht. Dieses Ackergift wirkt repro-toxisch, kann also die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und die Leibesfrucht schädigen. Überdies erweist es sich als chemisch sehr stabil, weshalb es lange im Boden verbleibt. Aus diesen Gründen will die Europäische Union das Mittel auch bis 2018 aus dem Verkehr ziehen, wogegen der Leverkusener Multi sich allerdings sträubt. „BAYER CROPSCIENCE ist davon überzeugt, dass es stichhaltige Argumente für die Erneuerung der Zulassung von Glufosinat-Ammonium gibt“, bekundet der Konzern und teilt mit, an einem Nachweis dafür zu arbeiten. Aber nicht nur wegen des Glufosinats, sondern auch wegen des Bts erweisen sich die Labor-Kreationen als problematisch. Der Bazillus steht nämlich in dringendem Verdacht, Allergien auszulösen und das Immunsystem zu schädigen. Darüber hinaus trotzen immer mehr Baumwollkapselbohrer, Baumwollkapseleulen, Kohlschaben, Aschgraue Höckereulen und „Busseola fusca“-Raupen der Substanz. All dies spricht eindeutig dagegen, europäischen LandwirtInnen die Erlaubnis zu erteilen, diese Pflanzen zu kultivieren.

Erfolgloser Anetumab-Test
BAYER setzt große Hoffnungen auf den Wirkstoff Anetumab Ravtansine. Investoren gegenüber, denen der Konzern nach XARELTO den nächsten Topseller aus der Entwicklungspipeline liefern muss, nennt er neben Finerenone stets Anetumab. Auf zwei Milliarden Euro Jahres-Umsatz beziffert das Unternehmen die möglichen Erträge. Die Arbeit an der Entwicklung der Substanz zur Serienreife begann vor fast zehn Jahren. 2008 erwarb der Konzern von IMMOGEN das Recht, eine spezielle Technologie zur Herstellung von Antikörpern nutzen zu können. MORPHOSYS bestimmte dann für den Leverkusener Multi den speziellen Antikörper zur Behandlung des Tumors Mesotheliom, der zumeist durch den Kontakt mit Asbest entsteht – und schon bei so einigen BAYER-Beschäftigten diagnostiziert wurde (Ticker 2/14). Das in Planegg ansässige Biotech-Unternehmen führte auch die klinischen Prüfungen mit dem Präparat durch. Ende Juli 2017 musste es allerdings das Versagen des Wirkstoffes in der Phase 2 der Tests bekanntgeben: Anetumab schaffte es nicht, das Krebs-Wachstum einzudämmen. Damit scheint sich die Skepsis einiger BeobachterInnen zu bestätigen, die den vollmundigen Versprechungen des Pharma-Riesen über die Wunder-Wirkungen des Pharmazeutikums nie so recht Glauben schenken mochten. „BAYER verbreitet eine gewisse Euphorie bezüglich (...) Anetumab, die ich im Moment nicht verstehen kann“, hatte etwa Markus Manns von UNION INVESTMENT GmbH mit Verweis auf die spärlichen Studien-Daten schon früh bemerkt. Der Global Player aber hält an dem Medikament fest. „Auf Basis der verfügbaren Daten planen wir weiterhin, die Wirksamkeit und Sicherheit von Anetumab Ravtansine in einer Reihe von Tumor-Arten mit hohem medizinischen Bedarf zu untersuchen“, erklärte er.

WASSER, BODEN & LUFT

NRW-Flüsse in schlechtem Zustand
Der BAYER-Konzern trägt wesentlich zum schlechten ökologischen Zustand der Gewässer in Nordrhein-Westfalen bei. So stammt dem „Bewirtschaftungsplan Nordrhein-Westfalen 2016-2021“ zufolge ein Großteil der Einträge von organischem Kohlenstoff aus Betrieben der chemischen Industrie. Mit 1.140 Tonnen war der Leverkusener Multi hier im letzten Jahr dabei. Auch den Temperatur-Haushalt der Flüsse bestimmt er wesentlich mit. Auf den haben Kühlwasser-Einleitungen – 300 Millionen Kubikmeter steuerte der Global Player dazu anno 2016 bei – nämlich den größten Einfluss. Diese heizen die Ströme auf und machen damit den Fischen das Leben schwer. Forellen beispielsweise gibt es im Rhein kaum noch. Schon bei einer Temperatur von über 11 Grad nämlich entschlüpft aus den Eiern der Weibchen kein Nachwuchs mehr. Mit seinen Agro-Chemikalien gefährdet der Leverkusener Multi die aquatischen Lebensräume ebenfalls. Der 2015 erstellte Bewirtschaftungsplan zählt die Pestizide von den Feldern der LandwirtInnen gemeinsam mit den Düngemitteln zu den bedeutendsten chemischen Belastungsquellen des Grundwassers im Gebiet des Rheins. Auch die extrem gesundheitsschädlichen Polychlorierte Biphenyle (PCB), zu deren Hauptanbietern BAYER bis zu ihrem vollständigen Verbot im Jahr 1989 gehörte, finden sich noch im Wasser. In der Sieg, der Niers, der Emscher und der Wupper überschritten die Konzentrationen im Zeitraum von 2009 bis 2011 – aktuellere Zahlen liegen nicht vor – an einigen Mess-Stellen sogar die Grenzwerte. Die Sieg hatte zudem (wie auch die Dhünn und die Emscher) mancherorts mit über den Limits liegenden Werten von Bisphenol A zu kämpfen, einer vom Konzern in rauhen Mengen produzierten Industrie-Chemikalie. Zusammengefasst weisen nur sechs Prozent der Fließ-Gewässer einen guten ökologischen Zustand auf. Einen guten chemischen Zustand haben laut Bewirtschaftungsplan 79 Prozent der Flüsse, aber nur 54 Prozent der Grundwasser-Körper Nordrhein-Westfalens.

Verletzung der Luft-Richtlinie
Die EU-Richtlinie 2001/81/EG verpflichtet die Mitgliedsländer, Maßnahmen zur Verbesserung der Luft-Qualität zu ergreifen. Nach einer Untersuchung der Europäischen Umwelt-Agentur EEA verfehlte die Bundesrepublik dabei als einziger Staat die Vorgaben gleich bei drei Stoffen: den flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs), den Stickstoffdioxiden und dem Ammoniak. So ersparte die Große Koalition der Industrie, ihre Emissionen senken zu müssen. Obwohl dies bitter nötig wäre: Allein die BAYER-Werke stießen im Jahr 2016 weltweit 1.120 Tonnen VOCs und 2.360 Tonnen Stickstoffdioxide (NOX) aus. In Tateinheit mit Frankreich, Spanien und anderen Nationen, die höhere Stickstoffdioxid-Werte als erlaubt nach Brüssel gemeldet hatten, bat die Bundesregierung die EU-Kommission deshalb in einem Schreiben um eine nachträgliche Genehmigung der Überschreitungen. Die Absender begründeten dies mit dem unerwartet hohen NOX-Ausstoß von Diesel-Autos, ohne näher auf die kriminellen Machenschaften von VW & Co. einzugehen. Das EUROPÄISCHE UMWELTBÜRO, CLIENTEARTH und andere Initiativen kritisierten die Regierungen dann auch scharf für ihren Versuch, sich die Luftverschmutzungen rückwirkend absegnen zu lassen.

PRODUKTION & SICHERHEIT

ADALAT-Rückruf
Die Pharma-Riesen verdienen das meiste Geld mit ihren neuen Präparaten, da sie für diese dank des Patentschutzes hohe Preise verlangen können. Das Geschäft mit den alten Pillen haben BAYER & Co. dagegen streng durchrationalisiert. Oftmals stellten die Multis die Wirkstoffe für die Allerweltsmedikamente gar nicht mehr selber her, sondern beauftragen dafür andere Firmen. Diese haben ihren Sitz oftmals in Indien oder China und fertigen die Substanzen, ohne Schutzmaßnahmen zu treffen, was massiven Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat (siehe SWB 4/17). Manche der Unternehmen versorgen die halbe Welt mit Arznei-Stoffen. Kommt es in ihren Werken einmal zu Zwischenfällen, hat das deshalb gleich für die Arzneien mehrerer Pillen-Anbieter Folgen. So musste im Februar 2017 der BAYER-Konzern einen Rückruf seiner ADALAT-Tabletten und HEXAL einen seiner NIFEHEXAL-Produkte starten, weil der Hersteller des Wirkstoffes Nifedipin beiden Kunden verunreinigte Chargen geliefert hatte.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Faulgase in Bergkamen
Im Bergkamener BAYER-Werk kam es am 15. Juli 2017 zur Bildung von Faulgasen. Die Kläranlage der Niederlassung war den vielen Niederschlägen nicht gewachsen, die sich im Rückhalte-Becken mit Hefe-Bakterien und anderen Produktionsrückständen aus der mikrobiologischen Abteilung vermischt hatten. Deshalb mussten die Beschäftigten und AnwohnerInnen über Tage hinweg verpestete, in der Nase stechende Luft einatmen. Immer wieder ereignen sich an dem Standort solche Störfälle. Die 2008 eingeleitete Sanierung hat bislang keine Abhilfe schaffen können. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für mächtigen Gestank. 2012 dann traten an einigen Leitungen Risse auf, durch die Abwässer sickerten und Duftmarken setzten. Deshalb entschloss sich der Global Player erneut zu Reparatur-Arbeiten. Aber auch das brachte nichts. Im Juni 2013 klagten die BergkamerInnen wieder über Geruchsbelästigungen, die überdies zu Gesundheitsstörungen wie Übelkeit und Kopfschmerzen führten. Knapp anderthalb Jahre später fiel schließlich die letzte Stufe der Abwasser-Reinigung aus. Und so dürften die Attacken auf die Riech-Nerven auch nach dem jüngsten Geschehnis ihre Fortsetzung finden.

Ammoniak-Austritt in Berkeley
Am 22.12.2016 ereignete sich am US-amerikanischen BAYER-Standort Berkeley ein Störfall, bei dem Ammoniak austrat. Es kam jedoch kein Belegschaftsmitglied mit dem giftigen Gas in Berührung, das der Leverkusener Multi in dem Werk als Kühlmittel einsetzt. Auch gelangte das Stickstoff/Wasserstoff-Gemisch angeblich nicht in die Umwelt.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER verkauft SERDEX
Der Leverkusener Multi hat seine Tochter-Firma SERDEX an die französische Aktien-Gesellschaft AIR LIQUIDE verkauft und vernichtete damit 40 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns. SERDEX hatte sich zum Ziel gesetzt, „weltweit als Spezialist für natürliche Inhaltsstoffe aus tropischen Pflanzen zu gelten, die in Arzneien, Kosmetika und Beauty-Produkten Anwendung finden“. Um das zu erreichen, schreckte das Unternehmen auch nicht davor zurück, sich in Afrika und anderswo als Biopirat zu betätigen (siehe SWB 2/11).

ÖKONOMIE & PROFIT

EZB kauft BAYER-Anleihen
Seit Juni 2016 erwirbt die von dem Italiener Mario Draghi geleitete Europäische Zentralbank (EZB) nicht nur Staats-, sondern auch Unternehmensanleihen. Bis Juni 2017 hat sie 92 Milliarden Euro in diese Anlage-Form investiert und sich dafür mit rund 950 Papieren von BAYER und anderen Konzernen eingedeckt. Damit trägt die EZB nicht nur gehörig zur Finanzierung der Multis bei, sie verändert zugleich auch noch die Konditionen auf den Finanzmärkten zugunsten der großen Firmen. Die immense Nachfrage aus Frankfurt senkt nämlich die Zinsen, welche die Global Player den KäuferInnen der Anleihen zahlen müssen. Manche Industrie-Betriebe können sogar schon Negativ-Zinsen berechnen. Zudem übt die Zentralbank mit ihren Ankäufen Druck auf die Banken aus, BAYER & Co. Kredite zu günstigeren Bedingungen zu gewähren. Als „Draghis Milliardenspritze für die Mächtigen“ beschrieb Der Spiegel das EZB-Programm deshalb. Mittelständische Unternehmen, die sich durch das Ankauf-Programm benachteiligt fühlen, zogen bereits vor das Bundesverfassungsgericht.

Wem gehört BAYER?
Aktuell besitzt der Finanz-Investor BLACKROCK mit rund 6,8 Prozent die meisten BAYER-Anteile. Es folgen die COMMERZBANK mit 3,4 Prozent, die Investment-Gesellschaft CAPITAL GROUP mit rund 2,9 Prozent und die Schweizer UBS-Bank mit 2,65 Prozent.

RECHT & UNBILLIG

BAYER gewinnt Patent-Prozess
In Australien hatte BAYER das Unternehmen GENERIC HEALTH verklagt. Der Pharma-Riese warf der Firma vor, mit ihrem Verhütungsmittel ISABELLE das Patent des konzern-eigenen Präparats YASMIN verletzt zu haben, das seit einiger Zeit wegen seiner gefährlichen Nebenwirkungen in der Kritik steht. Ende März 2017 bekam der Leverkusener Multi Recht zugesprochen. Die RichterInnen verurteilten GENERIC HEALTH zu einer Straf-Zahlung in Höhe von 30 Millionen Dollar.

Strafe wg. irreführender Werbung
„BAYER duldet keine Gesetzes-Verstöße bei der Vermarktung seiner Produkte. Verantwortungsvolles Marketing steht auch für ethisch-moralische Grundsätze“, heißt es in einem Nachhaltigkeitsbericht des Leverkusener Multis. Dennoch überschreitet er immer wieder die Grenzen des Erlaubten. So verurteilte der Bundesstaat Massachusetts den Konzern wegen unzulässiger Aussagen in der Werbung für seine Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie PONCHO und GAUCHO (siehe auch AGRO & CHEMIE) zu einer Zahlung von 75.000 Dollar. „BAYER machte den Konsumenten gegenüber zahlreiche irreführende Angaben über die Sicherheit seiner Pestizide, inklusive der Behauptung, dass sie in den Pflanzen wie Vitamine wirken würden, während sie realiter hochgradig giftig für Honigbienen, weitere Befruchter und andere Tiere sind sowie die Umwelt schädigen“, sagte die Staatsanwaltin Maura Healey zur Begründung. Der Global Player hingegen war sich keiner Schuld bewusst und bezeichnete seine Reklame als „angemessen und transparent“.

FORSCHUNG & LEHRE

Kooperation mit „Cancer Research UK“
Der Leverkusener Multi unterhält über 800 Kooperationen mit Hochschulen und außer-universitären Einrichtungen zur Entwicklung neuer Produkte. Ca. 20 Prozent seines Forschungsetats investiert er in solche Projekte. So arbeitet der Pharma-Riese in Großbritannien mit dem „Cancer Research UK“ zusammen. Gemeinsam mit der staatlichen Einrichtung will der Konzern unter anderem neue Pharmazeutika auf den Gebieten der Stammzellen- und der Immun-Therapie entwickeln. Rund 200.000 Pfund investiert er dafür.

Zugriff auf PatientInnen-Daten
Gemeinsam mit der „American Heart Association“ (AHA) schreibt der Leverkusener Multi jeweils mit 150.000 Dollar dotierte Forschungsprojekte zu Durchblutungsstörungen im Gehirn, chronischem Nierenleiden und Herz-Erkrankungen aus. Von den ausgewählten WissenschaftlerInnen erwartet der Konzern, individualisierte Therapie-Formen zu entwickeln. Dafür erhalten sie Zugriff auf den riesigen Fundus an PatientInnen-Daten, über den die „American Heart Association“ verfügt. Fragen nach dem Datenschutz stellten sich BAYER und dem AHA dabei offensichtlich nicht.

[Ticker] AKTION & KRITIK

CBG Redaktion

EDCs: CBG macht Druck
Viele Pestizide und andere Stoffe von BAYER wirken wie Hormone. Diese sogenannten endokrinen Disruptoren (EDCs) können deshalb den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln und Krankheiten wie Krebs oder Diabetes auslösen. Bereits seit 2009 schickt sich die Europäische Union an, die EDCs strenger zu regulieren bzw. sie ganz aus dem Verkehr zu ziehen, aber der Leverkusener Multi hat es in Tateinheit mit anderen Konzernen immer wieder geschafft, den Prozess hinauszuzögern. Gemeinsam mit dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK und anderen Organisationen hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Bundesregierung deshalb jetzt aufgefordert, in Brüssel auf eine zügige Vereinbarung zu den Hormongiften zu drängen und insbesondere keine Ausnahmen für hormonell wirksame Agro-Chemikalien zuzulassen.

Protest gegen Afrika-Konferenz
Bereits seit einiger Zeit betreibt die Bundesrepublik eine Privatisierung der Entwicklungshilfe und setzt dabei auf eine Kooperation mit BAYER und anderen Konzernen. So wirkt das Unternehmen etwa an dem Projekt „Better Rice Initiative in Asia“ mit und nutzt es als Vehikel, um seine Reis-Saaten besser zu vermarkten. Auf eine neue Stufe stellte die Bundesregierung diesen Schulterschluss allerdings im Juni 2017. Im Rahmen ihrer G20-Präsidentschaft lud sie in Berlin zu einer Afrika-Konferenz. Dort boten Merkel & Co. Ländern des Kontinents, die sich bereit zeigten, günstige Bedingungen für Investoren zu schaffen, privilegierte Partnerschaften an. Und passenderweise konnten BAYER, BASF, COCA COLA & Co. dabei schon ein Wörtchen mitreden, denn sie nahmen am Konferenz-Tisch Platz. Aber glücklicherweise ging das alles nicht ohne Kritik über die Bühne. Ein breites Bündnis aus Geflüchteten-Initiativen, Gewerkschaften und linken Gruppen unternahm eine Fahrrad-Rallye gegen die G20-Afrika-Konferenz und machte dabei auch vor einer Niederlassung des Leverkusener Multis Station. „Wir besuchen BAYER und andere Profiteure sowie verantwortliche Institutionen, die u. a. für die Zerstörung der bäuerlichen Landwirtschaft in Afrika verantwortlich sind“, erklärten die ProtestlerInnen. Und selbstverständlich strampelten bei der Tour auch AktivistInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit.

Widerspruch gegen BVL-Bescheid
Immer wieder kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die hohen Antibiotika-Gaben in der Tiermast im Allgemeinen und die Verwendung von BAYERs BAYTRIL im Besonderen. Dieses Pharmazeutikum gehört nämlich zur Gruppe der Fluorchinolone und damit zu den Reserve-Antibiotika, die in der Humanmedizin nur zum Einsatz kommen, wenn andere Mittel bereits versagt haben. Durch die Dauerdröhnung in den Ställen aber gewöhnen sich die Krankheitserreger zunehmend an die Präparate. Gelangen die Keime dann in den menschlichen Organismus, ist kein Kraut mehr gegen sie gewachsen. Auch im letzten August vermeldete das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) wieder einen massiven Anstieg des Fluorchinolone-Gebrauchs in der Massentierhaltung. Später korrigierte es die Zahlen dann allerdings nach unten. Ein Unternehmen habe falsche Daten übermittelt, hieß es. Gemeinsam mit den ÄRZTEN GEGEN MASSENTIERHALTUNG, GERMAN WATCH und anderen Gruppen wollte die CBG nun wissen, um welche Firma es sich handelte. Diese Auskunft hat das Bundesamt jedoch mit Verweis auf das Betriebsgeheimnis verweigert. Auch antwortete es nicht auf die Frage, in welchen Mengen TierärztInnen bestimmte Antibiotika erhalten. Darum haben die Initiativen Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt.

KAPITAL & ARBEIT

Weniger BAYER-Beschäftigte
Bei BAYER ging 2016 die Zahl der Beschäftigten im Vergleich zum Vorjahr um 1,2 Prozent auf 115.200 zurück.

US-Werke ohne GewerkschaftlerInnen
In den USA haben die Gewerkschaften traditionell eine schweren Stand, bei BAYER allerdings einen noch schwereren: Während der Organisationsgrad in den Betrieben durchschnittlich bei 6,7 Prozent liegt, betrug er 2016 in den US-Niederlassungen des Leverkusener Multis nur fünf Prozent. Diesen „Erfolg“ können sich die dortigen ManagerInnen gutschreiben, denn sie versuchen mit allen Mitteln, die Gründung von Beschäftigten-Vertretungen zu hintertreiben. So schüren sie etwa die Angst, Betriebszellen würden den jeweiligen Standort und damit auch die Jobs gefährden. In Emeryville hat der Konzern GewerkschaftlerInnen vor den Beschäftigten sogar als Schmarotzer diffamiert, die es nur auf die Mitgliedsbeiträge der Betriebsangehörigen abgesehen hätten. Und schließlich müssen beim Pharma-Riesen organisierte Belegschaftsmitglieder im Falle von Entlassungen immer als erste dran glauben.

ERSTE & DRITTE WELT

JADELLE bereitet Probleme
Bei BAYERs JADELLE handelt es sich um ein speziell für die Bevölkerungspolitik geschaffenes, fünf Jahre lang unfruchtbar machendes Hormon-Implantat, das die Devise des früheren US-Präsidenten Lyndon B. Johnson in die Praxis umsetzt: „Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar.“ Konsequenterweise bietet der Pharma-Riese das Mittel deshalb in den Industrie-Nationen gar nicht erst an – ein typisches Beispiel für doppelte Standards. Dankbarer Abnehmer ist hingegen die „Bill & Melinda Gates Foundation“: Sie erwarb im Jahr 2013 27 Millionen Einheiten des Medizin-Produkts. Dabei hat das Kontrazeptivum mit dem Wirkstoff Levonorgestrel nicht nur zahlreiche Nebenwirkungen wie etwa Kopfschmerzen, Depressionen, Gewichtszunahme, Sehstörungen und Migräne, es kommt auch immer wieder zu Komplikationen beim Einsetzen und Rausholen der Präparate. Der Gates-Stiftung graust es deshalb schon vor dem nächsten Jahr, wenn in Afrika das Entnehmen von 5,8 Millionen Implantaten ansteht. „Eine beunruhigende Zahl, angesichts der schon jetzt vorhandenen Probleme beim Entfernen“, heißt es in einem Bericht der Einrichtung.

IG FARBEN & HEUTE

85 Jahre Benzin-Pakt
Das Projekt der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, aus deutscher Braunkohle Benzin gewinnen zu wollen, erwies sich Anfang der 1930er Jahre als gigantische Fehlinvestition. Immer mehr ManagerInnen plädierten deshalb dafür, das Vorhaben einzustellen. Im Sommer 1932 aber kam die Wende. Die IGler Heinrich Bütefisch und Heinrich Gattineau trafen sich mit Hitler und schlossen mit ihm den Benzin-Pakt: Der NSDAP-Vorsitzende stellte dem Unternehmen Absatz-Garantien für den Rohrkrepierer in Aussicht, sollte er an die Macht kommen. Daraufhin fasste das IG-Direktorium umgehend den Entschluss, mit der Kohle-Hydrierung fortzufahren. „Wir wissen heute, dass diese Eile historisch notwendig war, schrieb Bütefisch 1941. Sonst hätte der Diktator es mit seinen Kriegsplänen nämlich nicht so einfach gehabt. „Die beruhigende Gewissheit, in der Treibstoff-Versorgung für die Luftwaffe und die wichtigsten Teile der übrigen Wehrmacht in Deutschland von fremder Zufuhr unabhängig zu sein, wäre ohne diese Eile in Frage gestellt gewesen“, konstatierte das Vorstandsmitglied des Mörder-Konzerns. Der Publizist Otto Köhler hat dieses Zitat ausgegraben. Er widmete dem Benzin-Pakt anlässlich seines 85-jährigen Jubiläums in der jungen Welt einen langen Artikel. Und Köhler schilderte darin auch, wie der ehemalige BAYER-Pressesprecher Gottfried Plumpe versuchte, die IG FARBEN zu exkulpieren. Bevor er beim Leverkusener Multi anheuerte, hatte Plumpe die Entscheidung des Unternehmens, weiter auf die Produktion von synthetischem Benzin zu setzen, noch historisch korrekt auf den Juli 1932 datiert und damit nach dem Treffen mit Hitler stattfinden lassen. In BAYER-Diensten stehend, verlegte er sie dann einfach vor, um den Treibstoff-Deal auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgen zu können.

POLITIK & EINFLUSS

Bilderberger Baumann
Die globale Macht-Elite aus Wirtschaft und Politik trifft sich einmal im Jahr zur Bilderberg-Konferenz, um aus herrschaftlicher Perspektive über die Weltlage zu beraten. Dieses Mal fand das Meeting Anfang Juni im US-amerikanischen Chantilly statt. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Trump-Regierung, die transatlantischen Beziehungen, China, Russland, das Schicksal der EU, die Zukunft der Globalisierung und der Populismus. Und mit von der Partie: BAYER-Chef Werner Baumann und BAYER-Aufsichtsrat Paul Achleitner. Für den Leverkusener Multi stellt die Teilnahme an der illustren Runde jedoch kein Novum dar. Schon frühere ManagerInnen des Konzerns zählten zu den berühmt-berüchtigten BilderbergerInnen.

EPA unter Einfluss
Im Gegensatz zur Weltgesundheitsorganisation WHO stufte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA das Pestizid Glyphosat, das hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz kommt, aber auch in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, nicht als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Interne Unterlagen MONSANTOs, die im Zuge eines Prozesses von Glyphosat-Geschädigten ans Licht der Öffentlichkeit gelangten, nähren allerdings erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit des Votums. Der bei der EPA für das Verfahren zuständige Jess Rowland stand nämlich in engem Kontakt mit dem US-Unternehmen und erwies ihm einen nicht gerade kleinen Freundschaftsdienst. Er tat alles in seiner Kraft stehende, um das US-amerikanische Gesundheitsministerium an einer Studie zu den Risiken und Nebenwirkungen von Glyphosat zu hindern. „Wenn ich es schaffe, das zu killen, sollte ich eine Medaille bekommen“, schrieb Rowland MONSANTO. Und er schaffte es: Die Untersuchung kam nie zustande. Auch hat der EPA-Mitarbeiter einer Toxikologin der Behörde zufolge Abschlussberichte zugunsten der Industrie verändert und Druck auf Beschäftigte ausgeübt, die BAYER & Co. keine Persilscheine ausstellen wollten.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit mit Agrar-Subventionen. Im Jahr 2016 strich die BAYER REAL ESTATE GmbH 108.893 Euro aus Brüssel ein, die BAYER CROPSCIENCE AG 32.391 Euro und die BAYER CROPSCIENCE GmbH 11.345 Euro.

BAYER klagt über Strom-Kosten
Und ewig klagt der Leverkusener Multi über die angeblich zu hohen Strom-Preise. In einer Sonderbeilage der Faz zum Wirtschaftstag 2017 stimmte der Konzern-Manager Wolfgang Große Entrup die alte Leier an. „Teuer erkauft“ nennt er die Energie-Wende da und meint damit: zu teuer erkauft. „Die im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohen Energie-Kosten gefährden Deutschlands Zukunft als Industrie-Standort“, warnt Große Entrup und konstruiert einen Zusammenhang zwischen diesen Aufwendungen und dem Rückgang von Investitionen im Land. Der BAYER-Mann, der dem CDU-Wirtschaftsrat angehört und dort der Bundesfachkommission „Umweltpolitik“ vorsteht, fordert deshalb: „Angesichts explodierender Kosten ist eine marktwirtschaftliche und europäische Neuausrichtung der Energie- und Klimapolitik zwingend notwendig.“

PROPAGANDA & MEDIEN

Die Grenzen des Dialogs
„BAYER ist dafür bekannt, den Dialog auch mit besonders kritischen NGOs zu suchen“, meint das prmagazin beobachtet zu haben. Allerdings verlässt den Konzern dabei nach Meinung des Branchenblattes von Zeit zu Zeit das Finderglück. „Michael Preuss stößt im Dialog mit manchen NGOs an Grenzen“, heißt es in einem langen Artikel über den obersten Öffentlichkeitsarbeiter des Leverkusener Multis. Nach den Gründen befragt, antwortet Preuss: „Es wird immer Gruppen geben, deren Geschäftszweck es ist, uns zu kritisieren. Dann ist es relativ schwierig, auf irgendeinen gemeinsamen Nenner zu kommen.“ Damit meint er offensichtlich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. In ähnlichen Worten hatte sich nämlich schon Preuss’ Vorgänger Herbert Heitmann über die Coordination geäußert. Mit dem BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ (BUND) kam der Konzern ebenfalls nicht ins Gespräch. Er wollte mit der Umwelt-Organisation eigentlich über die geplante MONSANTO-Akquisition reden. Der BUND forderte aber erst einmal Informationen über die voraussichtlichen Markt-Anteile des Unternehmens bei Pestiziden und Saatgut nach Abschluss der Transaktion ein – und hörte dann nichts mehr von BAYER. Ein Tête-à-Tête mit VertreterInnen von NABU und WWF erfolgte hingegen. Ergebnisse allerdings waren nach Angaben der Umweltverbände am Ende des Tages nicht zu verzeichnen.

BAYERs Landwirtschafts-PR
Das zynische Monopoly-Spiel um Übernahmen und Fusionen, das zurzeit den Landwirtschaftssektor heimsucht, hat das Image des agro-industriellen Komplexes weiter ramponiert. Dem beabsichtigt der Leverkusener Multi jetzt entgegenzuarbeiten. „Um zur Versachlichung beizutragen“, wie das prmagazin fadenscheinig meint, will der Leverkusener Multi „verstärkt in eine gesellschaftliche Debatte über die Zukunft der Landwirtschaft einsteigen.“

BAYERs MIRENA-Netzwerk
BAYERs Hormonspirale MIRENA mit dem Wirkstoff Levonorgestrel steht seit Jahren wegen ihrer vielen Nebenwirkungen in der Kritik. Nicht zuletzt, um den Vorbehalten gegenüber den sogenannten Intrauterinsystemen entgegenzuarbeiten, hat der Leverkusener Multi im Gesundheitswesen ein umfangreiches Netzwerk aufgebaut. So hält er sich diverse medizinische Mietmäuler. Der Frauenheilkundler Dr. Thomas Römer etwa strich vom Leverkusener Multi 2015 56.000 Euro und 2016 rund 20.000 Euro ein. Dafür leitet er unter anderem ein ÄrztInnen-Gremium, das eindeutige Empfehlungen ausspricht. „Die Verhütung mit dem Levonorgestrel-Intrauterinsystem ist für viele Frauen eine gute Option und bietet gegenüber alternativen Methoden zahlreiche Vorteile“, heißt es in dem Konsensus-Statement „deutscher Experten aus Gynäkologie und Endokrinologie“. Kai J. Bühling hingegen zeigte sich für sein Berater-Geld erkenntlich, indem er sich für ein Werbe-Interview zur Verfügung stellte. „Hormonspirale & Co. passen perfekt ins Leben moderner Frauen“, tönt er etwa in dem Gespräch, das dann die auf „strategische Online- und Social Media PR“ spezialisierte GOERKE PUBLIC RELATIONS GmbH unter die Leute brachte. Zudem sponserte der Leverkusener Multi die zum „Berufsverband der Frauenärzte“ gehörende „Frauenärztliche Bundesakademie“. 194.210 Euro strich die Einrichtung, die unter anderem GynäkologInnen-Kongresse veranstaltet, vom Konzern 2015 nach Angaben des Recherche-Zentrums Correctiv ein. So viel zahlte ihr kein anderes Unternehmen. Und auch die „Deutsche Gesellschaft für Frauengesundheit“ erhielt 2015 einen Scheck vom Pillen-Riesen: 51.000 Euro überwies BAYER der Gesellschaft.

Marketing-Ausgaben steigen weiter
BAYER gibt immer mehr Geld für Marketing und Vertrieb aus. 2016 stiegen die Zahlen gegenüber dem Vorjahr von 12,27 auf 12,47 Milliarden Euro. Obwohl das mehr als 26 Prozent des Gesamtumsatzes entspricht, verweigert der Konzern der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den Hauptversammlungen seit Jahren eine genauere Aufschlüsselung dieser Ausgaben.

DRUGS & PILLS

HIV-Stiftung ohne BAYER
In den 1980er Jahren haben Blut-Produkte von BAYER & Co. zehntausende Bluter und andere PatientInnen mit AIDS und/oder Hepatitis C infiziert. Aus Profit-Gründen haben die Konzerne die Einführung von Virus-Inaktivierungsverfahren hinausgezögert und trotz aller Warnungen lange Zeit weiter das Blut von Risiko-Gruppen zur Herstellung ihrer Präparate verwendet. Darum blieb dem Leverkusener Multi in der Bundesrepublik kaum etwas anderes übrig, als sich 1995 gemeinsam mit anderen Pillen-Riesen und dem Deutschen Roten Kreuz finanziell an der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ zu beteiligen. Die Unternehmen rechneten dabei mit einem zeitlich befristeten Engagement. Diese Einschätzung erwies sich jedoch als falsch – die AIDS-Kranken lebten länger als erwartet. Darum gingen die Konzerne in der Folge dazu über, immer wieder um ihren Anteil am Etat zu feilschen. Mit Erfolg: Er sank mit den Jahren von 39 auf 22 Prozent. Jetzt aber erschien ihnen offensichtlich sogar das zu viel. Obwohl BAYER-Chef Werner Baumann auf der letzten Hauptversammlung dem Bluter Thomas Gabel noch versicherte, „mit dem Gesundheitsministerium in konstruktiven Gesprächen über die weitere Beteiligung der Pharma-Industrie an der Sicherung der Zukunft der Stiftung“ zu sein, stellten die Firmen de facto ihr Mitwirken ein. Deshalb war die Bundesregierung gezwungen, das HIV-Hilfegesetz zu überarbeiten. Der entsprechende Änderungsantrag lautete: „Die Nummern 1 bis 4 werden gestrichen. Eingefügt wird der Satz ‚Die Mittel für die finanzielle Hilfe werden vom Bund aufgebracht.’“ Und zur Begründung hieß es: „Da es zunehmend schwieriger wird, weitere Finanzierungszusagen von den pharmazeutischen Unternehmen und dem DRK zu erhalten (...), soll der Bund die Finanzierung zukünftig sicherstellen.“

AGRO & CHEMIE

Glyphosat: Kalifornien handelt
Es gibt eindeutige Belege dafür, dass das Pestizid Glyphosat Krebs auslösen kann. Dennoch ist es MONSANTO & Co. – nicht zuletzt durch gekaufte WissenschaftlerInnen – gelungen, Zweifel daran zu säen. Der US-amerikanische Bundesstaat Kalifornien hat sich in dem Streit um den Wirkstoff, der auch in vielen BAYER-Produkten enthalten ist, jetzt eindeutig positioniert. Er stufte die Substanz als potenziell karzinogen ein, weshalb die Hersteller vermutlich bald entsprechende Warnhinweise auf den Packungen aufbringen müssen. MONSANTO nannte die Entscheidung wenig überraschend „ungerechtfertigt auf der Basis von Wissenschaft und Gesetz“ und kündigte rechtliche Schritte an.

GENE & KLONE

BAYER & MONSANTO vs. Indien
Die indische Regierung hat im Juni 2017 ein Gesetz zur Senkung der Lizenz-Gebühren für gen-manipuliertes Baumwoll-Saatgut erlassen. Erwartungsgemäß laufen MONSANTO, BAYER & Co. dagegen Sturm. MONSANTO kündigte an, in Zukunft keine neuen Produkte mehr in dem Land zu vermarkten. Und der Leverkusener Multi mahnte: „Ein förderliches politisches Umfeld, starke Unterstützung durch die Regierung und ein verlässlicher Schutz des geistigen Eigentums sind sehr wichtig für ein Forschungsunternehmen wie BAYER.“

Persilschein für BAYER-Baumwolle
Die EU prüft zurzeit eine Import-Zulassung für BAYERs Gentech-Baumwolle „GHB119“, die der Leverkusener als Lebens- und Futtermittel vermarkten will. Und die Europäische Lebensmittel-Behörde EFSA stellte der Labor-Frucht in ihrer Risiko-Bewertung einen Persilschein aus. Das Gentech-Erzeugnis, das gegen das gesundheitsschädliche Herbizid Glufosinat resistent ist und den für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis (Bt) enthält, wirft nach Meinung der WissenschaftlerInnen keinerlei Sicherheitsfragen auf. Den ExpertInnen zufolge unterscheidet das Gewächs sich gar nicht von herkömmlicher Baumwolle. Die ihm mittels Gentechnik eingepflanzten Proteine haben laut EFSA nicht das Potenzial, giftig zu wirken und/oder Allergien auszulösen. Auch die Gefahr von Auskreuzungen sieht die Behörde nicht. Die Initiative TESTBIOTEST kommt dagegen zu einer ganz anderen Einschätzung. So verweist sie auf die Ergebnisse von Feldversuchen mit der Pflanze, in denen ForscherInnen sie mit den Eigenschaften ihres konventionellen Pendants verglichen und bis zu 24 Abweichungen festgestellt haben. Überdies schenkten die EFSA-WissenschaftlerInnen den Effekten der Bt-Toxine – wie zum Beispiel Wechselwirkungen mit anderen Stoffen – nach Ansicht von TESTBIOTEST nicht genügend Aufmerksamkeit. Zudem verweist die Organisation auf Studien, die den Toxinen sehr wohl ein allergenes Potenzial attestierten. Die Risiken, die von möglichen Glufosinat-Rückständen in der Baumwolle ausgehen, haben in der Bewertung ebenfalls keine Rolle gespielt, moniert TESTBIOTEST. Und schließlich werfen die Gentech-KritikerInnen der EFSA vor, Forschungen zu Auskreuzungen von gen-manipulierter Baumwolle ignoriert zu haben.

Stammzellen-Forschung mit BLUEROCK
„Die Möglichkeiten sind grenzenlos“, so schwärmte im Jahr 2001 BAYERs damaliger Chef-Pharmazeut Wolfgang Hartwig über die Chancen, die Stammzellen bieten. Aus ihnen wollten die GenforscherInnen des Konzerns zahlreiche Zelltypen oder Gewebe-Arten für medizinische Anwendungen entwickeln. Aber es hat sich rasch Ernüchterung über das Potenzial dieses Forschungszweigs eingestellt, und der Leverkusener Multi stoppte bald alle Aktivitäten auf diesem Gebiet. Jetzt jedoch wagt er einen neuen Anlauf. Der Pharma-Riese gründete gemeinsam mit der Investment-Gesellschaft VERSANT VENTURES das Unternehmen BLUEROCK THERAPEUTICS und stattete es mit 225 Millionen Dollar aus. Dafür erhofft sich der Global Player die Entwicklung von „zell-basierten Therapien“ für Herz/Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer und Parkinson.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYER schädigt Ozonschicht
Seit Jahren schon sorgt hauptsächlich ein einziges Werk des Leverkusener Multis für den ganzen Ausstoß an ozon-abbauenden und deshalb klima-schädigenden Substanzen: die Niederlassung der Agro-Sparte im indischen Vapi. Und seit Jahren schon schraubt der Konzern auch ein bisschen an der Fertigungsstätte rum, so dass die Werte immer ein bisschen sinken. Aber 2016 summierten sie sich trotzdem noch auf neun Tonnen (2015: 11,7).

1.120 Tonnen flüchtige Substanzen
Auch BAYERs flüchtige organische Substanzen entstammen hauptsächlich dem Werk im indischen Vapi. Im Zuge der „Work in Progress“-Sanierung ging der Ausstoß dieser gesundheitsschädlichen Gase ebenso wie derjenige der ozon-abbauenden Stoffe (s. o.) 2016 etwas zurück. Von 1.610 auf 1.120 Tonnen sank der Wert.

Kaum weniger Stickstoff & Co.
Der Ausstoß von Stickstoffoxiden, Schwefeldioxiden, Staub und Kohlenmonoxid hat sich bei BAYER 2015 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Die Emissionen von Stickstoffoxiden fielen geringfügig von 2.420 Tonnen auf 2.360 Tonnen ebenso wie diejenigen von Schwefeldioxiden. Diese reduzierten sich von 1.170 Tonnen auf 990 Tonnen. Der Konzern wirbelte auch weniger Staub auf. Die Werte sanken von 230 auf 160 Tonnen. Dafür erhöhte sich jedoch der Kohlenmonoxid-Ausstoß um 70 auf 1.000 Tonnen.

BAYERs großer Durst
Der Leverkusener Multi hat einen enormen Wasser-Durst. Auf 330 Millionen Kubikmeter bezifferte er seinen Konsum im Jahr 2014, in den zwölf Monaten zuvor waren es sogar 346 Millionen gewesen. Zum Vergleich: Das ist mehr als das Dreifache dessen, was die ganze Stadt Köln verbraucht. Rund drei Viertel des Wassers gehen als Kühlwasser drauf, ein Viertel verwendet der Konzern in der Produktion. Und erschwerend kommt noch hinzu, dass die Wiederaufbereitungsquote verschwindend gering ist: Mit 11,8 Millionen Kubikmetern recycelte das Unternehmen gerade einmal vier Prozent des Kühlwassers.

BAYERs Abwasser-Frachten
2016 produzierte der Leverkusener Multi mit 60 Millionen Kubikmetern Abwasser eine Million weniger als 2015. Der Phosphor-Eintrag sank von 100 auf 90 Tonnen und der von organischem Kohlenstoff von 1.160 auf 1.140 Tonnen. Auch Schwermetalle fanden sich etwas weniger im Wasser. Der Wert reduzierte sich von 64 auf 54 Kilogramm. Dagegen legten die Einleitungen von Stickstoff und Anorganischen Salzen zu. Sie stiegen von 560 auf 570 Tonnen bzw. von 927.000 auf 931.000 Tonnen.

BAYER produziert mehr Müll
Im Jahr 2016 produzierte BAYER mehr Müll als 2015. Von 940.000 auf 958.000 Tonnen erhöhte sich die Gesamtmenge. Darunter befanden sich 547.000 Tonnen gefährlicher Abfall. Um 6.000 Tonnen stieg dessen Aufkommen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Brandgefährliche Wärmedämmung
79 Menschen starben im Juni 2017 bei dem verhängnisvollen Hochhaus-Brand im Londoner Stadtteil North Kensington. Eine fatale Rolle bei dem Feuer im Grenfell Tower spielte die Fassaden-Dämmung. Sie bestand aus Polystyrol, besser bekannt als Styropor, das als Brandbeschleuniger wirkte. Wärmedämmungsmaterialien aus Kunststoff bietet auch die BAYER-Tochter COVESTRO an. Sie setzt dabei jedoch nicht auf Polystyrol, sondern auf Polyurethan. Diese Substanz bildet unter großer Hitze-Einwirkung zwar nicht wie das Polystryrol brennenden Tropfen, die das Feuer weiterverbreiten können, aber sie hat es ebenfalls in sich. Die Polyurethane gehören mit „normal entflammbar“ oder „schwer entflammbar – je nach Verarbeitung oder Präparierung – nämlich denselben Brandschutz-Klassen an wie die Polystyrole. Und wie die Polystyrole wirkten sie bereits dabei mit, aus Hochhäusern flammende Infernos zu machen, so etwa im Jahr 2010 beim Brand eines Wolkenkratzers in Shanghai, bei dem 58 Menschen starben, und 2009, als sich in Peking der noch im Bau befindliche TV- und Kultur-Center entzündete. Auch in Kensington selber waren die Substanzen mit im Spiel. Sie steckten als Isolationsmaterial in dem Kühlschrank, der das Feuer auslöste, und sorgten für eine schnellere Verbreitung der Flammen. Weil in England jährlich rund 300 Haus-Brände auf das Konto von mit diesen Kunststoffen bestückten Eisschränken oder Gefriertruhen gehen, hat die „London Fire Brigade“ die Politik zum Handeln aufgefordert. Sie verlangte unter anderem das Verbot der Verwendung von Polyurethanen als Isoliermaterial in Haushaltsgeräten.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Vier tödliche Arbeitsunfälle
Insgesamt ereigneten sich im Jahr 2016 bei BAYER 489 meldepflichtige, also schwerwiegendere Arbeitsunfälle. Vier davon verliefen tödlich. Zwei Belegschaftsangehörige des Leverkusener Multis kamen durch Verkehrsunfälle ums Leben, und zwei Beschäftigte von Fremdfirmen starben durch Stürze.

14 anerkannte Berufskrankheiten
Lange Zeit machte BAYER überhaupt keine Angaben zu Berufskrankheiten mehr. Im Geschäftsbericht von 2016 hingegen nennt der Konzern wieder eine Zahl. 14 im Berichtszeitraum gemeldete Fälle zählt er auf und gibt vor allem Gesundheitsstörungen, die „den Bewegungsapparat betrafen (z. B. durch Computer-Arbeit oder Heben)“ an. Es dürften jedoch viel mehr sein, denn der Global Player erwähnt nur die von den Berufsgenossenschaften als arbeitsplatz-bedingt anerkannten Erkrankungen – und das sind nicht viele. 80 Prozent der Anträge lehnen die Einrichtungen, in deren Beschluss-Gremien die Unternehmen über die Hälfte der Stimmen verfügen, ab.

Entzündlicher Stoff tritt aus
Am 3.4.16 ereignete sich am BAYER-Standort Kiel ein Umfall. In dem Werk, das veterinär-medizinische Produkte hergestellt, trat entzündlicher flüssiger Abfall aus.

Leckage in Wuppertal
Am 18.4.16 kam es im Wuppertaler Pharma-Betrieb BAYERs zu einem Unfall. An einem Kanal-Schacht entstand eine Leckage, aus der eine größere Menge Abwasser in einen Fluss gelangte.

Diesel im Abfluss-Kanal
Am pakistanischen BAYER-Standort Karachi geschah am 23.6.16 beim Umfüllen von Diesel ein Unfall, in deren Folge 2.000 Liter des Treibstoffs in einen Abfluss-Kanal gerieten.

Lösemittel-Austritt in Antwerpen
Im Antwerpener Werk der BAYER-Tochter COVESTRO trat am 28.7.16 bei der Inbetriebnahme einer Pumpe ein Lösemittel aus. Nach Angaben des Leverkusener Multi wurde es „nach Absprache mit den Behörden fachgerecht entsorgt“.

Viele Transport-Unfälle
Beim Transport von gefährlichen BAYER-Gütern kam es 2016 zu 12 „Ereignissen“, wie der Leverkusener Multi die Beinah-Katastrophen zu bezeichnen beliebt. Und damit nicht genug der Sprach-Kosmetik, spricht der Konzern seit Neuestem auch nur noch von „Produkt-Austritten“, wo er in früheren Geschäftsberichten noch die Substanz nannte, die ins Freie gelangte.

BAYSANTO & MONSAYER

Kritik an Fusionskontrolle

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Die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, das FORUM UMWELT UND ENTWICKLUNG, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und weitere Verbände haben massive Zweifel daran, ob die EU-Wettbewerbsbehörde willens und in der Lage ist, mit den geeigneten Mitteln auf BAYERs Plan, MONSANTO zu schlucken, zu reagieren. Darum haben die Initiativen gemeinsam eine Streitschrift gegen die Ohnmacht der Wettbewerbskontrolle herausgegeben, die den Titel „Fusion von BAYER & MONSANTO“ trägt. Untersagt hat die Europäische Union der Publikation zufolge im Jahr 2015 nämlich keinen einzigen der 300 von ihr überprüften Deals. Nur in 18 Fällen erfolgten Auflagen. Auch spielten die Auswirkungen der Transaktionen auf die Belegschaften und auf die Umwelt keinerlei Rolle. Überdies analysierten die WettbewerbshüterInnen nicht die möglichen Effekte der Übernahmen und Fusionen auf Länder des globalen Südens. „Eine Verschärfung der Fusions- und Missbrauchskontrolle ist unerlässlich, um die Markt-Macht der Multis zu begrenzen“, lautet deshalb das Resümée der AutorInnen. Sie fordern unter anderem ein Trennungsgebot, das es den Unternehmen nicht länger erlaubt, gleichzeitig dominierende Stellungen im Saatgut-, Gentechnik- und Pestizid-Bereich aufzubauen. Auch verlangen sie, die gehaltenen Patente in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Und schließlich tritt die Streitschrift für die Einrichtung einer Welt-Kartellbehörde ein.

Kritik an Fusionskontrolle

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Bei den bisherigen Genehmigungsverfahren zu den Mega-Deals in der Agro-Branche hat die Wettbewerbsbehörde der EU außer-ökonomischen Kriterien zu wenig Beachtung geschenkt. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das Dr. Boris P. Paal von der Universität Freiburg im Auftrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erstellt hat. Nach Ansicht Paals bietet die Fusionskontroll-Verordnung (FKVO) eine ausreichende Handhabe dafür, um bei der Prüfung der Übernahmen und Fusionen beispielsweise ökologischen Aspekten mehr Geltung zu verschaffen. Der Jurist verweist dazu besonders auf den Artikel 2 der Verordnung. BAYERs Plan, MONSANTO zu übernehmen, droht Paal zufolge nämlich das, was dort unter „wirksamer Wettbewerb“ gefasst ist, in Bezug auf die Ernährungssicherheit, die Biodiversität und den Gesundheitsschutzes zu gefährden. „Die EU-Kommission ist somit (auch) im Fall BAYER/MONSANTO gehalten, außer-ökonomische Ziele in das Fusionskontroll-Verfahren mit einzubeziehen“, hält der Gutachter fest. Und nach Artikel 21 der FKVO besteht laut Paal sogar für die Bundesregierung eine Handlungsmöglichkeit, denn gemäß dieses Paragrafens können die Mitgliedsstaaten „geeignete Maßnahmen zum Schutz anderer berechtigter Interessen als derjenigen treffen, die in der FKVO selbst berücksichtigt werden“. Und nicht nur die Umwelt braucht Schutz vor Baysanto. Auch die Beschäftigten, die LandwirtInnen und die VerbraucherInnen benötigen ihn.

CCI hat Nachforderungen
Der indischen Wettbewerbsbehörde CCI reichten die Unterlagen nicht aus, die BAYER zur Genehmigung der MONSANTO-Akquisition eingereicht hatte. Sie forderte den Global Player deshalb auf, Informationen nachzuliefern. „Wir sind mit der Antitrust-Behörde im Dialog über die Vollständigkeit des Daten-Paketes“ – mit diesen Worten kommentierte der Leverkusener Multi das Schreiben der CCI und wollte sich zu näheren Details nicht äußern.

Kritik an Mega-Deals

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Zwei US-amerikanische Landwirtschaftsverbände haben massive Kritik an den Fusionen und Übernahmen geübt, die BAYER und andere Unternehmen zurzeit planen. „Zutiefst beunruhigende Auswirkungen“ werden die Deals nach Einschätzung des Verbandes der afro-amerikanischen LandwirtInnen „National Black Farmers Association“ (NBFA) und der Geflügel-FarmerInnen von der „Contract Poultry Growers Association of the Virginias“ (CPGAVA) haben. Von einem „Desaster für die US-amerikanischen Landwirte und Konsumenten, die sich auf höhere Lebensmittelpreise und weniger Innovationen einstellen müssen“ sprechen John Boyd Jr. von der NBFA und Mike Weaver von der CPGAVA. Besonders vor „Baysanto“ haben die beiden Angst. „Dieses Unternehmen hätte eine enorme Macht“, schreiben sie in der Online-Publikation The Hill. Mit Verweis auf die seit den 1980er Jahren eh schon immens gewachsenen Kosten für Soja-Saatgut, denen nur gering gestiegene Ernte-Einnahmen gegenüberstehen, warnen Boyd und Weaver vor einer Existenz-Gefährdung der FarmerInnen durch das Vorhaben des Leverkusener Multis, den US-Konzern zu schlucken. „Die geplante Fusion zwischen BAYER und MONSANTO könnte der Todesstoß sein“, so die Verbandschefs.

Kritik an Mega-Deals

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Nach einer Umfrage, die SumOfus und FRIENDS OF THE EARTH in Auftrag gegeben haben, lehnen über 80 Prozent der US-AmerikanerInnen – darunter auch ein Großteil der Trump-WählerInnen – BAYERs Plan, MONSANTO zu übernehmen, ab. Einhellig befürchten die Befragten negative Auswirkungen auf die Arbeitsplätze, die Situation der LandwirtInnen, die Nahrungsmittel-Qualität und die Umwelt.

Kritik an Mega-Deals

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Auch der diesjährige Evangelische Kirchentag, der vom 24. bis zum 28 Mai in Berlin und Wittenberg stattfand, beschäftigte sich mit der von BAYER geplanten Übernahme des US-Unternehmens MONSANTO und anderen Mega-Deals in der Agro-Branche. Die AGRAR KOORDINATION sammelte dort, unterstützt von AktivistInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, eifrig Unterschriften für eine Resolution gegen die ganzen Transaktionen. Und wirklich kamen auch genug UnterzeichnerInnen zusammen, so dass es vom Kirchentag aus heißen konnte: „Wir rufen die Europäische Kommission und das Kartellamt auf, die aufgeführten Zusammenschlüsse, auch unter hohen Auflagen, NICHT ZU GENEHMIGEN! Die Bundesregierung rufen wir auf, die Regeln für den Wettbewerb auch in Deutschland zu verbessern und solche Markt-Konzentrationen nicht zu erlauben.“

BAYER verkauft LIBERTY
Von vornherein hatte BAYER damit gerechnet, sich im Zuge der geplanten MONSANTO-Übernahme von Unternehmensteilen trennen zu müssen, um von den Kartell-Behörden die Genehmigung für den Deal zu erhalten. Kalkulierte der Leverkusener Multi als Opfergabe zunächst ein Sortiment in einem Umfang von bis zu 1,6 Milliarden Dollar Umsatz ein, so erhöhte er den Betrag später noch einmal auf 2,5 Milliarden. Im Frühjahr 2017 benannte er dann erstmals einzelne Produkte. So stellte die Aktien-Gesellschaft ihre Gentech-Pflanzen der LIBERTY-Produktreihe mitsamt dem auf sie abgestimmten Herbizid Glufosinat zur Disposition. Auch Raps-und Baumwoll-Saatgut steht zum Verkauf. Aber all das ändert nichts daran, dass der Global Player durch die Zusammenlegung der Geschäfte mit dem US-Konzern eine markt-beherrschende Position im Agrar-Sektor erlangen würde.

Schlechte Agro-Geschäfte
Auf dem Townhall-Meeting in der Kölner Universität, das am 27. April im Rahmen der Hauptversammlungsaktionen gegen den Plan des Leverkusener Multis, MONSANTO zu übernehmen, stattfand, wertete der australische Öko-Bauer und Präsident von IFOAM ORGANICS INTERNATIONAL, Andre Leu, die vielen Übernahmen und Fusionen im Agrar-Bereich als Zeichen der Schwäche von BAYER & Co. Und tatsächlich hat die Branche bereits seit Jahren mit schlechten Zahlen zu kämpfen. So musste BAYER-Chef Werner Baumann in seiner Hauptversammlungsrede festhalten: „Für unsere Division Crop Science blieb das Markt-Umfeld im vergangenen Jahr weiterhin schwach, vor allem in Lateinamerika.“ Sowohl die Umsätze als auch die Gewinne gingen nominell von 10,1 auf 9,9 Milliarden Euro bzw. 2,6 auf rund 2,3 Milliarden Euro zurück und konnten nur dank positiver Währungseinflüsse marginal zulegen. Unter anderem wegen solcher Bilanzen hoffen die Konzerne auf profit-steigernde Synergie-Effekte durch Akquisitionen.

Von MONSANTO lernen
BAYER-Chef Werner Baumann hat an der Unternehmenspolitik von MONSANTO nichts auszusetzen. Für die Praxis des US-Konzerns, LandwirtInnen Lizenz-Verträge für Saatgut aufzuzwingen, findet er nur Worte des Lobes. „MONSANTO hat ein völlig neues Geschäftsmodell etabliert und marktfähig gemacht“, konstatiert der Vorstandsvorsitzende. Er findet auch nichts dabei, die Gerichte zu bemühen, falls die Bauern und Bäuerinnen das Saatgut im nächsten Jahr wieder aussäen, ohne zu zahlen. „Wenn man ein solches Verhalten als Unternehmen toleriert, entzieht man dem Geschäftsmodell die Basis. MONSANTO hat nur seine Rechtsposition verteidigt“, meint der Große Vorsitzende. Und gegen Glyphosat hat Baumann ebenfalls nichts. Auch der Leiter von BAYERs Pharma-Sparte, Dieter Weinand, hält große Stücke auf die Firma aus St. Louis und drohte an, deren Expertise für Neuentwicklungen im Pharma-Bereich zu nutzen. „Unsere Wissenschaftler können da etwas von MONSANTO lernen“, sagte Weinand. Und das Knowhow des Agro-Riesen auf dem Sektor des „Digital Farming“ will er ebenfalls auf Drugs & Pills übertragen.

BAYERs MONSANTO-PR
BAYERs Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit, die rund 400 Beschäftigte zählt, hat sich schon Monate vor der Bekanntgabe des Konzern-Vorhabens, MONSANTO schlucken zu wollen, auf den Coup vorbereitet und eine Medien-Strategie ausgearbeitet. Die Text-Bausteine, die seither immer wieder aus dem Munde des Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann quellen – die Übernahme trage zur Sicherheit der globalen Lebensmittel-Versorgung bei; BAYER wisse um das schlechte Image des US-Unternehmens; der Konzern wolle niemandem die Gentechnik aufzwingen; die Akquisition bedrohe den Wettbewerb nicht; es gehe bei dem Deal nicht um Kosten-Senkung, sondern um Wachstum – hatten die ÖffentlichkeitsarbeiterInnen bereits lange bevor die Kauf-Pläne im Mai 2016 publik wurden, fertiggestellt. „Die minutiöse Vorbereitung erwies sich als großer Vorteil, denn nachdem die Übernahme-Gespräche bestätigt waren, ließ sich die PR-Maschine schnell anwerfen“, lobt das Fachblatt prmagazin.

BAYER interveniert beim WDR
Immer wieder setzt der Leverkusener Multi Presse, Funk und Fernsehen unter Druck, weil er sich falsch dargestellt wähnt. Aktuell passte dem Konzern die journalistische Arbeit des WDR in Sachen „BAYER-Hauptversammlung“ nicht. „Viele Medien berichteten ausgewogen über die Proteste, der WDR allerdings veröffentlichte einen Film-Beitrag, der ohne jede Einordnung nur die Position der Demonstranten wiedergab“, klagt der Global Player in seiner Haus-Postille direkt. Darum intervenierte er umgehend bei der Pressestelle des Senders.

RECHT & UNBILLIG

Klage wg. SIVANTO
BAYER hat als Alternative zu den wegen ihrer Bienengefährlichkeit von der EU mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegten Pestiziden GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) das Produkt SIVANTO entwickelt. Dessen Inhaltsstoff Flupyradifuron gehört zwar nicht wie Imidacloprid und Clothianidin zur Gruppe der Neonicotinoide, er ähnelt diesen Substanzen jedoch in seiner Funktionsweise. Wie diese Chemikalien wirkt Flupyradifuron systemisch, also gegen eine Vielzahl von Schadinsekten. Und wie diese Neonicotinoide blockiert das zu den Butenoliden zählende Mittel bei den Tieren die Reiz-Weiterleitung an den Nervenbahnen. Deshalb bestehen massive Zweifel daran, ob SIVANTO wirklich so „bienenfreundlich“ ist, wie der Leverkusener Multi behauptet. Trotzdem erhielt er für das Produkt in den USA bereits eine Genehmigung. Nach Informationen des Münchner Umweltinstituts hat der Agro-Riese auch in der Bundesrepublik einen Antrag eingereicht. Genauere Informationen dazu rückt das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ aber nicht raus. Darum hat das Umweltinstitut die Behörde jetzt verklagt.

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2017

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG-Jahrestagung 2016
Aus gegebenem Anlass widmete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre diesjährige Jahrestagung dem Thema: „BAYER/MONSANTO – Tod auf den Äckern, Gifte im Essen“. Zu Beginn referierte Uli Müller von LobbyControl über die vielfältigen Möglichkeiten der Agro-Riesen., Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP, das die EU und die USA zurzeit verhandeln, hatten die Konzerne Müller zufolge „auf beiden Seiten die Finger im Spiel“. Über ihre Lobby-Organisationen wie die „European Crop Protection Association“ oder „Croplife America“ versuchten die Multis beiderseits des Atlantiks, niedrigere Auflagen für Pestizide und Gen-Pflanzen durchzudrücken. Und Brüssel diente sich ihnen dabei zu allem Übel auch noch als williger Helfer an. Dies belegte der Politikwissenschaftler mit Zitaten aus Briefwechseln. So erbat die Europäische Kommission von BAYER & Co. etwa Informationen darüber, „wie wir die Rahmenbedingungen für die Industrie verbessern können“. Der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold widmete sich anschließend dem Agrar-Markt der EU. Am Beispiel einer Studie über Saatgut zeichnete er die Entwicklung zu einer immer größeren Konzentration der Anbieter nach, die mit den angekündigten Zusammenschlüssen von BAYER/MONSANTO, DOW/DUPONT und SYNGENTA/CHEMCHINA einem vorläufigen Höhepunkt zustrebt. Die bei der Europäischen Kommission für die Prüfung der Deals verantwortliche Wettbewerbskommissarin Margrethe Verstager versicherte dem einstigen ATTAC-Aktivisten, die Untersuchung werde bei dem Verfahren eine Rolle spielen. Giegold setzt auf solche Einflussmöglichkeiten und plädierte im Übrigen für eine Arbeitsteilung zwischen parlamentarischen und außerparlamentarischen Initiativen: „Den Lärm müsst ihr machen.“ Dazu erklärte sich der neue CBG-Geschäftsführer Toni Michelmann zu Beginn seines Vortrags auch gerne bereit. Mit dem Bekenntnis: „Ich bin zum Krawall machen hier“ begann er seinen Vortrag. Dann skizzierte er die ungeheure Macht des Leverkusener Unternehmens und gab ein Bild davon, was der Menschheit blüht, wenn es dem Global Player gelingen sollte, sich MONSANTO einzuverleiben: Eine durch Glyphosat & Co. vergiftete Welt mit grünen Wüsten, auf denen nichts mehr kreucht und fleucht. Der Chemiker zeigte sich jedoch guter Hoffnung, dass es nicht so weit kommt. Er berichtete vom Den Haager MONSANTO-Tribunal und der angegliederten People’s Assembly, wo die CBG viele Kontakte knüpfte und zur nächsten BAYER-Hauptversammlung bereits konkrete Aktionen gegen die „Hochzeit des Todes“ verabredete. Und so traten die rund 60 BesucherInnen der CBG-Jahrestagung ihre Heimreise am Abend dann in dem Bewusstsein an, dem Monopoly-Spiel der Agro-Riesen nicht hilflos ausgeliefert zu sein.

ForscherInnen für GAUCHO-Stopp
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) haben einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben. Die EU hat einige dieser Agrochemikalien deshalb schon mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Vielen WissenschaftlerInnen reicht dies jedoch nicht aus. In einer „Resolution zum Schutz der mitteleuropäischen Insektenfauna, insbesondere der Wildbienen“ fordern 77 BiologInnen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) deshalb auf, „ein vollständiges Verbot von Neonicotinoiden, mindestens aber ein vollständiges, ausnahmsloses Moratorium für ihren Einsatz bis zum wissenschaftlich sauberen Nachweis ihrer Umweltverträglichkeit“ zu erlassen. Zudem verlangen die ForscherInnen in dem Schriftstück Maßnahmen zur Erhöhung der Strukturvielfalt von Kulturlandschaften und ein Insekten-Langzeitmonitoring.

Aktion bei BAYER in Belgien
Am 4. November 2016 schlug am BAYER-Sitz im belgischen Diegem die Natur zurück. Verkleidet in Tier-Kostüme, statteten AktivistInnen der Initiative EZLN der Niederlassung des Leverkusener Multis einen Besuch ab und gestalteten die Eingangshalle mit etwas Laub, Erde und Geäst um. Zudem brachten die EZLNlerInnen ein Transparent mit der Aufschrift „BAYER-MONSANTO – TTIP kills life“ an. Damit protestierten sie gegen das zwischen der EU und den USA geplante Freihandelsabkommen, das niedrigere Standards bei der Regulierung von Pestiziden, hormon-wirksamen Substanzen und anderen Stoffen vorsieht und aus eben diesen Gründen von den Konzernen mit aller Lobby-Macht vorangetrieben wird. „Es ist dringend nötig, die Einflussnahme des Privatsektors auf die Politik zu stoppen“, erklärte die Organisation, dabei nicht nur auf TTIP, sondern auch auf die Obstruktion des Klimaschutzes verweisend.

Petition gegen Hormon-Gifte
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinander wirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie RUNNER, PROVOST OPTI, FOLICUR und NATIVO oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassung verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Definition der Pseudo-Hormone – sogenannter „endokriner Disruptoren“ (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Die Bestimmungen kehren jedoch die Beweislast um und fordern eindeutige Belege für die gesundheitsschädliche Wirkung der EDCs; ein plausibler Verdacht reicht Juncker & Co. nicht aus. Da dies nicht dem Vorsorge-Prinzip entspricht, hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK die Online-Petition „Gesundheit geht vor – Hormon-Gifte stoppen“ initiiert, welche der BUND, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und zahlreiche andere Initiativen mittragen. So konnte das Bündnis der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am 30.11.2016 rund 100.000 Unterschriften übergeben.

Petition gegen CIPROBAY & Co.
BAYERs CIPROBAY hat ebenso wie andere Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Am häufigsten treten Gesundheitsstörungen im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen oder des Nervensystems auf. Aber auch Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten und Leber- oder Nierenversagen zählen zu den Risiken. Bundesdeutsche Geschädigte haben nun auf der „We act“-Plattform des Aktionsnetzwerks CAMPACT eine Petition veröffentlicht. Darin fordern sie das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) und die europäische Arzneimittel-Behörde EMA auf, mehr Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Sie verlangen von den Institutionen, den Einsatz der zu den Reserve-Antibiotika zählenden Mittel auf lebensbedrohliche Situationen zu beschränken. BAYER & Co. müssten zudem zum Anbringen eines Warn-Symbols auf den Packungen und zu Unverträglichkeitstests vor dem Verschreiben der Arzneien gezwungen werden, so die AktivistInnen. Anfang Oktober 2016 hatten schon über 2.000 Personen die Petition unterschrieben.

KAPITAL & ARBEIT

Entlassungen in Mission Bay
BAYER stellt am Standort Mission Bay nahe San Francisco die Forschungen zu Blut- und Augenkrankheiten ein und streicht die Stellen der WissenschaftlerInnen, die auf diesen Gebieten gearbeitet haben.

Werksfeuerwehr-Leute bessergestellt
Seit Jahren kämpft die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE um eine Besserstellung der Beschäftigten bei den Werksfeuerwehren. Schon im Jahr 2014 kam es in der Sache zu einer Protest-Veranstaltung vor dem BAYER-Casino. Aber die Chemie-Industrie schaltete immer auf stur. Darum musste sich eine höhere Instanz damit befassen: Zum ersten Mal seit 20 Jahren traten die „Tarifpartner“ der Branche in ein Schlichtungsverfahren ein. Und erst im Zuge dieses Prozederes zeigten sich BAYER & Co. zu Zugeständnissen bereit. Sie garantieren nun den Feuerwehr-Leuten – allein bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA arbeiten rund 360 – Ersatz-Arbeitsplätze, wenn diese aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sein sollten, die anspruchsvolle Tätigkeit auszuüben. Auch Zuschläge für Nacht-Einsätze und sonntägliche Dienste zahlen die Unternehmen jetzt.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Arzneitests in Kinderheimen
Ausgehend von den Recherchen der Pharmazeutin Sylvia Wagner machen seit einiger Zeit Meldungen über Arznei-Tests in Kinderheimen und Jugend-Psychiatrien Schlagzeilen, die zwischen den 1950er und 1970er Jahren stattfanden. Ende November 2016 stießen ReporterInnen des NDR auf Unterlagen des Landeskrankenhauses Schleswig, die Versuche auch mit BAYER-Medikamenten dokumentieren (siehe auch SWB 1/17). So erprobten MedizinerInnen der jugendpsychiatrischen Abteilung zwei Pharmazeutika des Pillen-Riesen, ohne dafür eine Einwilligung der ProbandInnen oder ihrer Erziehungsberechtigten eingeholt zu haben. Das Neuroleptikum MEGAPHEN mit dem Wirkstoff Chlorpromazin testeten die ÄrztInnen als Therapeutikum gegen zu „zappelige“ SchülerInnen. 23 „anstaltsgebundenen Sonderschul-Kindern“ verabreichten sie es. Das Neuroleptikum AOLEPT mussten sogar 141 Kinder und Jugendliche schlucken. Dabei zeigten sich gravierende Nebenwirkungen wie etwa „Muskelverkrampfungen an den Augen, des Rückens und der mimischen Muskulatur“. Die Kieler Medizin-Ethikerin Alena Buyx hält die Praxis sogar nach damaligen Maßstäben für höchst problematisch. „Das ist ethisch unzulässige Forschung“, urteilte sie in dem NDR-Bericht.

IG FARBEN & HEUTE

IG-Manager bleibt KIT-Ehrensenator
Über ihren Nachruhm können sich viele Manager des von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzerns IG FARBEN nicht beklagen. So lebt etwa Carl Wurster nicht nur im Straßenbild von Ludwigshafen weiter, wo ein Platz nach dem ehemaligen Wehrwirtschaftsführer benannt ist. Beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat es der Chemiker, der für die IG im Aufsichtsrat des Zyklon B-Produzenten DEGESCH saß, sogar zum Ehrensenator gebracht. Davon ließ sich das KIT nicht einmal durch massive Proteste abbringen. Es bedauert zwar, „dass es Ehrungen von Personen gab, die in Aktivitäten des nationalsozialistischen Unrechtsstaats verstrickt waren“, ist aber dennoch „der vorherrschenden Rechtsauffassung gefolgt, dass die Ehrung als höchstpersönliches Recht mit den Tod des/der Geehrten erlischt und damit eine nachträgliche Aberkennung faktisch nicht mehr möglich ist“.

POLITIK & EINFLUSS

Hannelore Kraft bei BAYER
Am 7. Dezember 2016 feierte der BAYER-Konzern das 125-jähriges Bestehen am Standort Leverkusen. Zu den GratulantInnen in seinem Erholungshaus konnte das Unternehmen auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft begrüßen. Wie bereits 2013 zum 150-jährigen Firmen-Jubiläum hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Ministerpräsidentin aufgefordert, in ihrem Geburtstagsständchen das lange Sündenregister des Global Players nicht auszuklammern. „Obwohl die Stadt Leverkusen Stammsitz eines der größten Konzerne der Welt ist, erlebt sie eine Rekord-Finanznot. Bei Schulen, Kinderbetreuung, Gesundheit und Freizeit – überall ist der Mangel spürbar. Die Kommune ist sogar auf die Unterstützung des Landes aus dem Stärkungspakt Stadtfinanzen angewiesen. Und das alles, weil BAYER sich durch „tausend legale Steuertricks“ um Abgaben in Millionen-Höhe drückt. Statt Lobreden erwarten wir deshalb Kritik von Hannelore Kraft“, hieß es in der Presseerklärung der CBG. Auch zu anderen dunklen Kapiteln aus der Firmen-Geschichte wie etwa der Rolle im Nationalsozialismus dürfe Kraft nicht schweigen, mahnte die Coordination. Aber die Sozialdemokratin entpuppte sich als Wiederholungstäterin und sprach die heiklen Themen wie schon 2013 nicht an. Stattdessen stand sie in Treue fest zu BAYER. „Wir sind ein Industrieland. Und wir wollen es bleiben“, konstatierte Hannelore Kraft. Die Ministerpräsidentin versprach, den Leverkusener Multi auch in Zukunft vor allem Unbill zu schützen. Vor allem dasjenige, das aus Richtung der EU droht, wie etwa der Plan, den Ausstoß des klima-schädlichen Kohlendioxids durch eine Verteuerung der Verschmutzungsrechte stärker zu sanktionieren, hatte sie dabei im Blick. „Wir kämpfen weiter für den Industrie-Standort, auch in Brüssel“, erklärte Kraft.

EU fördert Geheimniskrämerei
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat schon so einige leidige Erfahrungen mit BAYERs Geschäftsgeheimnissen machen müssen. So weigerte sich der Leverkusener Multi unter Berufung auf ebendiese erfolgreich, Einblick in den mit der Universität Köln geschlossenen Forschungskooperationsvertrag zu gewähren. Auch auf den Hauptversammlungen nutzt er gern diese Ausrede, um Fragen zu den Verkaufszahlen umstrittener Produkte unbeantwortet zu lassen. Nichtsdestotrotz will die EU diese Geheimniskrämerei der Konzerne künftig noch weiter fördern. In einer neuen Richtlinie „über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb und rechtswidriger Nutzung und Offenlegung“ erklärt sie jede Information für sakrosankt, deren Veröffentlichung den Unternehmen zu ökonomischem Schaden gereichen könnte. Vergeblich hatte der Whistleblower Antoine Deltour, der den LuxLeaks-Steuerskandal aufgedeckt hatte, an die Europäische Union appelliert, das Vorhaben fallenzulassen. Auch die Kritik von JournalistInnen-Verbänden und Gewerkschaften, die durch das Paragrafen-Werk „in erheblichen Umfang die Meinungs- und Pressefreiheit“ beschränkt sahen, fand kein Gehör.

Wenning im FDP-Wirtschaftsforum
„Fast 70 Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft unterstützen das Comeback der Freien Demokraten. Sie haben sich dazu im FDP-Wirtschaftsforum organisiert, um die Parteiführung zu beraten“, vermeldet die FDP. Zu diesen ManagerInnen, deren Zahl mittlerweile auf 77 angestiegen ist, gehört auch BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning. Er und seine KollegInnen haben der Partei bisher unter anderem „einfache Unternehmensgründungen“, „eine leistungsfähige Infrastruktur für Verkehr und Datenübertragung“ und nicht zuletzt „ein Steuerrecht, das Wachstumsbremsen löst, anstatt sie weiter anzuziehen“ auf die Agenda gesetzt.

PROPAGANDA & MEDIEN

Neues Media Center schafft Akzeptanz
„Mangel an gesellschaftlicher Akzeptanz wurde in einer Studie des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) als eines der Top-Hemmnisse für Innovationen benannt“, konstatiert Denise Rennmann, die bei BAYER den Bereich „Public & Governmental Affairs“ leitet. Die zunehmende Kritik an der Gentechnik und anderen neuen Hervorbringungen der Industrie bereitet dem Leverkusener Multi schon länger Sorge. Darum hat er sich Gedanken über eine „intensivere Wissenschaftskommunikation“ gemacht und die Idee ausgebrütet, ein „Science Media Center“ zu gründen. Dieses soll nach britischem Vorbild JournalistInnen mit „objektiven“ Informationen zu strittigen Themen aus dem Forschungsbereich versorgen. Im Jahr 2012 lud der Global Player zu diesem Behufe interessierte Kreise nach Berlin ein. Anschließend betraute er eine Arbeitsgruppe mit der Entwicklung eines Konzepts für eine solche Unternehmung und warb parallel dazu bei anderen Firmen, Zeitungen und Forschungseinrichtungen um Unterstützung. 2015 schließlich war es soweit. Die „Science Media Center Germany gGmbH“, getragen von der Stiftung des SAP-Mitgründers Klaus Tschira, nahm ihre Arbeit auf. „Wenn Journalisten den öffentlichen Diskurs mit verlässlichem Wissen und kompetenten Stellungnahmen bereichern wollen, dann steht ihnen das SMC Germany dabei zur Seite“, heißt es auf der Website. Einige Stichproben konnten das allerdings nicht bestätigen. Zu den Themen „Bienensterben“ oder „hormon-ähnliche Chemikalien“ findet sich beim SMC nichts. Und während der Eintrag zu Glyphosat einigermaßen ausgewogen daherkommt, lässt das Center bei den Informationen zur neuen Gentechnik CRISPR/Cas kritische Positionen unter den Tisch fallen.

14 Millionen für US-MedizinerInnen
Im Jahr 2015 standen 2.400 bundesdeutsche ÄrztInnen auf der Gehaltsliste von BAYER. Der Leverkusener Multi engagierte sie unter anderem als RednerInnen auf Kongressen, BeraterInnen oder lud sie zu Fortbildungsveranstaltungen ein. 7,5 Millionen Euro gab der Konzern dafür aus. In den USA ließ er sich das noch mehr kosten. Wie die US-Plattform ProPublica recherchierte, investierte der Pharma-Riese dort von August 2013 bis Dezember 2014 14 Millionen Dollar in die Pflege der medizinischen Landschaft.

1,3 Millionen für Fachgesellschaften
BAYER lässt sich die Pflege der medizinischen Landschaft so einiges kosten. Der Leverkusener Multi bedenkt nicht nur ÄrztInnen und Krankenhäuser mit Millionen-Beträgen (siehe oben und Ticker 4/16), sondern auch die medizinischen Fachgesellschaften. Rund 1,3 Millionen Euro erhielten diese im Jahr 2015. Und wenn sich die Tätigkeit der Organisationen auf ein Gebiet erstreckt, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ über 253.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese bestimmt bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate (siehe DRUGS & PILLS). Zur Umsatz-Steigerung seines risiko-reichen Gerinnungshemmers XARELTO investierte er indessen 189.000 Euro in die „Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung“ und 122.000 Euro in die „Gesellschaft für Thrombose und Hämostase-Forschung“.

PR für NEBIDO & Co.
Eigentlich sollten die Pharma-Firmen Medikamente für bestimmte Krankheiten entwickeln. Manchmal gehen sie jedoch den umgekehrten Weg und entwickeln Krankheiten für bestimmte Medikamente. So hat BAYER die männlichen Wechseljahre erfunden, um einen größeren Markt für NEBIDO und andere Hormon-Präparate zu schaffen. Praktischerweise hat der Konzern dafür auch gleich noch einen Fachbegriff in Beschlag genommen, der eigentlich nur einen wirklich krankhaften Testosteron-Mangel beschreibt: Hypogonadismus. Allerdings stehen NEBIDO & Co. seit einiger Zeit wegen ihrer zahlreichen Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik. Deshalb geht der Leverkusener Multi nun in die Offensive. Beim europäischen Kongress für Männergesundheit, den die von ihm großzügig alimentierte „European Academy of Andrology“ in Rotterdam ausrichtete, sponserte er ein Symposion, das sich mit der Frage befasste: „Long-term treatment of hypogonadism – just a risky lifestyle intervention?“ Die vom Leverkusener Multi engagierten „Mietmäuler“ Abraham Morgentaler, Farid Saad, Kevin S. Channer und Linda Vignozzi antworteten natürlich unisono: „Nein.“

Mehr PR für DR SCHOLL’S & Co.
In den USA hat BAYER dieses Jahr größere Anstrengungen unternommen, um die Werbetrommel für seine rezeptfreien Medizin-Produkte, die so genannte „Over the Counter“-Ware (OTCs), zu rühren. Vor allem mit dem Bekanntheitsgrad der Sonnenschutzmittel aus der COPPERTONE-Reihe und der Fußpflege-Artikel der DR SCHOLL’S-Familie, die mit dem Kauf der OTC-Sparte von MERCK ins Portefeuille des Leverkusener Multis gelangten, zeigten sich die Konzern-StrategInnen unzufrieden (siehe auch ÖKONOMIE & PROFIT). „Ich hoffe, die Leute werden in den nächsten Jahren lernen, dass BAYER mehr ist als ASPIRIN“, so Phil Blake, der US-Chef des Pharma-Riesen, zum Sinn der Übung. Der Konzern lässt dabei keinen Kanal ungenutzt. Von TV und Zeitungen über FACEBOOK und INSTAGRAM bis hin zu TWITTER erstreckt sich die Kampagne.

BAYERs Shitstormer
Rund 500 Beschäftigte arbeiten in BAYERs PR-Abteilung. Das reicht allerdings nicht, um gegen den notorisch schlechten Ruf des Unternehmens anzukämpfen. Deshalb bedient sich der Konzern zusätzlich externer Kräfte. Gilt es etwa, im Zuge eines Skandals vertrauensbildende Maßnahmen einzuleiten, so greift der Leverkusener Multi gerne auf die Dienste von Christian Schwerg zurück. Dieser hat nämlich die Krisen-Kommunikation zu seinem Spezialgebiet auserkoren – den „Shitstormer“ nennt Die Zeit ihn deshalb. „Wir können nichts ungeschehen machen. Ab einer bestimmten medialen Verbreitung kann man nur offensiv vorgehen und das Thema in die Rehabilitationsstrategie integrieren“, sagt er über seine Arbeitsweise. Schwerg bietet für BAYER & Co. sogar vorbeugende Maßnahmen an, um deren ÖffentlichkeitsarbeiterInnen zu lehren, gut mit „bad news“ umzugehen. „Wir simulieren auch gerne mal Nachrichten auf News-Portalen oder geben uns als Journalisten aus, rufen an und senden E-Mails mit Vorwürfen“, plaudert der PR-Profi aus dem Nähkästchen.

TIERE & VERSUCHE

Tierversuchs-Richtlinie verwässert
Bei der Ausarbeitung der Tierversuchs-Richtlinie der EU hatten PolitikerInnen aus Deutschland BAYER & Co. vor allzu strengen Auflagen bewahrt. Und bei der Umsetzung in bundesdeutsches Recht musste das Paragrafen-Werk noch einmal gehörig Federn lassen. So unterliegen zu Bildungszwecken vorgenommene Tier-Experimente keiner Genehmigungspflicht mehr, sondern nur noch einer Meldepflicht. Auch ein Verbot besonders leidvoller Erprobungen fehlt in der deutschen Version. Der Jurist Dr. Christoph Maisack stellte in einem Gutachten insgesamt 18 Abweichungen vom ursprünglichen Text fest, die es dem Leverkusener Multi leichter machen, seine Tierversuche – im Geschäftsjahr 2015 waren es 133.666 – nicht zu reduzieren. Der Verein ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE hat bei der EU-Kommission wegen der Aufweichung der Richtlinie eine Beschwerde eingereicht.

DRUGS & PILLS

30.000 ESSURE-Geschädigte
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. 30.000 Meldungen über solche unerwünschten Arznei-Effekte hat BAYER bereits erhalten.

NICE nicht nice zu NEXAVAR
Das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs NEXAVAR zu Behandlung von Leberkrebs durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt. „Es bleiben signifikante Unsicherheiten“, konstatierte die Behörde. Selbst eine vom Pillen-Riesen vorgenommene Preissenkung konnte die PrüferInnen nicht erweichen, dem „National Health Service“ die Übernahme der Therapie-Kosten zu empfehlen. Aber der Leverkusener Multi gibt sich noch nicht geschlagen und hofft weiter auf ein positives NICE-Votum in Sachen „NEXAVAR“.

Alzheimer durch ANTRA
Protonenpumpen-Hemmer mit dem Wirkstoff Omeprazol wie BAYERs ANTRA steigern das Alzheimer-Risiko. Das ergab eine Studie der Universität Bonn. Der Untersuchung zufolge setzen sich ANTRA-PatientInnen einer um 44 Prozent höheren Gefährdung aus, diese Krankheit zu bekommen, als Menschen, welche die Mittel nicht einnehmen. Die Präparate, die hauptsächlich bei Sodbrennen, aber auch zum Schutz vor Blutungen der Magenschleimhaut zum Einsatz kommen, haben jedoch noch mehr Nebenwirkungen. Da die Arzneien die Magensäure-Produktion fast komplett unterbinden, verschaffen sie Bakterien ein gedeihlicheres Klima, was den Ausbruch von Infektionen fördert. Zudem stören die Medikamente die Kalzium-Gewinnung aus der Nahrung und schwächen so die Knochen. Wegen solcher Gegenanzeigen warnen bundesdeutsche MedizinerInnen bereits seit Langem vor einem zu sorglosen Umgang mit ANTRA & Co. Allerdings fruchteten ihre Warnungen nicht – seit einiger Zeit sind diese Medikamente nicht einmal mehr verschreibungspflichtig. Und nicht zuletzt deshalb verfünffachte sich ihre Einnahme in den letzten Jahren.

Blockbuster EYLEA
EYLEA, das BAYER-Präparat zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Einen Zusatznutzen mochte das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) dem Gentech-Medikament deshalb nicht zu bescheinigen. Trotzdem entwickelt sich die Arznei dank BAYERs massivem Werbeaufwand zu einem Blockbuster. Dem „Innovationsreport 2016“ der Techniker Krankenkasse zufolge verzeichnete es die größten Umsatz-Zuwächse aller hierzulande im Jahr 2012 neu zugelassenen Medikamente. 2014 kam das Präparat auf fast 18 Millionen Euro – ein Plus von 458 Prozent gegenüber 2013.

USA: mehr Auflagen für NEBIDO & Co.
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und Hormon-Präparaten wie NEBIDO oder TESTOGEL neue, nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben. Studien warnen allerdings vor den Gefahren der Mittel. So können die Arzneien neuesten Untersuchungen zufolge das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöhen, was die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA zu einer Reaktion veranlasste. Sie zwang BAYER & Co., auf den Packungen vor diesen möglichen Nebenwirkungen zu warnen. Überdies müssen die Pharma-Firmen nun darauf hinweisen, dass die Pharmazeutika nur bei krankhaftem Testosteron-Mangel und nicht bei einem rein altersbedingten Rückgang der Hormon-Produktion Anwendung finden dürfen.

Neues Nahrungsergänzungsmittel
Menschen, die sich ausgewogen ernähren, brauchen keine zusätzliche Vitamine, Mineralien oder andere Stoffe. Deren Einnahme kann in manchen Fällen sogar schaden. Trotzdem hat BAYER eine Unmenge an Vitamin-Präparaten und Nahrungsergänzungsmitteln im Angebot. SANATOGEN, SUPRADYN, BEROCCA, CAL-D-VITA, ELEVIT, REDOXON und vieles mehr findet sich in der Produkt-Palette des Konzerns. Allein unter dem Markennamen ONE-A-DAY verkauft er Dutzende unterschiedlicher Pillen. Da die Geschäfte vor allem in den USA gut laufen, schmeißt der Pharma-Riese dort jetzt noch ein neues Mittelchen auf den Markt: TRUBIOTICS. Das mit den Mikroorganismen Lactobacillus acidophilus und Bifidobacterium animalis bestückte Probiotikum soll angeblich gute Werke im Verdauungstrakt verrichten.

ASPIRIN nur noch für vier Tage?
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) tritt bereits seit Langem dafür ein, ASPIRIN und andere Schmerzmittel in den Apotheken nur noch dann ohne Rezept abzugeben, wenn die Anwendungsdauer auf vier Tage beschränkt ist. Die Präparate haben nämlich beträchtliche Nebenwirkungen; ASPIRIN kann vor allem Magenbluten verursachen. „Selbst bei den niedrigen Dosierungen, die zur Prävention von Schlaganfall und Herzinfarkt dienen sollen“, besteht dem ehemaligen BfArM-Präsidenten Walter Schwerdtfeger zufolge dieses Risiko. Der „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ lehnte die Forderung nach einer Verkleinerung der Packungen zwar bereits 2012 ab, aber endgültig vom Tisch ist die Sache noch nicht. „Die Studien-Ergebnisse werden zur Zeit ausgewertet“, ließ sich das Bundesgesundheitsministerium in der TV-Dokumentation „Angst vor Schmerzen“ vernehmen.

ASPIRIN im Freizeitsport
SportlerInnen verlangen ihrem Körper viel ab und überschreiten dabei oft die Schmerzgrenze. Deshalb greifen nicht wenige von ihnen zu Schmerzmitteln wie ASPIRIN (Wirkstoff: Acetylsalicylsäure) – und das nicht nur Profis. Nach einer Untersuchung der WissenschaftlerInnen Pavel Dietz und Antje Dresen nimmt auch eine große Zahl von Freizeit-SportlerInnen die Präparate ein. Den ForscherInnen zufolge schluckt die Hälfte aller TeilnehmerInnen von Langstrecken-Rennen ASPIRIN oder andere Analgetika. „Wir waren überrascht, dass es in so einer Häufigkeit ein Thema ist“, so Antje Dresen. Die LäuferInnen setzen sich damit erheblichen Gesundheitsrisiken aus, denn durch die körperliche Belastung können die Nebenwirkungen der Mittel – im Fall von BAYERs „Tausendsassa“ ist das hauptsächlich das Magenbluten – noch mehr durchschlagen. Die Stöße, die während des Langstrecken-Laufs auf den Magen einwirken, erhöhen nämlich die Durchlässigkeit der Organ-Wände für die Acetylsalicylsäure.

YASMIN hilft nicht mehr gegen Akne
Frauen, die drospirenon-haltige Pillen wie BAYERs YASMIN zur Empfängnis-Verhütung einnehmen, tragen im Vergleich zu solchen, die levonorgestrel-haltige Kontrazeptiva bevorzugen, ein bis zu dreimal so hohes Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Trotzdem bewirbt der Leverkusener Multi die Mittel als Lifestyle-Präparate, die etwa gegen Akne helfen. In der Schweiz darf er das jetzt jedoch nicht mehr tun. Mit Verweis auf das Gefährdungspotenzial der Pharmazeutika untersagte die eidgenössische Aufsichtsbehörde Swissmedic BAYER und anderen Herstellern, weiter Reklame für die angeblichen dermatologischen Qualitäten von YASMIN & Co. zu machen.

FDA zweifelt nicht an XARELTO-Tests
Bei der Klinischen Erprobung von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO erhielt die Kontrollgruppe den marktgängigen Wirkstoff Warfarin (MARCUMAR). Das Gerät, das bei diesen ProbandInnen die Blutgerinnung bestimmte, arbeitete jedoch nicht korrekt. Es zeigte geringere Werte als die wirklichen an. Deshalb bekamen die TeilnehmerInnen mehr Warfarin als nötig – und in der Folge auch mehr gesundheitliche Probleme als die PatientInnen, die das orale Antikoagulans des bundesdeutschen Pharma-Riesen schluckten. Das schmälert die Aussagekraft des zur Zulassung von XARELTO eingereichten Rocket-AF-Tests erheblich, was in der Fachwelt für einige Empörung sorgte. „Es lässt an den Ergebnissen zweifeln, die benutzt wurden, um den Gebrauch des weltweit meistverkauften neuen oralen Antikoagulans zu befördern“, sagt etwa Dr. Deborah Cohen. Gemeinsam mit den anderen Mitherausgebern des British Medical Journal kritisierte sie die Studie in einem Artikel massiv. Der Leverkusener Multi hielt jedoch an dieser fest. Schon unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Unstimmigkeiten hatte er eine Nachuntersuchung in Auftrag gegeben, die erwartungsgemäß die Rocket-Resultate bestätigte. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA gab Anfang Februar 2016 ebenfalls Entwarnung. Und die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA prüfte zwar bedeutend länger als ihr EU-Pendant, schloss sich dann aber im Oktober 2016 dem EMA-Votum an.

BAYER setzt auf Krebs-Arzneien
Krebs-Medikamente versprechen den Pharma-Riesen den größten Profit. Das „IMS Institute for Healthcare Informatics“ rechnet für das Jahr 2018 mit einem 100-Milliarden-Dollar-Markt. Schon jetzt fressen die Präparate – ohne die Lebenszeit der PatientInnen entscheidend verlängern zu können – in der Bundesrepublik rund ein Viertel des Medikamenten-Budgets der Krankenkassen. Folgerichtig setzt BAYER ganz auf dieses Segment. Mit NEXAVAR, STIVARGA und XOFIGO bietet das Unternehmen bereits drei Onkologie-Präparate an; zudem befinden sich 17 Wirkstoffe in der klinischen Erprobung. Die Konkurrenz hat jedoch noch mehr im Köcher. So testet ROCHE zurzeit 34 Arzneien. Der Schweizer Konzern lässt sich das alles auch mehr kosten als der Leverkusener Multi. Im Jahr 2014 gab er mit 8,4 Milliarden Dollar 6,4 Milliarden mehr für die Pillen-Forschung aus als der Leverkusener Multi.

Schnellere Arznei-Zulassungen?
Wie unzureichend die Genehmigungsverfahren für Arzneimittel sind, belegen die zahlreichen Todesfälle, die unter anderem BAYER-Pharmazeutika wie YASMIN und XARELTO verursacht haben. Das ficht die europäische Arzneimittel-Behörde EMA allerdings nicht an. Sie beabsichtigt, das Prozedere noch einmal zu beschleunigen und will künftig Zulassungen schon nach dem erfolgreichen Absolvieren von zwei Phasen der Klinischen Prüfungen ermöglichen. Was bisher die dritte Stufe war, sollen jetzt Praxis-Tests richten. „Real World Data“ lautet das Zauberwort. Und das alles, obwohl die Erprobungen der Kategorie 2 sich auf einen kleineren ProbandInnen-Kreis beschränken und ohne Vergleichsgruppe auskommen. Nicht umsonst bleibt gegenwärtig an der dritten Hürde noch einmal rund die Hälfte der Medikamenten-Kandidaten hängen. Die Arznei-Behörde hat jedoch nur das Wohlergehen der Pillen-Produzenten im Sinn. „Die potenziellen Vorteile für die Hersteller wären ein früherer Einkommensfluss als bei konventionellen Zulassungswegen und weniger teure und kürzere klinische Studien“, erklärt der EMA-Mann Georg Eichler frank und frei. Bei den Vorbereitungen zu den Schnelltests und den Pilotprojekten arbeiteten die willigen Helfer der Arznei-Branche dann auch an führenden Stellen mit. Trotzdem behauptet der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) steif und fest, die geplante „Reform“ sei „klar an medizinischen Zielen ausgerichtet und kein ökonomisches Entgegenkommen gegenüber den Unternehmen“. Das nimmt ihm jedoch kaum jemand ab. So kritisierte die ÄrztInnen-Organisation MEIN ESSEN ZAHL ICH SELBST (MEZIS) das Vorhaben scharf: „Klar erkennbar ist bei diesem Vorstoß der zu erwartende ökonomische Nutzen der Pharma-Industrie – auf Kosten der Sicherheit der PatientInnen.“ Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE und die gesetzlichen Krankenkassen lehnen das Projekt ebenfalls ab.

Lieferengpässe bei Arzneien
In der Bundesrepublik kommt es in letzter Zeit verstärkt zu Liefer-Engpässen bei Arzneimitteln. Auf der aktuellen Fehl-Liste des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ findet sich mit dem Mittel NIMOTOP, das die Gehirn-Durchblutung fördert, auch ein BAYER-Medikament. „Probleme bei der Herstellung“ gibt der Leverkusener Multi als Grund an. Und die gab es in der Vergangenheit auch schon beim Krebsmittel XOFIGO. Schätzungen zufolge sind bis zu 60 Pharmazeutika kurz- oder längerfristig nicht erhältlich. Die „Probleme bei der Herstellung“ treten oftmals deshalb auf, weil die Pharma-Riesen die Fertigung gnadenlos rationalisiert haben. So versuchen sie etwa verstärkt, „just in time“ zu produzieren und auf diese Weise Lager-Kapazitäten abzubauen. Überdies gliedern sie gerne die Wirkstoff-Herstellung aus oder verlegen diese in Drittwelt-Länder. „In den letzten Jahren ist (...) meiner Ansicht nach etwas in der Unternehmensphilosophie einiger Pharmazeutischer Hersteller verloren gegangen: Verantwortungsbewusstsein, was zugunsten der Profit-Maximierung abgebaut wurde“, kritisiert deshalb Rudolf Bernhard, der Leiter der Krankenhausapotheke im Münchner „Klinikum rechts der Isar“. Um gegen die Missstände anzugehen, fordert der Pharmazeut unter anderem eine Meldepflicht bei Liefer-Problemen – bisher informieren BAYER & Co. nur auf freiwilliger Basis – und einen Zwang, bestimmte Arznei-Mengen immer auf Lager zu haben. Die Große Koalition sieht da jedoch keinen Handlungsbedarf, wie aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. „Es liegen der Bundesregierung keine Anzeichen vor, dass die Register nicht die wesentlichen Lieferengpässe der relevanten Arzneimittel abdecken“, heißt es in dem Schriftstück. Dass etwa BAYERs Johanniskraut-Präparat LAIF zur Behandlung von milden Depressionen dort nicht verzeichnet ist, ficht Merkel & Co. offenbar nicht an. Den Pharma-Riesen zur Auflage zu machen, einen Vorrat an Medikamenten anzulegen, lehnen CDU und SPD ebenfalls ab. Ihrer Ansicht nach reicht es, wenn die Apotheken und Pillen-Großhändler die Arzneien immer parat haben: „Eine darüber hinausgehende Bevorratung durch den Pharmazeutischen Unternehmer ist daher nicht notwendig.“

„Consumer Health“ schwächelt
Der Leverkusener Multi hat das Geschäft mit den rezeptfreien Arzneien in der letzten Zeit stark ausgebaut und ist in diesem Bereich zur Nr. 2 auf der Welt aufgestiegen. Aber nicht nur die 2014 zugekaufte MERCK-Sparte erfüllte ihre Erwartungen bisher nicht (siehe ÖKONOMIE & PROFIT), auch der Absatz der restlichen Produkte schwächelt. Im 3. Quartal 2016 machte der Leverkusener Multi gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Verlust von 20 Millionen Euro. Dazu trug vor allem die schlechtere ökonomische Lage in Russland, China und Brasilien bei – diese Schwellenländer hatten zwischen 2012 bis 2014 noch 70 Prozent zum Umsatzwachstum von BAYER in diesem Markt-Segment beigetragen.

AGRO & CHEMIE

GAUCHO & Co. gefährden Wildbienen
Immer neue Studien belegen die Bienengefährlichkeit von Pestiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin). So hat der britische Insektenforscher Ben Woodcock vom „Zentrum für Ökologie und Hydrologie“ (NERC) die Auswirkungen dieser Wirkstoff-Gruppe, welche die EU bereits mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt hat, auf Wildbienen untersucht. Er kam zu einem alarmierenden Befund: Waren die Tiere GAUCHO & Co. ausgesetzt, so beschleunigte sich das Schrumpfen der Populationen im Vergleich zu denjenigen, die nicht in Kontakt mit den Giften kamen, um den Faktor drei. Der Leverkusener Multi hatte bisher immer die Validität von wissenschaftlichen Arbeiten zu Neonicotinoiden angezweifelt, die unter Laborbedingungen entstanden. Von „unrealistischen Expositionsbedingungen“ sprach er stets und von Expositionsdosen, „die unter realistischen Feld-Bedingungen in dieser Form niemals auftreten würden“. Das traf zwar auf kaum eine Studie zu, verfehlte aber seine Wirkung nicht. Da Woodcock jedoch auf freier Wildbahn zu seinen Ergebnissen kam, stößt diese Verteidigungsstrategie des Konzerns nun auch an ihre Grenzen. Diese will er jedoch nicht wahrhaben. Von Mitgliedern der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit den Resultaten des Wissenschaftlers konfrontiert, meinte der Global Player auf einmal darauf hinweisen zu müssen, dass „auch Feld-Untersuchungen ihre Tücken haben, da sie sehr komplex und mitunter nicht leicht zu interpretieren sind“. Und – fast unnötig zu betonen – hatte die Woodcock-Arbeit nach Ansicht des Unternehmens solche Tücken.

Top bei Grenzwert-Überschreitungen
Bei Grenzwert-Überschreitungen von Pestizid-Rückständen in Lebensmitteln toppen Ackergifte made by BAYER alles. Nach den neuesten verfügbaren Zahlen, die aus den Jahren 2012 und 2013 stammen, finden sich nach Angaben der Bundesregierung unter den sieben „am häufigsten beanstandeten Wirkstoffen“ mit Imidacloprid (s. o.), Ethephon und Carbendazim drei, die auch in Produkten des Leverkusener Multis enthalten sind.

Pestizide in Orangen
Das Delmenhorster „Labor für Chemische und Mikrobiologische Analytik“ untersuchte für die WDR-Sendung Markt Orangen auf Rückstände von Pestiziden. In allen Proben stießen die WissenschaftlerInnen auf Spuren der Ackergifte. Diese blieben zwar unter den Grenzwerten, stellen aber trotzdem eine Gefahr dar. In den Früchten fanden sich nämlich bis zu fünf Agrochemikalien gleichzeitig, was Kombinationseffekte hervorrufen kann. Auch BAYER-Pestizide wiesen die ForscherInnen nach. So enthielten die Orangen Chlorpyrifos, das der Leverkusener Multi unter den Produktnamen BLATTANEX, PROFICID und RIDDER vermarktet, Fenhexamid (TELDOR), Imazalil (BAYTAN und MANTA PLUS) sowie Pyrimethanil (CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI).

Parkinson keine Berufskrankheit
Pestizide können viele Gesundheitsschädigungen auslösen. Frankreich hat deshalb Krebs und Parkinson bei LandwirtInnen als Berufskrankheiten anerkannt. In der Bundesrepublik steht das vorerst nicht an, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. Merkel & Co. stützen sich dabei auf einen Sachverständigenbeirat, der die Sachlage bei Parkinson 2011 und 2012 geprüft hat und befand: „Im Ergebnis war die Studien-Lage heterogen.“ „Erhebliche Unsicherheiten im Hinblick auf eine eindeutige Diagnose-Stellung“ machten die ExpertInnen fest. Im Moment werten diese allerdings neue Untersuchungen aus. In Sachen „Krebs“ haben es immerhin Erkrankungen in die Liste der Berufskrankheiten geschafft, welche die in vielen Agro-Chemikalien enthaltenen Halogen-Kohlenwasserstoffe auslösen können. Die „Anerkennung im Einzelfall“ hängt jedoch der Großen Koalition zufolge von vielen Parametern wie der Tumor-Art, dem gebrauchten Pestizid und der Dauer der Anwendung ab.

WASSER, BODEN & LUFT

Gerupfter Klimaschutzplan
Im Übereinkommen von Paris hatten sich die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen 2015 darauf verständigt, die Erd-Erwärmung deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten. Im Vorfeld hatten sich die EU-Länder bereits geeinigt, die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 zu verringern. Den bundesdeutschen Beitrag zur Umsetzung dieser Ziele wollte die Große Koalition mit dem „Klimaschutzplan 2050“ festlegen. Um diesen Plan entbrannte jedoch heftiger politischer Streit. Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI), der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und die industrie-freundliche nordrhein-westfälische Landesregierung taten alles dafür, BAYER & Co. vor allzu drastischen Anforderungen zu bewahren. Ein „fester Beitrag zur Erreichung eines nationalen Klimaschutz-Ziels“ sei nicht im Voraus bestimmbar, dekretierte etwa der VCI. Maßnahmen zur Verteuerung der derzeit zum Schnäppchen-Preis erhältlichen Kohlendioxid-Verschmutzungsrechte lehnte der Verband ebenfalls ab. Und so kam es, dass Umweltministerin Barbara Hendricks den schon fertiggestellten Klimaschutzplan nach einer Intervention von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wieder in die Tonne kloppen musste. In der überarbeiteten Fassung bekennt sich die Bundesregierung nun dazu, „ein zentrales Augenmerk auf den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“ zu legen. Darum senkte sie die Spar-Vorgaben für die Industrie gegenüber den ursprünglichen Plänen um zehn Millionen Tonnen CO2 auf 140 bis 143 Millionen Tonnen bis 2030 ab und bürdete das Quantum kurzerhand der Wohnungswirtschaft auf. Auch setzte die Große Koalition hinter die Regelungen zur Reform des Emissionshandels – ganz wie vom VCI gefordert – den Vermerk „kann wegfallen“. Jetzt braucht der Leverkusener Multi, der 2015 fast zehn Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstieß, seine Wirtschaftsweise nicht groß zu ändern. Für die Zukunft des Planeten bedeutet das allerdings nichts Gutes. „Die geplanten Maßnahmen sind nicht ehrgeizig genug, um die Klima-Ziele bis zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen“, konstatierte der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von Bündnis 90/Die Grünen besorgt.

Die Deponie unter der Deponie
Anfang November 2016 hat die Bezirksregierung Köln dem Landesbetrieb Straßenbau NRW die Genehmigung erteilt, BAYERs Dhünnaue-Deponie wieder zu öffnen, um darauf das Fundament für die Erweiterung der A1-Autobahn und des Neubaus der Rheinbrücke zu gründen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Damit beschwor sie Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt herauf. Und diese dürften nach Recherchen des WDR-Magazins Westpol sogar noch größer sein, als selbst die KritikerInnen des Projektes angenommen haben. Über einem 13 Hektar großen Teil des erst zur Landesgartenschau 2005 halbwegs abgedichteten Giftgrabs liegt nämlich die noch in Betrieb befindliche Sondermüll-Deponie Bürrig der BAYER-Tochter CURRENTA. Eine Absicherung nach unten hin existiert nicht, weshalb die Aufschüttungen auf die Altlast drücken und zu chemischen Reaktionen führen könnten. Trotzdem spielte Bürrig bei der Sicherheitsanalyse von Straßen.NRW keine Rolle und fand auch in den Antragsunterlagen zur Genehmigung keine Erwähnung. „Die aktive Deponie ist von den Planungen nicht betroffen“, antwortet die Bezirksregierung Köln auf eine Anfrage des WDR. Harald Friedrich, der ehemalige Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium, teilt diese Einschätzung nicht: „Man hätte eine Gefährdungsabschätzung machen müssen.“

BAYTRIL fördert Methan-Ausstoß
Rinder, die Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL verabreicht bekommen, geben mehr klimaschädigende Methan-Gase an die Umwelt ab als solche, welche die Präparate nicht schlucken müssen. Das ergab eine Studie, welche die Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlichte. Den ForscherInnen um Tobin J. Hammer zufolge stieg die Methan-Freisetzung um den Faktor 1,8. Die WissenschaftlerInnen vermuten, dass BAYTRIL & Co. die Gas-Produktion fördern, indem sie Einfluss auf im Verdauungstrakt der Tiere wirkenden Mikrobakterien nehmen.

Plastik in Speisefischen
Immer mehr Plastikabfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen so das aquatische Ökosystem. Nach Angaben des Bundesumweltministeriums finden sich die Rückstände mittlerweile in 330 Tierarten wieder. Als einer der weltgrößten Kunststoff-Produzenten trägt BAYER maßgeblich zu diesem Umweltverbrechen bei. ForscherInnen des „Alfred-Wegener-Institutes“ wiesen jetzt sogar Plaste-Reste in Speisefischen aus der Nord- und Ostsee nach. Zumeist stießen die BiologInnen in den Verdauungsorganen der Tiere auf die Partikel. Obwohl die Heringe, Dorsche, Makrelen und Flundern vor der Lieferung an den Lebensmittel-Zwischenhandel ausgenommen werden, mochten die WissenschaftlerInnen Chemie-Rückstände in ihren Körpern nicht ausschließen: „Wir sind mit der Erforschung der Effekte noch ganz am Anfang.“

IMPERIUM & WELTMACHT

Abschreibungen in Venezuela
Die sinkenden Öl-Preise haben Venezuela in eine tiefe Krise gestürzt. Unter anderem leidet das Land an einer hohen Inflation, weshalb die heimische Währung gegenüber dem Dollar immer mehr an Boden verliert. Auch bei den Pharma-Firmen hat die Nation immense Schulden. Um diese wenigstens teilweise zu tilgen, hat die Regierung BAYER, SANOFI und NOVARTIS nun Anleihen der staatlichen Öl-Gesellschaft PDVSA übertragen.
Diese notieren zwar in Dollar und nicht in Bolívar, haben gegenüber ihrem Nennwert jedoch viel verloren. Die Konzerne nehmen die Verluste jedoch in Kauf und verkaufen trotzdem. NOVARTIS etwa erhielt für seine 200-Millionen-Dollar-Bonds nur 73 Millionen, und der Leverkusener Multi dürfte seine Papiere mit ähnlich hohen Abschlägen veräußert haben.

ÖKONOMIE & PROFIT

Synergie-Defekte beim MERCK-Deal
Schicken sich Unternehmen an, ihre Konkurrenten zu übernehmen oder Geschäftsteile von ihnen zu erwerben, preisen sie stets die mit den Deals angeblich verbundenen Synergie-Effekte. Im Fall des geplanten Kaufs von MONSANTO wusste BAYER diese sogar schon genau zu taxieren: 1,5 Milliarden Dollar per anno schon drei Jahre nach dem Vollzug der Transaktion. Allerdings können sich die Konzerne dabei auch verkalkulieren. Beispielsweise zahlte sich der 2014 vorgenommene Kauf einer MERCK-Sparte für den Leverkusener Multi bis jetzt nicht in dem erhofften Maß aus. So lag der Umsatz des Sortiments um 100 Millionen Dollar niedriger, als von MERCK angegeben. Auch erwies sich die Entwicklungspipeline als „nicht annähernd so gut wie präsentiert“, wie der Global Player beklagt. Zudem musste er mehr Geld als erwartet in Werbung für die Fußpflege-Artikel aus der DR SCHOLL’S-Reihe oder die COPPERTONE-Sonnenschutzmittel investieren, was sich obendrein nicht immer auszahlte: Im dritten Quartal des Jahres 2016 ging der COPPERTONE-Umsatz gegenüber dem Vergleichszeitraum um fünf Prozent zurück. Die 2001 erfolgte AVENTIS-Akquisition blieb ebenfalls lange hinter den Erwartungen zurück. Wegen falscher Angaben des AVENTIS-Managements über den Wert der Agro-Abteilung zog BAYER damals sogar vor Gericht.

Steuern sparen mit Lizenzen
Das Steuerrecht ermöglicht es den Konzernen, Geschäfte mit sich selber zu machen, um ihre Abgabenlast zu senken. So können einzelne Unternehmensteile von anderen Abteilungen Lizenzen erwerben, und die Kosten dafür senken den zu versteuernden Ertrag. Der Leverkusener Multi hat für solche Operationen die Tochter-Gesellschaft BAYER INTELLECTUAL PROPERTY (BIP) ins Leben gerufen, die Standorte in Monheim, Eschborn und Schönefeld hat. Wie hoch diese steuer-mindernden Lizenz-Gebühren z. B. für Marken-Rechte ausfallen, lassen die Zahlungen erahnen, welche der Global Player für die darauf entfallenden Einnahmen allein im bundesdeutschen Steuerparadies Monheim an das Finanzamt leistet: rund 20 Millionen Euro.

Monheim – einfach paradiesisch
Die Stadt Monheim wirbt mit einem Gewerbesteuer-Hebesatz von 300 Punkten – dem niedrigsten in ganz Nordrhein-Westfalen – um Industrie-Ansiedlungen. BAYER ließ sich das nicht zweimal sagen. Der Agro-Riese verlegte nicht nur einen Teil seiner Patent-Abteilung dorthin (s. o.), sondern auch die CROPSCIENCE BETEILIGUNGSGESELLSCHAFT, deren Haupttätigkeit „im Bereich Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben“ liegt.

COVESTRO spart Steuern
Letztes Jahr brachte der Leverkusener Multi seine Kunststoff-Sparte COVESTRO an die Börse. Und im Zuge des Loslösungsprozesses sucht sich das Unternehmen nach dem Vorbild der Muttergesellschaft schon einmal besonders günstige Steuerstandorte. Wie BAYER ist es dabei unter anderem in Monheim (s. o.) und in Belgien fündig geworden. Zusätzlich hat die Plaste-Gesellschaft sich jedoch noch die Schweiz auserkoren, wirbt doch das Nachbarland damit, dass es „international weiterhin auf Rang 8 der steuergünstigsten Standorte steht“. Die COVESTRO INTERNATIONAL SA mit Sitz im Kanton Fribourg hält Beteiligungen an überall auf der Welt verstreuten Niederlassungen. Ein Großteil von deren Erträgen wandert so an den eidgenössischen Steuerstandort zurück, wo die Finanzämter unschlagbare Konditionen bieten: „Holding-Gesellschaften sind von kantonalen Gewinn-Steuern ganz befreit, der Kapitalsteuersatz ist reduziert“.

BAYSANTO & MONSAYER

MONSANTO-HV stimmt Übernahme zu
Am 13. Dezember 2016 haben die MONSANTO-AktionärInnen der Übernahme des Konzerns durch BAYER zugestimmt. Die großen Anteilshalter wie BLACKROCK und andere Finanzinvestoren sorgten für das klare Ergebnis von 99 Prozent Zustimmung für das Angebot des Leverkusener Multis, pro MONSANTO-Papier 128 Dollar zu zahlen. Grünes Licht für den Deal hat der bundesdeutsche Konzern aber auch damit noch nicht. Rund 30 Kartellbehörden müssen die Transaktion noch genehmigen.

Klage gegen Übernahme scheitert
Im November 2016 hatten einige MONSANTO-AktionärInnen eine Klage gegen die Übernahme des Konzerns durch BAYER eingereicht. Sie warfen den ManagerInnen des US-Unternehmens eine Verletzung ihrer Treue-Pflichten vor, weil diese den Global Player ihrer Meinung nach zu billig hergegeben hatten. Kurz vor der entscheidenden MONSANTO-Hauptversammlung (s. o.) wies ein Richter das Begehren jedoch ab. Allerdings besteht für die Aktien-HalterInnen noch die Möglichkeit, in Delaware, dem Stammsitz des Agro-Riesen, ein Gericht anzurufen.

Grüne schreiben Offenen Brief
Die Grünen haben die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in einem Offenen Brief dazu aufgefordert, der Übernahme MONSANTOs durch BAYER die Zustimmung zu verweigern. Der Fraktionschef Anton Hofreiter und weitere Bundestagstagsabgeordnete appellierten stattdessen an die Dänin, „die Spirale der Hochfusionierung im Agrochemie-Markt zu stoppen“. Unter anderem befürchtet die Partei durch den Deal höhere Preise für LandwirtInnen und VerbraucherInnen.

RECHT & UNBILLIG

13.800 XARELTO-Klagen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen – im Jahr 2015 gingen allein beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) 137 Meldungen über Todesfälle ein. In den USA ziehen deshalb immer mehr Geschädigte bzw. deren Hinterbliebene vor Gericht. Das Aufkommen der Klagen erhöhte sich von Ende Januar 2016 bis Mitte Oktober von 4.300 auf 13.800.

Über 1.000 ESSURE-Klagen
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, beschäftigt in den USA zunehmend die Gerichte. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen, hat nämlich zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Über 1.000 von ihnen haben in den Vereinigten Staaten deshalb schon eine Klage gegen BAYER eingereicht.

CIPROBAY vor Gericht
Das Antibiotikum CIPROBAY, das zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen. So registrierte die US-Gesundheitsbehörde FDA zwischen 1998 und 2013 3.000 Todesfälle, die im Zusammenhang mit fluorchinolon-haltigen Medikamenten stehen. Insgesamt erhielt die Institution rund 50.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte. Am häufigsten treten Gesundheitsschäden im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen auf. Die Pharmazeutika stören nämlich das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, weil sie die Weiterleitung des Neurotransmitters Acetylcholine behindern. Auch Störungen des zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit und anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen. Darüber hinaus sind CIPROBAY & Co. für Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen verantwortlich. Bei Cheryl Tigley löste CIPROBAY, das BAYER in den USA unter dem Namen AVELOX vertreibt, eine Schädigung des peripheren Nervensystems aus. Deshalb zog die US-Amerikanerin vor Gericht und verklagte den Leverkusener Multi auf Schadensersatz.

CIPROBAY nicht vor Gericht
Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 kam es in den USA durch per Post verschickte Milzbrand-Erreger zu fünf Todesfällen. Die Regierungsstellen trafen daraufhin Vorsorge-Maßnahmen und kauften große Mengen von BAYERs Antibiotikum CIPROBAY als Gegenmittel. Zudem hoben sie das Verbot auf, die Arznei Kindern zu verabreichen – der Leverkusener Multi hatte für die Gewährung des exklusiven Vermarktungsrechtes lediglich Unbedenklichkeitsstudien nachzureichen. Bei diesen Untersuchungen hat der Pharma-Riese allerdings massive Manipulationen vorgenommen. Der an den Klinischen Prüfungen beteiligte Mediziner Dr. Juan Walterspiel wirft dem Unternehmen vor, Daten gefälscht zu haben, um Nebenwirkungen wie Muskelschwäche und Knorpelschäden zu verbergen. BAYER habe lange Datenkolonnen einfach in die Berichtsbögen eingefügt, so Walterspiel: „Diese Zahlen wiederholten sich endlos.“ Zudem haben die Erprobungen in den USA Walterspiel zufolge auffallend mehr Risiken und Nebenwirkungen zu Tage gefördert als solche, die der Konzern in Mexiko und anderen ärmeren Ländern durchgeführt hat. Die Versuche des Arztes, wegen der unsauberen Tests gerichtlich gegen den Leverkusener Multi vorzugehen, gestalten sich jedoch schwierig. So hat es der Oberste Gerichtshof der USA, der Supreme Court, im Juli 2016 abgelehnt, Walterspiel als Whistleblower gerichtlichen Beistand zu gewähren.

Pestizid-Klage in Indien
Das indische Agrar-Ministerium hatte 2015 ein ExpertInnen-Gremium damit beauftragt, die Risiken und Nebenwirkungen von 66 Pestiziden zu bewerten, die andere Länder längst verboten haben. Da in dem Ausschuss auch Industrie-VertreterInnen saßen, fiel die Empfehlung moderat aus. Die Kommission legte dem Staat nahe, 13 Agro-Chemikalien sofort aus dem Verkehr zu ziehen, darunter mit Fenthion und Methyl Parathion auch solche Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind. Darüber hinaus schlug sie vor, die Zulassung für sechs Ackergifte 2020 auslaufen zu lassen und 27 im Jahr 2018 noch einmal in Augenschein zu nehmen. Aber der Regierung ging selbst das zu weit. Sie machte keine Anstalten, die Ratschläge zu befolgen. Deshalb sehen sich Modi & Co. nun mit einer Klage konfrontiert.

USA verbieten primäres Mikroplastik
Immer mehr Plastik-Abfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen so das aquatische Ökosystem. Durch Wellenbewegungen und Sonnen-Einwirkung kleingemahlen oder gleich in winziger Form als primäres Mikro-Plastik in das Wasser geraten, nehmen Fische und andere Tier-Arten die Partikel auf und setzen sich so großen Gesundheitsgefahren aus. Als einer der weltgrößten Kunststoff-Produzenten trägt BAYER maßgeblich zu diesem Desaster bei. Die USA hat jetzt jedoch erste Schritte zum Schutz der Wasser-Lebewesen eingeleitet. Sie verbot die Herstellung von primärem Mikro-Plastik, den sogenannten Microbeads, wie sie sich unter anderem in einigen Sorten des Durethan-Kunststoffs der BAYER-Tochter COVESTRO finden.

PCB: Kein Verfahren gegen RAG
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau, wo die schweren Gerätschaften viel Hydraulik-Öl brauchten. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Die Altlasten lagern in Fässern und anderen Behältern, die nicht selten Leckagen aufweisen. Nicht zuletzt deshalb gelangt jetzt PCB mit dem abgepumpten Grubenwasser aus den kontaminierten Stollen in die Flüsse. Das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz entnahm unter anderem an den Bergwerken in Prosper-Haniel, Bergkamen und Essen Proben und wies PCB-Belastungen nach, die an manchen Stellen um das Dreifache über den Grenzwerten lagen. Der BUND reichte deshalb eine Strafanzeige gegen den Bergbau-Konzern RAG ein. Anfang September stellte die Bochumer Staatsanwaltschaft die Ermittlungen allerdings ein. Das Unternehmen hätte wasserrechtliche Genehmigungen für die Einleitungen, und die Gewässer hätten kein Schaden genommen, erklärte Oberstaatsanwalt Paul Jansen zur Begründung. Er behauptete sogar, das Unternehmen hätte immer die Grenzwerte eingehalten.

Klage wg. Diskriminierung
Anfang Dezember 2016 hat eine US-amerikanische BAYER-Angestellte den Konzern wegen Diskriminierung verklagt. Dr. Irene Laurora, welcher der Leverkusener Multi 2012 noch den Titel der „Working Mother of the Year“ verliehen hatte, wirft dem Unternehmen vor, sie wegen ihres Einsatzes für Frauenrechte entlassen zu haben. Die Pharmakologin hatte 2015 eine schwangere Frau in ihr Projekt geholt, wogegen Lauroras Vorgesetzter wegen des bevorstehenden Mutterschaftsurlaubs allerdings Einspruch erhob. Die Wissenschaftlerin protestierte gegen die Intervention ihres Chefs, was zu Zurückstufungen und schließlich zur Kündigung führte. „Anstatt Dr. Lauroras Anstrengungen zu unterstützen, gegen die Diskriminierung Schwangerer vorzugehen, versuchte BAYER sie rechtswidrig durch eine Freisetzung mundtot zu machen“, kritisiert der Rechtsanwalt der Klägerin. Beim Pharma-Riesen ist das nicht der erste Fall dieser Art: Bereits im Jahr 2011 hatten acht weibliche Angestellte rechtliche Schritte gegen den Konzern wegen frauenfeindlichen Verhaltens eingeleitet (siehe SWB 3/11).

Auch Uni Mainz darf weiter mauern
Am 18. August 2015 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Einsichtnahme in den Vertrag verwehrt, den BAYER mit der Universität Köln geschlossen hatte. Antworten auf Fragen zur finanziellen Ausgestaltung der Kooperation, zu den Verwertungsrechten, zu den Forschungsvorgaben des Leverkusener Multis und zum Umgang mit negativen Forschungsergebnissen bleiben der Öffentlichkeit damit verwehrt. Der Richter Sebastian Beimesche hatte sich bei seinem Urteil auf die Paragrafen des nordrhein-westfälischen Informationsfreiheitsgesetzes und des Hochschulzukunftsgesetzes gestützt. Die entsprechenden Abschnitte entbinden Forschung & Lehre von der Transparenz-Pflicht. Und der Jurist legte diese so „weitreichend“ aus, dass sie auch die Forschungsplanung einbeziehen. Mit dem Verweis auf eine ähnliche Ausnahme-Regelung in den rheinland-pfälzischen Gesetzen bewahrte das Verwaltungsgericht Mainz Mitte September 2016 nun auch die Universität Mainz und BOEHRINGER davor, Details ihrer Zusammenarbeit offenlegen zu müssen.

Grünes Licht für Autobahn-Ausbau
Die Bezirksregierung Köln hat dem Landesbetrieb Straßen.NRW Anfang November 2016 die Genehmigung erteilt, die Autobahn A1 zwischen Köln-Niehl und dem Autobahn-Kreuz Leverkusen-West auszubauen und dafür auch eine neue Rheinbrücke zu errichten (siehe auch SWB 1/17). Dass der „Vorhaben-Träger“ dafür BAYERs erst zur Landesgartenschau 2005 in langjähriger Arbeit halbwegs gesicherte Dhünnaue-Deponie wieder öffnen muss, focht die Behörde bei ihrer Entscheidung nicht an. Sie setzte sich mit ihrem Beschluss über 300 Einwendungen verschiedener Initiativen und Einzelpersonen – auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens eine Beschwerde eingereicht – und über massiven BürgerInnen-Protest hinweg.. Die GegnerInnen des Projektes verstummen dennoch nicht. So luden sich Umweltverbände, die CBG und andere Gruppen am 7. Dezember 2016 einfach selbst zur Feier von „125 Jahre BAYER in Leverkusen“ ein und vermiesten dem Global Player, seiner Gratulantin Hannelore Kraft und den anderen Gästen gehörig die Stimmung. Zudem wollen einige Organisationen gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen.

FORSCHUNG & LEHRE

Kooperation mit der Uni Hamburg
BAYER hat mit der Universität Hamburg eine Forschungskooperation auf dem Gebiet der „Digitalen Landwirtschaft“ vereinbart. GeologInnen und InformatikerInnen der Hochschule wollen für den Leverkusener Multi im Rahmen dieser Zusammenarbeit ein Modell zur Erhebung von Wetter- und Bodendaten entwickeln, um „die Nutzung bestehender landwirtschaftlicher Ressourcen weiter zu optimieren“.

Kooperation mit der Uni Göttingen
Der Leverkusener Multi lagert immer größere Bereiche seiner Forschungsarbeiten aus. Rund 20 Prozent seines über 4,3 Milliarden Euro schweren Forschungsetats steckt er mittlerweile in Kooperationen mit Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten. Der Göttinger Georg-August-Universität hat er gleich zwei Aufträge erteilt. Das dortige „Department für Nutzpflanzen-Wissenschaften“ ergründet für den Global Player zum Preis von 141.250 Euro, warum das Pestizid Flufenacet Wildgräsern nichts mehr anhaben kann. Das andere, nicht näher bezeichnete Agrochemie-Projekt läuft Ende 2016 aus und kommt BAYER mit 180.000 Euro noch teurer zu stehen.

BAYER stiftet Lehrstuhl
BAYER pflegt die akademische Landschaft nicht nur hierzulande mit Stiftungsprofessuren, sondern auch im Ausland. So hat der Leverkusener Multi der Universität Manitoba in Tateinheit mit den Nachkommen eines Arztes einen Lehrstuhl zur Erforschung von Blut-Krankheiten spendiert.

[Endokrin] STICHWORT BAYER 04/2016

CBG Redaktion

Politik & Einfluss

Hormon-ähnliche Chemikalien von BAYER & Co.

Eine globale Bedrohung

Chemikalien haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie bestimmte körpereigene Stoffe und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln. So gleichen bestimmte Pestizide, Weichmacher oder andere Produkte wie etwa Bisphenol A in ihrem chemischen Aufbau Hormonen. Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen beschreiben MedizinerInnen als mögliche Folge. Darum will die EU die VerbraucherInnen besser vor diesen Produkten von BAYER & Co. schützen. Aber die Konzerne torpedieren dies nach Kräften. Ein Lehrstück in Sachen „Lobby-Arbeit“.

Von Jan Pehrke

Hormone sind die Botenstoffe des Körpers. Sie erfüllen damit eine wichtige Aufgabe in seinem Regulationssystem. Die biochemischen Substanzen steuern beispielsweise das Knochenwachstum, den Zucker- und Fettstoffwechsel, die Verdauung und die Sexualentwicklung. Stört nun etwas die Signal-Übertragung, so kommen falsche Botschaften an, was die Abläufe gehörig durcheinanderwirbelt. Und als solche „Störer“ – sogenannte endokrine Disruptoren (EDCs) – hat die Wissenschaft seit einiger Zeit bestimmte Chemikalien ausgemacht. Viele dieser Substanzen gleichen in ihrem Aufbau nämlich Hormonen und haben deshalb ein beträchtliches Irritationspotenzial. Die mögliche Folge: Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Dysfunktionen des Nerven- und Immunsystems sowie Herz-, Leber- und Gebärmutter-Leiden.

BAYER hat eine ganze Menge dieser Stoffe im Angebot. Und manche davon, wie etwa das Antiraupen-Mittel RUNNER, sollen sogar hormonelle Effekte entfalten. Es zählt nämlich zu den Insekten-Wachstumsregulatoren, die der europäische Lobbyverband der Agro-Riesen, die „European Crop Protection Association“ (ECPA), wie folgt beschreibt: „Pheromone und Insekten-Wachstumsregulatoren werden im Pflanzenschutz speziell wegen ihrer Wirkungsweise als endokrine Disruptoren eingesetzt, um den Fortpflanzungsprozess zu stören oder den Lebenszyklus der Insekten zu verkürzen.“

Bei anderen Agro-Giften des Konzerns fällt die Beeinträchtigung des Hormonsystems hingegen eher in die Rubrik „Risiken und Nebenwirkungen“. Dies ist auch bei den anderen Substanzen mit hormon-ähnlichen Eigenschaften aus der Produktpalette des Global Players der Fall, wie z. B. bei Weichmachern oder der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, von welcher der der Pharma-Riese allein im Jahr 2011 rund 1,2 Millionen Tonnen herstellte.

Bereits seit den 1990er Jahren warnen WissenschaftlerInnen vor den Gefahren, die durch endokrine Disruptoren drohen. Die Politik blieb jedoch lange untätig. Die Europäische Union brachte 1999 zwar eine „Strategie für Umwelthormone“ auf den Weg, erkannte aber erst in der Dekade nach dem Jahrtausendwechsel Handlungsbedarf, wie die französische Publizistin Stéphane Horel in ihrem Buch „Intoxication“ ausführt. Im Rahmen der Neuordnung der Pestizid-Zulassungen nahm die EU 2009 auch die hormonelle Wirkung der Ackergifte ins Visier. Das Europäische Parlament sprach sich dabei für ein Verbot dieser Substanzen aus. Zu einer entsprechenden Regelung in der „Verordnung 1107/2009“ kam es damals jedoch nicht. Diese sollte erst per Nachtrag erfolgen, wenn die Europäische Kommission genaue Kriterien zur Bestimmung der EDCs entwickelt hatte. Bis Ende 2013 gab das EU-Parlament ihr dafür Zeit.

Mit der Detailarbeit betraute die Kommission dann – vorerst – die „General-Direktion Umwelt“. Diese beauftragte zunächst eine Gruppe von WissenschaftlerInnen mit einer Untersuchung zum Forschungsstand in Sachen „hormon-ähnliche Chemikalien“. Anfang 2012 lag der Report „State of the Art Assessment of Endocrine Disrupters“ schließlich vor. Er bescheinigte den Stoffen einmal mehr gesundheitsschädigende Eigenschaften. Diese „rechtfertigen es, die endokrinen Disruptoren als ebenso besorgniserregende Substanzen anzusehen wie krebserregende, erbgutschädigende und reproduktionstoxische Produkte“, hält die Studie fest. Die ForscherInnen schlugen deshalb vor, eine eigene Kategorie für RUNNER & Co. zu schaffen und diese auch nicht wie andere potenziell gefährliche Hervorbringungen der Industrie nach der Wirkstärke zu beurteilen. Dieses Kriterium erlaubt den WissenschaftlerInnen zufolge nämlich keine Rückschlüsse auf das von den EDCs ausgehende Gesundheitsrisiko. Die Dosis macht das Gift – eben das trifft auf die endokrinen Disruptoren nicht zu, weshalb nach Meinung der AutorInnen auch Grenzwerte nicht vor deren Gefahren schützen. Der an der Expertise beteiligte Toxikologe Dr. Andreas Kortenkamp hatte das schon 2002 in einem Experiment nachgewiesen. Er mischte Polychlorierte Biphenyle (PCB), wie sie BAYER bis zu ihrem Verbot im Jahr 1989 massenhaft produzierte, Bisphenol A und sechs weitere Chemikalien zusammen, die für sich genommen nicht östrogen wirken. Er erhielt ein überraschendes Ergebnis. „0 + 0 + 0 + 0 + 0 + 0 + 0 + 0 = 8“ lautete das Resultat. Also das glatte Gegenteil eines Nullsummenspiels. „Etwas, das aus dem Nichts entsteht“, fasste Kortenkamp den beunruhigenden Befund zusammen. „Schädliche chemische Stoffe in Produkten des täglichen Bedarfs müssen verboten werden. Die Gesundheit steht über dem wirtschaftlichen Interesse“, forderte der Toxikologe deshalb später in einem Zeitungsartikel.

Die unter seiner Federführung entstandene Untersuchung für die General-Direktion Umwelt alarmierte die Industrie und trieb sie zu einer beispiellosen Lobby-Offensive, in der BAYER eine Hauptrolle einnahm. Zudem machten noch zahlreiche große Organisationen Druck. So setzte die CEFIC, der europäische Verband der Chemie-Industrie, die endokrinen Disruptoren ganz oben auf ihre Liste mit den „Lobbying-Schlüsselthemen“. Und die CEFIC kann sich diesem Schlüsselthema mit einiger Macht widmen: Sie ist mit ihren 29.000 Mitgliedsfirmen die größte europäische Unternehmensvereinigung, hat in Brüssel 150 Beschäftigte und verfügt über einen Jahresetat von 40 Millionen Euro. Damit nicht genug, opponierten noch weitere Verbände der Konzerne gegen allzu weitreichende Regulierungspläne. Zu ihnen zählten etwa die ECPA, der Zusammenschluss der europäischen Pestizid-Hersteller, dessen US-amerikanisches Pendant „Croplife“, das „American Chemistry Council“ und „Plastic Europe“ mit Patrick Thomas an der Spitze, dem Chef der BAYER-Tochter COVESTRO.
Zunächst heuerten BAYER & Co. willige WissenschaftlerInnen an, um Zweifel am Kortenkamp-Report zu säen.

Der vom „American Chemistry Council“ bestellte und bezahlte Text erschien dann Ende Mai 2012 in der Fachzeitschrift Criticial Reviews in Toxicology. Schon ein Blick auf die deklarierten Interessenskonflikte genügt, um sich eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Kritik, die sich hauptsächlich auf Fragen der Methodik konzentriert, zu ersparen. Alle sechs Autoren verfügten nämlich über beste Verbindungen zu den Multis. Sie arbeiteten beispielsweise als Berater für die BASF oder das „American Chemistry Council“ und veröffentlichten in Tateinheit mit ForscherInnen von BAYER, DUPONT oder MONSANTO Artikel.

Einen ersten Zwischenerfolg erzielten die Konzerne schon bald darauf. Hatten die Unternehmen schon länger daran gearbeitet, den Einfluss der General-Direktion Umwelt zu begrenzen und industrie-freundlicheren EU-Organisationen mehr Gewicht in dem Prozess zukommen zu lassen, so konnten sie im Oktober 2012 einen Etappen-Sieg erringen. Die Europäische Kommission übertrug der „Europäischen Behörde für Lebensmittel-Sicherheit“ (EFSA) die Aufgabe, ein wissenschaftliches Gutachten zur Identifizierung und zur Bewertung der endokrinen Disruptoren zu verfassen. Und die Agentur, deren MitarbeiterInnen mehr als einmal mit ihren Beziehungen zur Wirtschaft in die Schlagzeilen geraten waren, versuchte ihrem schlechten Ruf bereits von Anfang an gerecht zu werden: In der von ihr berufenen Arbeitsgruppe befanden sich nämlich überhaupt keine Hormon-SpezialistInnen. Das Ergebnis fiel entsprechend aus: „EDCs können wie alle anderen den Menschen und die Umwelt gefährdenden Substanzen behandelt werden.“ Eine Beurteilung nicht einzig nach dem Gefahren-Potenzial, sondern überdies nach dem üblichen Kriterium der Wahl, dem Risiko-Potenzial, schlug die EFSA deshalb vor.

Endokrine Disruptoren fallen für die Agentur also nicht aus dem Rahmen dessen, was sonst so an schädlichen Chemikalien aufläuft. Der Umgang mit diesen kann nach Ansicht der EFSA daher auch weitgehend in dem bisherigen Rahmen stattfinden. Das war natürlich ganz im Sinne der Industrie. Besonders die Zurückweisung des Gefahren-Ansatzes als einzigem Maßstab zur Beurteilung der EDCs fand ihren Gefallen. Eine Prüfung der Stoffe auf Grundlage der „Gefahr“ unterscheidet sich nämlich maßgeblich von einer solchen auf der Grundlage des „Risikos“. Eine Bewertung anhand der Gefahr nimmt allein die Eigenschaften des Produkts in den Blick, eine anhand des Risikos berücksichtigt indes das Ausmaß, in dem Mensch, Tier und Umwelt der Chemikalie ausgesetzt sind. Während die Gefahr einer Substanz also immer absolut gilt und keine Grenzen kennt, ist das Risiko immer relativ. Es ist unter anderem von der Wirkstärke abhängig. Und als Maß der Dinge kommt so der Grenzwert ins Spiel, der das Höchstmaß der Belastbarkeit anzeigt. Solche Limits träfen auf die – zähneknirschende – Zustimmung von BAYER & Co., erlaubten diese ihnen doch zumindest, ihre Waren, wenn auch mit mehr oder weniger großen Beschränkungen, auf dem Markt zu halten. Das gelänge bei einer Inventur unter der Maßgabe der Gefahr nicht. Danach müssten etwa alle als EDCs identifizierte Acker-Gifte mit einem Verbot rechnen.
Genau dies legte der Kortenkamp-Report 2012 ganz im Sinne der Pestizid-Richtlinie von 2009 nahe, indem er den endokrinen Disruptoren einen Sonderstatus zuschrieb und das Prinzip der Wirkstärke als Richtschnur für die Bewertung ablehnte. Kein Wunder also, dass die EFSA exakt das jetzt zur Disposition stellte. Und die Behörde tat dies wider besseren Wissens, war sie doch kurz vor dem Veröffentlichungsdatum noch drauf und dran, alles zu revidieren. Dass zwei UN-Organisationen den Stand der Wissenschaft so ganz anders wiedergegeben hatten als sie selber und von den endokrinen Disruptoren als einer „globalen Bedrohung“ sprachen, hatte sie nämlich ins Zweifeln gebracht. „Ich denke, dass wir unseren Bericht (...) leider umarbeiten müssen, damit er besser reflektiert, was der Rest der Welt denkt“, e-mailte ein Mitglied der Arbeitsgruppe aufgestört. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der EFSA schlug indessen vor, wenigstens das Kapitel „Schlussfolgerungen“ zu ändern. Aber am Ende blieb doch alles, wie es war.

Die GD Umwelt hatte also allen Grund, an ihrem umfassenderen Schutz-Ansatz festzuhalten. Das allerdings rief BAYER auf den Plan. Der Leverkusener Multi gelangte vorzeitig in den Besitz des entsprechenden Papiers der GD Umwelt – ein Vertrauter bei der Kommission hatte es dem Chemie-Verband CEFIC durchgesteckt – und setzte im Juni 2013 einen Brief an die stellvertretende Generalsekretärin der EU-Kommission, Marianne Klingbeil, auf. „Die DG ENV (= GD Umwelt, Anm. SWB) favorisiert gegenwärtig ein Konzept, welches durchgängig auf der Basis des Vorsorge-Prinzips konstruiert worden ist (Hazard assessment). Dies bedeutet eine fundamentale Abkehr von den Prinzipien der Risiko-Bewertung und wird in Konsequenz weitreichende, gravierende Auswirkungen auf die Chemie-Branche und Agrar-Industrie (vor allem wegen der bei Pflanzenschutzmitteln angewandten Cut-off-Kriterien, die einen Verlust der Zulassung bedingen), nach sich ziehen“, zeigte sich der Pharma-Riese alarmiert. Mehr als 37 Pestizide sieht er von einem Verbot bedroht. Allein der Bann der Antipilz-Mittel aus der Gruppe der Triazole, zu denen etwa die BAYER-Produkte PROVOST OPTI, FOLICUR und NATIVO gehören, würde zu einem Produktivitätsrückgang von 20 Prozent und zu Ernte-Verlusten bis zu 40 Prozent führen, rechnet der Konzern unter Bezugnahme auf zwei Studien vor. Mit Verweis auf die EU-Maxime der „Better regulation“ fordert er die Kommission deshalb auf, bei ihrer Entscheidung über die endokrinen Disruptoren die Auswirkungen auf die Wirtschaft mit zu berücksichtigen und ein sogenanntes Impact Assessment durchzuführen.

Und Brüssel erhörte die Signale: Statt wie vorgesehen 2013 die Kriterien zur Beurteilung der EDCs vorzulegen, kündigte die EU-Kommission erst einmal eine ökonomische Folgeabschätzung an. Der Leverkusener Multi gab sich damit aber nicht zufrieden. Hatte er bereits vor dem Brief an Marianne Klingbeil gemeinsam mit BASF und SYNGENTA ein Scheiben an die EU verfasst und sich darin besorgt gezeigt, die Kriterien zur Bestimmung der endokrinen Disruptoren könnten ihren „komplett sicheren“ Pestiziden den Garaus machen, so setzte er zusammen mit mehreren anderen Konzernen Mitte Oktober 2013 erneut ein Schriftstück auf. Darin gingen die Absender das Vorsorge-Prinzip von einer anderen Seite her an. Sie wollten es nun durch ein „Innovationsprinzip“ ergänzt wissen. Ein Gleichgewicht zwischen Gesundheitsschutz und Innovationsförderung sollte Brüssel nach Meinung der Vorstandschefs anstreben, denn: „Innovationen sind per definitionem mit Risiken verbunden.“

Damit endeten die Lobby-Aktivitäten von BAYER & Co. aber noch bei Weitem nicht. So brachte der willige Wissenschaftler Daniel Dietrich, der immer wieder gern gemeinsam mit den ForscherInnen von BAYER, DOW oder ASTRAZENECA Studien publiziert, in der Fachzeitschrift Toxicology Letters einen höhnischen Artikel über die mit den endokrinen Disruptoren verbundenen Ängste unter. Darin deklarierte er forsch die den EDCs zugeschriebenen Fruchtbarkeitsschädigungen wie etwa die Minderung der Samen-Qualität zu Symptomen einer männlichen Hysterie. „Man kann sich fragen, ob das ganze Thema ‚EDCs’ nicht eher in die Kompetenz von Dr. Sigmund Freud fällt als in die der Toxikologie“, meinten Dietrich und seine Co-Autoren. Auf kaum höherem Niveau argumentierten die Konzerne und ihre Lobby-Organisationen.

Die CEFIC etwa griff in ihren zahlreichen Eingaben zum Standard-Argument der Industrie und bestritt den Kausal-Zusammenhang zwischen Substanz und Nebenwirkungen. Stattdessen führte die Organisation andere mögliche Ursachen ins Feld, wie Umwelteinflüsse und Lebensführung. Zudem erklärte sie die Symptome für reversibel. Allen Ernstes führte sie dafür in einem Schreiben an die EU Horror-Filme als Beispiel an. Diese riefen auch hormonelle Reaktionen des Körpers hervor, allerdings klängen diese bald wieder ab, so die CEFIC.
BAYER versuchte darüber hinaus noch, die LandwirtInnen gegen eine allzu weitreichende Regulation der endokrinen Disruptoren zu mobilisieren. Der Leverkusener Multi entwarf ein Horror-Szenario von Ernte-Verlusten durch bald nicht mehr erhältliche Pestizide und rief die FarmerInnen dazu auf, sich an den Konsultationen Brüssels zu den EDCs zu beteiligen. Darüber hinaus ließ der Global Player seine Beziehungen spielen, um direkt mit Karl Falkenberg, dem Leiter der GD Umwelt, ins Gespräch zu kommen. Der heute beim Berliner „Global Forum for Food and Agriculture“ tätige Eckart Guth bat seinen früheren EU-Kollegen Falkenberg, den BAYER-Manager Franz Eversheim zu empfangen. „Lieber Karl, ich schreibe dir, um dich zu bitten, Herrn (Name in dem EU-Dokument geschwärzt, Anm. SWB) zu treffen, den Leiter Public and Government Affairs Europa von BAYER CROPSCIENCE. Wir haben vor einiger Zeit beim Bier nach dem Tennis über das zur Diskussion stehende Thema gesprochen. Aber ich fürchte, es ist zu ernst, um es dabei belassen zu können. Darum würde ich dir vorschlagen, Herrn (geschwärzt, Anm. SWB) zu treffen, den ich in institutionellen Angelegenheiten berate“, hieß es in dem Schreiben. Das zur Diskussion stehende Thema waren die Kriterien zur Bestimmung der endokrinen Disruptoren. Ob es dann wirklich zu dem angeregten Tête-à-Tête gekommen ist, das vermochte Stéphane Horel nicht herauszubekommen. Dennoch zeigt das Dokument sehr gut, wie Lobbyarbeit in Brüssel funktioniert.

Im Jahr 2013 brachten es BAYER & Co. allein in der zweiten Juni-Hälfte auf sechs Treffen mit EU-Offiziellen; rund 30 Mails der Industrie liefen in diesem Zeitraum auf. Sogar den Profi-AntichambrierInnen von der ECPA begann das alles über den Kopf zu wachsen. Der Druck von Seiten der Mitgliedsfirmen sei „enorm“, schütteten sie Peter Korytar von der GD Umwelt ihr Herz aus. Dazu kam noch Unterstützung aus Übersee. „Croplife America“, der US-Verband der Pestizid-Produzenten, und das „American Chemistry Council“ übten Druck auf die EU-Repräsentanz in Washington aus, weil sie sich Sorgen um ihre Agrogift-Exporte machten. Darum setzten sie die Pläne der EU in Sachen „endokrine Disruptoren“ auch auf die Agenda der TTIP-Verhandlungen. Als mögliches Handelshemmnis und ein konkretes Beispiel für Reform-Bedarf bei der Regulierungszusammenarbeit galten diese den US-amerikanischen Verbänden.
All das ließ die EU-Kommission nicht ungerührt. Sie entzog schließlich der GD Umwelt endgültig die Verantwortung in diesem Prozess und verschleppte die Arbeit zur Bestimmung der EDC-Kriterien immer mehr. So sehr, dass dem Mitgliedsland Schweden schließlich der Kragen platzte. Der nordeuropäische Staat verklagte die Kommission wegen Untätigkeit und bekam im März 2016 auch Recht zugesprochen.

Nun mussten Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und seine Mannschaft endgültig liefern. Und Mitte Juni taten sie es schließlich: Die Europäische Kommission unterrichtete das Europäische Parlament und den Europäischen Rat „über endokrine Disruptoren und die Entwürfe der Kommissionsrechtsakte zur Festlegung der wissenschaftlichen Kritierien für ihre Bestimmung im Kontext der EU-Rechtsvorschriften über Pflanzenschutzmittel und Biozid-Produkte“.
Bei der Definition der EDCs verzichtet die Kommission auf die umstrittenen Kategorie der Wirkstärke. Sie greift zur Freude von BAYER & Co. „wohl aber bei der Bewertung des tatsächlichen Risikos, das von endokrinen Disruptoren ausgeht“, auf diese zurück. Und noch eines weiteren „Aber“ bedient sich Junckers Riege: Sie will die Verbotsanordnungen zwar grundsätzlich auf der Grundlage des Gefahren-Ansatzes verhängen und nicht dem Risiko-Relativismus frönen, der sich am dem Maß der EDC-Dröhnung orientiert. Allein: „Es gibt jedoch einige begrenzte Ausnahmen“. Zu diesen zählt die Kommission ein vernachlässigbares Risiko, eine vernachlässigbare Exposition, sozio-ökonomische Gründe und ernste Gefährdungen der Pflanzengesundheit. Eine ganz schön große Auswahl für die Konzerne – da hatte das die wirtschaftlichen Folgen der EDC-Regulierung abschätzende „Impact Assessment“ seine Wirkung offensichtlich nicht verfehlt.

Dementsprechend hart fiel das Urteil von Seiten der Umweltverbände und der Fachwelt aus. „Das Vorsorge-Prinzip wird durch die Vorschläge mit Füßen getreten“, konstatiert etwa das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN). Hätte ursprünglich der Beleg einer hormon-schädlichen Eigenschaft für eine Regulierung ausgereicht, so müsse nun die Relevanz eines schädlichen Effekts beim Menschen tatsächlich nachgewiesen sein“, moniert die Initiative. Zudem kritisiert PAN die Erweiterung der Ausnahmebestimmungen für hormon-aktive Pestizide, die jetzt im Umlauf bleiben dürfen, wenn sie eine bestimmte Schwelle nicht überschreiten. Als „ganz im Sinne der Pestizid- und Chemie-Industrie“ und „Vorboten von CETA und TTIP“ bezeichnet die PAN-Aktivistin Susanne Smolka die Vorschläge der EU. Die Wissenschaftsvereinigung „Endocrine Society“ lehnt den vorgelegten Entwurf ebenfalls ab. „In Bezug auf die endokrinen Disruptoren noch strengere wissenschaftliche Maßstäbe anzulegen als in Bezug auf die Karzinogene, für die sie schon sehr streng sind, wäre ein Schritt in die falsche Richtung“, so Rémy Slama. Auch das Umweltbundesamt zeigt sich enttäuscht: „Damit verlässt die EU den gefahren-basierten Ansatz, den wir fordern.“ Während bundesdeutsche PolitikerInnen sich mit Kommentaren zurückhielten, bezeichnete die französische Umweltministerin Ségolène Royal die Vorlage aus Brüssel als „extrem enttäuschend“. Gemeinsam mit ihren KollegInnen aus Schweden und Dänemark setzte sie deshalb einen Brief an Jean-Claude Juncker auf, der ein generelles Verbot von endokrinen Disruptoren in Pestiziden zur Forderung erhob.

Die Industrie ließ sich indessen ihre Freude nicht anmerken. Aus taktischen Gründen zog sie es vor, gleichfalls in den Chor der KritikerInnen einzufallen, um die Vorlage der EU als goldenen Mittelweg erscheinen zu lassen und ihre erfolgreiche Lobby-Arbeit nicht durch eine Geste des Triumphalismus zu gefährden.

Die ECPA richtete ihren Tunnelblick einzig auf die Ausnahme-Regelungen und empfand diese als ungenügend. Aus diesem Grund krittelte der Pestizid-Verband an den Kriterien herum, die sich seiner Ansicht nach etwas risiko-freudiger hätten zeigen sollen, statt nur der Gefahr ins Auge zu sehen. „Eine Regulierung durch Ausnahmen ist weder akzeptabel noch wissenschaftlich. Wenn man immer mehr Ausnahmen schaffen muss, ist das ein Anzeichen dafür, dass mit den Kriterien etwas nicht stimmt“, meinte ECPA-Sprecher Graeme Taylor. Der „Verband der Chemischen Industrie“ zeigte sich ebenfalls demonstrativ verstimmt. „Die Kriterien taugen in der Praxis nicht zu einer verlässlichen Unterscheidung in schädliche und harmlose Stoffe“, konstatierte er. Harmlose Substanzen gibt es unter den Chemikalien mit hormoneller Wirkungen nach Ansicht der Lobby-Organisation von BAYER & Co. nämlich wirklich. „Eine sichere Handhabung hormon-aktiver Stoffe ist möglich“, befand der Verband und plädierte einmal mehr für eine Regulierung mit Hilfe von Grenzwerten nach Maßgabe der Wirkstärke der EDCs. Und dienten seinem europäischen Pendant CEFIC noch Horror-Filme als Beispiele für hormonell Wirksames mit geringer Halbwertzeit, so rekurriert der bundesdeutsche Chemie-Verband nun auf Vitamin D und Koffein als Substanzen, die unterhalb bestimmter Konzentrationen keine Irritationen im Hormon-System hervorrufen.

Lob erntete Brüssel kaum. Nur das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) tat sich wieder einmal unrühmlich hervor. Hatte sich das Institut, in dessen Kommissionen VertreterInnen von BAYER, BASF und anderen Konzernen sitzen, schon in Sachen „Glyphosat“ als Anwalt von Unternehmenspositionen hervorgetan, so ging es nun auch d’accord mit dem EU-Entwurf zu den EDCs. „BfR begrüßt wissenschaftliche Kriterien der EU-Kommission für die Identifizierung endokriner Disruptoren“, überschrieben die Risiko-BewerterInnen ihre Pressemeldung. Kunststück: Die Bundeseinrichtung hatte ihren Einfluss in dem ganzen Prozess immer wieder geltend gemacht. So saßen BfR-VertreterInnen etwa in der EFSA-Arbeitsgruppe, die keinen prinziellen Unterschied zwischen den endokrinen Disruptoren und anderen Chemikalien machen wollte. Darüber hinaus betonte das Bundesinstitut schon früh „die große ökonomische Tragweite“ der Entscheidung über die hormonellen Substanzen“ und trat deshalb bei der Kommission immer für Grenzwerte statt für Totalverbote ein.
In der belgischen Hauptstadt geht jetzt erst einmal alles seinen EU-bürokratischen Gang. Andere Gremien müssen sich mit dem Kommissionsentwurf befassen, was noch zu einigen Konflikten führen dürfte. BAYER & Co. haben sich dafür schon einmal in Stellung gebracht und im Falle eines missliebigen Ergebnisses sogar mit gerichtlichen Auseinandersetzungen gedroht. Aber auch die Umweltverbände und kritischen Initiativen haben bereits mit Aktionen begonnen. So hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK eine Unterschriften-Aktion an den Start gebracht. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird ebenfalls nicht untätig bleiben.

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2016

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG bei den TTIP-Protesten
Über 300.000 Menschen haben am 17. September 2016 an den Demonstrationen gegen die Handelsabkommen TTIP und CETA teilgenommen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ging in Köln auf die Straße, um gegen die von der EU geplanten Vereinbarungen mit Kanada und den USA zu protestieren, denn diese halten diverse Schmankerl für BAYER & Co. bereit. Allein den TTIP-Effekt, der vor allem durch niedrigere Zölle und vereinheitlichte Regulierungsverfahren entsteht, beziffert der Leverkusener Multi auf einen dreistelligen Millionen-Betrag im Jahr. Auch von laxeren Standards für Pestizide, Gen-Pflanzen und hormonell wirksame Stoffe wie Bisphenol A sowie von privaten Schiedsgerichten zum Investitionsschutz hofft der Konzern zu profitieren. „Für Deutschland ist es ein Muss, hier dabei zu sein“, sagt BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning deshalb. Für die CBG war es da natürlich ein Muss, bei den Protesten dabei zu sein.

Proteste gegen BAYERs MONSANTO-Coup
Mit vielen Aktionen hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) versucht, BAYERs MONSANTO-Übernahme zu verhindern. Noch am 8. September 2016, knapp eine Woche, bevor der bundesdeutsche Agro-Multi Vollzug meldete, zog die CBG gemeinsam mit der UMWELTGEWERKSCHAFT und anderen Gruppen vor das Tor 1 des Leverkusener Werks, um vor den Auswirkungen des Deals auf die Beschäftigten, die VerbraucherInnen, die LandwirtInnen und die Menschen in den Armutsregionen zu warnen.

Offener Brief wg. BAYTRIL & Co.
Anfang August 2016 vermeldete das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) einen Anstieg des Gebrauchs von Antibiotika aus den Klassen der Cephalosporine und der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nahm das zum Anlass, einen Offenen Brief an den Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) zu initiieren. Sie sah Gefahr im Verzuge, weil Fluorchinolone und Cephalosporine in der Humanmedizin zu den Reserve-Antibiotika zählen, die nur zum Einsatz kommen, wenn andere Mittel bereits versagt haben. Und durch den massenhaften Einsatz von BAYTRIL & Co. in den Ställen drohen auch diese Substanz-Gruppen mehr und mehr zu versagen. Durch die Dauerdröhnung gewöhnen sich die Krankheitserreger nämlich zunehmend an die Präparate. Gelangen die Keime dann in den menschlichen Organismus, ist kein Kraut mehr gegen sie gewachsen. Darum forderte die CBG gemeinsam mit den ÄRZTEN GEGEN MASSENTIERHALTUNG, GERMAN WATCH, HEJSUPPORT, dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK und den TIERÄRZTEN FÜR VERANTWORTBARE LANDWIRTSCHAFT, die Verwendung von Reserve-Antibiotika in der Massentierhaltung zu verbieten. Zudem zweifelten die Initiativen die Aussage des „Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) an, dass die Antibiotika-Gaben abgesehen von den Cephalosporinen und den Fluorchinolonen zurückgingen. Dabei stützt sich die Behörde nämlich nur auf einen Rückgang der verwendeten Mengen. Und diese Zahlen sagen für sich genommen herzlich wenig aus, denn bei den neueren Präparaten ist weniger mehr. Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, können die LandwirtInnen mit einer Tonne von BAYERs BAYTRIL 2,2 Millionen Tiere versorgen. (Kurz vor dem Ticker-Redaktionsschluss korrigierte das BVL seine Angaben. Demnach nahm der Gebrauch von Fluorchinolonen nicht zu, sondern leicht von 12,3 auf 10,6 Tonnen ab. Bei den Cephalosporinen der 3. Und 4. Generation gingen die Verordnungen um 100 Kilogramm auf 3,6 Tonnen zurück. Ein Grund zur Entwarnung ist das jedoch nicht, Anm. Ticker.)

Offener Brief zu Pseudo-Hormonen
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie RUNNER, PROVOST OPTI, FOLICUR und NATIVO oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassungsgesetze verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Definition der Pseudo-Hormone – sogenannter „endokriner Disruptoren“ (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Die Bestimmungen kehren jedoch die Beweislast um und fordern eindeutige Belege für die gesundheitsschädliche Wirkung der EDCs; ein plausibler Verdacht reicht Juncker & Co. nicht aus. Da dies nicht dem Vorsorge-Prinzip entspricht, hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK einen Offenen Brief an die bundesdeutschen RepräsentantInnen der EU-Fachausschüsse initiiert, der auf Veränderungen dringt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat das Schreiben mitunterzeichnet.

Tote Bienen vor BAYER-Gebäude
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Die EU hat diese Stoffe deshalb ebenso wie andere Ackergifte dieser Substanz-Klasse bereits mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Aber auch anderswo werden entsprechende Forderungen laut. So zog im Juni 2016 ein Protestzug von BienenzüchterInnen, LandwirtInnen und UmweltaktivistInnen unter der Losung „Haltet die Bienenstöcke am Leben“ quer durch die USA. Vier Millionen Unterschriften zum Stopp von GAUCHO & Co. hatte er im Gepäck. Am 20. Juni machte der Treck Halt vor der Niederlassung des Leverkusener Multis in Durham und lud dort 2,6 Millionen tote Bienen ab. Die TeilnehmerInnen der Karawane verglichen die Folgen der Neonicotinoide mit denen von DDT. Weil Bienen wichtige Dienste als Bestäuber von Getreide-Pflanzen und anderen Ackerfrüchten leisten, warnten die ProtestlerInnen zudem vor den Auswirkungen des Bienensterbens auf die Lebensmittel-Versorgung. Diese Risiken und Nebenwirkungen ignorieren BAYER & Co. Und zwar komplett: Sie gehen nur ihren Profit-Interessen nach. „Wenn wir der Agrochemie-Industrie eine Fortsetzung dieser kurzsichtigen Praxis erlauben, werden die Kosten für Lebensmittel wegen der Verknappung des Angebots steigen“, prophezeite deshalb Scott Nash von der Bioladen-Kette MOM’S ORGANIC MARKET.

Das CIPROBAY-Desaster
BAYERs Antibiotikum CIPROBAY mit dem Wirkstoff Moxifloxacin, der zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen. So registrierte die US-Gesundheitsbehörde FDA zwischen 1998 und 2013 etwa 3.000 Todesfälle, die im Zusammenhang mit fluorchinolon-haltigen Medikamenten stehen. Insgesamt erhielt die FDA rund 50.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte. Am häufigsten treten Gesundheitsschäden im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen auf. Die Pharmazeutika stören nämlich das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, indem sie die Weiterleitung des Neurotransmitters Acetylcholine behindern. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen. Darüber hinaus sind CIPROBAY & Co. für Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen verantwortlich. Der US-amerikanische Mediziner Dr. Jay Cohen hat dazu jetzt ein Buch geschrieben. „Wie wir die CIPRO- und LEVAQUIN-Katastrophe stoppen können – das größte medizinische Desaster der US-Geschichte“ lautet der Titel vielsagend.

BAYERs Lernpläne durchkreuzen!
Der Leverkusener Multi tut viel, um zukünftige Generationen für sich zu gewinnen. Er erstellt unter anderem Unterrichtsmaterialien, schickt rollende Chemie-Labore durch die Lande und sponsert Schulen. Mit Wimmelbüchern „beglückt“ er sogar schon Kindergärten (SWB 2/16). Und mit diesem Engagement steht der Konzern nicht allein da: 16 der 20 größten deutschen Unternehmen betätigen sich – unbehelligt von den Schulbehörden – auf dem Feld der Bildung. Dabei profitieren sie von der Finanzschwäche der Kommunen, die es nicht mehr schaffen, die Einrichtungen angemessen auszustatten. Der Frankfurter Wissenschaftler Tim Engartner hat jetzt Maßnahmen gegen den pädagogischen Eros von BAYER & Co. gefordert. Seiner Meinung nach „bedarf es angesichts der inhaltlichen Einflussnahme durch Privatakteure eines eindeutigen staatlichen Regelwerks, das die Trennung zwischen Schule und Privatwirtschaft garantiert“.

PCB: VBE schlägt Alarm
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten, gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Risiko dar. In Deutschland weisen besonders öffentliche Gebäude hohe Belastungen auf; rund 24.000 Tonnen PCB „beherbergen“ sie. Nach Schätzungen des Bundesumweltamts (UBA) ist jede dritte Schule kontaminiert. Eine Beteiligung an den Dekontaminationsarbeiten lehnt der Leverkusener Multi jedoch ab. „Die Sanierung PCB-belasteter Gebäude liegt (...) nicht in unserem Verantwortungsbereich“, verlautet aus der Firmen-Zentrale. Allzu häufig kommt es jedoch gar nicht erst zu solchen Sanierungen. Die Entscheidungsgrundlage für diese stellt nämlich die PCB-Richtlinie dar; und diese erklärt selbst eine Konzentration des Stoffes in der Atemluft für unbedenklich, wenn diese um den Faktor 50 über dem Richtwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt. Udo Beckmann von der LehrerInnen-Vereinigung „Verband Bildung und Erziehung“ kritisiert das vehement: „Die Politik spielt mit der Gesundheit von Lehrkräften und Schülern. Obwohl PCB von der ‚Internationalen Agentur für Krebsforschung’ in die höchste Gefahren-Gruppe eingeordnet wurde, gelten in Deutschland völlig veraltete Richtlinien.“ Es passe nicht zusammen, dass LehrerInnen SchülerInnen zu umweltbewussten BürgerInnen erziehen sollen, während die Ausbildungsstätten PCB-verseucht sind, so Beckmann. „Die Beschäftigten an den Schulen und Hochschulen sowie die Schüler und Studenten haben einen Anspruch auf belastungsfreie Unterrichtsräume“, hält der Pädagoge fest.

Gen-Raps unter Beobachtung stellen!
2015 hatte ein in der EU nicht zugelassener Gen-Raps von BAYER das Saatgut einer konventionellen Züchtung verunreinigt. In der Pflanze, welche die französische Firma RAGT entwickelt hat, fanden sich Spuren des gegen die Herbizid-Wirkstoffe Bromoxynil und Ioxynil immunen Raps’ NAVIGATOR. RAGT strebte für sein Produkt eine Zulassung in EU-Ländern an. Deshalb fand ein Probe-Anbau in England, Frankreich, Dänemark und Deutschland statt. Nach Bekanntwerden des Skandals haben die hiesigen Behörden sofort die Anweisung erteilt, die auf 48 Versuchsfeldern in verschiedenen Bundesländern kultivierten Pflanzen zu zerstören. Das reicht als Maßnahme jedoch nicht aus, denn die Laborfrucht hat eine lange Halbwertzeit und bleibt lange keimfähig. „Daher müssen die Bundesländer die betroffenen Flächen über 20 Jahre hinweg überwachen und auflaufenden Durchwuchs-Raps vernichten“, forderte Annemarie Volling von der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL). Unterstützung erfuhr der Verband dabei von der IG SAATGUT und dem GENETHISCHEN NETZWERK.

KAPITAL & ARBEIT

Tarifrunde 2016: 3 Prozent mehr
BAYER fährt von Jahr zu Jahr höhere Gewinne ein. Im Geschäftsjahr 2015 wuchs das Konzern-Ergebnis um 18,6 Prozent auf rund 1,380 Milliarden Euro. Die Beschäftigten profitieren davon jedoch kaum. Bei den diesjährigen Tarif-Verhandlungen vereinbarte die Chemie-Branche mit den Gewerkschaften Ende Juni 2016 lediglich eine Entgelt-Anhebung von 3 Prozent für die nächsten 13 Monate. Dann folgt für die 11-monatliche Restlaufzeit des Tarifvertrages noch einmal ein Aufschlag von 2,3 Prozent.

H.C. STARCK in Schwierigkeiten
Im Zuge der „Konzentration auf das Kerngeschäft“ hat BAYER viele Unternehmensteile abgestoßen. Eine aussichtsreiche Zukunft erwartete die Abteilungen in der Regel nicht. Besonders kleinere Sparten wie DYSTAR, DYNEVO, TANATEX, KRONOS TITAN und AGFA gerieten in Schwierigkeiten. Entweder gingen sie Pleite, schrumpften empfindlich oder wurden von anderen Konzernen geschluckt. Aktuell sieht sich H.C. STARCK mit ernsten Problemen konfrontiert. Das Unternehmen hat massive Finanz-Probleme. Der Leverkusener Multi hatte den Spezialchemie-Hersteller nämlich an zwei Finanzinvestoren veräußert, die H.C. STARCK die Kaufsumme als Schulden in die Bücher geschrieben haben. Nun muss die Firma Arbeitsplätze vernichten und andere Restrukturierungsmaßnahmen durchführen, um neue Kredite zu erhalten.

Verändertes Schichtsystem
Der BAYER-Konzern hat an seinem Pestizid-Standort Hürth-Knapsack in Kooperation mit dem Betriebsrat das Schichtsystem geändert. Das bisherige 4-Schichtsystem wurde „aus arbeitsmedizinischen und organisationstechnischen Erwägungen“ durch das beim Leverkusener Multi auch sonst übliche 5-Schichtmodell ersetzt. Dieses erlaubt jetzt längere Ruhe-Phasen vor den Schicht-Wechseln. Auch führt es zu kürzeren Wochenarbeitszeiten. Der Konzern wollte deshalb sogleich die Entgelte entsprechend senken, konnte sich damit aber nicht ganz durchsetzen. „Letztlich haben die Betriebsräte in Knapsack für die Kollegen am Standort einen guten Kompromiss mit einer attraktiven finanziellen Abfederung erreichen können“, so der Betriebsratsvorsitzende Franz-Josef Christ.

ERSTE & DRITTE WELT

Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe
Seit einiger Zeit haben die Global Player auf der Suche nach neuen Absatz-Gebieten die „Low-income Markets“ entdeckt (siehe auch SWB 4/13). So entwickelte der Leverkusener Multi bereits 2013 eine „Afrika-Strategie“. Bei der Umsetzung geriert sich der Agro-Riese gerne als Entwicklungshelfer. „BAYER kooperiert mit der gemeinnützigen Organisation ‚Fair Planet’ und wird Teil des Projekts ‚Bridging the Seed Gap’ in Äthiopien. Ziel des Projekts ist es, neue Anbau-Möglichkeiten für Kleinbauern zu schaffen“, vermeldete der Konzern etwa Anfang 2016. Auch LandwirtInnen-Verbände und Hochschulen sitzen mit im Boot. Und bei der Unterzeichnung des Vertrags waren sogar RegierungsvertreterInnen zugegen. Nur handelt es sich leider bei „Fair Planet“ um einen Verband, den BAYER, SYNGENTA, LIMAGRAIN & Co. seit Längerem großzügig unterstützen. Zudem bestehen die neuen „Anbau-Möglichkeiten für Kleinbauern“ lediglich aus Tomaten-, Peperoni- und Zwiebel-Saatgut made by BAYER. Diese können die FarmerInnen zunächst kostenlos testen. Anschließend müssen sie für diese Sorten allerdings die Werbetrommel rühren. „Sie sollen dann weiteren Landwirten in den Dörfern und Regionen die Vorteile dieses Saatguts demonstrieren“, so lautet der Business-Plan des Konzerns. Bei näherem Hinsehen wird also aus der angeblichen Entwicklungshilfe pure Markterschließung.

Die „Neue Allianz“ in der Kritik

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Im Jahr 2012 gründeten die Teilnehmer-Staaten des G8-Treffens gemeinsam mit BAYER, MONSANTO und anderen Firmen die „Neue Allianz für Lebensmittelsicherheit und Ernährung“. Mit Entwicklungshilfe hat diese Public-Private-Partnership allerdings nicht viel im Sinn. Sie dient den Konzernen vielmehr als Vehikel, um in Afrika die Rahmenbedingungen für eine industrielle Landwirtschaft mittels Gentechnik und allem Drum und Dran durchzusetzen. So dringen die Global Player etwa darauf, die „Verteilung von frei verfügbarem und nicht verbessertem Saatgut systematisch zu beenden“. Zudem fordern sie einen stärkeren Patentschutz, Landrechtsreformen, „effizientere“ Pestizid-Zulassungsverfahren und Maßnahmen gegen die Produkt-Piraterie. Dafür fließen öffentliche Mittel en masse: Die G8-Staaten gaben bereits über drei Milliarden Euro frei, während BAYER & Co. noch nicht einmal eine Milliarde zubutterten. Dies zog jetzt die Kritik des Europa-Parlaments auf sich. Die Abgeordneten forderten, die Strategie der Allianz komplett zu ändern. Sie müsste sich mehr auf die Kleinbauern und -bäuerinnen konzentrieren, den lokalen Saatguthandel schützen und dürfe nicht mehr länger dem Landraub Vorschub leisten, so die ParlamentarierInnen. Dem entwicklungspolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Uwe Kekeritz, ging das jedoch nicht weit genug. Er verlangte von der Bundesregierung, auf eine Auflösung der „Neuen Allianz“ zu dringen: „Die Reform der 2012 von der G8 gegründeten Allianz ist angesichts ihrer grundlegend falschen Ausrichtung aussichtslos.“

Die „Neue Allianz“ in der Kritik

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Die „Neue Allianz für Lebensmittelsicherheit und Ernährung“, die von den G8-Staaten gemeinsam mit BAYER, MONSANTO und anderen Firmen 2012 initiierte Public-Private-Partnership (s. o.), heizt das Landgrabbing an. Zu diesem Resultat kommt die Studie „Land grabbing and human rights“, die das Europäische Parlament in Auftrag gegeben hat. So verloren in Tansania mehr als 1.300 Bauern und Bäuerinnen ihr Land, weil das „Neue Allianz“-Mitglied ECOENERGY vom Staat 20.374 Hektar Ackerfläche erworben hat, um dort eine Zucker-Plantage anzulegen. Auch ganz allgemein fördern die Aktivitäten der Allianz der Untersuchung zufolge die Bodenspekulation und die Landkonzentration, denn die Devise von BAYER & Co. lautet: „Think Big“. Afrikanische FarmerInnen-Verbände kritisieren das Vorgehen der Multis deshalb massiv. Auch die AutorInnen der Untersuchung sehen nur negative Effekte. Aus diesem Grund fordern sie die EU-Mitgliedsländer unter den G8-Nationen auf, der „Neuen Allianz für Lebensmittelsicherheit und Ernährung“ die Unterstützung zu entziehen.

Patente: Ausnahmen nur bis 2033
Mit Patenten auf Pharmazeutika sichern sich BAYER & Co. Monopol-Profite. Dieses Vorgehen macht die Arzneien besonders für Menschen in armen Ländern unerschwinglich. Wenn diese Staaten trotzdem versuchen, sich den Zugang zu den benötigten Medikamenten zu sichern, indem sie sich – wie Südafrika im Jahr 2001– auf einen Ausnahme-Paragrafen des internationalen TRIPS-Patentschutzabkommens berufen, bemühen BAYER und die anderen Pillen-Riesen gern einmal die Gerichte (siehe SWB 2/01). Nur für die ärmsten der armen Nationen, die „least-developed countries“ (LDCs), galten bis zum Januar 2016 eigene Regelungen. Bei den neuen Verhandlungen um diesen Sonderstatus haben die VertreterInnen der LDCs eine unbefristete Verlängerung gefordert. Die Welthandelsorganisation WTO beugte sich allerdings dem Druck von Big Pharma und gewährte nur einen Aufschub bis 2033.

BAYER senkt JADELLE-Preis
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson. Zu diesen „wirksamen Investitionen“, die Entwicklungshilfe sparen helfen, gehört auch BAYERs Verhütungsmittel-Implantat JADELLE. Das Medizin-Produkt mit dem Wirkstoff Levonorgestrel ist für die BevölkerungskontrolleurInnen nämlich ziemlich praktisch, verrichtet es seine Dienste doch fünf Jahre lang. Für die Frauen allerdings weniger: Unter anderem klagen sie über Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Depressionen, Gewichtszunahme und Haarausfall. Großeinkäufern wie etwa der „Bill & Melinda Gates Foundation“ hat der Leverkusener Multi bisher schon große Rabatte eingeräumt. Anfang des Jahres hat er eine generelle Preis-Senkung für Entwicklungsländer verkündet. Statt rund 18 Dollar pro Implantat berechnet er jetzt nur noch die Hälfte.

POLITIK & EINFLUSS

BAYERs EU-Frühstücke
„Um Unternehmensvertreter über aktuelle Entwicklungen zu informieren“, organisiert die Lobby-Firma AMISA2 „monatlich Frühstücksdebatten mit Schlüssel-Persönlichkeiten der EU-Institutionen“. BAYER, GOOGLE, AIRBUS und 15 weitere Konzerne durften auf diese Weise schon einen „Blick in die Zukunft der Klimapolitik“ werfen – eröffnet von der damals als EU-Kommissarin für den Klimaschutz fungierenden Connie Hedegaard – oder mit der stellvertretenden Generalsekretärin der EU-Kommission, Marianne Klingbeil, zusammentreffen.

VCI spendet 128.000 Euro
Im Jahr 2015 hat der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) 128.000 Euro in Parteispenden investiert. Mit je 40.000 Euro erhielten CDU und FDP am meisten. Die SPD bedachte der Lobby-Club von BAYER & Co. mit 35.000 Euro, die Grünen konnten 13.000 Euro verbuchen. Nur die Partei „Die Linke“ ging leer aus. Dabei wird der VCI nicht nur proaktiv tätig. Es gibt auch direkte „Spenden-Anfragen der Schatzmeister oder Spitzenkandidaten der Parteien im Zusammenhang mit Bundestags-, Landtags- und Europawahlen“, wie der Verband mitteilt.

Kerins im USCC-Vorstand
Bei dem „U.S. Chamber of Commerce“ (USCC) handelt es sich um den größten Unternehmensverband der Welt. Und seit Dezember 2015 sitzt BAYERs oberster Öffentlichkeitsarbeiter in den USA, Raymond Kerins Jr., dort im Vorstand. Welche Auffassung er vom Verhältnis der Ökonomie zur Politik hat, machte der PR-Profi gleich bei seinem Amtsantritt deutlich. Da bezeichnete Kerins Jr. es als eine der Aufgaben des USCC, die MandatsträgerInnen darin zu unterweisen, wie sie das Wachstum der US-amerikanischen Wirtschaft am besten aufrechterhalten könnten.

BAYER sponsert Rohstoff-Behörde
Die „Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“ (BGR) berät nach eigener Auskunft „die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft in allen geowissenschaftlichen und rohstoff-wirtschaftlichen Fragen“. Da der Zugriff auf Bodenschätze für den Leverkusener Multi eine enorme Bedeutung hat, gehört er mit zu den Unternehmen, welche die BGR seit 1982 indirekt sponsern. Seit 1987 tun BAYER & Co. dies über die „Hans-Joachim-Martini-Stiftung“, welche die milden Gaben als Preisgelder oder als Forschungsförderung tarnt. Die Investition lohnt sich, denn die Ergebnisse der BGR-Expertisen fallen fast immer im Sinne der Industrie aus. So erteilte die Bundesanstalt dem Fracking eine Unbedenklichkeitserscheinung und leugnete in Studien weitgehend den Zusammenhang zwischen dem Kohlendioxid-Ausstoß der Konzerne und dem Klimawandel. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hatte in einer internen Revision zwar Anstoß an der Praxis der Stiftung genommen, zog aber bislang keine Konsequenzen. Die Partei Bündnis 90/Die Grünen nahm die Vorgänge zum Anlass, eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Diese sieht jedoch keinen Handlungsbedarf. „Die BGR ist eine eigenständige wissenschaftlich-technische Behörde, an deren Unabhängigkeit die Bundesregierung keinen Zweifel hat“, hielten Merkel & Co. fest.

Ökosteuer-Ausnahmen bleiben
Im Zuge der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wollte die Große Koalition ursprünglich den Strom, den die Konzerne mit ihren eigenen Kraftwerken produzieren, ökosteuerpflichtig machen. Sofort brach ein Sturm der Entrüstung los. „Auch wenn die überfällige EEG-Reform nun endlich auf dem Weg ist, die Mehrbelastung der Eigenstrom-Erzeugung ist ein unüberwindlicher Stolperstein und für unsere Branchen nicht hinnehmbar. Jene Unternehmen, die ihren Strom in eigenen Kraftwerken vor allem in Kraft-Wärme-Kopplung und sehr effizient herstellen, hätten dadurch Mehrkosten von insgesamt über 300 Millionen Euro im Jahr“, erklärte der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Und der Leverkusener Multi, der fast 60 Prozent seines Energie-Bedarfs selber deckt, warnte: „Unsere KWK-Anlagen würden sich, sollten diese Pläne umgesetzt werden, nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen, sowohl die bestehenden als auch die neuen.“ Und die Politik erhörte die Signale. Alte Anlagen blieben von der Umlage befreit, modernisierte müssen nur 20 Prozent und neue 40 Prozent des Satzes zahlen. Die EU legte allerdings ein Veto ein, denn sie sah in den gewährten Rabatten eine unerlaubte Beihilfe. Aber Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel konnte die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestagen im August 2016 „nach intensiven Gesprächen“ umstimmen und Bestandsschutz für die Ausnahme-Regelungen erwirken.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER zahlt ÄrztInnen 7,5 Millionen
Die Pillen-Produzenten investierten im letzten Jahr 575 Millionen Euro dafür, die medizinische Landschaft zu pflegen und die ÄrztInnen zum Verschreiben ihrer Medikamente zu bewegen. Rund 71.000 MedizinerInnen standen auf ihren Gehaltslisten. BAYER gab 2015 dafür 7,5 Millionen Euro aus. Damit spendierte der Konzern den Doktores unter anderem Fortbildungsveranstaltungen in netter Umgebung samt Kost & Logis sowie Begleitung. Rund 2.400 Personen kamen in den Genuss dieses Angebotes. Ca. 3.000 ÄrztInnen strichen zudem für ihre Tätigkeit als RednerInnen auf Kongressen, BeraterInnen oder DienstleisterInnen Geld ein. Für den offenen Umgang mit diesen Zahlen lobt sich der Konzern ausgiebig selbst. Zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell gehöre eben Transparenz, so BAYER-Manager Eberhard Schmuck. Allzu weit ist es mit dieser allerdings nicht her: Was der Global Player den MedizinerInnen nämlich für die sogenannten Anwendungsbeobachtungen zahlt, die nur den Zweck haben, die PatientInnen auf das getestete Präparat umzustellen, verschweigt er lieber. Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens sieht durch solche Zahlungen die Unabhängigkeit des Standes gefährdet. „Patienten müssen darauf vertrauen können, dass Ärzte ihnen ein Medikament verschreiben, weil sie von der Wirksamkeit überzeugt sind – und nicht, weil sie auf der Honorar-Liste der Hersteller stehen“, hielt die Grünen-Politikerin fest.

7,4 Millionen für Krankenhäuser
BAYER hält nicht nur die ÄrztInnen mit Zuwendungen bei Laune (s. o.), der Konzern bedenkt auch viele Institutionen des Gesundheitswesens, um die Absatz-Chancen für seine Pillen zu verbessern. Krankenhäusern, medizinischen Standesorganisationen, Instituten und medizinischen Gesellschaften wie z. B. der „Deutschen Parkinson Vereingung“ hat der Leverkusener Multi im Jahr 2015 rund 7,4 Millionen Euro zukommen lassen.

BAYER bildet ApothekerInnen weiter
Im Mittleren Osten unterhält BAYER bereits seit 2012 ein Programm zur Fortbildung von ApothekerInnen. Am diesjährigen Workshop nahmen rund 200 PharmazeutInnen aus Kuwait, Quatar, Oman, Barain und anderen Ländern teil. Obwohl der Leverkusener Multi diese Aktivitäten als Teil einer Initiative der Weltgesundheitsorganisation WHO darstellt, dient das Ganze der Absatz-Förderung eigener Präparate. So besteht ein Lernziel für die ApothekerInnen laut Konzern darin, die PatientInnen zur Selbstmedikation und zur Einnahme von Vitaminen und Medikamenten zur Vorbeugung von Krankheiten anzuhalten, um dadurch „dem Staat Lasten abzunehmen“.

BAYER sponsert Agrar-JournalistInnen
BAYER lässt sich die Pflege der Presselandschaft einiges kosten. So sponserte der Leverkusener Multi beispielsweise den Weltkongress der Agrar-JournalistInnen, der dieses Mal in Deutschland stattfand. Die Grüne Woche hatte ihn nach Berlin gelockt. Die Veranstaltung versuchte dann auch, seinem Geldgeber alle Ehre zu machen. Sie begab sich daran, ein idyllisches Bild der hiesigen Agrarwirtschaft zu malen. Die Konferenz wollte nichts weniger als zeigen, „wie Landwirte in Deutschland sich den Herausforderungen von heute stellen. Dazu zählen eine effiziente Wirtschaftsweise, der Schutz von Natur und Biodiversität sowie die Bereitstellung hochwertiger und bezahlbarer Lebensmittel“.

TIERE & ARZNEIEN

BAYTRIL-Gebrauch sinkt leicht
Ende Juli 2016 vermeldete das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) zunächst einen erhöhten Verbrauch von Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung. Dann korrigierte es seine Angaben. Demnach sanken die Gaben leicht von 12,3 auf 10,6 Tonnen. Aber auch die neuen Zahlen stimmen noch bedenklich, führt doch die häufige Verwendung dieser Mittel in den Ställen dazu, dass die Krankheitserreger sich zunehmend an die Substanzen gewöhnen. Gelangen diese dann über den Nahrungskreislauf oder andere Wege von den Ställen in den menschlichen Organismus, können sie Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist. Und bei den Fluorchinolonen ist das besonders bedenklich, da diese Substanzen in der Humanmedizin zu den Reserve-Antibiotika zählen, die nur zum Einsatz kommen, wenn andere Mittel bereits versagt haben (siehe auch AKTION & KRITIK).

BAYTRIL in Bio-Ställen
Auch die LieferantInnen von Bio-Fleisch setzen in ihren Ställen Antibiotika ein. So tragen auch diese ZüchterInnen mit dazu bei, dass immer mehr Krankheitserreger Resistenzen gegen diese Mittel entwickeln. Gelangen die Keime dann über den Nahrungskreislauf oder andere Wege in den menschlichen Organismus, können sie Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die dann nichts mehr hilft. Der Verband „Bioland“ hat seinen Mitgliedern deshalb zumindest verboten, Medikamente aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs BAYTRIL zu verwenden. Diese Substanzen zählen in der Humanmedizin nämlich zu den Notfall-Antibiotika, die bevorzugt zum Einsatz kommen, wenn andere Stoffe bereits versagt haben. Aber selbst zu diesen Fluorchinolonen greifen die Biobauern und –bäuerinnen. Allein im Jahr 2014 hat Bioland 35 Ausnahmegenehmigungen für BAYTRIL & Co. erteilt. Zudem geben nicht wenige LandwirtInnen ihren Tieren diese Mittel, ohne das formell zu beantragen.

Kooperation mit BIONTECH
BAYER hat eine Kooperation mit dem Unternehmen BIONTECH auf dem Gebiet der Tiermedizin vereinbart, in dessen Rahmen die Mainzer Firma für den Leverkusener Multi Immun-Therapeutika, Impfstoffe und andere Veterinär-Arzneien entwickeln soll.

DRUGS & PILLS

ESSURE führt zu mehr Komplikationen
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Medizinprodukt für eine dauerhafte Empfängnis-Verhütung, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich nach etwa drei Monaten die Eileiter verschließen. Eine Studie verglich ESSURE jetzt mit anderen Sterilisationsmethoden, die Zugriff auf die Eileiter nehmen. Das Ergebnis der im British Medical Journal veröffentlichten Untersuchung fiel verheerend für die Spirale des Leverkusener Multis aus. Sie erhöht für die Frauen das Risiko, sich nachträglichen Operationen unterziehen zu müssen, im Vergleich zu anderen Praktiken um mehr als das Zehnfache. Wegen seiner vielen Nebenwirkungen steht das Pharma-Produkt schon länger in der Kritik. Zu diesen zählen unter anderem Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien. Die Spirale bleibt zudem oft nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann.

Gesundheitsbehörden warnen vor ESSURE
Die vielen unerwünschten Arznei-Effekte von BAYERs Medizin-Produkt ESSURE (s. o.) haben die Gesundheitsbehörden in Kanada und den Vereinigten Staaten zum Handeln bewogen. „Health Canada“ informierte die ÄrztInnen in einem Brief über die zahlreichen Risiken und Nebenwirkungen des Präparats und setzte auch die Öffentlichkeit darüber in Kenntnis. Die US-amerikanische FDA verpflichtete BAYER derweil, die Spirale nur noch mit einem Warnhinweis der dringlichsten Stufe zu vertreiben und die Sicherheit von ESSURE in einer neuen Studie zu überprüfen. Den vielen Geschädigten in den USA ging das allerdings nicht weit genug. Sie hatten auf ein Verbot gehofft und kritisierten die FDA-Maßnahmen deshalb als unzureichend.

IBEROGAST schädigt die Leber
Auch Medikamente auf pflanzlicher Basis wie BAYERs Magenmittel IBEROGAST, das 2013 mit dem Kauf von STEIGERWALD in die Produktpalette des Pharma-Riesen gelangte, können es in sich haben. So schädigt der IBEROGAST-Inhaltsstoff Schöllkraut die Leber. Arzneien mit einer hohen Schöllkraut-Konzentration hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) deshalb schon aus dem Verkehr gezogen. Vom Leverkusener Multi verlangte es, diese Nebenwirkung auf dem Beipackzettel von IBEROGAST zu vermerken. Der Konzern weigert sich aber, dieser Aufforderung nachzukommen. Für ihn ist die „hohe Sicherheit“ des Präparates „durch eigene Daten vollständig belegt“. Darum zeigt er sich auch nicht bereit, den Widerspruch zurückzunehmen, den STEIGERWALD vor acht Jahren gegen die BfArM-Anordnung eingelegt hatte. Und so gibt es dann immer noch keine Warnhinweise auf den Faltblättern der Packungen. „Das ist genau die Situation, die wir immer wieder beklagen. Im Grunde genommen hat der Hersteller viele Möglichkeiten, das immer wieder herauszuzögern (...) Derzeit hat man den Eindruck an vielen Stellen, dass der Hersteller-Schutz vor dem Patienten-Schutz rangiert“, kritisiert der Pharmakologe Prof. Gerd Glaeske.

Verantwortlicher Umgang mit ASPIRIN?
BAYER bewirbt ASPIRIN erfolgreich als „Tausendsassa“. Darum findet es weite Verbreitung, obwohl das Präparat viele Nebenwirkungen wie etwa Magenbluten hat. So bezifferte der Mediziner Dr. Friedrich Hagenmüller 2012 die Zahl der Todesopfer allein in der Bundesrepublik auf jährlich 1.000 bis 5.000. Den Leverkusener Multi ficht das jedoch nicht an. Wenn JournalistInnen ihn auf das Gefährdungspotenzial von ASPIRIN durch einen zu sorglosen Umgang mit dem Mittel ansprechen, verweist der Konzern einfach auf eine von ihm selbst durchgeführte Studie, die angeblich eine verantwortungsvolle Handhabung belegt.

ASPIRIN: Größere Präventionswirkung?
Der verantwortungslose Umgang mit ASPIRIN birgt hohe Risiken (s. o.) Haben Menschen jedoch schon einmal einen Herzinfarkt erlitten, raten MedizinerInnen zur Verhinderung eines zweiten zu dem Mittel. Studien zufolge senkt das Medikament mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure das Risiko für eine nochmalige Attacke um 13 Prozent. Nur die ersten sechs Wochen nach dem ersten Infarkt betrachtet, liegt die Präventionswirkung einer neueren Untersuchung zufolge sogar noch höher. Wie Peter M. Rothwell und sein Team herausfanden, reduziert die Arznei die Wahrscheinlichkeit eines Wiederholungsfalles um 60 Prozent. Allerdings haben drei an der Studie beteiligte WissenschaftlerInnen schon einmal in Diensten BAYERs gestanden, was die Aussagekraft der Arbeit erheblich trübt.

CIPROBAY-Anwendungsbeschränkungen
BAYERs Antibiotikum CIPROBAY mit dem Wirkstoff Moxifloxacin, der zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch AKTION & KRITIK). Darum erließ die US-Gesundheitsbehörde FDA im Mai 2016 Anwendungsbeschränkungen für CIPROBAY und andere fluorchinolon-haltige Präparate. Bei Bronchitis, Sinusitis und einfachen Formen von Blasen-Entzündungen dürfen die MedizinerInnen diese Arzneien jetzt nur noch verordnen, wenn alle andere Mittel versagt haben.

Zahlreiche MIRENA-Nebenwirkungen
BAYERs Hormon-Spirale MIRENA ruft zahlreiche unerwünschte Arznei-Effekte hervor. „Insgesamt 3.607 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen“ hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) registriert, wie eine Anfrage des TV-Magazins Frontal21 ergab. Allein 44 Meldungen zu Brustkrebs, 153 zu Eileiter-Schwangerschaften und 328 zu Gebärmutter-Verletzungen erhielt das BfArM unter anderem.

Verhandlungen mit GOOGLE
Die GOOGLE-Tochter VERILY widmet sich medizinischen Forschungsprojekten auf Gebieten wie „Krebs“, „Diabetes“ und Herz/Kreislauf-Erkrankungen. Zudem entwickelt sie Operationsroboter und bioelektronische Systeme. Im Februar 2016 hat das Unternehmen Verhandlungen mit BAYER über mögliche Kooperationen aufgenommen.

16 Krebs-Wirkstoffe im Test
Krebs-Arzneien versprechen den Pharma-Riesen den größten Profit. Mittlerweile fressen sie – ohne die Lebenszeit der PatientInnen entscheidend verlängern zu können – schon rund ein Viertel des Medikamenten-Budgets der Krankenkassen. Folgerichtig setzt der Leverkusener Multi ganz auf dieses Segment. Mit NEXAVAR, STIVARGA und XOFIGO bietet er bereits drei Onkologie-Präparate an; zudem befinden sich 16 Wirkstoffe in der klinischen Erprobung.

Mehr Profit durch Direktvertrieb
Vom Hersteller über den Großhandel zu den Apotheken – so sieht eigentlich der Vertriebsweg für Medikamente aus. BAYER & Co. umgehen aber immer öfter den Großhandel und bestücken die Pharmazien selbst mit ihren Produkten. Auf diese Weise schalten sie einen Mitverdiener aus und erhöhen ihre Gewinnmarge. Zudem sieht die Branche dies als eine wirksame Methode an, die Zwischenhändler am Export der Arzneien in solche Länder zu hindern, in denen sie mit den Produkten zum Schaden der Pillen-Produzenten mehr Geld machen können. Also halten die Pharma-Firmen den Großhandel knapp und springen in die Bresche, wenn dieser nicht mehr liefern kann. Zu diesem Behufe hat BAYER gemeinsam mit BOEHRINGER, NOVARTIS und anderen Konzernen die PHARMA MALL GESELLSCHAFT FÜR ELECTRONIC COMMERCE gegründet. Den Unternehmen zufolge soll diese Gesellschaft der „Optimierung der Transaktionsprozesse zwischen Herstellern und Kunden“ dienen. In der Realität aber verkompliziert sich für die Apotheken durch die beiden nebeneinander herlaufenden Systeme die Beschaffung der Pharmazeutika, weshalb die PatientInnen oftmals länger auf ihre Mittel warten müssen. Überdies schrumpfen die Einnahmen der Pharmazien durch diesen Direktvertrieb, weil sie dadurch nicht mehr in den Genuss von Großhandelsrabatten kommen. Die Bundesregierung sieht bei alldem jedoch keinen Grund zum Eingreifen. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ verweist die Große Koalition auf die Zuständigkeit der Bundesländer.

Anfrage zu Beobachtungsstudien
Erkenntnisse werfen Anwendungsbeobachtungen (AWB) zu Medikamenten, die MedizinerInnen mit ihren PatientInnen durchführen, kaum ab. Dies ist aber auch gar nicht Sinn der Übung. Die Anwendungsuntersuchungen verfolgen einzig den Zweck, die Kranken auf das getestete Präparat umzustellen (siehe auch PROPAGANDA & MEDIEN). Im Jahr 2014 standen BAYER & Co. dafür 17.000 ÄrztInnen zu Diensten. Die Pharma-Riesen honorierten ihnen dies mit ca. 100 Millionen Euro. Nach Angaben des Recherche-Netzwerkes Correct!v fanden von 2009 bis 2014 in den Praxen 41 solcher „Studien“ mit BAYER-Medikamenten statt (Ticker 3/16). Die Bundesregierung nimmt an diesem Marketing-Instrument, das sich einen wissenschaftlichen Anstrich gibt, im Grundsatz keinen Anstoß. „Mit AWB können Erkenntnisse über die Anwendung zugelassener Arzneimittel in der Praxis gewonnen werden“, hält sie in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ fest. Im geplanten „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen“ will die Große Koalition lediglich die Vorschriften für die Schnelltests etwas verschärfen.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat-Zulassung verlängert
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist und in Kombination mit Gen-Pflanzen wie der Soja-Art BALANCE zum Einsatz kommt, gilt als gesundheitsgefährdend. So hat eine Krebsforschungseinrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Substanz als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Trotzdem hat sich die EU im Juni 2016 schlussendlich dem Druck der Industrie gebeugt und die Zulassung des Herbizids um 18 Monate verlängert.

Comeback für Glufosinat?
BAYERs Antiunkraut-Mittel Glufosinat, das unter anderem im Kombipack mit den Gen-Pflanzen der „LIBERTY LINK“-Baureihe zum Einsatz kommt, schädigt das Erbgut und kann Krebs auslösen. Deshalb hatte die EU die Zulassung des Pestizids nicht über den September 2017 hinaus verlängert. Jetzt droht Brüssel jedoch einen Rückzieher zu machen. Die „Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit“ (EFSA), deren MitarbeiterInnen mehr als einmal durch ihre Beziehungen zur Wirtschaft in die Schlagzeilen geraten waren, schlug nämlich Ausnahmeregeln für Glufosinat und andere Ackergifte vor, falls die LandwirtInnen keine Alternative hätten und eine „ernsthafte Gefahr für die Gesundheit der Pflanze“ bestehe. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) kritisierte diesen Vorstoß vehement.

Pestizid-Plage in Costa Rica
Costa Rica ist der weltgrößte Ananas-Produzent. Auf einer Fläche von 38.000 Hektar wächst dort die Frucht. Dabei kommen einer Studie von OXFAM zufolge immense Mengen an Agro-Chemikalien zum Einsatz. 30 bis 38 Kilogramm pro Hektar bringen die Plantagen-BesitzerInnen jährlich aus. Darunter befinden sich mit Glyphosat, Diuron, Mancozeb und Chlorpyrifos viele, die auch BAYER anbietet. Die Beschäftigten müssen schon bald nach den Sprühaktionen wieder auf die Felder und verfügen nicht immer über einen Arbeitsdress, der ihnen die Mittel in ausreichender Form vom Leibe hält. Dementsprechend erleiden viele der Belegschaftsangehörigen Gesundheitsschädigungen. „Ich war einen Monat lang im Krankenhaus wegen einer Vergiftung. Als ich wiederkam, musste ich wieder mit Pestiziden und ohne Schutzkleidung arbeiten“, erzählt einer von ihnen. Auch Krebs-Krankheiten, Magenleiden, Augen-Schädigungen und Hautausschläge zählen zu den Nebenwirkungen. Überdies verseuchen die Mittel das Trinkwasser in der Nähe der Ananas-Äcker.

Pestizid-Plage in Ecuador
Auf den Bananen-Plantagen in Ecuador herrschen OXFAM zufolge ähnlich verheerende Bedingungen wie auf den Ananas-Äckern in Costa Rica (s. o.) Hier sehen sich die LandarbeiterInnen ebenfalls ohne ausreichenden Schutz gefährlichen Pestiziden ausgesetzt. Oftmals dürfen sie die Felder nicht verlassen, wenn die Sprüh-Flugzeuge zum Einsatz kommen und Substanzen wie die auch von BAYER vermarkteten Stoffe Glyphosat und Mancozeb ausbringen. „Wir machen uns große Sorgen, weil wir unter dem Pestizid-Regen arbeiten müssen. Wir bekommen Hautausschläge. Aber wenn man sich beschwert, riskiert man, entlassen zu werden“, klagt etwa einer der Beschäftigten. Und es bleibt nicht bei Hautausschlägen. Zu den weiteren Leiden der Plantagen-ArbeiterInnen zählen Herz-Leiden, Magen-Erkrankungen, Augenbrennen, Schlafstörungen und Durchfall. Überdies erweisen sich die chemischen Keulen als erbgut-schädigend. „Angesichts besonders hoher Behinderungsraten der Kinder in den Bananen-Provinzen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es hier einen Zusammenhang gibt“, sagt etwa Beatriz Garcia Pluas, die Direktorin einer Schule für Gehandicapte.

PilotInnen als Pestizid-Opfer
Nicht nur die LandarbeiterInnen oder die AnwohnerInnen der Plantagen leiden unter den Pestiziden, sondern auch die PilotInnen, welche die Agro-Chemikalien mit ihren Flugzeugen ausbringen. So berichtet der Ecuadorianer Jorge Acosta Orellana in dem Interview mit der taz über Leiden wie Herzrhythmus-Störungen, Schwindel und Augen-Trübungen. „Ich bin zum Arzt gegangen, aber der meinte, dass mein Herz in Ordnung sei und dass ich eine Vergiftung haben könnte. Ich habe dann mit anderen Piloten geredet und festgestellt: Die haben ähnliche Probleme. Bald waren wir überzeugt, dass das alles in Zusammenhang mit dem Fungizid Mancozeb (enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten ZETANIL und ACROBAT, Anm. Ticker) stehen könnte. Das haben wir auf den Plantagen nämlich zum Sprühen verwendet.“ Orellana zufolge kam es sogar schon zu Flugzeug-Abstürzen, weil die PilotInnen – benebelt von den chemischen Keulen – die Kontrolle über ihre Maschinen verloren.

ALDI bannt Bienenkiller
Der Lebensmittel-Discounter ALDI bannt acht bienengefährliche Agro-Chemikalien. Dazu zählen mit Chlorpyrifos, Clothianidin, Deltamethrin, Fipronil und Imidacloprid auch fünf Wirkstoffe, die BAYER anbietet. „Mit dem Ziel, den Bienenschutz in Deutschland aktiv zu fördern und weiterhin im Sinne der Verbraucher an einer Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden zu arbeiten, haben die beiden Unternehmensgruppen ALDI-NORD und ALDI-SÜD im vergangenen Jahr neue Anforderungen an ihre Lieferanten gestellt“, erklärte der Konzern. Diese müssen nun garantieren, dass die landwirtschaftlichen Produkte, die sie ALDI verkaufen, keine Behandlung mit Chlorpyrifos & Co. erfahren haben.

Neues Erdnuss-Pestizid
Der Leverkusener Multi hat mit PROVOST OPTI ein neues Antipilz-Mittel für Erdnuss-Kulturen auf den Markt gebracht. Allerdings handelt es sich dabei um neuen Wein in alten Schläuchen. Die Inhaltsstoffe stimmen mit denen von PROVOST überein. Der Konzern änderte lediglich das Mischungsverhältnis von Prothioconazol und Tebuconazol.

PFLANZEN & SAATEN

Neues Weizenzucht-Zentrum in Kanada
Im Saatgut-Geschäft des Agro-Riesen bildet Weizen einen Schwerpunkt, weil die Ackerfrucht die weitverbreitetste Kulturpflanze der Welt ist. Bis 2020 will der Konzern 1,5 Milliarden Euro in Züchtungsprogramme investieren, um eine führende Rolle in diesem Markt-Segment einzunehmen. Nachdem der Agro-Riese gerade eben erst seine Weizenzucht-Station in Gatersleben erweitert hat, eröffnet er jetzt ein neues Zentrum im kanadischen Saskatchewan. Vor allem hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Gewächse will der Konzern dort entwickeln. Auf Qualität kommt es ihm dabei weniger an als auf den Output. „Wer erfolgreich eine wesentlich ertragreichere Weizen-Sorte entwickelt, wird ein lukratives Geschäft auftun“, prophezeit Liam Condon, der Chef von BAYER CROPSCIENCE.

GENE & KLONE

Blockbuster EYLEA
EYLEA, das BAYER-Präparat zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Einen Zusatznutzen mochten dem Gentech-Medikament deshalb weder das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) noch die Techniker Krankenkasse bescheinigen. Trotzdem entwickelt sich die Arznei dank BAYERs massivem Werbeaufwand zu einem Blockbuster, der LUCENTIS gehörig Konkurrenz macht: Im zurückliegenden Geschäftsjahr betrug der EYLEA-Umsatz 1,2 Milliarden Euro.

EU lässt BAYERs Gen-Soja zu
Ende Juli 2016 hat die EU BAYERs Gen-Soja mit dem Produktnamen BALANCE eine Einfuhrgenehmigung erteilt (siehe auch SWB 4/16). Die Laborfrucht ist gentechnisch darauf geeicht, auf den Feldern Sprühattacken mit den Herbizid-Wirkstoffen Glyphosat und Isoxaflutol standzuhalten. Da die Menschen darauf nicht „geeicht“ sind, stellen die Rückstände der beiden als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Pestizide in den Pflanzen für sie eine ernstzunehmende Gesundheitsgefahr dar. Damit nicht genug, potenzieren sich die unerwünschten Effekte im Zusammenspiel noch einmal: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte die Zulassung deshalb.

Lizenz-Abkommen mit ERS
BAYER setzt weiter auf die „Synthetische Biologie“, zum Beispiel auf Gen-Scheren, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können. Nachdem der Konzern Ende 2015 ein Joint Venture mit dem US-Unternehmen CRISPR THERAPEUTICS eingegangen ist (siehe STANDORTE & PRODUKTION), schloss er im Mai 2016 eine Lizenzvereinbarung mit der irischen Firma ERS GENOMICS ab. Diese sichert dem Pharma-Riesen den Zugriff auf mehrere Patente, die ERS auf die Anwendung der Schnippel-Technik CRISPR-Cas9 hält.

Gentech lost in Europe
BAYERs Innovationsvorstand Kemal Malik sieht die Zukunft der „grünen Gentechnik“ in Europa düster. „Wir haben die Auseinandersetzung über Gen-Pflanzen in Europa verloren. Ich glaube nicht, dass es noch genug politischen Willen gibt, um den Bann aufzuheben oder wieder in die Debatte einzusteigen“, sagte er der Zeitung The Australian im Marz 2016. Zum Teil gibt er dafür auch der Industrie selber die Schuld: „Wir haben nicht genug Anstrengungen unternommen, um die Technologie zu erklären und die Öffentlichkeit und die Entscheidungsträger mitzunehmen.“

WASSER, BODEN & LUFT

Anhörung zum A1-Ausbau
Das Land Nordrhein-Westfalen plant, die Bundesautobahn A1 auszubauen und im Zuge dessen auch eine neue Brücke über den Rhein zu errichten. Das stößt jedoch auf viel Widerstand, vor allem weil Straßen.NRW dafür Teile der Dhünnaue-Deponie BAYERs wieder öffnen will. Der Landesbetrieb beabsichtigt, den Müll bis zu einer Tiefe von zwei Metern abzutragen und die Grube mit einer Polsterschicht für das Fundament der Straße aufzufüllen. 268 Einwendungen gegen das Projekt erhielt die Bezirksregierung, darunter auch eine der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Anfang Juli 2016 fand dazu in der Stadthalle Köln-Mülheim der Erörterungstermin statt (siehe auch SWB 4/16). Zweifel an dem Vorhaben konnten die Straßenbau-BeamtInnen dort allerdings nicht ausräumen, zumal sie selber das Risiko nur vorsichtig „vertretbar“ nannten. Einer ihrer Ingenieure bezeichnete die Auskofferung des ganzen Giftgrabes sogar ganz offen als die eigentlich „optimale Gründung“ für die A1. Auf Altlasten baut es sich nämlich schlecht. Der organische Anteil des Mülls zersetzt sich, weshalb das Volumen abnimmt und mit Bodenabsenkungen zu rechnen ist. Das tut auch Straßen.NRW. „Eine ggf. erforderliche vorzeitige Instandsetzung des Oberbaus ist berücksichtigt“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des Landesbetriebs zur Einwendung der CBG. Und so gewann dann die von der Coordination und vielen anderen Initiativen vorgeschlagene Alternative, die Hände ganz von der Dhünnaue zu lassen und den Verkehr stattdessen unterirdisch durch einen langen Tunnel zu führen, durch den Erörterungstermin noch mehr an Überzeugungskraft.

Neues Fracking-Gesetz
US-Unternehmen profitieren von den neuen Öl- und Erdgas-Fördertechniken. Das ebenso brachiale wie umweltschädliche Fracking, das mit Hilfe von Chemikalien Risse in unterirdischen Gesteinsschichten erzeugt, um so Vorkommen zu erschließen, hat für einen Boom gesorgt und den Konzernen so zu billiger Energie verholfen. „Die damit günstigeren Produktionskosten in den USA verschärfen natürlich in einigen Bereichen den Konkurrenzdruck“, konstatierte etwa der ehemalige BAYER-Chef Marijn Dekkers. Darum setzte er sich vehement dafür ein, diese Methode auch in der Bundesrepublik zuzulassen: „Fracking wäre für Deutschland eine Alternative.“ Manchmal müsste man auch etwas wagen, um zu gewinnen, so der Niederländer. Darauf wollte sich die Bundesregierung so aber nicht einlassen. Sie verhängte zwar kein generelles Verbot des Frackings, schränkte dieses aber weitgehend ein. Bohrungen in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflöz-Gestein verbietet das neue Fracking-Gesetz. Lediglich Probe-Bohrungen zur wissenschaftlichen Auswertung erlaubte die Große Koalition und erfüllte damit die Mindestanforderung Dekkers’. Mit Hilfe der auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse soll der Bundestag die Regelungen im Jahr 2021 dann noch einmal überprüfen. Sogenanntes konventionelles Fracking im poröseren und deshalb leichter aufzuspaltenden Sandstein können die Energie-Multis jedoch nach wie vor betreiben. Nur müssen nun Umweltverträglichkeitsprüfungen die Unbedenklichkeit erweisen.

Ausgelaugte Böden
Die industrielle Landwirtschaft setzt den Ackerflächen enorm zu. So sorgen schwere Landmaschinen für eine Verdichtung des Grundes, die dessen Fruchtbarkeit mindert. Nach Angaben der Bundesregierung beobachten WissenschaftlerInnen dieses Phänomen bereits auf 10 bis 20 Prozent der deutschen Äcker. Die inzwischen schon 1,4 Millionen Hektar in Anspruch nehmende Kultivierung von Mais als Energiepflanze fördert zudem die Bodenerosion, weil dieses Süßgras sehr langsam wächst und die Erde somit länger Wind und Wetter preisgibt. Die schwache Rückhalte-Wirkung der Feldfrucht sorgte im Frühjahr 2016 auch mit für die immensen Überschwemmungsschäden vor allem in Bayern. Rückstände der Pillen von BAYER und anderen Herstellern im Dünger oder die Düngemittel selber tragen ein Übriges zur Schadensbilanz bei. Wegen dieser beunruhigenden Entwicklung wollte die Europäische Union schon 2010 eine Bodenschutz-Richtlinie auf den Weg bringen. Aber die Landwirtschaftsverbände und BAYER & Co. wehrten sich vehement gegen eine solche Regelung, weil sie strengere Auflagen befürchteten. Sie hatten damit Erfolg: Die Bundesrepublik legte zusammen mit vier anderen Ländern ein Veto ein und blockierte damit das Paragrafen-Werk; 2014 legte es Brüssel endgültig zu den Akten.

Proteste gegen Pipeline-Ausbesserung
Die Gas-Fernleitung zwischen Duisburg und Köln, die unter anderem BAYER, HENKEL und diverse Stadtwerke mit Gas versorgt, stammt aus dem Jahr 1930. Darum ersetzen die Betreiber THYSSENGAS und OPEN GRID EUROPE derzeit die Rohre und führen Ausbesserungsmaßnahmen durch. Unter anderem verbreitern sie den Schutzstreifen auf das seit einiger Zeit gesetzlich vorgeschriebene Maß von 5,70 m. Da die beiden Unternehmen dafür rund 500 Bäume fällen müssen, kam es zu Protesten von NaturschützerInnen und LokalpolitikerInnen. Diese forderten einen anderen Trassen-Verlauf und kritisierten, dass es vor Beginn der Arbeiten kein Planfeststellungsverfahren gab, bei dem Alternativen hätten geprüft werden können.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Merkel & Co. gegen Bisphenol-Verbot
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A (BPA). Drei Prozent davon kommen in Verpackungen von Nahrungsmitteln wie etwa Konservendosen zum Einsatz. Die Substanz ähnelt in ihrem chemischen Aufbau Hormonen, was zu Stoffwechsel-Irritationen und so zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe auch SWB 4/16). Die EU hat deshalb bereits deren Verwendung in Babyflaschen untersagt und für 2019 das BPA-Aus in Thermopapieren wie etwa Kassenzetteln verkündet. Auch hat sie schärfere Grenzwerte erlassen. Frankreich verbot den Stoff in Lebensmittel-Verpackungen sogar grundsätzlich. Die Bundesregierung will diesem Beispiel jedoch nicht folgen. Es gäbe wegen EU-Initiativen zu Bisphenol A „derzeit keinen Spielraum für nationale Regelungen“, erklärte sie in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“. Aber selbst wenn die Große Koalition könnte, würde sie nichts machen: „Für ein generelles Verbot von Bisphenol A in Lebensmittel-Kontaktmaterialien liegt nach Einschätzung der Bundesregierung zudem keine wissenschaftliche Grundlage vor.“

STANDORTE & PRODUKTION

Erste CRISPR-Standorte
Ende 2015 ist der BAYER-Konzern mit dem US-Unternehmen CRISPR THERAPEUTICS ein Joint Venture eingegangen und hat sich damit den verstärkten Zugriff auf eine neue Gentechnologie gesichert. CRISPR arbeitet auf dem Gebiet der „Synthetischen Biologie“ und hat so genannte Gen-Scheren entwickelt, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können. Der Leverkusener Multi beabsichtigt, mit Hilfe dieses „gene editings“ Therapien für Blut-, Herz- und Augenkrankheiten zu entwickeln. Auch im Genpflanzen-Bereich beabsichtigt der Agro-Riese, Gen-Scherereien zu machen. Ende August 2016 konkretisierte er diese Pläne. Der Global Player gab mit CASEBIA den Namen der neuen Gesellschaft bekannt und kündigte für das Jahr 2017 die Aufnahme von Forschungstätigkeiten an drei Standorten an. Den größten Betrieb errichtet BAYER im US-amerikanischen Cambridge, kleinere Niederlassungen in San Francisco und in Köln. KritikerInnen trauen den Versprechungen der Gentechnik 2.0 indes nicht, denn so geschliffen wie prophezeit schnippeln die Gen-Scheren dann doch nicht am Erbgut herum. So kam es etwa bei einem Experiment chinesischer ForscherInnen mit Embryonen einerseits an unbeabsichtigten Orten zu den beabsichtigten Mutationen und andererseits an den beabsichtigten Orten zu unbeabsichtigten Mutationen. Sogar Gentech-Befürworter wie Christof von Kalle, der Präsident der „Deutschen Gesellschaft für Gentherapie“, warnen vor übertriebenen Erwartungen. „Für die Anwendung in der Gentherapie bei Menschen wäre es jedoch Voraussetzung, die Effizienz und Verlässlichkeit des Systems noch einmal deutlich nach oben zu treiben. Nur wenn reproduzierbar gezielt Reparatur-Sequenzen von außen an die entsprechende Stelle geschrieben werden können, kann von einem echten Editieren die Rede sein, und dies ist nach heutigem Stand eben noch nicht effizient erreicht“, schreibt der Mediziner in der Faz.

Fabrik-Eröffnung in China
Im Jahr 2014 hatte BAYER das chinesische Unternehmen DIHON erworben. Kurz darauf gab der Konzern den Bau einer neuen Anlage in Majinpu bekannt, um die Produktion der freiverkäuflichen DIHON-Pharmazeutika, wozu sowohl Mittel auf chemischer als auch solche auf Basis der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) gehören, zu steigern. Mit der Fertigungsstätte will der Konzern die Herstellung von TCM-Produkten verdreifachen. Auch freiverkäufliche BAYER-Arzneien beabsichtigt der Pillen-Riese an diesem Standort zu fabrizieren. Anfang 2016 nahm er einen ersten Teilabschnitt in Betrieb; der Abschluss der gesamten Arbeiten ist für 2020 vorgesehen.

RECHT & UNBILLIG

DUOGYNON: Anklage „Mord“
Der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Bisherige Gerichtsverfahren um Entschädigung oder die Herausgabe von Firmen-Unterlagen zu diesem Medikament scheiterten. Die Ansprüche seien verjährt, entschieden die RichterInnen. Das können die JuristInnen im Prozess, den Gisela Clerc jetzt in Berlin angestrengen will, jedoch nicht zur Entlastung der Beschuldigten anführen. Die Rentnerin hat nämlich eine Klage gegen Unbekannt wegen Mordes eingereicht. Und für diese Straftat gibt es keine Verjährungsfrist. Clerc bezichtigt die damaligen Beschäftigten von SCHERING, für den Tod ihrer Tochter verantwortlich zu sein, die im Januar 2016 mit nur 47 Jahren an den DUOGYNON-Spätfolgen verstarb. Bei der juristischen Auseinandersetzung stützt sich die 74-Jährige auf neue Dokumente aus dem Berliner Landesarchiv, die belegen, dass die ManagerInnen schon sehr früh Informationen über die fatalen Risiken und Nebenwirkungen des Präparates hatten (Ticker 2/16). Der Leverkusener Multi streitet „einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Einnahme von DUOGYNON und den seinerzeit gemeldeten Fällen“ trotzdem immer noch ab.

ESSURE-Sammelklage in Kanada
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Medizin-Produkt für eine dauerhafte Empfängnis-Verhütung, hat zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch DRUGS & PILLS). „Starke, stechende Becken-Schmerzen, Unterleibsschmerzen“, nennt etwa Susan Hill. Zudem litt die 38-jährige Kanadierin an blutenden Ausschlägen, bis sie sich dazu entschloss, die Spirale entfernen zu lassen. Dafür beansprucht Hill jetzt Schmerzensgeld: Sie zählt zu den 184 Frauen in ihrem Heimatland, die eine Sammelklage gegen BAYER eingereicht haben. Auch in den USA zogen bereits dutzende ESSURE-Geschädigte vor Gericht.

Neue YASMIN-Klage
In den USA sieht sich der Leverkusener Multi wegen der Nebenwirkungen seiner Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie Tausenden von Prozessen gegenüber, was ihn bereits 1,9 Milliarden Dollar Schadensersatz kostete. In Europa hat BAYER von den Gerichten in Sachen „VerbraucherInnenschutz“ weniger zu befürchten. Aber auch hier häufen sich die juristischen Auseinandersetzungen. Allein 80 Klagen gibt es in Frankreich. In der Bundesrepublik tut sich ebenfalls etwas. Neben Felicitas Rohrer hat nun auch Christian Schock, der seine Frau durch YASMIN verlor, rechtliche Schritte gegen den Pharma-Riesen eingeleitet.

BELT bleibt verboten
Im Jahr 2009 hatte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA BAYERs Pestizid-Wirkstoff Flubendiamid eine vorläufige Genehmigung erteilt. Sie machte es dem Leverkusener Multi dabei zur Auflage, noch Studien zu den Effekten der Substanz auf Wasser-Organismen nachzureichen. Das tat der Konzern jedoch bis heute nicht, während die EPA Belege für die Gefährdung aquatischen Lebens durch Flubendiamid fand. Deshalb entzog die Behörde dem Agro-Riesen die Zulassung für den Stoff, den er z. B. unter den Produktnamen BELT und FAME vertreibt. BAYER legte umgehend Widerspruch gegen die Entscheidung ein. Die Beschwerdekammer der EPA erkannte diesen allerdings nicht an, was für BELT & Co. das Aus auf dem US-Markt bedeutet.

FORSCHUNG & LEHRE

Subventionen für Pflanzen-Forschung
„Gemeinsam zu den Pflanzen der Zukunft“ lautet die Losung von Plant 2030. Das vom Bund großzügig geförderte Projekt setzt auf eine „enge Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft“ und verkündet: „Neue Forschungsergebnisse fließen auf kürzestem Weg in die Entwicklung neuer Sorten ein“. Bei einer solchen konzertierten Aktion macht BAYER natürlich gerne mit. Für ein Vorhaben zur „Verbesserung der Stress-Resistenz, Ressourcen-Nutzung und Produktivität von Nutzpflanzen“ holte sich der Agro-Riese einen Zuschuss von 1,34 Millionen Euro ab. Und für Forschungen zu Pflanzen-Hormonen, die Einfluss auf das Wachstum haben („Bioregulatoren“), strich er sogar knapp 1,9 Millionen Euro ein.

Neue Pflanzenforschungskooperation
BAYER hat mit dem Forschungszentrum Jülich eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pflanzenforschung vereinbart. Nach Angaben des Leverkusener Multis wollen sich die Kooperationspartner dabei auf die Wurzeln von Ackerfrüchten konzentrieren. „Die Kultur-Pflanzen der Zukunft müssen Höchstleistungen erbringen. Und die Ertragsleistung hängt mit der Funktionsweise der Wurzeln zusammen. Wir können stärkere Wurzel-Systeme züchten, wenn wir die Wurzel-Phänotypen und die sie steuernden Gene verstehen“, so der BAYER-Manager Raphael Dumain.

[Krebsmedikamente] STICHWORT BAYER 01/2016

CBG Redaktion

Große Einnahmen, kleiner Nutzen

Krebs-Industrie à la BAYER

BAYER ist ein wesentlicher Bestandteil der von Karl Lauterbach in seinem Buch kritisierten „Krebs-Industrie“. Der Leverkusener Multi nimmt Milliarden mit kaum hilfreichen Präparaten ein.

„Wir haben dieses Produkt nicht für den indischen Markt entwickelt, um ehrlich zu sein. Wir haben es für westliche Patienten entwickelt, die es sich leisten können“, mit dieser Äußerung über das Krebs-Medikament NEXAVAR sorgte BAYER-Chef Marijn Dekkers 2013 für einen handfesten Skandal. Die Aussage warf nämlich ein Schlaglicht auf die horrenden Preise der Onkologie-Präparate und die Ausschluss-Mechanismen, die das produziert.

Dekkers kam der Satz im Zuge einer Auseinandersetzung mit staatlichen Stellen Indiens über die Lippen. Diese hatten sich nämlich zwei Jahre zuvor erdreistet, auch den PatientInnen ihres Landes Zugang zu der Arznei zu verschaffen, für die der Leverkusener Multi damals 4.200 Euro pro Monat verlangte. Dazu erkannte das „Indian Patent Office“ dem Konzern das Patent an dem Mittel ab und erteilte dem Unternehmen NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung eines Nachahmer-Produktes, sich dabei auf einen Ausnahme-Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS berufend. Der Leverkusener Multi zog sofort vor Gericht und ging durch alle Instanzen, musste sich schlussendlich aber geschlagen geben. Und auf diese Niederlage reagierte der Vorstandsvorsitzende dann mit seiner menschenverachtenden Einlassung.

Andere Staaten stellten sich der Preis-Politik des Global Players nicht entgegen, und so sprießen die NEXAVAR-Einnahmen. Allein in den ersten drei Quartalen 2015 machte das Unternehmen mit dem Präparat einen Umsatz von 661 Millionen Euro – 90 Millionen mehr als im Vorjahreszeitraum. Damit belegt es in der Liste mit BAYERs Pharma-Topsellern den fünften Rang. Und in der Aufstellung finden sich mit STIVARGA (236 Millionen Euro, Rang 12) und XOFIGO (188 Millionen Euro, Rang 13) noch weitere Krebs-Arzneien, die kräftig zulegten. Nicht von ungefähr hat der Leverkusener Multi dieses Geschäftsfeld deshalb zu einem Schwerpunkt seiner pharmazeutischen Produktion erkoren. Und nicht nur er: Wegen der glänzenden Profit-Aussichten drängen alle großen Hersteller auf den Onkologie-Markt.

Die Gesundheitssysteme stellt das vor eine immense Belastungsprobe. NEXAVAR & Co. haben zwar nur einen Anteil von etwa zwei Prozent an allen Verschreibungen, fressen aber rund ein Viertel des Pillen-Budgets der Krankenkassen. Wenn die Mittel dafür nun der Menschheitsplage Einhalt gebieten würden, hätte Big Pharma es leicht mit den KritikerInnen, aber das tun die Produkte nicht. „Die Krebs-Medikamente, die in der Zeit von 2002 bis 2014 zugelassen worden sind, haben trotz hoher Kosten die durchschnittliche Überlebenszeit der Patienten nur um 2,1 Monate verlängert und das Tumor-Wachstum im Durchschnitt nur um 2,5 Monate verzögert“, konstatiert Karl Lauterbach in „Die Krebs-Industrie“.

Die BAYER-Präparate machen da keine Ausnahme. NEVAVAR mit seinem Wirkstoff Sorafenib, das pro Packung mit 112 Tabletten rund 4.900 Euro kostet, verlängerte in der Klinischen Prüfung das Leben von Nierenkrebs-PatientInnen um 3,4 Monate; 2,8 Monate waren es für Leberzellkrebs-PatientInnen. Und selbst diese wenig erhebenden Zahlen sind noch mit Vorsicht zu genießen. Der Leverkusener Multi sortierte bei der Klinischen Studie nämlich PatientInnen mit fortgeschrittenen Krankheitssymptomen aus und nahm nur solche mit günstigeren Prognosen auf. Zudem brach er die Untersuchung vorzeitig ab. Sorafenib schlug dermaßen gut an, dass die WissenschaftlerInnen die Substanz der Placebo-Gruppe nicht länger vorenthalten wollten – so lautete die offizielle Begründung. Die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ sieht bei dieser in der ganzen Branche üblichen Praxis allerdings weniger die Barmherzigkeit am Werk als vielmehr die Absicht, sich einer profunden Sicherheitsanalyse der Medikamente und einer Bewertung ihres Kosten/Nutzen-Profils zu entziehen.
XOFIGO, das vermittels radioaktiver Alpha-Strahlen das Wachstum von Prostatatumor-Zellen hemmen soll, verhalf Männern, bei denen eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben, zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. Und die Bilanz von STIVARGA (Wirkstoff: Regorafenib) fällt sogar noch schlechter aus. Die Substanz steigerte die Gesamtüberlebenszeit der ProbandInnen im Vergleich zu derjenigen von VersuchsteilnehmerInnen aus der Placebo-Gruppe gerade einmal um 1,4 Monate und schenkte ihnen bloß eine um 0,2 Monate längere Zeit ohne weiteres Tumor-Wachstum. Darum ist für die Arzneimittel-Kommission „der therapeutische Stellenwert von Regorafenib (...) derzeit nicht überzeugend belegt“.

Diese dürftige Leistungsbilanz hängt mit der Wirkungsweise der Substanz zusammen. Sie gehört wie NEXAVARs Sorafenib zur Gruppe der Multikinase-Inhibitoren und greift in den Stoffwechsel der Krebszelle ein, um deren Wachstum zu hemmen. Was sich erst einmal gut anhört und in Zeitungsschlagzeilen wie „Euphorie bei Krebsforschern: Abschalten von Enzym vernichtet Tumore“ noch besser, erweist sich in der medizinischen Praxis als verzwickter. Gerade bei fortgeschrittenen Tumor-Arten sehen sich die ÄrztInnen nämlich mit bis zu 150 verschiedenen mutierten Genen konfrontiert, und vor dieser schieren Masse müssen STIVARGA, NEXAVAR & Co. kapitulieren. Darüber hinaus verlieren die Inhaltsstoffe auch gegenüber denjenigen karzinogenen Zellen ihre Durchschlagskraft, in deren Organismus sie eigentlich einzugreifen vermögen, weil sich diese Gene als lernfähig erweisen und Resistenzen ausbilden.

Das alles hindert BAYER nicht daran, den Pharmazeutika immer neue Indikationsgebiete erschließen zu wollen. Selbst Misserfolge halten den Konzern nicht davon ab. So scheiterte NEXAVAR bereits als Therapeutikum bei Haut-, Brust-, Bauchspeicheldrüsen- und einer bestimmten Art von Leberkrebs. STIVARGA hingegen konnte sein Anwendungsspektrum in letzter Zeit bedeutend erweitern und ist jetzt nicht nur für die Behandlung von PatientInnen mit fortgeschrittenem Darmkrebs zugelassen, sondern darf auch bei Magenkrebs und anderen Verdauungstrakt-Tumoren zum Einsatz kommen. Darüber hinaus erprobt der Leverkusener Multi noch zahlreiche andere Onkologie-Präparate.

20 neue Arzneien gegen Krebs stehen nach Angaben des von BAYER mitgegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ kurz vor der Zulassung. Damit dürften sich die finanziellen Belastungen für die Krankenkassen noch einmal massiv erhöhen. Darum warnt nicht nur Karl Lauterbach vor einer Kosten-Lawine. In den USA protestieren schon PatientInnen-Verbände und ÄrztInnen gegen die Profit-Sucht von Big Pharma. 118 Krebs-ExpertInnen haben sich unlängst zusammengeschlossen und einen Maßnahmen-Katalog zur Reduzierung der Preise vorgelegt. „Es ist Zeit für die PatientInnen und ihre Ärzte, Veränderungen einzufordern“, so Dr. Ayalew Tefferi von der Mayo Clinic. Von Jan Pehrke

Lauterbach kritisiert BAYER & Co.

Die Krebs-Industrie

Mit seinem Buch „Die Krebsindustrie“ hat der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach einen interessanten und diskussionswürdigen Beitrag über die Risiken und Nebenwirkungen einer Krebs-Medizin geschrieben, die unter dem Einfluss von BAYER & Co. steht.

Zu Beginn seines Buch stellt Karl Lauterbach einige Fakten zu Grundprinzipien der Krebs-Entstehung und zur medikamentösen Krebs-Behandlung dar. Zusätzlich erklärt er sehr genau, wie die Pharma-Industrie besonders in diesem Bereich zu einer unglaublichen Kosten-Explosion im Gesundheitswesen beiträgt. In Kapitel 3 („Die Krebs-Industrie wächst“) werden fünf Vorwürfe gegenüber BAYER & Co. formuliert, die das Missverhältnis von hohen Medikamenten-Kosten bei oft geringem Nutzen und die Auswirkungen dieser Kostenlawine auf das gesamte Gesundheitssystem anprangern. Dann folgen die Vorstellungen des Gesundheitspolitikers, wie die Politik in diesem Bereich gegensteuern kann. Den Abschluss bildet dann eine Zusammenstellung von Risiko-Faktoren und Präventionsmöglichkeiten bei vier häufigen Krebserkrankungen (Lungen-, Darm-, Brust- und Prostata-Krebs). Prof. Lauterbach belegt seine Argumentation mit einer erfreulichen Fülle von Literatur-Zitaten und Verweisen. Die Ausstattung des Buches mit Abbildungen oder Diagrammen wirkt hingegen eher spartanisch.
Es ist ein Verdienst von Karl Lauterbach, das Augenmerk auf unsere älter werdende Gesellschaft mit der Konsequenz zunehmender Krebs-Fälle gelenkt zu haben. Auch legt er interessant dar, mit welchen Methoden es der Pharma-Industrie gelingt, in unserem Gesundheitssystem konsequent die Probleme von Krebskranken für ihre Gewinne auszunutzen („freie Marktwirtschaft“), auch wenn dabei jede soziale Dimension verlorengeht. Kompetente Fachleute weiß er zu diesem Sachverhalt als Beleg zu zitieren.
So gut die Bestandsaufnahme der Probleme durch den Mediziner gelungen ist, so schwer tut sich die Politik damit, Abhilfe zu schaffen. Das 2011 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) führte zwar bei neuen Arzneien zu einer gewissen Begrenzung der Pharma-Profite durch die Kosten/Nutzen-Bewertung, aber leider hatten CDU und FDP der Pharma-Industrie dabei eine Karenz-Zeit von einem Jahr eingeräumt, in der BAYER & Co. die Medikamenten-Preise selbst festlegen können! So geschah es dann, dass die Kosten für die Behandlung von Hepatitis C in den Bereich derjenigen von Krebs-Therapien vorstießen mit der absehbaren Folge, dass dieses Modell alle verfügbaren finanziellen Mittel des Gesundheitsbereiches auffrisst. Damit bleibt der Gesellschaft dann auch weniger Geld für eine eigene Krebs-Forschung, die ganz andere Ergebnisse als diejenige der Pillen-Riesen hervorbringen und z. B. auf ganz andere Krebs-Ursachen stoßen könnte.
Anerkennenswert ist hier zwar der Versuch Lauterbachs, die Krebs-Ursachen und Krebs-Risikofaktoren zu beschreiben, was anderswo selten versucht wird. Dennoch erscheint die geringe Beachtung, die er dabei Umwelt-Einflüssen schenkt, unangemessen. Seine hypothetische Berechnung, auf solche Faktoren würde nur ein geringe Prozentsatz der Krankheitsfälle zurückgehen, geht an der Realität vorbei. Wenn man sich die Vielzahl von langlebigen krebserzeugen-den Substanzen vergegenwärtigt, denen der Mensch ausgesetzt ist, wird man eines Besseren belehrt. Bei dem in dem Buch selber angeführten Beispiel „Asbest“ hat Karl Lauterbach leider nicht erwähnt, dass uns der Höhepunkt von asbest-induziertem Krebs (Bauch- und Rippenfell-Krebs) in den Jahren 2017 – 20201 erst noch bevorsteht (laut Paracelsius-Medaillenträger Prof. Hans-Joachim Woitowitz2), obwohl Asbest in Deutschland schon seit 1993 verboten ist. Seit langem gibt es zudem starke epidemiologische Hinweise darauf, dass z. B. in Südamerika, wo Unkrautvernichtungsmittel wie Glyphosat in großen Mengen versprüht werden, vermehrt Krebsfälle aufgetreten sind.
Schließlich hat die angesehene internationale medizinische Gesellschaft der Hormon-SpezialistInnen (Endocrine Society) bereits 2009 und aktuell wieder in diesem Jahr ein Statement zur Bewertung der vielen hormonaktiven Substanzen in unserer Umwelt abgegeben mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass diese endokrinen Disruptoren (Dioxine, PCB, Bispenol A, hormonaktive Pestizide ...) schon in sehr geringen Konzentrationen Krebs auslösen können3,4 Diese Fakten machen deutlich, dass es durchaus im Interesse von BAYER und anderen Pillen-Riesen sein könnte, diese Krebs-Ursachen außer Acht zu lassen und ein potenzielles Geschäftsmodell so am Laufen zu halten. Mit dieser Einschränkung ist das neue Buch von Karl Lauterbach lesenswert und als guter Diskussionsbeitrag zu empfehlen. Von Dr. Gottfried Arnold

1 http:www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/sr/14012015-plusminus-asbest-100.html
2 http:
www.aerzteblatt.de/archiv/140367/Hans-Joachim-Woitowitz-Anwalt-der-Patienten
3 Diamanti-Kandarakis E, Bourguignon JP, Giudice LC, et al. Endocrine-disrupting chemicals: an Endocrine Societyscientific statement. Endocr Rev. 2009;30:293–342.
4 Gore AC, Chappell VA, Fenton SE, et al. EDC-2: The Endocrine Society’s second scientific statement on endocrine- disrupting chemicals. Endocr Rev. In press. (9-2015)

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[OB EDC] Offener Brief – Hormongifte

CBG Redaktion

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Hendricks,
sehr geehrter Herr Bundesminister Schmidt,

hormonelle Schadstoffe sind eine Gefahr für unsere Gesundheit und die Umwelt. Sie wirken wie natürliche Hormone und bringen so die körpereigenen Steuerungsprozesse bei Mensch und Tier durcheinander. Dies gilt insbesondere während kritischer Entwicklungsphasen des Körpers, wie während der Schwangerschaft, der frühen Kindesentwicklung und Pubertät.

Hormonell schädliche Stoffe befinden sich in vielen Produkten unseres Alltags und werden mit schwerwiegenden Gesundheitsschäden wie Unfruchtbarkeit, Diabetes, Missbildungen und verschiedenen Krebsarten in Verbindung gebracht. Auch Wildtierpopulationen sind in hohem Maße durch hormonell schädliche Stoffe gefährdet, da sie ihre Fortpflanzung und das Immunsysten beeinträchtigen können.

Das Europäische Parlament und die EU Mitgliedsstaaten haben deshalb schon 2009 die Zulassung dieser sogenannten endokrinen Disruptoren (EDCs) als Pestizidwirkstoffe und 2012 als Biozidwirkstoffe per Gesetz verboten. Doch ein neuer Vorschlag der EU-Kommission droht das Verbot praktisch wirkungslos werden zu lassen: Die Kommission hat Kriterien zur Identifizierung von EDCs vorgeschlagen, durch die diese Gesetze eigenmächtig verändert und Schutzstandards untergraben werden. Die Hürden für die Einstufung als EDC würden damit so hoch gesetzt, dass nur sehr wenige Stoffe erfasst und verboten werden könnten.

Dieser Vorschlag ist ein Skandal und darf Ihre Zustimmung auf keinen Fall finden!

Unsere Gesundheit und die unserer Kinder sind wichtiger, als die Profitinteressen der Chemie- und Pestizidindustrie! Sie haben es in der Hand: Machen Sie Ihren Einfluss geltend, damit hormonelle Schadstoffe aus unserem Alltag verschwinden. Dazu müssen Kriterien festgelegt werden, anhand derer alle hormonell schädlichen Stoffe auch als solche erkannt, eingestuft und verboten werden können. Sorgen Sie daher für ein deutsches NEIN zum Kommissionsvorschlag.

Freundliche Grüße

[EDCs SWB] Hormongifte

CBG Redaktion

Politik & Einfluss

Hormon-ähnliche Chemikalien von BAYER & Co.

Eine globale Bedrohung

Chemikalien haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie bestimmte körpereigene Stoffe und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln. So gleichen bestimmte Pestizide, Weichmacher oder andere Produkte wie etwa Bisphenol A in ihrem chemischen Aufbau Hormonen. Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen beschreiben MedizinerInnen als mögliche Folge. Darum will die EU die VerbraucherInnen besser vor diesen Produkten von BAYER & Co. schützen, aber die Konzerne torpedieren das nach Kräften. Ein Lehrstück in Sachen „Lobby-Arbeit“.

Von Jan Pehrke

Hormone sind die Botenstoffe des Körpers. Sie erfüllen damit eine wichtige Aufgabe in seinem Regulationssystem. Die biochemischen Substanzen steuern beispielsweise das Knochen-Wachstum, den Zucker- und Fett-Stoffwechsel, die Verdauung und die Sexualentwicklung. Stört nun etwas die Signal-Übertragung, so kommen falsche Botschaften an, was die Abläufe gehörig durcheinanderwirbeln kann. Und als solche „Störer“ – sogenannte endokrine Disruptoren (EDs) – hat die Wissenschaft seit einiger Zeit bestimmte Chemikalien ausgemacht. Viele dieser Substanzen gleichen in ihrem Aufbau nämlich Hormonen und haben deshalb ein beträchtliches Irritationspotenzial. Die mögliche Folge: Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Dysfunktionen des Nerven- und Immunsystems sowie Herz-, Leber- und Gebärmutter-Leiden.
Der Leverkusener Multi hat eine ganze Menge dieser Stoffe im Angebot. Und manche davon wie etwa das Antiraupen-Mittel RUNNER sollen sogar hormonelle Effekte entfalten. Es zählt nämich zu den Insekten-Wachstumsregulatoren, die BAYERs europäischer Lobbyverband „European Crop Protection Association“ (ECPA) wie folgt beschreibt: „Pheromone und Insekten-Wachstumsregulatoren werden im Pflanzenschutz speziell wegen ihrer Wirkungsweise als endokrine Disruptoren eingesetzt, um den Fortpflanzungsprozess zu stören oder den Lebenszyklus der Insekten zu verkürzen.“

Bei anderen Agro-Giften des Konzerns fällt die Beeinträchtigung des Hormonsystems hingegen eher in die Rubrik „Risiken und Nebenwirkungen“. Dies ist auch bei den anderen Substanzen mit hormon-ähnlichen Eigenschaften aus der Produktpalette des Global Players der Fall wie z. B. bei Weichmachern oder der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, von welcher der Pharma-Riese allein im Jahr 2011 rund 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr herstellte.

Bereits seit den 1990er Jahren warnen WissenschaftlerInnen vor den Gefahren, die durch endokrine Disruptoren drohen. Die Politik blieb jedoch lange untätig. Die Europäische Union brachte 1999 zwar eine „Strategie für Umwelthormone“ auf den Weg, erkannte aber erst in der Dekade nach dem Jahrtausend-Wechsel Handlungsbedarf, wie die französische Publizistin Stéphane Horel in ihrem Buch „Intoxication“ ausführt. Im Rahmen der Neuordnung der Pestizid-Zulassungen nahm die EU 2009 auch die hormonelle Wirkung der Ackergifte in den Blick. Das Europäische Parlament sprach sich dabei für ein Verbot der entsprechenden Substanzen aus. Zu einer entsprechenden Regelung in der „Verordnung 1107/2009“ kam es damals jedoch nicht. Diese sollte erst per Nachtrag erfolgen, wenn die Europäische Kommission genaue Kriterien zur Bestimmung der EDs entwickelt hatte. Bis Ende 2013 gaben die ParlamentarierInnen ihr dafür Zeit.
Mit der Detail-Arbeit betraute die Kommission dann – vorerst – die „General-Direktion Umwelt“. Diese beauftragte zunächst eine Gruppe von WissenschaftlerInnen mit einer Untersuchung zum Forschungsstand in Sachen „hormon-ähnliche Chemikalien“. Anfang 2012 lag der Report „State of the Art Assessment of Endocrine Disrupters“ schließlich vor. Er bescheinigte den Stoffen einmal mehr gesundheitsschädigende Eigenschaften. Diese „rechtfertigen es, die endokrinen Disruptoren als ebenso besorgniserregende Substanzen anzusehen wie krebserregende, erbgutschädigende und reproduktionstoxische Produkte“, hält die Studie fest. Die ForscherInnen schlugen deshalb vor, eine eigene Kategorie für RUNNER & Co. zu schaffen und diese auch nicht wie andere potenziell gefährliche Hervorbringungen der Industrie nach der Wirkstärke zu beurteilen. Ein solches Kriterium erlaubt den WissenschaftlerInnen zufolge nämlich keine Rückschlüsse auf das von den EDs ausgehende Gesundheitsrisiko. Die Dosis macht das Gift – eben das trifft auf die endokrinen Disruptoren nicht zu, weshalb nach Meinung der AutorInnen auch Grenzwerte nicht vor deren Gefahren schützen. Der an der Expertise beteiligte Andreas Kortenkamp hatte das schon 2002 in einem Experiment nachgewiesen. Er mischte Polychlorierte Biphenyle, wie sie BAYER bis zu ihrem Verbot im Jahr 1989 massenhaft produzierte, Bisphenol A und sechs weitere Chemikalien zusammen, die für sich genommen nicht östrogen wirken, und erhielt ein überraschendes Ergebnis. „0 + 0 + 0 + 0 + 0 + 0 + 0 + 0 = 8“ lautete das Resultat. Also das glatte Gegenteil eines Nullsummenspiels. „Etwas, das aus dem Nichts entsteht“, fasste Kortenkamp den beunruhigenden Befund zusammen. „Schädliche chemische Stoffe in Produkten des täglichen Bedarfs müssen verboten werden. Die Gesundheit steht über dem wirtschaftlichen Interesse“, forderte der Toxikologe deshalb später in einem Zeitungsartikel.

Die unter seiner Federführung entstandene Untersuchung für die General-Direktion Umwelt alarmierte die Industrie und trieb sie zu einer beispiellosen Lobby-Offensive, in der BAYER eine Hauptrolle einnahm. Zudem machten noch zahlreiche große Organisationen Druck. So setzte die CEFIC, der europäische Verband der Chemie-Industrie, die endokrinen Disruptoren ganz oben auf seine Liste mit den „Lobbying-Schlüsselthemen“. Und die CEFIC kann sich diesem Schlüsselthema mit einiger Macht widmen: Sie ist mit ihren 29.000 Mitgliedsfirmen die größte europäische Unternehmensvereinigung, hat in Brüssel 150 Beschäftigte und verfügt über einen Jahresetat von 40 Millionen Euro. Damit nicht genug, opponierten noch weitere Verbände der Konzerne gegen allzu weitreichende Regulierungspläne. Zu ihnen zählten etwa die ECPA, der Zusammenschluss der europäischen Pestizid-Hersteller, dessen US-amerikanisches Pendant „Croplife“, das „American Chemistry Council“ und „Plastic Europe“ mit Patrick Thomas an der Spitze, dem Chef der BAYER-Tochter COVESTRO.
Zunächst heuerten BAYER & Co. willige WissenschaftlerInnen an, um Zweifel am Kortenkamp-Report zu säen.

Der vom „American Chemistry Council“ bestellte und bezahlte Text erschien dann Ende Mai 2012 in der Fachzeitschrift Criticial Reviews in Toxicology. Schon ein Blick auf die deklarierten Interessenskonflikte genügt, um sich eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Kritik, die sich hauptsächlich auf Fragen der Methodik konzentriert, zu ersparen. Alle sechs Autoren verfügten nämlich über beste Connections zu den Multis. Sie arbeiteten beispielsweise als Berater für die BASF oder das „American Chemistry Council“ und veröffentlichten in Tateinheit mit ForscherInnen von BAYER, DUPONT oder MONSANTO Artikel.
Einen ersten Zwischenerfolg erzielten die Konzerne schon bald darauf. Hatten die Unternehmen schon länger daran gearbeitet, den Einfluss der General-Direktion Umwelt zu begrenzen und industrie-freundlicheren EU-Organisationen mehr Gewicht in dem Prozess zukommen zu lassen, so konnten sie im Oktober 2012 Vollzug melden. Die Europäische Kommission übertrug der „Europäischen Behörde für Lebensmittel-Sicherheit“ (EFSA) die Aufgabe, ein wissenschaftliches Gutachten zur Identifizierung und zur Bewertung der endokrinen Disruptoren zu verfassen. Und die Agentur, deren MitarbeiterInnen mehr als einmal mit ihren Beziehungen zur Wirtschaft in die Schlagzeilen geraten waren, versuchte ihrem schlechten Ruf bereits von Anfang an gerecht zu werden: In der von ihr berufenen Arbeitsgruppe befanden sich nämlich überhaupt keine Hormon-SpezialistInnen. Das Ergebnis fiel entsprechend aus: „EDs können wie alle anderen den Menschen und die Umwelt gefährdenden Substanzen behandelt werden.“ Eine Beurteilung nicht einzig nach dem Gefahren-Potenzial, sondern überdies nach dem üblichen Kriterium der Wahl, dem Risiko-Potenzial, schlug die EFSA deshalb vor.

Endokrine Disruptoren fallen für die Agentur also nicht aus dem Rahmen dessen, was sonst so an schädlichen Chemikalien aufläuft, und der Umgang mit diesen kann ihr zufolge daher auch weitgehend in dem bisherigen Rahmen stattfinden. Das war natürlich ganz im Sinne der Industrie. Besonders die Zurückweisung des Gefahren-Ansatzes als einzigem Maßstab zur Beurteilung der EDs fand den Gefallen der Multis. Eine Prüfung der Stoffe auf der Grundlage der Gefahr unterscheidet sich nämlich maßgeblich von einer solchen auf der Grundlage des Risikos. Eine Bewertung anhand der Gefahr nimmt allein die Eigenschaften des Produkts an sich in Blick, eine anhand des Risikos berücksichtigt indes das Ausmaß, in dem Mensch, Tier und Umwelt der Chemikalie ausgesetzt sind. Während die Gefahr einer Substanz also immer absolut gilt und keine Grenzen kennt, ist das Risiko immer relativ. Es ist unter anderem von der Wirkstärke abhängig, und als Maß der Dinge kommt so der Grenzwert ins Spiel, der das Höchstmaß der Belastbarkeit anzeigt. Solche Limits träfen auf die – zähneknirschende – Zustimmung von BAYER & Co., erlaubten diese ihnen doch zumindest, ihre Waren, wenn auch mit mehr oder weniger großen Beschränkungen, auf dem Markt zu halten. Das gelänge bei einer Inventur unter der Maßgabe der Gefahr nicht. Danach müssten etwa alle als EDs identifizierte Acker-Gifte mit einem Verbot rechnen.
Und genau dieses, was der Kortenkamp-Report, ganz im Sinne der Pestizid-Richtlinie von 2009, nahelegte, indem er den endokrinen Disruptoren einen Sonderstatus zuschrieb und das Prinzip der Wirkstärke als Richtschnur für die Bewertung ablehnte, stellte die EFSA jetzt zur Disposition. Die Behörde tat dies wider besseren Wissens, war sie doch kurz vor dem Veröffentlichungsdatum noch drauf und dran, alles zu revidieren. Dass zwei Uno-Organisationen den Stand der Wissenschaft so ganz anders wiedergegeben hatten als sie selber und von den endokrinen Disruptoren als einer „globalen Bedrohung“ sprachen, hatten sie nämlich ins Zweifeln gebracht. „Ich denke, dass wir unseren Bericht (...) leider umarbeiten müssen, damit er besser reflektiert, was der Rest der Welt denkt“, e-mailte ein Mitglied der Arbeitsgruppe aufgestört. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der EFSA schlug indessen vor, wenigstens das Kapitel „Schlussfolgerungen“ zu ändern. Aber am Ende blieb doch alles, wie es war.

Die GD Umwelt hatte also allen Grund, an ihrem umfassenderen Schutz-Ansatz festzuhalten. Das allerdings rief BAYER auf den Plan. Der Leverkusener Multi gelangte vorzeitig in den Besitz des entsprechenden Papiers der GD Umwelt – ein Vertrauter bei der Kommission hatte es dem Chemie-Verband CEFIC durchgesteckt – und setzte im Juni 2013 einen Brief an die stellvertretende Generalsekretärin der EU-Kommission, Marianne Klingbeil, auf. „Die DG ENV (= GD Umwelt, Anm. SWB) favorisiert gegenwärtig ein Konzept, welches durchgängig auf der Basis des Vorsorge-Prinzips konstruiert worden ist (Hazard assessment). Dies bedeutet eine fundamentale Abkehr von den Prinzipien der Risiko-Bewertung und wird in Konsequenz weitreichende, gravierende Auswirkungen auf die Chemie-Branche und Agrar-Industrie (vor allem wegen der bei Pflanzenschutzmitteln angewandten cut-off-Kriterien, die einen Verlust der Zulassung bedingen), nach sich ziehen“, zeigte sich der Pharma-Riese alarmiert. Mehr als 37 Pestizide sieht er von einem Verbot bedroht. Allein der Bann der Antipilz-Mittel aus der Gruppe der Triazole, zu denen etwa die BAYER-Produkte PROVOST OPTI, FOLICUR und NATIVO gehören, würde zu einem Produktivitätsrückgang von 20 Prozent und zu Ernte-Verlusten bis zu 40 Prozent führen, rechnet der Konzern unter Bezugnahme auf zwei Studien vor. Mit Verweis auf die EU-Maxime der „Better regulation“ fordert er die Kommission deshalb auf, bei ihrer Entscheidung über die endokrinen Disruptoren die Auswirkungen auf die Wirtschaft mit zu berücksichtigen und ein sogenanntes Impact Assessment durchzuführen.

Und Brüssel erhörte die Signale. Statt wie vorgesehen 2013 die Kriterien zur Beurteilung der EDs vorzulegen, kündigte die Europäische Kommission erst einmal eine solche ökonomische Folge-Abschätzung an. Der Leverkusener Multi gab sich damit aber nicht zufrieden. Hatte er bereits vor dem Brief an Marianne Klingbeil gemeinsam mit BASF und SYNGENTA ein Scheiben an die EU verfasst und sich darin besorgt gezeigt, die Kriterien zur Bestimmung der endokrinen Disruptoren könnten ihren „komplett sicheren“ Pestiziden den Garaus machen, so setzte er in Tateinheit mit mehreren anderen Konzernen Mitte Oktober 2013 erneut ein Schriftstück auf. Darin gingen die Absender das Vorsorge-Prinzip von einer anderen Seite her an. Sie wollten es nun durch ein „Innovationsprinzip“ ergänzt wissen. Ein Gleichgewicht zwischen Gesundheitsschutz und Innovationsförderung sollte Brüssel nach Meinung der Vorstandschefs anstreben, denn: „Innovationen sind per definitionem mit Risiken verbunden.“

Damit endeten die Lobby-Aktivitäten von BAYER & Co. aber noch bei Weitem nicht. So brachte der willige Wissenschaftler Daniel Dietrich, der immer wieder gerne gemeinsam mit den ForscherInnen von BAYER, DOW oder ASTRAZENECA Studien publiziert, in der Fachzeitschrift Toxicology Letters einen höhnischen Artikel über die mit den endokrinen Disruptoren verbundenen Ängste unter. Darin deklarierte er forsch die den EDs zugeschriebenen Fruchtbarkeitsschädigungen wie etwa die Minderung der Samen-Qualität zu Symptomen einer männlichen Hysterie. „Man kann sich fragen, ob das ganze Thema ‚EDs’ nicht eher in die Kompetenz von Dr. Sigmund Freud fällt als in die der Toxikologie“, meinten Dietrich und seine Co-Autoren. Auf kaum höherem Niveau argumentierten die Konzerne und ihre Vorfeld-Organisationen.

Die CEFIC etwa griff in ihren zahlreichen Eingaben zum Standard-Argument der Industrie und bestritt den Kausal-Zusammenhang zwischen Substanz und Nebenwirkungen. Stattdessen führte die Organisation andere mögliche Ursachen ins Feld wie Umwelteinflüsse und Lebensführung. Zudem erklärte sie die Symptome für reversibel. Allen Ernstes führte sie dafür in einem Schreiben an die EU Horror-Filme als Beispiel an. Diese riefen auch hormonelle Reaktionen des Körpers hervor, allerdings klängen diese bald wieder ab, so die CEFIC.
BAYER versuchte darüber hinaus noch, die LandwirtInnen gegen eine allzu weitreichende Regulation der endokrinen Disruptoren zu mobilisieren. Der Leverkusener Multi entwarf ein Horror-Szenario von Ernte-Verlusten durch bald nicht mehr erhältliche Pestizide und rief die FarmerInnen dazu auf, sich an den Konsultationen Brüssels zu den EDs zu beteiligen. Darüber hinaus ließ der Global Player seine Beziehungen spielen, um direkt mit Karl Falkenberg, dem Leiter der GD Umwelt, ins Gespräch zu kommen. Der heute beim Berliner „Global Forum for Food and Agriculture“ tätige Eckart Guth bat seinen früheren EU-Kollegen Falkenberg um eine Zusammenkunft mit dem BAYER-Manager Franz Eversheim. „Lieber Karl, ich schreibe dir, um dich zu bitten, Herrn (Name in dem EU-Dokument geschwärzt, Anm. SWB) zu treffen, den Leiter Public and Government Affairs Europa von BAYER CROPSCIENCE. Wir haben vor einiger Zeit beim Bier nach dem Tennis über das zur Diskussion stehende Thema gesprochen. Aber ich fürchte, es ist zu ernst, um es dabei belassen zu können. Darum würde ich dir vorschlagen, Herrn (geschwärzt, Anm. SWB) zu treffen, den ich in institutionellen Angelegenheiten berate“, hieß es in dem Schreiben. Und das zur Diskussion stehende Thema, das waren die Kriterien zur Bestimmung der endokrinen Disruptoren. Ob es dann auch wirklich zu dem Tête-à-Tête gekommen ist, das vermochte Stéphane Horel nicht herauszubekommen, dennoch zeigt das Dokument sehr gut, wie Lobbyismus in Brüssel so funktioniert.

2013 brachten es BAYER & Co. allein in der zweiten Juni-Hälfte auf sechs Treffen mit EU-Offiziellen; rund 30 Mails der Industrie liefen in diesem Zeitraum auf. Sogar den Profi-AntichambrierInnen von der ECPA begann das alles über den Kopf zu wachsen. Der Druck von Seiten der Mitgliedsfirmen sei „enorm“, schütteten sie Peter Korytar von der GD Umwelt ihr Herz aus. Dazu kam noch Unterstützung aus Übersee. „Croplife America“, der US-Verband der Pestizid-Produzenten, und das „American Chemistry Council“ übten Druck auf die EU-Repräsentanz in Washington aus, weil sie sich Sorgen um ihre Agrogift-Exporte machten. Darum setzten sie die Pläne der EU in Sachen „endokrine Disruptoren“ auch auf die Agenda der TTIP-Verhandlungen. Als mögliches Handelshemmnis und ein konkretes Beispiel für Reform-Bedarf bei der Regulierungszusammenarbeit galten diese den US-amerikanischen Verbänden.
All das ließ die EU-Kommission nicht ungerührt. Sie entzog schließlich der GD Umwelt die Verantwortung in dem Prozess und verschleppte die Arbeit an den Kriterien für die Bestimmung der ED-Kriterien immer mehr. So sehr, dass Schweden schließlich der Kragen platzte. Das Land verklagte die Kommission wegen Untätigkeit und bekam im März 2016 auch Recht zugesprochen.

Nun mussten Juncker & Co. endgültig liefern. Und Mitte Juni taten sie es schließlich. Die Europäische Kommission unterrichtete das Europäische Parlament und den Europäischen Rat „über endokrine Disruptoren und die Entwürfe der Kommissionsrechtsakte zur Festlegung der wissenschaftlichen Kritierien für ihre Bestimmung im Kontext der EU-Rechtsvorschriften über Pflanzenschutzmittel und Biozid-Produkte“.

Bei der Definition der EDs verzichtet die Kommission auf die umstrittenen Kategorie der Wirkstärke, sie greift zur Freude von BAYER & Co. „wohl aber bei der Bewertung des tatsächlichen Risikos, das von endokrinen Disruptoren ausgeht“, auf diese zurück. Und noch eines weiteren „aber“ bedient Junckers Riege sich. Sie will die Verbotsanordnungen grundsätzlich zwar auf der Grundlage des Gefahren-Ansatzes verhängen und nicht dem Risiko-Relativismus frönen, der sich am dem Maß der ED-Dröhnung orientiert, allein: „Es gibt jedoch einige begrenzte Ausnahmen“. Zu diesen zählt die Kommission ein vernachlässigbares Risiko, eine vernachlässigbare Exposition, sozio-ökonomische Gründe und ernste Gefährdungen der Pflanzen-Gesundheit. Eine ganz schön große Auswahl für die Konzerne – da hatte das die wirtschaftlichen Folgen der ED-Regulierung abschätzende „Impact Assessment“ seine Wirkung offensichtlich nicht verfehlt.

Dementsprechend hart fiel das Urteil von Umweltverbänden und Fachwelt aus. „Das Vorsorge-Prinzip wird durch die Vorschläge mit Füßen getreten“, konstatiert etwa das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN). Hätte ursprünglich der Beleg einer hormon-schädlichen Eigenschaft für eine Regulierung ausgereicht, so müsse nun die Relevanz eines schädlichen Effekts beim Menschen tatsächlich nachgewiesen sein“, moniert die Initiative. Zudem kritisiert PAN die Erweiterung der Ausnahme-Bestimmungen für hormon-aktive Pestizide, die jetzt im Umlauf bleiben dürfen, wenn sie eine bestimmte Schwelle nicht überschreiten. Als „ganz im Sinne der Pestizid- und Chemie-Industrie“ und „Vorboten von CETA und TTIP“ bezeichnet die PAN-Aktivistin Susanne Smolka die Vorschläge der EU. Die Wissenschaftsvereinigung „Endocrine Society“ lehnt den vorgelegten Entwurf ebenfalls ab. „In Bezug auf die endokrinen Disruptoren noch strengere wissenschaftliche Maßstäbe anzulegen als in Bezug auf die Karzinogene, für die sie schon sehr streng sind, wäre ein Schritt in die falsche Richtung“, so Rémy Slama. Auch das Umweltbundesamt zeigt sich enttäuscht: „Damit verlässt die EU den gefahren-basierten Ansatz, den wir fordern.“ Während bundesdeutsche PolitikerInnen sich mit Kommentaren zurückhielten, bezeichnete die französische Umweltministerin Ségolène Royal die Vorlage aus Brüssel als „extrem enttäuschend“. Gemeinsam mit ihren KollegInnen aus Schweden und Dänemark setzte sie deshalb einen Brief an Jean-Claude Juncker auf, der ein generelles Verbot von endokrinen Disruptoren in Pestiziden zur Forderung erhob.
Die Industrie ließ sich indessen ihre Freude nicht anmerken. Aus taktischen Gründen zog sie es vor, gleichfalls in den Chor der KritikerInnen einzufallen, um die Vorlage der EU als goldenen Mittelweg erscheinen zu lassen und ihre erfolgreiche Lobby-Arbeit nicht durch eine Geste des Triumphalismus zu gefährden.

Die ECPA richtete ihren Tunnelblick einzig auf die Ausnahme-Regelungen und empfand diese als ungenügend. Aus diesem Grund krittelte der Pestizid-Verband an den Kriterien herum, die sich seiner Ansicht nach etwas risiko-freudiger hätten zeigen sollen, statt nur der Gefahr ins Auge zu sehen. „Eine Regulierung durch Ausnahmen ist weder akzeptabel noch wissenschaftlich. Wenn man immer mehr Ausnahmen schaffen muss, ist das ein Anzeichen dafür, dass mit den Kriterien etwas nicht stimmt“, meinte ECPA-Sprecher Graeme Taylor. Der „Verband der Chemischen Industrie“ zeigte sich ebenfalls demonstrativ verstimmt. „Die Kriterien taugen in der Praxis nicht zu einer verlässlichen Unterscheidung in schädliche und harmlose Stoffe“, konstatierte er. Harmlose Substanzen gibt es unter den Chemikalien mit hormoneller Wirkungen nach Ansicht der Lobby-Organisation von BAYER & Co. nämlich wirklich. „Eine sichere Handhabung hormon-aktiver Stoffe ist möglich“, befand der Verband und plädierte einmal mehr für eine Regulierung mit Hilfe von Grenzwerten nach Maßgabe der Wirkstärke der EDs. Und dienten seinem europäischen Pendant CEFIC noch Horror-Filme als Beispiele für hormonell Wirksames mit geringer Halbwertzeit, so rekurriert der bundesdeutsche Chemie-Verband nun auf Vitamin D und Koffein als Substanzen, die unterhalb bestimmter Konzentrationen keine Irritationen im Hormon-System hervorrufen.

Lob erntete Brüssel kaum. Nur das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) tat sich wieder einmal unrühmlich hervor. Hatte sich das Institut, in dessen Kommissionen VertreterInnen von BAYER, BASF und anderen Konzernen sitzen, schon in Sachen „Glyphosat“ als Anwalt von Unternehmenspositionen hervorgetan, so ging es nun auch d’accord mit dem EU-Entwurf zu den EDs. „BfR begrüßt wissenschaftliche Kriterien der EU-Kommission für die Identifizierung endokriner Disruptoren“, überschrieben die Risiko-BewerterInnen ihre Pressemeldung. Kunststück: Die Bundeseinrichtung hatte in ihren Einfluss in dem ganzen Prozess immer wieder geltend gemacht. So saßen BfR-VertreterInnen etwa in der EFSA-Arbeitsgruppe, welche keinen prinziellen Unterschied zwischen den endokrinen Disruptoren und anderen Chemikalien machen wollte. Darüber hinaus betonte das Bundesinstitut schon früh „die große ökonomische Tragweite“ der Entscheidung über die hormonellen Substanzen und trat deshalb bei der Kommission immer für Grenzwerte statt für Totalverbote ein.

In der belgischen Hauptstadt geht jetzt erst einmal alles seinen EU-bürokratischen Gang. Andere Gremien müssen sich mit dem Kommissionsentwurf befassen, was noch zu einigen Konflikten führen dürfte. BAYER & Co. haben sich dafür schon einmal in Stellung gebracht und im Falle eines missliebigen Ergebnisses sogar mit gerichtlichen Auseinandersetzungen gedroht. Aber auch die Initiativen haben bereits mit Aktionen begonnen. So hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK eine Unterschriften-Aktion an den Start gebracht. Und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird ebenfalls nicht untätig bleiben.

[PM EDC ] Erlaubt die EU weiterhin hormonelle Schadstoffe in Pestiziden und Bioziden?

CBG Redaktion

Pressemitteilung
München, 27.9.2016

Erlaubt die EU weiterhin hormonelle Schadstoffe in Pestiziden und Bioziden?
Abstimmung in Brüssel verschoben – Umwelt-und Gesundheitsorganisationen fordern klare Position der deutschen Regierung zum Schutz von Mensch und Umwelt

Im Juni dieses Jahres legte die EU Kommission einen Vorschlag für Kriterien zur Identifizierung von Hormongiften (Endocrine Disrupting Chemicals, EDCs) vor. Diesen Kriterien sollten Regierungsvertreter der Mitgliedstaaten in der letzten Sitzung der Fachausschüsse für Pestizide und Biozide zustimmen. Nun musste die Abstimmung verschoben werden, da die umstrittenen Vorschläge auf teils heftige Kritik stoßen. Länder wie Frankreich, Schweden und Dänemark fordern erhebliche Nachbesserungen bei den Vorschlägen der Kommission zum Schutz von Verbrauchern und Umwelt und ziehen im Ernstfall auch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Betracht.

Die Organisationen WECF, PAN Germany, BUND, Umweltinstitut München, CBG, SumOfUs und HEJSupport begrüßen diese Forderung und rufen die Bundesregierung auf, sich ebenfalls für strikte Kriterien im Sinne des vorbeugenden Gesundheits- und Umweltschutzes in den Verhandlungen stark zu machen. Eine gemeinsame öffentliche Online-Petition der Organisationen mit dieser Aufforderung an die Bundesregierung erhielt bereits mehr als 78.000 Unterschriften und wird bis zum Abschluss der Verhandlungen weitergeführt.

Die beteiligten Organisationen fordern die Bundesregierung auf
- das im EU-Recht verankerte Vorsorgeprinzip zu schützen und sich für Kriterien einzusetzen, die eine gesetzliche Regulierung von potentiellen Hormongiften ermöglichen, bevor diese Mensch und Umwelt schaden können
- auf eine Minimierung der Belastung von Mensch und Umwelt durch Hormongifte gemäß den Vorgaben des EU-Umweltaktionsprogramms 2020 zu drängen
- dafür zu sorgen, dass Deutschland, als eines der größten Chemiestandorte der Welt, zusammen mit Ländern wie Frankreich, Schweden und Dänemark eine Vorreiterrolle beim Schutz von Mensch und Umwelt vor hormonellen Schadstoffen übernimmt

„Zahlreiche Studien belegen die schädigende Wirkung von hormonell wirksamen Stoffen (EDCs) auf Mensch und Umwelt“, so Johanna Hausmann von WECF. „Besonders betroffen von Hormongiften sind schwangere Frauen und Kinder. Der Vorschlag der EU Kommission ignoriert mit seinem Entwurf wissenschaftliche Erkenntnisse, Ergebnisse der öffentlichen Konsultation und das Vorsorgeprinzip. Die deutsche Regierung steht nun in der Pflicht, diese Ignoranz zu unterbinden und ihr Veto einzulegen.“

Bereits vor einigen Jahren wurde die Verwendung von hormonell wirksamen Stoffen in Pestiziden und Bioziden vom Europäischen Parlament verboten. Allerdings fehlte bislang ein abgestimmtes Verfahren zur Identifizierung dieser Stoffe. Deshalb erhielt die EU-Kommission den Auftrag, bis Dezember 2013 entsprechende Kriterien festzulegen.

Der Vorschlag, den die Kommission nun mit fast dreijähriger Verspätung veröffentlichte, zielt darauf ab, geltendes Recht abzuschwächen und das in der Europäischen Union verankerte Vorsorgeprinzip zu untergraben. Die Beweislast für die hormonell schädliche Wirkung eines Stoffes würde so hoch gesetzt, dass kaum ein Stoff als EDC identifiziert und verboten werden könnte. Die EU-Kommission ist damit den Forderungen der Chemieindustrie nachgekommen, die beispielsweise neue Pestizidverbote im Hinblick auf die Verhandlungen zu den transatlantischen Handelsabkommen TTIP und CETA unter allen Umständen zu verhindern sucht.

„Die EU-Kommission ist dabei, das Pestizidrecht in seinen Grundpfeilern zu verändern, so dass selbst für erkannte hormonschädliche Wirkstoffe keine Maßnahmen zur Expositionsminderung umgesetzt werden müssen. Die bestehenden Schutzstandards für Landwirte, Verbraucher und für die Umwelt werden so beträchtlich abgeschwächt. Die Kommission überschreitet damit deutlich ihre Befugnisse. Hier erwarten wir von der deutschen Bunderegierung ein klares Veto“, fordert die Pestizidexpertin Susanne Smolka von PAN Germany.

Weitere Stimmen der Bündnis-Organisationen

„Die Kommission hat Gesetzesänderungen vorgeschlagen, die den Schutz von Umwelt und Verbraucher vor gesundheitsschädlichen Chemikalien um viele Jahre zurückwerfen würden. Ein Hormongift könnte nur dann verboten werden, wenn konkrete Wirkungen bekannt sind und nicht mehr allein wegen seiner gefährlichen Eigenschaften. Das heißt, die Möglichkeit potentiell krank machende Stoffe gesetzlich zu regulieren, bevor sie Schaden anrichten können, wäre nicht mehr gegeben. Die EU-Kommission hat lediglich den Auftrag, Kriterien für hormonelle Schadstoffe vorzulegen, nicht geltendes Recht zu ändern und das Vorsorgeprinzip durch die Hintertür abzuschaffen“, erklärt der BUND-Experte für Chemikalienpolitik, Manuel Fernández.

„Deutschland muss nun dringend weitere Verbesserungen von der Kommission einfordern, denn der vorliegende Vorschlag wird kaum EDCs regulieren. Sie fallen wie durch ein grobmaschiges Netz. Wir brauchen aber eine Regulierung mit höchstem Schutzniveau für Umwelt und Gesundheit“, fordert Alexandra Caterbow, Direktorin von HEJSupport.

„Die Vorschläge der Kommission untergraben einen wirksamen Schutz vor hormonellen Schadstoffen, obwohl diese mit zahlreichen Krankheiten in Verbindung gebracht werden. Die Bundesregierung muss sich jetzt dafür stark machen, dass die Vorschläge der EU-Kommission grundlegend überarbeitet werden, sodass der Schutz unserer Gesundheit und der Umwelt vor diesen Stoffen im Sinne des Vorsorgeprinzips auch tatsächlich gewährleistet wird“, fordert Christine Vogt, Referentin des Umweltinstituts.

Hintergrund:
Hormonell wirksame Substanzen wirken ähnlich wie körpereigene Hormone und können in den empfindlichen Hormonhaushalt von Menschen und Tieren eingreifen. Sie gelten unter anderem als Mitauslöser für Fruchtbarkeitsstörungen, Diabetes, Hoden- und Brustkrebs und können schon in kleinsten Mengen Wirkung zeigen. Besonders gefährdet sind Embryos, Kinder und Jugendliche. Hormongifte finden nicht nur in Pestiziden Verwendung, sondern auch in vielen Alltagsprodukten, wie Kosmetika, Spielzeug, Schuhe, Sportartikel oder Lebensmittelverpackungen. An die 800 Chemikalien gelten derzeit als potentielle EDC. Experten rechnen damit, dass diese Zahl in den kommenden Jahren noch steigen wird.

Kontakte:
Johanna Hausmann, WECF, johanna.hausmann@wecf.eu, Tel 0173 8010040, www.wecf.eu

Susanne Smolka, Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany), Susanne.smolka@pan-germany.org,
Tel 040 399 19 10 24

Christine Vogt, Referentin für Landwirtschaft, Umweltinstitut München, Landwehrstr. 64a, 80336 München, cv@umweltinstitut.org, Tel 089 30 77 49 24

Fabian Holzheid, Vorstand und Pressesprecher, Umweltinstitut München, fh@umweltinstitut.org,
Tel 089 30 77 49 19

Alexandra Caterbow, HEJSupport, alexandra.caterbow@hej-support.org, Tel 0179 5244994,
www.hej-support.org

Manuel Fernandez, BUND, Manuel.Fernandez@bund.net, Tel 030 27586-463

Antonius Michelmann, Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V. (CBG), Tel 0211 333 911

Wiebke Schröder, SumOfUs, wiebke@sumofus.org, Tel 0163 1617155

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