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Beiträge verschlagwortet als “Endosulfan”

[Ticker] STICHWORT BAYER 01 2010 Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Proteste wg. DYSTAR-Insolvenz
Den aus der BAYER-Familie verstoßenen Firmen blüht zumeist ein schweres Schicksal. AGFA, DYNEVO und TANATEX warten immer wieder mit harten Einschnitten für die Beschäftigten auf, und der Farbstoffproduzent DYSTAR musste im letzten Jahr sogar Insolvenz anmelden. Es gibt mit dem chinesischen Unternehmen HUBAI CHUYAN und dem indischen Konzern KIRI DYES zwar zwei Kauf-Interessenten, aber die Verhandlungen gestalten sich unter anderem wegen der hohen Pacht, die DYSTAR für ihre Gebäude an die BAYER-Abspaltung LANXESS zu zahlen hat, schwierig. Auf dem Internetforum des Leverkusener Anzeigers werfen LeserInnen BAYER unterlassene Hilfeleistung vor. „Ja, es ist soweit, die nächste Firma ist durch Inkompetenz und blauäugiges Denken in den Ruin getrieben worden. Und wer rührt sich nicht und bietet Hilfe an? Jawohl, unsere ehemalige Mutter, die BAYER AG“, schreibt ein „John Jay“ und bezeichnet die letzten beiden Vorstandsvorsitzenden, Manfred Schneider und Werner Wenning, als „Totengräber der BAYER-Familie“.

Proteste wg. MIRENA
Zu den unerwünschten Arznei-Effekten von BAYERs Hormonspirale MIRENA zählen unter anderem Brustkrebs, Herz/Kreislauf-Krankheiten, Bauchhöhlen-Schwangerschaften, Zysten, Zyklusstörungen und Zwischenblutungen. In den USA haben MIRENA-Opfer deshalb eine Unterschriften-Kampagne durchgeführt und eine Liste mit 1.500 Unterzeichnerinnen an die US-Gesundheitsbehörde FDA gesandt, um Maßnahmen einzufordern. Auch in der Bundesrepublik steht das Verhütungsmittel zunehmend in der Kritik. So finden sich auf der Webseite www.hormonspirale-forum.de zahlreiche Berichte über Risiken und Nebenwirkungen.

Neonicotinoid-Verbot gefordert
BAYERs zur Gruppe der Neonicotinoide gehörende Saatgutbehandlungsmittel PONCHO und GAUCHO haben bereits Millionen Bienen den Tod gebracht. Deshalb erließen viele Länder Anwendungsbeschränkungen. Dem französischen Imker-Verband „Fédération Française des Apiculteurs Professionels“ gehen diese jedoch nicht weit genug. Er fordert ein Komplett-Verbot aller Neonicotinoide.

PAN fordert Chlorpyrifos-Stopp
Pestizide sind für Neugeborene in besonderem Maße schädlich, weil ihr Abwehrsystem erst noch heranreift. Normalerweise ist dieser Prozess mit zwei Jahren abgeschlossen. Nach einer Studie der Berkeley-Universität gibt es jedoch auch Kinder, die noch im Alter von sieben Jahren nicht über eine ausreichende Menge des Entgiftungsenzyms Paraoxonase 1 verfügen. Kommen diese mit der Agrochemikalie Chlorpyrifos in Kontakt, die unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER enthalten ist, so steigt ihr Vergiftungsrisiko gegenüber den Altersgenossen mit voll entwickelter Immunabwehr um das 50-164fache. Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) fordert deshalb ein Verbot von Chlorpyrifos.

CBG: Stopp für Klasse-1-Pestizide!
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat eine neue Kampagne gestartet, um den Leverkusener Multi dazu zu veranlassen, endlich seine Zusage zu erfüllen und alle Pestizide der Gefahrenklasse 1 vom Markt zu nehmen. Bereits im Geschäftsbericht des Jahres 1995 hatte der Agro-Riese nämlich angekündigt: „Mit einem Drei-Punkte-Programm haben wir uns hinsichtlich Forschung, Entwicklung und Vertrieb der Pflanzenschutz-Produkte klare Ziele für die kommenden fünf Jahre gesetzt. So werden wir die eingesetzte Produktmenge je Anwendung noch weiter reduzieren und Produkte der WHO-Toxizitätsklasse 1 schrittweise durch Präparate mit geringerer Giftigkeit ersetzen“. Dieses Versprechen hat der Konzern nicht gehalten. Er stellte zwar die Produktion von Parathion, Monocrotophos, Oxydemeton-methyl und Endosulfan ein, vertreibt aber bis heute Thiodicarb, Disulfoton, Triazophos, Fenamiphos und Methamidophos. „Durch die Einstellung des Verkaufs aller Wirkstoffe der obersten Gefahrenklasse ließe sich die Zahl der Vergiftungen signifikant verringern“, so begründete Philipp Mimkes vom CBG-Vorstand die Forderungen.

Mahnwache gegen Kohlekraftwerk
Gegen den geplanten, aber noch nicht endgültig genehmigten Bau eines Kohlekraftwerkes auf dem Gelände des Krefelder Chemie‚parks‘ von BAYER erhebt sich entschiedener Widerstand. Die GegnerInnen des Projektes weisen nicht nur auf den Kohlendioxid-Ausstoß von jährlich ca. 4,4 Millionen Tonnen hin, sondern auch auf die Belastungen durch Feinstaub, Schwermetalle und Radioaktivität. Um dem Protest zu begegnen, hat TRIANEL als Bauherr des Kraftwerks in der Stadt ein Informationsbüro eingerichtet. Bei der Eröffnung erhielt es gleich unliebsamen Besuch. Die Initiative KEIN STEINKOHLEKRAFTWERK IN KREFELD UERDINGEN! hielt vor den Türen eine Mahnwache ab und bekam dabei prominente Unterstützung durch die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn.

AOK kritisiert Gesundheitspolitik
Die neue Bundesregierung macht Gesundheitspolitik ganz im Sinne von BAYER & Co.. So gestattet sie Big Pharma trotz gegenteiliger Ankündigungen weiterhin, die Preise für neue Pillen selber festzulegen und kündigt eine Deregulierung des Arzneimittelmarktes an (siehe SWB 4/09). Dieses Vorgehen stellt die Krankenkassen vor massive Probleme. Die AOK erwägt bereits Zusatzbeiträge und übt Kritik an CDU und FDP. „Ausgerechnet die Koalition, die mehr Wettbewerb fordert, schont Pharma-Hersteller und betreibt Klientelpolitik“, protestierte Winfried Jacobs, Chef der AOK Rheinland/Hamburg.

Wollheim-Uni macht weiter
Im Jahr 2001 ging das Frankfurter IG-FARBEN-Haus in den Besitz der „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ über. Seit dieser Zeit traten Studierende und Lehrende dafür ein, die mahnende Erinnerung an den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern wachzuhalten, indem die Hochschule den ehemaligen IG-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim ehrt. Die Leitung wehrte sich aber erfolgreich dagegen, einen Platz auf dem Gelände nach dem Mann zu benennen, der durch seinen 1951 begonnenen Musterprozess Entschädigungszahlungen für die SklavenarbeiterInnen ermöglichte. Stattdessen errichtete sie mit dem „Norbert Wollheim Memorial“ eine Gedenkstätte für ihn (siehe SWB 1/09). Im Zuge des Bildungsstreiks jedoch knüpften Studierende an die alte Idee an. Sie besetzten das Casino-Gebäude und benannten die Alma Mater symbolisch in „Norbert Wollheim Universität“ um. Die Hochschulleitung ließ das Casino räumen, aber die StudentInnen machen weiter und halten unter dem Namen „Norbert Wollheim Universität“ regelmäßig Workshops ab.

Beschwerde in Endlosschleife
1999 hatten sich BAYER und andere Multis am Rande des Davoser Weltwirtschaftsforums im „Global Compact“ dazu bekannt, soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einzuhalten. Nach Meinung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) verstieß der Leverkusener Multi mit der Beinah-Katastrophe in Institute und dem nachfolgenden Katastrophen-Management aber gegen die Regularien des an die UN angebundenen Industrie-Zusammenschlusses. Deshalb forderte die Coordination den Ausschluss. Der „Global Compact“ legte dar, dass er über keinerlei Mandat verfügt, die Einhaltung seiner Prinzipien zu kontrollieren und gegebenenfalls Sanktionen auszusprechen. Nur einen Dialog moderieren könne er. Diesen Job sollte die bundesdeutsche Dependance übernehmen. Trotz Einspruches von Seiten der CBG machte die New Yorker Direktion jetzt bereits zum zweiten Mal diesen Vorschlag - vergeblich. Die Coordination besteht weiterhin darauf, den Fall statuten-gemäß im Leitungsgremium zu verhandeln.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER ändert Vorstandsvergütung
Im Jahr 2009 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zur ManagerInnen-Vergütung, um die schlimmsten Exzesse einer an kurzfristigen Gewinnen orientierten Wirtschaft zu unterbinden. In der Folge musste auch der Leverkusener Multi ein neues System zur Honorierung seiner Vorstände einführen. Viel ändert sich jedoch nicht.
Immer noch machen die fixen Bezüge nur 30 Prozent des Gehaltes aus, der Rest ist erfolgsabhängig. Die Basis für die Berechnung dieses Erfolges bleibt der Aktien-Kurs, nur der Berechnungszeitraum ändert sich. Er umfasst eine längere Periode der Unternehmensentwicklung, weshalb BAYER sich dafür selbst das Prädikat „Nachhaltigkeit“ verleiht.

108.400 BAYER-Beschäftigte
Im Geschäftsjahr 2009 hatte der Leverkusener Multi 108.400 Belegschaftsangehörige und damit 200 weniger als 2008.

Kaum Frauen in Führungspositionen
Der Anteil von Frauen in Führungspositionen ist bei BAYER gering. Er beläuft sich auf 5,5 Prozent.

BAYER gemeindet JENAPHARM ein
Bisher haben sowohl BAYER VITAL als auch JENAPHARM das Segment „Frauengesundheit“ bei BAYER abgedeckt. Nun plant der Leverkusener Multi eine Umstrukturierung. JENAPHARM soll stärker unter das Dach von BAYER VITAL rücken und nur noch Verhütungsmittel und Präparate für Schwangere selbst vermarkten. Mit dem Umbau gehen Arbeitsplätze in den Bereichen „Marketing“, „klinische Forschung“, „Außendienst“ und „Geschäftsentwicklung“ verloren.

Arbeitsplatzvernichtung in Krefeld
BAYERs 200 Millionen schweres Konzept zur Zukunftssicherung des Standortes Krefeld sichert nicht die Zukunft aller Beschäftigten, denn es ist mit der Vernichtung von 80 Arbeitsplätzen verbunden. Zudem stehen die Investitionen unter dem Vorbehalt von Betriebsgenehmigungen für die Kohlenmonoxid-Pipeline und für das im Chemie-„Park“ geplante Kohlekraftwerk (siehe auch Ticker 4/09).

BMS: Dekkers hält sich bedeckt
Der designierte BAYER-Chef Marijn Dekkers hält sich in Sachen „Zukunft der Kunststoff-Sparte“ bedeckt. „Für Aussagen ist es viel zu früh“, sagte der Holländer der Rheinischen Post. BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) sei „sehr wettbewerbsfähig“, habe aber stärker als der Pharma-Bereich unter konjunkturellen Schwankungen zu leiden, so der Zwischenstand von Dekkers‘ Analyse.

IG BCE will Personenwahlen
Im Vorfeld der im März 2010 stattfindenden Betriebsratswahlen bei BAYER gibt es einen Konflikt zwischen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und den oppositionellen Gewerkschaftsgruppen BASIS BETRIEBSRÄTE, BELEGSCHAFTSTEAM und KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT. Die IG BCE plädiert für eine Personenwahl, bei der die alternativen Gruppen ihre Kenntlichkeit verlieren würden, was auch Sinn der Übung ist. „Wir brauchen in der Opposition keine Opposition“, meint Gesamtbetriebsratsvize Oliver Zühlke. BELEGSCHAFTSTEAM & Co. teilen diese Ansicht jedoch nicht und lehnten den IG-BCE-Vorschlag ab.

Dialogreihe mit der IG BCE
Co-Management, wie es leibt und lebt: BAYER hat gemeinsam mit dem Betriebsrat und der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE eine Dialogreihe zum Thema „Chemie ist Zukunft“ veranstaltet, um etwas für die Zukunft umstrittener Projekte wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und dem Kohlekraftwerk in Krefeld zu tun. Und es blieb nicht bei dem einen Schulterschluss. Am Ende herrschte Dreieinigkeit, denn auch eingeladene Vertreter der Landesregierung erteilten die Absolution. „Die erstaunlichen Leistungen der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen sind ein Beispiel dafür, welche Kompetenz sie bei der Lösung von Problemen besitzt“, lobte Dirk Meyer vom „Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie“ in einem Monolog-Beitrag.

LANXESS rationalisiert
Zu den aus der BAYER-Familie verstoßenen Firmen mit einem schweren Schicksal zählt auch LANXESS, ehemals Teil der Chemie-Sparte des Leverkusener Multis. Im Zuge der Wirtschaftskrise verordnet sich das Unternehmen eine Schrumpfkur. Der Konzern hat das 360 Millionen Euro schwere Einspar-Programm „Challenge 09-12“ eingeführt, das viele Arbeitsplätze kosten dürfte.

Neuer Betriebskindergarten
Der Leverkusener Multi baut in Monheim eine neue Betreuungseinrichtung für Kinder, um seine Attraktion für Spitzenkräfte zu erhöhen. „Betriebskindergärten sind ein echter Standortfaktor geworden“, meint BAYER-CROPSCIENCE-Sprecher Utz Klages. Als sie das noch nicht waren, hat der Konzern alles dafür getan, sich die Krippen möglichst wenig kosten zu lassen. So hat er 1999 die vier Leverkusener Betriebskindergärten der Trägerschaft des Roten Kreuzes übergeben (Ticker 2/99) und dadurch jährlich ca. eine halbe Million Euro gespart. Die nicht mehr nach Chemie-Tarif bezahlten PädagogInnen mussten hingegen Einkommensverluste von bis zu 1.250 Euro monatlich hinnehmen.

Schneider mächtigster Aufsichtsrat
Der ehemalige BAYER-Boss Manfred Schneider ist mit Aufsichtsratschefsesseln beim Leverkusener Multi, bei RWE und LINDE sowie mit einfachen Mandaten bei DAIMLER und TUI der mächtigste bundesdeutsche Konzern-Kontrolleur. Sein Salär von 998.910 Euro kommt dem eines vollbeschäftigten Top-Managers dann auch ziemlich nahe, wie die „Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz“ konstatierte.

Wenning muss draußen bleiben
Bisher wechselten nicht nur bei BAYER scheidende Vorstandsvorsitzende routinemäßig in den Chefsessel des Aufsichtsrats. Diesen Altersruhesitz kann Werner Wenning jedoch nicht mehr beziehen - das im letzten Jahr verabschiedete Gesetz zur ManagerInnen-Vergütung macht‘s unmöglich. Wenning ist darüber sehr ungehalten, dass die Große Koalition Insider nicht mehr mit Kontrollaufgaben betrauen mochte und grollte in einem Interview: „Wieso sollte es schaden, wenn man etwas vom Geschäft versteht?“.

Beistandskassen-Versammlung unrechtmäßig
Die BAYER-Beistandskasse hatte 2007 Einschnitte beim Sterbegeld, das durchschnittlich ca. 6.000 Euro beträgt, vorgenommen (Ticker 3/08). Die Abschläge können bis zu 2.000 Euro - also ein Drittel der Summe - betragen. Die Mitgliederversammlung fällte diese Entscheidung faktisch ohne die Mitglieder, denn der Vorstand setzte diese nicht über den brisanten Tagesordnungspunkt in Kenntnis. So nahmen nur 26 Personen an der einstündigen Sitzung teil, die für die rund 90.000 Versicherten den Gewinnzuschlag in Höhe von 25 Prozent strich. Deshalb fochten einige Kassen-Angehörige den Beschluss an. Im Februar 2010 bekamen sie nun endgültig Recht zugesprochen. Weil die Beistandskasse nicht ordnungsgemäß zu der Versammlung eingeladen hatte, erklärte das Landgericht Köln die Beschlüsse von damals für ungültig. Jetzt prüft die Sterbekasse, ob sie die Mitglieder wieder über die Kürzungen abstimmen lassen muss.

Sieg für DYSTAR-Beschäftigten
21 DYSTAR-Beschäftigte hatten im letzten Jahr per Aufhebungsvertrag eingewilligt, gegen Zahlung einer Abfindung in eine Transfergesellschaft zu wechseln. Dann meldete die ehemalige BAYER-Tochter (siehe auch AKTION & KRITIK) Insolvenz an. Während ihre Ex-KollegInnen wenigstens noch Konkurs-Ausfallgeld erhielten, gingen die 21 komplett leer aus. Einer von ihnen klagte dagegen und bekam vom Opladener Arbeitsgericht auch Recht zugesprochen.

ERSTE & DRITTE WELT

Indien als Arzneitest-Ressource
„Auch als Ressource wird Indien für die Pharma-Sparte interessant: Sie lässt dort bereits sechs neue Medikamente testen“, vermeldete die Financial Times Deutschland einmal über BAYERs Engagement in dem Staat. Ein Entwicklungsland als Ressource, das charakterisiert die gängige Praxis bei den Arznei-Prüfungen ganz gut. BAYER & Co. haben in den westlichen Staaten nämlich zunehmend Schwierigkeiten, noch genügend risiko-bereite ProbandInnen für ihre Neuschöpfungen zu finden und profitieren in vielfacher Hinsicht vom Outsourcing. Sie gelangen leichter und für viel weniger Geld an Versuchspersonen, die dann auch noch weniger Fragen stellen, weil sie oftmals die Verträge gar nicht lesen können und einfach ihren ÄrztInnen vertrauen. Zudem gibt es nicht so strenge Vorschriften für die Durchführung der Erprobungen wie beispielsweise in der Bundesrepublik. „Als Indiens Vorteil“ stellt das die in Mumbai ansässige IGATE CLINICAL RESEARCH INTERNATIONAL heraus, die Tests aller Art anbietet. Also insgesamt glänzende Aussichten für BAYER.

EU betreibt Patent-Politik
Seit die Verhandlungsrunden der Welthandelsorganisation WTO zur weiteren Liberalisierung des Welthandels gescheitert sind, betreibt die EU eine eigene Marktöffnungspolitik im Dienste von BAYER & Co. Beim Thema „Patente“ geht sie dabei sogar noch über das berühmt-berüchtigte TRIPS-Abkommen der WTO hinaus. Wie zuvor schon in den Verhandlungen mit Kolumbien (Ticker 2/09) drängt die Europäische Union auch bei den Gesprächen mit Indien auf eine Verlängerung der Patentlaufzeiten für Medikamente von 20 auf 25 Jahre. Zudem will sie die Daten von Arzneitests unter Verschluss halten. Mit all dem unterstützt die EU das Ansinnen von Big Pharma, Indiens Pillen-Industrie zu schwächen, deren preiswerte Nachahmer-Medikamente dem Land den Ruf einer „Apotheke der Dritten Welt“ eingebracht haben. Der Leverkusener Multi hatte im letzten Jahr sogar einen Prozess gegen den Hersteller CIPLA und die Genehmigungsbehörde geführt, um die Zulassung einer Generika-Version seines Krebsmittels NEXAVAR zu verhindern, was allerdings scheiterte (SWB 3/09).

BAYER spendet LAMPIT
BAYER stellt der Weltgesundheitsorganisation WHO 400.000 LAMPIT-Tabletten zur Verfügung, die in Kombination mit Eflornithin-Präparaten zur Behandlung der Schlafkrankheit zum Einsatz kommen. „Im Rahmen seines sozialen Engagements will BAYER einen weiteren wichtigen Beitrag im Kampf gegen Tropenkrankheiten leisten“, mit diesen Worten begründet der Konzern die Reaktivierung seines Medikamentes, dessen Produktion er 1997 schon eingestellt hatte, weil die besonders in Südamerika verbreitete Infektionskrankheit Chagas als Anwendungsgebiet nicht mehr genug Profit versprach. Das Handelsblatt spricht bei solchen milden Gaben mit Blick auf den Image-Gewinn allerdings von „wohl kalkulierter Großzügigkeit“, und für Hilfsorganisationen wie ÄRZTE OHNE GRENZEN können sie dringend notwendige strukturelle Reformen wie eine Verbilligung der Arzneien für Länder der „Dritten Welt“ nicht ersetzen.

KONZERN & VERGANGENHEIT

BAYER 04 als Wende-Profiteur
BAYERs Werksfußball-Club hatte die DDR bereits in den 80er Jahren als Spieler-Reservoir entdeckt. Wie aus Stasi-Unterlagen hervorgeht, beobachtete er mit Hilfe des in die Bundesrepublik geflohenen Trainers Jörg Berger DDR-Kicker bei Auswärtsspielen und verleitete geeignete Kandidaten wie Falko Götz oder Dirk Schlegel zur Republikflucht (Ticker 3/00). Und im Herbst 1989 angelte sich der Verein postwendend Heiko Scholz, Andreas Thom und Ulf Kirsten. BAYER Leverkusen hätte auch gerne Matthias Sammer verpflichtet, aber da war der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl vor. Er fürchtete, die rücksichtslos betriebene Schnäppchenjagd könnte dem Image des Multis - und der Wende - schaden. Deshalb meldete er Bedenken an, und Manager Reiner Calmund verzichtete auf weitere Zukäufe aus Ost-Beständen.

POLITIK & EINFLUSS

Standort-Verlegung leicht gemacht
Das bundesdeutsche Unternehmenssteuerrecht begünstigte lange die Verlegung von Standorten ins Ausland. So konnten BAYER & Co. die Kosten für so genannte Funktionsverlagerungen hierzulande von der Steuer absetzen und zudem noch von den günstigeren Produktionsbedingungen in den fernen Ländern profitieren. Die Große Koalition hat diese paradiesischen Zustände allerdings etwas unparadiesischer gestaltet und auf die Extra-Profite fiskalisch zugegriffen. „Damit fließen auch ausländische Standortvorteile, etwa geringere Lohnkosten jenseits der Grenzen, in die Bewertung des Gewinnpotenzials ein, die dann letztendlich zu einer Besteuerung dieser ausländischen Standortvorteile hierzulande führen“, echauffierte sich der Steuerexperte Axel Eigelshoven von der Unternehmensberatung DELOITTE, derweil BAYER, DAIMLER, BOSCH und andere Unternehmen einen Protestbrief an den damaligen Finanzminister Peer Steinbrück schrieben. Die neue CDU/FDP-Regierung hat die Signale erhört und bereitet nun ein Gesetz vor, das alles wieder auf Anfang gestellt, wie bereits im Koalitionsvertrag angekündigt.

Strippenzieher BAYER
„Keiner zieht mehr Strippen in der Republik als die alte BAYER-Crew“, stellt die Zeit fest. „Ob Gerhard Schröder zur Rotweinrunde ins Kanzleramt lud oder Nachfolgerin Angela Merkel dort mit Managern diskutiert - der amtierende BAYER-Chef Werner Wenning war und ist immer dabei. Und sein Vorgänger Manfred Schneider wurde in den vergangenen Jahren mehrfach zum mächtigsten deutschen Aufsichtsrat gekürt“ schreibt das Wochenblatt in einem Artikel über den neuen Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers.

Chinas Vize Xi Jinping bei BAYER
Im letzten Jahr war China das Gastland der Frankfurter Buchmesse. Bevor Chinas stellvertretender Staatspräsident Xi Jinping zu dieser Veranstaltung anreiste, machte er einen Zwischenstopp in Berlin, um das Pharma-Werk des Leverkusener Multis zu besuchen. BAYER-SCHERING-Chef Andreas Fibig gratulierte artig zum 60. Jahrestag der Volksrepublik und schwadronierte über die großen Herausforderungen, vor denen das Land stehe: Klima- und Umweltschutz, nachhaltige Entwicklung und Gesundheitsversorgung. Für all dies bietet sich der Konzern nämlich als Problemlöser an. Mit dem Slogan „BAYER Solutions for China‘s Needs“ macht das Unternehmen im Reich der Mitte Reklame, und im Bereich „Gesundheit“ hat dies schon gefruchtet. Dort nimmt der Pillen-Riese mit einem Jahres-Umsatz von 1,89 Milliarden Euro die Spitzenposition ein.

Wenning VCI-Vize
Im Herbst 2009 wählte die Mitgliederversammlung des „Verbandes der Chemischen Industrie“ BAYER-Chef Werner Wenning gemeinsam mit Jürgen Hambrecht (BASF) erneut zum Vize-Präsidenten.

Wenning erhält NRW-Innovationspreis
Das Land Nordrhein-Westfalen unterhält beste Beziehungen zum Leverkusener Multi. Es schmiedete mit ihm und anderen Unternehmen einen Pakt, um der angeblich wachstumshemmenden Distanz zwischen Wirtschaft und Politik entgegenzuarbeiten (Ticker 4/09), und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers schaut auch gerne mal persönlich beim Konzern vorbei. Damit nicht genug, ergießt sich über das Unternehmen nun auch noch eine Flut von Ehrungen. So verlieh das Bundesland dem BAYER-Wissenschaftler Friedrich-Karl Bruder für die Entwicklung eines per Holographie beschreibbaren Kunststoff-Films den „Innovationspreis 2009“ und überreichte dem BAYER-Chef Werner Wenning einen ebensolchen für sein Lebenswerk. „Kein anderes Unternehmen in Nordrhein-Westfalen investiert so viel in seine Innovationsfähigkeit“, schwärmte „Innovationsminister“ Andreas Pinkwart (FDP) in seiner Laudatio und wurde dann persönlich: „Werner Wenning ist stets mehr Sein als Schein. Äußerlich bescheiden, im Unternehmen hohe Ansprüche setzend, hat er BAYER nach schwierigen Zeiten in seinem Kernbestand nicht nur gerettet, sondern dem Unternehmen auch neue Perspektiven in einer globalen Ökonomie erschlossen“. Da versteht es sich von selbst, dass Pinkwart dem großen Vorsitzenden seine Mithilfe bei dem Unterfangen zusicherte, einen Teil von BAYERs Forschungsausgaben von der Steuer absetzen zu können.

Wenning gegen Regulierungen
Auch BAYER nutzt die umstrittenen Instrumente, die der Finanzmarkt so bietet. So hat der Konzern Geld in Derivaten angelegt, die eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber sind. Der Leverkusener Multi weist dabei das Motiv „Spekulation“ weit von sich. „Derivate Finanzinstrumente werden dabei fast ausschließlich zur Absicherung von gebuchten und geplanten Transaktion abgeschlossen“, heißt es im Geschäftsbericht. Aber die Interessen der SpekulantInnen sind auch die Interessen BAYERs. So hat sich der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning dagegen ausgesprochen, diesen Markt strenger zu regulieren. „Ich hoffe sehr, dass die EU die Lösung nicht allein in standardisierten Produkten sieht“, sagte er in einem Interview mit der Börsen-Zeitung. Auch gegen die Anforderung, bestimmte Derivate künftig mit Eigenkapital zu unterlegen, wendete er sich, weil sich dieses ungünstig auf das Investitionsvolumen der Unternehmen auswirken könnte.

USA: Klima-Politik nach BAYER-Gusto
Barack Obama trat mit einer ehrgeizigen Klima-Politik an. So wollte er die US-amerikanischen Kohlendioxid-Emissionen gegenüber 2005 um 17 Prozent reduzieren und einen den Ausstoß senkenden Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten einführen. Aber BAYER & Co. liefen Sturm gegen die angeblich gerade in Krisenzeiten kontraproduktive „Klima-Steuer“ und setzten sich durch. In einem neuen Senatsentwurf gibt es für Industriebetriebe keine Kohlendioxid-Obergrenzen mehr und auch der Emissionshandel taucht in dem Dokument nicht mehr auf.

Zoll als Patentschützer
BAYER & Co. spannen den Zoll ein, um missliebigen Produzenten von Nachahmer-Präparaten das Leben schwer zu machen. So haben GrenzbeamtInnen wegen angeblicher Patentverletzungen unlängst sogar eine Lieferung indischer Generika beschlagnahmt, die gar nicht für den europäischen, sondern für den südamerikanischen Markt bestimmt war. Die Entwicklungshilfe-Organisation OXFAM kritisierte das Vorgehen, weil es die Versorgung armer Menschen mit lebensnotwendigen Arzneien gefährdet und obendrein gegen WTO-Recht verstößt. Aber die Europäische Union will seine ZöllnerInnen künftig noch stärker in die Konzern-Pflicht nehmen. Ihr Richtlinien-Vorschlag zur Bekämpfung von Medikamentenfälschungen ist so breit angelegt, dass auch ganz legalen Einfuhren von preisgünstigen Pillen Schwierigkeiten drohen.

Uhlenberg lobt BAYERs Gewässerschutz
Im Februar 2010 hat BAYER im Wuppertaler Werk eine Pilotanlage zur Klärung von Abwässern in Betrieb genommen, die nach dem Ozonolyse-Verfahren arbeitet und durch die Einwirkung von Ozon doppelte Kohlenstoff-Verbindungen knacken kann. Diese Investition war bitter nötig, denn der Leverkusener Multi leitete 2008 68,4 Millionen Kubikmeter Abwässer in die Flüsse. Der nordrhein-westfälische Umweltminister Eckhart Uhlenberg verkaufte die Maßnahme allerdings als umweltpolitische Großtat und Bestätigung der Politik der Landesregierung, den Schulterschluss mit den Konzernen im „Dialog Wirtschaft und Umwelt“ zu suchen.

Kirche kooperiert mit Konzernen
Die „Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung“ (GKKE) hat mit dem von BAYER gegründeten „Verband der Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) ein Papier zur „Gesundheit in Entwicklungsländern“ veröffentlicht. Das Dokument segnet dabei devot das ab, was sich die Pharma-Multis so unter Entwicklungspolitik vorstellen. Förderprogramme sollen die armen Staaten in die Lage versetzen, Big Pharma Lizenzen zur Produktion von Nachahmer-Arzneien abzukaufen, wo es eigentlich gälte, die Patentgesetze aufzuheben. Und die von BAYER & Co. sträflich vernachlässigte Tropenmedizin braucht dem Dokument zufolge ebenfalls öffentliche Gelder für ihr Comeback: Die Konzerne hätten gerne im Vorhinein Abnahme-Garantien für ihre Pillen. Bei Marktversagen den Staat fragen - mit dieser „Lehre“ aus der Finanzkrise möchte die K. u. K.-Koalition auch gerne die „Dritte Welt“ kurieren.

Bürokratie-Kosten im Promille-Bereich
BAYER & Co. klagen immer wieder über die hohen Kosten, die ihnen durch Informationspflichten gegenüber Brüssel und Berlin entstehen. Dabei sind diese verschwindend gering. Bei der europäischen Chemie-Industrie liegen die Ausgaben, gemessen an der Brutto-Wertschöpfung von 46,4 Milliarden Euro im Jahr, mit 40 Millionen im Promille-Bereich. In Wirklichkeit geht es den Multis bei der Chemikalien-Verordnung und anderen Richtlinien denn auch gar nicht ums Geld, obwohl sich die Konzerne über die Ankündigung der Bundesrepublik freuen dürften, die Aufwändungen der Unternehmen für Auskünfte um 25 Prozent zu senken. Sie wollen sich bei der Produktion ihrer gefährlichen Güter nur möglichst wenig über die Schulter gucken lassen.

BAYER Gläubiger von Griechenland
Das überschuldete Griechenland kann die Arznei-Rechnungen seiner Krankenhäuser nicht begleichen. Der Europäische Pharma-Verband EFPIA, dessen Vorsitz derzeit BAYERs Pillen-Chef Arthur Higgins inne hat, schaltete deshalb die Europäische Kommission ein und führte Gespräche mit der griechischen Regierung. Diese zeigte sich offenbar reumütig. „BAYER begrüßt die jüngsten Äußerungen der neuen Regierung in Griechenland, eine konstruktive Lösung für die inakzeptablen Außenstände der Krankenhäuser zu finden“, meldete jedenfalls das Handelsblatt.

BAYERs Sozialarbeit
Bei der Auftaktveranstaltung der nordrhein-westfälischen Landesregierung zum „Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“ konnte der Leverkusener Multi sich wieder einmal als Sozialarbeiter in Szene setzen. An der abschließenden Podiumsdiskussion zum Thema „Kinderarmut“ nahm nämlich Oliver Aue von BAYERs „BEPANTHEN-Kinderförderung“ teil. Die anderen DiskutantInnen konnten allerdings auch nicht mehr Kompetenzen nachweisen. Neben Aue saßen unter anderem noch Bernd Siggelkow von dem - zufällig von der „BEPANTHEN-Kinderförderung“ gesponsorten - evangelikalen Kinderhilfswerk „Arche“ und Christoph Biermann von der Sendung mit der Maus. Mit Politik hat Armut offenbar nichts mehr zu tun.

PROPAGANDA & MEDIEN

Die etwas andere Klima-Bilanz
Nach den Worten von BAYERs oberstem Öffentlichkeitsarbeiter Michael Schade „wird Nachhaltigkeit zunehmend zu einem Wettbewerbsfaktor“. Wegen der gestiegenen Nachfrage besonders von Seiten der Investmentfonds haben die Konzerne eine neue Methode ausgeheckt, um ihre negative Klimabilanz etwas aufzuhübschen. Sie stellen dem Negativposten „Kohlendioxid-Emissionen“ einfach gegenüber, was die so klimaschädlich hergestellten Produkte angeblich so alles tun, um die Erderwärmung aufzuhalten. Bei der Studie, welche die „Klima-ExpertInnen“ von der Unternehmensberatung MCKINSEY für den internationalen Chemie-Verband ICCA durchgeführt haben, kommt da so einiges zusammen. Den Energie-Verbrauch senkende Dämmstoffe, Niedrigtemperatur-Waschmittel und Leuchtmittel sowie den Flächenverbrauch einschränkende Hochleistungspestizide präsentieren sie in ihrer Gegenrechnung. Und siehe da: Unterm Strich steht die Chemie-Industrie mit 5,2 Milliarden Tonnen CO2 im Plus. Die Ratingagentur OEKOM, welche die Aussagen der Konzerne zu ihren Umweltschutz-Maßnahmen genauer prüft, hält dieses Verfahren nicht für legitim. Besonders die Bilanztricks von BAYER und BASF fielen OEKOM auf. So kritisierte der Analyst Oliver Rüdel, dass die beiden Unternehmen „die Lösungen, die die chemischen Produkte potenziell zum Schutz des Klimas leisten, stärker kommunizieren als den eigenen negativen Beitrag“. Etwas anderes kommunizieren die Global Player ebenfalls recht stark: ihre Rolle als CO2-Verbraucher. BAYER etwa verweist auf Kohlendioxid als ASPIRIN-Rohstoff und schmückt sich mit weiteren CO2-Forschungen etwa im Dämmstoff-Bereich. Seinen Kohlendioxid-Ausstoß, der 2008 7,57 Millionen Tonnen betrug, dürfte der Leverkusener Multi auf diese Weise jedoch nicht so leicht reduzieren. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“.

Auszeichnung für Klima-Bericht
Das von 475 Finanzinvestoren getragene „Carbon Disclosure Project“ (CDP) lässt die nicht gerade als Klima-ExpertInnen geltenden WirtschaftsprüferInnen von PRICEWATERHOUSE COOPERS eine Bewertung der Konzernberichte über Kohlendioxid-Emissionen vornehmen und verlieh BAYER im letzten Jahr eine Auszeichnung als auskunftsfreudigstes Unternehmen. Was der Leverkusener Multi da an Daten übermittelte, war allerdings alles andere als glanzvoll. So stößt er jährlich 7,57 Millionen Tonnen CO2 aus. Deshalb plant die CDP für die Zukunft auch eine Bewertung der Klima-Realpolitik, was die zukünftigen Chancen des Pharma-Riesen schmälern dürfte. Einstweilen geraten diese beiden Dinge bei den Medien aber noch gerne durcheinander. Das Umweltmag@zin beispielsweise schrieb BAYER die Ehre zu, „die Auszeichnung als weltweit bestes Unternehmen im Klimaschutz“ erhalten zu haben.

Plischke verleiht Umweltpreis
Aller Umwelt-Sündenfälle des Leverkusener Multis zum Trotz gehört Forschungsvorstand Wolfgang Plischke der Jury des „Deutschen Umweltpreises“ an.

Manuel Andrack wandert für BAYER
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen, obwohl Bluthochdruck, Ödeme, Herzkrankheiten, Blutverdickung, Leberschäden und Wachstum der Prostata zu den Nebenwirkungen zählen. Dabei hilft dem Pharma-Riesen jetzt auch der durch die Harald-Schmidt-Show bekannt gewordene nunmehrige Wandervogel Manuel Andrack. Er hält seinen Kopf für BAYERs Werbe-Broschüre „Wandern für die Männergesundheit“ hin und gibt der Zielgruppe zudem Strecken-Tipps.

Zukunftspreis für XARELTO
Bundespräsident Horst Köhler hat BAYER für die Entwicklung des Medikamentes XARELTO den „Deutschen Zukunftspreis“ verliehen. „Sie haben ein neuartiges Medikament entwickelt, das sich durch einen effizienten Wirkmechanismus auszeichnet und das von den Patienten in Tablettenform eingenommen werden kann“, lobte Köhler. Der Rest der Welt ist hingegen von dem bisher nur zur Verhinderung von Blutgerinnseln bei schweren Knie- und Hüft-OPs zugelassenen Gerinnungshemmer nicht überzeugt, für den der Leverkusener Multis auch das - weit größere - Anwendungsgebiet „Thrombosen“ anvisiert. So hat sich die Zulassung in den USA verzögert. Die Gesundheitsbehörde FDA forderte vom Leverkusener Multi wegen des erhöhten Risikos von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie ungeklärter Langzeitwirkung erst noch einmal weitere Unterlagen an (Ticker 3/09).

QLAIRA- die grüne Pille?
Nicht genug damit, dass der Leverkusener Multi auch sein neuestes Verhütungsmittel QLAIRA (Wirkstoffe Estradiol und Dienogest) wieder als Lifestyle-Präparat bewirbt, das angeblich Gewichtszunahmen verhindert. Er setzt zudem auf die ökologische Karte und preist die Pille als Teil eines „grünen Lebenswegs“ an, weil es sich bei einem der Inhaltsstoffe angeblich um ein „natürliches Östrogen“ handelt. Als reinen „Marketing-Gag“ tat das das pharma-kritische arznei-telegramm ab. Über die Risiken und Nebenwirkungen von QLAIRA wie Thrombosen, die bei dem Kontrazeptivum YASMIN bereits zu Todesfällen geführt haben (SWB 3/09), weiß der Pharma-Riese hingegen nichts. Das könnte „nur in großen epidemiologischen Studien geklärt werden“, heißt es in einer Fach-Information.

850 Millionen für Pillen-Werbung
BAYER gibt jährlich 850 Millionen Dollar für Pillen-Werbung aus.

Immer mehr SchülerInnen-Labore
Im Februar 2010 hat der Leverkusener Multi in Anwesenheit des Ministerialdirektors Reinhard Aldejohann vom nordrhein-westfälischen Bildungsministerium sein viertes SchülerInnen-Labor in Betrieb genommen. „Wir wollen jungen Menschen die Faszination Naturwissenschaften frühzeitig näher bringen“, erklärt BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke den Sinn der Übung. Weniger Faszinierendes wie etwa die Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnologie wird daher kaum auf dem Lehrplan stehen.

500.000 Euro für Schulen
Um die Lust an Naturwissenschaften im Allgemeinen und die von BAYER betriebenen im Besonderen zu wecken, fördert der Leverkusener Multi den Unterricht in diesen Fächern steuersparend über seine Stiftung „BAYER SCIENCE & EDUCATION“. Diese schüttet jährlich ca. 500.000 Euro an Bildungseinrichtungen im Umkreis der Standorte aus. 84 Schulen in 43 Städten bekamen seit 2007 Geld vom Konzern. Im Jahr 2009 gingen Schecks unter anderem an das Otto-Hahn-Gymnasium in Bergisch-Gladbach, die Hauptschule St. Nikolaus in Kalkar, die Tannenberg-Grundschule in Seeheim, die Albert-Schweitzer-Realschule in Krefeld und das Lise-Meitner-Gynasium in Leverkusen.

BAYER im Web 2.0
Seit geraumer Zeit hat der Leverkusener Multi das Web 2.0 entdeckt. Er twittert, ist bei Facebook aktiv und betreibt einen Kanal auf YouTube. Auf allzuviel Resonanz stieß das bisher allerdings nicht. Während ADIDAS, DEUTSCHE TELEKOM und BMW im Web 2.0 ein Millionen-Publikum erreichen, dümpeln die „sozialen Kontakte“ BAYERs einer Untersuchung der Agentur VIEWPARTNER zufolge bei knapp über 8.000 herum.

TIERE & ARZNEIEN

BAYER Nr. 1 bei Tier-Arzneien
Der Leverkusener Multi ist in der Bundesrepublik mit einem Umsatz von 963 Millionen Euro Branchenführer bei Veterinär-Produkten. Und das Geschäft boomt: Da immer mehr Menschen auf den Fleisch-Geschmack kommen, nimmt die Massentierhaltung zu - und damit steigt auch der Arznei-Bedarf. Der Tiergesundheitsmarkt verzeichnete 2008 weltweit ein Wachstum von sieben Prozent, während der Humanmedizin-Markt nur um 1,9 Prozent zulegte.

Nebenwirkungen bei PROFENDER
Seit dem Jahr 2008 bietet BAYER das Entwurmungsmittel PROFENDER nicht mehr nur für Katzen, sondern auch für Hunde an. Die Anwendung erfordert jedoch viel Sorgfalt. So dürfen die HundehalterInnen ihren Tieren das Präparat nicht gemeinsam mit den Mahlzeiten verabreichen, weil sonst die doppelte Menge des Wirkstoffes Emodepsid ins Blut übergeht. Der Leverkusener Multi weist nur im Kleingedruckten des Beipackzettels auf diese Gefahr hin, weshalb es häufig zu Überdosierungen kommt. Die Vierbeiner beginnen zu zittern, leiden unter Krampfanfällen und können ihre Bewegungen nicht mehr kontrollieren.

DRUGS & PILLS

Pharma-Sparte wird wichtiger
BAYERs Pharma-Sparte, die ihr Geschäftsvolumen in den ersten neun Monaten des Jahres 2009 um 4,9 Prozent ausweiten konnte, trägt zum Gesamtumsatz des Konzerns mehr als 50 Prozent bei und zum Gewinn vor Steuern sogar 80 Prozent. Diese Entwicklung lässt für die Zukunft der Kunststoff-Abteilung nichts Gutes erahnen.

MIRENA gegen Blutungen
Der Leverkusener Multi preist seine Kontrazeptiva gerne auch als Mittel zur Behandlung von Gesundheitsstörungen an. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat ihm dazu jetzt noch mehr Möglichkeiten eingeräumt. Sie ließ die Hormonspirale MIRENA (Wirkstoff: Levonorgestrel) 2009 als Präparat zur Eindämmung starker Monatsblutungen zu, obwohl der Katalog der Risiken und Nebenwirkungen es in sich hat. Zu den unerwünschten Arznei-Effekten des Pessars zählen nämlich unter anderem Brustkrebs, Herz/Kreislauf-Krankheiten, Bauchhöhlen-Schwangerschaften, Zysten, Zyklusstörungen und Zwischenblutungen.

ASPIRIN beugt Herzinfarkten nicht vor
Eine neue schottische Studie untersuchte die Herzinfarkt-vorbeugende Wirkung von ASPIRIN. Die Hälfte der 3.350 ProbantInnen mit einem erhöhten Risiko erhielt BAYERs „Tausendsassa“, die andere Hälfte ein Placebo. Nach acht Jahren werteten die WissenschaftlerInnen die Daten aus. Das im Journal of the American Heart Association publizierte Ergebnis war negativ: Aus der ASPIRIN-Gruppe erlitten 181 TeilnehmerInnen einen Herzinfarkt und aus der Placebo-Gruppe 176.

ASPIRIN schwächt die Immun-Abwehr
Nach einer neuen, im Fachblatt Journal of Immunology veröffentlichten Studie blockieren ASPIRIN und andere Schmerzmittel ein für die Immun-Abwehr wichtiges Enzym. Das senkt auch die Erfolgsaussichten von Grippeschutz-Impfungen, weshalb die ForscherInnen dazu raten, die Mittel unmittelbar davor und danach abzusetzen.

ASPIRIN verschlimmert Schweinegrippe
Nach Forschungen der Medizinerin Dr. Karen M. Starko hat ASPIRIN 1918 die katastrophalen Effekte der Spanischen Grippe, der über 50 Millionen Menschen zum Opfer fielen, eher verstärkt als vermindert und bei nicht wenigen PatientInnen zu totalem Organ-Versagen geführt. Auch bei der Schweinegrippe haben fiebersenkende Mittel wie die BAYER-Präparate ALEVE und ASPIRIN eine unheilvolle Rolle gespielt, weil sie die Immunabwehr schwächen (s. o.). Die Wissenschaftlerin R. Hama empfahl deshalb im British Medical Journal: „Nach heutiger Forschungslage sollten Grippe-PatientInnen keine Fiebersenker erhalten“. Die japanische Regierung reagierte bereits im Jahr 2000 und untersagte die Verwendung von ASPIRIN, IBUPROFEN & Co. bei grippe-kranken Kindern. Folge-Leiden wie - nicht selten tödliche - Enzephalopathien (Hirn-Erkrankungen) traten danach deutlich weniger häufig auf.

Rezeptpflicht für ASPIRIN
ASPIRIN und andere Schmerzmittel haben zahlreiche Nebenwirkungen wie vermehrter Kopfschmerz, Schleimhaut-Reizungen, Magengeschwüre und Magenbluten, die nicht selten tödlich verlaufen. Nach einer 1999 veröffentlichten Studie der „Boston University School of Medicine“ sterben nach der Einnahme von ASPIRIN & Co. jährlich 16.500 US-BürgerInnen an Blutungen im Magenbereich. Wegen dieses Risiko-Profils hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ jetzt empfohlen, es anderen EU-Ländern gleichzutun und eine Verschreibungspflicht für Großpackungen von Präparaten mit dem Wirkstoft Acetylsalicylsäure einzuführen. Eine entsprechende Regelung für die Substanz Paracetamol ist bereits in Kraft. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN begrüßt diese Entscheidung, fordert in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler jedoch eine Ausweitung der Vorschrift auf alle Darreichungsformen und zudem ein Werbeverbot. Der Leverkusener Multi versucht hingegen, das Schlimmste zu verhindern. „Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Begrenzung, aber wir haben etwas gegen die Stigmatisierung einer ganzen Arzneistoffklasse“, lässt der Konzern wissen und mobilisiert ApothekerInnen und Kundinnen, um künftig auch noch 60er-Packungen ohne Rezept verkaufen zu können.

Zu wenig Antibiotika
Allein in der Europäischen Union sterben jährlich 25.000 Menschen an Krankheiten, weil deren Erreger gegen die herkömmlichen Antibiotika immun geworden sind. Deshalb zählt die Weltgesundheitsorganisation WHO die Antibiotika-Resistenzen zu den größten Gefahren für die öffentliche Gesundheit. Trotzdem entwickeln BAYER & Co. kaum Alternativ-Wirkstoffe. Da MedizinerInnen neue Mittel für besonders schwierige Fälle zurückzuhalten haben und die Präparate ohnehin bloß für ein paar Tage verschreiben, lässt sich nach Meinung der Konzerne zu wenig Geld mit dieser Medikamentengruppe verdienen (siehe auch Ticker 4/09). Um die Misere zu beheben, wollen die USA und die EU Big Pharma nun mit finanziellen Anreizen in die Forschungslabore locken.

Kein neues KOGENATE
Das gentechnisch hergestellte Bluterpräparat KOGENATE ist eines der umsatzstärksten Pharma-Produkte BAYERs. Deshalb wollte der Leverkusener Multi auch schon einmal für die Zeit vorsorgen, da er es nicht mehr so hochpreisig vermarkten kann, weil der Patentschutz abläuft. Also begann der Konzern 2006, eine länger wirksame Version zu testen, die eine Woche vorhält. Diese erwies sich jedoch als nicht so effektiv wie das Original, weshalb das Unternehmen die klinische Erprobung abbrechen musste. Bereits kurz nach Bekanntgabe der Nachricht sank der Aktienkurs um zwei Prozent.

BAYER stockt Werbeetat auf
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat im letzten Jahr seinen Werbeetat um fast 25 Prozent aufgestockt. 41,8 Millionen Euro gibt die Sparte nun für Reklame in bundesdeutschen Medien aus, mehr investiert nur noch der KLOSTERFRAU-Konzern.

Kein Geld mehr für Blutprodukte-Opfer
Weltweit infizierten sich in den 80er Jahren Tausende Bluter durch HIV-verseuchte Blutprodukte von BAYER & Co. mit dem AIDS-Erreger. Sie wurden Opfer der Profitgier der Konzerne, denn diese hatten sich aus Kostengründen lange Zeit geweigert, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Krankheitskeime vorzunehmen. Während sich die Unternehmen deshalb in vielen Ländern mit Klagen konfrontiert sahen (siehe RECHT & UNBILLIG), hatten sie in der Bundesrepublik keine juristische Konsequenzen zu befürchten. Sie mussten sich lediglich gemeinsam mit Bund, Ländern und dem Roten Kreuz an einer Stiftung zur finanziellen Unterstützung von AIDS-kranken Blutern beteiligen. Das Vermögen der Einrichtung ist jetzt aufgebraucht, und sie benötigt 70 Millionen Euro zur Fortsetzung ihrer Arbeit. Aber während die anderen Träger erneut beträchtliche Summen zugesichert haben, wollen BAYER & Co. lediglich zwei Millionen Euro jährlich bereitstellen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte gegen dieses Verhalten. „Als Hauptverantwortlicher des Skandals um HIV-verseuchte Blutprodukte darf sich die Firma BAYER nicht aus der Verantwortung stehlen! Den Opfern muss ein würdiges Leben ermöglicht werden. Die Kosten hierfür muss der Verursacher tragen, nicht die Allgemeinheit“, heißt es in der Presseerklärung der CBG.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Clothianidin-Versuch abgebrochen
Im Jahr 2008 hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Allerdings drängt der Leverkusener Multi auf eine Wiederzulassung und meinte auch, dafür im baden-württembergischen Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) einen Verbündeten gefunden zu haben. Dessen Ministerium kündigte nämlich einen Großversuch mit einem technisch leicht veränderten Clothianidin-Beizmittel an, um dessen nunmehrige Ungefährlichkeit zu demonstrieren. ImkerInnen protestierten allerdings gegen das Vorhaben, über das die Landesregierung sie nicht informiert hatte. „Es macht keinen Sinn, wenn sich nicht alle ergebnis-offen an einen Tisch setzen“, so die BienenzüchterInnen. Hauk bließ das Projekt daraufhin vorerst ab.

Aus für MOVENTO und ULTOR
In den USA ist seit Mitte Januar 2010 der Verkauf des Pestizid-Wirkstoffes Spirotetramat, der in den BAYER-Mitteln MOVENTO und ULTOR enthalten ist, gerichtlich verboten. Die RichterInnen gaben damit dem Umweltverband NATURAL RESOURCES DEFENSE COUNCIL (NRDC) Recht, der eine Klage eingereicht hatte, weil die Risiken für Bienen bei der Genehmigung des in der Bundesrepubik bislang nicht zugelassenen Wirkstoffs nicht berücksichtigt worden waren (siehe auch SWB 1/10).

Pestizide in Lebensmitteln
Im Jahr 2009 oblag es zum ersten Mal der EU-Lebensmittelbehörde EFSA, für 2007 aus allen Mitgliedsländern die Daten über die Belastung von Lebensmitteln mit Agrochemikalien zusammenzutragen. Die EFSA ist dabei ihrem Ruf als industrie-freundliche Institution mal wieder gerecht geworden. Listeten die früheren Berichte neben den Grenzwert-Überschreitungen auch die sich noch im Bereich des Erlaubten befindlichen Konzentrationen auf, so versteckt die Neuausgabe die Zahlen im Anhang. Aber auch so bleiben die Werte beunruhigend genug. So überschritten vier Prozent der Proben die vorgeschriebenen Rückstandshöchstmengen. Und es dürften noch mehr sein: Einige Staaten wie z. B. Bulgarien suchten nämlich nur nach 14 Pestiziden. Unter denjenigen Ackergiften, die zwar nicht in den roten Bereich kamen, dafür aber in den orangenen eindrangen, ab dem für die VerbraucherInnen ein Gesundheitsrisiko besteht, befanden sich mit Methomyl, Thiodicarb und Methamidophos drei auch von BAYER benutzte Wirksubstanzen.

GENE & KLONE

Kooperation mit COMPUGEN
Das israelische Biotech-Unternehmen COMPUGEN entschlüsselt das Erbgut von Tumor-Zellen und verkauft dieses Wissen an Pharma-Firmen, welche die Informationen nutzen, um speziell auf diese Angriffspunkte zugeschnittene Medikamente zu entwickeln. Im Herbst 2009 hat COMPUGEN mit BAYER ein entsprechendes Geschäft vereinbart.

BAYER kauft Antikörper-Lizenz
Anfang 2009 hatte BAYER von dem US-amerikanischen Unternehmen MICROMET für 4,5 Millionen Euro eine Option auf einen Antikörper erworben. Nach Abschluss der präklinischen Entwicklungsphase löste der Leverkusener Multi diese ein und kaufte das Gentech-Protein, das zur Behandlung von Krebs, Entzündungen und Autoimmun-Erkrankungen dienen soll.

BETAFERON-Zulassung in China
Der Leverkusener Multi hat für das gentechnisch hergestellte Multiple-Sklerose-Präparat BETAFERON in China eine Zulassung erhalten.

MONSANTOS Leid, BAYERs Freud?
Nicht nur in den USA haben Gen-Pflanzen aus MONSANTOs ROUND-UP-Produktlinie eine marktbeherrschende Stellung inne. Mittlerweile haben sich die Unkräuter jedoch auf das gemeinsam mit den Ackerfrüchten verkaufte Herbizid Glyphosate eingestellt und vermehren sich auf den Feldern wieder kräftig. Die Folge: Die FarmerInnen müssen zusätzlich noch weitere Pestizide ausbringen. Der Leverkusener Multi hofft jetzt davon zu profitieren, dass im Falle „ROUND UP“ „die Natur zurückschlägt“, wie BAYER-Forscher Hermann Stübler sich ausdrückt. Der Agro-Riese spekuliert auf eine erhöhte Nachfrage nach Produkten aus seiner LIBERTY-LINK-Serie - aber über kurz oder lang dürfte die Natur auch diesen Gentech-Saaten trotzen.

Dürreresistenz-Deal mit FUTURAGENE
BAYER hat von dem britischen Unternehmen FUTURAGENE die Rechte an einem gentechnischen Verfahren erworben, das Baumwoll-Pflanzen angeblich hilft, widrigen Aufzuchtsbedingungen wie Trockenheit zu trotzen. Eine ähnliche Lizenz hatte der Agro-Riese vor Monaten bereits von PERFORMANCE PLANTS erworben.

PFLANZEN & SAATEN

Ausbau des Saatgut-Geschäfts
BAYERs Landwirtschaftssparte will ihr Saatgut-Angebot ausweiten, weil die Geschäftsaussichten in diesem Segment besser sind als im Ackergift-Bereich. Der Leverkusener Multi kündigte an, seine bisher auf Raps, Baumwolle, Reis und Gemüse beschränkte Produktpalette zu erweitern und in Zukunft knapp die Hälfte des Saaten-Marktes abzudecken.

WASSER, BODEN & LUFT

Auen schwermetall-belastet
10,4 Tonnen Schwermetalle leitete BAYER im Jahr 2008 in die Gewässer. Bei Hochwasser lagern sich diese auch in den Auen der Flüsse ab, weshalb die Schadstoffgehalte der Böden rund um Wupper und Rhein nach Auskunft des „Ingenieurbüros Feldwisch“ stark erhöht sind. Besonders die Werte für Chrom und Quecksilber, die der Leverkusener Multi in seinen Nachhaltigkeitsberichten seit einiger Zeit nicht mehr einzeln ausweist, geben Anlass zur Besorgnis. Darum hat die Stadt Leverkusen das Ingenieurbüro jetzt mit einer genaueren Untersuchung beauftragt.

EU fördert CO2-Abscheidung
BAYER & Co. setzen große Hoffnungen auf die neuen Technologien zur Abscheidung und Lagerung des klima-schädlichen Kohlendioxids, kurz CCS genannt. Diese würden es den Konzernen nämlich erlauben, ihren Strom weiterhin von Kohle- und Müllkraftwerken zu beziehen. UmweltschützerInnen befürchten dagegen ebensolche Zwischenfälle mit austretendem Material wie im Atommüll-Endlager Asse. Mit eigenen Investitionen in die Forschung halten sich die meisten Unternehmen jedoch zurück. Das finanzielle Engagement überlassen sie gerne anderen wie zum Beispiel der Europäischen Union, die im Dezember 2009 sechs Projekte mit insgesamt einer Milliarde Euro förderte.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

REACH: 817 Stoffe vorregistriert
BAYER & Co. haben sich lange gegen das REACH genannte Chemikaliengesetz der EU gewehrt, das den Konzernen vorschreibt, Angaben zur Gefährlichkeit ihrer Substanzen zu machen. Verhindern konnten die Unternehmen es schlussendlich nicht, sie erreichten jedoch eine Lockerung der Vorschriften. Seit Juli 2007 ist REACH nun in Kraft, und die Multis beginnen, ihre Bestände durchzugehen. BAYER hat bis zum Jahresende 2009 817 Stoffe bei der Chemikalien-Agentur ECHA vorregistrieren lassen. Mit dieser freiwilligen Leistung kommt der Agro-Riese in den Genuss von Übergangsfristen bis zu acht Jahren, ehe er vollständige Sicherheitsprofile für seinen Chemie-Baukasten abliefern muss.

CO & CO.

Bereits vier Bomben gefunden
Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte der Firma WINGAS als Bauherr von BAYERs umstrittener Kohlenmonoxid-Pipeline vorgeschrieben, den Boden vor Beginn der Verlegungsarbeiten mit Detektoren nach Fliegerbomben und anderen Kampfmitteln zu durchsuchen. Das Unternehmen kam dieser Aufforderung jedoch nur unvollständig nach, obwohl es schon bei der oberflächigen Untersuchung auf zwei Brandbomben gestoßen war. So begann die Überprüfung erst Ende 2009 - und förderte Bedenkliches zu Tage. Nicht weniger als 268 Mal schlugen die Suchgeräte bisher aus. Zumeist handelte es sich dabei um Metallschrott. Aber einige Verdachtsfälle bestätigten sich auch. So stießen die ArbeiterInnen bereits auf zwei Granaten und zwei 10-Zentner-Blindgänger.

Gericht bestellt neue Gutachter
In der Niederrheinische Bucht gibt es nach Aussage des Diplom-Physikers Klaus Lehmann vom „Geologischen Dienst NRW“ eine „moderate Erdbeben-Gefährlichkeit“. Die letzte größere Erderschütterung hatte eine Stärke von 5,9. Sie ging vom niederländischen Roermond aus und war bis Krefeld spürbar. Im Damenbecken des Schwimmbades entstanden Risse, weshalb die Stadt die Badeanstalt schloss. Deshalb muss BAYERs von Dormagen nach Krefeld verlaufende Kohlenmonoxid-Pipeline auch absolut erdbebensicher sein. Das hätte der vom Düsseldorfer Verwaltungsgericht bestellte Gutachter wohl auch bestätigt, denn sein Lehrstuhl war in Sachen „Erdbeben“ bereits für BAYER tätig. Diese „Nebentätigkeit“ brachte den Wissenschaftler allerdings in den Ruch der Befangenheit, weshalb er den Job bei der Justiz verlor.

IG-BCE-Chef für Pipeline
Der neue Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE), Michael Vassiliadis, hat sich für die umstrittene Kohlenmonoxid-Leitung ausgesprochen und sich dabei BAYERs Horrorszenario „Arbeitsplatzverluste“ zu Eigen gemacht. „Wenn die Pipeline nicht kommt, hat der Standort Krefeld ein großes Problem“, so Vassiliadis. Den Widerstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und zahlreicher anderer Initiativen gegen das Röhren-Werk nannte er „fundamentalistisch und nicht an Lösungen orientiert“ und sah Handlungsbedarf: „Auch die Politik ist gefordert, die Beteiligungsrechte der Polit-Profi-Verbände zu begrenzen“. Gesamtbetriebsratsvorsitzender Thomas de Win hat ebenfalls kein Verständnis dafür, „wenn durch eine Mischung durch Angstmache und Populismus wichtige industrielle Infrastruktur-Projekte verzögert, gefährdet oder gänzlich in Frage gestellt werden“ und warnt davor, die CO-Pipeline zum Landtagswahl-Thema zu machen.

CO: Es geht auch anders
In China baut der Leverkusener Multi keine Pipelines für seinen Kohlenmonoxid-Bedarf. Er hat vielmehr mit AIR LIQUIDE einen Vertrag abgeschlossen, dem gemäß das Unternehmen das Gas vor Ort auf dem Gelände des Shanghaier Chemie-‚parks‘ produziert.

NANO & CO.

Einfaches Baurecht für Nano-Anlagen
Im Januar 2010 hat BAYER in Leverkusen die weltgrößte Fertigungsstätte zur Produktion von Nano-Kohlenstoffröhrchen, den so genannten BAYTUBES, in Betrieb genommen. Da die Winzlinge ungeahnte Folgen für Mensch, Tier und Umwelt haben können - es gibt beispielsweise Hinweise auf eine asbest-ähnliche Wirkung der Nano-Röhrchen - hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bei der Bezirksregierung eine Anfrage zu den Umständen der Genehmigung gestellt. Die CBG wollte wissen, wieviel die Pilotanlage emitieren darf, wo die Obergrenze für die maximale Schadstoff-Konzentration am Arbeitsplatz liegt und wie es bei einen Störfall mit dem Katastrophenschutz aussieht. Die Antwort überraschte: All diese Fragen haben bei der Entscheidung der Behörden keinerlei Rolle gespielt, weil eine Nano-Produktion weder der Immissionsschutz- noch der Störfall-Verordnung unterliegt und daher das einfache Baurecht gilt. Eine von der Coordination erbetene Stellungnahme des Bundesumweltministerium zu dieser Sachlage steht bisher noch aus. BAYER versichert derweil, alles zur Risiko-Vorsorge getan zu haben. „Das Thema wurde bei uns sehr früh angegangen. Und sehr viel weiter als verlangt“, sagen die Konzern-Manager Péter Krüger und Raul Pires und verweisen beispielhaft auf die komplett abgekapselte Verpackung der lieferfertigen Nano-Teile.

CHEMIE & WAFFEN

Ali Hassan al Madschid hingerichtet
Bei der Entwicklung chemischer Kampfstoffe haben BAYER-Forscher eine bedeutende Rolle gespielt. Fritz Haber entwickelte während des Ersten Weltkrieges das Senfgas, 1936 synthetisierte Gerhard Schrader Sarin und das von US-WissenschaftlerInnen zusammengebraute Giftgas VX basierte auf einem Patent des Leverkusener Multis. Diese tödlichen Stoffe befinden sich immer noch in den Waffenarsenalen vieler Armeen. Zuletzt verwendete sie Saddam Hussein 1987 und 1988 bei seinen Attacken auf kurdische Dörfer. Seinen auch „Chemie-Ali“ genannten willigen Vollstrecker Ali Hassan al Madschid hatte ein irakisches Gericht bereits im Jahr 2007 zum Tode verurteilt, die Hinrichtung fand aber erst im Januar 2010 statt.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Institute-Werksleiter muss gehen
Am 28. August 2008 hatte eine Explosion am BAYER-Standort Institute zwei Menschenleben gefordert. Hätte ein durch die Luft gewirbelter, tonnen-schwerer Rückstandsbehälter die Tanks mit der Bhopal-Chemikalie Methyl Isocyanat (MIC) getroffen, hätte sich die größte Chemie-Katastrophe der Geschichte ereignen können. Im Anschluss erklärte sich der Leverkusener Multi nach langem Hin- und Her dann bereit, die auf dem Werksgelände bereitgehaltenen MIC-Kapazitäten um 80 Prozent zu verringern - was der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nicht weit genug geht - und zog jetzt auch personelle Konsequenzen. Der Konzern entließ den Werksleiter und richtete eine Doppelspitze ein. Dabei ist einer der beiden Manager fortan nur noch für Sicherheit und Planung zuständig, „um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen“, wie das Unternehmen erklärte.

STANDORTE & PRODUKTION

Gewerbesteuer: BAYER & Co. sparen
Die im so genannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz zusammengefassten Maßnahmen ersparen BAYER & Co. Abgaben in Höhe von ca. 2,4 Milliarden Euro. Zu zahlen haben für dieses Steuergeschenk hauptsächlich die Städte und Kommunen. Allein die Ausfälle bei der Gewerbesteuer beziffert der „Deutsche Städtetag“ auf 900 Millionen Euro jährlich.

ÖKONOMIE & PROFIT

Neuer Großaktionär BLACKROCK
Der US-Vermögensverwalter BLACKROCK ist neuer Großaktionär bei BAYER geworden. Er hält 5 Prozent der Anteile. Den größten Batzen am Kapital des Leverkusener Multis besitzt mit 20 Prozent die US-amerikanische CAPITAL GROUP.

Wenning: „US-Konsum muss anspringen“
Der Leverkusener Multi will aus der Wirtschaftskrise nichts lernen und genau da wieder anfangen, wo das Fiasko seinen Ausgang nahm. „So lange das Konsum-Verhalten in den USA nicht wirklich wieder anzieht, ist kein sich selbst tragender Aufschwung in Sicht“, konstatierte BAYER-Chef Werner Wenning in der Börsen-Zeitung. Genau dieses von China mit dem Kauf von US-Staatsanleihen getragene Konsum-Verhalten, das „einen pazifischen Defizit-Kreislauf“ (Robert Kurz) in Gang setzte, hat nämlich die Schulden-Kultur geschaffen, die Immobilienblasen warf und damit den Finanz-Crash heraufbeschwor.

BAYER senkt die Schulden
Der Leverkusener Multi betreibt Schulden-Abbau und hat sein Defizit, das durch die SCHERING-Übernahme auf 17,5 Milliarden Euro angewachsen war, zum neuen Jahr auf zehn Milliarden Euro reduziert. Und prompt ist der Konzern wieder in Kauflaune. „Wenn sich am Markt sinnvolle Ergänzungen ergeben, werden wir uns das anschauen“, kündigte BAYER-Chef Werner Wenning an.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Salzsäure tritt aus
Im Bergkamener BAYER-Werk kam es am 26.2.10 zu einem Zwischenfall. Aus einem Transport-Behälter mit Produktionsrückständen trat Salzsäure aus, und es bildete sich eine Giftwolke. Ein Beschäftigter, der die Dämpfe eingeatmet hatte, musste zur Untersuchung ins Krankenhaus, konnte es jedoch noch am selben Tag wieder verlassen.

Brand bei BAYER
Am 7.1.10 kam es auf dem Gelände des Leverkusener Multis zu einem Brand. In der Nähe der Müllverbrennungsanlage gelagerte Klebstoffreste, Spraydosen und Lösungsmittel hatten Feuer gefangen. Es entstand eine große Rauchwolke. Die Polizei forderte die AnwohnerInnen auf, die Fenster zu schließen und sperrte die A 59. Anschließend legte sich Ruß über Rheindorf, weshalb die Stadt davor warnen musste, mit den schwarzen Partikeln in Kontakt zu kommen.

RECHT & UNBILLIG

Patentstreit: BAYER verliert
Das indische Pharma-Unternehmen CIPLA hat eine Nachahmer-Version von BAYERs Krebsmedikament NEXAVAR produziert. Um es unmittelbar nach dem Ablauf des Leverkusener Patents auf den Markt bringen zu können, stellte es schon einmal einen Antrag auf Zulassung. Diese wollte der bundesdeutsche Pillen-Riese allerdings verhindern, da er auch nach dem Ablauf der Schutzrechte noch Monopol-Gewinne einzustreichen gedachte. Also klagte der Konzern gegen CIPLA und die Genehmigungsbehörde, was ein Novum in der Justiz-Geschichte darstellte (SWB 3/09). Niemals vorher hatte ein Unternehmen mit Verweis auf angeblich verletzte Patentrechte in ein Zulassungsverfahren eingegriffen und so versucht, die Versorgung armer Menschen mit preisgünstigen Arzneien zu verhindern. Darum erkannten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), das indische PEOPLES HEALTH MOVEMENT, die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE und andere Initiativen sofort die gesundheitspolitische Dimension des Vorstoßes und protestierten vehement. Mit Erfolg: Im August 2009 verlor BAYER den Prozess in erster Instanz, und im Februar 2010 auch in zweiter.

Immer mehr MAGNEVIST-Klagen
BAYERs Kontrastmittel MAGNEVIST hat bei vielen Nierenkranken eine Fibrose, ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, ausgelöst, das zu komplettem Organversagen führen kann. Immer mehr Opfer oder deren Angehörige gehen deshalb gegen den Konzern vor. Während die Zahl der Klagen im Februar 2009 bei 241 lag, sieht sich das Unternehmen ein Jahr später bereits mit 310 konfrontiert.

Immer mehr TRASYLOL-Klagen
Im November 2007 musste BAYER das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen; nur für einige wenige Anwendungsbereiche gilt das Verbot nicht. Derweil nehmen die Schadensersatz-Ansprüche immer weiter zu. Gab es bis zum Februar 2009 470 Klagen, so stieg ihre Zahl bis zum Februar 2010 auf 1.600. Und dazu kommen noch drei Sammelklagen aus Kanada.

1.100 YASMIN-Klagen
BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Produktfamilie können neben anderen Gesundheitsstörungen auch Lungenembolien verursachen, die manchmal sogar tödlich verlaufen (siehe SWB 4/09). Immer mehr Geschädigte oder deren Angehörige ziehen deshalb vor Gericht. Allein in den USA beläuft sich die Zahl der Schadensersatz-Klagen auf ca. 1.100; in Kanada sieht sich der Leverkusener Multi mit zwei Sammelklagen konfrontiert. Und das dürfte noch nicht alles sein. „Mit zusätzlichen Verfahren ist zu rechnen“, heißt es im neuesten Geschäftsbericht.

Einigung mit Blutprodukte-Opfern?
Weltweit infizierten sich in den 80er Jahren Tausende Bluter durch Blutprodukte von BAYER & Co. mit AIDS oder Hepatitis C. Sie wurden Opfer der Profitgier der Konzerne, denn diese hatten sich aus Kostengründen lange Zeit geweigert, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Krankheitskeime vorzunehmen. Aus diesem Grund sehen sich die Unternehmen in den USA immer noch mit zahllosen Prozessen konfrontiert. Mit einer Gruppe von KlägerInnen steht jetzt laut BAYER-Geschäftsbericht eine Einigung unmittelbar bevor.

BAYER klagt wg. YASMIN
Der Leverkusener Multi verklagt routinemäßig Pharma-Hersteller, die nach Ablauf der Patentfrist Nachahmer-Produkte von BAYER-Pillen auf den Markt bringen wollen, wegen Patentverletzung, um sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe zu halten. Jetzt traf es die Unternehmen SANDOZ und WATSON LABORATORIES, die eine Nachahmer-Version des gefährlichen Verhütungsmittels YASMIN (s. o.) vermarkten wollen.

BAYER klagt wg. CIPRO
Besonders indischen Unternehmen, die für Nachahmer-Produkte von BAYER-Medikamenten Zulassungen beantragen, macht der Leverkusener Multi das Leben schwer, um auch nach Ablauf der Patente für die Arzneien noch möglichst lange Monopol-Profite einstreichen zu können. Im letzten Jahr verklagte das Unternehmen den Hersteller CIPLA wegen einer angeblichen Patent-Verletzung (s.o.), und im Februar 2010 leitete der Pharma-Riese in den USA rechtliche Schritte gegen die Firma LUPIN ein, die bei den Behörden einen Genehmigungsantrag für eine Generika-Version des Antibiotikums CIPRO eingereicht hatte.

BAYER verklagt wg. CIPRO
1997 hatte BAYER einen Patentstreit mit dem Pharma-Unternehmen BARR beigelegt. Gegen die Zahlung von 400 Millionen Dollar willigte BARR ein, dem Leverkusener Multi vorerst nicht mit einer CIPROBAY-Nachahmervers

[Ticker 4 2009] STICHWORT BAYER 04/2009 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Jahrestagung 2009
Am 7. November 2009 fand die Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Thema „Haste mal ‘ne Billion? - Konzerne, Kapitalismus und die Krise“ statt. Zum Auftakt sprach Professor Rainer Roth vom RHEIN-MAIN-BÜNDNIS GEGEN SOZIALABBAU UND BILLIGLÖHNE über die Ursache der Krise. Das Problem einer lukrativen Kapitalverwertung hat seiner Ansicht nach zu Überproduktion und „Nachfrage-Doping“ mittels Verschuldung geführt und den Wirtschaftsorganismus schließlich kollabieren lassen. „Entwarnung“ konnte Roth deshalb noch lange nicht geben. Pedram Shahyar vom ATTAC-Koordinierungskreis arbeitete die Frage auf, warum die Linke nicht stärker von der Krise profitiert hat. Die „Globalisierung“ der Neoliberalismus-Kritik, das Vertrauen auf das Krisenmanagement der Eliten, die Rückkehr des Korporatismus von Gewerkschaften und Unternehmen, eine zu flache Krisen-Interpretation und eine Fixierung der Betroffenen auf ihr eigenes Schicksal im Zuge drohenden Job-Verlustes nannte er als Gründe. Im Anschluss daran machte Shahyar Vorschläge für eine neue linke Krisen-Politik. „Verstärkte Suche nach Alternativen“, „Deglobalisierung“, „Eigentumsfrage“ und „Gesundschrumpfung der Wirtschaft“ lauteten hier die Stichwörter. Jan Pehrke (CBG) schließlich zeichnete den Verlauf der Krise am Beispiel BAYER nach und konnte so den im Laufe des Tages erörterten, manchmal recht komplexen wirtschaftlichen Zusammenhängen Anschaulichkeit verleihen. Fast 50 TeilnehmerInnen lockte die Veranstaltung an - so viele BesucherInnen hatte eine Jahrestagung der CBG bisher noch nie. Offensichtlich bestand ein großes Interesse daran, ein Jahr nach Ausbruch der Krise eine erste Bestandsaufnahme vorzunehmen und über die Perspektiven antikapitalistischer Interventionen zu diskutieren.

Antwerpener Beschäftigte protestieren
Der Leverkusener Multi erpresst die Belegschaft des Antwerpener Werks und droht mit einer Schließung, falls die Beschäftigten nicht einer Lohnkürzung zustimmen (siehe KAPITAL & ARBEIT). Diese wollen sich darauf jedoch nicht einlassen. Deshalb nahmen die AntwerpenerInnen nicht nur an einer Großdemonstration in Brüssel teil, die unter Druck stehende Belegschaften vieler belgischer Werke zusammenführte, sondern ergriffen dort auch das Wort. Levi Sollie, der Vertrauensmann der Gewerkschaft Algemeen Belgisch Vakverbond (ABVV), sprach auf der Kundgebung über die Situation am belgischen BAYER-Standort.

Klima-Protest vor BAYER-Zentrale
Zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Kopenhagen hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) am 7. Dezember 2009 gemeinsam mit Vertretern vom NIEDERRHEINISCHEN UMWELTSCHUTZVEREIN und von der Linkspartei eine Mahnwache vor der Leverkusener BAYER-Zentrale abgehalten, um auf die Klima-Sünden des Konzerns hinzuweisen. So leitet der Pharma-Riese jährlich bis zu acht Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre und trägt auf diese Weise zum Treibhauseffekt bei. Und von einem Umdenken ist bei dem Unternehmen nichts zu spüren. Es setzt weiter auf klimaschädigende Müll- und Steinkohlekraftwerke. Darum wollte die CBG BAYER auch einen Offenen Brief übergeben, der zu einer Energie-Wende aufruft, aber dazu kam es nicht. Der Multi verweigerte die Annahme.

CEFIC für Klima-Negativpreis nominiert
LOBBYCONTROL hat den „Verband der Europäischen Chemischen Industrie“ (CEFIC) für den Negativpreis „Angry Mermaid Award“ nominiert. Die Initiative hält den Verband für würdig, die in Anspielung auf die Kopenhagener Klimakonferenz „Die aufgebrachte Meerjungfrau“ getaufte Auszeichnung zu erhalten, weil er sich durch besonders destruktive Lobbyarbeit gegen Klimaschutz-Maßnahmen hervortat. So gelang es der CEFIC LOBBYCONTROL zufolge etwa, der chemischen Industrie kostenträchtige Folgen des Handels mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten zu ersparen, weshalb Investitionen in ökologischere Verfahren unterblieben. Aber schlussendlich musste sich die CEFIC dem noch schlimmeren Finger MONSANTO geschlagen geben.

Pipeline-Protest vor Ständehaus
Am 23. November 2009 war BAYER-Chef Werner Wenning Stargast des Düsseldorfer Ständehaus-Treffs in den Räumen der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Aber der von Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo moderierte Plausch mit dem Konzern-Lenker vor Promis wie Gabriele Henkel, Heiner Kamps, Rudi Altig und Heide Rosendahl konnte nicht ungestört ablaufen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Gegner der vom Leverkusener Multi geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline hielten nämlich eine Mahnwache vor dem Gebäude ab. Die Veranstalter taten dabei alles, den Protest zu erschweren. Als Tagesmieter des Ständehauses reklamierten sie das Hausrecht für sich und drängten die AktivistInnen mit Hilfe von Polizei und privatem Sicherheitsdienst an den äußersten Rand der Auffahrt, um Wenning & Co. den Abend nicht allzu sehr zu verderben. Di Lorenzo kam beim Talk jedoch nicht darum herum, die Sache aufzugreifen. „Wenning ging offensiv mit dem Thema um“, vermeldete die Rheinische Post anschließend, „Er ist fest von der absoluten Sicherheit der Leitung überzeugt, aber er weiß auch, dass keiner ausschließen kann, dass irgendein Unfall passiert“.

PRIMODOS-Anfrage
In den 50er Jahren hatte die jetzige BAYER-Tochter SCHERING den Schwangerschaftstest PRIMODOS (auch DUOGYNON) auf den Markt gebracht, der bei Neugeborenen zu Herzfehlern, Fehlbildungen an Händen und Füßen sowie zu Gaumenspalten führte. Auf der diesjährigen Hauptversammlung des Leverkusener Multis haben die Opfer des Hormon-Präparates eine Entschädigung gefordert; zudem sind Klagen in Vorbereitung (siehe RECHT & UNBILLIG). Im Juli hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) dem Gesundheitsministerium zum Fall „PRIMODOS“ einen Brief geschrieben. Die CBG wollte wissen, warum die Betroffenen bis heute keine Unterstützung erhalten und welche Unterlagen im Archiv noch zu dem Pharma-GAU existieren. Zudem fragte die Coordination, ob es bezüglich der Entschädigungsfrage Kontakte zum Pharma-Riesen und zu den Behörden in Großbritannien gibt, wo das Thema ebenfalls auf der Tagesordnung steht. Darüber hinaus erbat sie eine Stellungnahme zur Weigerung des Global Players, die Geschädigten abzufinden. Diese mochte das Gesundheitsministerium in seiner Antwort nicht abgeben. Es habe in der Sache weder Verbindung zu BAYER noch zur britischen Regierung aufgenommen und hätte auch keine Akten zu dem Fall mehr, hieß es in dem Schreiben weiter. „Zu Ihrer Frage, warum die Betroffenen keine Unterstützung erhalten haben, lassen sich daher nur Vermutungen aufgrund von nicht validen Informationen anstellen. Es scheint damals aber wohl eine gewisse Unsicherheit in der Kausalitätsbewertung zwischen den aufgetretenen Missbildungen und der Verabreichung des entsprechenden Medikamentes gegeben zu haben“, so das Ministerium.

Die „Global Compact“-Beschwerde
1999 haben sich BAYER und andere Multis am Rande des Davoser Weltwirtschaftsforums im „Global Compact“ dazu bekannt, soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einzuhalten. Nach Meinung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat der Leverkusener Multi mit der Beinah-Katastrophe in Institute und seiner Reaktion darauf gegen die Regularien des an die UN angebundenen Industrie-Zusammenschlusses verstoßen. Der Konzern hatte im Vorfeld lange bekannte Sicherheitsmängel nicht behoben, defekte Detektoren nicht repariert und Warnsysteme deaktiviert. Nach der Explosion informierte er zudem die Öffentlichkeit unter Berufung auf die Antiterror-Gesetze nur spärlich (siehe SWB 2/09). Die CBG hat die UN deshalb in einem Offenen Brief aufgefordert, den Agro-Riesen aus dem „Global Compact“ auszuschließen. Die Antwort traf umgehend ein. Der „Global Compact“ legte dar, dass er über keinerlei Mandat verfügt, die Einhaltung seiner Prinzipien zu kontrollieren und gegebenenfalls Sanktionen auszusprechen. Nur einen Dialog moderieren könne er. Das tat er dann auch, indem er BAYER zu einer Stellungnahme aufforderte. Nach einigem Briefverkehr mit dem Leverkusener Multi und der CBG teilte die Organisation mit, sie habe die Beschwerde nun an die bundesdeutsche Dependance weiterverwiesen. Die Coordination erklärte sich damit nicht einverstanden. Sie dringt darauf, den Fall statutengemäß im Leitungsgremium zu verhandeln, und legte Protest ein.

180.000 Unterschriften gegen LL62
Im Jahr 2006 hat BAYERs Genreis LL601 für den größten Gen-GAU der Nuller-Jahre gesorgt: Trotz fehlender Zulassung tauchte er in den handelsüblichen Supermarkt-Sorten auf. Das hält den Leverkusener Multi jedoch nicht davon ab, weiter auf die Risiko-Technologie zu setzen. So liegt der EU bereits seit längerem ein Antrag zur Importgenehmigung von LL62-Reis vor. GREENPEACE hat dagegen mobil gemacht und der EU-Gesundheitskommissarin Anroulla Vassiliou, die demnächst das Bildungsressort übernimmt, im Oktober 2009 180.000 Unterschriften gegen eine Einfuhr-Lizenz übergeben.

Kritik an Beobachtungsstudien
Die „Kassenärztliche Bundesvereinigung“ (KBV) hat die Beobachtungsstudien angeprangert, mittels derer BAYER & Co. ihre Medikamente in Arztpraxen testen lassen. Aus wissenschaftlicher Sicht sind diese Anwendungsuntersuchungen, bei denen die ÄrztInnen nur einen kleinen Fragebogen ausfüllen müssen, kaum ergiebig, moniert die KBV, aus finanzieller Sicht allerdings schon - sowohl für die Konzerne als auch für die DoktorInnen. In Wahrheit verfolgen die Expertisen nämlich den Zweck, die PatientInnen auf das getestete Präparat - zumeist ein neues und deshalb besonders teures - umzustellen, und genau dafür zahlen die Unternehmen dann auch bis zu 1.000 Euro. Als „Fangprämien“ bezeichnete Leonard Hansen von der „Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein“ deshalb die Honorare, und der KBV-Vorstand Carl-Heinz Müller lässt keinen Zweifel an den Motiven von Big Pharma: „Das Ziel einer schnelleren Umsatzsteigerung ist sicher nicht von der Hand zu weisen“. Der Leverkusener Multi verfolgte dieses Ziel unter anderem mit Beobachtungsstudien zu BETAFERON. Kritik an dieser Praxis wies der Konzern immer wieder zurück. So verteidigte BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke das Vorgehen der Pillen-Produzenten im Jahr 2008 mit den Worten: „Ich halte Anwendungsbeobachtungen allerdings für sinnvoll, da sie uns Langzeitdaten über die Wirkung von Medikamenten in die Hand geben, die wir aus den Zulassungsstudien nicht bekommen“.

Mediziner kritisiert Krebsmedikamente
Im Pharma-Geschäft versprechen Krebs-Arzneien die höchsten Gewinne. ExpertInnen erwarten für die nächsten Jahre einen 66 Milliarden Dollar schweren Absatzmarkt. Mit den Heilsversprechen der Pillenriesen - BAYER etwa preist NEXAVAR als einen „Meilenstein im Kampf gegen Krebs“ an - ist es nach Ansicht des Krebs-Spezialisten W.-D. Ludwig allerdings nicht so weit her. Nach Meinung des Mediziners, der an der HELIOS-Klinik in Berlin-Buch arbeitet und den Vorsitz der „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ innehat, sorgt vor allem eine kreative Gestaltung der klinischen Tests für den guten Leumund der Mittel. So bestimmen die Untersuchungen als Ziel der Therapie nicht etwa das Überleben der PatientInnen und dauern auch gar nicht so lange, um den Gesundheitszustand der ProbandInnen über einen angemessenen Zeitraum hinweg verfolgen zu können. Ihnen reicht es als positiver Befund aus, wenn sich das Leiden erst einmal nicht verschlimmert oder der Körper überhaupt in irgendeiner Weise auf den Pharma-Stoff anspricht, was noch überhaupt nichts über eine Beeinflussung des Krankheitsverlaufs aussagt. Da es noch kaum wirksame Krebs-Arzneien gibt, müssen die Konzerne zudem keine großen Vergleichsstudien finanzieren. Das alles erleichtert „erfolgreiche Erprobungen“ natürlich ungemein. Ludwig forderte als Konsequenz aus dieser Art von Studien mehr unabhängige Arzneimittel-Untersuchungen.

Einspruch gegen BVL-Bescheid
Im letzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hegte den Verdacht, dass der Agro-Riese diese „Nebenwirkung“ bei den Genehmigungsbehörden heruntergespielt hat und verlangte in einem Offenen Brief an das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) die Herausgabe der Zulassungsunterlagen. Die Behörde gab dem Begehr zwar trotz BAYER-Widerstand statt, erlaubte jedoch nur eine kurze Einsichtnahme bei einem Lokaltermin. Dagegen legte die CBG Widerspruch ein, weil so zu wenig Zeit für die Überprüfung der Dokumente bleibt.

Frankfurter Uni umbenannt
Im Jahr 2001 ging das Frankfurter IG-FARBEN-Haus in den Besitz der „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ über. Seit dieser Zeit traten Studierende und Lehrende dafür ein, die mahnende Erinnerung an den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern wachzuhalten, indem die Hochschule den ehemaligen IG-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim ehrt. Die Leitung wehrte sich aber erfolgreich dagegen, einen Platz auf dem Gelände nach dem Mann zu benennen, der durch seinen 1951 begonnenen Musterprozess Entschädigungszahlungen für die SklavenarbeiterInnen ermöglichte. Stattdessen errichtete sie mit dem „Norbert Wollheim Memorial“ eine Gedenkstätte für ihn (siehe SWB 1/09). Im Zuge des Bildungsstreiks jedoch knüpften Studierende an die alte Idee an. Sie besetzten das Casino-Gebäude und benannten die Alma Mater symbolisch in „Norbert Wollheim Universität“ um.

Kritik an EU-Pharmapolitik
Die EU betrachtet Medikamente nicht als Bestandteil des Gesundheitswesens, sondern als Wirtschaftsgut. Deshalb untersteht das Arzneimittelrecht ebenso wie die für Pillen-Zulassungen zuständige „Europäische Arzneimittelbehörde“ dem Industrie- und nicht dem Gesundheitskommissar. An dieser Politik hat jetzt der gesundheitspolitische Sprecher der Europäischen Volkspartei, der Christdemokrat Peter Liese, scharfe Kritik geübt.

KAPITAL & ARBEIT

Neue Standortsicherungsvereinbarung
BAYER hat mit dem Gesamtbetriebsrat eine neue Standortsicherungsvereinbarung abgeschlossen (siehe auch STANDORTE & PRODUKTION). Wie schon bei dem Vorgänger-Vertrag ließ sich der Leverkusener Multi das Zugeständnis, fünf Jahre auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, teuer abkaufen. So müssen die Beschäftigten jetzt ihre Arbeitszeit noch stärker den Konjunktur-Schwankungen anpassen und sogar Ortswechsel in Kauf nehmen. Bei der Sparte BAYER TECHNOLOGY SERVICES haben sie zudem eine Stunde länger zu arbeiten, ohne dafür mehr Lohn zu bekommen. „Zu bemerken ist, dass in vielen Punkten wieder einer zeitlich begrenzten Zusage des Arbeitgebers dauerhaft abgegebene Besitzstände der ArbeitnehmerInnen gegenüberstehen“, kommentieren die KOLLEGEN UND KOLLEGINNEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk, das Ergebnis der Verhandlungen.

Kürzerarbeit wieder aufgehoben
Im Zuge der Wirtschaftskrise hatte BAYER in der Kunststoff-Sparte die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich um 6,7 Prozent gekürzt und weitere Maßnahmen durchgeführt, was dem Leverkusener Multi Kosten in zweistelliger Millionenhöhe ersparte. Anfang November 2009 hat der Konzern die Kürzerarbeit-Regelung wieder aufgehoben - „eine derzeit verbesserte Auftragslage“ bewog das Unternehmen zu diesem Schritt.

Antwerpen: BAYER droht mit Schließung
Am Standort Antwerpen erpresst BAYER die Belegschaft. Der Leverkusener Multi droht mit einem Aus für die Kunststoff-Produktion, wenn die Beschäftigten nicht auf zehn Prozent ihres Lohn verzichten. Die beiden Gewerkschaften Algemeen Belgisch Vakverbond (ABVV) und ACV Energie-Chemie wollen das nicht mitmachen. „Die Vertrauensleute im Antwerpener Werk werden keiner sozialen Demontage zustimmen, wir werden weder zu Lohnsenkungen noch zu Arbeitszeitverlängerungen ‚Ja‘ sagen“, kündigt ABVV-Vertrauensmann Levi Sollie an und verweist auf den 190-Millionen-Euro-Gewinn der Niederlassung. Einer Standort-Konkurrenz mit Krefeld verweigert sich die Gewerkschaft ebenfalls: „Auch werden wir nicht zulassen, dass wir gegen die Kollegen im BAYER-Werk Uerdingen ausgespielt werden“. Der Pharma-Riese musste die staatliche Schiedskommission anrufen, weil es mit den Belegschaftsvertretern zu keiner Einigung kam. Eine Entscheidung des Gremiums steht noch aus.

Gerüchte über BMS-Verkauf
Im November 2009 tauchten Gerüchte über einen von BAYER beabsichtigten Verkauf der Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) auf. Die INTERNATIONAL PETROLIUM INVESTMENT COMPANY (IPIC) mit Sitz in Abu Dhabi hatte Verhandlungen mit dem Pharma-Riesen bestätigt. Der Leverkusener Multi hielt sich dagegen bedeckt: „Marktgerüchte kommentieren wir grundsätzlich nicht“. Wenig später dementierte IPIC-Direktor Khadem Al Qubaisi die von dem Informationsdienst Chemical Industry News & Intelligence in Umlauf gebrachte Meldung. Es sei bei den Gesprächen mit BAYER nicht um einen Verkauf, sondern um ein geplantes Joint Venture in Abu Dhabi gegangen. Wie dem auch sei - Wirtschafts- und Finanzkreise machen jedenfalls weiter Verkaufsdruck. So schrieb beispielsweise das Handelsblatt unlängst angesichts wieder etwas besserer BMS-Geschäftszahlen: „Der Pharma- und Chemiekonzern kann sich wieder über seine Kunststoffe freuen. Zeit, an einen Verkauf zu denken“.

USA: BAYER gegen Gewerkschaftsgesetz
In den Vereinigten Staaten versucht der Leverkusener Multi mit aller Macht, die Gewerkschaften aus dem Konzern herauszuhalten. Immer wenn sich irgendwo die Gründung einer Beschäftigten-Vertretung anzubahnen droht, trommelt das Unternehmen die Belegschaft zusammen und warnt vor Arbeitsplatzvernichtungen, sollten sich im Werk Betriebsgruppen bilden. Folglich gibt es nur an drei von 50 BAYER-Standorten in den USA Gewerkschaften. Die Regierung Obama hat sich jetzt vorgenommen, den Organisationen den Rücken zu stärken und sie besser vor Repressionen zu schützen. Aber BAYER & Co. investieren Millionen, um das Gesetzesvorhaben zu verhindern.

IG BCE für Unternehmenssteuerreform
Der neue IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis will den industriefreundlichen Kurs seines Vorgängers Hubertus Schmoldt fortsetzen (siehe auch SWB 4/09) und demonstrierte dies auch gleich eindrucksvoll, indem er sich von dem DGB-Vorschlag distanzierte, in Zeiten der Krise den Übergang zwischen Arbeitslosengeld und Hartz IV finanziell weicher zu gestalten. Er überraschte auf dem Chemiegewerkschaftskongress in Hannover allerdings mit einer Forderung zur Reform der Unternehmensbesteuerung. So verlangte Vassiliadis, die Höhe der Körperschaftssteuer nach der Eigenkapitalrendite zu bemessen und so besonders rücksichtslose Profit-Jäger abzustrafen. „Wenn eine extreme Rendite nur mit einer sehr aggressiven Strategie erreicht werden kann, erst dann beginnt ein höherer Steuersatz“, so sein Vorschlag. Zudem möchte der Gewerkschaftler die Krisenverursacher stärker zur Verantwortung ziehen und machte sich für eine KurzarbeiterInnen-Abgabe des Bankensektors stark.

Merkel lobt die IG BCE
Bundeskanzlerin Angela Merkel trat auf dem Bundeskongress der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) auf und konnte gar nicht mehr aufhören, die Verdienste der Gewerkschaft um das Co-Management zu rühmen. Laut Frankfurter Rundschau gelang es der Politikerin, die IG BCE „innerhalb einer halben Stunde gefühlte 30 Mal zu loben und sich abwechselnd ‚herzlich‘, ‚freundlich‘ oder ‚besonders‘ zu bedanken“. In puncto Gentechnik standen ihr Vassiliadis & Co. sogar näher als die CDU-GenossInnen. Die „Zukunftsgewandtheit“ der GewerkschaftlerInnen stände auch den eigenen Parteikreisen gut zu Gesicht, vermerkte Merkel.

Betriebskrankenkassen-Fusionitis
Mitte 2007 schloss sich BAYERs Betriebskrankenkasse mit der FORTISNOVA BKK zur PRONOVA BKK zusammen. Zum Jahreswechsel fusioniert diese wiederum mit den Kassen FORD & RHEINLAND und GOETZE & PARTNER, „um unsere Position im Gesundheitsmarkt langfristig zu stärken“, wie aus der Zentrale verlautete. Name, Filialnetz und MitarbeiterInnen-Zahl bleiben erhalten, und mit über 500.000 Versicherten zählt die PRONOVA BBK nunmehr zu den 30 größten Krankenkassen der Bundesrepublik. Besonders aggressive Verhandlungen mit BAYER um Arznei-Preise dürften von ihr jedoch nicht zu erwarten sein.

ERSTE & DRITTE WELT

Afrika kommt zu BAYER
Afrika nimmt für BAYER & Co. vor allem wegen seiner Rohstoff-Vorkommen, um die ein Wettlauf mit China entbrannt ist, eine immer größere Bedeutung ein. Aus diesem Grund versuchen die Konzerne eine African Connection aufzubauen, indem sie Kontakte zu späteren Eliten aufbauen. Diesem Behufe dient das Programm „Afrika kommt“, in dessen Rahmen BAYER und weitere Unternehmen junge Spitzenkräfte des Kontinents mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amtes in der Bundesrepublik „weiterqualifizieren“. Die Koordination übernimmt dabei die seit langem mit dem Leverkusener Multi verbundene Agentur „Inwent“. 1921 vom damaligen BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg gegründet, hörte sie lange auch auf seinen Namen. Erst im Jahr 2002 legte die Einrichtung die Bezeichnung „Carl-Duisberg-Gesellschaft“ ab.

Venezuela hebt BAYER-Patent auf
Patente auf Medikamente verschaffen den Herstellern Monopol-Gewinne und verhindern eine preisgünstige Arzneiversorgung, was vor allem in den Ländern der Dritten Welt verheerende Folgen hat. In Venezuela wollten Pillen-Produzenten deshalb eine Nachahmer-Version von BAYERs Antibiotikum-Wirkstoff Moxifloxacin auf den Markt bringen. Der Leverkusener Multi klagte, die venezolanische Behörde SAPI prüfte - und stieß auf Unregelmäßigkeiten in der Patentschrift. Deshalb hob sie den Schutz des geistigen Eigentums für Moxifloxacin auf. Das Handelsministerium unterstützte den Schritt und erklärte, dass „Aktionen wie die von BAYER sich gegen das Recht auf Gesundheit richten und auf die Errichtung eines Industrie-Monopols zielen, ohne auf die Bedürfnisse des Volkes Rücksicht zu nehmen“. Auch Ecuador hat Maßnahmen angekündigt, um die Verfügbarkeit von Medikamenten zu verbessern. Die Regierung will die Patente von 2.000 Präparaten für ungültig erklären.

IG FARBEN & HEUTE

100 Jahre Synthese-Kautschuk
Mit großen Artikeln feierte die Presse den hundertsten Geburtstag von Synthese-Kautschuk, das der BAYER-Forscher Fritz Hofmann entwickelt hatte. In den netten Ständchen fehlten allerdings Passagen darüber, welche wichtige Rolle dieser Stoff bei den Kriegsvorbereitungen der Nazis spielte. Er machte das Verbrecherregime nämlich unabhängig von Rohstoff-Importen aus dem Ausland und verschaffte den von BAYER mitgegründeten IG FARBEN so eine profitable Führungsposition bei den wirtschaftlichen Planungen zu den Waffengängen.

IG FARBEN an „Aktion T4“ beteiligt
Die vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN haben nicht nur das Zyklon B für die Vergasung der Juden im „Dritten Reich“ geliefert. Der Mörderkonzern hat auch für die „Aktion T4“ genannte Euthanasie, der mehr als 100.000 behinderte oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen, den passenden Rohstoff bereitgestellt: das heute wieder durch BAYERs umstrittenes Pipeline-Projekt ins Gerede gekommene Kohlenmonoxid.

IG FARBEN besaß Zeitungsanteile
Der von BAYER mitgegründete Mörderkonzern IG FARBEN war nicht auf wohlmeinende Presseberichte angewiesen - er hielt sich selbst eine Zeitung. 1929 erwarb das Unternehmen 35 Prozent der liberalen Frankfurter Zeitung und 1930 weitere 14 Prozent. Mit diesem Besitzerwechsel ging auch eine Veränderung des politischen Kurses einher. So musste unter anderem der bekannte Publizist Siegfried Kracauer gehen. Ob sich der Leverkusener Multi nach dem Krieg auch an der Neugründung des Blattes unter dem Namen Frankfurter Allgemeine Zeitung beteiligte, steht nicht fest.

  • KONZERN & VERGANGENHEIT

ASPIRIN und die Grippewelle von 1918
Im Jahr 1918 raffte die Spanische Grippe über 50 Millionen Menschen auf der Welt dahin. Nach Ansicht der Medizinerin Dr. Karen M. Starko könnten viele Sterbefälle jedoch nicht durch die Krankheit, sondern durch das Heilmittel ASPIRIN ausgelöst worden sein. BAYERs „Tausendsassa“ kam bei der Behandlung der Infizierten nämlich in einer doppelt so hohen Dosis wie heute zum Einsatz, und den Autopsien zufolge kommt der Virus als Todesursache oftmals nicht in Frage. So wiesen zahlreiche Tote kaum Lungenschädigungen auf. Deshalb konnten MedizinerInnen sich die große Mengen blutiger Flüssigkeit in den Atemorganen bisher nicht erklären - Starko aber schon: Blutungen sind eine bekannte Nebenwirkung von ASPIRIN.

POLITIK & EINFLUSS

Lobby-Register ohne CEFIC
Die CEFIC, der europäische Lobbyverband der Chemie-Unternehmen, hat 170 Beschäftigte und einen Etat von ca. 47 Millionen Euro. Die Organisation kann jedoch auch ganz bescheiden auftreten. Im neu geschaffenen Lobby-Register der EU bezifferte sie die jährlichen Kosten für ihr Antichambrieren auf schlappe 50.000 Euro. Die Umweltgruppe FRIENDS OF THE EARTH wollte daran nicht glauben und witterte eine Irreführung der Behörden. Die EU-Kommission rechnete nach und gab der Initiative Recht. Daraufhin flog die CEFIC aus dem Register. Aber seit dem Herbst 2009 ist der Verband wieder drin, weil er sich zu kapitalistischem Realismus entschlossen hatte: Der Lobbyclub korrigierte seine Zahlen um das 80-fache nach oben und fand sich mit vier Millionen Euro plötzlich auf Platz sechs der finanzkräftigsten Einflussnehmer wieder.

BAYER in Kopenhagen
Über zahlreiche Lobbyorganisationen hat BAYER in Kopenhagen substanzielle Beschlüsse zur Rettung des Klimas zu verhindern versucht. „Croplife“ bemühte sich, verbindliche Auflagen zur Kohlendioxid-Reduzierung in der Landwirtschaft abzuwenden. Der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) erklärte: „Wir sind nicht mehr länger das Problem, wir sind Teil der Lösung“ und lud unter dem Titel „Business for Climate Protection“ zu einer Podiumsdiskussion, an der auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen teilnahm. „3C - Combat Climate Change“ betrieb derweil Werbung für die Kohlendioxid-Abspaltung - und damit für Kohlekraftwerke; das „International Chamber of Commerce“ und das „World Business Council for Sustainable Development“ unterstützten „3C“ dabei nach Kräften. Das tat auch „Business Europe“. Zudem hatte der Verband bereits im Oktober eine Konferenz zum Thema „Zwischen der Wirtschafts- und der Klimakrise - ist Kopenhagen der Ausweg?“ abgehalten, die unliebsamen Besuch von UmweltaktivistInnen erhielt. Darüber hinaus präsentierte „BusinessEurope“ EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso mit der „Copenhagen Scorecard“ eine Wunschliste in Sachen „Klimapolitik“. So sollte die Europäische Union Entwicklungsländer wie China in Dänemark zu verbindlichen Reduktionszielen drängen - und in heimischen Gefilden mehr auf „freiwillige Selbstverpflichtungen“ setzen.

„Croplife“ gegen US-Klimagesetze
„Croplife“, der US-amerikanische Verband von BAYER und anderen Agro-Multis, versucht, Obamas Klimaschutz-Agenda zu Fall zu bringen. Zu diesem Behufe hat die Organisation die Lobby-Agentur ALPINE GROUP engagiert, die in Washington über beste Kontakte verfügt.

Wenning beim Wirtschaftsgipfel
Die Kreditklemme gehört für den Leverkusener Multi zu den unangenehmsten Folgen der Wirtschaftskrise. „In der Größenordnung von zehn Milliarden Euro dürfte eine Akquisition für die meisten derzeit nicht mehr finanzierbar sein“, mit diesen Worten beklagte sich BAYER-Chef Werner Wenning in der Faz über die Beschränkung der Einkaufsmöglichkeiten. Deshalb drängte er bereits auf dem ersten Krisengipfel, zu dem Bundeskanzlerin Angela Merkel gerufen hatte, auf eine Lösung des Problems. Auch bei der trauten Runde, die sich am 2. Dezember 2009 im Kanzleramt diesem Thema widmete, saß Wenning wieder mit dabei, flankiert unter anderem von Josef Ackermann, Dieter Hundt vom Arbeitgeberverband und Michael Vassiliadis von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE.

BAYER unterzeichnet NRW-Pakt
Die nordrhein-westfälische Landesregierung tut alles dafür, BAYER & Co. in politische Entscheidungen einzubinden. So rief sie beispielsweise den „Dialog Wirtschaft und Umwelt“ ins Leben. Im November 2009 haben Rüttgers & Co. jetzt mit BAYER und anderen Unternehmen einen Pakt geschlossen, denn „die Distanz zwischen Wirtschaft und Politik verhindert Wachstum“. Diese Entfremdung - „Die Wirtschaft hat vielfach geglaubt, ohne die Politik auszukommen. Die Politik hat sich an einer Manager- und Unternehmerschelte beteiligt“ - wollen Bosse und CDU/FDP-Koalition mittels Spitzentreffen schnellstmöglich aufheben. Nicht zuletzt BAYERs umstrittenes Pipeline-Projekt dürfte die konzertierte Aktion nötig gemacht haben.

BAYER & Co. sponsern den Staat
Die Konzerne unterstützten die Regierungstätigkeit im großen Umfang finanziell. Das geht auch aus dem 3. Zweijahresbericht über Sponsoring-Leistungen hervor, den das „Bundesministerium des Inneren“ im Mai 2009 veröffentlichte. Geld- und Sachleistungen in einer Größenordnung von fast 80 Millionen Euro brachten die Unternehmen in den Jahren 2007 und 2008 auf. BAYER befand sich natürlich ebenfalls unter den „edlen Spendern“. Der Leverkusener Multi stiftete für das Sommerfest von Bundespräsident Horst Köhler Sachleistungen im Wert von 30.000 Euro. Für den Empfang zum „Tag der Deutschen Einheit“ machte der Konzern 33.170 Euro locker und für das Kunstprojekt „inform“ 50.000 Euro.

„World Environment Day“ in Pittsburgh
Als „Bluewashing“ kritisieren die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen die Strategie der Konzerne, sich durch Kooperationen mit den Vereinten Nationen ein gutes Image zu verschaffen. BAYER tut dies hauptsächlich durch ein Sponsoring der UNEP, des Umweltprogramms der UN. So richtete das Unternehmen 2007 in Leverkusen eine Konferenz mit 150 jungen UmweltschützerInnen aus aller Welt aus. Im Oktober 2009 gelang dem Multi erneut ein Coup. Er setzte für 2010 mit Pittsburgh den Standort seines US-amerikanischen Hauptquartiers als Gastgeber-Stadt des „World Environment Day“ durch. Dort hofft sich der Chemie-Riese dann wieder einmal als Öko-Engel präsentieren zu können.

BDI treibt Gesundheitspolitik
Im November 2009 präsentierte der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) sein „gesundheitswirtschaftliches Innovationskonzept“. Die Organisation sprach sich darin für eine Abkehr vom paritätisch finanzierten Gesundheitswesen aus und trat stattdessen für „transparente, lohnunabhängige Prämien“ ein. Zudem wiederholte sie die alte BAYER-Forderung nach einer steuerlichen Absetzbarkeit von Forschungskosten. Auch „zentralistische Eingriffe in die Preisbildung“ von Medikamenten verbat sich der BDI. Darüber hinaus sollten die Krankenkassen unbesehen die Kosten für jede neu auf den Markt kommende Arznei übernehmen. Natürlich durfte in dem Papier auch eine Kritik am „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ nicht fehlen, das Kosten/Nutzen-Analysen von Arzneimitteln durchführt und dabei nach Meinung von BAYER & Co. allzu oft zu negativen Ergebnisse kommt. Aber mit einer weiteren Loslösung vom Solidarprinzip hat das „gesundheitswirtschaftliche Innovationskonzept“ den Konzernen zufolge nichts zu tun, „ohne Wenn und Aber“ sprachen sie sich gegen eine Zwei-Klassen-Medizin aus.

Verheugen kämpft gegen Werbeverbot
Das Pillengeschäft könnte noch mehr Profite abwerfen, wenn die Hersteller für verschreibungspflichtige Medikamente werben dürften. Deshalb versuchen BAYER & Co. seit geraumer Zeit, das EU-Reklameverbot zu Fall zu bringen. Den Industrie-Kommissar der EU, Günter Verheugen, haben sie dafür als Bündnispartner gewonnen. Trotzdem liegt sein Gesetzesvorschlag vorerst auf Eis, weil viele ParlamentarierInnen eine Kosten-Explosion durch eine aggressive Reklame für teure Arzneien befürchten. Der SPD-Politiker versuchte daher kurz vor Ende seiner Amtszeit noch, Medikamenten-Fälschungen als Argument dafür anzuführen, den Pharma-Riesen mehr Raum für das zuzubilligen, was sie „Informationen“ nennen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Klima-Manager Wenning?
Aus unerfindlichen Gründen ließ der Berliner Tagesspiegel in seiner Reihe „Die Klima-Manager“ auch BAYER-Chef Werner Wenning zu Wort kommen. Der gibt sich zunächst reumütig: „Die Industrie ist Teil des Problems“, nimmt dann aber flugs für sich in Anspruch, zur Lösung beitragen zu können. Gemeint ist allerdings lediglich ein Klimakrisen-Management aus dem Ackergiftschrank des Multis. So können Wenning zufolge bestimmte Pestizide den Pflanzen helfen, mit den Folgen des Klimawandels wie etwa Trockenheit umzugehen. Eine „zweite grüne Revolution“ nennt der Vorstandsvorsitzende das unbescheiden. Alleine machen will er sie jedoch nicht. „Die öffentlichen Ausgaben für Agrarforschung und landwirtschaftliche Infrastruktur reichen dafür noch nicht aus“, meint er und fordert frech Subventionen.

BAYER sponsert Klima-SkeptikerInnen
Der Leverkusener Multi bläst jährlich 7,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft und setzt weiter auf klimaschädigende Kohle- und Müllkraftwerke. Darum hat er auch ein großes Interesse daran, das Problem „Klimawandel“ zu verharmlosen und unterstützt Denkfabriken, die diesen Job für das Kapital erledigen. So gehört der Konzern zu den Sponsoren des „Science Media Centers“ und des „Institute of Ideas“, das sich daneben auch gut auf Pro-Gentech-PR versteht.

Greenwashing zum G20-Gipfel
Der diesjährige G20-Gipfel der weltgrößten Industrieländer fand in Pittsburgh statt, dem Sitz von BAYERs US-amerikanischem Hauptquartier. Der Leverkusener Multi legte sich daher mächtig ins Zeug, um sich trotz seines jährlichen Kohlendioxid-Ausstoßes von 7,6 Millionen Tonnen als Umweltengel zu präsentieren und begrüßte die Staatenlenker mit großen „Welcome“-Bannern.

BAYER lädt zum Gynäkologie-Kongress
Der Leverkusener Multi hat mit QLAIRA ein neues Verhütungsmittel kreiert. Um dieses auch auf die Rezeptblöcke zu bringen, lud er 700 FrauenärztInnen ins Berliner Hotel Andel‘s zu dem Kongress „GynSights“ ein. Prof. Dr. Alfred O. Mueck und Dr. Anneliese Schwenkhagen gestalteten den Werbeblock für die Antibabypille, der nur von einigen Workshops zu gynäkologischen Themen unterbrochen wurde. Zu allem Übel firmiert das Ganze auch noch unter „Weiterbildungsmaßnahme“. „Diese Fortbildung haben wir bei der zuständigen Ärztekammer zur Zertifizierung eingereicht“ lässt BAYER die ÄrztInnen-Schar auf der Einladung wissen.

Werbekosten: vier Milliarden Dollar
Nach eigenen Angaben belaufen sich die jährlichen Marketing-Kosten von BAYER auf vier Milliarden Dollar. Allein in den USA investiert der Konzern 840 Millionen Dollar.

VI gibt TransGen-Trägerschaft auf
Die „Verbraucher Initiative“ (VI) ist mehr eine Konzern-Initiative. So hat sie sich ihr Gentechnik-Informationsportal TransGen von BAYER und anderen Gen-Giganten bezahlen lassen, was nicht ohne Einfluss auf die Berichterstattung blieb. Im November 2009 gab die VI nun endlich die Trägerschaft auf. Das Propaganda-Portal existiert jedoch weiterhin.

Standort-Kampagne in Leverkusen
BAYER spielt seinem Stammsitz Leverkusen seit längerer Zeit übel mit. Das Werk schrumpft und schrumpft und damit auch die Zahl der Arbeitsplätze, die Gewerbesteuer fließt nur noch spärlich und die vielbeschworene BAYER-Familie wird dysfunktionaler und dysfunktionaler. Was tun Konzerne in einem solchen Fall? Sie starten eine Image-Kampagne, die Eintracht beschwört. Und so heißt es nun: „Leverkusen und BAYER. Ein starkes Team“. Anzeigen beschwören den „Heimvorteil Leverkusen“, auf einer extra eingerichteten Internet-Seite betreibt der Multi Lokalpolitik und ein Fotowettbewerb zum Thema ist ebenfalls in Planung.

DRUGS & PILLS

Wieder eine YAZ-Tote
Im September 2009 erlitt eine 21-jährige Schweizerin nach der Einnahme von BAYERs Verhütungsmittel YAZ eine Lungenembolie und starb. Obwohl das Embolie-Risiko bei den Drospirenon-haltigen Kontrazeptiva wie YAZ um das 1,75fache höher liegt als bei den älteren Präparaten der 2. Generation, sah die zuständige Aufsichtsbehörde „Swissmedic“ auch nach dem neuerlichen tragischen Fall keine Veranlassung, die Pillen der YASMIN-Produktfamilie vom Markt zu nehmen. Das Heilmittel-Institut rät den MedizinerInnen lediglich zur Vorsicht. So sollen diese beim Verschreiben YASMIN & Co. auf die Gefahren aufmerksam machen; nur bei Frauen mit Hautleiden legte die Einrichtung den Einsatz der Mittel nahe. Zudem verlangt „Swissmedic“ eine Änderung des Beipackzettels - und mehr Folgen als eine andere Packungsbeilage dürfte der Pharma-GAU auch in der Bundesrepublik nicht haben.

Antibiotika nicht lukrativ
Antibiotika wie BAYERs CIPROBAY wirken gegen immer mehr Krankheitserreger nicht mehr. Das stört den Leverkusener Chemie-Multi aber kaum. Er gehört nicht zu den wenigen Pharma-Riesen, die nach Alternativen forschen. Antibiotika zählen nämlich nicht gerade zu den Kassenschlagern auf dem Pillen-Markt. Die MedizinerInnen verschreiben sie nur für wenige Tage, und neue Mittel haben die ÄrztInnen für besonders schwierige Fälle zurückzuhalten. „Medikamente, die Patienten über viele Jahre einnehmen müssen, sind viel lukrativer“, so Petra Gastmeier vom „Institut für Hygiene“ der Berliner Charité.

Senkt ASPIRIN das Darmkrebs-Risiko?
Nach einer neuen britischen Studie senkt ASPIRIN das Darmkrebs-Risiko. Die WissenschaftlerInnen warnen trotzdem vor einer vorbeugenden Einnahme des „Tausendsassas“, da er schwere Nebenwirkungen wie Magenbluten hat. Frühere Untersuchungen belegten einen Effekt von ASPIRIN nur auf eine bestimmte Art von Darm-Tumoren, weshalb die ForscherInnen ebenfalls von einer Gabe des Medikamentes zur Prophylaxe abrieten. Die einzige bisher durchgeführte Langzeitstudie sprach dem Mittel sogar jeden Nutzen bei der Darmkrebs-Prävention ab.

Keine Infarkt-Prävention mit ASPIRIN
BAYER vermarktet ASPIRIN mit großem Aufwand auch als Mittel zur Herzinfarkt-Prävention. Eine neue, im Drugs and Therapeutics Bulletin veröffentlichte Studie hat jetzt den Nutzen untersucht und kam zu einem negativen Ergebnis. Bei gesunden Menschen beugt der Tausendsassa einem Herzinfarkt nicht vor, während er das Risiko verdoppelt, innere Blutungen zu erleiden.

Brasilien: Kinder-ASPIRIN vom Markt
In Ländern der Dritten Welt vermarktet der Leverkusener Multi ASPIRIN als Allheilmittel und bietet es auch in einer Version für Kinder an, obwohl es gerade für Jüngere gravierende Risiken und Nebenwirkungen hat. So kann es bei Kindern mit Fiebererkrankungen das Reye-Syndrom auslösen, eine lebensbedrohliche Erkrankung der Leber und des Gehirns. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert BAYER deshalb seit Jahren auf, das Präparat vom Markt zu nehmen. Endlich hat der Konzern nun einen ersten Schritt gemacht und für Brasilien einen Verkaufsstopp verkündet.

FDA prüft MAGNEVIST
BAYERs Röntgen-Kontrastmittel MAGNEVIST hat bei vielen Nierenkranken eine nephrogene systemische Fibrose, ein lebensgefährliches unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, ausgelöst, weshalb den Gerichten bereits über 200 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen vorliegen (Ticker 2/09). Jetzt schreitet auch die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA ein. Ein Ausschuss beschäftigt sich mit den Risiken von MAGNEVIST und anderen Kontrastmitteln. Allzu viel Unbill hat der Leverkusener Multi jedoch nicht zu erwarten. Es dürfte mit einer Veränderung der Anwendungsempfehlungen getan sein.

Hormon-Therapie weiter geduldet
Für BAYER machen typische Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche eine Hormon-Therapie unausweichlich. Auch kosmetische Gründe lassen dem Konzern zufolge einen Pharma-Einsatz angeraten erscheinen: Sie machen angeblich die Haut straffer. Zudem nutzt das Unternehmen die Angst als Verkaufsargument. Angeblich beugen Hormone der Osteoporose vor und wirken präventiv gegen Demenz. Nach Untersuchungen ist das Gegenteil der Fall: Hormone steigern sogar das Risiko, an Demenz zu erkranken. „Ein riesiges, unkontrolliertes Experiment mit den Frauen“ nennt das arznei-telegramm deshalb das „Menopausen-Management“. Darüber hinaus schädigen Hormon-Therapien nach einer in der Fachzeitschrift Proceedings veröffentlichten Studie das Gehör. Und trotz all dieser Befunde rät die „Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe“ auch in ihren jüngst veröffentlichten Leitlinien noch immer nicht von den Produkten ab.

LEVITRA & Co. sprengen Rentenkassen
In Brasilien heiraten immer mehr Männer um bis zu 30 Jahre jüngere Frauen, was die Sozialkassen sprengt, weil es den Staat überfordert, mehr als 15 Jahre lang Witwen-Renten auszuzahlen. BeobachterInnen führen diese Änderung im Paarungsverhalten auf den massenhaften Konsum von VIAGRA, BAYERs LEVITRA und anderen Potenzmitteln zurück und sprechen vom „VIAGRA-Effekt“.

LEVITRA als Schmelztablette
BAYER machte mit der Potenzpille LEVITRA im Geschäftsjahr 2008 einen Umsatz von 341 Millionen Euro. Das reicht dem Leverkusener Multi offenbar nicht. Er plant nämlich, das Präparat auch als Schmerztablette auf den Markt zu bringen, weil zur Einnahme dann kein Wasser mehr nötig ist, und hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Sollten die Zulassungsbehörden ihn genehmigen, dann kommen bald wohl noch mehr Männer in den Genuss der zahlreichen Nebenwirkungen des Mittels. Temporärer Gedächtnisverlust, zeitweilige oder dauerhafte Hörschäden, Sehstörungen bis zum Sehverlust, Schwindel, Höhenangst, Kopfschmerzen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome sowie Gesichtsrötungen zählen dazu.

BAYER kauft Krebsmittel
Der Leverkusener Multi hat sich von dem norwegischen Pharma-Unternehmen ALGETA die Vermarktungsrechte an einem Krebs-Therapeutikum gesichert. Das sich momentan in der letzten Phase der klinischen Erprobung befindende Mittel soll angeblich Krebszellen mittels Alpha-Strahlung zerstören und dabei das gesunde Gewebe schonender behandeln als vergleichbare Produkte.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Bienensterben global
Im vorletzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Frankreich hat die Ausbringung von bestimmten Pestiziden wie dem vom Leverkusener Multi hergestellten GAUCHO bereits seit längerem streng reglementiert, während Italien das Mittel ganz verboten hat. In Staaten, die keine Maßnahmen getroffen haben, setzt sich indessen das Bienensterben fort. Aktuell haben ImkerInnen in Polen und Argentinien große Verluste zu beklagen.

Gepanschte Pestizide
In Brasilien hat der Leverkusener Multi seine Pestizide nach ganz eigenen Rezepten zusammengebraut und ohne Genehmigung gefährliche Mixturen angerührt (siehe auch SWB 4/09). Das stellte die brasilianische Gesundheitsbehörde „Agência Nacional de Vigilância Sanitária“ (Anvisa) bei einer Inspektion des BAYER-Werks in Belford Roxo fest. Sie ordnete daraufhin einen vorläufigen Verkaufs- und Produktions-Stopp für zwölf Ackergifte an. Auch mit einer Strafe in Höhe von 1,5 Millionen Real (rund 580.000 Euro) muss der Konzern rechnen.

Pestizide in Kräutern und Gewürzen
GREENPEACE hat Kräuter und Gewürze nach Pestizid-Rückständen untersucht und wies in einem Viertel der 37 Proben Spuren nach. Auch Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind, waren mit von der Partie. Unter anderem stießen die WissenschaftlerInnen auf Chlorpyrifos, Imidacloprid, Methomyl, Thiabendazol und das hierzulande längst verbotene Methamidophos.

OBERON schädigt Orchideen
In Neuseeland hat das BAYER-Pestizid OBERON die Ernten von Orchideen-ZüchterInnen zerstört (siehe auch SWB 4/09). Der Leverkusener Multi musste das Ackergift nach dem Flurschaden aus dem Verkehr ziehen; inzwischen hat er jedoch eine Wiederzulassung für Tomaten- und Paprika-Kulturen erreicht. Rund 20 Prozent der Erträge hat das Insektizid auf dem Gewissen; der Einnahme-Verlust für die ZüchterInnen beträgt vier Millionen neuseeländische Dollar. Der Konzern hat den Betroffenen eine Entschädigung angeboten, aber mehr als die Hälfte lehnte ab. Viele der Orchideen-PflanzerInnen mussten nach dem GAU nämlich ihr Geschäft aufgeben, weil es zu lange dauern würde, die Blumen wieder in derselben Art zu kultivieren. Der Züchter Paul Hulshof hat aus Protest gegen das Zerstörungswerk des Agro-Multis eine LKW-Ladung kaputter Orchideen vor der neuseeländischen BAYER-Zentrale in Glenfield ausgekippt.

Tomaten-Rückruf wg. VOLARE
In Italien hat sich BAYERs Antipilzmittel VOLARE (Inhaltsstoffe: Propamocarb-Hydrochlorid und Fluopicolid) auf Tomatenfeldern vorzeitig zersetzt und einen üblen Chlorgeruch verströmt. Die Behörden mussten deshalb eine große Tomaten-Rückrufaktion starten.

Soja-Boom treibt Pestizid-Verbrauch
Im brasilianischen Bundesstaat Matto Grosso hat sich die Soja-Anbaufläche von 1998 bis 2008 verdreifacht. Dementsprechend wächst der Pestizid-Verbrauch. Neben Paraquat und Duquat kommt dabei auch das in Europa seit langem verbotene Endosulfan zum Einsatz, das zur Produktpalette von BAYER gehörte. Nach Aussage des Universitätsprofessors Wanderlei Antonio Pignati haben die Ackergifte die Kranken-Raten massiv steigen lassen. Allein in Sorriso, „der Hauptstadt des Soja“, haben die Krebserkrankungen und Missbildungen seit dem Boom um das Fünffache zugenommen. Auch Lungenkrankheiten und Allergien treten vermehrt auf. Zu allem Unglück nutzen die Soja-Barone die Agro-Chemikalien sogar dazu, um Kleinbauern und -bäuerinnen zu vertreiben, indem sie die Dörfer regelrecht mit Endosulfan & Co. einnebeln.

Pestizide fördern Dengue-Fieber
In Südamerika breitet sich das Dengue-Fieber immer stärker aus. Die eigentlich seit den 50er Jahren als eingedämmt geltende Krankheit hat sich inzwischen zu einer regelrechten Epidemie entwickelt. In Bolivien starben 2009 bereits 20 Menschen, in Brasilien 38. In diesen beiden Ländern und Argentinien erkrankten bisher insgesamt 68.000 Menschen. Der Agronom Alberto Lapolla führt den Anstieg der Zahlen neben dem Klimawandel, welcher den Moskitos als Überträgern bessere Lebensbedingungen bietet, auf den mit der Ausweitung des Soja-Anbaus einhergehenden exzessiven Pestizid-Einsatz zurück. Agrochemikalien wie Glyphosat, das nicht nur in MONSANTOs ROUNDUP, sondern auch in den BAYER-Produkten GLYPHOS, KEEPER und USTINEX enthalten ist, vergiften Lapolla zufolge nämlich Fische, Frösche, Kröten und andere natürliche Feinde der Moskitos. „Wir können ohne Übertreibung feststellen, dass die Amphibien in den Sojaanbau-Gebieten der Vergangenheit angehören. Sie wurden von den Pestiziden vernichtet, die bei der Aussaat verwendet werden“, so Lapolla.

Pestizide erhöhen Parkinson-Risiko
Pestizide haben Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem, darum befördern sie viele Krankheiten. Besonders Menschen, die täglich mit Agrochemikalien umgehen, gefährden ihre Gesundheit. So erhöhen Ackergifte das Risiko, an Parkinson zu erkranken, beträchtlich. Permethrin, das unter anderem in BAYERs Insektenmittel COOPEX und der gegen Flöhe wirkenden Tier-Arznei ADVANTIX enthalten ist, lässt diese Gefahren um das Dreifache ansteigen. Das wies eine neue, in den Archives of Neurology veröffentlichte Studie nach.

Immer mehr Pestizide
BAYER & Co. produzieren immer mehr Pestizide. Die in der Bundesrepublik hergestellte Wirkstoff-Menge wuchs 2008 im Vergleich zum Vorjahr von 86.733 Tonnen auf 115.756 Tonnen - eine Erhöhung um 33,5 Prozent! Auch der Export nahm zu. Er stieg von 101.565 auf 108.931 Tonnen an.

GENE & KLONE

NEXAVAR bei Schilddrüsenkrebs?
Der Leverkusener Multi versucht unentwegt, das Anwendungsspektrum seiner zur Behandlung von fortgeschrittenem Nieren- und Leberkrebs zugelassenen Gentech-Arznei NEXAVAR zu erweitern. Für die Indikation „Schilddrüsenkrebs“ hat gerade die dritte und letzte Testphase begonnen. Entsprechende Versuche laufen auch zur Therapie von Brust- und fortgeschrittenem Lungenkrebs; bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs versagte das Medikament dagegen.

NEXAVAR wieder zu teuer
Nicht nur der Berliner Krebs-Spezialist W.-D. Ludwig beurteilt den Wert von neuen Krebsmedikamenten kritisch (siehe AKTION & KRITIK). Das britische Pendant zum bundesdeutschen „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“, die Sondergesundheitsbehörde NICE, kommt zum selben Ergebnis. Sie unterzog BAYERs zur Behandlung von Leberkrebs zugelassene Gentech-Arznei NEXAVAR einer Kosten/Nutzen-Analyse und stellte ein schlechtes Zeugnis aus. Deshalb ersetzen die Krankenkassen die Kosten nicht. Zuvor war die NICE schon zum Nierenkrebs-NEXAVAR nicht „nice“ gewesen.

Krebs-Antikörper erreicht Testphase
Das Biotech-Unternehmen MORPHOSYS entwickelt für BAYER einen Antikörper, der ein Molekül ausschalten soll, das eine Rolle bei Krebserkrankungen spielt. Inzwischen sind die Forschungen so weit gediehen, dass die erste Phase der klinischen Tests beginnen kann. Die Konkurrenz hat gegenüber dem Konzern allerdings einen Vorsprung. Der Antikörper des Unternehmens WILEX, der dasselbe Ziel anvisiert wie der des Leverkusener Multis, befindet sich bereits in der Endrunde der Erprobung.

Raps-Genom entschlüsselt
BAYER hat gemeinsam mit der „University of Queensland“, dem Pekinger Genomics-Institut und dem niederländischen Unternehmen KEYGENE das komplette Erbgut der Rapssorte Canola entschlüsselt. Der Leverkusener Multi will die Erkenntnisse zur Beschleunigung seiner Forschungs- und Zuchtprogramme nutzen. So hat der Konzern vor, den Ölgehalt der Pflanzen zu erhöhen. Solchermaßen angereicherter Raps eignet sich besonders gut als Rohstoff für die Agrosprit-Produktion, die immer mehr Ackerflächen in Anspruch nimmt und so die ausreichende Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln gefährdet.

BAYER kauft neue Gentechnik ein

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Der Leverkusener Multi hat vom US-Unternehmen CHROMATIN die Nutzungsrechte an einer Technologie erworben, die es erlaubt, mehrere Gene auf ein Chromosom zu übertragen. Der Konzern will dieses Verfahren unter anderem bei der Produktion seiner Baumwoll-Pflanzen nutzen.

BAYER kauft neue Gentechnik ein

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Der Leverkusener Multi hat das US-amerikanische Biotech-Unternehmen ATHENIX gekauft. Nach BAYER-Angaben verfügt ATHENIX über eine „umfangreiche Entwicklungsplattform von Pflanzen-Eigenschaften“ zur konventionellen Einzüchtung sowie „über die branchenweit größte Kollektion von so genannten Bt-Genen“, die das Ackerfrüchte-Erbgut mit dem für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis bestücken. Auch gegen Fadenwürmer hat die Firma etwas im Angebot. Zudem hat sie Lizenz-Abkommen mit Konzernen geschlossen, die jährlich 500 Millionen Euro einbringen.

Neues Baumwoll-Forschungszentrum
Baumwolle - gentechnisch manipuliert, konventionell oder mit eingezüchteten Sondereigenschaften - gehört zu den Kerngeschäften BAYERs. Deshalb hat der Agro-Multi jetzt auch im texanischen Lubbock ein neues Zentrum für Baumwollforschung und -züchtung in Betrieb genommen.

WASSER, BODEN & LUFT

PCB-Verbrennung: 15.000 Tonnen
Besonders wegen ihrer langen Halbwertzeit zählen Polychlorierte Biphenyle (PCB) zu den gefährlichsten Chemikalien überhaupt. Obwohl bereits seit 1985 verboten, ist die Substanz, zu deren Hauptanbietern BAYER gehörte, noch nicht aus dem Alltag verschwunden und überdauert beispielsweise als Isoliermaterial in Gebäuden. Und wenn etwa Sanierungsmaßnahmen anstehen, findet das PCB auch seinen Weg zurück zu BAYER und landet in den Sondermüll-Verbrennungsanlagen des Konzerns. Allein der Leverkusener Ofen schluckt jährlich 15.000 Tonnen - und spuckt angeblich kaum PCB-Rückstände aus.

Warnung vor Tabun
Etwa 6.000 Giftgas-Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg liegen zweieinhalb Seemeilen vor Helgoland in der Nordsee (Ticker 2/09). Bestückt sind sie mit dem Kampfstoff Tabun, den Gerhard Schrader 1936 im Leverkusener BAYER-Werk entwickelt hatte. Nach Einschätzung der schleswig-holsteinischen Katastrophenschutz-Behörde ist die Substanz durch Seewasser, Druck und Korrosion schon lange aus den Geschützen ins Meer entwichen. Das „Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrologie“ hat deshalb davor gewarnt, in dem Gebiet „grundnahe Fischerei“ zu betreiben. Eine Bergung oder andere Maßnahmen planen die zuständigen Institutionen derzeit nicht.

Wolfenbüttel: Bodensanierung beendet
Im letzten Jahr hat BAYER die Pestizid-Produktion am Standort Wolfenbüttel aufgegeben und ein verseuchtes Werksgelände hinterlassen. Nicht nur 325 Kilogramm Pestizide schlummern im Erdreich, sondern auch 3.000 Kilogramm Benzol sowie Lösungsmittel, Mineralöle und Schlacken. Für den größten Schadstoff-Eintrag hatte 1978 - damals betrieb SCHERING auf dem Gelände eine Chemie-Produktion - eine Explosion gesorgt, denn mit dem Löschwasser versickerte ein ganzer Chemie-Cocktail (Ticker 3/09). Die Sanierung des Grunds gestaltete sich schwierig. Im Laufe der Arbeiten entdeckten die Fachleute noch mehr Schadstoffe und erweiterten ihren Aktionsradius um 200 Quadratmeter. Im November 2009 hatten sie dann auf 1.200 Quadratmetern bis zu einer Tiefe von acht Metern Erde ausgehoben und beendeten ihre Tätigkeit. Die Reinigung des Grundwassers allerdings dürfte noch lange dauern. Der Geologe Jürgen Röhrs veranschlagt dafür 50 Jahre; BAYER will es hingegen in einer Dekade schaffen.

Antwerpen: Stadt gegen Kraftwerk
Der Energie-Riese E.ON will für BAYER am Standort Antwerpen ein Kohlekraftwerk mit einer Leistung von 1.100 Megawatt bauen. Die Stadt hat sich jetzt angesichts der zu erwartenden Kohlendioxid-Emissionen von ca. sechs Millionen Tonnen und des Schadstoff-Ausstoßes gegen das Projekt ausgesprochen. Ein Aus für die Dreckschleuder bedeutet dieses Votum jedoch nicht.

CO2: Darf‘s ein bisschen weniger sein?
7,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid hat BAYER im Jahr 2008 produziert. Nun hat der Konzern angekündigt, diese Menge bis zum Jahr 2013 um zehn Prozent reduzieren und die Emissionen mittels eines neuen Verfahrens zu Chlor-Herstellung weiter senken zu wollen. Klimawende sieht anders aus.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Bisphenol in Schnullern
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) wirkt hormon-ähnlich und kann deshalb die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen sowie Diabetes und Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern. Eine neue Studie, die der BUND gemeinsam mit GLOBAL 2000 in Auftrag gab, hat nun eine hohe Bisphenol-Konzentration in Schnullern festgestellt. 400 Mikrogramm pro Kilogramm wiesen die WissenschaftlerInnen nach.

Sexualstörungen durch Bisphenol
Das von BAYER massenhaft produzierte Bisphenol A kann nach einer von US-amerikanischen und chinesischen WissenschaftlerInnen gemeinsam durchgeführten Studie das Geschlechtsleben beeinträchtigen. Menschen, die an ihrem Arbeitsplatz mit der Chemikalie in Kontakt kamen, klagten den ForscherInnen zufolge deutlich häufiger über Ejakulationsstörungen, Erektionsprobleme und Unlustgefühle.

Phthalate stören Geschlechtsentwicklung
Phthalate und andere Weichmacher beeinträchtigen die Geschlechtsentwicklung. Da die von BAYER in großen Mengen hergestellten Stoffe hormon-ähnlich wirken, stören sie die Produktion von Testosteron. So beobachteten ForscherInnen bei Kindern zwischen drei und sechs Jahren, die im Mutterleib hohen Weichmacher-Konzentrationen ausgesetzt waren, ein markant unmännlicheres Spielverhalten als bei ihren unbelasteten Altersgenossen.

Modernisierung der Chlorproduktion?
BAYER gehört zu den letzten Chlor-Herstellern, die noch das veraltete Amalgam-Verfahren einsetzen, bei dem das hochgefährliche Schwermetall Quecksilber emittiert wird - mittelständische Betriebe haben ihre Anlagen längst umgerüstet. Nun hat der Chemie-Multi am Standort Krefeld endlich auch Modernisierungsmaßnahmen angekündigt. Allerdings stellte er diese erpresserisch unter Vorbehalt: Nur wenn es ein „Ja“ zur Kohlenmonoxid-Pipeline und zum Kohlekraftwerk gibt, will er die nötigen Investitionen vornehmen.

CO & CO.

Pipeline nicht erdbebensicher
In der Niederrheinische Bucht gibt es nach Aussage des Diplom-Physikers Klaus Lehmann vom „Geologischen Dienst NRW“ eine „moderate Erdbeben-Gefährlichkeit“. Die letzte größere Erderschütterung hatte eine Stärke von 5,9. Sie ging vom niederländischen Roermond aus und war bis Krefeld spürbar. Im Damenbecken des Schwimmbades entstanden Risse, weshalb die Stadt die Badeanstalt schloss. Deshalb muss BAYERs von Dormagen nach Krefeld verlaufende Kohlenmonoxid-Pipeline auch absolut erdbebensicher sein. Dies ist aber nach Einschätzung des „Geologischen Dienstes“ „bislang nicht ausreichend nachgewiesen“. Die Behörde hält in ihrem Gutachten zusätzliche Untersuchungen und Berechnungen für erforderlich, um beispielsweise Bodenrutschungen ausschließen zu können. BAYER weist die Kritik zurück: „Unsere Experten und der TÜV kommen zu anderen Schlussfolgerungen. Daran halten wir uns“.

CDUler fordern Pipeline-Stopp
Vier CDU-Landespolitiker haben in einem Offenen Brief an BAYER-Chef Werner Wenning einen Stopp der umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline gefordert. „Beenden Sie sofort das Projekt CO-Pipeline. Tödlich giftiges Gas wie CO muss am Entstehungsort verarbeitet werden - in keinem Fall gehört es in eine Leitung, die durch Wohngebiete, Schulgelände und Kindertagesstätten geführt wird“, heißt es in dem Schreiben. Wenning zeigte sich wenig beeindruckt. „Unsere Pipeline erfüllt den höchsten Sicherheitsstandard“, versicherte er wieder einmal. Der BAYER-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Thomas de Win sprang seinem Boss bei, sprach von „platten Vorwürfen“ und warf den PolitikerInnen vor, auf Kosten des Leverkusener Multis Wahlkampf betreiben zu wollen.

Uhlenberg übt Kritik
Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte der Firma WINGAS als Bauherr von BAYERs umstrittener Kohlenmonoxid-Pipeline vorgeschrieben, den Boden vor Beginn der Verlegungsarbeiten sorgfältig mit Detektoren nach Fliegerbomben und anderen Kampfmitteln zu durchsuchen. Das Unternehmen kam dieser Aufforderung jedoch nur unvollständig nach (Ticker 3/09). Deshalb geht nun auch der nordrhein-westfälische Umweltminister Eckard Uhlenberg auf Distanz zum Bau. Er habe das Vertrauen in WINGAS verloren, erklärte der CDU-Politiker vor dem Umweltausschuss des Landtages. Ein hoher Beamter des Innenministeriums warf der Firma sogar vor, die Landesregierung belogen zu haben.

Pipeline-Baustelle als Holzlager
In Solingen haben Waldarbeiter die Pipeline-Baustelle als Holzlager benutzt und direkt über der Leitung Pfähle in den Boden gerammt. Da die Pflöcke nicht weit genug in die Erde reichten, hätte keine Gefahr bestanden, die Rohre zu beschädigen, gab die Stadt umgehend Entwarnung. Die Bezirksregierung forderte BAYER zu einer Stellungsnahme auf. Diese gab der Leverkusener Multi auch ab, und Regierungspräsident Jürgen Büssow ließ es dabei bewenden.

Sicherheitsstandards gesenkt
Die Bezirksregierung hat erneut die Sicherheitsstandards von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline gesenkt. Sie hat die überirdischen Stationen, die bei einem Störfall für eine Absperrung der verschiedenen Leitungsabschnitte sorgen sollen, aus der Explosionsschutzzone gestrichen und damit den bisher 66 Änderungsbescheiden einen weiteren hinzugefügt. Ähnlichkeiten der jetzt gebauten Pipeline mit dem von der Bezirksregierung genehmigten Projekt sind nur noch rein zufällig. „Wieder wurde - ohne öffentliche Beteiligung - ein Standard verändert, der vorher zweieinhalb Jahre Gültigkeit besaß. Das ist keine Petitesse“, kritisierte Dieter Donner als Sprecher der Pipeline-GegnerInnen.

NANO & CO.

Nano-Warnungen vom Umweltbundesamt
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. Da sich diese durch eine besondere Festigkeit auszeichnen und weitere vorteilhafte Material-Eigenschaften besitzen, erwartet der Leverkusener Multi von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze. Deshalb errichtet er derzeit die weltgrößte Anlage nur Produktion von Nano-Kohlenstoffröhrchen, den so genannten BAYTUBES. Um mögliche Gesundheitsgefahren schert der Konzern sich nicht weiter - im Gegensatz zum Umweltbundesamt (UBA). Die Behörde hat eine Broschüre zur Nano-Technologie veröffentlicht, die wegen der dort aus der wissenschaftlichen Literatur zusammengestellten Risiken und Nebenwirkungen einigen Wirbel auslöste. So gibt es laut UBA Hinweise auf eine asbest-ähnliche Wirkung von Kohlenstoffröhrchen. Besonders für die Atemwege stellen die Winzlinge eine Bedrohung dar. Die Partikel können aber auch in Organe eindringen, die Blut/Hirn-Schranke überwinden oder zu den Zellkernen vorstoßen - mit bisher noch überhaupt nicht erforschten Folgen. Diese Material-Eigenschaften gefährden desgleichen Tiere und Ökosysteme. Wasserflöhe hat der Kontakt mit Nano-Stoffen nach Beobachtung von WissenschaftlerInnen schon dahingerafft, und für Wasser, Boden und Luft versprechen die Teilchen ebenfalls nichts Gutes. Nach dem unerwartet breiten Medien-Echo musste das Umweltbundesamt zurückrudern und Entwarnung geben. „Man darf nicht nur über die Risiken diskutieren, sondern auch über die Chancen“, meinte Autor Wolfgang Dubbert und stellte segensreiches Nano-Wirken auf den Gebieten des Umwelt- und Gesundheitsschutzes in Aussicht.

STANDORTE & PRODUKTION

Krefeld: Zusagen unter Vorbehalt
Im neuen Standortsicherungsvertrag (siehe auch KAPITAL & ARBEIT) hat BAYER dem Krefelder Werk Bestandschutz gewährt - allerdings unter Vorbehalt. Nur bei einem „Ja“ zur umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline und zum Kohlekraftwerk erklärt der Leverkusener Multi sich bereit, 200 Millionen Euro zu investieren und Auslastungsgarantien abzugeben.

Monheimer Substanz-Bibliothek erweitert
BAYER hat für ca. fünf Millionen Euro die Substanz-Bibliothek am Standort Monheim erweitert. In dem Hochregal-Lager „archiviert“ der Konzern 2,2 Millionen Chemie-Stoffe, die den Grundstock zur Entwicklung neuer Ackergifte bilden.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER kauft ATHENIX
Der Leverkusener Multi hat für knapp 250 Millionen Euro das US-amerikanische Biotech-Unternehmen ATHENIX gekauft (siehe auch GENE & KLONE).

Chemie„park“-Kooperation mit China
Die BAYER-Chemie„parks“ in Leverkusen, Dormagen und Krefeld haben ein Kooperationsabkommen mit einem chinesischen Pendant, dem „Nanjing Chemical Industry ‚Park‘“ geschlossen und einen Informationsaustausch, gemeinsame Weiterbildungsaktivitäten sowie eine Überlassung von Beschäftigten vereinbart. Einfädelt hatte den Deal Nordrhein-Westfalens landeseigene Wirtschaftsförderungsgesellschaft NRW.INVEST, weshalb die Verträge auch während der China-Reise von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers unterzeichnet wurden.

ÖKONOMIE & PROFIT

697 Patente angemeldet
Unaufhörlich treibt BAYER die Privatisierung von Wissen mittels Patentierungen voran. Im Jahr 2008 hat der Leverkusener Multi 697 entsprechende Anträge gestellt, die ihm profitträchtige Monopolstellungen sichern sollen.

BAYER & Co. dominieren Wirtschaft
Über drei Millionen umsatzpflichtige Firmen existieren in der Bundesrepublik. 99,7 Prozent davon sind kleine und mittlere Unternehmen, 0,3 Prozent Multis wie BAYER. Allerdings landen 62 Prozent des Umsatzes bei den Global Playern.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Phosgen-Austritt in Dormagen
Am 28.11.2009 trat im Dormagener BAYER-Werk aus einer Pilotanlage Phosgen aus, das extrem giftig ist und im Ersten Weltkrieg als Kampfgas zum Einsatz kam. Zum Schutz zog der Multi eine Dampfwand aus - ebenfalls gesundheitsschädlichem - Ammoniak auf.

Blausäure-Austritt in Institute
Die Pannenserie in Institute hält an. War es an dem US-amerikanischen BAYER-Standort im August letzten Jahres zu einer Explosion gekommen, in deren Folge zwei Beschäftigte starben, so ereignete sich am 24.10.09 ein erneuter Zwischenfall. Aus einer Destillieranlage traten rund sechs Kilogramm Blausäure aus, von der schon geringste Menge ausreichen, um tödlich zu wirken.

RECHT & UNBILLIG

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Genreis-GAU: BAYER muss zahlen
Im Jahr 2006 war gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt n

[Endosulfan] Pestizidvergiftungen

CBG Redaktion

Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN)
Presse-Information vom 23. Juli 2009

Aktionen gegen Bayer-Pestizid Endosulfan erfolgreich

Die Firma Bayer will nach lang anhaltendem Druck und einer weltweiten Öffentlichkeitskampagne von Organisationen der Zivilgesellschaft das Insektizid Endosulfan bis Ende 2010 vom Markt nehmen.

Seit Jahren setzt sich PAN für die weltweite Beseitigung des Insektenvernichtungsmittels Endosulfan ein, das unter anderem im Baumwollanbau eingesetzt wird. Durch PAN erstellte Dokumentationen über die Giftigkeit von Endosulfan und über Vergiftungsfälle zum Beispiel im Baumwollanbau des afrikanischen Staates Benin zeigen, dass eine so genannte „sichere Anwendung“ nicht möglich ist. Jetzt hat eine internationale Initiative von Organisationen der Zivilgesellschaft in 16 Ländern, darunter auch PAN, Erfolg gehabt. Angeführt wurde die Initiative gegen Endosulfan durch die Firma Pants to Poverty, die organische und Fairtrade Unterwäsche herstellt. Sie rief Menschen dazu auf, konventionelle, alte und gewaschene Baumwoll-Unterhosen kostenlos gegen biologisch produzierte Unterwäsche einzutauschen, um die alten Unterhosen, die unter Verwendung von Endosulfan hergestellt wurden, an die Firma Bayer zu senden. Bayer ist der letzte Großproduzent von Endosulfan. Die Sendungen wurden mit der Forderung verbunden, die Vermarktung von Endosulfan umgehend einzustellen.

Die Firma Bayer reagierte auf die Aktion unter anderem mit der Aussage: „So planen wir die Vermarktung des Wirkstoffes Endosulfan bis zum Jahresende 2010 sukzessive in den Ländern, in denen er noch registriert ist, zu beenden. Dies schließt auch die Nutzung in Baumwolle ein.“

Carina Weber, Geschäftsführerin von PAN Germany: „Immer wieder haben wir Bayer darauf aufmerksam gemacht, dass Endosulfan viele Schäden und Todesfälle verursacht. Diese Entscheidung, die Vermarktung zu beenden, ist daher überfällig.“ Jetzt will sich PAN dafür einsetzen, dass die Firma ihre Ankündigung auch tatsächlich in die Tat umgesetzt.

Endosulfan wird nicht nur mit akuten Vergiftungen, sondern auch mit Geburtsschäden, Autismus und männlichen Reproduktionsschäden in Verbindung gebracht.

Aktion gegen Endosulfan: Unterhosen für Wenning!

Informationen über Endosulfan und Alternativen finden Sie unter folgenden Links:
Problemstoff Endosulfan: http://www.pan-germany.org/download/fs_bw_endosulfan.pdf
For the Inclusion of Endosulfan into the PIC Procedure of the Rotterdam
Convention: http://www.pan-germany.org/download/Endo_0703_PAN-I_PP_PIC_CRC_final2.pdf
Phasing in Alternatives to Endosulfan: http://www.pan-germany.org/download/phasing_in_alternatives_to_endosulfan.pdf
How to Grow Crops without Endosulfan: http://www.pan-germany.org/download/field_guide_without_endosulfan.pdf

[Endosulfan] Pestizide

CBG Redaktion

KAMPAGNE ERFOLGREICH! Der BAYER-Konzern hat als letztes westliches Unternehmen das tödliche Pestizid Endosulfan im Angebot. Die Aktion „Unterhosen für Wenning“ führte mit dazu, dass das Unternehmen nun einen Verkaufs-Stopp ankündigte.

Unterhosen für BAYER-Chef Werner Wenning

Weltweite Protestaktion gegen Produktion und Verkauf des hochgefährlichen Pestizids Endosulfan / Unterhosen-Versand an BAYER in 16 Ländern / Aktion heute in Berlin

Am heutigen 7. Juli, dem Vortag des G8-Gipfels, werden Tausende Menschen in 16 Ländern weltweit gegen den Einsatz lebensgefährlicher Pestizide in der Textilproduktion demonstrieren. Der deutsche BAYER-Konzern und die indische Regierung werden aufgefordert, den Verkauf des Pestizids Endosulfan zu stoppen. BAYER ist das letzte westliche Unternehmen, das den in weltweit 62 Ländern bereits verbotenen Wirkstoff noch produziert.

Auf Initiative des preisgekrönten britischen Fairtrade-Unternehmens Pants to Poverty haben sich Konsumenten, Baumwollfarmer und Textilfabrikarbeiter in aller Welt für eine Aktion der besonderen Art zusammengeschlossen. Am Mittag des 7. Juli werden sie bei der „Global Pants Amnesty“ alte (gewaschene) Unterhosen aus herkömmlicher Produktion sammeln und an die BAYER-Vertretung in ihrem Land senden - versehen mit der Forderung, Endosulfan endlich vom Markt zu nehmen. In Deutschland findet die Aktion heute um 13h in dem Berliner Concept Store für Green Fashion Glore statt (Rosa-Luxemburg-Str. 27) statt. Verbraucherinnen und Verbraucher sind aufgerufen, an der Aktion teilzunehmen. In den indischen Bundesstaaten Maharastra, Andhra Pradesh, Madhya Pradesh und Kerala werden sich 10.000 Farmer und Fabrikarbeiter an den Protesten beteiligen.

Der Einsatz von Pestiziden im herkömmlichen Anbau von Baumwolle führt zu schweren Umwelt- und Gesundheitsschäden, vor allem in Entwicklungsländern wie Indien, Vietnam, Benin, Togo und Tansania. Für eine einzige Unterhose werden in der herkömmlichen Produktion 10ml Pestizide verwendet - im Fall von Endosulfan reicht diese Menge aus, um bei direkter Exposition einen Menschen zu töten. Jahr für Jahr erleiden Millionen Landarbeiter akute Pestizid-Vergiftungen, die zu Krebserkrankungen, Nervenschäden, Atemwegserkrankungen, Geburtsfehlern und Unfruchtbarkeit führen können.

Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass speziell in Indien der Einsatz von Endosulfan dramatisch ansteigt. Die meisten Landarbeiter haben jedoch keinen Zugang zu jeglicher Schutzkleidung. Dort, wo der Endosulfan-Einsatz verboten wurde, sank die Rate von Totgeburten, Missbildungen und neurologischen Schäden deutlich. Studien belegen außerdem, dass Baumwoll-Farmer ihre Gewinne durch biologische und faire Produktion verdreifachen können. Dr. Mohan Kumar, der indische Vergiftungsopfer ärztlich betreut: „Die Beweislage gegen Endosulfan ist eindeutig. Die neuen Studien zeigen uns, dass sich durch einen Verzicht auf Endosulfan nicht nur die Gesundheit der Betroffenen deutlich verbessert, sondern dass Baumwoll-Farmer sogar mehr verdienen können. Die indische Regierung muss die Herstellung und den Export dieses gefährlichen Pestizids endlich beenden.“ Daten der indischen Regierung zeigen, dass Indien in den vergangenen fünf Jahren mehr als 20.000 Tonnen Endosulfan in über 70 Länder exportiert hat.

Ben Ramsden, Gründer von Pants to Poverty: „Die Welt steht enormen sozialen, finanziellen und ökologischen Problemen gegenüber, die wir nicht weiter ignorieren dürfen. Unsere Kampagne zeigt an dem Beispiel der Unterhosen-Herstellung Gut und Böse in der Textilproduktion auf. Zugleich weist sie den Weg in eine bessere Zukunft. Der biologische und sozial verträgliche Landbau ist die Lösung für diese schrecklichen Probleme. Dafür müssen wir eintreten.“

BAYER ist in Indien Marktführer für Pestizide und verkauft dort eine Reihe tödlicher Wirkstoffe. Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren, die das Unternehmen seit über 30 Jahren kritisch begleitet: „Schon 1996 hat BAYER versprochen, alle von der Weltgesundheitsorganisation als ‚extrem gefährlich‘ eingestuften Pestizide vom Markt zu nehmen. 13 Jahre später wird dieses Versprechen noch immer gebrochen. Im Ergebnis werden Jahr für Jahr Tausende von Landarbeitern in aller Welt vergiftet.“

„Warum verkauft BAYER ein Pestizid, das in Deutschland verboten ist, ausgerechnet an arme Bauern in Entwicklungsländern? Wenn BAYER den Verkauf stoppen würde, so wäre dies ein deutliches Signal an die Länder einschließlich Indien, die die Aufnahme von Endosulfan in die Konventionen von Stockholm und Rotterdam blockieren. Diese Konventionen sehen die Eindämmung des Exports von Giftmüll und gefährlichen Chemikalien vor“, ergänzt Linda Craig, Direktorin des Pestizid Aktions Netzwerk in Großbritannien.

Forderungstext (ausdrucken und unterschreiben):

BAYER AG
Vorstandsvorsitzender Werner Wenning
51368 Leverkusen

Sehr geehrter Herr Wenning,

der Einsatz des Pestizids Endosulfan im Baumwollanbau führt zu zahlreichen, oftmals tödlichen, Vergiftungen. Die beigefügte Unterhose aus herkömmlicher Herstellung steht symbolisch für die schweren Schäden, die durch den Einsatz von Agrochemikalien in der Textilproduktion verursacht werden. Ich fordere Sie hiermit auf, Ihrer Verantwortung gerecht zu werden und Endosulfan vom Markt zu nehmen. Ich fordere zudem, dass Sie Ihr Versprechen aus dem Jahr 1995 endlich umsetzen, alle Pestizide der WHO-Gefahrenklasse I vom Markt zu nehmen.

………………………………
(Unterschrift)

Weitere Informationen:
Ravi Matharu (englisch): ravi@iskracomms.com , http://pantstopoverty.com

Hintergrund:
* Das gebrochene Versprechen von Bayer: www.cbgnetwork.de/852.html
* Nach Angaben der WHO sterben in Entwicklungsländern jährlich mindestens 20.000 Menschen durch Pestizidvergiftungen;
* Das Chemical Review Committee der Rotterdam Konvention hat empfohlen, Endosulfan in die PIC Liste aufzunehmen. Das PIC Verfahren regelt den Export gefährlicher Chemikalien;
* Nach Angaben des POPS Review Committee der Stockholm Konvention erfüllt der Wirkstoff die Kriterien eines Persistant Organic Pollutants;
* Die Aufnahme von Endosulfan in die Rotterdam Konventionen wurde von einer kleinen Zahl von Ländern verhindert, obwohl die Conference of Parties eine Aufnahme empfohlen hatte. Das gleiche Vorgehen droht 2011 für die Aufnahme in die Stockholm Konvention.

[Kurzmeldungen] STICHWORT BAYER 03/2009 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Wahlerfolge für Pipeline-GegnerInnen
GegnerInnen der Kohlenmonoxid-Pipeline, die BAYER zwischen den Standorten Dormagen und Krefeld plant, haben sich mit beträchtlichem Erfolg an den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen beteiligt. In Erkrath erreichte ein entsprechendes WählerInnen-Bündnis 18 Prozent, die BÜRGER-UNION in Ratingen kam sogar auf 30 Prozent. Auch bei der Landtagswahl im nächsten Jahr dürfte die umstrittene Gasleitung eine große Rolle spielen.

Erfolgreiche Endosulfan-Kampagne
Die britische Gruppe PANTS TO POVERTY, die sich für ökologischen Baumwoll-Anbau einsetzt und Unterwäsche aus fairer Produktion vertreibt, begann im Juli eine schlüpfrige Kampagne gegen BAYERs Ultragift Endosulfan. Sie forderte die Menschen auf, gebrauchte - aber gewaschene - Unterhosen an den Leverkusener Multi zu senden. Hunderte indische BaumwollfarmerInnen und TextilarbeiterInnen unterstützten die Aktion ebenso wie die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) und die ENVIRONMENTAL JUSTICE FOUNDATION. Am Ende gab der Agro-Riese sich geschlagen: Er verkündete einen Endosulfan-Verkaufsstopp (siehe auch SWB 3/09).

Pillen-Preise kritisiert
Die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente sind im letzten Jahr um 5,3 Prozent auf 29,2 Milliarden Euro gestiegen. Einen großen Anteil daran haben die von BAYER & Co. neu auf den Markt gebrachten Arzneien. Für solche Pillen dürfen die Hersteller die Preise netterweise nämlich selbst festlegen. Als „systemsprengend“ hat der Pharmakologe Gerd Glaeske diese Kosten bezeichnet und eine Deckelung gefordert. Die ehemalige BAYER-Angestellte Cornelia Yzer wies diese Kritik in ihrer Funktion als Geschäftsführerin des vom Leverkusener Multi mitgegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ umgehend zurück. Die neuen Produkte seien „kein Kostentreiber“, so Yzer.

KAPITAL & ARBEIT

Datensammler BAYER
Nicht nur bei der DEUTSCHEN BAHN dient die Korruptionsbekämpfung als Vorwand, um die Beschäftigten zu bespitzeln. Auch der Leverkusener Multi benutzt dieses Argument, um die Computer der Belegschaftsangehörigen zu scannen. Die Computer-Software SAP und das Programm „Staan“ ermöglichen es dem Konzern nach den Worten von Günter Müller, dem Bereichsleiter der Unternehmensrevision, hunderttausende von Daten zu eruieren und den Großen Bruder BAYER „under perfect information“ zu stellen.

Weiter Kritik an Beistandskasse
Die BAYER-Beistandskasse hatte im Jahr 2007 auf ihrer Mitglieder-Versammlung Kürzungen beim Sterbegeld, das ca. 6.000 Euro beträgt, vorgenommen (Ticker 3/08). Die Abschläge durch die Streichung des Gewinn-Zuschlages können sich auf zu 2.000 Euro - also ein Drittel der Summe - summieren. Zwei Jahre später haben sich die Wogen immer noch nicht wieder geglättet. Einer Anfechtungsklage gegen den Beschluss gab das Amtsgericht Opladen in erster Instanz statt, woraufhin der Leverkusener Multi in die Berufung ging. Und auch auf der diesjährigen Versammlung stellten Mitglieder Anträge auf Wiedereinführung des Gewinnzuschlages, die der Vorstand allerdings nicht zur Abstimmung stellte. Spekulationen mit Lehman-Zertifikaten sowie ein Schrumpfen der Sterbegelder bei steigenden Sterbezahlen sorgten für zusätzlichen Unmut, der sich in den Abstimmungsergebnissen niederschlug. So verweigerten 150 der 652 Anwesenden dem Vorstand und 147 dem Aufsichtsrat die Entlastung.

ERSTE & DRITTE WELT

Milde NEXAVAR-Gaben
Der Leverkusener Multi verklagt routine-mäßig Pharma-Hersteller, die nach Ablauf der Patentfrist Nachahmer-Produkte von BAYER-Pillen auf den Markt bringen wollen, um sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe zu halten (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Sogar gegen Generika-Unternehmen in der „Dritten Welt“ geht BAYER gerichtlich vor, obwohl diese die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Medikamenten zu erschwinglichen Preisen sicherstellen. So verlor der Konzern in Indien gerade einen Prozess, der den Nachbau seiner Krebs-Arznei NEXAVAR hinauszuzögern sollte (SWB 1/09). Der wachsenden Kritik an dieser Patent-Praxis begegnet der Pharma-Riese mit milden Gaben: Er erleichtert über spezielle Förderprogramme den Zugang zu NEXAVAR.

IG FARBEN & HEUTE

Gedenkplatte enthüllt
Im November 2008 hatte die KULTURVEREINIGUNG LEVERKUSEN e. V. mit einer Kundgebung vor dem Tor des BAYER-Chemie„parks“ an die Opfer des vom Pharma-Riesen mitgegründeten IG-FARBEN-Konzerns erinnert. Die AktivistInnen hatten zu diesem Anlass auch geplant, eine Gedenkplatte in den Boden einzulassen, aber die Stadt untersagte dies. Die Kulturvereinigung gab sich jedoch nicht geschlagen und bot dem Memorial auf ihrem eigenen Grundstück eine Heimat. Am 27. Juni 2009 enthüllte der Verein das Erinnerungsmal und eröffnete parallel dazu eine kleine Ausstellung über die Geschichte des Mörderkonzerns.

Karl-Winnacker-Preis verliehen
Karl Winnacker war von 1933 bis 1945 einer der einflussreichsten Manager des von BAYER mitgegründeten Mörderkonzerns IG FARBEN. Das hindert weder den „Marburger Universitätsbund“ noch das „Deutsche Atomforum“ daran, einen „Karl-Winnacker-Preis“ zu verleihen. Die diesjährige Auszeichnung erhielt die Bertelsmann-Miteignerin Liz Mohn. Karl Winnackers Sohn, der Gentechniker und Wissenschaftslobbyist Ernst-Ludwig Winnacker, setzt heute die Familien-Tradition fort und sitzt im BAYER-Aufsichtsrat. Auch aus anderen Nachkommen von IG-Managern ist etwas geworden. So ging Kurt Biedenkopf, Sohn des Technischen Direktors Wilhelm Biedenkopf, in die Politik und bekleidete einflussreiche Ämter für die CDU. Dieser Partei blieb auch die Fritz-ter-Meer-Tochter Charlotte treu, zumindest privat: Sie heiratete den langjährigen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep.

POLITIK & EINFLUSS

BDI fordert Rohstoff-Strategie
Immer wieder drängen BAYER & Co. die Politik, sich beherzter am Wettlauf um Kupfer, Zink und andere knappe Güter zu beteiligen. Im August 2009 hat der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) von der Bundesregierung und der EU eine „Rohstoff-Strategie“ eingefordert, um die Versorgung der Wirtschaft mit Ressourcen sicherzustellen. Nach den Vorstellungen des BDI müsste diese unter anderem für den Abbau von Handelshemmnisse sorgen, die europäischen Länder konkurrenzfähiger gegenüber China machen und die Ausweisung von immer mehr ökologischen Schutzgebieten stoppen, damit die Konzerne sich die heimischen Reservoirs besser erschließen können.

Merkel bestaunt BAYER-Modell
Ausgerechnet bei BAYER wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel das Energiesparen lernen. Auf der Hannover-Messe ließ die CDU-Politikerin sich mit Bundesforschungsministerin Annette Schavan und dem südkoreanischen Premierminister Han Seung-Soo im Schlepptau ein Modell zur Ressourcen-Schonung bei technischen Prozessen erläutern, das BAYER gemeinsam mit der Hannover-Messe entwickelt hatte.

Wenning bei Ackermann-Geburtstag
Wenn Angela Merkel für Josef Ackermann von der DEUTSCHEN BANK den Party-Service übernimmt und dessen Geburtstagsessen ausrichtet, darf einer natürlich nicht fehlen: BAYER-Chef Werner Wenning. Er gehörte zu den ca. 30 Gästen, die auf Kosten der SteuerzahlerInnen im Bundeskanzleramt speisten.

BAYER & Co. beim Runden Tisch
„Fortschritte beim zweiten Runden Tisch zur Pflanzen-Genetik“ vermeldete Forschungsministerin Annette Schavan im Juli. Kein Wunder, dass es so rund lief, denn 24 der 30 TeilnehmerInnen erwiesen sich als Anhänger der Risikotechnologie. Er habe sich „wie auf einer Werbeveranstaltung von BASF gefühlt“, klagte Hartmut Vogtmann vom DEUTSCHEN NATURSCHUTZRING dann auch. Jetzt wollen die Initiativen aber nicht mehr länger als Feigenblatt dienen. Sie haben einen neun Punkte umfassenden Katalog zur ökologischen Sicherheitsforschung formuliert, mit dem sich der nächste Runde Tisch befassen soll. Darin fordern NABU, BUND & Co. unter anderem eine systematische Erfassung der gesundheitlichen Risiken von Genpflanzen, die Untersuchung von Wechselwirkungen mit Pestiziden und eine Standardisierung der Zulassungstests.

Reul sitzt EU-Industrie-Ausschuss vor
Der CDU-Politiker Herbert Reul hat den Vorsitz des Industrie-Ausschusses der Europäischen Union übernommen. „Klimapolitik gegen die Industrie ist Unsinn“ gehört zu den Glaubensätzen des Christdemokraten, der generell Zweifel daran hat, „dass der Mensch so viel zur Erderwärmung beiträgt, wie allgemein behauptet wird“ und damit natürlich BAYERs Mann ist. Nicht umsonst hat der EU-Parlamentarier schon 2005 Vorträge beim Leverkusener Multi gehalten.

Thoben in Leverkusen
Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben nahm an der Vorstandssitzung der „Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft“ teil, die im Leverkusener Chemie-„park“ stattfand. Die CDU-Politikerin nutzte sogleich die Gelegenheit, ein Bekenntnis zu den „industriellen Kernen“ des Bundeslandes abzulegen. Wenig später verteidigte die Christdemokratin dann auch BAYERs umstrittene Kohlenmonoxid-Leitung: „Es ist ein wichtiger Schritt zur Sicherung und zum Ausbau des Chemie-Standortes Nordrhein-Westfalen. Durch die Pipeline erhalten die beiden Werke in Krefeld und Dormagen eine gesicherte Perspektive“.

Rüttgers & Oettinger im Baykomm
Die beiden CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und Günther Oettinger besuchten das BAYKOMM in Leverkusen und ließen sich von BAYER-Chef Werner Wenning und Forschungsvorstand Wolfgang Plischke durch die Themenräume führen. Dabei fanden die Manager Gelegenheit, den Politikern die Gentechnik des Hauses als Beitrag zur Lösung des Welternährungsproblems zu verkaufen, BAYER als Klimaschützer in Szene zu setzen und bessere Rahmenbedingungen für die Forschung zu fordern.

Schäfer sitzt NRW-VCI vor
Klaus Schäfer, der Geschäftsführer von BAYERs Chemie„park“-Betreiber CURRENTA, hat den Vorsitz der nordrhein-westfälischen Sektion des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI) übernommen. „Ich freue mich sehr, dass ich mich nun auch an der Spitze des Chemieverbandes für den Erhalt und die Stärkung dieses wichtigsten deutschen Chemie-Standortes einsetzen kann“, sagte er nach seiner Wahl.

Schneider Chef-Aufseher bei RWE
Manfred Schneider hat seinen Aufsichtsratschef-Sesseln bei BAYER und LINDE jetzt auch noch den von RWE hinzugefügt. Daneben nimmt Schneider profane Aufsichtsratsmandate bei DAIMLER und TUI wahr. Zudem gehört er dem „Gemeinsamen Beirat“ der ALLIANZ an und leitet das Kuratorium der „Fritz Thyssen Stftung“.

Winnacker kritisiert Seehofer
Der Gentechnik-Multifunktionär Ernst-Ludwig Winnacker, dem seine vielfältigen Kontakte einen Sitz im BAYER-Aufsichtsrat einbrachten, hatte eine ganz ausgezeichnete Beziehung zum ehemaligen CSU-Boss Edmund Stoiber. So leitete er sieben Jahre lang den Wissenschaftlich-Technischen Beirat der Bayerischen Staatsregierung. Da bereitet ihm die zunehmende Gentechnik-Skepsis der Christsozialen unter Horst Seehofer natürlich Sorge. Deshalb setzte er einen Brief an den Ober-Bayern auf. „Ich habe ihm geschrieben, dass ich seine Äußerungen als forschungsfeindlich empfinde und enttäuscht bin, dass er als Ministerpräsident eine solch extreme Haltung einnimmt“, erklärte Winnacker in der Süddeutschen Zeitung. Dessen Gentech-Lobbyismus machte auch die Journalistin misstrauisch: „Die Gegner werfen Ihnen vor, von der Industrie gekauft zu sein“. Aber Mr. Gentechnik focht das nicht an. „Das Argument ist billig“, entgegnete er. Bereits wenige Tage nach dem Interview setzte er seine Mission fort und warb auf dem Münchner Symposion „Grüne Gentechnologie“ für Gen-Mais auf dem Acker.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER schult Pentagon-Personal
Das Pentagon kauft jährlich Arzneimittel für sieben Milliarden Dollar und zählt zu den Großabnehmern von BAYER-Medikamenten. Darum betreibt der Leverkusener Multi eine intensive Kundenpflege. Besonders gern lädt der Konzern Beschäftigte von Armee-Krankenhäusern zu Kongressen und „Fortbildungs“veranstaltungen ein. Die Kosten - allein die Reisen schlagen mit 46.000 Dollar zu Buche - scheinen eine lohnende Investition zu sein.

PLEON vermarktet Sozialpreis
Der Leverkusener Multi hat einen „ASPIRIN-Sozialpreis“ ausgelobt, den der Konzern an Sozial-Projekte aus dem Gesundheitsbereich verleihen will. Das Konzept für diese PR-Aktion stammt von der Agentur PLEON, die für den Pharma-Riesen in der Vergangenheit bereits BAYERs Kinderarmut-„Sozialarbeit“ betreut hatte. Im Bereich „Health Care“ kann die Werbefirma mit besonderer Kompetenz aufwarten, diese Sparte betreut nämlich die ehemalige grüne Gesundheitsministerin Andrea Fischer. An diese adressierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auch ihren Protestbrief. Die CBG sieht durch die Aktion die Aufklärung über gefährliche Nebenwirkungen des „Tausendsassas“ in den Hintergrund gedrängt und misstraut dem Bemühen des Global Players um die Mühseligen und Beladenen. „Es geht uns nicht darum, das Engagement der beim „ASPIRIN-Sozialpreis“ teilnehmenden Organisationen in Frage zu stellen. Aber es ist wohl unstrittig, dass es der BAYER AG bei solchen aus der Portokasse finanzierten Kampagnen nicht um soziales Engagement, sondern ausschließlich um Werbung geht“, heißt es in dem Schreiben an Fischer.

Greenwashing zum Umwelttag

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Pünktlich zum weltweiten Umwelttag am 5.6.09 hatte der Leverkusener Multi im US-amerikanischen Omaha sein Grünwaschprogramm angeworfen. Der Konzern initiierte gemeinsam mit der UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, eine Ausstellung mit Bildern von Kindern zum Thema „Klimawandel“ im Kindermuseum. Zudem spendierte der Konzern im Rahmen der „Sieben Milliarden Bäume“-Kampagne der UNEP 10.000 Dollar für das Anpflanzen von 500 Bäumen regionaler Provenienz im Stadtgebiet.

Greenwashing zum Umwelttag

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Auch im ostfriesischen Aurich wusch sich der Klimasünder BAYER (Kohlendioxid-Ausstoß 2008: 7,57 Millionen Tonnen) am weltweiten Umwelttag die Hände grün und zeigte im städtischen Rathaus von Kindern gemalte Bilder zum Thema „Klimawandel“. Entstanden waren die Exponate im Rahmen eines gemeinsam mit dem UN-Umweltprogramm UNEP veranstalteten Malwettbewerbs.

BAYER eröffnet klima-neutrale Kita
Der Leverkusener Multi betreibt ein Klein-Klein in der Klimapolitik. Während die Kohlendioxid-Emissionen (2008: 7,57 Millionen Tonnen) nur konjunktur-abhängig sinken, versucht der Konzern mit Mini-Projekten zu punkten. So eröffnete er in Monheim eine klima-neutrale Kindertagesstätte und heimste dafür auch noch einen Preis für energie-optimiertes Bauen ein.

Kulturachse Leverkusen-Berlin
BAYER entfaltet zunehmend PR-Aktivitäten in der Hauptstadt. Zu diesem Behufe rief der Konzern die „Kulturachse Leverkusen-Berlin“ ins Leben. Im Rahmen dieses Projekts zeigt er gesponsorte Theaterproduktionen nach der Premiere am Stammsitz auch in Berlin. Darüber hinaus plant der Multi die Förderung zeitgenössischer Dramatik. Zudem will der Agro-Riese seine Kunstsammlung am Regierungssitz zeigen und junge Berliner KünstlerInnen ausstellen. Zur Präsentation des Kulturprogrammes, das BAYER mit Partnern wie der „Hochschule Ernst Busch“, dem Renaissance-Theater und dem Martin-Gropius-Bau durchführt, kam auch der Kulturstaatssekretär André Schmitz ins Rote Rathaus.

VDMJ verleiht BAYER-Preis
Der „Verband Deutscher Medizinjournalisten“ (VDMJ) ist sich für nichts zu schade und hat den von BAYER gestifteten JournalistInnen-Preis für Berichte über Fortschritte in der Nierenkrebs-Therapie mit Malini Guha einer Journalistin verliehen, die in einem Artikel über die von BAYERs Arznei NEXAVAR bewirkten Fortschritte in der Nierenkrebs-Therapie berichtet hatte.

BAYER lehrt Gentechnik
Bereits über 200 Schülerlabore haben die Konzerne in der Bundesrepublik eingerichtet, um Nachwuchs für die Naturwissenschaften zu gewinnen. Mit einer kritischen Aufbereitung der Themen gelingt dies nicht. So durften SchülerInnen des Gymnasium Herkenrath in BAYERs „Baylab plants“ zwar die DNA von Raps isolieren, aber nichts über die „Risiken und Nebenwirkungen“ der Gentechnik lernen.

BAYER lehrt Wasserkunde
Der Leverkusener Multi lädt SchülerInnen nicht nur zu sich in seine Labore ein (s. o.). Er unterhält auch einen Außendienst, um Jugendliche mit Naturwissenschaften nach BAYER-Art vertraut zu machen. So halten ehemalige Beschäftigte wie Gerhard Heywang oder Peter Michael Lange Schulstunden ab. Gerhard Heywang etwa widmete sich im Chemie-Unterricht des Bonner Ernst-Kalkuhl-Gymnasiums dem Thema „Wasser“. „Er demonstrierte die Sprengkraft von Wasser im gefrorenen Zustand und zeigte mit Hilfe von kleinen Glasplättchen, dass Wasser sogar als Klebstoff dienen kann“, zeigte sich der General-Anzeiger begeistert. Der enorme Wasserverbrauch von BAYER (siehe WASSER, BODEN & LUFT) stand natürlich ebenso wenig auf dem Stundenplan wie die massiven Verunreinigungen durch Schadstoff-Einleitungen.

BAYERs Testosteron-Check
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen, obwohl die Liste der Nebenwirkungen lang ist. Bluthochdruck, Ödeme, Herzkrankheiten, Blutverdickung, Leberschäden und Wachstum der Prostata zählen dazu. Zwecks Erschließung neuer Käuferschichten sucht der Konzern seit Neuestem sogar männer-affine Veranstaltungen wie Oldtimer-Shows und Golfmessen heim und bittet dort zum „Testosteron-Check“.

DRUGS & PILLS

FDA: Qualitätsmängel bei YAZ & Co.
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat zweimal das Bergkamener BAYER-Werk inspiziert und gravierende Mängel bei der Qualitätskontrolle von Wirkstoffen für Verhütungsmittel wie YASMIN und YAZ festgestellt, die seit geraumer Zeit wegen erhöhter Thrombose- und Lungenembolie-Risiken in der Kritik stehen (siehe SWB 3/09). So entdeckten die KontrolleurInnen unreine Pharmastoffe und solche, die in ihrer Stabilität erhebliche Schwankungen aufwiesen, was BAYER durch Tricks bei den Analyse-Verfahren verbergen wollte. Zudem kritisierte die FDA Defizite bei der Reinigung und Wartung der Produktionseinrichtungen. Die Institution setzte dem Konzern eine Frist von 30 Tagen, um die Mängel zu beheben und drohte bei einer mit der Verhängung eines Einfuhrverbotes für Pillen made by BAYER.

Pharma-Forschung unter Einfluss
Seit langem kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den großen Einfluss der Pillen-Hersteller auf Arzneimittelstudien im Allgemeinen und die von BAYER mit der Kölner Universitätsklinik vereinbarte Kooperation auf diesem Gebiet im Besonderen. Auch die ÄrztInnenschaft beobachtet die Entwicklung misstrauisch. So gab der „Deutsche Ärztetag“ eine Expertise zum Thema „Der Einfluss der pharmazeutischen Industrie auf die wissenschaftlichen Ergebnisse und die Publikation von Arzneimittelstudien“ in Auftrag. Das Fazit fiel verheerend aus. So kommen von BAYER & Co. gesponsorte Untersuchungen deutlich öfter zu positiven Ergebnissen als staatlich geförderte. Das geschieht dem Autor Dr. Klaus Lieb zufolge unter anderem durch Veränderungen des Studien-Protokolls, das Zurückhalten von Informationen über Nebenwirkungen und durch die Beschäftigung von GhostwriterInnen. Als Konsequenz aus dem Resultat der Analyse forderte der „Deutsche Ärztetag“ die Bundesregierung auf, eine von den Pharma-Firmen unabhängige Forschung stärker als bisher zu unterstützen.

Studien: Kein ASPIRIN zur Vorbeugung
ForscherInnen der Universität Oxford raten davon ab, ASPIRIN zur Herzinfarkt-Vorbeugung zu nehmen. Die WissenschaftlerInnen werteten Daten aus sechs Studien aus und stellten dem „Tausendsassa“ in einer Risiko/Nutzen-Analyse ein schlechtes Zeugnis aus. So hat das Präparat zwar das Auftreten von Störungen des Herz/Kreislaufsystems um 12 Prozent gesenkt, dafür im Gegenzug aber zu einem 43-prozentigen Anstieg von Gehirnblutungen geführt. Eine Untersuchung des an der Edinburgher „Wolfson Unit“ tätigen Dr. Gerry Fowkes beurteilte die prophylaktische Wirkung von ASPIRIN ebenfalls negativ. Und das, obwohl BAYER zu den Sponsoren der Expertise gehörte.

RENNIE schadet Lunge und Knochen
BAYERs Arznei RENNIE bindet die Magensäure und wirkt so gegen Sodbrennen. Zu den Risiken und Nebenwirkungen der vom Leverkusener Multi und anderen Herstellern angebotenen Präparate gehören die Schädigung des Knochenbaus und die Förderung von Lungenentzündungen, wie neue Studien der Universität Hamburg-Eppendorf und des „Beth Israel Deaconess Medical Centers“ ergaben. Die von den Mitteln neutralisierte Magensäure spielt nämlich bei der Verwertung des für den Knochenaufbaus wichtigen Kalziums eine Rolle, und findet der Körper nicht genug in der Nahrung, so muss er die im Skelett verborgenen Kalzium-Reserven angreifen. Für die Erhöhung des Lungenentzündungsrisikos durch RENNIE & Co. gibt es hingegen keine eindeutige Erklärung. Die WissenschaftlerInnen vermuten, dass die Medikamente mit dem Blocken der Magensäure auch Immunzellen ausschalten, die für die Abwehrkraft des Organismus eine wichtige Funktion erfüllen. Angesichts des alarmierenden Befundes kritisieren die ForscherInnen die viel zu häufige Verwendung der Produkte.

Omeprazol-Lizenz erworben
BAYER hat von ASTRAZENECA die Lizenz für Omeprazol erworben. Der Leverkusener Multi will das Mittel gegen Sodbrennen in einer rezeptfreien 20-Milligramm-Version mit einer Wirkstoff-Konzentration von 20 Milligramm unter dem Namen ANTRA auf den Markt bringen. Dafür hat der Konzern auch grünes Licht vom Bundesrat bekommen, der seinem Antrag auf die Aufhebung der Verschreibungspflicht für das Omeprazol light stattgab.

XARELTO: US-Zulassung verzögert sich
Während die Europäische Union BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO bei schweren orthopädischen OPs zugelassen hat, verzögert sich die US-Genehmigung weiter. Wegen des erhöhten Risikos von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie ungeklärter Langzeitwirkung forderte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA weitere Unterlagen an (Ticker 1/09). Der Leverkusener Multi hat offenbar Mühe, diese bereitzustellen. Erst im vierten Quartal des Jahres will der Konzern der FDA die Daten übergeben.

FDA warnt vor ALKA SELTZER & Co.
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA macht Schmerzmittel mit der Wirksubstanz Acetaminophen für jährlich 1.600 schwerwiegende Leberschäden - manchmal sogar mit Todesfolge - verantwortlich. Deshalb zieht die Institution verschreibungspflichtige Arzneien mit diesem Inhaltsstoff aus dem Verkehr. Für die geringere Dosen dieser Substanz enthaltenen freiverkäuflichen Pharmazeutika schreibt die Behörde eine Senkung des Acetaminophen-Gehaltes vor. Davon sind BAYER-Produkte wie ALKA SELTZER, MIDOL und BAYER SELECT betroffen.

Diabetikum-Vermarktung in China
Der Leverkusener Multi hat vom polnischen Pharma-Hersteller BIOTON die Exklusiv-Rechte zum Vertrieb des Diabetikums SCILIN in China erworben.

BAYER testet Verhütungspflaster
Der Leverkusener Multi testet Antibaby-Pflaster mit den Wirkstoffen Ethinylestradiol und Gestoden. Mit einer Zulassung rechnet er für 2012.

Neuer Ballon-Katheder
MedizinerInnen weiten PatientInnen mit verengten Gefäßen in einer OP mittels eines Ballon-Katheders die Arterien. BAYER hat jetzt die Zulassung für einen Ballon-Katheder beantragt, der mit einem Medikament beschichtet ist und so das erneute Zuwachsen der Gefäße effektiver verhindern soll.

Alzheimer-Marker in 3. Testphase
Die Universität von Nagasaki hatte ein Verfahren entwickelt, das Eiweißablagerungen im Gehirn mittels eines radioaktiven Markers visuell darstellen und so angeblich zur Früherkennung von Alzheimer dienen kann. BAYER sicherte sich durch einen Vertrag mit der japanischen Hochschule die Exklusivrechte an dieser Technologie und startete klinische Prüfungen, die sich mittlerweile in der dritten und letzen Phasse befinden.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Studie: GAUCHO tötet Bienen
Im letzten Winter haben britische ImkerInnen ein Fünftel ihrer Bienenvölker verloren. Eine daraufhin von den Initiativen BUGLIFE und SOIL ASSOCIATION durchgeführte Untersuchung machte Pestizide wie Imidacloprid, Wirkstoff von BAYERs Saatgut-Behandlungsmittel GAUCHO, mitverantwortlich für das Bienensterben. Als Konsequenz daraus forderten die Gruppen ein Verbot von GAUCHO und anderen Mitteln, wie es die Bundesrepublik und andere Staaten in Europa für bestimmte Anwendungsbereiche schon ausgesprochen haben.

Bienensterben global
Im letzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Andere Länder reagierten hingegen nicht. Nach einem Massentod von Bienen in Österreich (Ticker 2/09) beklagten nun auch ImkerInnen in Kroatien und Japan große Verluste.

Berufskrankheit „Parkinson“
Pestizide haben Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem. Besonders Menschen, die täglich mit Agrochemikalien umgehen, setzen sich einem Gesundheitsrisiko aus. So erkranken LandwirtInnen häufiger an Parkinson als der Durchschnitt der Bevölkerung. Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft hat deshalb - allerdings erst nach einer Klage - pestizid-bedingten Parkinson als Berufskrankheit anerkannt. Einen ähnlichen Fall hatte vor einiger Zeit das Landessozialgericht Mainz positiv entschieden.

Diuron am Bau
Die verbesserte Wärmedämmung führt zu kälteren und feuchteren Außenfassaden. Weil das die Häuserwände anfälliger für Pilzbefall macht, greifen die BesitzerInnen häufig zu Anstrichen mit Agrochemie-Zusätzen. Regen spült die Gifte dann ins Grundwasser. Bei einer Untersuchung des schweizer Wasserversorgers EAWAG enthielt ein Liter Abfluss allein bis zu 7.000 Mikrogramm von BAYERs Pestizid-Wirkstoff Diuron.

Weiterhin Klasse-I-Pestizide
Auf der BAYER-Hauptversammlung von 1995 hatte der Vorstand zugesagt, bis zum Jahr 2000 alle Pestizide der Gefahrenklasse I vom Markt zu nehmen. Dieses Versprechen hat der Leverkusener Multi immer noch nicht eingelöst. Dem Nachhaltigkeitsbericht von 2008 zufolge „gibt es weiterhin Produkte, deren Einsatz notwendig ist und für die noch immer keine Alternativen verfügbar sind“. Zudem machten regionale Unterschiede beim Schadinsekten-Aufkommen angeblich eine „Standardlösung unmöglich“.

GENE & KLONE

Saatgut mit T25 verunreinigt
GREENPEACE hat konventionell angebautes Mais-Saatgut untersucht und Verunreinigungen mit gentechnisch manipulierten Saaten festgestellt. In 22 der 386 Proben fanden sich Gentechnik-Spuren. In den meisten Fällen führten diese zu MONSANTO, aber auch der Leverkusener Multi wurde ertappt. So wiesen die WissenschaftlerInnen in Maispflanzen aus Hessen, dessen Saatgut aus Kanada stammte, den BAYER-Mais T25 nach, den gentechnische Verfahren resistent gegen die Herbizide BASTA und LIBERTY gemacht haben.

Glyphosat schädigt Zellen
Das BAYER-Pestizid Glyphosat, das in den Mitteln GLYPHOS, KEEPER und USTINEX enthalten ist, hat es in sich. Der Wirkstoff, den der Konzern ab 2010 auch in Kombination mit seiner gentechnisch gegen die Substanz resistent gemachten „GlyTol“-Baumwolle anbieten will, kann menschliche Zellen schädigen. Nach einer Untersuchung französischer ForscherInnen von der Universität Caen löste die Agrochemikalie noch in 100.000facher Verdünnung binnen 24 Stunden ein komplettes Zellsterben aus.

USA genehmigen Gen-Baumwolle
Die USA haben BAYERs GlyTol-Baumwolle eine Genehmigung erteilt. Der Agro-Riese will die per Gentechnik immun gegen den Herbizid-Wirkstoff Glyphosat gemachte Pflanze ab 2010 vermarkten. Ob die BAYER-Baumwolle Hitze und Trockenheit besser trotzt als die Laborfrüchte des Konkurrenten MONSANTO? Bei denen ließen die klimatischen Verhältnisse nämlich die Glyphosat-Resistenz schwinden, weshalb die Gewächse dem Glyphosat-Großeinsatz nicht gewachsen waren und en masse eingingen.

Tallowamin tötet Frösche
Nicht nur Glyphosat als Wirkstoff von MONSANTOs Produktlinie ROUND-UP, auf die auch BAYER im Rahmen einer Kooperation mit dem Agro-Riesen zurückgreift (s. u.), steht in der Kritik (s. o.) Der ROUND-UP-Hilfsstoff Tallowamin hat jetzt ebenfalls die Aufmerksamkeit von ForscherInnen auf sich gezogen. US-amerikanischen WissenschaftlerInnen zufolge hat die Substanz für ein Massensterben von Fröschen und Kröten gesorgt. Das „Bundesamt für Verbraucherschutz“ hat von dem US-Unternehmen und anderen Anbietern bereits neue Daten angefordert und droht mit einer Aberkennung der Zulassung.

Mehr Kooperation mit MONSANTO
Schadinsekten gewöhnen sich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen. Deshalb gehen BAYER & Co. nach der Devise „Doppelt hält besser“ immer mehr dazu über, ihre Sorten gleich gegen mehrere Agrochemikalien immun zu machen. So haben BAYER und MONSANTO bereits vor zwei Jahren einen umfangreichen Technologie-Transfer vereinbart. Der US-amerikanische Agro-Riese darf laut Vertrag BAYERs LIBERTY-Resistenzen zusätzlich zum Bt- oder Glyphosat-Gen in seine Raps- oder Soja-Kreationen einbauen und der Leverkusener Multi im Gegenzug auf MONSANTO-Entwicklungen zurückgreifen. Jetzt weiteten die beiden Unternehmen ihre Zusammenarbeit nochmals aus. Der US-Gigant erhält für seinen Gen-Raps Zugang zur LIBERTY-Technologie, während der bundesdeutsche Konzern für seine Rapssorten die MONSANTO-Entwicklung ROUNDUP-READY verwenden kann.

DUPONT kauft BAYER-Lizenzen
Auch der Agro-Riese DUPONT versucht, die nachlassende Widerstandskraft seiner Genpflanzen gegen Schadinsekten durch die Zusammenstellung neuer Giftcocktails aufzuhalten. Das Unternehmen erwarb vom Leverkusener Multi die Rechte zum Einbau von Resistenzen gegen das Pestizid Glufosinat in seine Sorten. Zudem hat das US-amerikanische Unternehmen Zugriff auf BAYERs Dual-Bt-Patent, welches das Bestücken seiner Produktlinien mit dem für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis erlaubt. Das den Agrarmarkt beherrschende Oligopol versucht also momentan, die sich aus der Genpflanzen-Monokultur ergebenden Probleme dadurch zu lösen, dass es den Oligopol-Giftschrank zwecks Pseudo-Diversifizierung gemeinsam nutzt.

Einzelstaatliche Gentechnik-Verbote?
Bislang galt in Sachen „Gentechnik“ einheitliches EU-Recht. Nach einer Genehmigung aus Brüssel konnte der Anbau im Prinzip starten. Da aber immer mehr Mitgliedsländer doch Wege fanden, der grünen Gentechnik auf ihren Feldern kein grünes Licht zu geben, stehen jetzt einzelstaatliche Lösungen zur Debatte. Wenn die letzte Entscheidung wieder bei den einzelnen Staaten liegt, bräuchten diese sich nicht mehr gleich für europa-weite Zulassungsverbote auszusprechen, kalkulieren die Befürworter der Risikotechnologie, während die Gentech-GegnerInnen sich von der Reform mehr „Nein“-Voten auf Länder-Ebene erhoffen.

Lizenz auf Krebsmoleküle erworben
BAYER hat vom US-amerikanischen Gentech-Unternehmen CELERA die Rechte an fünf Eiweiß-Substanzen erworben, die bei Krebskrankheiten eine Rolle spielen und deshalb angeblich als Ansatzpunkte für die Entwicklung von Gegenmitteln dienen können.

NEXAVAR immer noch zu teuer
Das britische Pendant zum bundesdeutschen „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“, die Sondergesundheitsbehörde NICE, hatte im letzten Jahr eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs Gentech-Arznei NEXAVAR bei der Indikation „Nierenkrebs“ vorgenommen. Das Ergebnis fiel negativ aus, weshalb die Krankenkassen für eine Behandlung nicht zahlten. Der Leverkusener Multi focht die Entscheidung an, aber die NICE blieb bei ihrem Urteil. Ob die Institution NEXAVAR als Leberkrebs-Medikament positiver gegenübersteht, bleibt abzuwarten. Die Prüfungen laufen noch.

Mehr Indikationen für NEXAVAR?
Der Leverkusener Multi versucht unentwegt, das Anwendungssspektrum seiner zur Behandlung von fortgeschrittenem Nieren- und Leberkrebs zugelassenen Gentech-Arznei NEXAVAR zu erweitern. Nachdem das Medikament als Haut- und Bauchspeicheldrüsen-Therapeutikum versagte, setzt der Konzern nun auf die Indikationen „Brustkrebs“ und „fortgeschrittener Lungenkrebs“, für die er in Tests auch erste Behandlungserfolge wie „keine weitere Verschlimmerung der Krankheit“ vermeldet.

PFLANZEN & SAATEN

Saatgut-Forschung in Cartagena
BAYERs Saatgut-Tochter NUNHEMS expandiert beständig. Im US-amerikanischen Parma baut sie für 15 Millionen Dollar ihr Werk aus, und im spanischen Cartagena hat di Firma ein Forschungszentrum eröffnet, das neue Melonen-, Salat-, Artischocken- und Paprika-Sorten entwickeln will.

Kooperation mit Reis-Institut
BAYER hat mit dem chinesischen Reis-Institut CNRRI eine Kooperation vereinbart. Die beiden Vertragspartner wollen gemeinsam an der Erforschung und Entwicklung von neuen hybriden, also sterilen und nicht zur Wiederaussaat bestimmten Sorten arbeiten. Diese Arten ermöglichen dem Agro-Riesen ein besonders gutes Geschäft, da die LandwirtInnen jedes Jahr neue Saaten kaufen müssen.

WASSER, BODEN & LUFT

Wolfenbüttel: schwierige Sanierung

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Bis BAYER den aufgegebenen Standort Wolfenbüttel (siehe Ticker 4/08) besenfrei übergeben kann, dürften Jahrzehnte vergehen. Die Sanierung des verseuchten Boden gestaltet sich nämlich schwieriger als erwartet. Nicht nur 325 Kilgramm Pestizide schlummern im Erdreich, sondern auch 3.000 Kilogramm Benzol sowie Lösungsmittel, Mineralöle und Schlacken. Für den größten Schadstoff-Eintrag hatte 1978 - damals betrieb SCHERING auf dem Gelände eine Chemie-Produktion - eine Explosion gesorgt, denn mit dem Löschwasser versickerte ein ganzer Chemie-Cocktail. Jetzt muss das vergiftete Grundwasser über 16 Brunnen an die Oberfläche gepumpt und einer großen Filteranlage zugeführt werden. Nach Auskunft des Geologen Jürgen Röhrs wird die Reinigung 50 Jahre in Anspruch nehmen - BAYER will es hingegen in einer Dekade schaffen. Und zu allem Überfluss verursachen die Maßnahmen zusätzliche Schäden: NachbarInnen klagen schon über Risse in den Wänden ihrer Häuser. Trotzdem erhielten die Arbeiten höchstministeriellen Segen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel lobte die Sanierung bei einem Lokaltermin. „BAYER CROPSCIENCE ist ein hochgradig professionelles Unternehmen“, so der SPD-Politiker.

Sanierung der Wolfenbütteler Deponie
Zu dem aufgegebenen Standort Wolfenbüttel gehörte auch die Sondermüll-Deponie in Klein Biewende. SCHERING als Vorbesitzer des Werkes und BAYER entsorgten dort von 1967 bis 2004 ihre Produktionsabfälle. Da die letzte Ruhestätte für die Chemie-Gifte nur unzureichend gesichert war, sorgten die Schadstoffe für eine erhebliche Umweltbelastung. Deshalb muss der Leverkusener Multi nun umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchführen. Er geht dabei ähnlich vor wie in Sachen „Dhünnauc“ (siehe SWB 3/04). Statt die Deponie auszuräumen, mumifiziert der Konzern sie aus Kostengründen nur. Er zieht Sperrwände ein und dichtet alles nach oben hin mit Ton, Erde und Kunststoff ab. Nach unten hin bleibt hingegen alles offen, weshalb das Unternehmen später permanent das verunreinigte Wasser abpumpen muss. Zudem sah BAYER sich nicht genötigt, die AnwohnerInnen über die Arbeiten zu informieren, was auf einigen Unmut stieß. „Die Politik des Unternehmens ist eine Katastrophe“, zürnte etwa der Bürgermeister des angrenzenden Remlingen, Klaus-Günter Warnecke (SPD).

Siedlung über BAYER-Altlast
Bis zum Jahr 2003 betrieb BAYER im englischen Hauxton nahe Cambridge ein Werk. Bei der Schließung hinterließ der Konzern in Boden und Grundwasser jede Menge Altlasten. Trotzdem will die Gemeinde auf dem Areal Wohnhäuser errichten lassen. Einen Investor hat sie schon gefunden. Dessen ersten Sanierungsplan, der nicht viel mehr als Schönheitsreparaturen vorsah, lehnten die LokalpolitikerInnen allerdings ab. Erst der zweite fand ihre Gnade, obwohl ehemalige BAYER-Beschäftigte im Stadtrat vor der Genehmigung warnten. „Auf diesem Gelände sollte niemals gebaut werden und ich würde dort nie ein Haus kaufen“, sagte etwa Deborah Roberts.

Produktionsrückstand Quecksilber
Der Leverkusener Multi hat seine Chlor-Produktion anders als viele mittelständische Betriebe immer noch nicht komplett auf das Membran-Verfahren umgestellt, bei dem kein giftiges Quecksilber als Produktionsrückstand mehr anfällt. Zudem ist dem Konzern als einzigem der 196 Quecksilber-Emittenten in der Bundesrepublik das Kunststück gelungen, die Größenordnung der Umweltbelastung durch dieses Schwermetall als „vertraulich“ deklarieren zu können (siehe auch SWB 3/09).

CO2-Bilanz: 7,57 Mio. Tonnen
Der Leverkusener Multi hat im Geschäftsjahr 2008 7,57 Millionen Tonnen klima-schädigende Treibhausgase ausgestoßen. 4 Millionen Tonnen davon stammen „aus eigener Herstellung“; 3,57 Millionen Tonnen entstanden bei der Produktion zugekaufter Energie. Die Summe setzt sich aus 92,1 Prozent Kohlendioxid, 7,5 Prozent Lachgas und 0,4 Prozent Kohlenwasserstoffe zusammen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das einen Rückgang von 7,1 Prozent. Auf umweltfreundliche Investitionen ist diese Reduzierung jedoch nur zum Teil zurückzuführen. Sie „resultiert aus konjunkturellen Veränderungen und Maßnahmen zur Verringerung des besonders klima-wirksamen Lachgases (N2O) in unserer Salpeter-Anlage in Köln-Worringen“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht.

VOC-Bilanz: 3.160 Tonnen
Der Leverkusener Multi hat mit 3.160 Tonnen im Jahr 2008 mehr flüchtige organische Verbindungen (VOC) an die Umwelt abgegeben als 2007 (2.870 Tonnen). Verantwortlich für den höheren Ausstoß der gesundheitsschädlichen Stoffe war eine Steigerung der Produktion im überalteten Pestizid-Werk Vapi (Indien), womit eine verstärkte Emission von Lösemittel-Dämpfen einherging. Laut Nachhaltigkeitsbericht will BAYER prüfen, ob die Anlage ihre VOC-Bilanz verbessern kann.

Ozon-Schädigung: plus 16 Prozent
Der Leverkusener Multi hat 2008 mit 17,1 Tonnen rund 16 Prozent mehr ozonschicht-schädigende Substanzen emittiert als 2007. Und schon in jenem Jahr war der Ausstoß stark gestiegen. Verantwortlich für diese Erhöhung in beiden Fällen: das nicht dem neuesten Standard der Technik entsprechende Pestizid-Werk im indischen Vapi. Im letzten Herbst hat der Konzern endlich die Konsequenz gezogen und eine Modernisierung der Dreckschleuder angekündigt.

Etwas weniger Co & Co.
Der Leverkusenener Multi hat im Geschäftsjahr 2008 den Ausstoß von Kohlenmonoxid (CO) leicht von 2.000 Tonnen auf 1.700 gesenkt. Die Schwefeloxid-Emissionen sanken von 3.600 Tonnen auf 3.200 Tonnen, hauptsächlich weil der Konzern seine Dreckschleuder im indischen Vapi mittlerweile mit einem schwefelärmeren Brennstoff befeuert. Die Stickstoffoxid-Bilanz blieb weitgehend unverändert. Um 100 Tonnen auf 3.900 Tonnen reduzierte sich der Wert. Dabei gilt es dem Pharma-Riesen als Erfolgsmeldung, seine Anlage in Bergkamen schon jetzt so umgerüstet zu haben, dass sie mit 75mg/Nm3 passgenau auf den ab 2012 vorgeschriebenen Stickstoffoxid-Grenzwert geeicht ist.

Etwas weniger Schadstoffe im Abwasser
Die Abwasser-Bilanz des Leverkusener Multi sieht 2008 etwas besser aus als im Vorjahr. Das liegt jedoch nur zum Teil an Umweltschutz-Maßnahmen: Die Produktionsrückgänge infolge der Wirtschaftskrise wirkten sich ebenso stark aus. So produzierte BAYER 2008 mit 68,4 Millionen Kubikmeter Abwasser 12 Millionen weniger als im Vorjahr. Entsprechend reduzierte sich der Anteil der darin herumschwimmenden Schadstoffe etwas. Die Phosphorfracht sank von 990 Tonnen auf 780 Tonnen. Die Einleitungen organischer Verbindungen reduzierten sich von 1.770 Tonnen auf 1.590 Tonnen und die von anorganischen Salzen von 825.000 Tonnen auf 812.000 Tonnen. Der Wert für Stickstoff blieb mit 670 Tonnen fast gleich. Dafür fanden sich mehr Schwermetalle made by BAYER in den Gewässern wieder: 10,4 Tonnen (2007: 8,9 Tonnen). Der Pharma-Riese begründet das mit allerdings nicht mit einer schmutzigeren Produktion, sondern gibt „einem umfassenderen Abwasser-Reporting“ die Schuld für den Anstieg.

Mehr Abfall
BAYER produziert immer mehr Abfall. Die Gesamtmenge, die 2006 noch 649.000 Tonnen betrug, stieg 2007 auf 928.000 Tonnen und 2008 noch einmal auf 1.077.000 Tonnen. Auch die Zahlen für gefährlichen Müll erhöhten sich: von 570.000 Tonnen im Jahr 2006 auf 617.000 Tonnen 2007 und 670.000 Tonnen 2008. Mit 45 Prozent landete ein Großteil der Produktionsrückstände auf der Deponie, 24 Prozent gingen in den Verbrennungsofen und lediglich 28 Prozent wurden wiederverwertet (davon wahrscheinlich noch ein großer Teil in ökologisch bedenklichen Müllkraftwerken).

Kohlekraftwerk: Steigt GETEC aus?
Bei dem Projekt, auf dem Gelände des Brunsbütteler BAYER-Werkes ein Steinkohle-Kraftwerk zu errichten, treten offensichtlich Schwierigkeiten auf. Nach Informationen der Wilsterschen Zeitung will der Hannoveraner Energieversorger GETEC das Vorhaben aufgeben und VATTENFALL oder RWE überlassen. Das Unternehmen dementiert einstweilen die Gerüchte, räumt aber Probleme ein. „Vor dem Hintergrund der augenblicklichen Wirtschaftskrise ist die Einwerbung von Industriepartnern schwieriger geworden“, so GETEC-Sprecherin Neele Gehrt.

Immenser Wasserverbrauch
BAYER verbraucht dem Nachhaltigkeitsbericht 2008 zufolge jährlich 438 Millionen Kubikmeter Wasser. Das sind mehr als eine Millionen Kubikmeter pro Tag. 58 Prozent davon entnimmt der Chemie-Multi Oberflächengewässern, und 32 Prozent dem Grundwasser. Allein das Leverkusener Werk entzog dem Rhein im letzten Jahr 45 Millionen Kubikmeter und verbrauchte 85 Millionen Kubikmeter Grundwasser.

NRW schafft „Wasser-Cent“ ab
Der Wasserdurst des Leverkusener Multis ist enorm (s. o.). Um ihn etwas zu zügeln, hatte die rot-grüne Landesregierung den Wasser-Cent eingeführt; 4,6 Millionen Euro zahlte BAYER im vergangenen Jahr. Allerdings tat das Unternehmen alles, um sich von dieser Last zu befreien. Erst im August hatte Konzern-Chef Werner Wenning den „Wasser-Cent“ in einem Bild-Interview als einen „Investitionshemmer“ bezeichnet. „Das ‚Wasserentnahmegesetz‘ beispielsweise schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Industrie und schreckt potenzielle Investoren ab“, wetterte Wenning. Sein Ruf fand Gehör. Die gelbe-schwarze Koalition in Düsseldorf schaffte die Steuer ab, was umgehend auf Kritik stieß. „Der Wasserverbrauch des Leverkusener BAYER-Werks liegt rund doppelt so hoch wie der Trinkwasserbedarf der benachbarten Millionenstadt Köln! Dies ist ein schwerwiegender Eingriff in die Natur, der nicht dauerhaft zu rechtfertigen ist. Der enorme Verbrauch von BAYER zeigt, dass der „Wasser-Cent“ dringend notwendig ist, um den Wasserverbrauch zu verringern“, protestierte Philipp Mimkes von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in der Presse-Erklärung, welche die Coordination gemeinsam mit dem BUND und dem BUNDESVERBAND BÜRGERINITIATIVEN UMWELTSCHUTZ (BBU) herausgab.

NANO & CO.

Nano-Partikel schädigen Nervenzellen
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. Mit seinen Nano-Röhrchen ist der Leverkusener Multi mittlerweile in die Großproduktion eingestiegen. Für die Risiken und Nebenwirkungen dieser „Zukunftstechnologie“ fühlt er sich allerdings nicht verantwortlich. Dabei gibt es immer mehr alarmierende Hinweise. So können Nano-Stoffe nach einer Untersuchung der Universität Edinburgh das Gewebe angreifen und ähnlich wie in der Vergangenheit Asbest Entzündungen auslösen (siehe Ticker 2/08). Irische ForscherInnen haben Wirkungen von Nano-Partikeln auf das Immunsystem nachgewiesen. Und ForscherInnen der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA haben in einem Reagenzglas-Versuch mit Nano-Teilchen aus Titandioxid schädigende Effekte auf Nervenzellen festgestellt.

PRODUKTION & SICHERHEIT

BAYER baut MIC-Tanks ab
Seit langem kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Sicherheitslage am BAYER-Standort Institute. So forderte die Coordination auf Hauptversammlungen immer wieder, die Tanks mit der Bhopal-Chemikalie Methyl Isocyanat (MIC) abzubauen. Noch vier Monate vor der Explosion vom 28. August 2008, die zwei Menschenleben forderte und die schlimmsten Befürchtungen der CBG bestätigte, wies der Konzern die Warnungen als „unbegründet“ zurück. Nun endlich scheint der Chemie-Multi ein Einsehen zu haben. Er kündigte an, die MIC-Lager um 80 Prozent zu reduzieren und die Produktion des Pestizides Carbofuran einzustellen. Aber auch so bleibt die BAYER-Niederlassung das Chemie-Werk in den USA mit dem größten MIC-Reservoir. Zudem kommt in der Produktion immer noch das gefährliche Giftgas Phosgen zum Einsatz. Darum setzt die CBG trotz des Erfolges ihr Engagement fort. „Wir fordern von BAYER, in der Kunststoff- und Pestizidproduktion neue Verfahren zu entwickeln und künftig auf Giftgase wie MIC und Phosgen ganz zu verzichten“, erklärte Geschäftsführer Philipp Mimkes.

STANDORTE & PRODUKTION

AKW-Panne legt Brunsbüttel lahm
Alle Räder stehen still, wenn es VATTENFALL will: Die Abschaltung des Atomkraftwerks Krümmel führte zu einem Spannungsabfall, der die Kunststoff-Herstellung im Brunsbütteler BAYER-Werk stoppte. Erst über eine Woche danach konnte der Multi die Produktion wieder aufnehmen. Ob er nach dem Zwischenfall immer noch ein glühender Anhänger der Atomkraft bleibt?

BAYER investiert in Bitterfeld
Der Leverkusener Multi investiert am Standort Bitterfeld sieben Millionen Euro in die Modernisierung der Pillen-Produktion.

BAYER deinvestiert in Krefeld
BAYER schließt die Kunststoff-Forschungsabteilung in Krefeld/Uerdingen (siehe auch SWB 3/09). Der Chemie-Multi will die wissenschaftliche Arbeit in Leverkusen konzentrieren, um eine stärkere Anbindung an das Marketing-Ressort zu gewährleisten, wie es offiziell heißt. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Rationalisierungsmaßnahme. Von den 132 Beschäftigten können nämlich nur 74 nach Leverkusen umziehen. 45 Jobs in den Laboren entfallen für immer, vor allem im Polyurethan-Bereich. Zudem hat die Abwicklung Folge-Wirkungen, denn 40 Stellen hängen direkt von der Entwicklungssparte ab. Einen „Aufschrei der Entrüstung“ hat die Ankündigung des Konzerns laut Westdeutscher Zeitung ausgelöst. „Die Auswirkungen auf die Menschen und den Standort Uerdingen wären bei einer tatsächlichen Realisierung der Unternehmensvorstellung fatal“, warnt die Betriebsratsvorsitzende Petra Kohnen. Die Wellen schlagen so hoch, weil die Belegschaftsangehörigen bereits seit längerem ein Ende der Niederlassung in Krefeld befürchten.

BAYER erpresst den Standort Berkeley
Der Leverkusener Multi droht dem Standort Berkeley, Teile der Herstellung des Blutproduktes KOGENATE abzuziehen, wenn er nicht in den Genuss von Steuernachlässen, Strom-Rabatten und anderen Vergünstigungen kommt. Auf 19 Millionen Dollar belaufen sich die Forderungen von BAYER. Und die Erpressung scheint Erfolg zu haben. Die Stadt Oakland signalisierte schon, die Niederlassung in ihre Sondertarife gewährende Sonderwirtschaftszone aufzunehmen.

BAYER schwächt Wuppertal
BAYERs Pharma-Standort Berlin wächst auf Kosten anderer Niederlassungen. So zieht der Pharma-Riese das Produkt-Team für das neue Mittel XARELTO, das Thrombosen nach Knie- und Hüftgelenksoperationen verhindern soll, von Wuppertal ab und verlegt es nach Berlin.

IMPERIUM & WELTMARKT

Dekkers folgt Wenning
BAYER hat den Niederländer Marjin Dekkers zum Nachfolger des Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning bestimmt. Damit besetzt zum ersten Mal ein BAYER-Externer und Ausländer den Chef-Posten. Dekkers spricht allerdings Deutsch, was der Konzern sich auch ausbedungen hat. „Der Chef eines deutschen Großunternehmens muss sich ohne Dolmetscher mit der Kanzlerin und den Arbeitnehmer-Vertretern unterhalten können“, hieß es zur Begründung. Die anderen Qualitäten des Holländers wie „Durchsetzungsvermögen“, „Beste Drähte zu den Kapitalmärkten“ und lassen ebenso wenig etwas Gutes für die Zukunft erwarten wie die Tatsache, dass er bei seinem früheren Arbeitgeber THERMO FISHER SCIENTIFIC ein umfassendes Restrukturierungsprogramm inklusive des Verkaufs mehrerer Firmenteile initiierte. Die BAYER-Manager Klaus Kühn und Arthur Higgins, die sich ebenfalls Hoffnungen auf den BAYER-Vorsitz gemacht hatten, verließen das Unternehmen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu Gunsten Dekkers umgehend.

BTS baute Schwefelsäure-Anlage
BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS) hat für den Bleihersteller BERZELIUS in Stolberg bei Aachen eine Schwefelsäure-Anlage errichtet, die trotz höherer Produktivität angeblich weniger schädliches Schwefeldioxid freisetzt als vergleichbare Fertigungsstätten.

ÖKONOMIE & PROFIT

BAYER spart Steuern
Bei der Verkündung der Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2009 konnte BAYER-Chef Werner Wenning eine Steigerung des Geldmittel-Zuflusses um „erfreuliche“ 57,4 Prozent auf fast 1.4 Milliarden vermelden, was er unter anderem auf „niedrigere Ertragssteuerzahlungen“ zurückführte. Auf die Kassen des Bundes, des Landes und der Kommunen mit BAYER-Werken dürften also unerfreulichere Zeiten zukommen.

Pensionsversicherungsbeitrag steigt
Wenn Unternehmen Insolvenz anmelden, dann stehen auch die Betriebsrenten zur Disposition. In solchen Fällen springt der Pensionssicherungsverein (PSV) ein. Da die Zahl der Firmenpleiten in Zeiten der Krise allerdings drastisch steigt, reichen die Ressourcen der Versicherung nicht mehr aus. Deshalb erhöhte sich für BAYER der Beitragssatz um das Siebenfache auf 70 Millionen Euro.

Kreditversicherungsbeiträge steigen
Der Leverkusener Multi hat Kreditversicherungen in einem Volumen von ca. 300 Millionen Euro abgeschlossen, um vor Zahlungsausfällen seiner Kunden gewappnet zu sein. Im Zuge der Wirtschaftskrise agieren ALLIANZ & Co. allerdings vorsichtiger und limitieren die Deckungssumme. „BAYER hat ebenso wie andere Chemie-Unternehmen eine Welle von Limitkürzungen bekommen. Darüber sind wir überhaupt nicht erfreut“, sagt BAYERs Versicherungsmann Gregor Köhler. Auch das Anheben der Preise, mit dem die Versicherungskonzerne ihre Verluste an den Kapitalmärkten kompensieren wollen, hebt seine Stimmung nicht. Deshalb droht Köhler der Branche damit, eine eigene Kreditversicherung aufzumachen, wie in den 90er Jahren. Damals hatten BAYER, BASF und HOECHST das in Luxemburg ansässige - und immer noch existierende - Unternehmen INDURISK gegründet, weil ihnen die verlangten Umwelthaftungsprämien zu hoch erschienen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Explosion in Bergkamen
In dem Bergkamener Werk von BAYER SCHERING kam es am 5.9.09 bei der Entladung eines Containers mit flüssigen Metallalkyl-Resten, die für die Rückstandsverbrennungsanlage bestimmt waren, zu einer großen Explosion und zwei kleineren Folge-Detonationen. Vier Beschäftigte erlitten einen Schock und mussten sich ärztlicher Behandlung unterziehen. 170 Feuerwehrleute brauchten zwei Stunden, um den Großbrand unter Kontrolle zu bringen. Für den Chemie-Multi war das alles kein Grund zur Beunruhigung. „Eine Gefahr für die Bevölkerung hat zu keiner Zeit bestanden“, erklärte er. Dies sahen Sachverständige, welche die Vorgänge später untersuchten, anders. Sie sprachen von einem „unheimlichen Glück“, dass die vier Belegschaftsangehörigen gehabt hätten, außer einem Schock keine ernsthaften Verletzungen erlitten zu haben. Den ExpertInnen zufolge hat eine defekte Pumpe zu dem großen Knall geführt.

Gas-Austritt in Kansas
Am BAYER-Standort Kansas City kam es am 11.8.09 zu einem Gas-Austritt. Aus einem Zylinder, den eine Fremdfirma geliefert hatte, entwich durch eine Leckage die giftige und ätzende Substanz Chlorwasserstoff.

Phosgen-Austritt in Baytown
Wie der Leverkusener Multi in seinem Nachhaltigkeitsbericht dokumentiert, trat 2008 am Standort Baytown durch eine Leckage Phosgen aus, das zu den gefährlichsten Chemiestoffen überhaupt zählt.

Salzsäure tritt aus
Durch einen defekten Tank trat 2008 laut Nachhaltigkeitsbericht am BAYER-Standort New Martinsville Salzsäure aus.

Ethylenoxid tritt aus
Laut Nachhaltigkeitsbericht wurden 2008 auf dem Gelände des BAYER-Werkes im US-amerikanischen Channelview aus einem Eisenbahn-Waggon 150 Kilogramm Ethylenoxid freigesetzt.

Institute: 2 Arbeiter vergiftet
Am BAYER-Standort Institute war es am 28. August 2008 zu einer Explosion gekommen, in deren Folge zwei Männer starben. Aber auch die Aufräumarbeiten gefährden die Belegschaft. So kamen zwei Arbeiter bei der Instandsetzung einer Rohrleitung in Kontakt mit dem Pestizid-Wirkstoff Carbuforan und mussten sich in ärztliche Behandlung begeben. Der Zwischenfall erreignete sich, weil der Leverkusener Multi sich nicht veranlasst sah, die Belegschaftsangehörigen zum Tragen von Schutzkleidung anzuhalten. Die US-amerikanische Arbeitsschutzbehörde OSHA hatte das bereits nach dem ersten Vorkommnis dieser Art gerügt.

RECHT & UNBILLIG

Preisabsprachen im Pharma-Bereich
Der Leverkusener Multi kann es nicht lassen und ist wieder mal in einen Kartell-Fall verwickelt. Die rumänische Wettbewerbsbehörde hat wegen des Verdachts auf Preis-Absprachen zwischen Pillen-Produzenten und Zwischenhändlern Büros der Pharma-Hersteller BAYER, BAXTER, BELUPO PHARMACEUTICAL und SINTOFARM durchsucht. „Der pharmazeutische Sektor besitzt Priorität für die Wettbewerbsbehörde. Wenn immer es nötig ist, werden wir intervenieren, damit die Bevölkerung Zugang zu Medikamenten erhält, deren Preise auf freiem Wettbewerb beruhen“, sagte Bogdan Chiritoiu, der Präsident der rumänischen Kartellbehörde, zur Begründung der Hausdurchsuchungen.

Patentklage scheitert
Ende letzten Jahres wollte der Leverkusener Multi in Indien die Zulassung einer Nachahmer-Version seines Krebsmedikamentes NEXAVAR verhindern und ging deshalb juristisch gegen den Hersteller CIPLA und die Genehmigungsbehörde vor. Das Gericht wies die Klage im August 2009 jedoch ab und stellte so die Versorgung armer Menschen mit billigen Arzneien sicher (siehe auch SWB 3/09).

BAYER entschädigt Blutplasma-Opfer
Weltweit starben in den 80er Jahren Tausende Bluter durch HIV-verseuchte Blutprodukte an AIDS. Zudem übertrugen die Präparate Hepatitis-C. Obwohl BAYER & Co. das Risiko bekannt war, weigerten die Konzerne sich aus Kostengründen lange Zeit, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Krankheitskeime vorzunehmen. Deshalb sah sich das Unternehmen mit vielen Prozessen konfrontiert. Ein Jahrzehnte lang währender Rechtsstreit ging erst 2009 zuende. Der Konzern willigte schließlich ein, SammelklägerInnen eine Entschädigung zu zahlen.

BAYER mahnt Duckhome ab
Der Leverkusener Multi hat das Internet-Portal Duckhome wegen eines Kommentars zu einem BAYER-kritischen Beitrag abgemahnt. Der Text „BAYER - so ein richtig schmutziger Turbokapitalismus“ hatte einen recht umfassenden Einblick in das Sündenregister des Konzerns von Arbeitsplatzvernichtung und Bienensterben über die Gentechnik und die Kohlenmonoxid-Pipeline bis hin zu giftigen Pestiziden gewährt. Einen Leser hat das zu der Frage veranlasst, ob gegen den Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning ein Notwehrrecht besteht. Das sah der Agro-Riese als „ehrverletzend“ an und leitete rechtliche Schritte gegen Duckhome ein. Der Betreiber der Website beruft sich hingegen auf die Meinungsfreiheit und kündigte an, den Rechtsstreit nötigenfalls bis zur letzten Instanz durchzufechten.

BAYER verklagt TEVA
Der Leverkusener Multi verklagt routine-mäßig Pharma-Hersteller, die nach Ablauf der Patentfrist Nachahmer-Produkte von BAYER-Pillen auf den Markt bringen wollen, um sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe zu halten. Jetzt traf es wieder einmal das Unternehmen TEVA. Der bundesdeutsche Pharma-Riese wirft dem Pillen-Produzenten, der eine Generika-Version des Potenzmittels LEVITRA plant, Patent-Verletzung vor. Damit heißt es bereits zum dritten Mal „BAYER vs. TEVA“. Jüngst geriet diese Klage-Praxis ins Visier der Brüsseler Wettbewerbskommission. Diese betrachtet die gerichtlichen Auseinandersetzungen als Indiz dafür, „dass die Pharma-Märkte nicht so gut funktionieren, wie sie sollten“, so Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. Die Gesundheitssysteme kostet die juristische Verzögerungstaktik zur Verhinderung preiswerterer Arznei-Alternativen Milliarden von Euro.

YASMIN-Patent ungültig
Seit langem schwelt zwischen BAYER und dem jetzt zu TEVA gehörenden Pharma-Unternehmen BARR ein Patentstreit um die Verhütungspille YASMIN (Zu den Nebenwirkungen siehe SWB 3/09). In einem ersten Verfahren erkannte der Richter dem Leverkusener Multi kein geistiges Eigentum auf das Kontrazeptivum zu. Der Konzern ging in Revision, einigte sich aber zwischenzeitlich mit seinem Konkurrenten darauf, ihn gegen eine Umsatzbeteiligung mit dem YASMIN-Wirkstoff zu beliefern. Im August 2009 scheiterte dann auch der Einspruch des Pharma-Riesen. Dem Gericht zufolge reicht eine pharmazeutische Ausbildung, um das Mittel anzurühren; einen Patentschutz könne BAYER dafür nicht beanspruchen.

Klage wg. Vitamin-Werbung
Die VerbraucherInnenschutz-Organisation THE CENTER FOR SCIENCE IN THE PUBLIC INTEREST will den Leverkusener Multi verklagen, falls dieser falsche Angaben in der Werbung für das Vitamin-Präparat ONE-A-DAY nicht korrigiert. BAYER spricht dem Mittel eine Prostatakrebs vorbeugende Wirkung zu, obwohl Studien diese Aussage nicht bestätigen. So hat das „National Institute of Health“ eine ursprünglich auf 12 Jahre angelegte Untersuchung zu diesem Thema wegen sich abzeichnender negativer Ergebnisse vier Jahre früher als geplant beendet. Statt positiver Effekte auf Prostatakrebs machte das Institut ein erhöhtes Diabetes-Risiko durch den Vitamintabletten-Konsum aus.

Baytown-Unfall: BAYER zahlt
Am 26. September 2006 war es im Baytowner BAYER-Werk zu einer Explosion gekommen, bei der 22 Belegschaftsangehörige Gesundheitsstörungen erlitten und zur Behandlung ins Krankenhaus mussten. Die verletzten Beschäftigten strengten eine Schadensersatzklage gegen den Konzern an. Im Sommer 2009 erhielten sie schließlich im Rahmen eines Vergleiches Schmerzensgeld: Ein Gutachten der US-amerikanischen Arbeitsschutzbehörde OSHA hatte dem Leverkusener Multi „grobe Fahrlässigkeit“ in Sicherheitsfragen nachgewiesen.

EU: Sammelklagen auf Eis gelegt
Die EU hat den Plan, Sammelklagen nach US-Vorbild zu ermöglichen, vorerst auf Eis gelegt. Die Europäische Volkspartei (EVP), welche den Kommissionsvorschlag in den Ausschüssen schon empfindlich verwässert hatte, griff sogar zum Mittel der politischen Erpressung, um dieses Instrument des VerbraucherInnenschutzes zu Fall zu bringen. Der EVP-Fraktionsvorsitzende Joseph Daul warnte den Kommssionspräsidenten José Manuel Barroso nicht nur in einem Brief vor dem „möglichst radikal formulierten Kommissionsvorschlag“, er machte auch die EVP-Stimmen zu Barrosos Wiederwahl davon abhängig, dass der Politiker das Vorhaben stoppt. Zur Wiedervorlage kommt es erst im Herbst - und dann wohl nur in einer nochmals abgeschwächten Form. Den Leverkusener Multi, der vehement Lobby-Aktivitäten gegen das Projekt entfaltet hatte, wird das freuen. Millionen-Klagen, wie sie Opfer seines Cholesterin-Senkers LIPOBAY in den USA eingereicht hatten, muss der Konzern in Europa höchstwahrscheinlich nie entgegensehen.

Prozess gegen Broschüre
Die von der Projektwerkstatt Sassen herausgegebene Broschüre „Organisierte Unverantwortlichkeit“ widmet sich den Gentechnik-Seilschaften zwischen BAYER & Co., der Politik und Wissenschaftseinrichtungen. Jetzt hat der ehemalige sachsen-anhaltinische Wirtschaftsminister Horst Rehberger gegen die Publikation, in die auch Recherchen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN eingeflossen sind, vor dem Landgericht Saarbrücken eine Verbotsklage eingereicht.

FORSCHUNG & LEHRE

EU stärkt Standortforschung
Das europäische Forschungsnetzwerk „F3 Factory“ plant, neue Produktionsverfahren für die Chemie zu entwickeln. „Flexibler, schneller, ressourcen-effizienter und energiesparender“ soll es in den „Fabriken der Zukunft“ zugehen - und sicher auch weniger personal-intensiver. Mit 18 Millionen Euro unterstützt die EU den Verbund, dem neben BAYER, BASF, PROCTER & GAMBLE auch Hochschulen und staatliche Wissenschaftsinstitutionen angehören, um europäische Standortpolitik im Sinne der Lissabon-Strategie zu betreiben, die aus Europa „die wettbewerbsfähigste wissensgestützte Wirtschaft der Welt“ zu machen gedenkt. „Mittels schnellerer und flexiblerer Herstellungsverfahren wollen die Experten die weltweite Technologie-Führerschaft der europäischen Chemie-Industrie nachhaltig stärken und die Wettbewerbsfähigkeit verbessern“, heißt es dazu in BAYERs Propaganda-Postille direkt.

Kooperation mit dem Liverpooler IVCC
BAYER CROPSCIENCE hat eine Forschungskooperation mit dem „Innovative Vector Control Consortium“ (IVCC) aus Liverpool vereinbart. Ziel der Zusammenarbeit ist es, neue Insektizid-Wirkstoffe zu finden, um der Mücken Herr zu werden, die Malaria übertragen. Gegen viele alte Mittel haben die Tiere nämlich bereits Resistenzen ausgebildet.

BAYER sponsort SIFE
Die StudentInnen-Organisation SIFE „eröffnet den Studenten bereits während des Studiums ein Forum auf nationaler wie auf internationaler Ebene, um persönliche Kontakte zu Entscheidungsträgern namhafter Unternehmen aufzubauen“, so die Selbstauskunft des Verbandes. Deren „Country Coordinator“ ist deshalb praktischerweise gleich über das Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG zu erreichen. Der Draht zu BAYER könnte auch nicht kürzer sein. Der Leverkusener Multi gehört nämlich nicht nur zu den Sponsoren, er stellt mit Jörg Krell auch den Präsidenten von SIFE Deutschland. Dem BAYER-Manager gefällt dabei vor allem das „soziale Engagement“ der SIFElerInnen in der „Dritten Welt“, wo die Konzern-Kontakt Suchenden laut SIFE-Homepage „als Unternehmer im besten Sinne wirtschaftliche Perspektiven für Dritte“ eröffnen, denn „ethisch verantwortliches Handeln hat für die Unternehmen an Bedeutung gewonnen“, meint Krell. Er denkt dabei natürlich bloß an die Bedeutung für die Öffentlichkeitsarbeit.

BAYERs Forschungspolitik
Hinter BAYERs Vorgehen, verstärkt Kooperationen mit Hochschulen wie der Universität Köln einzugehen und hoffnungsvolle Arznei-Kandidaten von anderen Unternehmen einzukaufen, steckt System. „Große Unternehmen sind gut, um Produkte zu entwickeln, zur Zulassung zu bringen, zu vermarkten, sagte der BAYER-SCHERING-Pharmachef Andreas Fibig in einem Tagesspiegel-Interview. Für Grundlagenforschung ist der Leverkusener Multi seiner Meinung nach nicht so gut gerüstet. Darum lautet Fibigs Devise: „Wir müssen neue Wege finden und Partnerschaften bilden. Da kommen vor allem kleinere Biotech-Unternehmen sowie akademische Einrichtungen in Frage“. Hatte der Konzern sich in der Vergangenheit stets voller Stolz als „Forschender Arzneimittelhersteller“ bezeichnet, so scheint sich der Pharma-Riese nun von dieser Unternehmensphilosophie zu verabschieden.

SPORT & MEDAILLEN

LEVITRA bald auf Doping-Liste?
Der LEVITRA-Wirkstoff Sildenafil weitet die Blutgefäße und verbessert so die Sauerstoff-Aufnahme. Das hat auch doping-willige SportlerInnen auf die Potenzpillen von BAYER & Co. aufmerksam gemacht und die Antidoping-Agentur WADA auf den Plan gerufen. Die Institution debattiert derzeit darüber, die Mittel auf die Doping-Liste zu setzen.

[Endosulfan] STICHWORT BAYER 03/2009

CBG Redaktion

Schlüpfrige Kampagne erfolgreich

BAYER stoppt Endosulfan

Seit zwanzig Jahren verlangt die Umweltbewegung ein Verbot von Endosulfan. Immer wieder wurden tödliche Vergiftungen und schwere Umweltschäden durch das Insektizid dokumentiert. Während der Gebrauch des Präparats in Europa seit langem untersagt ist, steigt der Verbrauch in Ländern des Südens sogar noch an. Nun kam BAYER den Forderungen endlich nach und kündigte als letztes westliches Unternehmen einen Verkaufs-Stopp an.

Von Philipp Mimkes

Die Aktion war nicht nach jedermanns Geschmack: die britische Gruppe PANTS TO POVERTY, die sich für ökologischen Baumwoll-Anbau einsetzt und Unterwäsche aus fairer Produktion vertreibt, forderte ihre UnterstützerInnen Anfang Juli auf, gebrauchte - aber gewaschene - Unterhosen an BAYER zu senden. Damit protestierte die Initiative gegen die Risiken und Nebenwirkungen des Ackergift-Einsatzes auf den Baumwoll-Plantagen. Ihrer Forderung an den Leverkusener Multi, endlich den Verkauf des Uralt-Pestizids Endosulfan zu beenden, schlossen sich in Indien hunderte Baumwollfarmer und Textilarbeiter an. Zudem unterstützten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) und die ENVIRONMENTAL JUSTICE FOUNDATION die schlüpfrige Kampagne.

„Höschen-Hetze gegen BAYER“ titelte daraufhin der Spiegel, dabei offensichtlich Täter und Opfer verwechselnd. Endosulfan ist nämlich einer der großen Killer auf den Baumwoll-Plantagen in Asien und Afrika. Allein im kleinen westafrikanischen Land Benin führte der Einsatz des Pestizids innerhalb von zwei Jahren zu über 50 Todesfällen. In Indien kommt es beinahe täglich zu Vergiftungen. Jüngst starben fünf Schüler, nachdem sie mit Endosulfan vergiftete Milch getrunken hatten.

Der Wirkstoff wirkt direkt auf das zentrale Nervensystem und führt zu epilepsie-artigen Krämpfen, Schäden des Hormonsystems, Erblindungen sowie Leber- und Nierenschäden. Darüber hinaus steht Endosulfan im Verdacht, Krebs auszulösen. Zudem werden viele Vergiftungsfälle indirekt verursacht, durch kontaminiertes Wasser und belastete Nahrungsmittel. Umweltgruppen fordern seit rund zwei Jahrzehnten, den Verkauf von Endosulfan einzustellen, da eine gefahrlose Anwendung, besonders unter Armutsbedingungen, prinzipiell nicht möglich ist. Rund 99 % aller Pestizid-Vergiftungen treten denn auch in Entwicklungsländern auf.

In Deutschland besitzt das Nervengift seit 1991 keine Zulassung mehr. Dennoch vermarktet BAYER den Wirkstoff in anderen Ländern unter den Handelsnamen MALIX, PHASER und THIODAN als letztes westliches Unternehmen weiter, überwiegend für den Einsatz im Baumwollanbau. In das BAYER-Sortiment war das in mittlerweile 62 Ländern verbotene Insektizid im Jahr 2002 durch die Übernahme von AVENTIS CROPSCIENCE gelangt.

Eine Woche nach der Unterhosen-Aktion erreichte ein Mitglied der CBG eine Nachricht der Abteilung „Investor Relations“ von BAYER. Nach dem für den Leverkusener Multi äußerst ungewöhnlichen Eingeständnis: „Wir sind uns dabei bewusst, dass der sachgerechte Umgang mit Pflanzenschutzmitteln unter bestimmten Bedingungen in einigen Ländern der Dritten Welt nicht immer gewährleistet ist“, folgt die Ankündigung, „die Vermarktung des Wirkstoffes Endosulfan bis zum Jahresende 2010 sukzessive in den Ländern, in denen er noch registriert ist, zu beenden.“ Ein großer Erfolg jahrzehntelanger Kampagnen und Lobbyarbeit. Carina Weber, Geschäftsführerin von PAN Germany kommentiert: „Immer wieder haben wir BAYER darauf aufmerksam gemacht, dass Endosulfan viele Schäden und Todesfälle verursacht. Die Entscheidung, die Vermarktung zu beenden, ist daher überfällig.“

Nicht nur auf die menschliche Gesundheit, sondern auch auf die Umwelt hat Endosulfan immense Auswirkungen. Bereits geringe Konzentrationen genügen, um Pflanzen- und Tierwelt nachhaltig zu schädigen. Anfang des Jahres wurde aus Australien ein großes Fischsterben nach einem Einsatz von Endosulfan in Nuss-Plantagen gemeldet. Rund 10 Tonnen Endosulfan waren auch an Bord der philippinischen Fähre „Princess of the Stars“, die im Juni 2008 in einen Taifun geriet und sank, wobei 800 Menschen den Tod fanden. Die Ladung musste aufwendig geborgen werden, um eine Meeres-Verseuchung zu verhindern.

Da der Patentschutz abgelaufen ist, wird der Wirkstoff mittlerweile auch in Entwicklungsländern produziert. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass der Einsatz von Endosulfan und die Zahl der Vergiftungsfälle besonders in Indien dramatisch ansteigt. Die meisten LandarbeiterInnen dort haben keinerlei Zugang zu Schutzkleidung. In solchen Gebieten, in denen der Endosulfan-Einsatz verboten wurde, sank hingegen die Rate von Totgeburten, Missbildungen und neurologischen Schäden deutlich.

Durch den Vermarktungs-Stopp von BAYER rückt nun auch eine internationale Ächtung des Agrogiftes näher. Bislang waren alle Versuche gescheitert, Endosulfan in die betreffenden Konventionen von Stockholm und Rotterdam aufzunehmen. Die beiden Abkommen sehen die Eindämmung des Exports von Giftmüll und von gefährlichen Chemikalien vor. Beide Verfahren scheiterten im Fall von Endosulfan trotz Unterstützung der EU-Kommission bislang an der indischen Regierung. Das Argument, dass schließlich auch westliche Konzerne das Insektizid verkaufen, fällt mit dem Einlenken von BAYER jetzt weg. Deshalb könnte die Vertragsstaaten-Konferenz im Jahr 2011 das globale Aus für Endosulfan einläuten.

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2009 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Demo gegen Kohlekraftwerk
Am 6. Juni 2009 haben in Krefeld ca. 1.500 Menschen gegen das auf dem Chemie-„Park“ von BAYER geplante Kohlekraftwerk demonstriert, und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN durfte dabei natürlich nicht fehlen. „Im Gegensatz zu einem Gaskraftwerk würde uns das Kohlekraftwerk über vier bis fünf Jahrzehnte hinweg mit Feinstaub, Schwermetallen, Radioaktivität und mit jährlich rund 4,4 Millionen Tonnen CO2 belasten. Gas- und Dampfturbinenkraftwerke nutzen bis zu 90 Prozent der im Gas enthaltenen Energie, Kohlekraftwerke nur maximal 60 Prozent”, so Ulrich Grubert vom NIEDERRHEINISCHEN UMWELTSCHUTZVEREIN in seiner Kundgebungsrede. Sogar GewerkschaftlerInnen gehörten zu den ProtestlerInnen. Norbert Bömer, gleichzeitig Mitglied der IG METALL und der Initiative SAUBERE LUFT, äußerte zwar Verständnis für seine um die Arbeitsplätze besorgten KollegInnen, hält aber ein Gaskraftwerk für die bessere - und auch arbeitsplatz-verträgliche - Alternative. „Wir gehören zusammen. Wir sollten nicht gegeneinander antreten“, mahnte er. Die prominenteste Rednerin war die ehemalige NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn. „Kohlekraftwerke sind klimaschädlich, Kohlekraftwerke sind Klimakiller”, wetterte sie und gab zu bedenken: „Die Bundesregierung will den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent reduzieren. Jedes der 20 in Deutschland geplanten neuen Kohlekraftwerke wird aber dazu führen, dass diese Ziele verfehlt werden.”

Demo in Lyon
Mit einer Lohnerhöhung von einem Prozent wollte BAYER CROPSCIENCE seine Beschäftigten in Frankreich abspeisen. Zudem kündigte der Konzern Arbeitsplatzvernichtungen durch Umstrukturierungsmaßnahmen an. Am Standort Lyon reagierte die Belegschaft darauf mit einer Protest-Kundgebung.

Pipeline-Mahnwache
Ende Mai 2009 hatte das Düsseldorfer Verwaltungsgericht einen Antrag BAYERs auf vorzeitige Inbetriebnahme der vom Standort Krefeld zum Standort Dormagen führenden Kohlenmonoxid-Leitung wegen Sicherheitsbedenken abgelehnt (siehe RECHT & UNBILLIG). Die Grünen sahen sofort politischen Handlungsbedarf und setzten das Thema auf die Tagesordnung des NRW-Umweltausschusses. Um den außerparlamentarischen Druck auf die PolitikerInnen zu erhöhen, das umstrittene Projekt endlich zu stoppen, hielt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) vor dem Landtag eine Mahnwache ab. Und mit dem Ergebnis können die CBG und ihre MitstreiterInnen einstweilen zufrieden sein. Die Landesregierung will ein neues Sicherheitsgutachten in Auftrag geben, das die Inbetriebnahme bis mindestens 2012 verzögert. Das könnte die Pipeline zu einem Rohrkrepierer machen.

PONCHO-Zulassungsunterlagen öffentlich
Im letzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hegte den Verdacht, dass der Agro-Riese diese Gefahr bei den Genehmigungsbehörden heruntergespielt hat und verlangte in einem Offenen Brief an das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) die Herausgabe der Zulassungsunterlagen. Der Leverkusener Multi legte umgehend Widerspruch ein. Die Behörde gab diesem jedoch nicht statt und erklärte das Begehr der CBG für zulässig. Nach Meinung des BVL besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse an den Dokumenten. „Die Entscheidung über die (Wieder-)Zulassung von PONCHO steht noch aus. Bei dieser Entscheidung ist die Frage, ob die Bewertung seinerzeit objektiv abgelaufen ist, durchaus von Relevanz“, lautete die Begründung des Bundesamtes.

Kölner Universität antwortet
DIE COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte die Uniklinik Köln gemeinsam mit den KRITISCHEN MEDIZINSTUDIERENDEN AN DER UNI KÖLN, MEDICO INTERNATIONAL und anderen Gruppen in einem Offenen Brief aufgefordert, den mit BAYER geschlossenen Kooperationsvertrag publik zu machen. Zudem verlangten die Initiativen Informationen zu den Details der Vereinbarung. „Verzichtet die Uniklinik auf die negative Publikationsfreiheit - also darauf, auch fehlgeschlagene Experimente publik zu machen? Müssen Studien vor ihrer Veröffentlichung der BAYER AG vorgelegt werden? Wie wird sichergestellt, dass Konzeption und Auswertung pharmakologischer Studien nicht allein durch ökonomische Interessen beeinflusst werden? Wie ist die Frage der Rechte an Arznei-Entwicklungen geregelt?“ - diese Fragen stellten die Gruppen dem Universitätsklinikum unter anderem. Ende März 2009 lehnte es die Universität in ihrem Antwortschreiben ab, den Vertrag zu veröffentlichen. Nur zu einigen Fragen gab sie Auskunft. Einen Verzicht auf die negative Publikationsfreiheit hat die Hochschule demnach nicht geleistet. Die Unabhängigkeit der Forschung sieht sie durch den unabhängigen Lenkungsausschuss gewahrt. Zur Frage der Rechte an den Entwicklungen verwies die Uni auf das Arzneimittel- und ArbeitnehmerInnen-Erfindungsgesetz. Diese Angaben reichten den Initiativen nicht. Sie pochten in einem Schreiben an die Bildungseinrichtung nochmals auf die Veröffentlichung des Vertrages und zitierten dabei die Auffassung der Landesbeauftragten für Datenschutz, wonach das Paragraphen-Werk nicht in den vom Informationsfreiheitsgesetz ausgenommenen Bereich fällt. Darüber hinaus erbaten die Gruppen Präzisierungen zur Frage der Rechte an den Erfindungen, der Geheimhaltungspflichten und der Überwachung der Klinischen Erprobungen.

Kein Datenschutz für Kölner Uni
Die Kölner Universität hatte es abgelehnt, den mit BAYER geschlossenen Kooperationsvertrag offen zu legen (s. o.) und sich dabei auf das Datenschutzgesetz berufen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN bat daraufhin die NRW-Datenschutzbeauftragte, den Fall zu prüfen. Die Antwort fiel eindeutig aus. „Wir teilen Ihnen mit, dass nach Prüfung des Vertragstextes der Auffassung der Universität, der Kooperationsvertrag falle in den vom IFG NRW (Informationsfreiheitsgesetz, Anm. Ticker) ausgenommenen Bereich von Forschung und Lehre, nicht gefolgt wird“.

CBG beim „Rundumschlag 09“
Am 21 März fand in Köln der „Rundumschlag 09“ zum Thema „Kapitalismus - ich KRIEG die KRISE“ statt. Neben Initiativen wie BUSINESS CRIME CONTROL, ATTAC und BUND gehörte auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zu den Teilnehmern. Gemeinsam mit LOBBYCONTROL bot die CBG einen workshop zu „Konzernkritische Gruppen in Köln“ an, der auf reges Interesse stieß.

CBG schreibt der UN
1999 haben sich BAYER und andere Multis am Rande des Davoser Weltwirtschaftsforums im „Global Compact“ dazu bekannt, soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einzuhalten. Nach Meinung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat der Leverkusener Multi mit der Beinah-Katastrophe in Institute und seiner Reaktion darauf gegen diese Regularien verstoßen. Der Konzern hatte im Vorfeld lange bekannte Sicherheitsmängel nicht behoben, defekte Detektoren nicht repariert und Warnsysteme deaktiviert. Nach der Explosion informierte er zudem die Öffentlichkeit unter Berufung auf die Antiterror-Gesetze nur spärlich (siehe SWB 2/09). Die CBG hat die UN deshalb in einem Offenen Brief aufgefordert, den Agro-Riesen aus dem „Global Compact“ auszuschließen. Die Antwort traf umgehend ein. Der „Global Compact“ legte dar, dass er über keinerlei Mandat verfügt, die Einhaltung seiner Prinzipien zu kontrollieren und gegebenenfalls Sanktionen auszusprechen. Nur einen Dialog moderieren könne er. Trotz dieses politischen Offenbarungseides schlug das Büro vor, ein Verfahren wegen Regelverstoßes gegen BAYER einzuleiten, was die CBG auch tat.

Prinz Charles kritisiert Gen-Multis
Prinz Charles hat in einem Interview mit dem daily telegraph massive Kritik an den Gen-Multis geübt. Für ihn unternehmen BAYER & Co. „ein gigantisches Experiment (...) mit der Natur und der Menschheit, das vollkommen schief gegangen ist“. Bei der Lebensmittel-Versorgung auf die großen Konzerne zu setzen, wird in einem „absoluten Desaster“ enden, prophezeite der Prinz.

Leserbriefe zur Pipeline
Die Regionalzeitungen erhalten eine Flut von Leserbriefen zu der von BAYER zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline. „Es verbietet sich geradezu, den Betrieb der giftigen CO-Gas-Pipeline mit Allgemeinwohl zu begründen, die Wertschöpfung liegt alleine nur bei der BAYER AG, die Moral und Ethik mit Füßen tritt“, empört sich beispielsweise ein Leser der Westdeutschen Allgemeinen.

BAYER: PONCHO bienensicher
Im letzten Frühjahr hat BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO in Süddeutschland ein großes Bienensterben verursacht. Ein Mitglied des NIEDERRHEINISCHEN UMWELTVEREINS forderte den Leverkusener Multi deshalb zu einer Stellungnahme auf. In seiner Antwort wies der Konzern alle Schuld von sich. Einige fehlerhaft behandelte Saatgutpartien hätten im Verbund mit einigen fehlerhaft konstruierten Sämaschinen und starkem Wind zu dem Bienensterben geführt, so der Agro-Riese. Mit PONCHO hatte all das dem Unternehmen zufolge nichts tun: „Nach allen uns vorliegenden Untersuchungen ist unser Produkt bei Einhaltung der empfohlenen Beizqualität bienensicher“.

Anfrage zu Glufosinat
Die Linkspartei hat eine Kleine Anfrage zum BAYER-Pestizid Glufosinat gestellt, von dem die LandwirtInnen allein in der Bundesrepublik jährlich 48 Tonnen verspritzen. Sie wollte von der Bundesregierung unter anderem wissen, warum Glufosinat trotz seiner erbgut-schädigenden Wirkung immer noch auf dem Markt ist. Zudem erbat die Linke eine Stellungsnahme der Bundesregierung zum laufenden Zulassungsverfahren des glufosinat-resistenten BAYER-Genmais‘ 1507, den der Multi im Kombipack mit dem Mittel anbieten will. Die neue EU-Verordnung sei noch nicht in Kraft, antwortete die Bundesregierung. Zudem erfülle Glufosinat die Zulassungskriterien: „Bei bestimmungs- und sachgemäßer Anwendung sind keine Risiken für Anwender, Verbraucher und Umstehende zu sehen“. Auch beim BAYER-Mais gibt die große Koalition Entwarnung, „da das Produkt (...) mit glufosinat-haltigen Herbiziden nur in der Art und Weise verwendet werden darf, die der herkömmlichen Praxis bei nicht Glufosinat-tolerantem Mais entspricht“.

Anfrage zu TDA
Im November 2008 hat der grüne Landespolitiker Johannes Remmel eine Kleine Anfrage zu der von BAYER produzierten, Krebs erregenden Chemikalie Toluylendiamin (TDA) gestellt. Nach Auskunft der Landesregierung fielen bei der Herstellung Reststoffe wie verbrauchte Katalysatoren und ein TDA-Gemisch an. Im Jahr 2007 entsorgte BAYER ein Großteil dieser Substanzen - 36 Tonnen bzw. 260 Tonnen - in der Dormagener Rückstandsverbrennungsanlage. Dabei entstehen Kohlendioxid- und Stickstoffmonoxid-Emissionen. Die im Umfeld des Müllofens gemessene Stickstoffmonoxid-Konzentration lag im Jahresmittel bei 109 mg/Nm3 (Grenzwert: 200mg/Nm3).

KAPITAL & ARBEIT

Vassiliadis neuer IG-BCE-Chef
Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) bestimmte Ende Mai Michael Vassiliadis zum neuen Vorsitzenden und Nachfolger von Hubertus Schmoldt. Am unternehmensfreundlichen Kurs der Interessensvertretung wird Vassiliadis festhalten. „Konzernlenker loben ihn als kooperatives Gegenüber“, weiß die Financial Times Deutschland. Und der Gewerkschaftler bekennt sich auch dazu. „Sozialpartnerschaft ist nicht immer sexy und kann langweilig wirken, aber es ist belegbar, dass sie in der Vergangenheit kontinuierlich erfolgreich war“, sagt der 45-Jährige. Über den nötigen BAYER-Stallgeruch verfügt er auch: Wie bereits sein Vater arbeitete er lange beim Leverkusener Multi.

Christliche Gewerkschaft unterliegt
Vor der Wirtschaftskrise hat BAYER nach eigenen Angaben bis zu 650 LeiharbeiterInnen beschäftigt; momentan sind es noch 536. Teilweise arbeiteten sie nach dem von der Christlichen Gewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrag zu einem Gotteslohn von 5,20 Euro brutto (SWB 4/08). Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält die „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ mangels Masse organisierter LeiharbeiterInnen allerdings für nicht tariffähig und zog vor Gericht. In erster Instanz gaben die RichterInnen dem DGB Recht. Allerdings wollen die unchristlichen LohndumperInnen in die Berufung gehen. Das Urteil hat jedoch jetzt schon Konsequenzen: LeiharbeiterInnen klagen Lohnnachzahlungen ein.

Fahrerlose Transportsysteme
Im Bitterfelder BAYER-Werk braucht es zum Hin-und-Herkutschieren der Arznei-Paletten keine Menschen mehr. „Fahrerlose Transportfahrzeuge“, kurz FTF genannt, übernehmen den Job. 20 Stück davon tun davon in der Pillen-Produktion ihren Dienst. „Weniger Unfälle mit schwerem Gerät, eine Fehlerquote nahe null, keine personellen Unwägbarkeiten“, benennt eine BAYER-Sprecherin die Vorteile. Und damit den Robotern nicht alles Menschliche fremd bleibt, hat der Konzern ihnen Namen wie Rudolf oder Birgit gegeben.

ManagerInnen-Gehälter unverdient
Krise hin, Krise her: BAYER-Chef Werner Wenning konnte 2008 sein Salär gegenüber dem Vorjahr noch einmal um zwei Prozent auf 3,66 Millionen Euro steigern. Verdient hat er das nach einer vom Bundesarbeitsministerium in Auftrag gegebenen Studie ebenso wenig wie seine Kollegen. „Vorstände von großen Aktiengesellschaften werden nicht nach Effizienz-Kriterien vergütet“, lautet das Resümee. Nicht an den Geschäftszahlen orientiere sich die Bezahlung, vielmehr bestimme die Größe des Unternehmens das Gehalt, so die ProfessorInnen.

Krebs durch Schichtarbeit
Schichtarbeit, wie sie in der BAYER-Produktion üblich ist, fördert die Entstehung von Krebs. Das ergab eine von der Universität Köln vorgenommene Auswertung von 30 Studien. Teilweise liegt das Risiko einer Erkrankung bei im Schichtdienst Beschäftigen um 70 Prozent höher als bei Menschen mit einer geregelten Arbeitszeit. Als ein Hauptgrund für die Gesundheitsgefährdung sehen die MedizinerInnen die verminderte Produktion des Hormones Melatonin an, für dessen Herstellung der Organismus Dunkelheit benötigt. Sinkt der Melatonin-Spiegel, so kann der Körper nicht in ausreichendem Maße regenerieren und die zellen-schädigenden freien Sauerstoffradikalen nicht binden.

ERSTE & DRITTE WELT

EU betreibt „Rohstoff-Diplomatie“
Die EU hat eine Initiative angekündigt, um die Rohstoff-Versorgung von BAYER & Co. sicherzustellen. Wenn Länder „den ungehinderten Zugang zu ihren Rohstoffen verwehren“, haben sie künftig Nachteile bei der Entwicklungshilfe zu erwarten. Diese von der EU-Kommission „Rohstoff-Diplomatie“ getaufte Strategie zielt vor allem auf Energie-Ressourcen, Metalle, Chemikalien, Holz und Mineralien ab.

EU betreibt Patent-Politik
Seit die Verhandlungsrunden der WTO zur weiteren Liberalisierung des Welthandels gescheitert sind, betreibt die EU Marktöffnungspolitik auf eigene Rechnung. Beim Thema „Patente“ geht sie dabei sogar noch über das berühmt-berüchtigte TRIPS-Abkommen der WHO hinaus. In Verhandlungen mit Kolumbien dringt die Europäische Union auf eine Verlängerung der Patentlaufzeiten für Medikamente von 20 auf 25 Jahre. Die den Zulassungen vorausgegangenen Arznei-Tests will Brüssel nicht mehr wie bisher nach fünf, sondern erst nach elf Jahren zugänglich machen. Zuwiderhandlungen sollen sogar zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. „Wenn die EU ihre Vorschläge durchsetzt, wird Gesundheit unbezahlbar, denn Generika (billige Nachahmer-Präparate, Anm. Ticker) werden vom Markt verschwinden“, prophezeit Germán Holguín von der Initiative MISIÓN SALUD. Marianne Gumaelius von der „Generaldirektion Handel“ der EU-Kommission kümmert das herzlich wenig. „Gerade in Zeiten der Krise muss die EU neue Instrumente suchen, um ökonomisch zu wachsen“, so Gumaelius. Ökonomisch wachsen auf Kosten der Ärmsten der Armen - das versucht auch BAYER derzeit in Indien. Der Leverkusener Multi hat einen Generika-Hersteller wegen Patentverletzung verklagt.

POLITIK & EINFLUSS

„Pro Industrie“-Kampagne in NRW
Der zunehmende Widerstand gegen Industrie-Projekte wie BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline und das Kohlekraftwerk im Krefelder Chemie-Park bewog die Landesregierung jetzt zum Handeln. „Solch ablehnende Haltungen behindern die Entwicklung des Industrie-Standortes Nordrhein-Westfalen“, heißt es in der „Düsseldorfer Erklärung zur Industriepolitik“ von CDU/FDP-Koalition, Unternehmen und Gewerkschaften. Künftig will die von ihnen gegründete „Allianz Pro Industrie und Nachhaltigkeit“ solchen Entwicklungen in einer konzertierten Aktion Einhalt gebieten. Aber ob der Mix aus Drohungen mit Arbeitsplatzvernichtung, Bekenntnissen zu mehr Transparenz und milden Gaben für Soziales, Kultur und Sport die Akzeptanz für umstrittene Vorhaben erhöhen kann, darf bezweifelt werden.

Garthoff sitzt BIO.NRW vor
Das Land Nordrhein-Westfalen setzt unter Innovationsminister Andreas Pinkwart stark auf die Biotechnologie. Zu diesem Behufe hat es unter anderem das Netzwerk BIO.NRW geschaffen, das Wissenschaft und Wirtschaft stärker verzahnen soll. Für Projekte dieser Art stellt die Landesregierung Mittel in Höhe von 260 Millionen Euro
bereit. So einiges davon könnte der Leverkusener Multi abgreifen, denn Pinkwart nominierte den ehemaligen BAYER-Manager und Ex-Vorsitzenden der „Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie“, Bernward Garthoff, zum Leiter. „Mit Bernward Garthoff übernimmt eine in der nationalen wie internationalen Biotechnologie-Szene bekannte Persönlichkeit eine Schlüsselrolle für die Entwicklung dieses Zukunftsfeldes in Nordrhein-Westfalen“, sagte der Innovationsminister zur Amtseinführung.

Chinas Botschafter bei BAYER
Chinas Botschafter in der Bundesrepublik, Ma Conrong, stattete dem Leverkusener Multi nun schon zum zweiten Mal während seiner Amtszeit einen Besuch ab. Unter anderem traf er Konzern-Boss Werner Wenning und Forschungsvorstand Werner Plischke zu Gesprächen über die BAYER-Pläne in seinem Land.

Große Entrups „Wahlbausteine“
Wolfgang Große Entrup, der Vorsteher des BAYER-Stabes „Politik und Umwelt“, gehört als Leiter der Umweltkommission dem CDU-Wirtschaftsrat an. Dieses Gremium hat Ende April „Wahlbausteine“ veröffentlicht, deren Ähnlichkeiten mit den von der „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ (BDA) in ihrer Publikation „Die Krise bewältigen“ geforderten Maßnahmen alles andere als zufällig ist. „Steuererleichterungen in Milliardenhöhe“, „Abkoppelung der Sozialversicherungsbeiträge von den Löhnen“, „flexiblere Arbeitsverträge“, „mehr betriebliche Bündnisse für Arbeit“ und „weniger Kündigungsschutz“ - das war sogar für die Parteileitung zu starker Tobak.

Große Entrup begrüßt Amflora-Urteil
BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup kann wieder etwas optimistischer in die Zukunft der grünen Gentechnik schauen. In seiner Funktion als Leiter der Umweltkommission des CDU-Wirtschaftsrats begrüßte er
das „Ja“ von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner zum Versuchsanbau von BASFs Gen-Kartoffel Amflora. „Mit der Genehmigung des Versuchsanbaus haben sich Sachargumente bei der Bewertung der Pflanzenbiotechnologie wieder durchgesetzt. Nach dem Verbot der Aussaat von Genmais war zweifelhaft, ob in Deutschland wichtige technologische Innovationen noch entwickelt und vermarktet werden können. Jetzt dürfen wir optimistischer sein“, erklärte er. Dabei dachte Große Entrup sicherlich auch an die Kartoffel, deren Stärkegehalt BAYER gerade mittels Gentechnik erhöhen will. Die EU hält sich derweil eine Entscheidung über die Amflora-Zulassung trotz Unbedenklichkeitsbescheinigung der „Europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) noch offen, weil in den Mitgliedsländern der Widerstand gegen die „Zukunftstechnologie“ wächst. Umweltkommissar Stavros Dimas drängt derweil auf ein Moratorium, bis die EU die Genehmigungsverfahren reformiert hat.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYERs Pipeline-Deal
Investitionen von 200 Millionen Euro gegen eine Allgemeinwohl-Bescheinigung für die Kohlenmonoxid-Pipeline - so lautet der Deal, den der Leverkusener Multi im April 2009 mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung ausgehandelt hat. Der entsprechende Vertrag, der nach dem Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts (siehe RECHT & UNBILLIG) inzwischen Makulatur sein dürfte, hat bei Bekanntwerden eine Welle der Empörung ausgelöst. Die Landesregierung würde die 100.000 BürgerInnen, die ihre Unterschrift gegen das Projekt gegeben haben, an BAYER verkaufen, kritisierte Wolfgang Cüppers von der INTERESSENSGEMEINSCHAFT ERKRATH. Und „erstaunt über diese Vorgehensweise“ zeigte sich der Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Johannes Remmel.

Bußfertige YAZ-Werbung
BAYER hatte seiner mitunter lebensgefährlichen Antibabypille YAZ (siehe DRUGS & PILLS) in US-Werbespots wider besseren Wissens positive Effekte auf Akne sowie auf das - nicht offiziell als Krankheit anerkannte - prämenstruelle Syndrom angedichtet (Ticker 1/09) und muss nun dafür büßen. Bisher einmalig in der Werbe-Geschichte, verpflichtete die US-amerikanische Aufsichtsbehörde FDA den Leverkusener Multi zu einer Gegendarstellung in Form einer neuen Reklame. Und so verkündet eine Werbeträgerin in dem frisch produzierten YAZ-Film nun: „Vielleicht haben Sie Werbespots für YAZ gesehen, die nicht ganz klar waren. Die FDA will, dass wir ein paar Punkte in diesen Spots korrigieren“.

YAZ-Werbung jetzt mit Promis
Nachdem die US-amerikanischen Aufsichtsbehörden die Kampagne für die Antibaby-Pille YAZ (zu den Nebenwirkungen siehe DRUGS & PILLS) wegen irreführender Aussagen aus dem Verkehr gezogen haben (s. o.), setzt BAYER nun auf den Promi-Effekt. Der Konzern verpflichtete für die neuen, in den USA ausgestrahlten Werbe-Clips die aus der MTV-Serie „The Hills“ bekannte Lo Bosworth.

BAYER stoppt LEVITRA-Werbung
BAYER musste in Spanien eine Kampagne für das Potenzmittel LEVITRA zurückziehen. „Ich bin es Leid, meiner Frau immer nur Konfekt und Blumen zu schenken. Ich möchte der bestmögliche Liebhaber werden“, mit diesem Begehr wandte sich ein Mann in einer 40.000fach an MedizinerInnen und ApothekerInnen verschickten Werbesendung an seinen Arzt, um ein LEVITRA-Rezept zu erhalten. Zahlreiche AdressatInnen beschwerten sich umgehend über den Machismus dieser Reklame und zwangen den Konzern damit zum Stopp der Aktion. „Der Tonfall der Werbung war wohl nicht ideal“, räumte eine BAYER-Sprecherin kleinlaut ein.

Millionenschwere Pharma-Werbung
BAYER & Co. erhöhen ihre Etats für Pillen-Werbung kontinuierlich. Allein in bundesdeutschen Zeitungen und Zeitschriften schalteten die Pillen-Riesen 2008 Anzeigen im Wert von 342 Millionen Euro. Als größter bundesdeutscher Arznei-Hersteller dürfte BAYER daran einen maßgeblichen Anteil haben.

Bisphenol-Kampagne
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) wirkt hormon-ähnlich und kann deshalb die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen sowie Diabetes und Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern. Kanada hat die Verwendung in Babyflaschen deshalb bereits verboten. Da die Hersteller weiteres „Unheil“ befürchten, haben sie eine Strategie-Treffen anberaumt. Mit „Angst-Taktiken“ beabsichtigen BAYER & Co. ihr Gift-Produkt auf dem Markt halten. „Wollen Sie etwa keinen Zugang zu Baby-Nahrung mehr haben?“ - Fragen wie diese sollen die VerbraucherInnen verunsichern.

BETAFERON-Beobachtungsstudie
Fast 2.000 Anwendungsstudien führten bundesdeutsche MedizinerInnen im Jahr 2008 mit Pillen der Pharma-Riesen durch, darunter auch mit BAYERs Multiple-Sklerose-Präparat BETAFERON. ExpertInnen halten 80 Prozent dieser Beobachtungsstudien für wertlos, denn sie dienen weniger wissenschaftlichen als vielmehr Vermarktungszwecken. Die Pharma-Multis zahlen den ÄrztInnen Geld, wenn diese ihre PatientInnen auf ein firmen-eigenes Medikament umstellen und dazu pro forma einige Angaben zur Verträglichkeit machen. Für die ÄrztInnen lohnt sich das Ausfüllen der Fragebögen allerdings sehr. So war BAYER einst das Akquirieren von fünf neuen KundInnen für den als Mittel zweiter Wahl geltenden Blutdrucksenker BAYOTENSIN schon mal 375 Euro wert, weil sich diese Investition auf lange Sicht auszahlt.

„Boulevard der Marken“ abgesagt
BAYER & Co. wollten bei den Jubiläumsfeierlichkeiten zu „60 Jahre Grundgesetz“ gehörig mitmischen. Vor dem Brandenburger Tor sollte ein „Boulevard der Marken“ entstehen, auf dem Bildstelen ASPIRIN, Nivea und andere Produkte preisen. Doch nach massiver öffentlicher Kritik blies das Bundesinnenministerium die Sache ab und entzog der Eventagentur mit den guten Kontakten zum „Bundesverband der Deutschen Industrie“ den Auftrag.

BAYER springt auf Wissenschaftszug auf
Aus Anlass des 60-jährigen Bestehens der Bundesrepublik setzt das Bundesforschungsministerium in Kooperation mit der „Max-Planck-Gesellschaft“ und der Wirtschaft den Sonderzug „Expedition Zukunft“ aufs Gleis. Ab April rollt er durch die deutschen Lande, um dafür zu sorgen, dass „die Arbeit von Forscherinnen und Forschern wieder mehr Wertschätzung erfährt“. Das liegt auch BAYER am Herzen, denn die mangelnde Akzeptanz von Gentechnik & Co. verhagelt dem Konzern die Bilanzen. Deshalb unterstützt der Leverkusener Multi das Projekt finanziell und stellt Exponate zur Verfügung. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ es sich nicht nehmen, höchstpersönlich das Signal zur Abfahrt des Propaganda-Zuges zu geben, der mit Slogans wie „Konventionelle Züchtung schöpft nicht alle Möglichkeiten aus“ aufwartet, und auf die Frage: „Wie werden wir neun Milliarden Menschen ernähren?“ natürlich die Antwort: „Mit der Gentechnik“ bereithält.

Dubiose Kinderarmutsstudie
BAYER finanzierte der Universität Bielefeld eine Studie zur Kinderarmut und lieferte auch gleich die Studien-Objekte. Diese setzten sich nämlich aus TeilnehmerInnen einer Ferien-Freizeit des ebenfalls vom Leverkusener Multi geförderten Kinderhilfswerks „Arche“ zusammen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte die Kooperation in Leserbriefen zu Zeitungsveröffentlichungen und schrieb der verantwortlichen Professorin Sabine Andresen. Die Wissenschaftlerin antwortete: „In der Tat haben wir uns im Vorfeld auch lange überlegt, ob wir diese Studie übernehmen, während des halbjährigen Forschungsprozesses haben wir als Forscherteam uns immer wieder kritisch hinterfragen müssen, was wir da eigentlich tun“.

BAYER gratuliert Helmut Schmidt
Die Wochenzeitung Die Zeit hat ihren Mitherausgeber, Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt, zu seinem 90. Geburtstag mit einem Sonderheft geehrt. Zu den GratulantInnen gehörte auch BAYER. „Hochachtungsvoll“ hieß es auf der 1-seitigen Anzeige schlicht, und im Kleingedruckten folgte die Selbsterklärung des Glückwunsch-Senders. „Wir sind als Unternehmen ein Teil der Gesellschaft unseres Landes, um das sich Helmut Schmidt verdient gemacht hat“.

Forever young mit Testosteron?
„Müde und lustlos? Unkonzentriert und gereizt? Und dann noch Stress mit der Partnerin?“, fragt BAYER und weiß auch gleich Abhilfe: die Testosteron-Präparate des Konzerns. Auf der Werbeseite www.testosteron.de kann der Mann ab 40 dann praktischerweise gleich einen Test machen und zum Konzern-Kunden werden. „Damit Sie wieder vital, aktiv und ausgeglichen sind“, verspricht der Pharma-Riese. Risiken und Nebenwirkungen wie Bluthochdruck, Ödeme, Herzkrankheiten, Blutverdickung, Leberschäden und Wachstum der Prostata verschweigt der Multi dagegen.

BAYER fördert Schulen
Um die Lust an Naturwissenschaften im Allgemeinen und die von BAYER betriebenen im Besonderen zu wecken, fördert der Leverkusener Multi den Unterricht in diesen Fächern steuernsparend über seine Stiftung „BAYER SCIENCE & EDUCATION“. Diese schüttet jährlich ca. 500.000 Euro an Bildungseinrichtungen im Umkreis der Standorte aus. 20.000 Euro davon erhielt die Jenaer Lobdebergschule für ein Forschungslabor. Und in Weimar stellte der Konzern gleich drei Schulen Schecks aus.

Lernpartnerschaft mit Gesamtschule
Das BAYER-Werk in Bergkamen hat eine „Lernpartnerschaft“ mit der Willy-Brandt-Gesamtschule der Stadt geschlossen. Gemäß dieser Vereinbarung überlässt der Multi den SchülerInnen seine Ausbildungslabors, Metall- und Elektrowerkstätten, schickt seine Lehrlinge in die Klassen und bildet die LehrerInnen in den Ferien durch Betriebspraktika fort.

BAYER bei Klima-Diskussion
7,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid blies der Leverkusener Multi 2007 in die Luft. Eigene Kraftwerke, Anlagen oder Müllverbrennungsöfen trugen dazu 3,9 Millionen Tonnen bei; 3,7 Millionen wurden bei der Produktion zugekaufter Energie fällig. Das hindert den Konzern jedoch nicht, sich in der Öffentlichkeit als der große Klima-Kümmerer zu inszenieren. So gehört das Unternehmen der Initiative „Wirtschaft für Klimaschutz“ an, die vom „Bundesverband der Deutschen Industrie“ ins Leben gerufen wurde und nimmt auch an ExpertInnen-Workshops dieser Organisation teil. Der BAYER-Manager Dr. Manfred Marsmann saß Ende April 2009 bei einer Diskussion zum Thema „Technologie-Transfer und Finanzkooperation: Eckpfeiler eines Post-Kyoto-Regimes“ mit auf dem Podium.

BAYER verleiht Klima-Preis
Neues aus der Rubrik „Bock zum Gärtner“: Der Leverkusener Multi, der auf Kohlendioxid-Emissionen von 7,6 Millionen Tonnen im Jahr kommt, fühlt sich berufen, einen Klima-Preis zu verleihen. Der Konzern verlieh Eberhard Jochems vom „Fraunhofer Institut“ den mit 50.000 Euro dotierten „BAYER Climate Award“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) klärte den Ausgezeichneten über die Hintergründe des Klima-Programms von BAYER auf und schlug ihm vor, das Preisgeld zur Untersuchung der Klima-Bilanz von Chemie-Multis zu verwenden. Eine Antwort auf den Brief blieb bisher allerdings noch aus.

Buchwürdiges Greenwashing
Die Greenwashing-Aktivitäten des Leverkusener Multis, die ihn mittels teurer PR-Maßnahmen trotz massiver Kohlendioxid-Emissionen als Klima-Kümmerer und trotz immenser Wasser-Verschmutzungen als Wasser-Retter erscheinen lassen, haben es mittlerweile zu Buch-Ehren gebracht. Stefan Kreutzbergers Werk „Die Ökolüge - Wie Sie den grünen Etikettenschwindel durchschauen“ räumt dem Konzern sogar ein eigenes Kapitel ein.

TIERE & VERSUCHE

Zweifel an Tierversuchen
Die Zahl der Tierversuche steigt ständig. Starben 1997 in den Laboren der Unternehmen 1,5 Millionen Lebewesen, so waren es 2007 bereits 2,6 Millionen. Der Leverkusener Multi beziffert die Zahl der im Dienste seiner Forschung gestorbenen Tiere auf 1.241. Trotz dieses Booms wachsen in der pharmazeutischen Industrie die Zweifel am „Tiermodell“. So versagte ein erfolgreich an Mäusen erprobtes Alzheimer-Mittel bei den ersten klinischen Tests auf der ganzen Linie. Bei Krebs-Impfungen wiederholte sich das Desaster, weil das tierische Immunsystem nicht an die Komplexität des menschlichen heranreicht. „Von Dutzenden, wenn nicht Hunderten von Protokollen, die in Mäusen hervorragend funktionieren, haben sich nur wenige beim Menschen als erfolgreich erwiesen“, sagt der Immunologe Mark Davis. Zudem leiden die in den Laboren gezüchteten Versuchskaninchen zunehmend an Degenerationserscheinungen, was die Aussagekraft der Experimente schmälert.

Neue EU-Tierversuchsrichtlinie
Das EU-Parlament hat im Mai 2009 eine Änderung der Richtlinie zum Schutz von Versuchstieren beschlossen. Dabei setzten sich die Abgeordneten allerdings über die Vorschläge der Kommission hinweg, die zu strengeren Auflagen geführt hätten. So bleiben besonders schmerzhafte Experimente und Versuche mit Affen erlaubt. „Es ist skandalös, dass sich die Abgeordneten nun sogar für noch laschere Regelungen bei der Genehmigung von Tierversuchen ausgesprochen haben, als sie derzeit in der Tierversuchshochburg Deutschland existieren“, empörte sich daraufhin Brigitte Rusche vom „Deutschen Tierschutzbund“.

DRUGS & PILLS

Immer mehr Todesfälle durch Verhütungsmittel
Die Meldungen über Todesfälle und schwere Gesundheitsstörungen durch BAYERs Antibaby-Pillen YAZ und YASMIN häufen sich. Im letzten Jahr schockierten Berichte über die an einer Lungenembolie gestorbene Tanja Hayes die australische Öffentlichkeit (Ticker 3/08), und in der Schweiz sorgte ein Fernsehbeitrag über ein 16-jähriges Mädchen, das seit der Einnahme von YAZ schwerbehindert ist, für Aufsehen. Der Tagesanzeiger begann daraufhin mit seinen Recherchen und wandte sich an das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM). Zu „sieben Todesfällen im Zusammenhang mit der Anwendung des Arzneimittels YASMIN oder Wirkstoff-Kombinationen von YASMIN“ sei es in der Bundesrepublik bisher gekommen, teilte die Behörde auf Nachfrage mit. BAYER verheimlicht solche Zahlen. Man wolle die Kundinnen nicht verunsichern, so Konzern-Sprecherin Astrid Kranz zum Tagesanzeiger. Ansonsten seien YAZ & Co. nicht gefährlicher als vergleichbare Produkte. Das Gefährdungspotenzial bei den Verhütungsmitteln auf Hormon-Basis rührt von ihrer „Nebenwirkung“ her, Blutgefäße verstopfen und so lebensgefährliche Thrombosen oder Lungenembolien auslösen zu können. Darüber hinaus zählen „Kopf- und Brustschmerz“, „Übelkeit“, „Migräne“ und „Depressionen“ zu den Gegen-Anzeigen von YAZ und YASMIN. Trotzdem hält BAYER wegen der Milliarden-Gewinne weiter an diesem Wirkmechanismus fest. Forschungen zu einer Pille, die ohne Hormone auskommt, stellte der Konzern ein.

Hirnblutungen durch ASPIRIN
Nach einer Studie der Universität Rotterdam erhöht ASPIRIN die Gefahr, eine Hirnblutung zu erleiden. Da das Medikament den Blutfluss anregt, entstehen im Gehirn vermehrt kleinere Blutungen, die sich zu größeren ausweiten können, so die WissenschaftlerInnen. Eine Untersuchung der Universität Oxford kam vor zwei Jahren zu einem ähnlichen Ergebnis und warnte, ASPIRIN drohe bald den Bluthochdruck als Hauptrisiko-Faktor für von Blutungen verursachte Schlaganfälle abzulösen.

ASPIRIN interagiert mit IBUPROFEN
Nimmt ein/e PatientIn mehrere Medikamente gleichzeitig ein, so hat er/sie nicht nur Kombinations-, sondern auch Subtraktionswirkungen zu befürchten. ASPIRIN z. B. verträgt sich nicht mit IBUPROFEN. Das Schmerzmittel schmälert die blutverflüssigende Wirkung des „Tausendsassas“, weshalb Bundesapothekenkammer-Präsident Ulrich Krötsch vor einem Beikonsum warnte.

FDA will ASPIRIN-Warnhinweise
Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat den Leverkusener Multi aufgefordert, sein Schmerzmittel ASPIRIN mit dem Warnhinweis „Gefahr von Magenblutungen“ zu versehen.

USA: XARELTO doch zugelassen
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA zögert bei der Zulassung von BAYERs Präparat XARELTO, das bei orthopädischen Operationen die Entstehung von Blutgerinnseln verhindern soll (Ticker 1/09), immer noch. Fachleute hatten auf das erhöhte Risiko von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden aufmerksam gemacht und Langzeit-Untersuchungen über die Verträglichkeit eingefordert. Eine ExpertInnenrunde stimmte allerdings mit 15:2 für die Genehmigung. Die Vorteile wären höher zu bewerten als die möglichen Gefahren, lautete die Begründung. Ende Mai 2009 verlangte die FDA trotzdem noch weitere Informationen zu „Risiken und Nebenwirkungen“ vom Leverkusener Multi.

Japan: BAYER vertreibt FOSRENOL
BAYER übernimmt in Japan den Vertrieb für das vom britischen Unternehmen SHIRE entwickelte Medikament FOSRENOL. Es soll angeblich bei Menschen mit Niereninsuffizienz im Endstadium der Erhöhung des Phosphatspiegels entgegenwirken, der zu Muskelkrämpfen, Herzrhythmusstörungen und sogar zum Tod führen kann.

BETAFERON überteuert
Die Krankenkasse KKH-ALLIANZ hat die Arzneipreise in den europäischen Ländern untersucht. Fast immer waren die Pillen in der Bundesrepublik am teuersten. So kostete BAYERs gentechnisch produziertes Multiple-Sklerose-Medikament BETAFERON hierzulande mit monatlich 1.429 Euro 74 Prozent mehr als in Italien. Dieser Wucher reißt ein Milliarden-Loch in die Kassen von DAK & Co.. KKH-Vorstandschef Ingo Kailuweit forderte deshalb Konsequenzen: „Die Politik muss eine Preisobergrenze für patentgeschützte Originalpräparate einführen“. Der von BAYER mitgegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) möchte davon allerdings nichts wissen. Die Pharmazeutika seien doch in den letzten Jahren viel billiger geworden, ließ der VFA verlauten.

Zulassung für VISANNE beantragt
BAYER hat die europa-weite Zulassung für das Medikament VISANNE beantragt. Das Mittel mit dem Hormon Dienogest als Wirkstoff soll zur Behandlung der Endometriose, einer gutartigen Wucherung der Gebärmutterschleimhaut, zum Einsatz kommen. „Wir streben auf gynäkologischen Märkten mit signifikantem Wachstumspotenzial die weltweite Marktführerschaft an. Mit der Einreichung von VISANNE haben wir einen weiteren wichtigen strategischen Meilenstein bei der Entwicklung von innovativen gynäkologischen Präparaten erreicht“, erklärte der BAYER-Manager Phil Smits in einer Presse-Mitteilung zum Beginn des Genehmigungsverfahrens.

Pharma-Ausverkauf
BAYER gibt das Geschäft mit den Blutkrebs-Präparaten LEUKINE, CAMPATH und FLUDARA auf. Der Leverkusener Multi veräußert die Medikamente gegen eine Umsatzbeteiligung an den US-amerikanischen Biotech-Konzern GENZYME. Wieviele Arbeitsplätze damit innerhalb des Konzerns verloren gehen, gab der Pharma-Riese nicht bekannt.

Zwangsrabatte für Infusionen
Die Arzneimittel-Ausgaben von DAK & Co. wachsen von Jahr zu Jahr. Im Jahr 2008 stiegen die Kosten um 5,4 Prozent auf 25,8 Milliarden Euro. Um diese Erhöhung wenigstens ein bisschen abzudämpfen, hat die Bundesregierung BAYER & Co. jetzt gezwungen, den Krankenkassen die Zwangsrabatte von sechs Prozent auch auf so genannte Fertigarzneimittel wie z. B. Infusionen zu gewähren.

Pharma-Pflanzen: Bald erste Tests?
BAYER will im Sommer bei der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA die Erlaubnis für klinische Tests mit einem Impfstoff gegen Lymph-Krebs beantragen, den Konzern-ForscherInnen mit gen-manipulierten Tabakpflanzen produzieren. Dazu schleusen die WissenschaftlerInnen mittels Bakterien das Erbgut eines Proteins in die Pflanzen-Zellen, die sich auf diese Weise in botanische Pharma-Fabriken verwandeln. Das Bakterium könnte allerdings im Impfstoff so einige Nebenwirkungen entfalten. Zudem warnen ExpertInnen vor der unkontrollierten Vermehrung der „Heilpflanzen“ in der Natur. „Es besteht immer die Gefahr, dass Pharming-Pflanzen irgendwie in die Natur und in unsere Nahrungskette gelangen“, so Margret Engelhard von der „Europäischen Akademie zur Erforschung und Beurteilung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen“.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Kein PONCHO auf Mais-Kulturen
Im letzten Frühjahr haben BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO und andere Pestizide in Süddeutschland ein großes Bienensterben verursacht. Daraufhin ordnete das Bundesministerium für Verbraucherschutz (BVL) das Ruhen der Zulassung für die BAYER-Beizen PONCHO, CHINOOK, FAIBEL, ELADO, MESUROL FLÜSSIG und ANTARC sowie zwei SYNGENTA-Saatgutbehandlungsmittel an. Für die Anwendung auf Raps-Kulturen gab das BVL PONCHO allerdings schon im Sommer wieder frei. Bei Mais-Kulturen bleibt das Ministerium allerdings hart. Im Februar bestätigte es das Moratorium für fast alle inkriminierten Substanzen. Nur das BAYER-Mittel MESUROL dürfen die LandwirtInnen unter strengen Auflagen wieder verwenden.

Bienensterben in Österreich
Im letzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Österreich reagierte hingegen nicht. Die Konsequenz: In diesem Frühjahr vergiftete die BAYER-Beize 9.000 Bienenvölker von rund 1.000 ImkerInnen. „Für den Hobbyimker ist es nicht unbedingt existenzgefährdend, für den erwerbsorientierten Imker aber auf jeden Fall“, so Josef Ulz vom österreichischen BienenzüchterInnen-Verband.

EU will Bienen schützen
BAYERs Saatgut-Beizmittel GAUCHO und PONCHO sowie andere Pestizide haben immer wieder große Bienensterben verursacht. Unter anderem deshalb hat sich binnen der letzten 15 Jahre die Zahl der Bienenvölker allein in der Bundesrepublik fast halbiert. Das hat das EU-Parlament jetzt zum Handeln bewogen. Es forderte die EU-Kommission auf, in einer großen Studie systematisch dem Zusammenhang zwischen Pestizid-Einsatz und Bienensterben nachzugehen. Die ParlamentarierInnen verlangten darüber hinaus, bei der Zulassung für Gen-Pflanzen die mögliche Kontamination von Nektar stärker zu berücksichtigen. Zudem sprachen sie sich dafür aus, geschädigten ImkerInnen Finanzhilfen zu gewähren.

Pestizidgesetz schützt Bienen nicht
Ursprünglich wollte die neue Pestizid-Verordnung der EU alle bienengefährliche Pestizide verbieten. Dagegen konnte sich die Lobby von BAYER & Co. allerdings erfolgreich wehren. Jetzt dürfen Agrochemikalien auf dem Markt bleiben, wenn sie lediglich „zu einer vernachlässigbaren Exposition von Honigbienen“ führen und „keine unannehmbaren akuten oder chronischen Auswirkungen auf das Überleben und die Entwicklung des Bienenvolks“ haben.

Mangelhafte Haushaltsgifte
Bei der von der Zeitschrift Ökotest im Mai-Heft 2009 vorgenommenen Untersuchung von Haushaltsgiften hagelte es schlechte Noten für BAYER-Produkte. Ein „mangelhaft“ wegen zu giftiger Inhaltsstoffe erhielten das BAYER GARTEN FLIEGEN SPRAY mit den Wirksubstanzen d-Tetramethrin und d-Phenothrin, der BAYER GARTEN UNGEZIEFER STAUB (Deltamethrin), das BAYER GARTEN MOTTEN PAPIER (Transfluthrin), das BAYER GARTEN AMEISEN SPRAY (Deltamethrin), das BAYER GARTEN AMEISENMITTEL in Granulatform (Imidacloprid), das BAYER GARTEN „3 in 1“ SCHÄDLINGSFREI (Imidacloprid) und das BAYER GARTEN GARTENSPRAY (Imidacloprid, Methiocarb)

EU: Schwarze Liste schrumpft
Die neue Pestizid-Verordnung der EU sieht das Verbot zahlreicher besonders gefährlicher Agro-Chemikalien vor (SWB 1/09). Ganz so viele Substanzen wie ursprünglich geplant will die Europäische Union jedoch nicht aus dem Verkehr ziehen. Von den 23 Wirkstoffen bleiben dem Bundesverbraucherschutz-Ministerium zufolge nur noch 17 übrig. Und mit Thiacloprid verschwand auch eines der sechs inkriminierten BAYER-Ackergifte von der Schwarzen Liste.

Mehr Pestizide aus Dormagen
BAYER reagiert auf die gestiegene Nachfrage nach Antipilzmitteln und weitet am Standort Dormagen die Produktionskapazitäten für den Wirkstoff Prothioconazole aus. 300 Millionen Euro investiert der Agro-Multi in den Ausbau.

Weiterhin Klasse-I-Pestizide
Auf der BAYER-Hauptversammlung von 1995 hatte der Vorstand zugesagt, bis zum Jahr 2000 alle Pestizide der Gefahrenklasse I vom Markt zu nehmen. Dieses Versprechen hat der Leverkusener Multi gebrochen. Dem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht zufolge „gibt es weiterhin Produkte, deren Einsatz notwendig ist und für die noch immer keine Alternativen verfügbar sind“. Zudem machten regionale Unterschiede beim Schadinsekten-Aufkommen angeblich eine „Standardlösung unmöglich“.

Immer mehr Pestizide
Rund um den Globus bringen die LandwirtInnen immer mehr Agro-Chemikalien aus. Der weltweite Pestizid-Umsatz betrug 2008 52 Milliarden Dollar und stieg damit gegenüber dem Vorjahr um 29 Prozent. Auch die Wirtschaftskrise stoppt diesen Trend kaum. ExpertInnen rechnen lediglich mit einem Minus von 7 Prozent auf 49 Milliarden Dollar für das laufende Jahr und prophezeien eine baldige Erholung des Geschäfts. In Europa legten die Verkäufe im Jahr 2007 gegenüber 2006 um sieben Prozent zu; in der Bundesrepublik sogar um zehn Prozent.

BAYER kauft Bio-Pestizide
Der Leverkusener Multi hat vom israelischen Konzern AGROGREEN Technologien zur Herstellung von Pestiziden auf biologischer Basis erworben.

Gifthändler fliegt auf
WissenschaftlerInnen finden in Lebensmitteln regelmäßig Rückstände von Pestiziden, die bereits seit langem verboten sind. Ein Grund dafür: Der illegale Handel mit diesen Agro-Chemikalien blüht. Ein Großdealer ging der Polizei jetzt ins Netz. Er verfügte über ein Warenlager von 30 Tonnen und hatte mit Lindan und Endosulfan auch solche Substanzen im Angebot, zu deren Herstellern BAYER einst zählte. Die Kundschaft war ebenfalls illuster. Selbst der Raiffeisen-Agrarhandelsverband, der LandwirtInnen beliefert, fand sich in der Kartei des Kriminellen. Offenbar meinen viele Bauern und Bäuerinnen fälschlicherweise, gegen manche Schadinsekten würden nur Ultragifte wirken.

GENE & KLONE

Option auf Antikörper erworben
BAYER hat von dem US-amerikanischen Unternehmen MICROMET für 4,5 Millionen Euro eine Lizenz-Option auf einen Antikörper erworben. Der erst in der präklinischen Entwicklungsphase steckende Gentech-Wirkstoff soll bei Krebs, Entzündungen und Autoimmun-Erkrankungen wirken.

BAYER kauft Krebsmittel
BAYER hat von dem US-amerikanischen Unternehmen ARDEA BIOSCIENCES die Rechte zur Entwicklung eines Krebsmittels auf der Basis der biotechnologisch hergestellten Substanz RDEA 119 erworben. Sollte RDEA den Sprung aus dem Labor auf den Pharma-Markt schaffen, so muss der Leverkusener Multi 407 Millionen Dollar an ARDEA zahlen.

Kein NEXAVAR bei Hautkrebs
Obwohl schon im Jahr 2006 Versuche mit NEXAVAR als Mittel zur Hautkrebs-Behandlung scheiterten, versuchte es BAYER weiter. Jetzt kam aber das endgültige Aus. Der Wirkstoff scheiterte in der Phase III der Klinischen Prüfung. Auch bei Bauchspeicheldrüsen-Krebs versagte das Medikament in Tests bereits.

Investition in Tumor-Diagnostik
BAYER hat dem japanischen Unternehmen HAMAMATSU PHOTONICS die Rechte an einer Diagnostika-Technologie abgekauft. Das bildgebende Verfahren verwendet spezielle, mit einem radioaktiven Marker versehene Moleküle, die für den Stoffwechsel von Tumoren wichtig sind, um Krebszellen zu orten und zu analysieren.

Keine Forschung mehr in Potsdam
Der Leverkusener Multi gibt die Forschung an gentechnisch manipulierten Nahrungsmittel-Zusatzstoffen auf und schließt seine Labore in Potsdam.

Mexiko erlaubt Freisetzungsversuche
Mexiko gibt der „grünen Gentechnik“ grünes Licht und genehmigt Freisetzungsversuche. 25 Anträge liegen den Behörden bereits vor. Darunter dürften auch solche von BAYER sein.

USA genehmigen Gen-Baumwolle
Die USA haben BAYERs GlyTol-Baumwolle eine Genehmigung erteilt. Der Agro-Riese will die per Gentechnik immun gegen den Herbizid-Wirkstoff Glyphosate gemachte Pflanze ab 2010 vermarkten. Ob die BAYER-Baumwolle Hitze und Trockenheit besser trotzt als die Laborfrüchte des Konkurrenten MONSANTO? Bei denen ließen die klimatischen Verhältnisse nämlich die Glyphosate-Resistenz schwinden, weshalb die Gewächse dem Glyphosate-Großeinsatz nicht gewachsen waren und en masse eingingen.

Mehr Genmais-Verbote
Die EU hatte den Import von BAYERs gentechnischen verändertem Mais „T25“ und der MONSANTO-Sorte „Mon 810“ genehmigt. Österreich hat die Zulassung jedoch nicht akzeptiert und sich dabei auf das Recht der EU-Staaten berufen, bei Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt Alleingänge vorzunehmen. Gegen dieses nationale Verbot reichten die USA, Kanada und Argentinien umgehend Klage bei der WTO ein. Daraufhin übernahm wieder die EU-Kommission. Aber gegen ihren Versuch, Zwangsmaßnahmen gegen Österreich einzuleiten, votierten zu viele Mitgliedsländer. Eine qualifizierte Mehrheit erreichten diese jedoch nicht, deshalb musste die Runde der europäischen UmweltministerInnen entscheiden. Diese erklärte dann Anfang März 2009 den Bann für rechtens. Und wenig später verbot auch die bundesdeutsche Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner „Mon 810“. Der BAYER-Mais war da schon aus dem Rennen. Er ist über das ganze Hickhack nicht jünger geworden und gilt beim Gen-Giganten inzwischen als nicht mehr als wettbewerbsfähig. „Es ist kein Anbau vorgesehen“, erklärte ein Konzern-Sprecher.

Genmais schädigt das Immunsystem
Genmais kann das Immunsystem schädigen. Zu diesem Ergebnis kam eine italienische ForscherInnen-Gruppe bei einem Fütterungsversuch mit MONSANTOs Genmais „Mon 810“. Die WissenschaftlerInnen beobachteten im Organismus der Versuchstiere Veränderungen, die auf Entzündungen und/oder auf allergische Reaktionen hinweisen. Vor solchen Gefahren warnen ExpertInnen allerdings seit Jahren, eine Überprüfung am „Tiermodell“ wäre also nicht unbedingt nötig gewesen.

Mehr Reis mit EVOGENE
BAYER weitet die Zusammenarbeit mit dem israelischen Biotechnologie-Unternehmen EVOGENE auf dem Gebiet der Reisforschung aus. Der Leverkusener Multi will seinen Hybridreis, dessen sterile Samen die LandwirtInnen nicht nur Wiederaussaat verwenden können, künftig mit ertragssteigernden Genen aus dem Hause EVOGENE bestücken.

Noch keine Genreis-Entscheidung
Die EU hat ihre Entscheidung über die Importzulassung für BAYERs Genreis LL62 einstweilen vertagt. Nach dem Mitte April in der Bundesrepublik erlassenen Verbot von MONSANTOs Bt-Mais wollte die Kommission keinen weiteren Streit zum Thema „Gentechnik“ aufkommen lassen, zumal einige Länder im Vorfeld schon ihre Vorbehalte gegenüber Genreis made by BAYER zum Ausdruck gebracht hatten. Sie haben offenbar den Skandal um den nicht zugelassenen LL601-Reis, der sich vor drei Jahren in diversen Supermarkt-Sorten wiederfand, noch in allzu guter Erinnerung. Die Entscheidung dürfte jetzt im Sommer fallen. Sollte das Votum dennoch positiv ausfallen, so würde es höchstwahrscheinlich als Türöffner wirken und Genehmigungen in anderen Ländern nach sich ziehen.

Brasilien gegen LL62-Reis
Brasilien hat dem BAYER-Genreis LL62 (s. o.) keine Zulassung erteilt.

Fragwürdige Sicherheitsforschung
BAYER & Co. interessieren sich nicht groß für die Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnik und scheuen die entsprechenden Investitionen. Forschungsprojekte dieser Art lassen sie sich vielmehr vom Staat finanzieren. So spendierte das Bundesforschungsministerium (BMBF) unlängst acht Millionen Euro für solche Projekte. Und wo Sicherheitsforschung draufsteht, ist oftmals etwas ganz anderes drin, wie eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Kirsten Tackmann (Die Linke) enthüllte. „Die Kleine Anfrage hat ergeben, dass die Biosicherheitsforschung nicht hält, was sie verspricht. Einige der in der aktuell bis 2011 laufenden Förderperiode finanzierten Projekte dienen nicht dem Interesse der Allgemeinheit. Nicht Umweltschutz, sondern ein ‚Beitrag zur Methodenentwicklung‘ steht im Fokus“, stellt Tackmann fest. So widmet sich beispielsweise kein Forschungsvorhaben den von schon zugelassenen Gen-Pflanzen ausgehenden Gefahren. Mit Dr. Inge Broer zählt auch eine alte Bekannte BAYERs zu den NutznießerInnen der Subventionen (Ticker 2/07). Die Biologin von der Universität Rostock, die in der Vergangenheit gemeinsam mit dem Leverkusener Multi sechs Proteine und gentechnische Verfahren zum Patent anmeldete, erhielt 316.000 Euro vom BMBF. Damit will Broer die Auswirkungen von kunststoff-produzierenden Genkartoffeln auf die Umwelt erforschen.

AGROSPRIT & PROFIT

Mehr Öl in BAYER-Raps
Der Agrosprit-Boom nimmt immer mehr Ackerflächen in Anspruch und verdrängt so die Kulturpflanzen von den Feldern, weshalb die Preise für Nahrungsmittel steigen. BAYER profitiert von der Situation. So bietet der Agro-Riese den Biosprit-Baronen mit dem Gentech-Raps INVIGOR maßgeschneiderte, besonders viel Öl produzierende Pflanzen an. Mit den Worten: „So lassen sich mit Hilfe von INVIGOR rund 190 Liter mehr Biodiesel pro Hektar herstellen als aus normalem Hybridsaatgut“, wirbt BAYER-CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer für seinen Raps. Und jetzt startete das Unternehmen eine weitere Offensive zur Optimierung des Produktes. Gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik beginnt er ein Forschungsvorhaben zur nochmaligen Steigerung des Ölgehaltes von INVIGOR.

WASSER, BODEN & LUFT

Dormagen: neues Müllkraftwerk
Jetzt ist es offiziell: BAYER hat den Bau eines „Müllkraftwerks“ in Dormagen beantragt. Es soll die gleiche Größe wie die Anlage in Brunsbüttel (siehe SWB 1/08) haben - und also auch die gleichen umweltbelastenden Substanzen emittieren: Dioxin, chlor-, brom- und fluorhaltige Kohlenwasserstoffe, Chloride, Furane, Kohlendioxid, Schwermetalle wie Quecksilber und Feinstaub sowie Rost-, Filter- und Kesselasche. Der BUND spricht von einer „Billigst-Rauchgasreinigung“. Gegen die Dreckschleuder hat sich vor Ort schon Protest formiert. Auch der Dormagener Bürgermeister-Kandidat Peter-Olaf Hoffmann (CDU) ist nicht glücklich über den neuen Müllofen - allerdings aus persönlichen Gründen. Hoffmann arbeitet derzeit noch als Geschäftsführer einer Kölner Müllverbrennungsanlage und fürchtet Konkurrenz.

BAYER produziert 7,6 Mio. Tonnen CO2
Nach BAYERs aktuellem Nachhaltigkeitsbericht kommt der Konzern 2007 insgesamt auf einen Ausstoß von 7,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Eigene Kraftwerke, Anlagen oder Müllverbrennungsöfen trugen dazu 3,9 Millionen Tonnen bei; 3,7 Millionen wurden bei der Produktion zugekaufter Energie fällig. Trotz dieser gigantischen Umweltverschmutzung verlief der Emissionshandel, der eigentlich Anreize zu einer Reduktion klima-schädlicher Gase geben sollte, zu Gunsten des Leverkusener Multis. Er behielt Verschmutzungsrechte für 100.000 Tonnen CO2 übrig.

BAYER schädigt Ozonschicht stärker
Nach BAYERs aktuellem Nachhaltigkeitsbericht hat der Konzern den Ausstoß von ozon-abbauenden Substanzen erhöht. Von 13,1 auf 14,7 Tonnen nahmen die Emissionen zu. Der Multi macht dafür hauptsächlich die gestiegene Pestizid-Produktion am indischen Standort Vapi verantwortlich, dessen Anlagen offensichtlich nicht dem neuesten Stand der Technik entsprechen.

Mehr Schadstoffe im Abwasser
Fast 80 Millionen Kubikmeter Abwasser produzierte BAYER laut neuestem Nachhaltigkeitsbericht 2007. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies eine Steigerung von acht Prozent. Entsprechend erhöhte sich der Anteil der darin herumschwimmenden Schadstoffe. Die Phosphorfracht nahm von 810 auf 990 Tonnen zu. Die Einleitungen organischer Verbindungen erreichten 1.770 Tonnen (2006: 1.490 Tonnen), was der Multi „auf einen zeitweise nicht-optimalen Betrieb einer Kläranlage“ an einem US-amerikanischen Standort zurückführt. 8.9 Tonnen Schwermetalle made by BAYER fanden sich im Wasser (2006: 8 Tonnen), 680 Tonnen Stickstoff (2006: 730 Tonnen) und 825.000 Tonnen anorganischer Salze (2006: 843.000 Tonnen).

BAYERs Wasserdurst
Der Durst des Leverkusener Multis ist immens. 1,2 Millionen Kubikmeter Wasser braucht er täglich. Allein für den Bedarf des Krefelder Werk kann er mit Erlaubnis der BAYER stets zu Diensten stehenden Bezirksregierung Düsseldorf jährlich 200 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Rhein abpumpen.

Mehr gefährlicher Abfall
BAYER hat dem neuesten Nachhaltigkeitsbericht zufolge im Jahr 2007 mehr gefährlichen Abfall produziert als 2006. Die Menge stieg von 336.000 Tonnen auf 342.000 Tonnen.

Wasserpreise steigen
Die Schadstoff-Einträge von BAYER & Co. in die Gewässer fordern ihren Preis. Die Wasserversorger müssen immer größere Summen in die Aufbereitung investieren. Deshalb kündigten die Unternehmen eine Erhöhung der Wasser-Gebühren um zehn Prozent binnen der nächsten drei Jahre an.

UN verbietet Quecksilber
Die Un-Mitgliedstaaten haben sich Ende Februar 2009 auf ein Verbot von Quecksilber geeinigt. Allerdings gilt dieses nur für den Handel. Als Abfallprodukt, wie es unter anderem in BAYERs Chloralkali-Produktion, seinen Kohlekraft- und Müllkraftwerken entsteht, bleibt es weiter unbehelligt. 2004 - neuere Zahlen legt der Konzern nicht vor - leitete der Chemie-Multi allein 33 Kilogramm Quecksilber in die Gewässer.

BAYERs Quecksilber-Deal
BAYER hat wieder mal eine Privatvereinbarung mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung geschlossen: Der Leverkusener Multi sicherte eine Verringerung der Quecksilber-Fracht zu und erhielt dafür eine Verlängerung der Einleitungsgenehmigung. Besonders bei der Chlor-Herstellung fallen immer noch große Mengen des gefährlichen Schwermetalls an. Der Konzern nahm vor einigen Jahren zwar öffentlichkeitswirksam ein neues Membran-Verfahren in Betrieb, das den Ausstoß reduziert, aber er stellte nur die Hälfte der Produktion auf die Technik um.

Giftgasgranaten in der Nordsee
Etwa 6.000 Giftgas-Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg liegen zweieinhalb Seemeilen vor Helgoland in der Nordsee. Bestückt sind sie mit dem Kampfstoff Tabun, den Gerhard Schrader 1936 im Leverkusener BAYER-Werk entwickelt hatte. „Die chemische Waffe ist auch vom Standpunkt ihrer Anwendung eine typisch deutsche Waffe, da sie der besonderen naturwissenschaftlichen Begabung der Deutschen entspricht“, schrieb der damalige Aufsichtsratschef der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, Carl Krauch, 1938 in einem „Vorschlag zur Nutzbarmachung der deutschen Chemie für die Landesverteidigung“. Die wehrwissenschaftlichen „Wunderwaffen“ stellen heute noch eine Gefahr dar. Die Granaten könnten ohne Fremdeinwirkung detonieren oder dann, wenn die Kriegshinterlassenschaften FischerInnen in die Netze gehen. In 60 bis 70 Jahren dürften die Chemiewaffen durchgerostet sein, was das Explosionsrisiko noch einmal drastisch erhöht. „Dann entsteht über dem Wasser eine Giftgas-Wolke“, beschreibt der Kampfstoff-Experte Stefan Nehring das „Worst Case Scenario“. Der Helgoländer Bürgermeister Frank Botter fordert deshalb eine Bergung der Giftgas-Granaten.

BAYER im Altlasten-Verband
Der Leverkusener Multi hat immer so einige Probleme mit seinen Altlasten. Da trifft es sich gut, dass der Konzern gemeinsam mit VertreterInnen des Landes und der Kommunen Mitglied im Altlastensanierungsverband NRW (AAV) ist und mit Dr. Walter Leidinger von seiner Tochtergesellschaft CURRENTA auch einen der Vorstände stellt. Der AAV fungiert nämlich nicht nur als Träger von Altlasten-Sanierungen, er übernimmt auch stets 80 Prozent der Kosten. So muss der Pharma-Riese nur 170.000 Euro zu dem Etat beisteuern, aus dem Maßnahmen zur Abdichtung seiner in Wuppertal das Grundwasser verunreinigenden Deponie finanziert werden. Darüber hinaus gehören Altlasten-Sanierungen inzwischen selbst zum Geschäftsfeld des Unternehmens, und eine Mitgliedschaft beim AAV schadet bei der Auftragsakquise sicherlich nicht.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Hormone im Mineralwasser
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) wirkt hormon-ähnlich und kann deshalb die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen sowie Diabetes und Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern. Der Frankfurter Ökotoxikologe Martin Wagner hat jetzt den Grad der Verunreinigung von Mineralwässern untersucht. In 65 Prozent der Proben wies er eine hormonelle Aktivität nach. Die Messungen ergaben Werte von bis zu 75 Nanogramm pro Liter. Nach Meinung von ExpertInnen weist eine solch hohe Konzentration bereits auf eine hormonelle Grundbelastung des Rohstoffes „Wasser“ hin.

NANO & CO.

Nano-Risiken unterschätzt
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. BAYERs Nano-Röhrchen finden mittlerweile unter anderem in Duftkapseln, Folien, Flüsterschotter, Eishockeyschlägern, Windrad-Flügeln und Farbstoffen zur medizinischen Diagnostik Verwendung. Für die Risiken und Nebenwirkungen dieser „Zukunftstechnologie“ fühlt sich allerdings niemand verantwortlich. Wegen „extremer Informationsdefizite, einem Mangel an Ressourcen und wegen teils fehlender Zuständigkeiten“ sieht sich etwa die US-amerikanische Gesundheitsbehörde zu einer Gefahren-Analyse außer Stande. Dabei gibt es alarmierende Hinweise. So können Nano-Stoffe nach einer Untersuchung der Universität Edinburgh das Gewebe schädigen und ähnlich wie in der Vergangenheit Asbest Entzündungen auslösen (siehe Ticker 2/08). Und irische ForscherInnen haben Wirkungen von Nano-Partikeln auf das Immunsystem nachgewiesen.

PLASTE & ELASTE

BAYER investiert 650 Millionen
Der Leverkusener Multi kündigte an, bis zum Jahr 2012 650 Millionen Euro in das Geschäft mit Lacken und Klebstoffen zu investieren.

STANDORTE & PRODUKTION

Wellness-Hotel in Wermelskirchen
BAYER REAL ESTATE, die Immobilien-Abteilung des Leverkusener Multis, plant in Wermelskirchen ein Wellness-Hotel. Einen Bebauungsplan für das Gelände „Große Ledder“ gibt es zwar noch nicht, und der Konzern hat seine Vorstellungen auch noch nicht konkretisiert, aber die Stadt will BAYER für eine schnelle Umsetzung den Weg frei machen. So kürzte sie kurzerhand den Dienstweg ab und schloss eine Öffentlichkeitsbeteiligung sowie eine Einbindung der zuständigen Behörden aus. „Hier haben wir das Land und einen Investor. Letztere stehen heute nicht mehr Schlange“, drängte der sozialdemokratische Lokalpolitiker Jochen Bilstein zur Eile.

Mehr TDI aus Dormagen
BAYER baut in Dormagen eine neue Anlage zur Herstellung des Kunststoffes TDI, die auf eine Jahresproduktion von 300.000 Tonnen ausgelegt ist. Neue Arbeitsplätze schafft der Leverkusener Multi mit dieser Investition jedoch nicht.

Mehr Konstrastmittel aus Bergkamen
Der Leverkusener Multi verdoppelt in seinem Bergkamener Werk die Kontrastmittel-Produktion. Welche Auswirkungen das auf die Umwelt haben könnte, interessiert die Arnsberger Bezirksregierung nicht. Sie hat BAYER eine Befreiung von der Umweltverträglichkeitsprüfung ausgestellt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat die Bezirksregierung aufgefordert, diesen Schritt zu begründen und Einblick in den Genehmigungsbescheid für die Kapazitätsausweitung zu gewähren.

Neue Chemie-Anlage in Indien
Der Leverkusener Multi baut im indischen Ankleshwar, das im Bundesland Gujarat liegt, für 20 Millionen Euro eine neue Anlage zur Produktion von Polyisocyanaten. Diese dienen als Basismaterial, um Lacke, Kleb- und Dichtstoffe herstellen zu können.

Chlor-Recycling in Shanghai
BAYER hatte in der Vergangenheit vom japanischen Unternehmen SUMITOMO die Lizenz für ein Chlorrecycling-Verfahren erworben und will am Standort Shanghai bereits die zweite nach einem solchen Prinzip funktionierende Wiederaufbereitungsanlage bauen. Diese soll die TDI-Fertigungsstätte auf dem Werksgelände mit dem nötigen Chlor versorgen, das zu den gefährlichsten Chemikalien überhaupt zählt.

ÖKONOMIE & PROFIT

BAYER im Steuer-Paradies
Bis 2005 tummelte sich auch der Leverkusener Multi im Steuerparadies Luxemburg. Die BAYER FINANCE SA residierte an der Avenue Monterey.

BAYER schreibt TRASYLOL ab
Im November 2007 musste der Leverkusener Multi das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen. Aber BAYER wäre nicht BAYER, wenn der Konzern nicht auch daraus noch Vorteile zu schöpfen wüsste. So machte er die Wertminderung der TRASYLOL-Anlagen steuerlich geltend: Bei den Abschreibungen, die sich im Geschäftsjahr 2008 insgesamt auf 160 Millionen Euro bezifferten, bilden diese Fertigungsstätten den größten Posten.

Pensionsversicherungsbeiträge steigen
Wenn Unternehmen Insolvenz anmelden, dann stehen auch die Betriebsrenten zur Disposition. In solchen Fällen springt der Pensionssicherungsverein (PSV) ein. Da die Zahl der Firmenpleiten in Zeiten der Krise allerdings drastisch steigt, reichen die Ressourcen der Versicherung nicht mehr aus. Deshalb müssen BAYER & Co. mit einer Verzehnfachung des Beitragssatzes rechnen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Unfallliste 2007 verlängert sich
BAYERs aktueller Nachhaltigkeitsbericht zählt für das Jahr 2007 zwei Unfälle auf, die bisher nicht bekannt waren. So brannte in Dubai eine Halle ab, in der eine von BAYER MATERIAL SCIENCE beauftragte Drittfirma 100 Tonnen Kunststoff-Vorprodukte gelagert hatte. Und bei einem Chemikalien-Transport von Los Angeles zum BAYER-Standort Kansas traten 17 Tonnen 2-Chlorobenzyl-Chlorid aus. Da Explosionsgefahr bestand, evakuierte die Polizei mehrere in der Nähe des Unglücks wohnende Personen.

Hepatitis-Opfer ohne Entschädigung
Die Blutpräparate von BAYER & Co. waren in den 80er Jahren nicht nur mit HI-Viren infiziert, sondern auch mit dem Erreger von Hepatitis C. Obwohl den Pharma-Multis das Risiko bekannt war, weigerten sie sich aus Kostengründen lange Zeit, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Viren vorzunehmen

[Endosulfan] Pestizide

CBG Redaktion

Der Verdacht, dass Pestizide für das Fischsterben verantwortlich sind, wurde unterdessen bestätigt

Gemeinsame Pressemitteilung

Rettet den Regenwald e.V.
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

Pestizideinsatz: mutierte Fische mit zwei Köpfen

Bayer-Pestizide für Vergiftungen verantwortlich / Kritiker fordern Verkaufs-Stopp von Endosulfan

Berlin und Düsseldorf, 22. Januar 2009 - Im australischen Fluss Noosa werden Millionen deformierter Fische mit zwei Köpfen beobachtet. Nach dem Schlüpfen sterben die Fischlarven innerhalb von 48 Stunden, berichtet der auf Fische spezialisierte Veterinärmediziner Dr. Matt Landos. Eine Zuchtfarm allein verlor mehrere Millionen Larven.

Als Auslöser der Mutationen stehen Pestizide in Verdacht, die auf einer angrenzenden Macadamianuss-Plantage versprüht werden. Namentlich nennt Landos das Insektizid Endosulfan und das Fungizid Carbendazim, beide im Sortiment des Leverkusener Bayer-Konzerns. Bereits geringste Konzentrationen der Pestizide rufen Schäden des Hormonsystems sowie Entwicklungsstörungen bei Embryonen hervor, wie in Studien nachgewiesen wurde.

Endosulfan gehört zu den giftigsten Insektiziden, die sich weltweit auf dem Markt befinden. Immer wieder kommt es zu Vergiftungen, in mehr als fünfzig Ländern ist der Wirkstoff daher verboten. In Deutschland besitzt Endosulfan seit 1991 keine Zulassung mehr. Der Bayer-Konzern produziert Endosulfan jedoch weiterhin und exportiert es weltweit. Häufig wird das Pestizid (Bayer-Handelsnamen: MALIX, PHASER, THIODAN) gegen Insekten im Baumwollanbau eingesetzt. Allein im kleinen westafrikanischen Land Benin führte der Endosulfan-Einsatz innerhalb von zwei Jahren zu 348 Vergiftungen und 50 Todesfällen. In Indien starben im vergangenen November fünf Schüler, nachdem sie Endosulfan-vergiftete Milch getrunken hatten.

Nach Angaben lokaler Fischer sollen die Bestände im australischen Noosa-Fluss dramatisch zurückgegangen sein, seitdem sich in den neunziger Jahren Macadamia-Plantagen in der Gegend angesiedelt haben. Das staatliche Industrie- und Fischereiamt (DPI & F) untersucht den Fall.

„Bei Fischen und Amphibien ist seit Jahren ein weltweiter dramatischen Rückgang der Bestände bis hin zum Artensterben zu beobachten, die nach verschiedenen wissenschaftlichen Studien auf Pestizide zurückgeführt werden,“ erklärt Klaus Schenck vom Verein Rettet den Regenwald. Den VerbrauchernInnen in Deutschland wird empfohlen, mit Endosulfan behandelte Produkte wie die australischen Macadamia-Nüsse NICHT zu kaufen.

Rettet den Regenwald und die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordern Bayer auf, Produktion und Verkauf von Endosulfan endlich einzustellen. „Eine gefahrlose Anwendung von hochgefährlichen Pestiziden ist prinzipiell nicht möglich, besonders unter Armutsbedingungen“, so Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Rund 10 Tonnen Endosulfan waren auch an Bord der am 22. Juni 2008 gesunkenen Fähre Princess of the Stars, die vor der philippinischen Insel Sibuyan in einen Taifun geriet und sank.

Studien zeigen, dass Endosulfan extrem toxisch ist und direkt auf das zentrale Nervensystem wirkt. In Tierexperimenten wurden Störungen der Bewegungskoordination und epilepsieartige Krämpfe hervorgerufen. Auch Leber- und Nierenschäden sowie Erblindungen sowie Schädigungen der Haut und Schleimhäute wurden festgestellt. Die chronischen Auswirkungen auf Menschen, die lange Zeit geringen Endosulfandosen ausgesetzt waren, umfassen einen Einfluss auf die Fortpflanzungsorgane, Fehlfunktionen der männlichen Geschlechtsorgane, sowie ein stärkeres Wachstum von Brust- und Prostatakrebszellen.

Sky News (Australia), January 13, 2009

Something Fishy Going On In Oz?

The discovery of two-headed fish in Australia has sparked fears of chemical contamination.

Agricultural farm chemicals are under scrutiny after fish in Queensland‚s Noosa River hatched with two heads.

One grower has lost millions of Australian bass which died within 48 hours of being hatched with severe deformities.

A neighbouring macadamia nut farm is reportedly being examined as part of an investigation by the Queensland Department of Primary Industries and Fisheries (DPI&F).

It is suspected chemicals used on the farm, while approved for use in Australia, may have caused the deformities but there is no conclusive evidence linking the farm to the two-headed fish.

Farm chemicals such as endosulfan, which is banned in other parts of the world, is still used in Australia and has been previously linked to fish deaths.

Former New South Wales fisheries scientist and aquaculture veterinarian Matt Landos has called on the government to ban the chemicals and urgently find replacements.

He told Australia‘s Courier Mail around 90% of larvae spawned at the Sunland Fish Hatchery from bass taken from the river were deformed and all died within two days.

„It certainly looks like the fish have been exposed to something in the river,“ Dr Landos said.

„I wouldn‚t like to be having kids and living next to a place that uses
these chemicals and I wouldn‘t like to be drinking tank water where they
are in use.“

Hatchery owner Gwen Gilson blames chemicals used by macadamia farmers
near her Boreen Point business for the deformities.

„Some embryos split into two heads, some had two equal heads and a small
tail and some had one big long head and a small tail coming out of the
head,“ she said.

weitere Informationen:
· Kampagne Stop Endosulfan
· PAN-Informationen zu Endosulfan

[Endosulfan] STICHWORT BAYER 01/2009

CBG Redaktion

Hormonelle Schädigungen:

Zweiköpfige Fische nach Pestizideinsatz

Im australischen Noosa-Fluss werden Millionen von Fischen mit schweren Deformationen beobachtet. Als Auslöser gilt der exzessive Einsatz von Pestiziden in benachbarten Plantagen. Umweltgruppen fordern ein sofortiges Verbot des Pestizids Endosulfan, das u.a. von BAYER produziert wird. Endosulfan steht seit Jahrzehnten in der Kritik und ist für Tausende tödlicher Vergiftungen verantwortlich.

Von Philipp Mimkes

Im australischen Bundesstaat Queensland treten verstärkt Mutationen von Fischen auf. Der Veterinärmediziner Dr. Matt Landos berichtet von Fischen mit zwei Köpfen und Tieren, bei denen der Schwanz aus dem Kopf wächst. Nach dem Schlüpfen sterben die Larven innerhalb von 48 Stunden, eine Zuchtfarm verlor allein mehrere Millionen Barsche. Nach Angaben lokaler Fischer gingen die Bestände im Noosa-Fluss dramatisch zurück, nachdem sich in den neunziger Jahren Macadamianuss-Plantagen in der Gegend ansiedelten.

Das staatliche Industrie- und Fischereiamt DPI&F untersucht den Fall. Als Auslöser der Mutationen stehen Pestizide in Verdacht - namentlich das Insektizid Endosulfan und das Fungizid Carbendazim, beide im Sortiment des BAYER-Konzerns. Die Agrochemikalien, die auf den angrenzenden Plantagen in großen Mengen versprüht werden, können das Hormonsystem schädigen und dadurch Mutationen verursachen. „Bei Fischen und Amphibien ist seit Jahren ein weltweiter dramatischen Rückgang der Bestände bis hin zum Artensterben zu beobachten, die nach verschiedenen Studien auf den Einsatz von Pestiziden zurückzuführen sind,“ erklärt Klaus Schenck von Rettet den Regenwald e.V. Den Verbrauchern in Deutschland empfehlt Schenck, australische Macadamia-Nüsse wegen der möglichen Pestizidbelastung nicht zu kaufen.

Endosulfan ist extrem toxisch und wirkt direkt auf das zentrale Nervensystem. In Tierexperimenten wurden epilepsieartige Krämpfe, Leber- und Nierenschäden, Erblindungen sowie Schädigungen der Haut und Schleimhäute festgestellt. Beim Menschen rufen bereits geringe Konzentrationen Schäden des Hormonsystems hervor. Auch wird ein verstärktes Wachstum von Brust- und Prostatakrebszellen beobachtet. Bei BAYER gelangte der Wirkstoff im Jahr 2002 durch die Übernahme von AVENTIS CROPSCIENCE in das Sortiment.

Immer wieder kommt es zu Vergiftungen mit Endosulfan. Allein im kleinen westafrikanischen Land Benin führte der Einsatz des Pestizids innerhalb von zwei Jahren zu 348 Vergiftungen und 50 Todesfällen. In Indien starben im November fünf Schüler, nachdem sie mit Endosulfan vergiftete Milch getrunken hatten. Rund 10 Tonnen Endosulfan waren auch an Bord der philippinischen Fähre Princess of the Stars, die im Juni 2008 in einen Taifun geriet und sank. Die Ladung musste aufwendig geborgen werden, um eine Meeres-Verseuchung zu verhindern.

In mehr als fünfzig Ländern ist Endosulfan verboten, in Deutschland besitzt das Nervengift seit 1991 keine Zulassung mehr. Der BAYER-Konzern exportiert Endosulfan jedoch weiterhin unter den Handelsnamen Malix, Phaser und Thiodan in alle Welt, meist für den Einsatz im Baumwollanbau. Umweltgruppen fordern das Unternehmen seit langem auf, Produktion und Verkauf von Endosulfan einzustellen, da eine gefahrlose Anwendung prinzipiell nicht möglich ist. Armut, Analphabetismus und tropisches Klima, das den Einsatz von Schutz-Anzügen nicht erlaubt, tragen dazu bei, dass rund 99% aller Pestizid-Vergiftungen in Entwicklungsländern auftreten. Sarojeni V. Rengam, Geschäftsführerin des Pesticide Action Network Asia: „Es ist eine Tragödie, dass Pestizide wie Paraquat und Endosulfan, die unter den Anwendungsbedingungen im Süden extrem gefährlich sind, weiterhin großflächig eingesetzt werden. Wir fordern die Firmen BAYER, weltgrößter Produzent von Endosulfan, und Syngenta, Produzent von Paraquat, auf, die Herstellung dieser tödlichen Pestizide sofort einzustellen.“

Im vergangenen Oktober scheiterte der Versuch, Endosulfan auf der Vertragsstaatenkonferenz der Rotterdam-Konvention auf die Liste der gefährlichen Stoffe zu setzen. Das Prior Informed Consent (PIC) Verfahren gibt Entwicklungsländern das Recht zu entscheiden, welche der gelisteten Chemikalien sie für den Import zulassen und welche sie ausschließen wollen, weil sie deren Risiken nicht handhaben können. Die Produzenten sind verpflichtet, Exporte zu unterbinden, wenn sich das Importland dagegen entschieden hat. Vor allem Indien, Pakistan und China, wo Endosulfan weiterhin im großen Umfang eingesetzt wird, sprachen sich gegen eine Aufnahme in die Liste aus.

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2009 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Demo gegen Kraftwerke
In Brunsbüttel sollen drei Kohlekraft- und ein Müllkraftwerk das Atomkraftwerk ersetzen - und das bis auf eine Kohle-Dreckschleuder alles auf dem BAYER-Gelände. „Wie viel Dreck müssen wir noch ertragen“, fragten sich da die AnwohnerInnen und demonstrierten am 14. März gegen die Pläne. 300 Menschen beteiligten sich an der Protestaktion, zu der unter anderem Bürgerinitiativen, der BUND und die Grünen aufgerufen hatten.

Protest gegen Patentklage
BAYER hat die indische Medikamenten-Zulassungsstelle „Drugs Controller General of India“ (DCGI) verklagt, da diese dem einheimischen Unternehmen CIPLA eine Zulassung für das patentgeschützte BAYER-Krebsmedikament NEXAVAR erteilt hatte (siehe auch SWB 1/09). In einer ersten Anhörung in Neu Delhi gelang es dem Leverkusener Multi bereits, die Genehmigung vorerst ruhen zu lassen. Sollte der Konzern abschließend Recht bekommen, so wäre ein Präzedenzfall geschaffen, der die Versorgung der ärmeren Länder mit preiswerten Arzneien generell gefährdet, da Indien weltweit einer der größten Hersteller billiger Nachahmer-Präparate ist. Aus diesem Grund hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit anderen Initiativen und BündnispartnerInnen vor Ort eine Kampagne gegen das Vorgehen des Pharma-Riesen gestartet.

Initiative kritisiert EPA-Strafe
Schon bevor BAYER 2001 das Werk im US-amerikanischen Institute erwarb, wo sich am 28. August 2008 ein schwerer Störfall ereignete (siehe auch UNFÄLLE & KATASTROPHEN), wurde die Produktionsstätte wegen ihrer Sicherheitsrisiken aktenkundig. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA stellte so schwerwiegende Mängel wie überhöhte Emissionen, fehlerhafte Emissionsberichte sowie Verstöße gegen Vorschriften im Umgang mit gefährlichen Stoffen fest und forderte den Leverkusener Multi als Rechtsnachfolger zu einer Strafzahlung in Höhe von einer Million Dollar auf. Mit diesem Geld soll der Konzern unter anderem in eine Technologie investieren, welche die massiven Einleitung von Chloroform in den Fluss Kanawha stoppt, und den Katastrophenschutz verbessern. Die ortsansässigen Initiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC (PCAM) kritisiert den Deal. „Wenn es der primäre Zweck dieser Strafe ist, abschreckend zu wirken, dann war sie wohl nicht hart genug, denn BAYER hat im Zuge der Explosionen im August 2008 einige der Gesetze wieder missachtet“, schrieb die Gruppe an die EPA. Aber die UmweltaktivistInnen halten nicht nur die Strafe von einer Million Dollar für zu gering, sie stoßen sich auch an den Auflagen zu ihrer Verwendung. Nach Ansicht von PCAM-Sprecherin Maya Nye hätte der Multi das Geld zur Finanzierung eines unabhängigen Monitoring-Systems, zur Ausarbeitung eines Katastrophenplans und zur Versorgung der AnwohnerInnen mit Gasmasken ausgeben müssen. Zudem tritt sie für Sanktionen ein, die mit Geld nicht zu bezahlen sind: „Wir hätten es gerne, wenn Verstöße gegen Vorschriften auch zu Fabrikschließungen führen würden, bis es Pläne gibt, wie die Sicherheit und die Gesundheit der Bewohner zu gewährleisten sind“.

Kritik an PONCHO-Wiederzulassung
Im letzten Frühjahr hatte BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) in Süddeutschland ein großes Bienensterben verursacht. Die Aufsichtsbehörden untersagten daraufhin Anwendungen auf Raps und Mais. Für Raps gab das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) allerdings schon im Sommer wieder grünes Licht - was intern auf große Kritik stieß. Wie die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nach einer Anfrage erfuhr, nahm das Umweltbundesamt (UBA) die Entscheidung des BVL nur „mit äußerstem Befremden“ zur Kenntnis, weil „keine belastbaren Daten“ vorgelegen hätten. „Wir widersprechen ihrer Auffassung nachdrücklich“, hielt das UBA deshalb fest.

ImkerInnen gegen Wirtschaftseinfluss
Der „Deutsche Imkerbund“ und der „Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund“ haben in einem Offenen Brief den großen Einfluss von BAYER & Co. bei der Erforschung des Bienensterbens und die daraus resultierende ungenügende Untersuchung von Pestiziden als Auslöser kritisiert. Eine „Verflechtung von Wirtschaftsinteressen, Forschung und Behörden“ machten die Verbände fest. Da das Geld für die Studien der Bienen-Institute „gerade im Bereich der Agroindustrie ausnahmslos von Firmen wie BAYER, BASF, SYNGENTA etc. zur Verfügung gestellt“ werde, seien die Ergebnisse nicht objektiv. Im „Deutschen Imkerbund“ hat der Vorstoß zu einer Kontroverse geführt. WissenschaftlerInnen gaben ihren Sitz im Beirat auf, und einige Landesverbände forderten die Abwahl von Präsident Peter Maske. Sogar der große Bruder der Imker-Vereinigung, der „Deutsche Bauernverband“, schaltete sich ein. „Diktion und Inhalt“ des Schreibens kamen diesem „unmöglich“ vor. Offensichtlich eingeschüchtert, zog der Vorstand den Brief zurück und entschuldigte sich bei den Instituten. Die BienenzüchterInnen bestätigten Maske allerdings im Amt. So bleibt Hoffnung auf einen industrie-kritischeren Kurs des ImkerInnenbundes.

Leserbrief zu Kohlekraftwerk
Ein in der Westdeutschen Zeitung veröffentlichter Leserbrief kritisiert die Position der Gewerkschaften zu dem in Krefeld auf dem BAYER-Gelände geplanten Kohlekraftwerk scharf. „Es ist geradezu peinlich, wie sich die Betriebsräte im Chempark von den Führungsspitzen bei BAYER instrumentalisieren lassen, indem 7.000 Arbeitsplätze in Gefahr geredet werden. Kein einziger Arbeitsplatz ist in Gefahr“, schreibt die Leserin. Sie erinnert aus gegebenem Anlass noch einmal an die Umweltsünden der Vergangenheit, die „Hunderte von Toten“ kosteten und verlangt vom Konzern, seine Zusicherungen hinsichtlich der Reduzierung des Schadstoff-Ausstoßes in eine verbindliche vertragliche Form zu gießen.

BUKO kritisiert Pillen-Werbung
Anfang 2008 kritisierte der von der BUKO PHARMA-KAMPAGNE herausgegebene Pharma-Brief die irreführende Werbung des Leverkusener Multis für seine Verhütungspillen. „Durch die Verhütung mit einer solche Pille werden Haut- und Haarprobleme deutlich verbessert bzw. verschwinden vollständig. Selbst junge Mädchen, die (noch) gar kein Verhütungsmittel benötigen, wenden allein aus diesem Grund gerne eine geeignete Pille an“, hieß es etwa auf der Webpage der BAYER-Tochter JENAPHARM für VALETTE, obwohl auf dem entsprechenden Beipackzettel just Akne als Nebenwirkung aufgeführt ist. Und PETIBELLE empfahl das Unternehmen als Mittel der Wahl gegen das „Prämenstruelle Syndrom“, das die Industrie nur zu gerne von einer Befindlichkeitsstörung zu einer Krankheit promovieren würde. Die Pharma-Kampagne wandte sich wg. dieser Werbeaussagen an das „Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz“ als zuständige Aufsichtsbehörde. Dieses strengte zwar ein Ordnungswidrigkeitsverfahren an, stellte es aber wieder ein. „Im Vergleich sind die Internetseiten der Konkurrenz-Produkte ähnlich aufgebaut“, befanden die VerbraucherschützerInnen. Zudem seien die Seiten inzwischen umgestaltet, behaupteten sie fälschlicherweise. Erst als sich die SWR-Sendung Odysso der Sache annahm, verschwand die VALETTE-Reklame schließlich aus dem Netz. Das Kontrazeptivum YASMIN preist der Leverkusener Multi sogar als Mittel gegen Gebärmutter- und Eierstockkrebs an, während er das erhöhte Risiko von YASMIN-NutzerInnen, an Brust oder Gebärmutterhals-Krebs zu erkranken, verschweigt. Die Bezirksregierung Köln interessierte sich nicht weiter dafür, sie ließ den Buko-Brief unbeantwortet. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA reagiert auf solche Marketing-Strategien BAYERs dagegen harscher (siehe RECHT & UNBILLIG).

TierversuchsgegnerInnen protestieren
Im Januar 2009 protestierten TierschützerInnen der Initiative SHAC vor den Toren einer britischen BAYER-Niederlassung, weil auch der Pharma-Riese zu den Kunden des Tierversuchsmultis HUNTINGDON LIFE SCIENCES zählt. In Instituten, die im Auftrag des Leverkusener Konzerns forschten, starben im Jahr 2008 1.241 Tiere. In den eigenen Labors des Unternehmens verendeten im gleichen Zeitraum 157.710 Kreaturen (2007: 157.987).

Bisphenol-Verbot in der EU gefordert
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) kann Diabetes oder Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern, die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und Chemotherapien erschweren. In Kanada haben die Behörden BPA in Trinkflaschen bereits verboten. Gleiches fordert jetzt eine ins Straßburger EU-Parlament eingebrachte Deklaration.

Paraguay: LandwirtInnen gegen Gensoja
Paraguayische LandwirtInnen besetzten Anfang Oktober 2008 eine mit Gen-Soja kultivierte Anbaufläche, die im Besitz zweier Großgrundbesitzer aus Brasilien ist, und pflanzten auf dem Acker stattdessen Sesam und Manioks an. „Uns blieb keine andere Wahl als die brasilianischen Haciendas zu besetzen, weil das Soja die Waldflächen frisst und für Pestizid-Vergiftungen sorgt“, sagte der FarmerInnen-Sprecher Elvio Benítez. Zudem forderte er den Staatspräsidenten Fernando Lugo auf, in dem Staat, dessen Farmland mehr noch als im übrigen Lateinamerika in den Händen einiger weniger Agrarfürsten ist, endlich mit der versprochenen Landreform zu beginnen.

Proteste gegen Patent-Regelungen
Die Initiative KEIN PATENT AUF LEBEN hat eine Kampagne gegen den Zugriff der großen Konzerne auf das Erbgut von Tieren und Pflanzen gestartet. Sie verfasste einen Protestbrief, der die Justizministerin Brigitte Zypries und die Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner zum Handeln auffordert, und rief Gentechnik-GegnerInnen dazu auf, ihn persönlich zu zeichnen und an die Politikerinnen zu senden. „Vom Saatgut bis zum Schnitzel, vom Mehl bis zur Milch - die Industrie holt zum Generalangriff auf die allen Menschen gemeinsamen Lebensgrundlagen aus. Sie missbraucht das Patentrecht zur Übernahme von Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft“, heißt es in dem Schreiben, das gleichwohl Möglichkeiten zu einer politischen Intervention sieht. „Noch können die Weichen gestellt werden“, stellt KEIN PATENT AUF LEBEN fest und mahnt eine Veränderung des bundesdeutschen und europäischen Patentrechts an, um BAYER & Co. in die Schranken zu weisen.

Offener Brief an Hochschule
BAYER hat der Universität von North Carolina einen „Sustainable Development“-Lehrstuhl spendiert. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte in einem Offenen Brief gegen das Ansinnen, Umweltschutz, so wie ihn BAYER sieht, mit universitären Weihen zu versehen. Die Resonanz in der US-amerikanischen Öffentlichkeit war groß. Die Bildungseinrichtung blieb allerdings bei ihrer Entscheidung. „BAYER CROPSCIENCE (...) war lange Jahre ein wertvoller Partner. Solche Partnerschaften bereichern unser College-Programm und erlauben uns, unseren Studierenden sowie den Bürgern von North Carolina und anderen besser zu dienen“, antwortete der Dekan Johnny C. Wynne der CBG. Wie sie das Programm bereichern, verraten schon die Wörter. So führt die Fakultät die Industrie-Bezeichnung „Life Science“ im Namen und lehrt „Integrierten Pflanzenschutz“, die Agromulti-Version von ökologisch korrektem Pestizid-Gebrauch.

LOBBYCONTROL will Register
Ca. 5.000 LobbyistInnen gehen in der Hauptstadt ihrer Arbeit nach. Der Leverkusener Multi hat in der Hauptstadt nicht nur ein eigenes „Verbindungsbüro“, er kann auch auf die Dienste des von ihm mitgegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ und des „Verbandes der Chemischen Industrie“ zählen. Damit zumindest für ein Mindestmaß an Transparenz gesorgt ist, fordert die Initiative LOBBYCONTROL, die auch den etwas anderen Reiseführer „LobbyPlanet Berlin“ herausgegeben hat, ein Register der AntichambriererInnen. Die Grünen, die Linkspartei und die SPD haben bereits ihre Zustimmung signalisiert.

Filmemacherin kritisiert EU-Behörde
Die französische Journalistin und Filmemacherin Marie-Monique Robin, deren Film „MONSANTO - mit Gift und Genen“ viel Aufsehen erregte, hat die für Genehmigungen von Genpflanzen zuständige „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) wegen ihrer Industrie-Abhängigkeit scharf kritisiert. „80 Prozent der Wissenschaftler dort arbeiten für MONSANTO und andere Saatguthersteller wie SYNGENTA oder BAYER CROPSCIENCE. Ich habe mit zwei französischen Abgeordneten gesprochen, die ihren Unmut auch in der Zeitung Le Monde veröffentlicht haben. Sie sagen, der politische Druck, die Zulassung der GVO (gentechnisch veränderte Organismen, Anm. SWB) umzusetzen, sei unerträglich. Da geht es nicht nur um normale Lobbyarbeit, sondern auch um Bestechung und all diese Dinge“.

KAPITAL & ARBEIT

Betriebsbedingte Kündigungen?
Der Kauf des Berliner Pharma-Unternehmens SCHERING bringt BAYER jährlich einen „Synergie-Effekt“ von 800 Millionen Euro. Kleiner Nebeneffekt: Die Vernichtung von 6.000 Stellen. Bis auf 50 Jobs hat der Leverkusener Multi diese Arbeit bereits verrichtet. Und für die noch übrig gebliebenen Posten auf der Streichliste schließt BAYER-Chef Werner Wenning betriebsbedingte Kündigungen nicht aus. „Betriebsbedingte Kündigungen wären lediglich die ultima ratio“, sagte er in einem Interview mit der Zeitung Potsdamer Neueste Nachrichten.

Kritik & Selbstkritik bei BAYER
Bei BAYER dürfen sich die Beschäftigten selbst Zeugnisse ausstellen, allerdings behält der/die Vorgesetzte das letzte Wort. Rund ein Drittel der Belegschaft unterwirft sich dem so genannten Performance-Management. Dabei müssen die Betriebsangehörigen jedes Jahr selbst beurteilen, ob sie es schafften, den Zielvorgaben gerecht zu werden. Dann treten die ChefInnen auf den Plan und gleichen die subjektiven Leistungseinschätzungen mit ihren Eindrücken ab. „Offenes Feedback ist uns wichtig“, heißt es zu dieser Praxis aus dem Konzern.

ManagerInnen-Gehälter kaum begrenzt
Damit die Milliarden-Hilfen für die Wirtschaft nicht allzu viel böses Blut bei den SteuerzahlerInnen hervorrufen, hat die Bundesregierung ein bisschen an den Millionen-Gehältern der ManagerInnen herumgedoktort. Ab sofort müssen sie in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung des Vorstands stehen, und über die Festsetzung der Bezüge entscheidet nunmehr der ganze Aufsichtsrat. Aktien-Optionen dürfen Wenning & Co. fortan erst nach vier Jahren einlösen, was zu einem langfristigeren Denken anhalten soll. Auch sind sie dazu angehalten, ihre komplexen Entlohnungsstrukturen der Öffentlichkeit gegenüber transparenter darzustellen. „Wenn man sieht, wie ungeniert sich mancher Vorstand selbst in der Krise noch bedient, dürfen sich die Manager über die harmlosen Beschlüsse des Kabinetts sogar freuen“, kommentierte die Faz.

ERSTE & DRITTE WELT

Forschungsanreize für Tropenkrankheiten
BAYER entwickelt nur Arzneien, die Profit versprechen. Eine Krankheit mag noch so verbreitet sein, wenn die PatientInnen sich keine Behandlung leisten können, interessieren die Pharma-Riesen sich für die Erforschung der Gesundheitsstörung nicht weiter. Darum hat BAYER schon vor Jahrzehnten seine Abteilung für Tropenmedizin aufgelöst. Es müssen schon private und/oder öffentliche Gelder fließen, um den Leverkusener Multi zu neuen Anstrengungen auf diesem Gebiet zu verlocken, wie im Falle der Tuberkulose- und Malaria-Projekte (Ticker berichtete mehrfach) geschehen. Aus diesem Grunde war die ehemalige BAYER-Angestellte Cornelia Yzer, die heute dem vom Leverkusener Multi gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller“ vorsitzt, äußerst angetan von der US-amerikanischen Praxis, die Pillen-Hersteller mit der Aussicht auf schnellere Medikamenten-Zulassungen zum Einstieg in unlukrative Geschäftsfelder zu bewegen. Als „ökonomisch von großem Wert“ bezeichnete Yzer bei einem Fachgespräch im Bundestag die neue US-Regelung und forderte sogleich eine europa-weite Einführung. Ihre Werthaltigkeit steht allerdings im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Qualität. Entgegen ursprünglicher Planungen müssen BAYER & Co. nicht einmal auf den Patentschutz für ihre tropenmedizinischen Neu-Entwicklungen verzichten, damit sie die beschleunigten Verfahren für ihre potenziellen Blockbuster in Anspruch nehmen können. Und besser als die bisherigen Arzneien brauchen die Novitäten auch nicht mehr zu sein.

IG Farbeen

Wollheim-Denkmal errichtet
1951 verklagte der ehemalige IG-FARBEN-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim die Nachfolge-Gesellschaft auf Schmerzensgeld. Nach langwierigen Verhandlungen erhielt Wollheim nicht nur in eigener Sache Recht: Die IG FARBEN IN ABWICKLUNG mussten in einem Vergleich 15 Millionen Euro an die Opfer zahlen. Ohne diesen Musterprozess hätte es wahrscheinlich nie Entschädigungen für die SklavenarbeiterInnen der deutschen Industrie gegeben. Deshalb ehrte die Stadt Frankfurt Wollheim im vergangenen Jahr mit einem Memorial (siehe SWB 1/09).

Bundessstiftung verspekuliert sich
Über acht Millionen ZwangsarbeiterInnen gab es während des Dritten Reiches Sklavendienste. Zehntausende von ihnen leisteten Fronarbeit bei den von BAYER mitgegründeten IG FARBEN. Allein in Auschwitz, wo die IG sogar ein firmen-eigenes KZ unterhielt, starben zwischen 23.000 und 25.000 von ihnen. In den 90er Jahren forderten die Überlebenden Entschädigungszahlungen von BAYER & Co. und drohten mit Sammelklagen. Die rot-grüne Bundesregierung sprang den Unternehmen zur Seite, um Imageschäden abzuwenden und langwierige Prozesse zu verhindern. Sie regte die Gründung der Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ an, dessen Kapital die Unternehmen noch nicht einmal allein aufzubringen brauchten: die Hälfte kam aus Steuermitteln. Erst nach einem endlosen Gefeilsche mit den Opfer-VertreterInnen um die Entschädigungssummen konnte die Bundesstiftung mit den ersten Zahlungen - symbolische Summen von höchstens 7.500 Euro pro Person - beginnen. Im Juni 2007 schloss sie ihre Arbeit ab. Die Stiftung bleibt jedoch weiter tätig und fördert Geschichtsprojekte, Begegnungsprogramme und Forschungsprojekte. Dies kann die Organisation dieses Jahr allerdings nur in geringerem Umfang tun. Sie legte ihr Vermögen nämlich zu risikoreich an und musste im Zuge der Finanzkrise hohe Summen abschreiben. Deshalb schrumpfte der Jahresetat der Stiftung von neun Millionen Euro auf 7,3 Millionen.

POLITIK & EINFLUSS

BAYERs Außenminister tritt ab
Im Februar 2009 ging der BAYER-Manager Dr. Franz-Josef Berners in den unverdienten Ruhestand. Seinen Ruf als „Außenminister BAYERs“ erwarb sich der langjährige Leiter des Unternehmensbereichs „Regionale Koordinierung“ durch seine Kontrolltätigkeiten bei den vielen ausländischen Tochtergesellschaften des Chemie-Multis. Aber auch Innenpolitik konnte der Betriebswirt. So saß er von 1975 bis 1990 für die CDU im Leverkusener Stadtrat, nahm dort zehn Jahre den Fraktionsvorsitz wahr und „übertrug einiges vom BAYER-Arbeitsstil auf die ehrenamtliche Ratsarbeit“, wie die Rheinische Post befand. Zudem gehörte Franz-Josef Berners dem Bezirksplanungsrat und zwei Jahre lang sogar dem Bundestag an, in den er vermutlich nicht nur den Arbeitsstil, sondern auch die politische Sichtweise des Konzerns einbrachte. Zur Belohnung darf er jetzt noch ein paar einträgliche BAYER-Aufsichtsratspöstchen fern der Heimat behalten. Damit nicht genug, drohte Berners zudem Aktivitäten als Berater an.

Kurth comes home
Dr. Reinhard Kurth war immer ein Mann der Pharma-Industrie. Deshalb bugsierten BAYER & Co. den Leiter des „Robert-Koch-Institutes“ im Jahr 2005 auch auf den Chef-Sessel des „Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM). Zum Dank dafür setzte Kurth sich dann für Industrie-VertreterInnen im BfArM-Vorstand und beschleunigte Pillen-Zulassungsverfahren ein. Zudem wollte er die Institution rechtlich unabhängig machen und so in eine „international konkurrenzfähige Zulassungsagentur“ verwandeln. Das ging selbst der CDU zu weit, weshalb der Mediziner 2007 wieder gehen musste. Aber der Leverkusener Multi wusste, was er Reinhard Kurth schuldig war. Der Konzern erkor ihn zum Vorsitzenden der SCHERING-Stiftung, die sich der Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses verschrieben hat.

CO2: BAYER fährt nach Brüssel
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in einem bestimmten Volumen zu gestatten. Alles, was über ein bestimmtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen, weil sie dafür Verschmutzungsrechte kaufen müssten. Dazu ist es jedoch dank umfangreicher Lobby-Aktivitäten immer noch nicht gekommen. Für die neueste Variante ihrer Obstruktionspolitik instrumentalisierten die Multis die Wirtschaftskrise und malten einmal mehr das Schreckgespenst von Arbeitsplatz-Vernichtungen an die Wand. Angela Merkel verfiel sogleich in Schockstarre und handelte beim Brüsseler EU-Gipfel kostenlose Verschmutzungsrechte für die bundesdeutschen Chemie- und Stahlunternehmen, die besonders viel CO2 emittieren (BAYER insgesamt ca. 7,5 Millionen Tonnen), aus. Der Leverkusener Multi hat dazu mit einer konzertierten Aktion wichtige Vorarbeit geleistet. Der Werksleiter des Brunsbütteler Werkes, Roland Stegmüller, reiste gemeinsam mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff und dem IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE-Vorsitzenden und BAYER-Aufsichtsrat Hubertus Schmoldt nach Brüssel, um auf höchster Ebene Lobby-Arbeit zu betreiben. Wulff betätigte sich dabei am ehrgeizigsten als Bauchredner BAYERs. „Wir wollen mehr Klimaschutz, das ist eine Sache des Überlebens. Aber die energie-intensive Branche muss eine freie Zuteilung der Emissionsrechte bekommen, sonst wandern die Betriebe ab in Länder, in denen es überhaupt keinen Handel mit Emissionsrechten gibt“, warnte der CDU-Politiker.

Merkel bei BAYER
Der Leverkusener Multi war auf dem letzten Bundesparteitag der CDU in Stuttgart mit einem Stand vertreten. An diesem erhielt der Konzern Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Bei den Gesprächen mit der Kanzlerin rückten vor allem die Themen Bildung und Ausbildung in den Mittelpunkt“, vermeldet BAYERs Propaganda-Postille direkt. Der Konzern nutzte die Gelegenheit aber auch, um die Politikerin wegen der aus Brüssel drohenden Verschärfungen der Klimaschutz-Auflagen ins Benimm zu nehmen (s. o.). Darüber hinaus schauten noch zahlreiche andere CDUlerInnen bei BAYER vorbei. Besonderes Interesse zeigte mit Hermann Gröhe, Willi Zylajew und Ruprecht Polenz die Landesgruppe Nordrhein-Westfalen.

EU initiiert Gentech-Geheimkommission
Nach Recherchen des Journalisten Geoffrey Lean von der britischen Tageszeitung Independant hat die EU eine unter Ausschluss der Öffentlichkeit operierende Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um die Einführung genmanipulierter Nahrungsmittel zu beschleunigen. Zu diesem Zweck plant der Stab, zu deren Treffen die Regierungen der Mitgliedsländer hochrangige MitarbeiterInnen entsandten, unter anderem eine Beschleunigung der Zulassungsverfahren und eine Werbekampagne zur Verbesserung des Images der Risikotechnologie. Dabei soll das immer wieder gerne auch von BAYER gebrauchte Argument zur Anwendung kommen, die Gentechnik wäre nötig, um „das Problem des Welthungers“ zu lösen.

Wowereit bei BAYER
Der Aufkauf SCHERINGS durch den Leverkusener Multi hat bisher fast 6.000 Arbeitsplätze gekostet, nicht einmal betriebsbedingte Kündigungen will BAYER-Chef Werner Wenning bei der Realisierung der „Synergieeffekte“ mehr ausschließen (siehe KAPITAL & ARBEIT). Den Segen von Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit hat der Konzern dazu. „Ich freue mich, dass die Integration so weit fortgeschritten ist. Diese Investition hat sich für alle Beteiligten gelohnt“, sagte der SPD-Politiker bei einem Werksbesuch in Berlin.

SPD nominiert Chemie-Gewerkschaftler
„Ich kann es nur begrüßen, wenn ein Kandidat antritt, der aus der chemischen Industrie kommt. Es wird Zeit, dass endlich jemand die Industriefeindlichkeit, die leider vielfach zu spüren ist, aufbricht“, mit diesen Worten kommentierte der Betriebsratschef des Dormagener BAYER-Werkes, Karl Josef Ellrich, die Bundestagskandidatur seines Gewerkschaftskollegen Hubert Esser für die SPD. Dabei hatte Ellrich besonders den Widerstand gegen BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline im Blick. Ob Esser aber mit seiner zustimmenden Haltung zur CO-Leitung im Wahlkreis Neuss, zu dem auch Dormagen und Grevenbroich gehören, genug Stimmen einsammeln kann, bleibt abzuwarten.

Wenning will mehr Patentschutz
Im Dezember 2008 lud der Leverkusener Multi zu einer „BAYER-Innovationsperspektive“. Der Konzern inszenierte sich vor 130 JournalistInnen als rastlos dem Neuen verpflichteter Multi mit großem Forschungsetat und leitete daraus sogleich Ansprüche ab. „Geistiges Eigentum ist als Grundlage für Innovationen unentbehrlich. Für ein Erfinder-Unternehmen wie BAYER ist ein weltweiter zuverlässiger Schutz des geistigen Eigentums essenziell“, so der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning. Zu welchen Verwerfungen diese Haltung führt, zeigt ein von dem Pharma-Riesen angestrengter Patentverletzungsprozess in Indien, der die Versorgung der armen Länder mit billigen Medikamenten gefährden könnte (siehe AKTION & KRITIK).

EU lockert Werbeverbot
Das Pillengeschäft könnte noch mehr Profite abwerfen, wenn die Hersteller für verschreibungspflichtige Medikamente werben dürften. Deshalb versuchen BAYER & Co. seit geraumer Zeit, das EU-Reklameverbot zu Fall zu bringen. „Wir wollen doch nur informieren“, behaupten die Konzerne dreist und haben den Industrie-Kommissar der EU, Günter Verheugen, dafür als Bündnispartner gewonnen. Sein Gesetzesvorschlag, dem das Parlament in Straßburg noch zustimmen muss, erlaubt BAYER & Co. künftig die Ausweitung der Marketingzone. Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE und der Bremer Professor Dr. Gerd Glaeske verurteilen diese Pharmaindustrie-Politik scharf. „Dabei ist seit langem bekannt, dass Institutionen mit einem starken ökonomischen Interesse kaum in der Lage sind, objektiv und ohne ‚Verzerrungen‘ über ihre Produkte zu informieren“, empört sich Glaeske.

BAYER sponsort NRW-Regierung
Die nordrhein-westfälische Landesregierung lässt sich von zahlreichen Unternehmen finanziell unterstützen, unter anderem auch vom Leverkusener Chemie-Multi. So stiftete BAYER dem Familienministerium 6.000 Euro, die der Landeszentrale für politische Bildung als Preisgeld zugute kamen. Zudem sponsorte der Konzern das von der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund ausgerichtete „Fest des Westens“ mit einem Betrag in Höhe von 10.000 Euro.

REACH-Artikel gestrichen
Das REACH genannte Chemikaliengesetz der EU regelt den Umgang mit gefährlichen Stoffen und schreibt BAYER & Co. vor, ihre Stoffe auf gesundheitsgefährdende Wirkungen hin zu untersuchen. Im Rahmen der Umsetzung hat die Bundesregierung jetzt die Bestimmungen für Sicherheitsdatenblätter geändert. Mussten diese früher auch diejenigen Risiken auflisten, die sich bei einer nicht sachgemäßen Anwendungspraxis ergeben, so fällt diese Auflage nun weg. Die Partei DIE LINKE betrachtet das als eine Aufweichung des gesundheitlichen VerbraucherInnenschutzes und verlangte in einer Kleinen Anfrage von der Bundesregierung eine Erklärung. Das Umweltministerium antwortete, das Sicherheitsdatenblatt diene primär der Information beruflicher Verwender und sei nicht unmittelbar für die Risiko-Kommunikation gegenüber dem privaten Endverbraucher vorgesehen. Auf die Frage, ob die nicht bestimmungsgemäße Anwendung giftiger Substanzen nun Folgen haben könnten, welche die Sicherheitsdatenblätter nicht nennen, hieß es: „Die nicht bestimmungsgemäße Verwendung (...) kann - wie auch schon in der Vergangenheit - negative Folgen haben. Eine nicht bestimmungsgemäße Verwendung lässt sich aber auch nicht durch ein noch so aufwändig gestaltetes Sicherheitsdatenblatt ausschließen“.

Umweltgesetz endgültig gescheitert
Im Koalitionsvertrag hatten CDU und SPD vereinbart, die verschiedenen Umweltgesetze in einem Paragraphen-Werk zu bündeln. Die Arbeit kam aber nur mühsam voran, weil BAYER & Co. immer wieder Nachbesserungen anmahnten. „Da sind einige Gemeinheiten drin, die wir als Verschärfung betrachten“ kritisierte etwa der „Deutsche Industrie- und Handelstag“. Anderen WirtschaftsvertreterInnen hingegen ging der Bürokratieabbau bei den Genehmigungsverfahren nicht weit genug, und im Wasserrecht machten die Lobby-Verbände sogar einen Bürokratieaufbau aus, der ihre Anlagen-Planungen durchkreuzen könnte. Als die Kabinettsvorlage im Dezember endlich stand, trat die CSU auf den Plan. Die Partei sah durch neue Interventionsmöglichkeiten des Bundes in Sachen „Umweltschutz“ die Eigentumsrechte der LandwirtInnen verletzt und brachte das Projekt kurzerhand zu Fall. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel will nun zumindest einzelne Seiten des Umweltgesetzbuches in Paragraphenform überführen, da neue EU-Richtlinien etwa zum Gewässerschutz die Bundesregierung zum Handeln zwingen.

BAYER kritisiert Umweltbundesamt
Regelmäßig finden sich in Trauben und anderen Früchten Spuren der Ackergifte von BAYER & Co (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Darüber konnte auch das Umweltbundesamt (UBA) nicht hinwegsehen. In einer Veröffentlichung zur EU-Chemikalienverordnung REACH, welche den Konzernen die Untersuchung ihrer Substanzen auf eine gesundheitsschädliche Wirkung hin vorschreibt, konstatierte das UBA, dass Obst und Gemüse „mit Rückständen von Pestiziden verseucht“ seien. Da bekam BAYER die Seuche. Der Leverkusener Multi protestierte umgehend in einer Stellungnahme: „Diese Behauptung ist in dieser Einseitigkeit falsch und gibt ein völlig falsches Bild der Wirklichkeit“. Es mag dem Unternehmen zufolge zwar gelegentlich eine Verletzung der Grenzwerte vorkommen, aber das „heißt nicht, dass deren Überschreiten ein Risiko für den Verbraucher darstellt“. Diese Richtgröße ist für den unter Realitätsverlust leidenden Agro-Multi nämlich nur ein ungefährer Maßstab für die gute landwirtschaftliche Praxis und noch lange kein Alarmsignal.

PROPAGANDA & MEDIEN

10 Jahre BAYER-Schullabore
Zum unfeierlichen Anlass des 10-jährigen Bestehens der BAYER-Schullabore lud der Leverkusener Multi zu einer Geburtstagsparty ein. Der Unterricht fiel allerdings nicht aus. Der Multi kannte kein Pardon bei dem Bemühen, den SchülerInnen Chemie nach dem Konzern-Lehrplan beizubringen und ließ sie DNA aus einer Zwiebel isolieren, über den Farbwechsel von Rotkohl staunen und per genetischem Fingerabdruck nach bösen Buben fahnden. Mehr als 20.000 Kindern hat der Pharma-Riese so schon auf mehr oder weniger spielerische Weise in seine Welt eingeführt.

„Baylab“ eingeweiht
BAYER CROPSCIENCE hat im November 2008 ein eigenes Schülerlabor in Betrieb genommen. „Wir müssen die Jugendlichen heute schon früh für Naturwissenschaften begeistern, wenn wir nicht schon morgen mit leeren Händen dastehen wollen“, so CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer bei der Eröffnung des „Baylabs“. Exkurse über Risiken und Nebenwirkungen von Chemie & Co. würden bei dieser Maßnahme zur Sicherung zukünftiger Profite freilich nur stören. So lernen die PennälerInnen zwar, Biodiesel aus Raps zu gewinnen, welche Folgen der Agrosprit-Boom aber für die Preise der wichtigsten Grundnahrungsmittel hat, steht nicht auf dem Stundenplan.

„Schule und Wirtschaft“ bei BAYER
In Bergkamen hält die Industrie- und Handelskammer regelmäßig Wirtschaftsgespräche ab. Am 26. November 2008 lautete das Thema „Schule und Wirtschaft“. „Dazu hat die Industrie- und Handelskammer sich mit dem BAYER-SCHERING-Werk auch den richtigen Tagungsort ausgesucht“, befand die Westfälische Rundschau und zählte die Bemühungen des Konzerns auf, den SchülerInnen Pädagogik made by BAYER angedeihen zu lassen.

BAYERs Schulspenden
Die Hanauer Otto-Hahn-Schule hat ihren Schwerpunkt auf die Naturwissenschaften gelegt. Und „stets steht dabei der Praxis-Bezug im Fokus“, weiß der Hanauer Anzeiger. Das ist natürlich ganz nach dem Geschmack des Leverkusener Chemie-Multis, weshalb seine Bildungsstiftung der Einrichtung eine Spende in Höhe von 7.500 Euro zukommen ließ. Daneben förderte diese unter anderem noch Schulen in Berlin, Leverkusen, Dormagen, Roselin, Wuppertal, Wülfrath und Essen.

Jugend forscht mit „HannoverGen“
Die Organisation „HannoverGen“, unter anderem alimentiert vom „Fonds der Chemischen Industrie“, hat an den Schulen der niedersächsischen Landeshauptstadt Genlabore eingerichtet, um den SchülerInnen die umstrittene Risikotechnologie näher bringen zu können.

Preis für Klima-Kommunikation
Der Leverkusener Multi arbeitet seit einiger Zeit an seinem Image als Klimaschoner. Für diese PR-Anstrengungen erhielt er jetzt eine Auszeichnung: den vom Handelsblatt und ECON-Verlag verliehenen „ECON Award Unternehmenskommunikation“. Nach Meinung der JurorInnen war BAYERs „strategische Ausrichtung auf das Thema Klimawandel“ Gold wert. In der Realwirtschaft ist diese Ausrichtung allerdings noch nicht angekommen - und wird sie wohl auch nie. Da bläst der Konzern nämlich weiterhin munter 7,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft und opponiert gegen strengere Klimaschutz-Auflagen der EU (siehe POLITIK & EINFLUSS).

BAYER-PR im Darmstädter Echo
„Männer, geht zum Arzt!“ - unter dieser Überschrift erlaubte das Darmstädter Echo Dr. Herbert Schäfer von BAYER VITAL, großflächig für das Konzern-Geschäftsfeld „Männergesundheit“ Reklame zu machen. Er wählte dazu den Umweg „Frau“ und präsentierte Umfragen, wonach 27 Prozent der Befragten ihren Partner für wenig gesundheitsbewusst halten, 39 Prozent Übergewicht und 22 Prozent Erschöpfungszustände diagnostizieren und 48 Prozent auf Männermedizin spezialisierte Ärzte für eine gute Sache halten. Auf dem Rezeptblock landen bei diesen vornehmlich die BAYER-Potenzpille LEVITRA und die Testosteron-Präparate des Konzerns, für die der Leverkusener Multi extra die Krankheit „männlicher Testosteronmangel“ erfunden hat. Und damit das alles auch wirklich verfängt, hat Schäfer in dem Propaganda-Artikel „sexuelle Probleme als Schlüssel zur Männergesundheit“ ausgemacht und zum Indikator für Diabetes oder Herz/Kreislauferkrankungen erklärt. Da sollte dann wirklich niemand mehr den Gang zum Männermediziner scheuen, so das Kalkül.

ÄrztInnen-Fortbildung in China
Der Leverkusener Multi kooperiert mit dem chinesischen Gesundheitsministerium, um MedizinerInnen in der Provinz Yunnan fortzubilden. Der Konzern und die Regierung wollen die technischen Fähigkeiten von bis zu 10.000 ÄrztInnen erweitern und die medizinische Versorgung in West- und Mittelchina verbessern. Wobei der Pharma-Riese dabei natürlich hauptsächlich die Verbesserung der Versorgung mit BAYER-Medikamenten im Sinn hat.

TIERE & ARZNEIEN

BAYER schult Zoo-FachhändlerInnen
BAYER bietet für Zoo-FachhändlerInnen kostenlose Fern-Lehrgänge an. Doch die Investition lohnt sich. Auf dem Stundenplan steht nämlich nicht nur Tierheilkunde, die TeilnehmerInnen lernen auch gleich noch dazu, wie sie unter besonderer Berücksichtigung der Veterinärmedizin aus dem Hause BAYER die entsprechenden Verkaufsgespräche zu führen haben und wie sie die Ware durch gute Platzierung im Geschäft und Sonderaktionen besser losschlagen können.

DRUGS & PILLS

BAYER muss vor AVALOX warnen
Die Aufsichtsbehörden haben den Leverkusener Multi aufgefordert, die Liste der Risiken und Nebenwirkungen seines Antibiotikumswirkstoffs Moxifloxacin (enthalten in AVALOX, ACTIMAX und ACTIRA) um Herzrhythmusstörungen bei Frauen und älteren PatientInnen, Muskelerkrankungen und Bewusstseinstrübungen zu erweitern. Deshalb dürfen MedizinerInnen das Mittel bei Sinusitis, bakteriell verursachter Bronchitis und Lungenentzündung künftig nur noch verschreiben, wenn andere Antibiotika keinen Heilungserfolg erzielen.

EU: Zulassung für XARELTO
Die EU-Kommission hat dem BAYER-Medikament XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban) die Zulassung erteilt. MedizinerInnen dürfen das gerinnungshemmende Präparat künftig bei schweren orthopädischen Operationen einsetzen, um Thrombosen vorzubeugen. Der einzige therapeutische Vorteil von XARELTO gegenüber herkömmlichen Arzneien: Die ÄrztInnen können das Mittel oral verabreichen und müssen es nicht spritzen. Nichtsdestotrotz will der Leverkusener Multi das Anwendungsspektrum verbreitern und das Pharmazeutikum auch zur Behandlung venöser Thrombosen und zur Schlaganfall-Prophylaxe bei PatientInnen mit Vorhofflimmern zum Einsatz bringen.

USA: Keine Zulassung für XARELTO
Während die EU BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zur Verwendung bei schweren orthopädischen OPs zugelassen hat (s. o.), erteilt die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA vorerst keine Genehmigung. Sie mochte die Orthopädie-PatientInnen keinem erhöhten Risiko von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden aussetzen und forderte den Leverkusener Multi auf, zusätzliche Daten über die Langzeit-Wirkungen seines „Highlights“ einzureichen.

EU-Zulassung für YAZ
Im Herbst hat BAYER die europa-weite Zulassung für das woanders schon länger erhältliche Verhütungsmittel YAZ bekommen. Neu ist an der Pille jedoch kaum etwas: Mit Estradiol und Dienogest enthält sie genau dieselben Wirkstoffe wie YASMIN. Lediglich die Dosierung ist eine andere, weshalb die Unterbrechungsphase nicht mehr wie üblich sieben, sondern nur noch vier Tage dauert. Wie üblich vermarktet der Leverkusener Multi auch dieses Kontrazeptivum als Lifestyle-Präparat gegen Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen und Akne. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA ließ das dem Pharma-Riesen nicht durchgehen und verbot einen entsprechenden Werbespot wegen der Erweckung falscher Heilserwartungen und der Verharmlosung der Nebenwirkungen. „Das ist besonders besorgniserregend, weil einige dieser Risiken erheblich, sogar lebensbedrohlich sind“, urteilte die FDA (siehe auch RECHT & UNBILLIG).

US-Zulassung für PRIMOVIST
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat dem BAYER-Kontrastmittel PRIMOVIST (US-Name EOVIST), das bei Computer-Tomographien von der Leber zum Einsatz kommt, die Zulassung erteilt.

LEVITRA nach Prostata-OPs?
Neues aus der Reihe „Medikamente suchen eine Krankheit“: Der Leverkusener Multi hofft auf einen Einsatz seiner Potenzpille LEVITRA (Wirkstoff: Vardenafil) nach Prostatakrebs-Operationen, die oft die Sexualfunktionen beeinträchtigen. Zu diesem Zweck hat der Konzern eine Untersuchung in Auftrag gegeben und auch das gewünschte Resultat erhalten. „Die Ergebnisse zeigen, dass Vardenafil - bei Bedarf eingenommen - die Erektile Dysfunktion kurz nach einer Prostatektomie (Entfernung der Prostata, Anm. Ticker) sofort behandelt“, so der Studienleiter Francesco Montorsi.

Die Pille gegen Myome?
Noch mehr Neues aus der Reihe „Medikamente suchen eine Krankheit“: BAYER will das Hormon Dienogest, einer der beiden Wirkstoffe der Verhütungsmittel YAZ und YASMIN, zur Behandlung der Endometriose einsetzen. Klinische Tests zur Therapie dieser Schleimhautwucherung im Blasen-, Darm- oder Eierstockbereich haben nach Angaben des Konzerns bereits positive Ergebnisse erbracht. Auch für das Hormon Anti-Gestagen erkundet der Leverkusener Multi zusätzliche Anwendungsgebiete. Er testet zurzeit seinen Einsatz bei gutartigen Gebärmutter-Tumoren, so genannten Myomen.

Zusammenarbeit mit MUNDIPHARMA
BAYER kooperiert mit dem Limburger Arznei-Unternehmen MUNDIPHARMA bei der Vermarktung von dessen Blutkrebs-Präparat BENDAMUSTIN.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Neues EU-Pestizidgesetz
Die EU mistet den Giftschrank von BAYER & Co. aus. Nach der neuen Pestizid-Verordnung aus Brüssel müssen - höchstwahrscheinlich - Glufosinat und andere Agrochemie-Wirkstoffe des Leverkusener Multis vom Markt verschwinden, weil sie die menschliche Gesundheit schädigen. Allerdings haben die Lobby-Verbände der Industrie ihre „Mithilfe“ bei der Umsetzung der Richtlinie angeboten, was noch zu Aufweichungen führen könnte (siehe auch SWB 1/09).

Lungenkrebs durch Chlorpyrifos
Das Pestizid Chlorpyrifos, enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER, erhöht das Lungenkrebs-Risiko um das 2,18fache. Dieses Ergebnisse erbrachte eine von Michael C. R. Alavanja geleitete Untersuchung des US-amerikanischen „National Cancer Institutes“. Das Versprühen des Mittels setzt die Atmungsorgane anscheinend einem besonderen Risiko aus. Ein Zusammenhang zwischen der Chlorpyrifos-Anwendung und anderen Krebsarten ergab sich nach der Studie, die auf das Datenmaterial von ca. 55.000 Agrochemie-AnwenderInnen zurückgreifen konnte, nämlich nicht.

Fischsterben durch Endosulfan
An der „Sonnenschein-Küste“ des australischen Bundesstaates Queenlands sterben die Fische in Massen (siehe SWB 1/09). Besonders im Noosa-Fluss gehen die Bestände zurück. Zudem bieten die verbleibenden Tiere oft einen gruseligen Anblick: Sie haben zwei Köpfe oder andere Deformationen. In dringendem Tatverdacht stehen Pestizid-Wirkstoffe wie Endosulfan, das unter anderem in den BAYER-Mitteln MALIX, PHASER und THIODAN enthalten ist, da sie auf den Nussfeldern Queenlands‘ in großen Mengen zum Einsatz kommen.

Peru: Unwissen über Pestizide
Die Vermarktung von Pestiziden in armen Ländern mit einer hohen Quote von AnalphabetInnen führt alljährlich zu Hunderttausenden von Vergiftungen. Trotzdem halten die Hersteller an dieser Praxis fest und verweisen auf ihre Schulungsprogramme zum Umgang mit den Agrochemikalien. Ein solches hatten BAYER & Co. auch 2006 in Peru gestartet. Zwei Jahre später überprüfte „CropLife“, der Weltverband der Pestizid-Produzenten, die Ergebnisse. Sie fielen ernüchternd aus. Von den befragten 160 LandwirtInnen konnten nur 16 Prozent die Angaben auf den Etiketten lesen, lediglich 14 Prozent hatten Kenntnisse über die sachgerechte Reinigung der Agrochemie-Behälter, und bloß 35 Prozent wussten, wie die Produkte zu lagern sind.

180 Lebensmittel-Kontaminationen
Die Aufsichtsbehörden der EU-Länder sind verpflichtet, Brüssel über gefährliche Verunreinigungen von Lebens- und Futtermitteln in Kenntnis zu setzen. Einen nicht geringen Anteil an diesen Kontaminationen haben Pestizide. 180 Meldungen über Agrochemie in der Nahrung erhielt die EU-Kommission im Jahr 2007 - mehr als doppelt so viele wie 2006, was nicht allein auf schärfere Grenzwerte für 20 Ackergifte zurückzuführen ist.

Verbotene Gifte in Obst und Gemüse
Nicht genug damit, dass Pestizide Obst und Gemüse belasten. Neun Prozent der in den Lebensmitteln nachgewiesenen Agrochemikalien sind hierzulande wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit sogar verboten. Das ergab eine Auswertung von Daten des „Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“, die GREENPEACE vorgenommen hat. Die Behörde behinderte die Umweltschutzorganisation dabei nach Kräften und gab nur 70 Prozent ihrer Untersuchungsergebnisse frei. Insgesamt 59 Ackergifte, deren Gebrauch in der Bundesrepublik untersagt ist, spürte GREENPEACE auf. Auch von BAYER verwandte Wirkstoffe waren mit von der Partie wie etwa Parathion-Methyl (ME 605 Spritzpulver), Procymidon (SUMISCLEX WG), Propoxur (BAYGON) und Endosulfan (MALIX, PHASER, THIODAN).

Procymidon in Weintrauben
Im November 2008 feierte GREENPEACE ein trauriges Jubiläum: Bereits zum zehnten Mal stieß die Umweltschutz-Organisation bei einem Unternehmen der METRO auf Weintrauben mit erhöhten Pestizid-Rückständen. Die Tafeltrauben hatten mehr als das Doppelte der „Akuten Referenzdosis“ (ARfD) des Agrogiftes Procymidon (unter anderem Wirkstoff des BAYER-Fungizides SUMISCLEX WG) intus. Erschwerend kam dabei noch hinzu, dass das die ARfD und damit die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung überschreitende Procymidon gar nicht für den Traubenanbau zugelassen ist. Diesen Tatbestand weist der REAL-Supermarkt allerdings zurück. „In der EU-Verordnung über Höchstwerte für Pestizid-Rückstände wurde für Tafeltrauben ein zulässiger Höchstgehalt (MRL) von 5 mg/kg festgelegt. Die Verwendung von Procymidon auf Tafeltrauben ist somit zulässig“, erklärte der Konzern. Er tat das wider besseren Wissens, denn das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ stellt unmissverständlich fest, Procymidon „ist auf Anwendungen als Fungizid in Gurken in Gewächshäusern (...) und Pflaumen (...) beschränkt“. Zudem erkennt REAL die ARfD nicht als Maßstab für gesundheitlich unbedenkliches Obst und Gemüse an, das Unternehmen richtet sich nur nach den von der EU festgelegten Grenzwerten, die in manchen Fällen von der ARfD abweichen können.

PFLANZEN & SAATEN

BAYER beendet Kooperation mit PLANT
„Das Abkommen gibt BAYER CROPSCIENCE die Möglichkeit, neue Lösungen im Bereich der Saatgutbehandlung zu entwickeln und zu vermarkten“ verkündete BAYER im Januar 2007 anlässlich der vereinbarten Forschungskooperation mit PLANT HEALTH CARE. Knapp zwei Jahre später beendete der Agro-Riese die Zusammenarbeit wieder, weil die in den Labors des US-amerikanischen Unternehmens entstandene Myconate-Technologie unter ihren Möglichkeiten blieb und nicht zu neuen Lösungen im Bereich „Saatgutbehandlungsmittel für Mais-, Soja-, Baumwolle- und Sonnenblumenkulturen“ führte.

GENE & KLONE

USA: LL-Soja kommt
BAYER bringt in den USA 2009 sein gegen das Herbizid LIBERTY resistentes Soja-Saatgut auf den Markt - und hat für die daraus sprießenden Früchte auch schon eine Importgenehmigung von der EU erhalten (Ticker 3/08). Der Leverkusener Multi rechnet mit hohen Umsätzen, da MONSANTOs ROUND-UP-READY-Soja mittlerweile vielen Unkräutern nichts mehr anhaben kann. Mensch und Umwelt dürfen hingegen mit großen Verlusten rechnen, denn der LIBERTY-Wirkstoff Glufosinat sorgte vor drei Jahren für den Genreis-Skandal. Mit LIBERTY bestückte Mais- und Rapssorten kreuzten sich zudem in andere Nutzpflanzen ein. Darüber hinaus liegen die Ernte-Erträge von genmanipuliertem Soja unter denen der konventionell angebauten Arten (Ticker 3/08).

EU: T45-Raps kommt
Die EU-Kommission hat ein Machtwort gesprochen und den Import von BAYERs Genraps T45 genehmigt, nachdem die zuständigen MinisterInnen sich nicht auf eine Zulassung hatten einigen können. Vorbehalte gab es reichlich. Englische WissenschaftlerInnen beobachteten auf Genraps-Feldern ein großes Artensterben, und ihre schwedischen KollegInnen warnten vor der Überlebensfähigkeit der Samen, die auf den Feldern trotz massivem Pestizid-Einsatz bis zu 10 Jahren keimfähig blieben. Zudem gilt der Europäischen Umweltbehörde EEA Genraps wegen der vielen Einkreuzungen in konventionelle Sorten als Hochrisiko-Pflanze. Dieses Verhalten stellt auch den eigentlichen Grund für BAYERs Genehmigungsantrag dar. Der Leverkusener Multi hat zwar den Anbau von T45 gestoppt, aber in seiner aktiven Zeit griff die Pflanze auf so viele andere Raps-Arten über, dass es deren Import gefährdet, wenn sich in ihnen Spuren von nicht-zugelassenem Genraps finden.

Brasilien genehmigt Gen-Baumwolle
Die brasilianischen Behörden haben den Anbau von BAYERs LIBERTY-LINK-Baumwolle - trotz der oben aufgeführenden Risiken und Nebenwirkungen der Produktlinie - genehmigt.

BAYER & Co. wollen laxere Grenzwerte
Solange die Gentechnik in Europa ein massives Akzeptanz-Problem hat, verlegen BAYER & Co. ihren Geschäftsschwerpunkt darauf, ihre Gensaaten in anderen Ländern aufgehen zu lassen und bei der EU Importgenehmigungen für deren Früchte zu beantragen (s. o.). Aber diesem Spiel über Bande mit gentechnisch verändertem Soja oder Mais steht die europäische Rückstandsverordnung im Weg. Diese lässt nämlich keinerlei Spuren nicht zugelassener Labor-Pflanzen in der Nahrung zu. Deshalb betreiben die Gen-Giganten eifrig Lobby-Arbeit für eine Aufhebung der Null-Lösung. Mit ihren Schreckensszenarien, die im Falle von Zuwiderhandlungen deutlich höhere Fleischpreise prophezeien, haben die Konzerne bereits die Brüsseler „Generaldirektion Landwirtschaft“ für ihre Ziele einnehmen können.

Stammzellen-Patentstreit in Japan
Stammzellen sind für BAYER & Co. so etwas wie Ursuppe: Aus ihnen können sich alle möglichen Zelltypen oder Gewebe-Arten entwickeln, behaupten die GenforscherInnen. Im letzten Jahr erhielt der Leverkusener Multi in Japan ein Patent (siehe Ticker 3/08) für eine Technik zur Produktion von „Induzierten Pluripotenten Stammzellen“ (IPS). Bei den IPS handelt es sich um Stammzellen, welche die ForscherInnen durch eine „Rückprogrammierung“ normaler Körperzellen erzeugen. Deshalb müssen die WissenschaftlerInnen bei der Gewinnung keine Embryos töten. Allerdings birgt diese Methode große Risiken, denn die Viren, welche die Zellen als „Gen-Fähren“ zu ihrem Bestimmungsort im Körper bringen, vermögen Krebs auszulösen. In Japan bahnt sich jetzt zudem eine Kontroverse um geistiges Eigentum an. Knapp drei Monate nachdem BAYER die Patenturkunde erhalten hatte, vermeldete die Universität von Kyoto nämlich eine erfolgreiche Herstellung von IPS-Zellen. Sollten diese aber nach Techniken entstanden sein, auf die der Leverkusener Multi die Patente hält, dann könnte es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen. Und dieser birgt nach Meinung von BeobachterInnen die Gefahr, die gesamte Forschungspolitik der japanischen Regierung in diesem Bereich zu gefährden.

BAYER kauft DIREVO-Proteinsparte
Der Leverkusener Multi hat für 210 Millionen Euro die Protein-Forschungsabteilung des Kölner Biotech-Unternehmens DIREVO übernommen. Die DIREVO BIOTECH AG firmiert innerhalb BAYERs künftig als „Kompetenzzentrum für Biologika“ und setzt vom alten Standort aus die Suche nach Proteinen mit medizinischer Wirkung fort.

750 Millionen für Biotechnologie
Biotech-Produkte sorgen bei BAYER CROPSCIENCE bisher für zehn Prozent des Umsatzes. Die Landwirtschaftssparte des Leverkusener Multis will den Anteil jedoch erhöhen und investiert 750 Millionen Euro in entsprechende Forschungsvorhaben. Vor allem durch die Nahrungsmittelkrise - an der BAYER direkt durch sein Agrosprit-Projekt mit der Jatropha-Pflanze und indirekt durch sein maßgeschneidertes, besonders viel Tankfüllung produzierendes Saatgut Mitverantwortung trägt - sieht CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer die Chance für die Risikotechnologie steigen. „Ich sehe einen Trend. Aber ich traue mich nicht zu sagen, wann die Akzeptanz da sein wird“, sagte er auf der Jahres-Pressekonferenz der Agro-Abteilung.

BAYER sucht neue BETAFERON-Märkte
Das Gentech-Präparat BETAFERON zur Behandlung der Multiplen Sklerose gehört zu den umsatzträchtigsten in BAYERs Pharma-Sparte. Allerdings läuft das Patent bald aus, weshalb der Leverkusener Multi neue Versionen erprobt. Versuche mit der doppelten Wirkstoffmenge von Interferon-beta-1b musste der Konzern jedoch abbrechen, weil sich keine Therapie-Vorteile ergaben. Momentan erprobt das Unternehmen eine BETAFERON-Variante, die schon in einem frühen Stadium der Krankheit einsetzbar ist. Bisher verzichteten MedizinerInnen in dieser Phase auf das Mittel, weil sie die Bildung von Antikörpern verhindern wollten. Der Pillen-Riese behauptet nun jedoch, die Antikörper beeinflussten den Krankheitsverlauf nicht negativ und vermeldet bei klinischen Tests Behandlungserfolge. Daran dürften so einige Zweifel bestehen.

Sagopilon gegen Krebs?
BAYER testet zurzeit den mittels Gentechnik gewonnenen Wirkstoff Sagopilon als Mittel gegen Krebs. Angeblich überwindet die Substanz den Abwehrmechanismus von Tumor-Zellen und initiiert deren Selbstzerstörung.

WASSER, BODEN & LUFT

Noch mehr Dioxine durch Verbrennungsanlagen?
BAYER betreibt die „Entsorgung“ von Sonderabfällen inzwischen geschäftsmäßig und unterhält dazu in Leverkusen, Brunsbüttel, Krefeld und Dormagen Müllverbrennungsanlagen (MVAs). Diese produzieren allerdings ihrerseits nicht wenig gefährliche Rückstände: chlor-, brom- und fluorhaltige Kohlenwasserstoffe, Chloride, Dioxine, Furane, Kohlendioxid, Quecksilber und Feinstaub. Nach Meinung des Medizin-Professors Dr. Harry Rosin bewegen sich dabei die Schadstoffmengen von Dioxinen und Furanen noch über den Angaben der Betreiber. Diese beiden Stoffe binden sich nämlich an Ruß- und Staubpartikel und sind so von den Analyse-Instrumenten nur schwer aufzuspüren. Zudem berücksichtigt das Bundesimmissionsschutzgesetz in seinen Auflagen bestimmte Dioxin- und Furan-Kombinationen gar nicht. „Dadurch wird ein beachtlicher Teil toxischer MVA-Emissionen unterschlagen“, so Rosin.

Offene Fragen beim Klimacheck
DIE KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE haben BAYER und andere Konzerne zu ihrer Klimapolitik befragt. Dabei blieb der Leverkusener Multi einige Antworten schuldig. Ob der Konzern im Jahr 2008 Kohlendioxid eingespart hat, konnte er nicht sagen: „Wirkungen und Maßnahmen zum Klimaschutz sind langfristig angelegt und müssen deshalb über einen längeren Zeitraum betrachtet werden“. Zudem musste das Unternehmen eingestehen, dass sich nur ein Drittel seiner Standorte Prüfungen nach der internationalen Umweltmanagementnorm ISO 14001 unterwerfen. Und der Ausblick wirkt auch nicht sehr ermutigend, denn eine Reduzierung seiner CO2-Emissionen von derzeit jährlich 7,5 Millionen Tonnen plant der Global Player nicht. „Insgesamt erwartet der BAYER-Konzern bis 2020, seine derzeitigen Treibhausgasemissionen trotz eines mengenmäßigen (Produktions-, Anm. Ticker) Wachstums auf dem derzeitigen Niveau halten zu können“, so BAYER.

Kohlekraftwerk: CDU fällt um
Die Krefelder CDU freundet sich mehr und mehr mit dem in BAYERs Chemie-„Park“ geplanten Kohlekraftwerk an. Während Oberbürgermeister Gregor Kathstede den Bau schon immer befürwortete, sprach sich seine Partei lange dagegen aus. Sie ließ sich dabei aber stets ein Hintertürchen offen. Jetzt hat die CDU dieses weit aufgestoßen: Auf ihrem Parteitag im Dezember stellten die ChristdemokratInnen Bedingungen, unter denen sie ihre Zustimmung zu der Dreckschleuder geben würden. Wenn BAYER den Wirkungsgrad etwas erhöht, zwei alte Kohlekessel abschaltet und die nötige Infrastruktur für die Lagerung und den Transport der Kohle schafft, stimmt die CDU mit „Ja“, so der Beschluss. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestierte gemeinsam mit Krefelder Bürgerinitiativen, BUND, NABU und anderen Gruppen gegen diese Entscheidung. „Der Bau eines Kohlekraftwerkes würde einen Rückfall in überkommene Formen der Energie-Umwandlung bedeuten und würde den Kampf gegen den Klimawandel über Jahrzehnte hinweg erheblich schwächen“, heißt es in der Presseerklärung der Verbände.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BAYER-Chemie in Kosmetika
Der Leverkusener Multi drängt mit seiner Plaste & Elaste auf den Kosmetika-Markt. So will der Konzern mit Polyurethanen (PUR) die Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups verstärken und Haaren mehr Halt verleihen. „Wir wollen uns bis 2015 den Hauptanteil der PUR-Technologie sichern. Als Newcomer muss man in dieser hart umkämpften Branche forsch auftreten“, erläutert Sophie Viala die Strategie von BAYER MATERIAL SCIENCE. Die Kunststoff-Nebenwirkungen wie Krebs, Allergien oder Schädigungen der Atmungsorgane stören bei diesem Business-Plan nicht.

ADHS durch Schadstoffe?
Viele Chemikalien und Schwermetalle wirken auf das Nervensystem ein. Deshalb scheinen diese Stoffe, die BAYER in Massen hergestellt hat oder immer noch herstellt bzw. in die Umwelt emittiert, auch bei der Entstehung der Verhaltensauffälligkeit ADHS eine Rolle zu spielen. Der Pädagoge Ulf Sauerbrey hat in der Zeitschrift umwelt-medizin-gesellschaft entsprechende Forschungsergebnisse zitiert. So weisen in Studien viele Kinder mit dem ADH-Syndrom eine erhöhte Quecksilber-Konzentration im Blut auf, auch gibt es einen Zusammenhang zwischen ihren Mangan-Werten und der Verhaltensauffälligkeit. Die Wirkungen von Pestiziden und Polychlorierten Biphenylen (PCBs) könnten teilweise ebenfalls dem Krankheitsbild entsprechen, so Sauerbrey.

NANO & CO.

BAYER baut Nano-Anlage
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. Da sich diese durch eine besondere Festigkeit auszeichnen und weitere vorteilhafte Material-Eigenschaften besitzen, erwartet BAYER von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze. Deshalb errichtet der Konzern neben seiner Laufenburger Pilotanlage zur Produktion der BAYTUBE-Kohlenstoffröhrchen in Leverkusen für 20 Millionen Euro eine weitere Fertigungsstätte. Die bisher weltweit größte Fabrik soll mit 20 Beschäftigten zunächst 200 Tonnen der Röhrchen produzieren, die in Autos, Flugzeugen, Akkus, Brennstoffzellen und Windkraftanlagen Verwendung finden. Ungefährlich ist diese „Zukunftstechnologie“ allerdings nicht. Nach einer Untersuchung der Universität Edinburgh können die Kohlenstoff-Winzlinge das Gewebe schädigen und ähnlich wie in der Vergangenheit Asbest Entzündungen auslösen (siehe Ticker 2/08).

BAYERs Nano-Forschungen
BAYER produzierte bisher unter anderem Duftkapseln, Folien und Eishockeyschläger aus Nano-Materialien. Nun entwickelt der Leverkusener Multi Flüsterschotter für das Gleisbett von Eisenbahnen auf Basis dieser nicht ungefährlichen Technologie (s. o.).

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr bittere Pillen aus Bitterfeld
BAYER erweitert in Bitterfeld für neun Millionen Euro die Pillen-Produktion. Da der Leverkusener Multi die ASPIRIN-Produktpalette ständig erweitert und künftig am Standort auch das Schmerzmittel ALEVE herstellen will, waren unter anderem Investitionen in neue Fertigungseinrichtungen und Verpackungsanlagen nötig.

IMPERIUM UND WELTMARKT

Schleicher neuer Bitterfeld-Chef
Christian Schleicher, bisher der brasilianischen Sektion von BAYER HEALTH CARE vorstehend, übernimmt zum 1. Januar 2009 die Geschäftsführung der BAYER BITTERFELD GmbH und löst damit Hans-Joachim Raubach ab, der Standortleiter der Berliner Niederlassung von BAYER SCHERING PHARMA wird.

BAYER kauft DIREVO BIOTECH AG
Pharma-Riesen kaufen derzeit im großen Stil Biotech-Firmen auf. So hat BAYER für 210 Millionen Euro die Protein-Forschungsabteilung des Kölner Biotech-Unternehmens DIREVO übernommen (siehe auch GENE & KLONE).

Neues Forschungszentrum in China
Der Leverkusener Multi plant den Bau eines 100 Millionen Euro teuren Forschungszentrums in Peking, um den Geheimnissen chinesischer Krankheiten besser auf die Spur zu kommen. Dazu will BAYER HEALTH CARE, das im Reich der Mitte der größte Pharma-Anbieter ist, auch mit der Quinghua-Universität kooperieren.

ÖKONOMIE & PROFIT

Wem gehört BAYER?
Die BAYER-Aktien gehören zu 80 Prozent ausländischen und zu 20 Prozent inländischen Investoren. Den größten Batzen am Konzern-Kapital besitzt mit 20 Prozent die US-amerikanische CAPITAL GROUP. Dieser Fonds ist an 18 der 30 DAX-Konzerne beteiligt und bei den ManagerInnen beliebt, da er sich nicht in die laufenden Geschäfte einmischt. Daneben hat der Leverkusener Multi nur noch einen weiteren Großaktionär, das auf einen Anteil von drei Prozent kommende französische Versicherungsunternehmen AXA.

BAYER-Steuerquote: 0,2 Prozent
Wieviel Steuern BAYER wirklich zahlt, steht nicht in den Geschäftsberichten. Diese Zahlen hat aber die Wirtschaftsdatenbank ORBIS - gegen einen Obulus von jährlich 100.000 Euro - parat. Der Schweizer Journalist Hans Weiss nahm im Rahmen der Recherche für sein Buch „Korrupte Medizin“ Einblick in die Dokumente von BAYER SCHERING. Und er traute seinen Augen kaum, denn steuerparadiesischer geht es nicht: Im Geschäftsjahr 2007 betrug die Steuerquote gerade mal 0,2 Prozent des Umsatzes von 4,5 Milliarden Euro.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Chemie-Tank fängt Feuer
Am 24. Dezember 2008 fing in der Pestizid-Produktion am BAYER-Standort Kansas City ein fünfstöckiger Tank Feuer, der 15.000 Liter fasst, aber zum Unglückszeitpunkt nur teilweise mit einem Petroleum-Gemisch befüllt war. 50 Feuerwehrleute waren eine knappe Stunde im Einsatz, um den Brand unter Kontrolle zu bringen und ein Übergreifen auf die benachbarten Fertigungsanlagen zu verhindern.

Jod-Austritt in Wiesdorf
Auf dem Leverkusener BAYER-Gelände kam es am 22. Februar 2009 zu einem Zwischenfall. Aus dem Kamin der Sondermüll-Verbrennungsanlage trat Jod aus und verfärbte den Himmel über Leverkusen-Wiesdorf rot. Wie immer in solchen Fällen wiegelte der Konzern ab: Für die AnwohnerInnen hätte zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr bestanden.

Institute: Aufklärung verweigert
Am BAYER-Standort Institute war es am 28. August 2008 zu einer Explosion gekommen, in deren Folge zwei Beschäftigte starben. Jetzt verweigert der Leverkusener Multi Informationen über das Unglück. Das Unternehmen ließ eine Anhörung des „Chemical Safety Boards“ platzen, das sich vor allem mit den von den Tanks auf dem Gelände ausgehenden Gefahren befassen wollte. Das aber unterlag für den Agro-Multi der Geheimhaltung, wobei er sich auf eine nach dem 11. September erlassene Verordnung zum Schutz von Häfen und Wasserwegen vor Terroranschlägen berief. Dass das BAYER-Areal 500 Kilometer vom Meer entfernt liegt, focht die findigen Konzern-JuristInnen dabei nicht an. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum diese Informationen Top Secret sein sollen. Das Verhalten von BAYER passt aber zur bisherigen Linie des Unternehmens, die Anwohner über die Gefahren im Unklaren zu lassen“, kritisierte die Vorsitzende der Bürgerinitiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC, Maya Nye, die Verweigerungshaltung des Global Players.

RECHT & UNBILLIG

Bienensterben: Verfahren eingestellt
Im letzten Jahr hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gemeinsam mit geschädigten Imkern bei der Staatsanwaltschaft Freiburg Strafanzeige gegen den Leverkusener Multis wegen des vom Pestizid PONCHO verursachten Bienensterbens gestellt. Im Dezember 2008 wurde das Verfahren eingestellt. Es habe „keine vorsätzliche Sachbeschädigung“ vorgelegen, eine „unglückliche Verkettung mehrerer Umstände“ hätten vielmehr zu dem Massensterben geführt, urteilten die JuristInnen. Die CBG akzeptierte den RichterInnen-Spruch allerdings nicht und ging in die Revision. „Die Freiburger Staatsanwaltschaft hat schlampig und einseitig ermittelt. Der Verdacht, dass die Zulassung von Clothianidin durch die BAYER AG erschlichen wurde, ist nicht entkräftet worden. In der Einstellungsverfügung findet sich kein einziger Hinweis darauf, dass der ermittelnde Staatsanwalt die vorgelegten Studien zur Bienengefährlichkeit des Wirkstoffs überhaupt zur Kenntnis genommen hat“, sagte Anwalt Harro Schultze zur Begründung.

Millionen-Strafe für Vergiftungen
Die Firma PHILIPS SERVICES reinigte für ein BAYER-Werk in Alamaba regelmäßig Pestizid-Tanks. Im Jahr 2006 ereignete sich dabei ein schwerer Zwischenfall. Über das zum Ausspülen der Behälter verwendete Wasser gelangten Reste der Ackergifte Propylmercaptan und Ethoprop ins Freie. In einem Umkreis von 50 Quadratmeilen klagten unmittelbar nach dem Austritt der Chemikalien über 800 Menschen über Kopfschmerzen, Brechreiz, allergische Symptome und Atemprobleme, und einige von ihnen leiden bis heute unter den Gesundheitsstörungen. Die Geschädigten reichten eine Sammelklage ein, und Anfang 2009 gaben die RichterInnen die Entscheidung bekannt. Sie sprachen den Opfern einen Schadensersatz in Höhe von vier Millionen Dollar zu. Der Leverkusener Multi hat dazu allerdings nichts beizutragen, da er nicht zu den Beklagten gehörte.

Institute: BAYER muss zahlen
Die US-amerikanische Arbeitsschutzbehörde OSHA hat die näheren Umstände untersucht, die am 28. August 2008 zu der Explosion im BAYER-Werk Institute führten (siehe auch UNFÄLLE & KATASTROPHEN). Sie stellte dabei unter anderem „mangelhafte Sicherheitssysteme, signifikante Mängel der Notfall-Abläufe und eine fehlerhafte Schulung der Mitarbeiter“ fest. Insgesamt 13 schwere Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen listete die OSHA auf und verhängte dafür eine Strafe in Höhe von 143.000 Dollar.

BAYER verklagt ABBOTT
Der Leverkusener Multi hat das US-Unternehmen ABBOTT verklagt. Der Leverkusener Multi wirft seinem Konkurrenten vor, mit dem Arthritis-Medikament HUMIRA (geschätzter Umsatz für 2008: 4,4 Milliarden Dollar) ein BAYER-Patent von 1997 verletzt zu haben. ABBOTT streitet die Vorwürfe ab.

BAYER verklagt Indien
BAYER hat die indische Medikamenten-Zulassungsstelle „Drugs Controller General of India“ (DCGI) verkla

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2008 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Wieder Streik in Rosia
Seit Anfang 2007 wehren sich die Beschäftigten des Pharma-Werkes von BAYER im italienischen Rosia mit Streiks gegen die drohende Schließung der Niederlassung. Im September 2008 organisierte die Belegschaft wieder Arbeitsniederlegungen und eine Kundgebung,

BAYER-Beschäftiger will Bail-out
Ein BAYER-Beschäftigter hat in einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, den das Belegschaftsinfo in seiner 192. Ausgabe veröffentlicht hat, einen Schutzschirm für sich gefordert. „Ich arbeite in einem globalisierten Unternehmen“, schreibt er, „und in den letzten Jahren hat das Management leider dafür gesorgt, dass die Arbeitsplätze immer weniger wurden. Auch ist die Sicherheit der Arbeitsplätze durch immer aufgeweichtere Regelungen massiv gefährdet. Es geht sogar so weit, dass Mitarbeiter schuldlos in betriebseigene Leiharbeitsverhältnisse gedrängt werden“. Wegen dieser prekäre Lage fürchtet der Schreiber, seinen Pflichten als Steuerzahler bald nicht mehr nachkommen zu können und erbittet deshalb von der Kanzlerin ein monatliches Sicherheitspaket in Höhe von 4.000 bis 5.000 Euro.

Initiative erinnert an IG-FARBEN-Verbrechen
Im Rahmen der Reihe „Verbrechen der Wirtschaft“ hat die KULTURVEREINIGUNG LEVERKUSEN e. V. mit einer Gedenkkundgebung an die Opfer des von BAYER mitgegründeten IG-FARBEN-Konzerns erinnert. Mit Transparenten wie „Sie förderten die Nazis - Sie profitierten von den Nazis“ fanden sich die TeilnehmerInnen dafür am 14. November 2008 vor dem Tor 1 des BAYER-Chemieparks ein. Ansprachen hielten unter anderem Ulrich Sandner von der VEREINIGUNG DER VERFOLGTEN DES NAZI-REGIMES und Axel Köhler-Schnura von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Eigentlich sollte den Worten noch eine Tat folgen. Die Kulturinitiative plante ursprünglich, am Eingang zum Werk eine Gedenkplatte in den Boden einzulassen, die Stadt untersagte das allerdings.

Offener Brief an die Uni Köln
DIE COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat die Uniklinik Köln gemeinsam mit den KRITISCHEN MEDIZINSTUDIERENDEN AN DER UNI KÖLN, MEDICO INTERNATIONAL und anderen Gruppen in einem Offenen Brief aufgefordert, Angaben zu dem mit BAYER geschlossenen Kooperationsvertrag zu machen. „Verzichtet die Uniklinik auf die negative Publikationsfreiheit - also darauf, auch fehlgeschlagene Experimente publik zu machen? Müssen Studien vor ihrer Veröffentlichung der BAYER AG vorgelegt werden? Wie wird sichergestellt, dass Konzeption und Auswertung pharmakologischer Studien nicht allein durch ökonomische Interessen beeinflusst werden? Wie ist die Frage der Rechte an Arznei-Entwicklungen geregelt?“ - diese Fragen stellten die Initiativen dem Universitätsklinikum unter anderem. Eine Antwort blieb bis heute aus.

GREENPEACE gegen Kohlekraftwerk
„Kohlekraft verheizt das Klima“ - diesen Slogan versinnbildlichte GREENPEACE am 26. November in Krefeld mit einem brennenden CO2-Zeichen und protestierte so gegen das im BAYER-Chemiepark geplante Kohlekraftwerk, das jährlich 4,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen soll.

Institute: DemokratInnen wachen auf
Das BAYER-Werk im US-amerikanischen Institute produziert vor allem Beinah-Katastrophen. Beim letzten Unfall am 28. August kamen zwei Arbeiter ums Leben (SWB 3/08). Die von der Fertigungsstätte ausgehenden Gefahren haben nun auch einen Denkprozess innerhalb der Demokratischen Partei des Bundesstaats West Virginnia eingeleitet. Zumindest der Jugendverband unterstützt den traditionell industrie-freundlichen Kurs der Demokraten nicht mehr bedingungslos. Er gehörte vielmehr zu den Unterzeichnern des von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN initiierten Offenen Briefes, der eine Verbesserung der Anlagensicherheit forderte.

Bluewashing in Südafrika mit Schmutzflecken
Als „Bluewashing“ kritisieren die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Initiativen die Strategie der Konzerne, sich durch Kooperationen mit den Vereinten Nationen ein gutes Image zu verschaffen. BAYER tut dies hauptsächlich durch die Zusammenarbeit mit UNEP, dem Umweltprogramm der UN. Im Rahmen dieser konzertierten Aktion ernennt der Leverkusener Multi in aller Welt „Umweltbotschafter“, die vor Ort für die gute grüne Sache werben sollen. So auch in Südafrika. Aber aus diesem Land sendet BAYER leider selber seit langem schlechte Umweltbotschaften in Form von chrom-verseuchtem Grundwasser. Die ganze Umgebung des mittlerweile zu BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS gehörenden Werkes in Durban ist belastet, und die Sanierungsmaßnahmen ziehen und ziehen sich. Darum plant eine örtliche Umweltgruppe, den südafrikanischen Umweltbotschafter einzubestellen und das Umwelt-Image des Konzerns auf undiplomatische Weise mit der Wirklichkeit zu konfrontieren.

Endosulfan-Verbot gefordert
BAYER gehört weltweit zu den größten Produzenten des ultragiftigen Pestizides Endosulfan. Auf den Philippinen machte es zuletzt im Sommer Schlagzeilen. Bei dem Fährunglück am 21. Juni starben nämlich nicht nur 800 Menschen, es drohten auch 10 Tonnen Endosulfan ins Meer zu geraten. Die Regierung hatte die Anwendung des Organophosphates zwar generell untersagt, schuf aber gleichzeitig Schlupflöcher. Diese abzuschaffen, verlangten im Juli 50 Initiativen bei einer Protestkundgebung vor dem Landwirtschaftsministerium. „Die Regierung muss Endosulfan verbieten und die Ausnahmeregelungen aufheben, um Mensch, Tier und Umwelt vor der Bedrohung durch Endosulfan zu schützen“, forderte Romy Quijano vom PESTICIDE ACTION NETWORK PHILIPPINES, der ein langjähriger Kooperationspartner der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ist.

Jahrestagung 2008
Aus Anlass ihres 30jährigen Bestehens machte sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auf ihrer diesjährigen Jahrestagung selbst zum Thema. „30 Jahre Konzernkritik - Bilanz & Perspektive“ stand auf der Agenda. Axel Köhler-Schnura gab zu Beginn einen allgemeinen Überblick über die Geschichte der Konzernkritik von den ersten Streiks und Demonstrationen im 19. Jahrhundert über die Arbeiterräte der Novemberrevolution und die Niederlage von 1933 bis zur Sozialpartnerschaftsideologie heutigen Tags. Was Konzernkritik konkret heißt, entwickelte der CBG-Vorständler in seinem zweiten Vortrag am praktischen Beispiel der Coordination. Gegründet nach einem Störfall im Wuppertaler BAYER-Werk, sprengte die CBG bald die lokalen Grenzen und nahm den Chemie-Multi in all seinen Verästelungen in den Blick, was Köhler-Schnura zufolge nur durch den Aufbau eines internationalen Netzwerks gelingen konnte. Nach der Mittagspause ging es in die Gegenwart: CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes stellte die aktuellen Kampagen gegen BAYERs Bienen- und Klimakiller sowie gegen die Erweiterung der Phosgen-Produktion und den Bau einer Kohlenmonoxid-Leitung vor. Anschließend öffnete sich die Tagung anderen Ansätzen der Konzernkritik. Markus Dufner vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE und Thomas Eberhardt-Köster von ATTAC stellten die Arbeitsweisen ihrer Gruppen vor. In der abschließenden Podiumsrunde mit Dufner, Eberhardt-Köster und Köhler-Schnura ging es dann um das Trennende und das Verbindende, wobei das Verbindende überwog. Alle Diskutanten betonten die Notwendigkeit einer stärkeren Kooperation, gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise, die sich an diesem Tag natürlich immer wieder auf die Tagesordnung drängte. So klang schließlich die Jubiläumsjahrestagung aus, die dem feierlichen Anlass gemäß zu den bestbesuchtesten der letzten Jahren gehörte. Einen Besucher riss es sogar zu einem Dankesschreiben hin. „Ich möchte mich nochmals bedanken für die Veranstaltung am Samstag. Es war sehr interessant für mich und außergewöhnlich offen“, schrieb er der CBG.

Offener Brief wg. Phosgen
BAYER will in Krefeld, Brunsbüttel und Dormagen die Produktion von Polycarbonat, Methyldiisocyanat (MDI) und Toluylendiisocyanat (TDI) erweitern (siehe SWB 4/08). Während andere Unternehmen Polycarbonate schon ohne Phosgen herstellen, setzt der Leverkusener Multi weiterhin das im Ersten Weltkrieg zu trauriger Berühmtheit gelangte Giftgas ein, heutzutage immer noch die gefährlichste Industrie-Chemikalie. Aber nicht nur aus diesem Grund, auch weil bei den geplanten Ausbau-Aktivitäten keine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Beteiligung der Öffentlichkeit vorgesehen ist, kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) das Vorhaben. Für das Engagement gegen die Erhöhung der Kapazitäten in Krefeld fand die Coordination im BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ e. V. (BUND) einen Bündnispartner. Im Oktober schrieben die beiden Initiativen gemeinsam einen Offenen Brief an den Stadtrat von Krefeld, der auf die Gefahren des noch nicht offiziellen und nicht zuletzt auch durch die aktuelle Wirtschaftskrise gefährdeten BAYER-Projektes aufmerksam macht.

CBG schreibt China Daily
Die Zeitung China Daily betätigte sich als williger Greenwashing-Helfer BAYERs und druckte unter der Überschrift „Umweltschutz ist ein Highlight BAYERs“ einen komplett auf PR-Unterlagen des Konzerns beruhenden Artikel über dessen „segensreiche“ Umweltaktivitäten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) schrieb einen Leserbrief mit einer Gegendarstellung. Sie zitierte aus dem „Schwarzbuch BAYER“ und zählte als Umweltsünden des Leverkusener Multis unter anderem die Verwendung von Phosgen in der Kunststoff-Produktion, das Hintertreiben einer ökologisch sinnvollen Klimapolitik, das Setzen auf Kohlekraftwerke und die Herstellung schädlicher Chemikalien wie Bisphenol A auf. Das wollte das Presseorgan seinen LeserInnen offenbar nicht zumuten: Eine Veröffentlichung unterblieb bis heute.

Köhler gegen Saatgut-Oligopol
Die Agromultis dominieren den weltweiten Saatgut-Handel nach Belieben. Die 10 größten Anbieter, unter denen BAYER 2006 die siebte Position einnahm, kommen zusammen auf einen Marktanteil von über 60 Prozent. Dies ist selbst dem wirtschaftsfreundlichsten Bundespräsidenten zuviel. Auf dem Bauerntag mahnte Horst Köhler: „Und schließlich sollten wir in diesem Zusammenhang auch ein besonderes Augenmerk auf die möglichen Folgen richten, die sich aus einer marktbeherrschenden Stellung einzelner Saatgutunternehmen ergeben können“.

Bisphenol-Anfrage
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) kann einer neuen Studie zufolge Diabetes oder Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern (siehe GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV). Die grüne EU-Parlamentarierin Hiltrud Breyer nahm die Veröffentlichung zum Anlass, eine Anfrage an die Brüsseler Kommission zu richten, die 2007 eine von der EU-Lebensmittelbehörde EFSA vorgeschlagene Erhöhung der Grenzwerte um das Fünffache genehmigt hatte. „Hält die Kommission es für verantwortlich, angesichts der sensiblen Präsenz von BPA in Nahrungsmittelkontakt-Materialien, insbesondere Babyflaschen (...) den Grenzwert hochzusetzen, auch wenn Studien vorhanden sind, die gemäß klassischer Toxikologie zu bestehenden oder gar niedrigeren Grenzwerten führen sollten?“, wollte Breyer unter anderem wissen. „Mehrere der durchgeführten Studien, insbesondere diejenigen zur Verabreichung niedrigerer Dosen werden entweder nicht gemäß der GLP (gute Laborpraxis, Anm. SWB) durchgeführt oder ergeben keine statistisch signifikanten Wirkungen“, bekam sie zur Antwort. Zur möglichen Industrie-Abhängigkeit der VerfasserInnen der Untersuchung, welche die EFSA bei ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hatte, hüllte sich die Kommission dezent in Schweigen.

FDA wg. Bisphenol kritisiert
In den USA hat es die Bisphenol-Lobby von BAYER & Co. bisher geschafft, Maßnahmen gegen die hormon-ähnlich wirkende Substanz zu verhindern, die unter anderem in Lebensmittelverpackungen Verwendung findet. Obwohl die Chemikalie in Verdacht steht, die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit zu beeinträchtigen, Chemotherapien zu erschweren und Diabetes oder Herz/Kreislauf-Erkrankungen zu befördern, sieht die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA keinen Anlass zum Handeln. „Die Bisphenol-Exposition durch Lebensmittelverpackungen stellt für die Bevölkerung, einschließlich Kindern und Säuglingen, kein akutes Gesundheitsrisiko dar“, meint die FDA. Dieser Ansicht hat jetzt ein wissenschaftliches Panel widersprochen. In einem Report werfen die ForscherInnen der Behörde vor, neueste Erkenntnisse zu ignorieren und „eine trügerische Sicherheit“ zu verbreiten. Der Bericht werfe wichtige Fragen auf, konzedierte die FDA, ohne sich allerdings gezwungen zu sehen, ihre Einschätzung zu ändern.

REACH: BUND macht Druck
Das REACH genannte Chemikaliengesetz der EU schreibt BAYER & Co. vor, ihre Stoffe auf gesundheitsgefährdende Wirkungen hin zu untersuchen. Über die Umsetzung der von BAYER & Co. erfolgreich aufgeweichten Verordnung wacht die Chemikalien-Agentur ECHA in Helsinki. Bisher hat sich dort jedoch wenig getan. Damit gefährliche Chemie endlich vom Markt verschwindet, hat der BUND die ECHA jetzt aufgefordert, eine Liste mit potenziell schädlichen Substanzen zu erstellen, die ein Zulassungsverfahren durchlaufen müssen. „Nur eine Zulassungspflicht und die öffentliche Bekanntmachung dieser gefährlichen Chemikalien können die Industrie dazu bewegen, mehr Gelder in die Entwicklung sicherer Alternativen zu stecken“, so die BUND-Chemie-Expertin Patricia Cameron.

Zockte die Beistandskasse?
Die BAYER-Beistandskasse hatte beim Sterbegeld, das bislang durchschnittlich ca. 6.000 Euro betrug, Kürzungen von bis zu 2.000 Euro vorgenommen, was zu großen Protesten führte (Ticker 3/08). Der Vorstandsvorsitzende Lutz Cardinal von Widdern begründete den Schritt mit zurückgehenden Beiträgen aufgrund der überalterten Mitgliederstruktur und der Notwendigkeit zu einer verstärkten Risikovorsorge. In einem an den Leverkusener Anzeiger adressierten Leserbrief fand sich jedoch eine andere Erklärung für den Geldmangel der Kasse. „Der Versuch des Vorstandsvorsitzenden von Widdern, noch vor der Mitgliedsversammlung deutlich zu machen, wie verantwortungsvoll der Vorstand mit den Geldern der Mitglieder umgehe, zeigt, dass dieser Vorstand nicht bereit ist zuzugeben, dass er rund 80 Millionen Euro bei Spekulationsgeschäften mit den Mitgliederbeiträgen verloren hat“, heißt es dort.

KAPITAL & ARBEIT

Prekarisierung bei BayJob
BAYER hat seinen Pool für „bedarfsgerechte Einsätze“, in dem Rationalisierungsopfer Springer-Dienste verrichten müssen, in „BayJob“ umbenannt und ihn nicht nur damit noch mehr in McJob-Nähe gerückt. Der Leverkusener Multi hat die betroffenen Belegschaftsangehörigen nämlich gezwungen, einen Zusatz zu ihrem Arbeitsvertrag zu unterschreiben, in dem sie sich damit einverstanden erklären, alle zumutbaren Angebote inklusive Leiharbeit anzunehmen und auch Zeiten ohne Beschäftigung zu akzeptieren. Zudem sieht der Konzern das Parken der Arbeitskräfte bei „BayJob“ nicht als Versetzung an, weshalb er die Zustimmung des Betriebsrates nicht einzuholen braucht. Diese Frage wollte die BELEGSCHAFTSLISTE, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Wuppertaler BAYER-Werk, erst juristisch klären lassen, ehe sie der Gesamtbetriebsratsvereinbarung ihr Ja-Wort gibt, aber das war mit der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE nicht zu machen. Die Gewerkschaft drohte: „Sollte der GBR (Gesamtbetriebsrat, Anm. Ticker) keine Beauftragung bekommen, könnte es in Zukunft auch zu betriebsbedingten Kündigungen kommen“ und erzwang so ein positives Votum, wie das Belegschaftsinfo vom November 2008 berichtet.

BAYER will „Commitment“
Im dritten Quartal 2008 stieg der Umsatz der Gesundheitssparte des Konzerns gegenüber dem Vorjahr um 6,1 Prozent. Nichtsdestotrotz macht BAYER SCHERING Rationalisierungsbedarf aus und startete das Projekt „Commitment“. „Obwohl das Projekt offiziell weder Restrukturierungs-, Kostensenkungs- noch Personalabbaukonzept sein soll, wurde doch zumindest in einigen Abteilungsversammlungen deutlich, dass restrukturiert werden wird, Kosten reduziert werden und Personalabbau nicht ausgeschlossen ist“, heißt es in der Mai-Ausgabe des von der BASIS INITIATIVE SOLIDARITÄT herausgegebenen BAYER-SCHERING Info. BAYER begründet die Maßnahmen unter anderem mit dem TRASYLOL-Stopp, dem Patentstreit um die Pille YAZ, dem Ausfall eines KOGENATE-Zwischenhändlers und erhöhten Anforderungen der Behörden. Die Basis Initiative lässt das nicht gelten. „Ginge es tatsächlich um Beseitigung von Patentproblemen, müsste man die Patentabteilung stärken oder die Dokumentation optimieren. Probleme der Arzneimittelsicherheit und höheren Behördenanforderungen könnte man mit dem Ausbau von Drug Safety und Regulatory und guter Archivierung und Recherche begegnen. Aber gerade die letztgenannten Bereiche gehen in Wuppertal am Stock“.

Sparprogramm wg. Finanzkrise
Anfang November 2008 nahm das BAYER-SCHERING-Vorstandsmitglied Andreas Busch die Finanzkrise zum Anlass, ein Sparprogramm zu verhängen. In einem Rundbrief ordnete er einen Einstellungsstopp, eine Verlängerung der weihnachtlichen Werksferien, eine Absage der Weihnachtsfeiern und andere Maßnahmen an. Nach massiver Kritik von Seiten des Personals ruderte er zurück und bezeichnete sein Schreiben als bloßen Entwurf. Eine von Buschs Direktiven konnte der Wuppertaler Betriebsrat schon einmal verhindern: Er stimmte dem Produktionsstillstand vom 19.12. bis zum 6.1. nicht zu.

Schließung in Wolfenbüttel
Der Leverkusener Multi gibt den Standort Wolfenbüttel auf und gliedert die dortige Pestizid-Produktion aus. Der Agro-Riese hat das Werk an das Unternehmen LEHNKERING verkauft, das nun als Dienstleister in Sachen „Ackergifte“ für den Konzern tätig wird und dazu auch die zuletzt auf eine Stärke von 140 zusammengeschrumpfte BAYER-Belegschaft übernimmt. Die giftigen Altlasten des Agro-Riesen wollte LEHNKERING allerdings nicht haben, die musste der Global Player noch selber entsorgen (siehe WASSER, BODEN & LUFT).

Tarifparteien vereinbaren Ethik-Kodex
Von der BAYER-Familie ist nicht mehr viel zu spüren. Immer rücksichtloser verfolgt der Leverkusener Multi seine Profitinteressen auf Kosten der Belegschaft. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE sieht darin jedoch keinen Anlass, die Politik der Sozialpartnerschaft in Frage zu stellen. Sie setzt ihren Schmusekurs unbeeindruckt fort und hat jüngst gemeinsam mit dem „Bundesarbeitgeberverband Chemie“ ein Glaubensbekenntnis zur „sozialen Marktwirtschaft“ abgegeben, zu dem auch Bundespräsident Horst Köhler seinen Segen gab. „Unternehmerischer Erfolg, der von nachhaltig handelnden und wettbewerbsfähigen Unternehmen erzielt wird, ist Bedingung für Innovationen, Investitionen und Arbeitsplätze“, heißt es in den „Leitlinien für verantwortliches Handeln in der sozialen Marktwirtschaft“, die ansonsten nur schwammige Bekenntnisse zu sozialem und ökologischem Wirtschaften liefern.

Schmoldt gegen höhere Spitzensteuer
Die immer weiter auseinandergehende Schere zwischen Arm und Reich hat den DGB veranlasst, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes zu fordern. Der Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE und BAYER-Aufsichtsrat Hubertus Schmoldt hält davon gar nichts. Gerechtigkeit sei nicht allein vom Spitzensteuersatz abhängig, auch nicht, wenn er bei 60 Prozent läge, so Schmoldt laut Faz.

Kostspielige Altersteilzeit
Die Altersteilzeit-Regelung, wie sie vor allem größere Konzerne wie BAYER praktizieren, kommt den Staat teuer zu stehen. Gehaltszuschüsse und der Verzicht auf einen Teil der Sozialabgaben kosten die SteuerzahlerInnen jährlich 2, 4 Milliarden Euro.

Kostspielige Vorstandsgehälter
Die Vorstände von DAX-Unternehmen konnten von 1987 bis 2007 eine Gehaltserhöhung von sage und schreibe 650 Prozent verzeichnen. Erhielten die Manager von BAYER & Co. vor zwanzig Jahren durchschnittlich 445.000 Euro, so stecken sie mittlerweile 3,3 Millionen ein. Die GeschäftsführerInnen nicht an der Börse notierter Unternehmen kamen im gleichen Zeitraum dagegen „nur“ auf eine Einkommenssteigerung von 132.000 auf 268.000 Euro.

Beistandskasse: Datenschutz-Verstoß?
Auf der tumultösen letzten Mitgliederversammlung der BAYER-Beistandskasse (Ticker 3/08) fanden keine geheimen Wahlen statt, vielmehr war jede Stimmkarte einer Person zuordbar. Besonders KritikerInnen der Geschäftspolitik der Beistandskasse ist das nicht ganz geheuer. Die nordrhein-westfälische Datenschutzbeauftragte Bettina Gayk sieht durch diese Wahlordnung zwar keine Gesetze verletzt, sie kündigte aber an, im Falle von Beschwerden tätig zu werden und den Vorstand zu einer Stellungnahme aufzufordern.

ERSTE & DRITTE WELT

Welthandelsrunde gescheitert
Die Industrieländer subventionieren ihren Landwirtschaftssektor mit immensen Summen, was auf den Märkten von „Dritte-Welt“-Staaten zu einem Verdrängungswettbewerb führt, den die einheimischen FarmerInnen verlieren. Darum haben Indien und China bei den Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) einen besseren Schutz ihrer Bauern und Bäuerinnen eingefordert. Wenn die Importe eine bestimmte Quote übersteigen, wollten sie Schutzzölle erheben dürfen. Dies aber lehnten vor allem die USA ab, weshalb die Gespräche Ende Juli 2008 scheiterten. „Bei dem Kraftakt einer allgemeinen Liberalisierung des Welthandels (...) scheint die Globalisierung der Wirtschaft vorerst an ihre Grenzen zu stoßen“, lamentiert die Faz. Und auch BAYER dürfte das bedauern, profitiert der Konzern doch stark von den globalen Agrarmärkten mit ihrer durchindustrialisierten Struktur.

BAYER sponsort Demographie-Konferenz
BAYER gehörte wieder einmal zu den Sponsoren der seit sieben Jahren stattfindenden Konferenz „Internationaler Dialog Bevölkerung und Nachhaltige Entwicklung“, an der unter anderem Entwicklungshilfe-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul teilnahm. Damit erkaufte sich der Multi auch das Rederecht. „Unsere Expertise in der Frauengesundheit verpflichtet uns dazu, Familienplanung in Entwicklungsländern zu einem festen Bestandteil unseres gesellschaftlichen Engagements zu machen“, sprach BAYER SCHERING PHARMAs Forschungsvorstand Andreas Busch. Wenn „gesellschaftliches Engagement“ sich bloß immer so auszahlen würde: Allein mit seinen Verhütungsmitteln machte der Konzern im letzten Geschäftsjahr einen Umsatz von einer Milliarde Euro. Zudem sorgt dieses „Engagement“ dafür, dass die Armen sich nicht zu stark vermehren - auch eine Art von Klassenkampf.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER im Klimarat NRW
Die nordrhein-westfälische Landesregierung betreibt ihre Umweltpolitik mit freundlicher Unterstützung von BAYER & Co. So rief sie etwa als Nebenregierung den mit vielen Konzern-VertreterInnen bestückten „Dialog Wirtschaft und Umwelt NRW“ ins Leben. Damit nicht genug, gründete Rüttgers Club nun auch noch einen Energie- und Klimarat. Selbstverständlich ist der Leverkusener Multi hier wieder mit von der Partie. Klaus Schäfer, Geschäftsführer der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA GmbH, sitzt in dem Gremium, während Abgesandte von Umweltverbänden fehlen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte lautstark gegen die Berufung. „Die Landesregierung hat einmal mehr den Bock zum Gärtner gemacht. Ausgerechnet ein Unternehmen, das den Bau klimafeindlicher Kohlekraftwerke vorantreibt und das gegen verbindliche Regeln zum Klimaschutz agitiert, soll die Energiepolitik des Landes mitbestimmen“, kritisierte die CBG in einer Presseerklärung.

Emissionshandelsschluss
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in einem bestimmten Volumen zu gestatten. Alles, was über ein bestimmtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen, weil sie dafür Verschmutzungsrechte kaufen müssten. Dazu ist es jedoch dank umfangreicher Lobby-Aktivitäten immer noch nicht gekommen. Für die neueste Variante ihrer Obstruktionspolitik instrumentalisierten die Multis die Wirtschaftskrise und malten einmal mehr das Schreckgespenst von Arbeitsplatz-Vernichtungen an die Wand. Angela Merkel verfiel sogleich in Schockstarre und handelte beim Brüsseler EU-Gipfel kostenlose Verschmutzungsrechte für die bundesdeutschen Chemie- und Stahlunternehmen, die besonders viel CO2 emittieren (BAYER insgesamt ca. 7,5 Millionen Tonnen), aus. Zudem dürfen die Multis ihre Klimaschutz-Anstrengungen auch in Drittweltländer outsourcen. Die Süddeutsche Zeitung kommentierte unter der Überschrift „Artenschutz für Luftverschmutzer“: „Der Emissionshandel sollte das Instrument sein, das die Mechanismen des Marktes nutzt, um den Klimawandel abzumildern. Mit dem Bonus für besonders schädliche Branchen auch in Deutschland, mit dem Nachlass für Kohlekraftwerke in Osteuropa noch weit über das Jahr 2013 hinaus ist das Modell entwertet“.

BAYER & Co. schreiben Steinbrück
Die großen Konzerne wissen oftmals selber nicht mehr ganz genau, wer nun eigentlich ihre Großaktionäre sind, da der Finanzmarkt neben den schnöden Aktien zahlreiche neue, undurchsichtige Produkte entwickelt hat. Noch bevor der VW-Kurs durch Hedge Fonds, die sich mit geliehenen Anteilsscheinen verspekuliert hatten, auf eine Achterbahn-Fahrt geriet, forderten die Finanzvorstände von BAYER und anderen DAX-Unternehmen Peer Steinbrück in einem Brief zu Regulierungsmaßnahmen auf. Die Konzerne forderten umfassendere Offenlegungspflichten, wünschten sich mehr Klarheit über die wirklichen Besitzverhältnisse und mahnten allgemein mehr Transparenz auf den Aktienmärkten an.

Plumpe Chef des HistorikerInnen-Verbandes
Die GeschichtswissenschaftlerInnen haben mit Werner Plumpe erstmals einen Unternehmenshistoriker an die Spitze ihres Verbandes gewählt. Und was für einen! Plumpe hat beste Beziehungen zu BAYER und betätigt sich gerne als Weißwäscher der etwas unappetitlichen Firmenhistorie, wie Otto Köhler in SWB 1/08 darlegte. Dabei scheut der frischgebackene Verbandschef auch nicht vor Manipulationen zurück. Wenn der ehemalige IG-Chef Carl Krauch in einem Brief schreibt: „Auf meinen Antrag und auf Weisung des Herrn Reichsmarschalls“ habe der Reichsführer SS unter dem 26. Februar angeordnet, dass der Aufbau des Werkes in Auschwitz „durch die Gefangenen aus dem Konzentrationslager in jedem nur möglichem Umfange zu unterstützen sei“, so lässt Plumpe einfach das „Auf meinen Antrag und“ weg. Prompt kann er dann schreiben: „„Wie weit etwa der Einsatz von Zwangs- und Sklavenarbeit eigeninitiativ veranlasst wurde, ist selbst im Fall des IG-Werkes in Monowitz umstritten“. Deshalb versteht der plumpe Geschichtsfälscher auch gar nicht, warum sich die IG-Oberen bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen auf der Anklagebank wiederfanden. Dies habe Plumpe zufolge nur „eine eigentümliche Allianz aus Marxisten und Liberalen, aus Sozialdemokraten und Vertretern der Frankfurter Schule“ zustandegebracht. Zur Belohnung für diese Geschichtsklitterei durfte sich der Historiker letztes Jahr im BAYER-Kommunikationszentrum über „Carl Duisberg und das moderne Unternehmen“ verbreiten.

Umweltstaatssekretär besucht BAYER
Am 3. November 2008 war wieder großer Grünwaschtag bei BAYER. Der Leverkusener Multi lud zum „Opening Day BAYER Young Environmental Envoy 2008“ und bot zur Bestallung seiner neuen „Umweltbotschafter“ Berliner Prominenz auf. Der Umweltstaatssekretär Matthias Machnig schüttete einen Vortrag zu den umweltpolitischen Schwerpunkten der Bundesregierung in den Waschgang.

SPD: mit Schmoldt gegen Linkspartei
Dem Vorsitzenden der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE und BAYER-Aufsichtsrat Hubertus Schmoldt kommt der Rechtsruck in der SPD nach dem Sturz Kurt Becks sehr gelegen, pflegt er doch seit langem freundschaftliche Beziehungen zu Frank-Walter Steinmeier. Darum ließ er sich gerne dazu einspannen, auch für freundschaftlichere Beziehungen zwischen der SPD und den Gewerkschaften im Allgemeinen zu sorgen und die Agenda-Wogen wieder zu glätten. Bei einem Treffen zwischen führenden SozialdemokratInnen und GewerkschaftlerInnen einigte man sich nach einem Bericht der Rheinischen Post auf eine weitgehende Kooperation. Sogar als Wadenbeißer an der Leine von Müntefering & Co. wollen sich die KollegInnen betätigen und in der Öffentlichkeit verstärkt auf die Linkspartei losgehen.

Krach im Konvent
BAYERs Aufsichtsratschef Manfred Schneider betätigt sich zusätzlich zu seinem Leverkusener Job nicht bloß noch als Aufseher bei ALLIANZ, LINDE, DAIMLER, RWE und TUI, er gehört auch dem „Konvent für Deutschland“ an. Dort befindet er sich in der zweifelhaften Gesellschaft von Otto Graf Lambsdorff, Roman Herzog, Wolfgang Clement und Klaus von Dohnanyi und kämpft gegen den vermeintlichen Reformstau an. Aber jetzt haben sich die hohen Herren in der Wolle. Der Unternehmenshistoriker Manfred Pohl und Wolfgang Clement wollen den Aktionsradius des exklusiven Clubs ausweiten, ihren neoliberalen Senf auch zu Themen wie „Migration“, „Bildung“ und „Erziehung“ geben und eine aggressivere Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Das war aber mit Herzog, Schneider & Co. nicht zu machen, weshalb es zu einem Split kam.

BAYER & Co. zahlen 18 Prozent weniger
In keinem anderen Erdteil sanken die Unternehmenssteuern in den letzten neun Jahren so stark wie in Europa. Besonders in der Bundesrepublik mussten die Konzerne immer weniger Abgaben zahlen. Die Nominalsätze fielen von 1999 bis 2008 von 52,3 Prozent auf 29,5 Prozent. Daran hatte BAYERs inzwischen verstorbener Ex-Steuerchef Heribert Zitzelsberger, der unter Rot/Grün Staatssekretär im Finanzministerium wurde, einen maßgeblichen Anteil. „Wir haben mit Herrn Zitzelsberger unseren besten Mann entsandt“, kommentierte der damalige Vorstandsvorsitzende Manfred Schneider den Wechsel einst. Aber Zitzelsberger hat würdige Nachfolger gefunden. So sorgte die Anfang des Jahres in Kraft getretene Unternehmenssteuerreform der großen Koalition für ein um 18 Prozent auf ca. 19 Milliarden Euro eingebrochenes Körperschaftssteuer-Aufkommen.

VCI will Steuererleichterungen
Der „Verband der Chemischen Industrie“ mahnt Steuererleichterungen für die Forschungsaufwändungen von BAYER & Co. an und flankiert seine Forderung mit Abwanderungsdrohungen. Beim Bundesforschungsministerium hat das schon gewirkt. Das Haus hat die Idee nach den Worten des VCI-Vorsitzenden Alfred Oberholz positiv aufgenommen, nur Peer Steinbrück stellt sich noch quer. „Im Finanzministerium gibt es natürlich Bedenken“, so Oberholz. Auch BAYERs Forschungsvorstand Wolfgang Plitschke hatte unlängst mehr staatliche Unterstützung für die Labor-Aktivitäten der Industrie gefordert (SWB 3/08).

BAYER & Co. wollen EU-Patentrecht
Bisher hat jedes europäische Land sein eigenes Patentrecht, was den Weg von einer Labor-Entwicklung zu einer Markteinführung zu einem langen Marsch machen kann. Deshalb haben BAYER & Co. die PolitikerInnen aufgefordert, die Anstrengungen für ein EU-weites Gemeinschaftspatentrecht zu verstärken.

Wennings Versorgungsproblem
Konzern-Chef Werner Wenning sieht an den BAYER-Standorten schon ab 2012 die Lichter ausgehen. „Wenn wir die jetzige Politik so beibehalten, werden wir in Deutschland nach Meinung führender Energie-Experten ab 2012 ein ernstes Versorgungsproblem haben“, warnt der Vorstandsvorsitzende. Er fordert deshalb nicht nur mehr Kohlekraftwerke und die Verlängerung von AKW-Laufzeiten, sondern tritt sogar für den Neubau von Kernkraftwerken ein. Dabei geht es Wenning nur um die Kosten, denn der mit viel Risiken und Nebenwirkungen in Kohlekraftwerken und AKWs erzeugte Strom ist schlicht billiger als der ökologisch korrekt produzierte.

PROPAGANDA & MEDIEN

Kodex wirkungslos
Mit großem Tamtam haben BAYER & Co. im Jahr 2004 eine „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e. V.“ ins Leben gerufen. Die Pharma-Riesen verpflichteten sich dazu, Pillen nur noch „zutreffend zu bewerben“, MedizinerInnen nicht länger „in unlauterer Weise“ zu beeinflussen und ihnen nur noch milde Gaben zukommen zu lassen. Fortbildungsveranstaltungen wollten die Unternehmen den Lustreisen-Charakter nehmen und ihr Verhalten allgemein an hohen ethischen Standards ausrichten. Der Realitätsprüfung halten diese schönen Worte allerdings nicht stand. Nach Ansicht der „Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft“ hat es der Kodex bisher nicht vermocht, „unlauteren Werbepraktiken der Arzneimittelindustrie und versuchten Einflussnahmen auf das Verordnungsverhalten von Ärzten in gewünschter Weise entgegenzuwirken“.

Krisenmanagement in Institute
Am 28. August 2008 hatte sich im Instituter BAYER-Werk eine Explosion ereignet, der zwei Beschäftigte zum Opfer fielen (siehe SWB 3/08). Die Ereignisse haben die AnwohnerInnen so in Aufruhr versetzt, dass der Leverkusener Multi sich veranlasst sah, zwei PR-Agenturen mit dem Krisenmanagement zu beauftragen. So organisierten die Kommunikationsprofis eine BürgerInnen-Versammlung und versuchten die Initiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC einzubinden. Von Erfolg war diese Strategie bisher allerdings nicht gekrönt. Pünktlich zum anberaumten Meeting erschien der von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN initiierte Offene Brief mit der Fundamentalkritik an der Risikovorsorge des Konzerns, den viele ortsansässige Gruppen mit unterschrieben hatten, und die PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC mochten sich auch nicht mit den „MediatorInnen“ an einen Tisch setzen.

BAYER sponsort Fluss-Reiniger
Der Leverkusener Multi verunreinigt durch seine Einleitungen Flüsse in aller Welt massiv. Trotzdem gerierte er sich an seinem Standort Pittsburgh als Umweltengel und sponsorte eine Initiative, die sich vorgenommen hatte, die Gewässer Allegheny und Ohio von Unrat zu säubern.

BISPHENOL-Kampagne gestartet
In den USA hat es die Bisphenol-Lobby von BAYER & Co. bisher geschafft, Maßnahmen gegen die vor allem in Lebensmittelverpackungen Verwendung findende Substanz zu verhindern, obwohl die Chemikalie in Verdacht steht, die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit zu beeinträchtigen, Chemotherapien zu erschweren sowie Diabetes oder Herz/Kreislauf-Erkrankungen zu befördern. Nachdem Kanada jedoch den Vertrieb von bisphenol-haltigen Babyflaschen verboten hatte, startete auch in Kalifornien eine entsprechende Gesetzes-Initiative. BAYER & Co. antworteten mit einer Desinformationskampagne. In Zeitungsannoncen warnten die Unternehmen davor, dass im Falle eines Bisphenol-Banns „viele Alltagsgegenstände aus dem Handel verschwinden würden“.Wissenschaftsnacht für Kinder
Mitte Juni 2008 veranstaltete BAYER eine Wissenschaftsnacht für Kinder. „Anschaulich und auf spielerische Art“ vermittelten WissenschaftlerInnen den lieben Kleinen den Segen der Chemie. Dabei ging es zu wie in einer Märchenstunde: Die guten Pestizide sicherten nach den Erzählungen der BAYER-ForscherInnen die Ernährung der Menschen und befreiten Haustiere von bösen Flöhen und anderen Peinigern.

Hilfe zur BAYER-Hilfe
Den Leverkusener Multi kommt seine Spendentätigkeit jetzt noch billiger, denn das im letzten Jahr verabschiedete Gesetz zur Stärkung bürgerschaftlichen Engagements lockt mit erheblichen Steuernachlässen. Also hat der Konzern für sein Engagement im Bildungsbereich flugs die 10 Millionen Euro schwere Stiftung „BAYER Science & Education Foundation“ gegründet, die Schulen fördert. Dabei bilden die naturwissenschaftlichen Bereiche einen Schwerpunkt, „denn ein Land, das wie Deutschland über keine reichen Bodenschätze verfügt, ist in seiner wirtschaftlichen Entwicklung vordringlich auf die geistige Kreativität angewiesen“, so BAYERs Oberkommunikator Michael Schade zur nicht gerade uneigennützigen Motivation der Bildungsoffensive des Unternehmens, die bei ihrer zweiten Förderrunde 42 Schulen mit einer Summe von insgesamt 500.000 Euro beglückte.

BAYERs Sozialpolitik I
Während der Konzern intern immer unsozialer wird, Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“ und hat die Kinderarmut entdeckt. „Jedes sechste Kind in Deutschland gilt als arm und lebt in einer Familie, die auf Sozialhilfe angewiesen ist - Tendenz steigend. Daher hat BAYER in diesem Jahr die BEPANTHEN-Kinderförderung ins Leben gerufen“. Mit 40.000 Euro jährlich will diese Ferienfreizeiten der Initiative „Arche“ unterstützen und so ein bisschen Mutter Teresa spielen.

BAYERs Sozialpolitik II
BAYER hat nicht nur milde Gaben für sozial Benachteiligte übrig. „Das Unternehmen engagiert sich auch inhaltlich“, vermeldet die Presseabteilung. Der Leverkusener Multi will gemeinsam mit ErziehungswissenschaftlerInnen der Universität Bielefeld die Kinderarmut erforschen und hat die „BEPANTHEN Kinderarmutsstudie“ in Auftrag gegeben. Vielleicht sollte der Konzern zu diesem Behufe eher mit WirtschaftswissenschaftlerInnen zusammenarbeiten und eine Reichtumsstudie ordern. Diese würde nämlich leicht herausfinden, wo das Geld geblieben ist, das armen Familien fehlt: Zum Beispiel bei den BAYER-ManagerInnen, deren Gehälter in den letzten 20 Jahren um 650 Prozent gestiegen sind (siehe KAPITAL & ARBEIT)!

TIERE & VERSUCHE
Im Jahr 2007 starben in den Laboren von BAYER 157.000 Tiere. 90 Prozent davon waren Ratten und Mäuse, der Rest Hunde, Katzen und Affen. Von Alternativ-Methoden wie der Erprobung von Wirkstoffen an Zellkulturen hält die Gesundheitsabteilung des Leverkusener Multis nichts: „Die Abläufe sind tatsächlich anders als in einzelnen Zellkulturen im Labor“. Und ansonsten verweist der Konzern scheinheilig auf die Politik. „Wir sind gesetzlich verpflichtet, die Medikamente im Tierversuch zu testen“, verlautet aus der Berliner Zentrale von BAYER SCHERING.

DRUGS & PILLS

Neue Testosteron-Studie
Mit aller Macht pocht der Leverkusener Multi auf Gleichberechtigung und will Wechseljahre auch für Männer. Der Konzern meint nämlich mit Testosteron-Präparaten wie TESTOGEL die passenden Medikamente zur Behandlung im Angebot zu haben. Fehlen nur noch ein paar Studien, die Testosteron-Mangel nebst Stimmungsschwankungen und Libido-Einbußen diagnostizieren, die heilsamen Effekte von TESTOGEL nachweisen und - wider besseren Wissens - Nebenwirkungen wie Krebs ausschließen. Aber auch diese akquiriert der Pharma-Riese im Handumdrehen. Zum Beispiel bei Dr. Pierre-Marc Bouloux. Und dieser willige Wissenschaftler brillierte sogar mit Sollübererfüllung: Selbst bei Testosteronwerten im unterem Normbereich empfiehlt Bouloux noch den Griff zum BAYER-Gel.

KINZAL beugt Infarkten nicht vor
BAYERs Blutdrucksenker KINZAL (Wirkstoff: Telmisartan) schützt nicht vor Herzinfarkten. Das ergab eine Studie der in Ontario gelegenen McMaster University unter Leitung von Salim Yusuf. Während im Untersuchungszeitraum 8,7 Prozent der Telmisartan-PatientInnen einen Herzinfarkt erlitten, waren aus der Plazebo-Gruppe 9,2 Prozent betroffen. Dieses Ergebnis reichte nach Meinung der WissenschaftlerInnen nicht aus, um KINZAL und den anderen Telmisartan-Medikamenten einen prophylaktischen Effekt zuzuschreiben.

Neuzulassung für LEUKINE
Ende Januar 2008 musste BAYER die nur in den USA angebotene flüssige Darreichungsform seines Krebs-Medikamentes LEUKINE vom Markt nehmen, weil der darin enthaltene Stoff Ethylendiamintetraacetat (EDTA) Ohnmachtsanfälle ausgelöst hatte. Für eine Formulierung ohne EDTA erlangte der Leverkusener Multi im Mai die Wiederzulassung.

Teures ASPIRIN
Kaum ein Produkt hat sich nach der Euro-Umstellung so verteuert wie ASPIRIN. Zwar erhöhten sich auch die Preise für Bier, Hautcreme, Waschmittel, Kino, Autos, Bekleidung oder Obst, aber nur BAYERs Tausendsassa kostet mittlerweile in Euro mehr als einst in DM. Von 6,85 DM im Jahr 2001 ging es bis 2008 auf 7,69 Euro herauf.

Nutzloses ASPIRIN
Seit Jahren bewirbt BAYER ASPIRIN als Mittel, das Herz/Kreislauf-Erkrankungen vorbeugt, und hat auch Erfolg damit. So empfehlen mittlerweile medizinische Behandlungsrichtlinien in vielen Ländern, Risiko-PatientInnen wie DiabetikerInnen das regelmäßige Schlucken des „Tausendsassas“ nahezulegen. Unberechtigerweise, wie jetzt eine im British Medical Journal veröffentlichte Studie des Professors Jill Belch von der „University of Dundee“ nachwies. Bei keinem der 1.300 von ihm untersuchten Zuckerkranken, die bisher noch keinen Herzinfarkt erlitten hatten, konnte die Arznei einen präventiven Effekt entfalten. „Wir müssen über seinen Einsatz in der primären Präventionen neu nachdenken“, lautet deshalb das Fazit Belchs auch angesichts der ASPIRIN-Nebenwirkungen wie Magenbluten. Und sein Kollege Peter Sever vom „Imperial College London pflichtet ihm bei. „Das bestätigt unseren Verdacht, dass ASPIRIN weite Verbreitung findet, ohne seinen Nutzen nachgewiesen zu haben“, so Sever.

Zulassung für QLAIRA
BAYER hat die europa-weite Zulassung für das Verhütungsmittel QLAIRA erhalten, dessen Wirksubstanzen die beiden Hormonen Estradiol und Dienogest sind.

Schlechte Noten für YASMINELLE
In dem Internet-Portal Ratgeber Pille können sich Frauen über ihre Erfahrungen mit den verschiedenen Verhütungsmitteln austauschen. BAYERs Kontrazeptivum YASMINELLE kommt dabei ziemlich schlecht weg.
Die Nutzerinnen klagen unter anderem über Gewichtszunahme, Gemütsschwankungen, verstärkten Haarwuchs, Zwischenblutungen, Bauch-, Kopf- und Brustschmerzen, Übelkeit, Ausfluss und Schweißausbrüche.

BAYER testet Lungen-Arznei
Der Leverkusener Multi will mit RIOCIGUAT ein neues Medikament zur Behandlung des Lungenhochdrucks auf den Markt bringen. Derzeit durchläuft die gefäßerweiternde Arznei die dritte und letzte Testphase.

Pillen-Preise: plus 6,7 Prozent
Und ewig steigen die Pillen-Preise: In diesem Jahr haben sie um 6,7 Prozent zugelegt. Besonders die Kosten für neue Medikamente belasten die Etats der Krankenkassen, weil AOK & Co. für diese mit BAYER und den anderen Herstellern keine Rabatte aushandeln dürfen. Mittlerweile zahlen die BundesbürgerInnen für Arzneien rund ein Drittel mehr als ihre EU-NachbarInnen. Da verlor selbst Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die Contenance. „Wenn die Ausgaben weiter so steigen, muss die pharmazeutische Industrie wissen, dass sie mit überhöhten Preisen auf Dauer nicht die medizinische Versorgung leisten kann“, wetterte die SPD-Politikerin und warnte BAYER & Co.: „Wir beobachten die Entwicklung. Höchst unfaire Preise kann kein Gesundheitssystem überstehen. Daher werden wir uns im Notfall nicht scheuen, gegen unfaire Preise Maßnahmen zu ergreifen“.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

BAYER-Beschäftigte vergiftet
Nach einer nur dreimonatigen Arbeit als Handelsvertreterin für Pestizide zog sich eine BAYER-Beschäftigte schon eine Vergiftung zu, die sie zu einem Krankenhaus-Aufenthalt zwang. Der Leverkusener Multi hielt das offenbar für Berufsrisiko. Er kümmerte sich nicht weiter um die Frau und behielt auch noch einen Teil ihres Lohnes ein.

Italien verbietet PONCHO
BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin hat im Frühjahr 2008 zu einem großen Bienensterben geführt. 11.500 Bienenvölker von 700 ImkerInnen rund um die südbadischen Maisfelder waren betroffen. Nach einigem Hin und Her entschloss sich das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ deshalb, das Mittel vom Markt zu nehmen. Aber Ende Juli 2008 war es wieder da: Die Behörde gab grünes Licht für PONCHO-Raps. Italien dagegen zeigte mehr Konsequenz. Im September erließ das Land ein Verbot für Clothianidin, Imidacloprid (Wirkstoff von BAYERs GAUCHO) und zwei weitere Substanzen, geltend für Mais-, Raps und Sonnenblumen-Kulturen.

Pestizide in Gewürzen
GREENPEACE hat Gewürze wie Paprika, Pfeffer und Petersilie nach Pestizid-Rückständen untersucht und in 82 Prozent der 30 Proben Agrogift-Spuren nachgewiesen. Auch Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind, waren mit von der Partie. Unter anderem stießen die WissenschaftlerInnen auf Chlorpyrifos, Endosulfan, Imidacloprid, Methomyl, das hierzulande längst verbotene Methamidophos und Permethrin.

Profitable Nahrungsmittelkrise
BAYER profitiert weiterhin von der Nahrungsmittelkrise. „Landwirte in allen Anbauregionen weltweit haben im ersten Halbjahr 2008 aufgrund der gestiegenen Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse vermehrt in hochwertiges Saatgut und innovative Pflanzenschutztechnologien investiert“, berichtete BAYER-CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer auf der Jahrespressekonferenz im September 2008 und vermeldete eine Umsatz-Steigerung von 13 Prozent auf 3,8 Milliarden Euro.

MOVENTO zugelassen
BAYER hat in den USA die Zulassung für das Insektizid MOVENTO mit dem Wirkstoff Spirotetramat erhalten. Es soll unter anderem gegen Blattläuse und weiße Fliegen wirken, angeblich aber Nutzinsekten wie Marienkäfer nicht vergiften.

PFLANZEN & SAATEN
BAYER hat in Singapur ein Reis-Forschungszentrum eröffnet. Die WissenschaftlerInnen wollen dort hybride, also sterile, nicht zur Wiederaussaat bestimmte Sorten züchten, die angeblich besondere Widerstandskräfte aufweisen und für bessere Ernten sorgen.

GENE & KLONE

Indien: Tests mit Bt-Reis
Im Jahr 2004 hatte BAYER noch das Versprechen abgegeben, keine Tests mit gentechnisch veränderten Pflanzen in Indien durchzuführen. Dieses hat der Leverkusener Multi jetzt gebrochen. Er beantragte erfolgreich Feldversuche mit 28 Reis-Linien, denen GentechnikerInnen den für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis eingebaut haben.

Tod durch CAMPATH
Bisher durften MedizinerInnen das von BAYER und GENZYME gemeinsam entwickelte Gentech-Medikament CAMPATH bei der chronisch-lymphatischen Leukämie nur einsetzen, wenn die PatientInnen bereits mit anderen Arzneien vorbehandelt waren oder eine Therapie mit Fludarabin nicht den gewünschten Erfolg erbracht hatte. Im letzten Jahr hat der Pharmariese eine Zulassung auch für den Ersteinsatz in Kombination mit Fludarabin und Rituximab beantragt. Diese dürfte er allerdings nicht bekommen, denn die entsprechenden Klinischen Tests haben sechs Menschen das Leben gekostet. Sie starben an Hirnhautentzündung, an der Legionärskrankheit, durch den Epstein-Barr-Virus oder an anderen Infektionen.

RECOTHROM-Zulassung beantragt
BAYER hat bei der EU eine Zulassung für die zur Blutstillung bei Operationen bestimmte Arznei RECOTHROM beantragt. Das von ZYMOGENETICS entwickelte und vom Leverkusener Multi für den europäischen Markt einlizenzierte Präparat besteht aus dem mittels Gentechnik nachgebautem gerinnungshemmenden Enzym Thrombin und ist in den USA bereits seit Anfang 2008 erhältlich. In der Wirkungsweise unterscheidet es sich erheblich von dem ebenfalls zur Blutstillung bei OPs eingesetzten TRASYLOL, das BAYER wegen seiner lebensgefährlichen Nebenwirkungen nicht mehr vertreiben darf.

Deal mit MAXYGEN
Der Leverkusener Multi hat vom US-amerikanischen Biotech-Unternehmen MAXYGEN die Rechte an einem in der Entwicklung befindlichen Blutgerinnungspräparat erworben. Der Konzern stellt mit KOGENATE zwar selber ein solches Produkt her, aber bei 15 Prozent der Bluter bleibt es wirkungslos, weil ihr Organismus Abwehrstoffe gegen den Gerinnungshemmer ausbildet. Das MAXYGEN-Präparat hingegen soll gegen solche Antikörper gewappnet sein. Zudem hat BAYER sich durch den Deal den Zugriff eine Gentechnik-Forschungsplattform gesichert, die Ansatzpunkte für neue Medikamente bietet.

BAYERs Gen-Baumwolle genehmigt
Dass BAYERs Gentech-Baumwolle der Marke „LLCotton25“ einen höheren Anteil des Giftes Gossypol hat als konventionelle Pflanzen und einen niedrigeren an Vitamin E, stört die Europäische Union offenbar ebenso wenig wie die von dem Produkt ausgehende Gefahr für die Artenvielfalt. Im Oktober 2008 erlaubte die Brüsseler Kommission dem Konzern die Einfuhr der Baumwolle in die EU.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYER-Altlasten im Grundwasser
In Wuppertal haben BAYER und die Stadt zwischen 1930 und 1950 einen ehemaligen Steinbruch an der Industriestraße als Müll-Deponie benutzt. 84.000 Kubikmeter Abfall kamen so zusammen, der das Grundwasser bis heute verunreinigt. Daran hat auch die 1990 vorgenommene Teil-Abdichtung nichts geändert. Deshalb steht nun eine Komplettsanierung an. Dichtungsbahnen aus Kunststoff sollen verhindern, dass Regenwasser in die Grube sickert und die Giftstoffe weiter in das Grundwasser spült. 850.000 Euro kostet das Ganze, das der Leverkusener Multi nicht alleine zahlen muss: Die Stadt Wuppertal und das Land Nordrhein-Westfalen beteiligen sich. Eine ebensolche Kraftanstrengung war vor Jahren in Leverkusen nötig, um die Dhünnaue-Deponie abzudichten.

Keine Kohlekraft nach Schwaben
Die Stadtwerke Schwäbisch Hall wollen sich aus Klimaschutzgründen nicht länger an dem Kohlekraftwerk beteiligen, das im Krefelder Chemiepark von BAYER geplant ist und 4,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen soll. Die Energieerzeuger bauen stattdessen ein Biokraftwerk und erwägen die Mitfinanzierung eines Gaskraftwerks.

Altlasten in Wolfenbüttel
BAYER hat den Standort Wolfenbüttel aufgegeben (siehe KAPITAL & ARBEIT), aber Erinnerungsstücke hinterlassen. Als ArbeiterInnen den Labortrakt abrissen, stießen sie auf eine Altlast des Konzerns: 1.000 Kubikmeter pestizid-haltiges Erdreich! Der Wolfenbütteler BAYER-Betriebsleiter Christoph Sender konnte sich natürlich überhaupt nicht erklären, wie die Ackergifte in den Boden gelangen konnten, erklärte sich aber großzügigerweise bereit, für den Abtransport zu sorgen.

Keine weitere CO2-Senkung bis 2020
BAYER produziert jährlich 3,9 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Dazu kommen noch die 3,6 Millionen Tonnen des klima-schädigenden Gases, die bei der Produktion der zugekauften Energie anfallen. Reduzieren will der Leverkusener Multi den CO2-Ausstoß bis auf Weiteres nicht. „Die absoluten Treibhausgas-Emissionen werden bis 2020 auf dem aktuellen Niveau verbleiben“, kündigte Forschungsvorstand Wolfgang Plischke bei der Vorstellung des jüngsten Nachhaltigkeitsberichtes des Unternehmens an.

Kohlekraft: ein Viertel für BAYER
Obwohl noch mehr als unklar ist, ob die Stadt Krefeld dem Bau eines Kohlekraftwerks auf dem Gelände des BAYER-Chemieparks zustimmt, hat Konzernchef Werner Wenning in einem Interview mit Euro am Sonntag schon einmal den Umfang der avisierten Energie-Lieferungen beziffert. Ein Viertel der Leistung von 800 Megawatt will der Multi abnehmen.

GIFTIG, ÄTZEND, EXPLOSIV

Bezirksregierung bessert nach
Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte BAYERs Pipeline-Projekt im Dezember 2007 das Allgemeinwohl abgesprochen. Deshalb erlaubte es zwar den Weiterbau, nicht aber die Inbetriebnahme der zwischen den Standorten Krefeld und Dormagen geplanten Kohlenmonoxid-Leitung. Die Bezirksregierung musste jetzt den Bedenken der RichterInnen in einem Planergänzungsverfahren Rechnung tragen. Im Oktober 2008 legte sie die Nachbesserungen vor, welche die Sache jedoch kaum besser machen (siehe auch SWB 4/08). Die BeamtInnen können nämlich auch jetzt nicht plausibel erklären, warum der Leverkusener Multi nicht einfach vor Ort eine Anlage zur CO-Erzeugung baut und flüchten sich in Falschaussagen. So behaupten die BürokratInnen einfach, es falle in Krefeld nicht genug Kohlendioxid für eine solche Fertigung an, obwohl der Konzern dort laut Schadstoffregister 1,15 Millionen Tonnen des Stoffes produziert. Wohl nicht zuletzt wegen solcher Schnitzer hält die Bezirksregierung die neun Gutachten, auf die sie sich bei den angemahnten Nachbesserungen gestützt hatte, unter Verschluss. Die Forderung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nach Veröffentlichung der Expertisen lehnte die Behörde ohne Begründung ab.

Pfusch am Pipeline-Bau
BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline, welche die Standorte Dormagen und Krefeld verbinden soll, ist noch nicht einmal ganz fertig, da füllt die Mängelliste schon 23 Seiten. Die Initiative „Baustopp der BAYER-Pipeline“ dokumentierte „Pfusch am Bau“ wie Rohre, die trotz Arbeitsunterbrechung nicht abgedeckt waren, fehlerhafte Schweißarbeiten, rostige Leitungen und unsachgemäß angebrachte Gas-Melder. Der Leverkusener Multi erkennt die Beweiskraft der vorgelegten Fotos erwartungsgemäß nicht an. Es handle sich dabei nur um „Momentaufnahmen“, welche die Pipeline-GegnerInnen überdies „laienhaft“ interpretiert hätten, so BAYER.

Holländische Pipeline-Verhältnisse
In Holland sind die Sicherheitsvorschriften für Kohlenmonoxid-Pipelines viel strenger als in der Bundesrepublik. Während die von BAYER zwischen Dormagen und Krefeld verlegte Leitung bis auf drei Meter an Häuser herankommt, schreiben die Niederlande zu Wohnbebauung einen Abstand von 55 Meter vor und zu Kindergärten, Schulen und Altersheimen sogar einen von 175 Metern.

Kritik am Pipeline-Gefahrenplan
Der Duisburger Physik-Professor Michael Schreckenberg hat Kritik an dem Gefahrenabwehrplan geübt, der im Falle eines Unfalls an BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline zur Anwendung kommen soll. „Es gibt viele Ungereimtheiten“, so Schreckenberg. Der Hochschullehrer hält die Alarmierungszeiten von 15 Minuten für zu lang und rechnet im Fall eines Gasaustrittes mit einem Fluchtverkehr, der den Feuerwehren den Weg zum Unfallort versperren könnte. Auch die eigenen vier Wände sieht er nicht als Schutzraum an, wenn Häuser über Umluft-Anlagen verfügen, die das Kohlenmonoxid von draußen hereinholen.
Volkskrankheiten durch Bisphenol?
BAYER zählt zu den größten Herstellern der Chemikalie Bisphenol A, die in Alltagsgegenständen wie Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen enthalten ist. Die Substanz wirkt hormon-ähnlich und stört so die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit. Eine Forschergruppe um David Melzer von der Peninsula Medical School in Barrack hat diesen „Risiken und Nebenwirkungen“ jetzt weitere hinzugefügt. Die WissenschaftlerInnen wiesen im Urin von DiabetikerInnen und Herzkranken überdurchschnittlich hohe Bisphenol-Werte nach. Die beiden Forscher Frederick vom Saal und John Peterson Myers übten daraufhin Kritik an den US-amerikanischen und europäischen Zulassungsbehörden, die anders als die kanadischen (SWB 2/08) noch immer keine Veranlassung für strengere Auflagen sehen. Dass die Ämter nicht reagieren, habe mit einer aggressiven Desinformationskampagne der Industrie zu tun, schreiben vom Saal und Myers in dem Fachjournal Jama (Bd. 300, S. 1353).

AGROSPRIT & PROFIT

Agrosprit verteuert Lebensmittel
BAYER profitiert direkt und indirekt vom Agrosprit-Boom. Einerseits betreibt der Leverkusener Multi in Tateinheit mit DAIMLER das Jatropha-Pflanzen-Projekt, andererseits bietet er maßgeschneidertes, besonders viel Tankfüllung produzierendes Saatgut an. In welchem Ausmaß der Agro-Kraftstoff die Nahrungsmittel verteuert, hat jetzt ein Bericht der Weltbank offen gelegt. Dem Institut zufolge hat die Nachfrage nach „Treibstoff-Pflanzen“ bei Lebensmitteln für einen Preisauftrieb in Höhe von 75 Prozent gesorgt.

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr Kunststoffe aus China
In Shanghai hat eine neue BAYER-Anlage zur Herstellung des Kunststoffes MDI die Produktion aufgenommen, die auf eine Jahres-Kapazität von 350.000 Tonnen kommt. Zudem ging eine Fertigungsstätte für Polyurethan-Rohstoffe, die in der Wasserlack-Industrie Verwendung finden, in Betrieb. Damit nicht genug, begannen die Bauarbeiten für ein TDI-Werk, das der Leverkusener Multi im Jahr 2010 einweihen will.

Leuchtreklame am Hochhaus
BAYER reißt sein altes Verwaltungszentrum nicht ab, sondern nutzt es als Leuchtreklame. Der Leverkusener Multi bringt an den Außenwänden 5,6 Millionen Leuchtdioden an, die das Gebäude zu einem der größten Werbeträger der Welt machen - und zu einem der energie-intensivsten. Der Stromverbrauch liegt bei 1.800 Kilowattstunden pro Tag, und lediglich zehn Prozent dieses Bedarfes decken die auf dem Dach installierten Solarzellen.

ÖKONOMIE & PROFIT

Japanische Börse ohne BAYER
Im letzten Jahr hat der Leverkusener Multi sich von der US-Börse zurückgezogen. Nun verabschiedete sich der Konzern auch vom japanischen Aktien-Markt. Das geringe Handelsvolumen habe die mit dem Listing verbundenen Kosten nicht mehr gerechtfertigt, sagte BAYER-Finanzvorstand Klaus Kühn zur Begründung und verwies im Übrigen auf den globalisierten Handel mit den Anteilsscheinen, der eine Präsenz an allen Weltbörsen überflüssig mache.

Höhere Kosten, höhere Preise
Der Leverkusener Multi gibt die höheren Rohstoff- und Energiekosten, die allein im Kunststoffbereich 230 Millionen Euro ausmachen, zum großen Teil an seine Kunden weiter. „Das wird bis in den zweistelligen Bereich gehen“, kündigte BAYER-Chef Werner Wenning an.

BAYER Nr. 10
Mit einem Umsatz von 32 Milliarden Euro und 106.000 Beschäftigten nimmt BAYER in der Rangliste der größten bundesdeutschen Unternehmen den zehnten Platz ein.

BAYER im Stoxx 50
BAYER hat Aufnahme in den Stoxx 50 gefunden, einen Index, der die fünfzig kapitalträchtigsten Unternehmen aus dem europäischen Raum aufführt. Der Platz, der dem Leverkusener Multi mehr Aufmerksamkeit von Seiten der Aktien kaufenden Fondsgesellschaften garantiert, wurde durch die im Zuge der Wirtschaftskrise rapide an Wert verlierenden Finanztitel HBOS, LLOYD‘s und FORTIS frei.

IMPERIUM & WELTMARKT

Fibig neuer SCHERING-Chef
Der frühere PFIZER-Manager Andreas Fibig ist neuer Vorstandsvorsitzender von BAYER SCHERING. Sein Vorgänger Arthur Higgins bleibt Chef der Gesundheitssparte, zu der neben BAYER SCHERING noch die Diabetis- und Veterinärabteilung sowie der Bereich mit frei verkäuflichen Arzneien gehört.

Deutsch-brasilianischer Wirtschaftstag
Brasilien zählt zu den zehn größten Absatzmärkten BAYERs - gerade erst gab der Konzern Investitionen von 100 Millionen Euro in dem südamerikanischen Land bekannt. Darum durfte er auch bei den deutsch-brasilianischen Wirtschaftstagen nicht fehlen, die vom 24. bis zum 26. August in Köln stattfanden.

Deal mit MAXYGEN
Der Leverkusener Multi hat vom US-amerikanischen Biotech-Unternehmen MAXYGEN die Rechte an einem in der Entwicklung befindlichen Blutgerinnungspräparat erworben (siehe auch GENE & KLONE).

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Mehr Unfälle, mehr Sirenen
In Nordrhein-Westfalen ereigneten sich in diesem Jahr zahlreiche Chemie-Unfälle. Auch bei BAYER kam es zu einigen Störfällen. In Wuppertal wurde Ammoniak freigesetzt, in Bergkamen gelangte Thionylchlorid ins Freie und in Leverkusen drang aus einer undichten Leitung Chlor. Diese Störfälle haben das Bewusstsein für die Gefährlichkeit industrieller Anlagen geschärft und die Politik zum Handeln gezwungen. Es blieb allerdings bei einem symbolischen. Der Krisengipfel der nordrhein-westfälischen Landesregierung beschloss lediglich, mehr Sirenen aufzustellen, um die Bevölkerung besser warnen zu können, wenn es mal wieder einen großen Knall gegeben hat. Prophylaktische Maßnahmen wie eine strengere Aufsicht oder schärfere Auflagen für die Anlagen-Betreiber standen nicht auf der Tagesordnung.

RECHT & UNBILLIG

Anklage wg. Medicaid-Sozialbetruges
Der US-Bundesstaat Kansas hat Anklage gegen BAYER und andere Pillen-Riesen erhoben. Der Staatsanwalt Steve Six wirft Big Pharma vor, Medicaid, das staatliche Medikamenten-Hilfsprogramm für Bedürftige, durch überhöhte Arznei-Preisangaben betrogen zu haben. „Wir glauben, dass Kansas durch die betrügerischen Kalkulationen dieser Pharma-Unternehmen Millionen Dollar verloren hat“, sagte Six der Presse.

BAYER besticht
Der Leverkusener Multi hat in den USA elf Firmen, die medizinische Geräte vertreiben, mit insgesamt 2,8 Millionen Dollar bestochen, damit sie nur noch Blutzucker-Messgeräte aus dem Hause BAYER vertreiben. Doch der Schwindel flog auf - und wurde teuer. Der Konzern musste für die Bestechung eine Strafe von 97,5 Millionen Dollar zahlen und fügte seinem ellenlangen Sündenregister damit ein weiteres Kapitel zu.

Keine Steuerrückzahlung für BAYER
Der Leverkusener Multi vermeinte, für seine immer wieder durch Störfälle auffallende Niederlassung im US-amerikanischen Institute 457.000 Dollar zu viel Steuern gezahlt zu haben, und zog vor Gericht. Zunächst bekam der Konzern Recht zugesprochen, verlor jedoch in letzter Instanz. Die RichterInnen räumten zwar durchaus Berechnungsfehler ein, führten diese aber auf BAYERs mangelhafte Steuererklärung zurück und lehnten das Rückzahlungsbegehr ab. Der Landkreispräsident Kent Carper zeigte sich erleichtert über das Urteil. Wenn große Unternehmen mit großen Ressourcen sich nachträglich ihrer Steuerverpflichtungen entledigen könnten, müsste der normale Steuerzahler nämlich seiner Ansicht nach entsprechend mehr zahlen.

Institute: BAYER muss zahlen
Schon bevor BAYER 2001 das Werk im US-amerikanischen Institut erwarb, wo sich am 28. August eine schwere Explosion ereignete, wurde die Produktionsstätte wegen seiner Sicherheitsrisiken aktenkundig. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA stellte so schwerwiegende Mängel wie überhöhte Emissionen, fehlerhafte Emissionsberichte sowie Verstöße gegen Vorschriften im Umgang mit gefährlichen Stoffen fest und forderte den Leverkusener Multi als Rechtsnachfolger zu einer Strafzahlung in Höhe von einer Million Dollar auf.

Ex-Beschäftigte verklagt BAYER
Nach zahlreichen Meldungen über Todesfälle musste BAYER am 8. August 2001 den Cholesterinsenker LIPOBAY vom Markt nehmen. Wie gefährlich das Mittel ist, wusste der Leverkusener Pharma-Riese allerdings schon lange vorher. Trotzdem vermarktete er das Medikament weiter. Darum betätigte sich jetzt eine ehemalige Angestellte als Whistleblowerin und verklagte den Konzern (siehe auch SWB 4/08).

1.200 Klagen wg. Genreis
Im Jahr 2006 fand sich genmanipulierter Reis von BAYER massenhaft in herkömmlicher Supermarkt-Ware wieder und löste damit einen der größten Gen-Gaus der letzten Zeit aus. Den Schaden, den die gegen das Herbizid LIBERTY resistente Sorte verursacht hatte, bezifferte GREENPEACE auf 1,2 Milliarden Dollar. Die Lebenmittel-Rückrufe schlugen dabei mit 253 Millionen zu Buche, die Exportverluste für die US-amerikanischen Reis-FarmerInnen in der Saison 2006/07 mit 254 Millionen und die für 2007/08 ca. mit 445 Millionen. Die LandwirtInnen zogen deshalb massenhaft vor Gericht. Auf 1.200 ist die Zahl der KlägerInnen mittlerweile angewachsen.

BAYER-Beschäftigter klagt
Den BAYER-Beschäftigten Rickey J. Carman machte die Arbeit krank, weshalb er den Leverkusener Multi verklagt hat. Carmans Aufgabe war es, am Standort Natrium im US-amerikanischen Marshall County für den Abtransport bestimmte Tanks mit dem Kunststoff-Zwischenprodukt Toluylendiisocyanat (TDI) zu befüllen oder die gelieferte flüssige Chemikalie aus den Behältern abzupumpen. Immer kam er dabei mit der Substanz in Berührung, denn es leckte gehörig aus den Leitungen, so dass sich permanent ein Chemie-Nebel verbreitete. Da TDI das zentrale Nervensystem angreifen kann, blieb das nicht ohne Folgen. Der Arbeiter bekam eine Depression und litt zudem unter Übelkeit, Kopfschmerzen und Gedächtnisverlust. Das alles hätte dem US-Amerikaner erspart bleiben können, wenn BAYER die TDI-Produktion in Natrium aufrechterhalten hätte, statt den Stoff aus Kostengründen per Zug, LKW oder Pipeline anliefern zu lassen. Aber der Konzern verzichtete wie im Fall „Kohlenmonoxid“ auf eine Fertigung im Werk selbst.

Noch eine TRASYLOL-Klage
Im November 2007 musste BAYER das zur Blutstillung bei Operationen eingesetzte Medikament TRASYLOL vom Markt nehmen (SWB 4/07). Die Nebenwirkungen reichten von Nierenversagen über Schlaganfälle bis hin zu Herzinfarkten. Peter Sawicki vom „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ zufolge starben an der BAYER-Arznei allein in der Bundesrepublik jährlich 300 Menschen; weltweit geht die Zahl der Toten in die Zehntausende. Ca. 100 Klagen auf Schadensersatz sind den Justizbehörden bislang eingegangen. Im Oktober 2008 kamen noch zwei dazu. Die US-AmerikanerInnen Gary Harms und Linda Kopsie verlangen zwei Millionen Dollar Schmerzensgeld vom Leverkusener Multi. Linda Kopsie macht den Konzern für den Tod ihres an Nierenversagen gestorbenen Mannes verantwortlich, und Harms fordert eine finanzielle Entschädigung für sein Nierenleiden ein.

Irreführende ASPIRIN-Werbung
BAYER hat in den USA eine Kombination seines „Tausendsassas“ ASPIRIN mit dem hauptsächlich als Nahrungsergänzungsmittel verwendeten Phytosterol auf den Markt geworfen und bewirbt den Mix als „best of both worlds“: gleichzeitig cholesterinsenkend und einem Herzinfarkt vorbeugend. Die US-Gesundheitsbe

Pestizide

CBG Redaktion

Mannheimer Morgen, 20. August 2008

Schutzlos und unwissend - wo Chemie zur Gefahr wird

Entwicklungsländer: Unsachgemäßer Einsatz legaler Chemikalien und illegal exportierter Giftmüll aus den Industriestaaten gefährden in Armutsregionen die Gesundheit der Menschen

Sie verstehen die Anleitung nicht oder haben kein Geld für Arbeitskleidung. In Entwicklungsländern vergiften sich jedes Jahr Millionen Menschen mit Pestiziden.
Seit Tagen gingen sie ihrem ohnehin gefährlichen Job nach, ohne zu wissen, was neben ihnen im Wasser schlummerte. Immer wieder tauchten die Männer vor San Fernando hinab in die „Princess of the Stars“, auf der Suche nach den Menschen, die der Taifun „Fengshen“ in der Fähre begraben hatte. Plötzlich das Stop-Kommando. Abbruch der Bergung, obwohl es noch Hunderte Vermisste gab. Aber auch Container, gefüllt mit mehr als 1000 Kilogramm giftiger Pflanzenschutzmittel.
Für die Menschen, die bei dem Unglück am 21. Juni vor den Phillippinen Angehörige verloren hatten, ging zum zweiten Mal eine Welt unter. Wütend protestierten sie gegen Reederei und Behörden, die die Bergung auf unbestimmte Zeit verschoben. Ein Sprecher verteidigte das Unternehmen laut Agenturberichten mit Unwissen: „Auf den Papieren stand nur ,Endosulfan‚“, sagte er im Hinblick auf eines der entdeckten Pflanzenschutzmittel. „Da stand nicht drauf, dass das giftig war.“

Martinique ist massiv verseucht
Chemikalien, ohne Wissen des Reeders transportiert an Bord einer Personenfähre? Carina Weber, Vorstandsmitglied des internationalen Pestizid Aktions-Netzwerks PAN, ist davon nicht überrascht. „Das ist ein typisches Beispiel, dass hochgefährliche Produkte in vielen Ländern unter völlig untauglichen Bedingungen eingesetzt werden“, sagt Weber, auch Geschäftsführerin der deutschen PAN-Sektion, der unter anderem das renommierte Freiburger Öko-Institut sowie die Umweltschutzorganisationen BUND und Greenpeace angehören. „Das fängt beim Transport an und betrifft die gesamte Existenz eines Produkts: Verpackung, Etikettierung, Lagerung, Einsatz und Entsorgung.“
PAN kann zu allen Punkten Fälle mit tödlichen Folgen nennen: Insektizide, die peruanische Kinder mit Milchpulver verwechselten, weil Hinweise auf den Tüten in Spanisch, nicht aber in ihrer Indio-Sprache verfasst waren. Die massive Verseuchung der französischen Antilleninseln Martinique und Goudeloupe durch das beim Bananenanbau eingesetzte Mittel Chlordecon - Krebserkrankungen und Missbildungen bei Neugeborenen sind laut einem Expertenbericht die Konsequenz, der im französischen Parlament vorgestellt wurde. Oder der unwissende Umgang äthiopischer Dorfbewohner mit den vor sich hinrottenden Altbeständen nicht mehr eingesetzter Pflanzenschutzmittel.
Gesicherte Zahlen über Schäden weltweit gibt es nicht. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzte in den 90er Jahren, dass bis zu 25 Millionen Menschen jährlich durch Pestizide vergiftet werden und 20 000 bis 40 000 daran sterben. „Landarbeiter werden untrainiert und ohne Schutzkleidung auf die Plantagen geschickt“, klagt Carina Weber. Bei vielen Kleinbauern sieht die Lage nicht besser aus, weiß Wolfgang Schimpf von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die vorwiegend im Auftrag des Bundesentwicklungshilfeministeriums arbeitet. „Bauern kaufen Produkte, da steht ein chemischer Name drauf, das war‘s“, sagt Schimpf, der für die GTZ in China und Südamerika Projekte zur sicheren Chemikalienentsorgung leitet. „Die Behälter sind für die Menschen wertvoll, oft werden sie anschließend zum Trinken verwendet - schon ist es passiert.“
„Die Regierungen vieler Staaten haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht“, kritisiert Weber. „Und die Konzerne halten sich nicht an den Verhaltenskodex der FAO.“ Diesen Kodex hatte die Welternährungsorganisation bereits 1985 aufgestellt. Demnach sollen Hersteller Verantwortung für ihre Produkte bis hin zum Endverbraucher übernehmen.
„Selbstverständlich ist der FAO-Kodex die Grundlage unseres Geschäftes“, sagt Elise Kissling, Sprecherin der BASF, des weltweit drittgrößten Produzenten von Pflanzenschutzmitteln. „Ich war erst kürzlich in Nigeria und habe gesehen, wie BASF-Mitarbeiter in die Dörfer gehen. Sie zeigen, wie man die Schutzkleidung anzieht, wie man die Mittel vernünftig auf die Felder bringt, und sie bauen ein sicheres Verkaufsnetz auf.“Außerdem beteilige sich der Konzern an CropLife International, einem Verband der Produzenten, der Schulungen in Entwicklungsländern durchführt, sowie an Container-Management-Programmen zur Entsorgung leerer Behälter und am internationalen Africa Stockpiles Programme, mit dem Zehntausende Tonnen Altlasten beseitigt werden.
Überdies vertreibe die BASF nur noch „eine sehr kleine Anzahl“ an Produkten mit Wirkstoffen, die die WHO als extrem oder hochgefährlich eingestuft hat. Die als Weltmarktführer geltende Bayer Crop-Science AG äußert sich auf Anfrage gar nicht zu einer solchen Zahl. Allerdings steht in ihrem Nachhaltigkeitsbericht, dass nach wie vor für mehrere dieser Produkte „noch keine Alternative verfügbar“ sei. Insgesamt ist man bei Bayer zum gleichen Thema weit weniger gesprächsbereit. Sprecher Utz Klages teilt lediglich mit, dass sich auch Bayer dem FAO-Kodex verpflichtet habe und verweist anschließend auf den Bericht. Dort werden im Wesentlichen die gleichen Maßnahmen wie bei der BASF beschrieben.

„Arbeit im Anzug eine Tortur“
„Die großen Firmen machen das inzwischen gut“, meint Wolfgang Schimpf von der GTZ. Problematischer seien kleine lokale Hersteller, die ihre eigenen Produkte zusammenmischen. Und dennoch findet er wie Carina Weber von PAN, dass die Schulungen „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“ sind. Viel zu groß sei die Zahl derer, die man erreichen müsste, so Weber, und zu hoch oft der Preis für Arbeitskleidung. „Es bleibt zudem die Diskrepanz zwischen Wissen und Tun“, sagt Schimpf. „In den tropischen Regionen zieht sich kaum jemand einen Schutzanzug an. Ich habe in Malaysia selbst mal den Versuch gemacht. Das ist eine Tortur.“
Während Schimpf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln dennoch für notwendig hält, kann es für PAN nur eine Konsequenz geben: „Wir müssen ganz auf Pestizide verzichten“, sagt Weber. Auch der von den UN einberufene Weltagrarrat hat im April die Rückkehr zu traditionellen Anbaumethoden gefordert. PAN hat für mehrere Pflanzen Alternativen veröffentlicht, mit denen zum Beispiel Endosulfan überflüssig werde.
Das im philippinischen Fährwrack entdeckte Insektizid steht derzeit sowieso im Fokus. In Kürze soll entschieden werden, ob der in der EU bereits verbotene Wirkstoff sowohl in die Stockholm- als auch in die Rotterdam-Konvention aufgenommen wird. Erstere verbietet den Einsatz, die zweite legt einen Informationsaustausch beim Handel fest (siehe auch Artikel „Dreckiges Dutzend“). PAN wirft den Produzenten vor, selbst Letzteres verhindern zu wollen. Bei Bayer CropScience will man sich auch dazu nicht äußern.
Öffentlich macht der Konzern hingegen, dass vier andere Produkte auf der „Princess of the Stars“ aus seiner Produktion stammen. Die Ware sei gemäß der philippinischen Vorschriften deklariert gewesen. Wegen der mehr als 7000 Inseln des Landes seien Schiffe „eines der wichtigsten und regulären Transportmittel“, teilt Sprecher Utz Klages mit. Warum Personenfähren dazu gehören, schreibt er nicht. Acht Wochen nach dem Unglück warten die Angehörigen der Opfer noch immer auf die Bergung der „Princess“. Die EU hat äußerste Vorsicht gefordert.
Von unserem Redaktionsmitglied Klaus Becker

[Endosulfan] Pestizide

CBG Redaktion

Presse Information vom 2. Juli 2008
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Fähr-Unglück auf den Philippinen: Bayer-Pestizide an Bord

Tamaron als „hochgefährlich“ eingestuft / Pestizid-Transport auf Fähren verboten

Sprecher von Bayer Philippines haben erstmals eingeräumt, dass sich an Bord der gesunkenen Fähre Princess of the Stars Pestizide von Bayer befanden. Der Transport gefährlicher Agrochemikalien auf Fährschiffen ist in den Philippinen untersagt. Das Unglück am 16. Juni hatte über 800 Menschenleben gefordert.

Die Bergung des gekenterten Schiffs war in der vergangenen Woche unterbrochen worden, nachdem bekannt geworden war, dass sich rund 10 Tonnen des hochgefährlichen Pestizids Endosulfan an Bord befinden. Die Behörden fürchten eine großräumige Meeres-Verseuchung und eine Gefährdung der Taucher. Bayer bietet Endosulfan in zahlreichen Ländern unter dem Handelsnamen Thiodan an. Unklar ist bislang, ob das Endosulfan an Bord der Princess of the Stars von Bayer verkauft wurde. Das Pestizid sollte an Ananas-Plantagen von Del Monte geliefert werden.

Gestern wurde bekannt, dass sich zusätzlich rund 500 kg der Bayer-Pestizide Tamaron, Antracol, Trap und Fuerza an Bord befanden. Besonders risikoreich ist der Wirkstoff von Tamaron (Methamidophos), der von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „hoch gefährlich“ eingestuft wird. Bayer war nach Angaben des philippinischen Senders ABS-CBN Auftraggeber des Transports.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die Begleitumstände des schrecklichen Unglücks auf den Philippinen werfen zahlreiche Fragen auf: Wer wusste davon, dass hochgefährliche Pestizide auf Fährschiffen transportiert werden? War den Pestizid-Herstellern diese illegale Praxis bekannt? Wer ist der Hersteller des an Bord befindlichen Endosulfans? Werden sich die Produzenten an den Bergungskosten beteiligen?“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert den Bayer-Konzern seit langem auf, Ultragifte wie Methamidophos und Endosulfan vom Markt zu nehmen. Bayer hatte bereits im Jahr 1995 angekündigt, alle Wirkstoffe der WHO-Gefahrenklasse I bis zum Jahr 2000 vom Markt zu nehmen, dieses Versprechen jedoch gebrochen. „Eine gefahrlose Anwendung von Pestiziden der höchsten Gefahrenklasse ist in Südostasien prinzipiell nicht möglich. Armut, Analphabetismus und tropisches Klima, das den Einsatz von Schutz-Anzügen nicht erlaubt, tragen dazu bei, dass rund 99% aller Pestizid-Vergiftungen in Entwicklungsländern auftreten“, so Mimkes weiter.

Endosulfan ist in der Bundesrepublik wegen seiner Gefährlichkeit verboten. Unter Auflagen darf ihn der Leverkusener Multi jedoch noch in Länder der „Dritten Welt“ exportieren. Im Juli 2007 hat sich die Europäische Kommission dafür ausgesprochen, das Mittel auf die Liste der Stockholmer Konvention für besonders giftige Substanzen zu setzen und damit sein Verschwinden von allen internationalen Märkten einzuleiten. „Wegen des Potenzials dieser Chemikalien zum weiträumigen Transport in die Umwelt kann ein hohes Schutzniveau für die Umwelt und die menschliche Gesundheit nicht allein durch Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedsstaaten oder der Gemeinschaft gewährleistet werden“, hieß es aus Brüssel zur Begründung.

weitere Informationen:
=> Bericht von ABS-CBN (engl)
=> Kampagne zum Verbot von Klasse I-Pestiziden
=> Pestizid-Vergiftungen auf den Philippinen

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2008 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG schreibt Offenen Brief
In Nordrhein-Westfalen ereigneten sich in diesem Jahr zahlreiche Chemie-Unfälle. In Wülfrath traten aus einem Werk 300 Liter Dicyclopentadien aus und bildeten eine Giftgas-Wolke, in Mönchengladbach entwich aus dem Leck einer Feuerlöschanlage Kohlendioxid, und auch bei BAYER kam es zu einigen Störfällen. In Wuppertal wurde Ammoniak freigesetzt, in Bergkamen gelangte Thionylchlorid ins Freie und in Leverkusen drang aus einer undichten Leitung Chlor. Diese Störfälle haben das Bewusstein für die Gefährlichkeit der vom Chemie-Multi geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline noch einmal geschärft und veranlassten den Landtag, das Thema „Chemie-Unfälle häufen sich - welche Konsequenzen zieht die Landesregierung“ auf ihre Agenda zu setzen. Zu diesem Anlass verfasste die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen Offenen Brief, den sie auch an die TeilnehmerInnen der Ausschuss-Sitzung verteilte. In diesem forderte die CBG unter anderem, den Betrieb der CO-Pipeline nicht zu genehmigen, BAYER zum Verzicht auf die Verwendung von Phosgen bei der Kunststoff-Produktion zu veranlassen, Chemie-Werke nicht länger in der Nähe von dicht besiedelten Gebieten zu dulden und das Personal zur Kontrolle der Anlagensicherheit aufzustocken.

Steinbrück gegen CO-Pipeline
Finanzminister Peer Steinbrück, der bei der nächsten Bundestagswahl im Kreis Mettmann kandidiert, mausert sich zum prominentesten Kritiker der von BAYER geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline. „Dabei geht es nicht um Anti-Industriepolitik, sondern um die Sorge vor dem Umgang mit einem hochgiftigen Stoff. Das darf man nicht einfach arrogant vom Tisch wischen“, sagte der SPD-Politiker. Dafür zog er sich den Groll seiner NRW-GenossInnen und des DGB zu, während der BAYER-Betriebsrat in einem Offenen Brief „größtes Unbehagen“ über seine Position zum Ausdruck brachte. Ende August 2008 kam es in der Sache dann zu einem Gipfeltreffen zwischen BAYER-Chef Werner Wenning und Steinbrück. „Das Gespräch war offen und freundlich, aber ergebnislos“, stellte die SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese fest, „die entscheidenden Fragen nach der Sicherheit, der Gefahrenabwehr und dem Trassenverlauf konnten von BAYER nicht befriedigend beantwortet werden.“

BAYER vs. Menschenrechte

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Die rücksichtslose Vermarktung von gentechnisch manipuliertem Saatgut durch BAYER & Co. in Indien ist ein Fall für den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen geworden. Nach Erhalt eines Berichtes über die Lage der FarmerInnen in dem Land, den die bekannte Gentechik-Gegnerin Vandana Shiva gemeinsam mit Christiane Lüst von GEN-KLAGE verfasst hatte, kam das Gremium zu einem harschen Urteil. „Das Komitee ist (...) besorgt, dass die extreme Armut unter den Kleinbauern, verursacht durch Mangel an Land, Zugang zu Krediten und adäquaten ländlichen Infrastrukturen, durch die Einführung von gentechnisch verändertem Saatgut durch multinationale Konzerne und die dadurch verursachte Preis-Eskalation bei Saatgut, Dünger und Pestiziden (...) verschlimmert wurde“, heißt es in der Stellungnahme des Ausschusses.

BAYER vs. Menschenrechte

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Zum EU-Lateinamerika-Gipfel im peruanischen Lima fanden viele Gegenveranstaltungen statt. In deren Rahmen tagte unter anderem ein von MenschenrechtsaktivistInnen gebildetes Volkstribunal, das die Geschäftspraktiken von BAYER und 23 anderen europäischen Unternehmen verurteilte. Dem Leverkusener Multi machte das Komitee den Prozess, weil der Konzern in Lateinamerika Pestizide vermarktet, ohne auf die vielen AnalphabetInnen Rücksicht zu nehmen, welche die Warnhinweise nicht lesen können. Im Jahre 1999 hatte das in einer Schule zur Verwechslung von Agrochemikalien mit Milchpulver geführt, die 24 Kinder das Leben kostete.

ImkerInnen demonstrieren
Im Frühjahr hat BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO ein massives Bienensterben in Südbaden verursacht. Trotzdem ließ es das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) auf Anraten des Julius-Kühn-Institutes im Juli für Raps und andere Kulturen wieder zu. Aus Protest gegen diese Entscheidung demonstrierten 100 ImkerInnen am 18. Juli 2008 vor den Toren des zum BVL gehörenden Institutes in Braunschweig. Am 14. September 2008 zogen die BienenzüchterInnen dann vor das Minsterium selber.

ImkerInnen: „Entschädigung zu gering!“
BAYER hat den 700 ImkerInnen, deren 11.500 Bienenvölker durch das Saatgutbehandlungsmittel PONCHO erhebliche Verluste erlitten hatten, eine Entschädigung von zwei Millionen Euro angeboten. Der Konzern knüpfte dies aber nach alter Gewohnheit an die Bedingung, auf alle weiteren Ansprüche zu verzichten. Als „Versuch der Erpressung“ wertete das der BIOLAND-Agrarexperte Gerald Wehde. Der „Berufs- und Erwerbsimkerbund bezeichnete die Offerte überdies als zu gering, um den wirtschaftlichen Schaden der BienenzüchterInnen zu kompensieren. Für gerade einmal ein Drittel der Verluste würden die Zahlungen aufkommen, rechnete ein Imker der Frankfurter Rundschau vor. Sollte der Leverkusener Multi es dabei belassen, sieht er für sich keine Zukunft mehr: „Dann bin ich insolvent“.

EU-Debatte zum Bienensterben
Das vom BAYER-Pestizid PONCHO und anderen Ackergiften verursachte Bienensterben hat längst EU-weite Dimensionen angenommen. Darum hat die Luxemburgerische Europa-Abgeordnete Astrid Lulling, die ständige Berichterstatterin über die Lage der Bienenzucht in der Gemeinschaft ist, beantragt, das Thema auf die Tagesordnung des Europäischen Parlamentes zu setzen.

Leserbrief zu Lohnkürzungen
In einem Brief an die Westdeutsche Zeitung machte ein BAYER-Beschäftigter seinem Ärger über die sich permanent verschlechternden Arbeitsbedingungen bei permanent besseren Geschäftszahlen Luft. Er schrieb: „2001 wurde ich (sowie ca. 1.200 Mitarbeiter) in die CHEMION LOGISTIK GmbH ausgegliedert. Bei meist gleicher Tätigkeit (jetzt allerdings als Dienstleister für die BAYER AG) wurde unser Gehalt immer mehr gekürzt. Ich habe 2007 so viel brutto verdient wie zuletzt 1997, und für die nächsten Jahre wurde unser Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen. Da ja bekanntlich alles billiger geworden ist, bin ich stolz darauf, zum erfolgreichsten Jahr der BAYER AG meinen Beitrag geleistet zu haben“.

BUND für Nanotechnik-Kontrolle
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Veränderung von Werkstoffen auf der Mikro-Ebene. BAYER erwartet von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze und entwickelte bisher spezielle Duftkapseln, Folien, Eishockeyschläger und die BAYTUBE-Kohlenstoffröhrchen. Allerdings steckt auch der Teufel im Detail. „Bei vielen unlöslichen Nanomaterialien ist derzeit nicht auszuschließen, dass die inhalative Aufnahme dieser besonders kleinen Partikel am Arbeitsplatz zu Gefährdungen führen kann“, heißt es in dem vom „Verband der Chemischen Industrie“ gemeinsam mit der „Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“ herausgegebenen „Leitfaden für Tätigkeiten mit Nanomaterialien am Arbeitsplatz“. Wegen der Gefahren, die von der Nanotechnik nicht nur für die damit am Arbeitsplatz in Kontakt Kommenden ausgehen, fordert der BUND FÜR UMWELT- UND NATURSCHUTZ DEUTSCHLAND (BUND) gemeinsam mit anderen Verbänden eine wirksamere Kontrolle. „Es ist gut, dass viele Firmen freiwillig etwas tun wollen. Allerdings zeigen Erfahrungen der Vergangenheit, dass freiwillige Vereinbarungen allein nicht reichen (...) Wir brauchen deshalb verpflichtende Sicherheitstests für Nano-Produkte“, heißt es in einer Erklärung der Initiativen.

Unabhängige Risiko-Forschung gefordert
Das GEN-ETHISCHE NETZWERK sieht die EU-Zulassungsverfahren für Genpflanzen als unzureichend an und tritt für grundsätzliche Veränderungen ein. Die Organisation fordert eine Besetzung der Entscheidungsgremien auch mit ExpertInnen von Umweltverbänden und einen von BAYER & Co. finanzierten Topf für eine unabhängige Forschung zum Gefährdungspotenzial der Risikotechnologie. Zudem plädiert die Initiative für eine Beweislast-Umkehr: In Zukunft sollen die Genmultis Belege für die Unbedenklichkeit ihrer Laborfrüchte beibringen statt sich daran abzuarbeiten, Risiko-Studien zu widerlegen.

Gentech-Protest in Indien
In Indien haben 150 LandwirtInnen auf den Spuren von Mahatma Gandhi einen 4.000 Kilometer langen Protestmarsch gegen die Gentechnik durchgeführt, zu deren OrganisatorInnen auch die bekannte Aktivistin Vandana Shiva gehörte.

BUKO gegen mehr Werbefreiheit
„Werbung heißt jetzt Information“, mit dieser Umwidmung wollen BAYER & Co. auf EU-Ebene das Reklameverbot für verschreibungspflichtige Medikamente aufweichen, das den Geschäften nicht eben zuträglich ist. „Dass Patienten in der heutigen Informationsgesellschaft mehr Informationen haben wollen“, macht für Wolfgang Plischke, BAYER-Vorstand und Vorsitzender des „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“, die Aufhebung des Werbeverbotes unumgänglich. Die BUKO-PHARMAKAMPAGNE befürchtet dagegen ein Ansteigen unnötigen Pillen-Konsums und hat eine Initiative für den Erhalt des Werbeverbotes gestartet. „VerbraucherInnen benötigen gerade aufgrund der unübersichtlichen Zahl von Gesundheitsinformationen in den Medien (und besonders im Internet) eine klare Unterscheidung von Werbung und Information. Um eine rationale Entscheidung für die eigene Gesundheit treffen zu können, brauchen sowohl PatientInnen als auch die Öffentlichkeit unabhängige, vergleichende Informationen zum Für und Wider aller Behandlungsmethoden (...) Pharma-Firmen und von ihnen finanzierte Partner können das nicht leisten“, heißt es in einer Stellungnahme von BUKO und anderen Gruppen.

Skater-Tour 2.0
Auch in diesem Jahr unternahmen Adrian Löffler und Dennis Schmid auf ihren Skatebordbrettern wieder eine große Tour gegen Arbeitsplatzvernichtung und Jugendarbeitslosigkeit bei BAYER und anderswo. Los ging es am 25. Juli am Stammsitz des Multis in Leverkusen. In 12 Etappen führte der Trip bis nach Berlin, wo sie dem Bundestagsdirektor Dr. Hans-Joachim Stelzl die unterwegs gesammelten Protest-Unterschriften übergaben.

Bisphenol-Entscheidung kritisiert
Unlängst hat die kanadische Regierung die Chemikalie Bisphenol A als „gefährliche Substanz“ klassifiziert und risikoreiche Anwendungen wie z. B. in Babyflaschen verboten (SWB 2/08). Die Entscheidung erfolgte auf der Grundlage der Auswertung von 150 Studien. Diese wiesen eine hormon-ähnliche Wirkung des Stoffes nach, was zu Unfruchtbarkeit, Sexualstörungen, Nervenschäden und Krebs führen kann. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) focht das allerdings nicht an. Sie veröffentlichte ein neues Gutachten, wonach Bisphenol A keine Gesundheitsschäden verursacht, weil der Organismus es schnell abbaut. Diese Expertise stieß jedoch in der wissenschaftlichen Gemeinschaft sogleich auf Kritik. „Die Grundannahme der Behörde ist schlicht falsch. Die Substanz wird von der Schwangeren ans Kind weitergegeben“, sagt der Toxikologe Gilbert Schönfelder. Gemeinsam mit Andreas Gies vom Umweltbundesamt und Ibrahim Chahoud von der Berliner Charité schrieb er deshalb einen Brief an die EFSA mit der Aufforderung, ihre Bisphenol-Einschätzung zu überprüfen.

KAPITAL & ARBEIT

Technische Dienste ausgegliedert
Im April 2008 machte der Leverkusener Multi seine Ankündigung wahr und gliederte im Zuge der Umstrukturierungen bei BAYER INDUSTRY SERVICES die Technischen Dienste aus. Diese firmieren nunmehr unter dem Namen TECTRION als formal eigenständiges Unternehmen. Ein Verkauf steht - vorerst - nicht an, dafür mussten die Beschäftigten aber Lohneinbußen und schlechtere Arbeitsbedingungen hinnehmen.

Verschlechterungen bei BTS
BAYER tritt seinen ausgegliederten Tochter-Gesellschaften gegenüber wie eine Fremdfirma auf, die Forderungen stellt. Dieser Druck wirkt sich auch auf die Arbeitsbedingungen aus. So hat BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS) 2005 die 40-Stunden-Woche wieder eingeführt und zahlt seither auch unter Tarif - Öffnungsklauseln machen ‘s möglich. Und weil das Finanzergebnis immer „noch nicht die Verpflichtungen der Gesellschaft gegenüber dem Konzern“ abdeckt, wie der Betriebsrat es formulierte, überstanden die Sonderregelungen auch die letzte Tarifrunde.

Nur noch 800 Ausbildungsplätze
Die Zahl der Ausbildungsplätze beim Leverkusener Multi ist in den letzten 18 Jahren um die Hälfte zurückgegangen. Gab es 1990 in den Werken der BAYER AG noch 1.600 neue Lehrlinge, so will der Konzern ihre Anzahl in diesem Jahr auf 800 reduzieren. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE spricht sogar von lediglich 630 Stellen. Als kleines Trostpflaster finanziert das Unternehmen bei der auf Sparkurs gesetzten Tochter CURRENTA, an der es 60 Prozent der Anteile hält, 60 Lehrstellen. Damit gehen bei der einstigen BAYER INDUSTRY SERVICES (BIS) „nur noch“ 40 Stellen verloren.

Billige MitarbeiterInnen-Ideen
Der Leverkusener Multi bedient sich recht unverschämt am Wissenspool seiner MitarbeiterInnen. Die 9.249 Verbesserungsvorschläge aus deren Reihen sparten dem Konzern allein im ersten Jahr ihrer Realisierung Kosten in Höhe von 8,1 Millionen Euro ein - an Prämien für die Ideen schüttete BAYER jedoch nur 2,4 Millionen Euro aus.

BAYER löst „interne Transporte“ auf
BAYER SCHERING strukturiert im Bergkamener Werk heftig um. 879 der ursprünglich 2.229 Arbeitsplätze hat der Konzern seit 2004 bereits vernichtet, aber die Rationalisierungsmaßnahmen gehen immer noch weiter. Nach Meinung des BAYER-Managers Franz-Josef Renneke muss nämlich weiter an einer verbesserten Stellung des Unternehmens auf dem Weltmarkt gearbeitet werden. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese nun die Abteilung „interne Transporte“ aufgelöst und die Aufgaben einer Fremdfirma übertragen. Den bislang dort Beschäftigten hat BAYER andere Stellen im Unternehmen angeboten.

BAYER liest mit
Der Leverkusener Multi hat 2005 die Nutzung des Internets für private Zwecke untersagt. Zur Kontrolle protokolliert der Konzern alle E-Mails seiner Beschäftigten und wertet diese stichprobenartig aus. Einem Belegschaftsangehörigen präsentierte das Unternehmen nach Aussage des Betriebsrats unlängst belastenden Schriftverkehr, der bis ins Jahr 2001 zurückreichte.

Weniger Sterbegeld
Die BAYER-Beistandskasse hat Kürzungen beim Sterbegeld, das durchschnittlich ca. 6.000 Euro beträgt, vorgenommen. Die Abschläge können bis zu 2.000 Euro - also ein Drittel der Summe - betragen. Noch dazu fällte die Mitgliederversammlung diesen Beschluss faktisch ohne die Mitglieder, diese setzte der Vorstand nämlich nicht über den brisanten Tagesordnungspunkt in Kenntnis. So nahmen nur 26 Personen an der einstündigen Sitzung teil, die für die rund 90.000 Versicherten den Gewinnzuschlag in Höhe von 25 Prozent strich. „Bei diesem Vorgehen liegt der Verdacht schon nahe, dass es sich um Kalkül und nicht nur um eine Unbedachtsamkeit handelte“, kommentierte der Kölner Stadtanzeiger. Dem Vorstandsvorsitzenden Lutz Cardinal von Widdern zufolge hat die Kasse wegen der geringeren Erlöse auf dem Kapitalmarkt, der Notwendigkeit zu einer verstärkten Risikovorsorge und der zurückgehenden Beiträge aufgrund der überalterten Mitgliederstruktur keine andere Wahl. Die Betroffenen reagierten empört. Sie sammelten Protestunterschriften und stellten zur Mitgliederversammlung zahllose Gegenanträge. Nahmen daran sonst immer nur 30 bis 40 Personen teil, so wollten diesmal 1.000 Menschen dabei sein - zu viel für den Leverkusener Bürgersaal. Die Beistandskasse musste die Zusammenkunft abbrechen und nach einem Versammlungsort mit größerem Fassungsvermögen Ausschau halten. Sie wich schließlich auf die Rheinparkhallen der Kölner Messe aus. Dorthin strömten am 20. 8. 08 über 2.000 Menschen. „Der - verglichen mit der sonst beschaulichen Abnick-Veranstaltung - geradezu dramatische Ablauf der Veranstaltung“, wie der Leverkusener Anzeiger schrieb, wurde von den wütenden Mitgliedern bestimmt. So reichten diese 237 Änderungsanträge ein. Aber die Vorständler blieben bei ihrer Entscheidung. Zur Begründung führte Finanzchef Stefan Nellshen aus, dass die Leistungen der Beistandskasse „ein Versicherungsprodukt sind und kein Sparbuch“. Allerdings erreichten die ProtestlerInnen Satzungsänderungen. Künftig hat der Vorstand die Mitglieder detaillierter über seine Politik zu informieren und bei Versammlungen auch VertreterInnen der Mitglieder zu akzeptieren.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYERs Familienplanung
Mächtige Institutionen wie das „Population Council“ von John Rockefeller III haben nach dem Zweiten Weltkrieg viel Geld in die Entwicklung von Verhütungsmitteln investiert. Sie verfolgten damit weniger das Ziel, die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen zu stärken, als vielmehr Bevölkerungspolitik zu betreiben. „Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson. BAYER SCHERING PHARMA profitiert von dieser Politik. Der Konzern engagiert sich seit jeher stark im „gigantischen Fruchtbarkeitsmarkt“ Dritte Welt und kann das lukrative Geschäft zudem als Entwicklungshilfe deklarieren. „Bewusste Familienplanung ist ein wichtiger Faktor bei der Förderung sozialen und ökonomischen Fortschrittes“, bekundete der Pharma-Multi anlässig des letzten Deals. Er lieferte der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID im August 2008 Pillen für acht Millionen Frauen und gab dabei netterweise etwas Mengenrabatt.

POLITIK & EINFLUSS

BAYERs Kriegsplanungen
BAYER & Co. bereitet die Energieversorgung bei knapper werdenden Ressourcen große Sorgen. Zur Sicherung des Zugriffs auf Gas und Öl sind sie nach Informationen von german-foreign-policy.com sogar bereit, bis zum Äußersten zu gehen. So haben VertreterInnen des Leverkusener Multis gemeinsam mit Emissären von EADS, und DEUTSCHER BAHN AG sowie Bundeswehr-Angehörigen und MitarbeiterInnen des Bundeskriminalamts unter der Ägide der „Bundeakademie für Sicherheitspolitik“ (BAKS) einen „Handlungskatalog“ für die Bundesregierung erstellt, der eine „drohende bewaffnete Auseinandersetzung“ mit Russland und China um deren Reserven herbeischreibt. Bei der Arbeit ließen sich die „fachlich kompetente(n) Führungskräfte“ von ExpertInnen inspirieren, die sich bei der BAKS über „zu viel Frieden in Deutschland“ beklagten und „den letzten Schritt zur Normalisierung“ einforderten - und zwar „bei einsatzbereitem vollem Instrumentarium einer souveränen Nation“.

Büssow bei BAYER
Trotz einer umfassenden Reduzierung der Sportförderung unterstützt der Agro-Riese den exquisiten „Luftsportclub BAYER Leverkusen“ weiterhin. Dieser konnte kürzlich ein prominenten Gast begrüßen: den Regierungspräsidenten Jürgen Büssow. Zum Dank für sein beherztes Engagement in Sachen „Kohlenmonoxid-Pipeline“ durfte BAYER-Büttel Büssow einen kleinen Rundflug im Segelflugzeug unternehmen.

Pinkwart bei BAYER
Zu den politischen Hauptzielen von NRWs „Innovationsminister“ Andreas Pinkwart (FDP) gehört es, Wirtschaft und Wissenschaft noch enger miteinander zu verzahnen, weshalb er auch die neue Kooperation zwischen BAYER und der Kölner Universitätsklinik (SWB 3/08) als „großen Gewinn für die Arzneimittelforschung in Nordrhein-Westfalen“ pries. Ende Juni 2008 unternahm der FDP-Politiker mit bundesdeutschen HochschulvertreterInnen im Schlepptau eine Bildungsreise ins Nordrhein-Westfalen durch ein Partnerschaftsabkommen verbundene Pennsylvania, um dort Feldstudien in Sachen „Profitforschung“ zu betreiben. Dabei war natürlich die BAYER-Niederlassung in Pittsburgh ein dankbares Untersuchungsobjekt.

Böhmer bei BAYER
Zur feierlichen Inbetriebnahme der BAYER-Pilotanlage zur Produktion von Pharma-Stoffen mit Hilfe von Tabakpflanzen (siehe DRUGS & PILLS) kam auch der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) nach Halle und geriet ins Schwärmen. „Ich finde das wirklich beeindruckend. So etwas hätte ich mir nicht ausmalen können. Das könnte eine Technologie sein, die weltweit wichtig wird“, sagte er, obwohl sich erst in ca. zehn Jahren herausstellen dürfte, ob aus dem Tabak eine therapeutisch sinnvolle Arznei ohne Risiken und Nebenwirkungen erwachsen ist.

FDP bei BAYER
Der Vorstand des FDP-Kreisverbandes Unna stattete dem Bergkamer Werk des Pharma-Riesen einen Besuch ab und zeigte sich laut Westfälischer Rundschau erfreut über die hohe Auslastung und die wichtige Rolle, welche die ehemalige SCHERING-Niederlassung auch für den Neubesitzer BAYER spiele. Etwas mehr Wissen hätte die heitere Miene der Liberalen allerdings verdunkeln können, denn der Leverkusener Multi vernichtete in Bergkamen bereits 700 Arbeitsplätze und führt zudem noch weitere Rationalisierungsmaßnahmen durch (siehe KAPITAL & ARBEIT).

Diehl neuer FNL-Vorsitzender
Der BAYER-CROPSCIENCE-Manager Hans-Josef Diehl hat den Vorsitz der „Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft“ (FNL) übernommen. Der Lobbyclub desinformiert „über die vielfältigen Leistungen der Landwirtschaft von heute“ im Allgemeinen und über „die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft“ im Besonderen.

Neuer Aufsichtsratsposten für Wenning
BAYER-Chef Werner Wenning eifert seinem Vorgänger Manfred Schneider bei der Jagd nach Aufsichtsratsposten nach. Bislang ist Schneider mit sechs Mandaten (BAYER, ALLIANZ, LINDE, DAIMLER, RWE und TUI) noch ungekrönter König der Deutschland AG, aber Wenning holt auf. Neben seinen Aufsichtsratsmitgliedschaften bei HENKEL, EON und EVONIK hat er jüngst noch eine bei der DEUTSCHEN BANK ergattert, deren Beraterkreis er seit langem vorsitzt.

Neue Pipeline-Strategie
Die Kritik an der von BAYER geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline wächst nicht zuletzt durch die vielen Chemie-Unfälle in Nordrhein-Westfalen beständig. Der Leverkusener Multi will sich das Projekt deshalb noch einmal offiziell durch den Landtag absegnen lassen. „Wir gehen davon aus, dass sich die Parteien und die Fraktionen des Landtages anschließend noch einmal mit dem Vorhaben befassen. Das parlamentarische Votum wird dann für uns den weiteren Weg weisen“, so ein Konzern-Sprecher.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYERs brennpunkt-gesundheitswesen.de
brennpunkt-gesundheitswesen.de heißt die Website ganz unverfänglich, auf der ein Hauptverantwortlicher der Ärzte-Zeitung seine Meinung zu Gemeinschaftspraxen kundtut. Nur im Kleingedruckten steht: „Brennpunkt-Gesundheitswesen ist ein Service der BAYER VITAL GmbH“. Und der dient offensichtlich dazu, sich die Zielgruppe „MedizinerInnen“ noch besser zu erschließen und die Beziehung zu derem einflussreichen Fachorgan Ärzte-Zeitung zu optimieren. Viel lässt diese nicht mehr zu wünschen übrig. So pries das Blatt die Test-Ergebnisse von BAYERs Parkinson-Mittel SPHERAMINE in den höchsten Tönen und lehnte es ab, einen Leserbrief der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zu den Zwischenfällen bei der klinischen Erprobung der Präparats zu veröffentlichen, dessen Entwicklung der Pharma-Multi kürzlich stoppte (siehe DRUGS & PILLS).

Heiner Springer in Rente
BAYERs Propagandaminister Heiner Springer ist in den unverdienten Ruhestand gegangen und hat seinen Posten an Michael Schade abgetreten. 22 Jahre lang übte er beflissen sein Amt als oberster Schönfärber aus. „Man muss erkennen, dass die Funktion eine dienende ist“, so seine Berufsauffassung. Zu seinem Job gehörte es auch, sich die Konzern-Kritik der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN vorzuknöpfen. So schrieb er in der Konzern-Postille direkt unter der Überschrift „Nur meckern ist einfach zu wenig“: „Wenn wir sehen, wie eine Gruppe namens ‚COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN‘ gegen das Unternehmen agitiert - und das seit fast 30 Jahren - , dann muss man sich die Frage stellen: Was ist das wirkliche Ziel dieser Menschen, die ja mit Aktien unseres Unternehmens ausgestattet sind. Dividende wird also kassiert ... Klar ist für mich: Sie sind gegen unser Gesellschaftssystem, gegen das so genannte ‚Groß-Kapital‘“.

BAYER gibt Berlin „Denkanstöße“
„Denkanstöße für Berlin“ meint BAYER SCHERING PHARMA geben zu können und veranstaltete unter diesem Label eine Podiumsdiskussion zum Thema „Kinder in Berlin - Frust, Last oder Lust?“. Aber der Konzern schwang sich nicht nur zum Politikberater auf, er tat auch was, denn der Multi hat das „social sponsoring“ für sich entdeckt: Zum Abschluss der Veranstaltung gab es eine milde Gabe für das Kinderhilfsprojekt „Arche“.

Spendable Bildungsstiftung
Den Leverkusener Multi kommt seine Spendentätigkeit jetzt noch billiger, denn das im letzten Jahr verabschiedete Gesetz zur Stärkung bürgerschaftlichen Engagements lockt mit erheblichen Steuernachlässen. Also hat der Konzern für sein Engagement im Bildungsbereich flugs die 10 Millionen Euro schwere Stiftung „BAYER Science & Education Foundation“ gegründet, die in letzter Zeit 21 Schulen von Berlin über Krefeld, Köln, Neuzelle, Leichlingen und Solingen bis Kromsdorf förderte. Dabei beschränkte der Konzern sich jeweils auf den naturwissenschaftlichen Bereich, „denn ein Land, das das wie Deutschland über keine reichen Bodenschätze verfügt, ist in seiner wirtschaftlichen Entwicklung vordringlich auf die geistige Kreativität angewiesen“, so BAYERs Oberkommunikator Michael Schade zur nicht gerade uneigennützigen Motivation der Bildungsoffensive des Unternehmens.

BAYER fördert Ehrenämter
Im Zuge der Steuererleichterungen für bürgerschaftliches Engagement (s. o.) hat BAYER mit der „BAYER Cares Foundation“ eine weitere Stiftung gegründet, die Ehrenamtsprojekte fördert. So schließt sich dann der Kreis der neoliberalen Sozialpolitik: Private Unternehmen sponsoren private Initiativen.

BAYER zeigt Pillen-Ausstellung
Der Leverkusener Multi klinkte sich in die Berliner „Science Tunnel“-Ausstellung der Max-Planck-Gesellschaft ein und absolvierte dort mit der Sonderschau „Vom Molekül zum Medikament“ einen Werbeauftritt.

BAYER erhält BDI-Umweltpreis
Chlor ist eine der gefährlichsten Chemikalien überhaupt. Das stört BAYER jedoch nicht. Der Konzern unternimmt keine Anstrengungen, chlorfreie Produktionsverfahren zu entwickeln und investiert auch nicht ausreichend in die Sicherheit seiner Anlagen - erst im April trat am Standort Leverkusen Chlor aus (siehe UNFÄLLE & KATASTROPHEN). Den Leverkusener Multi behagt am Chlor nur eines nicht: die energie-intensive Herstellung, die für 40 Prozent der Stromkosten des Unternehmens verantwortlich ist. Deshalb forschte der Agro-Riese nach Alternativen und ersann eine stromsparendere Fertigung. Dafür erhielt BAYER jetzt den Umweltpreis des „Bundesverbandes der Deutschen Industrie“ (BDI).

Wenning kriegt den Moralischen
BAYER-Chef Werner Wenning hat im Juni 2008 den „John J. McCloy Award“ für „seine Leistungen zur Förderung transatlantischer Synergien im Allgemeinen und seine innovativen Ansätze zur Lösung weltweiter Gesundheitsfragen im Besonderen“, wie es in der Begründung der Jury heißt, verliehen bekommen. Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher vergab die Auszeichnung; Henry Kissinger und „mehr als 500 führende Persönlichkeiten der deutschen und amerikanischen Politik und Wirtschaft“ (direkt) zählten zu den Gästen. Denen bot Wenning in seiner Dankesrede Besinnliches. Er widmete sich darin der „Good Corporate Citizenship“ und erläuterte: „Damit ist ein ganzheitliches Verantwortungsbewusstsein gemeint, das über die Erwirtschaftung angemessener Renditen hinausgeht“, bevor er dann mit Ethik, Moral, Nachhaltigkeit etc. pp noch tiefer in die praktische Unternehmensphilosophie einstieg.

Neuer Kinderdiabetes-Preis
BAYER hat sich etwas Neues ausgedacht, um sich die PatientInnen-Gruppe der JungdiabetikerInnen besser zu erschließen. Das Unternehmen stiftet den Preis „Fine Star“. Diesen können alle erringen, die in irgendeiner Form mit der Betreuung von kleinen Blutzuckerkranken befasst sind und eine ausreichend große Zielgruppe aufbieten: Kliniken, Schulen, OrganisatorInnen von Ferienfreizeiten oder FamilienbetreuerInnen. „Machen auch Sie mit - den Kindern zuliebe!“, fordert der Pharma-Riese in der Ausschreibung auf.

DRUGS & PILLS

337 AVELOX-Tote
Die Gefährlichkeit von Antibiotika, die zur Gruppe der Fluoroquinolone gehören, hat Geschädigte in den USA zur Gründung der Selbsthilfegruppe FLUOROQUINOLONE TOXICITY RESEARCH FOUNDATION bewogen. Die Gruppe wälzte die medizinischen Unterlagen und dokumentierte unter anderem die Risiken und Nebenwirkungen des BAYER-Präparats AVELOX von November 1997 bis Juni 2007. Das Resultat ist erschreckend: In dem untersuchten Zeitraum kam es zu 337 Todesfällen durch AVELOX und zu über 30.000 Gegenanzeigen.

Anwendungsbeschränkung für AVELOX
Die Nebenwirkung „Leberschädigung“ des BAYER-Antibiotikums AVELOX (Wirkstoff: Moxifloxacin) hat die Europäische Arzneimittelbehörde EMEA bewogen, eine Anwendungsbeschränkung zu empfehlen. Nach Meinung der ExpertInnen sollten die MedizinerInnen das Mittel bei den Indikationen „Bronchitis“, „Lungenentzündung“ und „Nebenhöhlenentzündung“ nur noch verschreiben, wenn andere Antibiotika versagen.

Sehnenschäden durch CIPROBAY
BAYERs CIPROBAY, das nur geringfügig veränderte Nachfolge-Präparat AVELOX und andere Antibiotika auf Fluorchinolone-Basis können Sehnenschäden verursachen. In dem Zeitraum von 1997 bis 2005 meldeten MedizinerInnen der US-Gesundheitsbehörde FDA 262 Fälle von Sehnenrissen. Trotzdem musste die Gesundheitsinitiative PUBLIC CITIZEN der FDA erst mit einer Klage drohen, bis diese sich zum Handeln entschloss. Sie verpflichtete BAYER & Co., auf den Packungen wegen der „Archillesferse“ der Präparate so genannte „black-box“-Hinweise - Warnungen der höchsten Dringlichkeitsstufe - anzubringen.

Tod durch YASMIN
BAYER vermarktet seine Antibaby-Pillen auch als Lifestyle-Präparat zur Behandlung von Pickeln und Hautunreinheiten. Dies wurde der 24-jährigen Australierin Tanja Hayes zum Verhängnis. Sie litt stark unter Akne und behandelte diese mit dem Medikament ROACCUTANE. Da bei Schwangerschaften von ROACCUTANE-Patientinnen das Risiko steigt, Kinder mit Missbildungen zu gebären, erhielt Tanja Hayes den Rat, Verhütungsmittel einzunehmen, die sich zudem auch positiv auf ihre Hautkrankheit auswirken würden. Dreieinhalb Monate lang verwendete die Studentin dann BAYERs YASMIN, bevor sie unter Atemnot zu leiden begann und einen trockenen Husten bekam. Zwei Wochen später brach sie auf einem Parkplatz tot zusammen. Die Diagnose lautete Lungenembolie durch verdicktes Blut, „verursacht durch Faktoren, die mit der Einnahme von Verhütungsmitteln zusammenhängen“, wie der Notfall-Mediziner Graeme Thomson konstatierte. „Atemlosigkeit“ zählt zu den auf den YASMIN-Packungsbeilagen aufgezählten Gegenanzeigen, weshalb eine BAYER-Sprecherin dann auch zusagte, die Umstände des Todes von Tanja Hayes umgehend genauer zu untersuchen. Bislang gingen den australischen Gesundheitsbehörden seit 2003 56 Meldungen über schwere Nebenwirkungen durch YASMIN ein, das gemeinsam mit den ebenfalls zur Produktfamilie gehörenden Verhütungsmitteln YAZ und YASMINELLE BAYERs Bestseller auf dem Pharma-Markt ist. Über eine Milliarde Euro Umsatz brachten YASMIN & Co. im Geschäftsjahr 2007 ein.

AUS für SPHERAMINE
Im Jahr 2005 kam es bei der Erprobung des Parkinson-Präparats SPHERAMINE zu schweren Zwischenfällen (SWB 1/08). Die per gehirnchirugischem Eingriff implantierten Zellen zur Dopamin-Produktion verursachten bei den ProbandInnen Verwirrtheitszustände, Depressionen bis zu Selbsttötungsversuchen, Lähmungserscheinungen, Sprachausfälle, epileptische Anfälle, Hirnblutungen, Asthma und andere körperliche oder geistige Beeinträchtigungen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) setzte das Thema deshalb auf die Tagesordnung der letzten Hauptversammlung und forderte einen Stopp der Versuche. Aber BAYER wollte von den Gefahren nichts wissen. „Es ist nicht erwiesen, ob die bei den Patienten beobachteten Symptome in Zusammenhang mit SPHERAMINE stehen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning und pries „Verbesserungen um 50 Prozent“ bei den Krankheitsverläufen. Fünf Wochen später sah das alles jedoch etwas anders aus. Nach einer erneuten Testreihe, welche die TeilnehmerInnen wieder einigen „Risiken und Nebenwirkungen“ ausgesetzt haben dürfte, brach der Pharma-Riese alle Studien mit dem Präparat ab.

Zulassungserweiterung für ZEVALIN
Die Europäische Arzneimittelbehörde EMEA hat das Anwendungsspektrum für das BAYER-Medikament ZEVALIN erweitert. Durften MedizinerInnen das Mittel bislang nur zur Behandlung des Lymphdrüsen-Krebses einsetzen, wenn die Chemotherapie versagt hatte, so können diese es nun auch nach einer erfolgreichen Bestrahlung verschreiben.

RIVAROXABAN im Hintertreffen
Bei der Entwicklung neuer Medikamente zur Thrombose-Behandlung lieferte sich BAYER ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit BOEHRINGER - und zog den Kürzeren. Bevor der Leverkusener Multi sein Produkt RIVAROXABAN, von dem er einen Umsatz von zwei Milliarden Euro im Jahr erwartet, auf den Markt werfen konnte, erhielt BOEHRINGER die Zulassung für PRADAXA.

Noch ‘ne LEVITRA-Studie
Unermüdlich wirft BAYER Studien auf den Markt, welche die „Erektile Dysfunktion“ als Krankheit etablieren sollen, die sich immer stärker ausbreitet, um den Absatz des hauseigenen Potenzmittel LEVITRA zu steigern. Nach der neuesten Expertise leiden angeblich bereits 50 Prozent aller Männer zwischen 40 und 70 an den Symptomen. Als neuen Auslöser haben die AuftragsforscherInnen nun Stress bei der Arbeit ausgemacht, der angeblich bei 20 Prozent des „starken Geschlechts“ zu Störungen der Sexualfunktionen führt.

ZETIA erhöht Krebsgefahr
Seit Juni 2007 vermarktet BAYER den Cholesterinsenker ZETIA (Wirkstoff: Ezetimib) gemeinsam mit SCHERING-PLOUGH in Japan. Das Mittel hat es allerdings in sich. Es schädigt nicht nur die Leber (Ticker 1/08), das Präparat erhöht auch das Krebsrisiko. Das hat jetzt eine neue Studie ergeben, die das Fachorgan New England Journal of Medicine veröffentlichte. 11,1 Prozent der ProbantInnen in der Ezetimib-Gruppe erkrankten an Krebs, während die Zahl in der Kontrollgruppe bei nur 7,5 Prozent lag. Zudem hat die Arznei die Verkalkung des Herzventils nicht verhindern können. Die Faz resümiert deshalb: „Nicht nur die Sicherheit, auch der Nutzen von Ezetimib steht weiterhin in den Sternen. Zumindest gibt es bislang keine überzeugenden Belege, dass die Anwendung des neuen Cholesterinsenkers dem Patienten einen nennenswerten gesundheitlichen Vorteil bringt“.

NEXAVAR zu teuer
Das britische Pendant zum bundesdeutschen „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“, die Sondergesundheitsbehörde NICE, hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs zur Behandlung von fortgeschrittenem Nierenkrebs zugelassener Arznei NEXAVAR vorgenommen und kam zu einem negativen Ergebnis. Die Kosten ständen nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen, urteilte das NICE und riet von einer Verwendung ab.

Plischke für Beobachtungsstudien
ExpertInnen halten 80 Prozent der in ÄrztInnen-Praxen durchgeführten Beobachtungsstudien mit Arzneien für wertlos. Sie dienen dann auch weniger wissenschaftlichen als vielmehr Vermarktungszwecken. Die Pharma-Multis zahlen den MedizinerInnen Geld, wenn diese ihre PatientInnen auf ein firmen-eigenes Medikament umstellen und dazu pro forma einige Angaben zur Verträglichkeit machen. Für die ÄrztInnen lohnt sich das Ausfüllen der Fragebögen allerdings sehr. So war BAYER einst das Akquirieren von fünf neuen KundInnen für den als Mittel zweiter Wahl geltenden Blutdrucksenker BAYOTENSIN schon mal 375 Euro wert, denn diese Investition zahlt sich auf lange Sicht aus. Kein Wunder, dass BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke, der im Nebenberuf auch Vorsitzender des vom Leverkusener Multi gegründeten Lobby-Clubs „Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller“ ist, das Vorgehen der Pillen-Produzenten verteidigt. „Ich halte Anwendungsbeobachtungen allerdings für sinnvoll, da sie uns Langzeitdaten über die Wirkung von Medikamenten in die Hand geben, die wir aus den Zulassungsstudien nicht bekommen“, teilte er der Wirtschaftswoche mit.

Selbsthilfegruppen: Wer bekommt was?
Der Leverkusener Multi hat sich entschlossen, seine Geldzuwendungen an Selbsthilfegruppen transparent zu machen. So erhält die „Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft“ 2008 für Forschungsaktivitäten 115.000 Euro und zur Unterstützung bei der Erstellung eines MS-Registers 70.000 Euro. Die „Deutsche Leukämie- und Lymphom-Hilfe bekommt 10 - 12.000 Euro. Das „Lebenshaus Nierenkrebs“ kann sich über 50.000 Euro für seinen PatientInnen-Ratgeber und seine Infobriefe freuen. Die „Deutsche Hämophilie-Gesellschaft“ ist durch BAYER um 35.000 Euro reicher. Die „Interessengemeinschaft Hämophiler“ streicht 27.000 Euro ein und der Verein „Pulmonale Hypertonie“ 180.000 Euro. Dabei schlägt allein die Mitfinanzierung von Ambulanz-Schwestern an Zentren zur Behandlung dieser speziellen Lungenkrankheit mit 120.000 Euro zu Buche.

Kaum Verhütungsmittelforschung
Die auf der Basis von Hormonen hergestellten Verhütungsmittel haben zahlreiche Nebenwirkungen. Diese reichen von Thrombosen und Embolien über Schlaganfälle und Herzinfarkte bis zu Depressionen und Krebs. Trotzdem läuft die Suche nach Alternativen bei BAYER auf Sparflamme. „Wir werden die laufenden Forschungsprojekte voranbringen, aber wir wollen nicht mehr nach komplett neuen Mechanismen suchen“, so der BAYER-SCHERING-Forschungschef Andreas Busch.

„Prädiabetes“ macht Fortschritte
Es gibt doch noch BAYER-Schöpfungen, die ihren Weg machen wie etwa „Prädiabetes“. Von dieser Krankheit, die der Leverkusener Multi erst im letzten Jahr erfunden hat, sind allein in Sachsen bereits 500.000 Personen befallen. Dies ist jedenfalls die - bestimmt nicht ganz kostenfreie - Meinung des an der Dresdener Universitätsklinik tätigen Dr. Peter Schwarz. Zum Glück hält der Pharma-Riese für die neue Menschheitsplage auch schon das passende Medikament bereit: das gute, alte GLUCOBAY mit dem Wirkstoff Acarbose. Laut BAYER report ist das Mittel, das nicht einmal bei richtigen DiabetikerInnen seinen Dienst tut, weshalb der Pharmakologe Gerd Glaeske es „gerade mal so wirksam wie Müsli“ nennt, bereits in 25 Ländern zur Behandlung der ominösen Vorstufe der Blutzucker-Krankheit zugelassen.

„BioPharm-America“ trifft sich
In Atlanta fand vom 9. bis zum 10. September 2008 die „BioPharm-America“-Konferenz statt, an der auch VertreterInnen von BAYER teilnahmen. Neben der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen zwischen den Pharma-Multis und kleineren Biotech-Firmen standen unter anderem Themen wie „Arznei-Forschung mit Hilfe von Private Equity-Kapital“ und „Das ABC des Lizenzerwerbs“ auf dem Programm.

BAYER investiert in Krebs-Arzneien
Der Leverkusener Multi baut seine ONKOLOGIE-Sparte aus. Für 52 Millionen Euro hat er die Krebsforschungssparte des Pharma-Konzerns NYCOMED gekauft.

Arzneien aus Tabakpflanzen
Vor zwei Jahren hat der Leverkusener Multi das Münchner Biotech-Unternehmen ICON GENETICS erworben, das eine Technik zur Umwandlung von Tabakpflanzen in kleine Arzneistoff-Fabriken entwickelt hatte. Jetzt nahm der Konzern die Pilotanlage in Betrieb. Bei dem Verfahren zur Herstellung eines Antikörper-Impfstoffes zur Behandlung eines Lymphsystem-Krebses tauchen die PharmakologInnen die Tabakpflanzen in ein Bakterien-Bad, wodurch sich das Antikörper-Erbgut überträgt und seine Arbeit in der Botanik aufnimmt. „Die Pflanzen produzieren innerhalb kürzester Zeit die gewünschten Wirkstoffe“, frohlockt BAYER-Manager Yuri Gleba. Ob diese vielleicht auch noch Unerwünschteres produzieren, ob der Pharmastoff wirklich rein ist und bei den PatientInnen anschlägt, all das stellt sich allerdings erst in ca. zehn Jahren heraus. Überdies erhebt der Ingenieur Günter M. Pruss Anspruch auf die Erfindung (siehe RECHT & UNBILLIG).

BAYER entwickelt Alzheimer-Marker
Die Universität von Nagasaki hat ein Verfahren entwickelt, das Eiweißablagerungen im Gehirn mittels eines radioaktiven Markers visuell darstellen und so angeblich zur Früherkennung von Alzheimer dienen kann. BAYER hat sich durch einen Vertrag mit der japanischen Hochschule die Exklusivrechte an dieser Technologie gesichert.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

PONCHO wieder im Handel
BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin hat im Frühjahr zu einem großen Bienensterben geführt. 11.500 Bienenvölker von 700 ImkerInnen rund um die südbadischen Maisfelder waren betroffen. Nach einigem Hin und Her entschloss sich das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ deshalb, das Mittel vom Markt zu nehmen. Aber Ende Juli 2008 war es wieder da: Die Seehofer-Behörde gab grünes Licht für PONCHO-Raps und übernahm zur Begründung die BAYER-Argumentation, nicht das Gift an sich hätte zum Tod der Bienen geführt, sondern Saatgut-Produktionsfehler sowie Sämaschinen mit zu hohen Streuverlusten. „Eine Bundesbehörde darf vor dem massiven Lobbydruck der Hersteller nicht einknicken“, kritisierte der NATURSCHUTZSCHUTZBUND-Geschäftsführer Leif Müller die Entscheidung, „Wenn nun das Gift wieder ausgebracht werden darf, dürfte das nächste Massensterben nur eine Frage der Zeit sein“. BAYER ficht das nicht an. Der Konzern will seinen Mega-Seller komplett rehabilitieren. „Wir arbeiten daran, die Zulassung zur nächsten Maisaussaat wieder zu erhalten“, sagte BAYER-CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer auf der Bilanz-Pressekonferenz am 4. 9. 08.

Immer mehr Pestizide
BAYER & Co. bringen immer mehr Pestizide in Umlauf. In der Bundesrepublik stieg die abgesetzte Menge von 28.510 Tonnen im Jahr 2005 auf 32.213 Tonnen im Jahr 2007. Die Summe der Ausfuhren erhöhte sich im gleichen Zeitraum von 84.635 auf 101.565 Tonnen.

Frankreich verbietet 30 Wirkstoffe
Die französische Regierung hat zum 1. 2. 08 dreißig Pestizidwirkstoffe verboten, die in 1.500 Mitteln Anwendung fanden. Davon betroffen waren auch Substanzen aus dem BAYER-Sortiment wie z. B. Procymidon, das in SUMISCLEX WG enthalten ist.

Pestizide im Wein
Mit einem Pestizid-Einsatz von 21,4 Kilogramm pro Hektar zählt der Anbau von Wein zu den gift-intensivsten landwirtschaftlichen Unternehmungen. In einer vom PESTICIDES ACTION NETWORK EUROPE durchgeführten Studie fanden sich folglich in allen 34 untersuchten Flaschen Spuren der Agrochemikalien. Bei 25 Wein-Proben stießen die WissenschaftlerInnen auf Pyrimethanil, das auch in den BAYER-Produkten CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI enthalten ist. Zudem verseuchte der Stoff sogar einen Biowein. PROCYMIDON, unter anderem Wirksubstanz von BAYERs SUMISCLEX WG und in Frankreich gerade aus dem Verkehr gezogen (s. o.), war in elf der edlen Tropfen enthalten (siehe auch KURZ VOR SCHLUSS).

Benin verbietet Endosulfan
Der vor allem auf Baumwollfeldern zum Einsatz kommende Pestizid-Wirkstoff Endosulfan, enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten MALIX, PHASER und THIODAN, ist für zahlreiche Todesfälle verantwortlich. Allein im afrikanischen Benin starben in der Vergangenheit jährlich bis zu 30 Menschen an Endosulfan-Vergiftungen (Ticker 3/06), im letzten Jahr waren es 20. Darum hat sich die Regierung des Landes jetzt entschlossen, die zur Gruppe der Organochlor-Verbindungen zählende Agrochemikalie zu verbieten. Staaten wie Mali, Burkina Faso und die Elfenbeinküste planen, es Benin gleichzutun. Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN), das mit seinen Aufklärungskampagnen viel zu dieser neuen Pestizidspolitik beigetragen hat, will jetzt sogar für einen weltweiten Bann sorgen. So ganz zufrieden mit dem bisher Erreichten ist die Initiative jedoch nicht. Zum einen dürfen die LandwirtInnen die nicht unbeträchtlichen Endosulfan-Restbestände noch aufbrauchen, und zum anderen ist das von BAYER als Endosulfan-Nachfolger auserkorene TIHAN mit den Wirkstoffen Imidacloprid, Thiacloprid, Deltamethrin und Flubendiamid auch nicht ohne. Deltamethrin gehört nämlich der höchsten Pestizid-Gefahrenklasse an, Imidacloprid und Thiacloprid der zweithöchsten, wobei Thiacloprid zusätzlich noch als krebserregend gilt. „Es stellt sich somit die Frage, ob hier nicht der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben werden soll“, so die PAN-Aktivistin Alexandra Perschau.

Chlorpyrifos im Hausstaub
Das Bundesumweltamt hat Hausstaub nach Pestizid-Rückständen untersucht und dabei zahlreiche Giftstoffe nachgewiesen. Neben schon längst verbotenen Stoffen wie DDT und Lindan stießen die WissenschaftlerInnen auch auf Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind wie Propoxur (BAYGON) und Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER). Propoxur fand sich in sechs Prozent der Proben und Chlorpyrifos in 32 Prozent.

90.000 Vergiftungsfälle
Die Aufstellung der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA über Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden stand lange unter Verschluss. Das weckte Begehrlichkeiten: Nach Aussage des „Center for Democracy and Technology“ gehörten die Akten zu den zehn begehrtesten Regierungsdokumenten. Unter Berufung auf den „Freedom of Information Act“ gelang es dem „Center for Public Integrity“ schließlich, das EPA zu einer Veröffentlichung zu veranlassen. Und die Unterlagen haben es wirklich in sich. Sie halten für die letzten zehn Jahre 90.000 Vergiftungsfälle durch Pestizide fest. Mehr als ein Viertel verursachten Produkte aus der Gruppe der Pyrethroide wie BAYERs Insektizide BAYTHROID und BULLDOCK oder das Hunde-Antiflohmittel ADVANTIX. Im Zeitraum von 2003 bis 2007 starben 20 Menschen an BAYTHROID & Co., 6.000 Personen erlitten Gesundheitsstörungen. Die EPA wollte die Gefährlichkeit dieser Substanzklasse ursprünglich erst im Jahr 2010 untersuchen, kündigte nach der Publikation der alarmierenden Befunde jedoch an, sich schneller ans Werk zu machen.

GENE & KLONE

EU-Zulassung für BAYERs Gensoja
Nachdem die EU-LandwirtschaftsministerInnen sich nicht darauf einigen konnten, BAYERs Gensoja eine Importgenehmigung zu erteilen, landete die Entscheidung bei der traditionell gentechnik-freundlichen Brüsseler Kommission. Sie gab dann auch prompt grünes Licht für die gegen das Herbizid LIBERTY mit dem Wirkstoff Glufosinat resistente Sorte. Dass BAYER-Reis der gleichen Bauart vor zwei Jahren für den größten Gen-GAU der jüngeren Geschichte gesorgt hatte und sich - obwohl noch gar nicht zugelassen - in Proben von Supermarkt-Reis wiederfand, hat die PolitikerInnen dabei ebenso wenig gestört wie die niedrigeren Erträge von gentechnisch manipuliertem Soja (s. u.). Die bei LIBERTY-Mais und -Raps beobachteten Einkreuzungen in konventionell angebaute Pflanzen stellten für die EU-Kommission ebenfalls keinen Hinderungsgrund dar.

Gen-Soja unfruchtbarer
Nach einer Studie der Universität Kansas liegen die Ernte-Ergebnisse von Gen-Soja um zehn Prozent unter denen von konventionellen Pflanzen. Nach Ansicht des Wissenschaftlers Barney Gordon behindert der gentechnische Umbau der Ackerfrucht die Aufnahme von Nährstoffen aus dem Boden. Erst nachdem sein Team die genmanipulierten Versuchspflanzen mit einer Extradosis Mangan versorgt hatte, glichen sich die Resultate an. Bereits vorher hatten ForscherInnen der Universität Nebraska den Laborfrüchten von BAYER & Co. Ertragsschwäche bescheinigt.

Versuchsfeld Südafrika
BAYER hat Südafrika zum Versuchsfeld für seine Gentech-Pflanzen auserkoren. Der Agro-Multi will dort sechs neue Laborfrüchte testen (siehe SWB 3/08), die den für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis (Bt) enthalten und/oder gegen die Pestizide Glufosinat, Glyphosate oder Phosphinotricin resistent sind. Der Leverkusener Multi beabsichtigt damit erstmals Sorten zu testen, die auch auf MONSANTO-Technologie beruhen - Frucht eines Kooperationsabkommens beider Konzerne zur Stärkung der erlahmenden Widerstandskräfte ihrer genmanipulierten Ackerfrüchte. Das AFRICAN CENTRE FOR BIOSAFETY stellte sich gegen den Antrag. „Wir lehnen diese Anwendungen ab, welche die Integration unseres Agrarsystems in die kapitalistische Ökonomie vorantreiben und Kleinbauern im Regen stehen lassen. Zudem stellen diese Pflanzen ein Risiko für Mensch und Umwelt dar“, heißt es in ihrer Erklärung.

BAYER erreicht „Biopharma“-Endrunde
Der Staat fördert offensiv die Entwicklung medizinisch-industrieller Komplexe. So knüpft er die Vergabe von Subventionen an die Bildung von Konsortien aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Auch an dem vom Bundesforschungsministerium ausgeschriebenen Strategie-Wettbewerb „BioPharma“ dürfen nur solche Verbünde teilnehmen. Deshalb hat BAYER mit MAGFORCE NANOTECHNOLOGIES, KINAXO BIOTECHNOLOGIES, der Berliner Charité und der Universität Köln ein solches Konsortium gebildet, das sich zum Ziel gesetzt hat, neue Therapie-Verfahren zur Behandlung von Tumoren zu erforschen. Und die Chancen, sich dafür mit vier weiteren Kandidaten die Fördersumme von 100 Millionen Euro zu teilen, stehen gut, denn BAYER & Co. haben die Runde der letzten Zehn erreicht.

Bundestag ändert Stammzellen-Gesetz
„Die Möglichkeiten sind grenzenlos“, schwärmte schon im Jahr 2001 BAYERs damaliger Chef-Pharmazeut Wolfgang Hartwig über die Möglichkeiten der Stammzellforschung. Seit 2008 sind diese noch ein wenig grenzenloser, denn der Bundestag änderte das Stammzell-Gesetz. Als er es 2002 verabschiedete, legte das Gremium als Stichtag für die zur Forschung freigegebenen Zelllinien den 1. 1. 02 fest, weil es keine neuen Tötungen von Embryonen verantworten wollte. Im April 2008 hat das Parlament diese Hemmungen abgelegt und den Stichtag auf den 1. 5. 07 verschoben. Es kapitulierte damit vor der Lobbyarbeit der Industrie, bei der sich besonders der BAYER-Aufsichtsrat und Gentech-Multifunktionär Ernst-Ludwig Winnacker hervorgetan hatte.

NEXAVAR bei anderen Krebsarten?
Als „Meilenstein im Kampf gegen Krebs“ feiert BAYER sein Gentech-Medikament NEXAVAR. Der Leverkusener Multi erweckt damit den falschen Eindruck, ein neues Wundermittel gegen die Krankheit gefunden zu haben, wo das Präparat hingegen lediglich die Lebenserwartungen der PatientInnen um bis zu drei Monaten verlängert. Es kommt bisher bei der Behandlung von Nieren- und Leberkrebs zum Einsatz. Obwohl Indikationserweiterungen auf Lungen-, Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs scheiterten, versucht der Konzern weiter unentwegt, der Arznei neue Märkte zu erschließen. Auf einem Onkologie-Kongress in Chicago präsentierte das Unternehmen Ende Mai 2008 Studien mit angeblich hoffnungsvollen Resultaten bei der Theapie von Krebsarten, die den Verdauungstrakt, die Schilddrüse oder die Eierstöcke befallen. Sogar bei Lungenkrebs wartete der Pharma-Riese diesmal wundersamerweise mit positiven Daten auf - bei den letzten Tests hatte der NEXAVAR-Wirkstoff Sorafenib nicht nur nicht geholfen, sondern den Sterbeprozess sogar noch beschleunigt.

PFLANZEN & SAATEN

Kooperation mit EURALIS
BAYER hat eine Zusammenarbeit mit der französischen Landwirtschaftskooperative EURALIS vereinbart. Die Kooperation konzentriert sich auf hybride - also nicht für die Wiederaussaat bestimmte - Winterraps-Sorten. Der Agro-Riese erhält mit dem Deal die Rechte auf bestimmte Zuchtmaterialien und Produkte von EURALIS und kann die Versuchsfelder nutzen.

PARAGON gekauft
Das Saatgut-Geschäft des Leverkusener Multis wächst beständig. Nun hat BAYERs Saatgut-Tochter NUNHEMS auch noch das auf Salate spezialisierte US-Unternehmen PARAGON aufgekauft.

WASSER, BODEN & LUFT

Brunsbüttel: Kohlekraftwerk kommt
Auf den Himmel über Brunsbüttel kommt in nächster Zeit einiges zu, und BAYER hat daran gehörigen Anteil. Der Konzern plant am Standort nämlich nicht nur ein Müll-, sondern auch ein 800-Megawatt-Kohlekraftwerk. Für dieses unterzeichnete der Multi Ende Juli 2008 die Verträge. Die Dreckschleuder kommt bloß auf einen Wirkungsgrad von 46 Prozent, 54 Prozent der eingesetzten Energie werden also nicht in Strom umgewandelt. Zum Vergleich: Eine Kraft/Wärme-Koppelungsanlage hat einen Wirkungsgrad von 80 bis 90 Prozent! Aber der Brunsbütteler Klimakiller bleibt sogar noch unter den Werten des im Krefelder Chemiepark geplanten Kraftwerks, das dank der Nutzung des Dampfes einen Wirkungsgrad von 51 Prozent erreicht und 4,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid emittiert. In Brunsbüttel dürften es deshalb ein paar hunderttausend Tonnen C02 mehr werden. Entsprechend erbost reagieren die UmweltschützerInnen vor Ort. „Wir wollen keine Dinosaurier-Technologie“, sagte etwa Jürgen Ruge von den Grünen in einer aktuellen Stunde des Kreistags, während vor dem Sitzungssaal Bürgerinitiativen ihren Unmut kundtaten.

Krefeld: Kohlekraftwerk kommt nicht?
Die Haltung der Krefelder Parteien zu dem im BAYER-Chemiepark geplanten Kohlekraftwerk ist unübersichtlich. Die SPD befürwortet wie der CDU-Oberbürgermeister Gregor Kathstede den Bau, dessen Partei lehnt das Vorhaben jedoch bislang ebenso ab wie die Grünen. Auf der Ratssitzung am 5. 9. 08 setzten Christdemokraten und Grüne eine so genannte Veränderungssperre durch, mit der die beiden Fraktionen alle bisher noch nicht genehmigten Projekte mitsamt des Klimakillers vorerst für zwei Jahre auf Eis legte. Länger allerdings nicht. Zudem ließ sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Wilfrid Fabel ein Hintertürchen offen. Laut Rheinischer Post erklärte er, dass die CDUlerInnen durchaus noch grünes Licht für die Dreckschleuder geben könnten.

BAYER stinkt zum Himmel
AnwohnerInnen des Bergkamener Werkes von BAYER SCHERING klagen seit Jahren über Gestank, der von der Einrichtung zur Abwasserbehandlung ausgeht. Im April 2008 haben nun endlich Umbau-Maßnahmen begonnen. „Im Interesse der Anwohner muss es jetzt vor allem darum gehen, die Geruchsbelästigungen der Anlage zu verringern“, so der zuständige BAYER-Manager Helmut Bennemann.

EU fördert Müllgeschäfte
Der Leverkusener Multi macht schon seit geraumer Zeit aus Dreck Geld. Seine Sondermüllverbrennungsanlagen laufen auf Hochtouren. Und neuerdings will er mit dem Abfall auch noch Kraftwerke befeuern, da Energie dann nichts mehr kostet, sondern sogar noch Geld einbringt: derzeit etwa 80 Euro pro Reststoff-Tonne. Aber nach BAYER-Ansicht könnte es um die Erträge noch besser gestellt sein, wenn Brüssel ein paar Weichenstellungen zu Gunsten der Konzerne vornähme. So mahnte Wolfgang Große Entrup, Vorsteher des BAYER-Stabes „Politik und Umwelt“ und beim CDU-Wirtschaftsrat Leiter der Umweltkommission, schon vor einiger Zeit eine „Entbürokratisierung“ der EU-Abfallrahmenrichtlinie an. Der mit VertreterInnen von BAYER und anderer Unternehmen bestückte „Dialog Wirtschaft und Umwelt NRW“ machte dazu gleich einige konkrete Vorschläge. Das Gremium, mit dem das Land Nordrhein-Westfalen seine Umweltpolitik quasi ausgegliedert hat, forderte die Europäische Union auf, die Gleichwertigkeit der stofflichen und energetischen Verwertung von Abfall sicherzustellen und - besonders entlarvend - auf Programme zur Müllvermeidung zu verzichten. Dem kam die EU in ihrer Revision der Richtlinie jetzt nach. „Müllverbrennung wird so noch mehr zum lukrativen Geschäft“, kommentierte die grüne EU-Parlamentarierin Hiltrud Breyer und warnte: „Es droht die Gefahr, dass Recycling zum Mauerblümchen der Abfallwirtschaft wird und der Müllexport zunimmt“.

Müllskandal zu BAYERs Gunsten
Der Leverkusener Multi profitiert vom italienischen Müllskandal. Ein gehöriger Anteil der 54.000 Tonnen aus dem Nachbarland landet nämlich in den „Rückstandsverbrennungsanlagen“ des Konzerns, wo ihn das Unternehmen für 200 Euro pro Tonne unter Produktion von Dioxin, Furanen und Schwermetallen entsorgt. Lediglich die radioaktiv verseuchten Chargen mussten wieder zurück zum Absender. Der BUND kritisiert das von BAYER & Co. nicht nur in diesem Fall betriebene Geschäft mit dem Abfall scharf. „Damit wird ein Müllsog unausweichlich. Alle Anstrengungen zur ökologisch erwünschten Abfallvermeidung bleiben auf der Strecke“, so NRW-Geschäftsführer Dirk Jansen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Neuer Gefahrgut-Terminal in Dormagen
BAYERs Dormagener Chemiepark gehört zu den 10 größten Umschlagplätzen für Gefahrgut-Container in der Bundesrepublik. Um diese Stellung zu halten, hat der Konzern einen neuen Terminal errichtet, der die Lagerung von 360 Containern erlaubt. Für die Sicherheit glaubt das Unternehmen mit einer Folien-Wannenkonstruktion nebst Brand-Früherkennungssystem und halbstationärer Schaumlöschanlage genug getan zu haben.

ATOM & WAFFEN

Libyen erhält Plutonium-Pläne
Libyen hat bis zum Jahr 2003 ein illegales Atomwaffen-Programm betrieben. Dazu besaß das Land auch Pläne zum Bau von Wiederaufbereitungsanlagen für Uran-Kernbrennstoffe. Nach Mitteilungen der „Internationalen Atomenergie-Agentur“ (IAEA) entspricht die darin beschriebene Technologie derjenigen der Karlsruher Wiederaufbereitungsanlage, deren Betreiber BAYER, HOECHST und andere Chemiekonzerne in Tateinheit mit der Energiewirtschaft waren, bis sich BAYER & Co. 1975 wegen zweifelhafter Erfolgsaussichten aus dem Atomgeschäft zurückzogen. Die Konstruktionszeichnungen haben bundesdeutsche IngenieurInnen unter Geheimhaltungsgebot 1986 erstellt. Ihr Auftrag lautete, eine Anlage zu entwerfen, die auch unter klimatischen Bedingungen wie extremer Hitze oder Trockenheit funktioniert. Angaben zum genauen Bestimmungsort erhielten sie nicht. Den Deal wickelte schließlich ein Mittelsmann ab, der Gaddafi bereits in Sachen „Chemie-Waffen“ gute Dienste erwiesen hatte.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Berufskrankheiten: Fehlanzeige
Lösemittel wie Benzol oder Styrol sind äußerst gefährliche Substanzen. Offenbar aber können sie den bei BAYER & Co. Beschäftigten nichts anhaben. Anerkannte Berufskrankheiten gibt es in diesem Bereich nämlich kaum. Gerade einmal 18 Fälle wurden im Jahr 2000 aktenkundig, 2001 15 Fälle und 2002 10 Fälle. Allerdings steht diesen Zahlen eine Unmenge von Anträgen entgegen, welche die Verantwortlichen jeweils abschlägig beschieden haben. Darum fordern ExpertInnen wie der Umweltmediziner Wolfgang Huber einschneidende Veränderungen bei den Verfahren wie die Berücksichtigung von Kombinationswirkungen und Erleichterungen der Beweisführung bis zur Beweislastumkehr.

STANDORTE & PRODUKTION

Berufskolleg macht weiter
Ursprünglich wollte der Pharma-Riese sein Berufskolleg abwickeln und es ganz oder teilweise der Regie der Stadt Leverkusen unterstellen. Jetzt entschied der Konzern jedoch, die Weiterbildungseinrichtung selber weiterzubetreiben.

BAYER schrumpft in Dormagen
In den BAYER-Chemieparks gibt es immer mehr Lichtungen (SWB 4/07). Der Konzern trennte sich von Geschäftsbereichen wie der „Chemie“, und neuere Fertigungsstätten, sofern überhaupt an den alten Standorten errichtet, brauchten weniger Raum. Auch die Anwerbung von Fremdfirmen konnte die Lücken nicht schließen. In Dormagen hat der Konzern sich deshalb dazu entschlossen, eine 33.000 Quadratmeter große Fläche an die Stadt zu verkaufen.

Leverkusen-Project 2020
Die Umstrukturierungen bei BAYER stellen die Stadt Leverkusen vor große Probleme. Das Arbeitsplatz-Angebot sank binnen 10 Jahren um 15 Prozent: die Gewerbesteuer-Einnahmen reduzierten sich sogar um 40 Prozent. Jetzt soll das „Leverkusen-Project 2020“ Abhilfe schaffen. Unter diesem Titel erarbeitet die städtische Wirtschaftsförderung ein Konzept für eine BAYER-losere Zukunft. Das bisher Angedachte klingt jedoch nach alten Rezepten. Da ist von der Erarbeitung eines wirtschaftlichen Leitbildes die Rede, von einer besseren Verschränkung schon vorhandener Strukturen und von der Ansiedlung innovativer Branchen.

Rheinblick: BAYER blockt
Uerdingen streitet um das Projekt „Rheinblick“. InvestorInnen wollen direkt am Rhein in der Nähe des BAYER-Chemieparks ein neues Wohn- und Gewerbegebiet errichten. In der Bevölkerung stößt das Vorhaben auf große Zustimmung, dem Chemie-Multi behagt das Ganze jedoch nicht. Er duldet keine neuen Nachbarn in der Nähe seiner Anlagen und hoffte auf ein abschlägiges TÜV-Gutachten. Nachdem die Expertise aber Sicherheitsbedenken zerstreut hatte, machte das Unternehmen einfach Nägel mit Köpfen. Es kaufte im großen Umfang Flächen am Rhein auf. „Die Flächen dienen der Ausweitung der angrenzenden Chemiepark-Flächen, so dass eine weitere infrastruktuelle Entwicklung des Standortes möglich wird“, hieß es zur Begründung. Dies könnte beispielsweise durch einen Container-Umschlagsplatz geschehen. Der CDU-Fraktionschef Wilfrid Fabel sieht dadurch die Hafen-Planungen gefährdet: „Abgesehen davon, dass dazu eine Änderung des Bebauungsplanes 677 erforderlich wäre, würde dies auf jeden Fall schädlich für die Hafenentwicklung sein, die damit durch BAYER torpediert würde“. Die Grünen vermuten noch andere Motive hinter dem Grundstückskauf. Nach Meinung der Partei soll das Gelände entweder dem Kohle-Transport vom Hafen zum geplanten Kraftwerk dienen, oder aber es ist ein Faustpfand im Streit um die umstrittene Dreckschleuder, das der Stadt bedeutet: „Machst Du mein Kraftwerk kaputt, mach‘ ich Dir den Rheinblick platt“.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER kauft PARAGON
Die BAYER-Tochter NUNHEMS hat den US-amerikanischen Gemüsesaatgut-Hersteller PARAGON gekauft (siehe auch PFLANZEN & SAATEN).

BAYER kauft NYCOMED-Sparte
Der Leverkusener Multi hat für 52 Millionen Euro die Krebsforschungssparte des Pharma-Konzerns NYCOMED erworben.

ÖKONOMIE & PROFIT

Wenning hat nichts gemerkt
BAYER-Chef Werner Wenning ist Aufsichtsratsmitglied und Vorsitzender des Beraterkreises der DEUTSCHEN BANK, die im Zuge der Finanzmarktkrise wegen riskanter Transaktionen bisher rund 2,5 Milliarden Euro abschreiben musste. Deshalb fragte ihn die Zeitschrift Capital: „War Ihnen angesichts der gigantischen Deals nie unbehaglich zumute?“. Aber Wenning wollte sich keine Verletzung der Aufsichtspflicht nachsagen lassen und antwortete ausweichend. „Sofern Investoren einen nachhaltigen Ansatz verfolgen, ist nichts dagegen einzuwenden. Das ist unser unternehmerisches Verständnis. BAYER ist seit fast 150 Jahren auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit ausgelegt“, so Wenning.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Explosion tötet Arbeiter
Am 28. 8. 08 ereignete sich am US-amerikanischen BAYER-Standort Institute eine Explosion, die das Leben eines Arbeiters forderte. Ein Kollege erlitt schwere Verbrennungen. Der Störfall ereignete sich in einer Produktionsanlage des hochgiftigen Pestizids Methomyl. Nach Angaben von BAYER waren daran die Vorprodukte Dimethyldisulfid, Hexan und Methylisobutylketon (MIC) beteiligt. Bei MIC handelt es sich um die Chemikalie, welche die Katastrophe von Bhopal auslöste, weshalb die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi seit langem auffordert, kein MIC mehr auf dem Gelände zu lagern, zumal Unfälle in Institute beinahe schon zur Tagesordnung gehören. Binnen der letzten zwölf Monate kam es bereits zu drei Zwischenfällen. Die Störungsanfälligkeit der Anlagen bemängelte nach dem großen Knall vom 28. August dann auch die US-Arbeitsschutzbehörde „Occupational Safety and Health Administration“ (OSHA). „Signifikante Mängel der Sicherheitsabläufe“ stellte die OSHA bei einer ersten Untersuchung fest.

Chlor tritt aus
Am 19.4.08 ereignete sich im Leverkusener Chemiepark ein Unfall. In der Chlor-Produktionsstätte von BAYER MATERIAL SCIENCE entstand in einer Leitung aus bislang ungeklärter Ursache ein Leck, aus dem die Chemikalie austrat. Chlor gehört zu den gefährlichsten Substanzen überhaupt. „In einer Chlorwolke ist man auch mit Maske in zwei Minuten tot“, hatte der BAYER-Verfahrenstechniker Andreas Bulan einem Zeit-Journalisten drei Wochen vor dem Störfall bei einer Werksführung anvertraut und ihn gleich damit beruhigt, dass seit Jahrzehnten nichts mehr passiert sei.

Gerüstbauer stürzt ab
Am 23.1.08 ereignete sich im Uerdinger Chemiepark ein Unfall: Beim Aufbau eines Gerüstes stürzte ein Arbeiter ab und zog sich lebensgefährliche Verletzungen zu.

Rauch aus dem Fahrstuhl-Maschinenraum
Am 18. 8. 08 drang Rauch aus dem Fahrstuhl-Maschinenraum des Wuppertaler BAYER-Werks, so dass die Feuerwehr anrücken musste. Eine Gefahr für die unmittelbare Umgebung bestand nach ihren Angaben nicht.

Die Pest an Bord
Am 21. 6. 08 geriet das philippinische Schiff „Princess of the Stars“ in den Wirbelsturm „Frank“ und sank.

[Pestizide] STICHWORT BAYER 02/2008

CBG Redaktion

Fähren als Agrogift-Transporter

Die Pest an Bord

Am 21. Juni dieses Jahres geriet das philippinische Schiff „Princess of the Stars“ in den Wirbelsturm „Frank“ und sank. 800 Menschen starben. Bei den Bergungsarbeiten stießen die ArbeiterInnen zu allem Unglück auch noch auf Massen von BAYER-Pestiziden, obwohl die staatlichen Behörden einen solchen Transport auf Fähren untersagen.

Von Philipp Mimkes

Die Philippinen hatten sich von dem Schock über den Verlust von 800 Menschenleben nach dem Kentern der Fähre „Princess of the Stars“, das in den Wirbelsturm „Frank“ geraten war, noch nicht ganz erholt, da versetzte sie ein Fund bei der Bergung erneut in Schrecken: Das Schiff hatte 10 Tonnen Endosulfan sowie Ackergifte des Leverkusener Multis geladen. Die Arbeiten mussten sofort unterbrochen werden, zu groß war das Risiko, dass die Agrochemikalien ins Meer gelangen und eine ökologische Katastrophe auslösen könnten.

Die Reederei-Unterlagen weisen das Endosulfan als Eigentum des Frucht-Multis DEL MONTE aus, er könnte es jedoch von BAYER gekauft haben. Endosulfan ist in der Bundesrepublik wegen seiner Gefährlichkeit verboten. Unter Auflagen darf ihn der Leverkusener Multi jedoch noch in Länder der „Dritten Welt“ exportieren. Im Juli 2007 hat sich die Europäische Kommission dafür ausgesprochen, das Mittel auf die Liste der Stockholmer Konvention für besonders giftige Substanzen zu setzen und damit sein Verschwinden von allen internationalen Märkten einzuleiten. Aufforderungen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) an die Adresse BAYERs, den Wirkstoff nicht mehr zu vertreiben, kam der Agro-Riese trotz gegenteiliger Versprechungen bisher nicht nach. Aber auch die andere Pest an Bord, die 500 kg ANTRACOL, TRAP, FUERZA und TAMARON, ist nicht ohne. Besonders risikoreich ist Methamidophos, der Wirkstoff von TAMARON, der von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „hoch gefährlich“ eingestuft wird.

Nach Informationen des philippinischen Senders ABS-CBN war BAYER Auftraggeber des Transports. Träfen diese Angaben zu, hätte der Global Player einen Rechtsbruch begangen, denn die philippinische Regierung erlaubt den Transport von Pestiziden auf Personenfähren wegen des Gefahrenpotenzials nicht. Allerdings scheint es trotzdem gängige Praxis zu sein. Die Firmen scheuen nämlich die bei gefährlicher Ware fälligen Behördengänge und Genehmigungsverfahren und deklarieren ihre Ladung lieber um. „Es geht so schneller für sie und außerdem zahlen sie so weniger als sie eigentlich müssten“, sagte Elena Bautista vom philippinischen Transportministerium.

Die CBG drang in ihrer Presseerklärung auf Klärung der Verantwortlichkeiten: „Die Begleitumstände des schrecklichen Unglücks auf den Philippinen werfen zahlreiche Fragen auf: Wer wusste davon, dass hochgefährliche Pestizide auf Fährschiffen transportiert werden? War den Pestizid-Herstellern diese illegale Praxis bekannt? Wer ist der Hersteller des an Bord befindlichen Endosulfans? Werden sich die Produzenten an den Bergungskosten beteiligen?“ Antworten darauf blieb BAYER bislang schuldig.

[Pestizide] Pestizidvergiftungen

CBG Redaktion

Presse Information vom 4. Januar 2008
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Klage gegen philippinischen Umweltschützer abgewiesen

Pestizid-Vergiftungen aufgedeckt / politisch motivierter Prozess

Ein Gericht in der philippinischen Stadt Davao hat eine Klage des Unternehmens Ladeco gegen den Arzt und Toxikologen Dr. Romy Quijano abgewiesen. Umweltorganisationen aus aller Welt hatten zuvor bei der philippinischen Präsidentin gegen den politisch motivierten Prozess protestiert, der sich insgesamt über sieben Jahre hinzog.

Quijano hatte Ende der 90er Jahre Vergiftungen von Anwohnern und Arbeitern von Bananenplantagen auf der philippinischen Insel Mindanao aufgedeckt. Mensch und Umwelt werden dort durch Pestizide des US-Unternehmens DuPont, der deutschen Firma Bayer und anderer Hersteller verseucht.

Anwälte der Firma Ladeco, der die untersuchten Plantagen gehören, reichten nach Veröffentlichung des Artikels gegen Dr. Quijano und seine Tochter eine Schadensersatz-Klage ein. Die Klage wurde vom Gericht in Davao City ursprünglich abgewiesen, da die Recherche Quijanos nach Aussage der Richter von „öffentlichem Interesse“ sei. Überraschenderweise entschied jedoch das philippinische Justizministerium im Juli 2003, die Entscheidung des Gerichts aufzuheben und den Fall neu zu verhandeln. Romy Quijano wurde im Herbst 2003 verhaftet und erst nach Zahlung einer Kaution wieder freigelassen.

Das Verfahren hat einen politischen Hintergrund: Ladeco gehört der Familie Lorenzo, einer der wohlhabendsten Familien des Landes. Luis Lorenzo Jr., Besitzer der Firma und seit langem Berater der philippinischen Präsidentin Gloria Arroyo, stieg 2003 zum philippinischen Landwirtschaftsminister auf. In dieser Funktion leitete Lorenzo ausgerechnet die philippinische Pestizid-Regulierungsbehörde Fertilizer and Pesticide Authority.

Ladeco beließ es nicht bei juristischen Einschüchterungsversuchen: im Ort Kamukhaan, in dem Dr. Quijano mehrfach recherchiert hatte, wurde der Großteil der Einwohner mit Hilfe von Drohungen und Geldgeschenken dazu gebracht, alle gegenüber Quijano gemachten Aussagen zurückzuziehen. Den Arbeitern der Plantage wurde verboten, mit ihm in Kontakt zu treten. Außerdem wurden Dorfbewohner dazu gebracht, Todesdrohungen gegen Quijano und seine Helfer auszusprechen.

Nun wurde die Klage gegen Dr. Quijano und seine Tochter endgültig abgewiesen. Quijano erhielt eine Entschädigung für anwaltliche Kosten – diese decken seine Ausgaben jedoch nur zum kleinsten Teil. Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Wir beglückwünschen Romy Quijano zu seinem Standvermögen und dem juristischen Erfolg. Es ist höchst bedenklich, wenn Umweltaktivisten durch juristische Attacken an ihrer Arbeit gehindert und mundtot gemacht werden sollen.“ Die CBG hatte sich seit Jahren an der Solidaritätskampagne für Quijano beteiligt.

Dr. Quijano war nicht das erste Mal juristischen Attacken ausgesetzt. Nachdem er zu Beginn der 90er Jahre Gesundheitsrisiken des Pestizids Endosulfan veröffentlicht hatte, klagte die deutsche Firma Hoechst gegen ihn und verlangte 22 Millionen Peso Schadenersatz. Die Klage wurde abgewiesen, Endosulfan wurde kurze Zeit später in den Philippinen verboten.

weitere Informationen:
Ein Artikel des philippinischen „Inquirer“ zur Aufhebung des Verfahrens
Der Artikel von Dr. Quijano zu Pestizidvergiftungen
Unterstützer-Brief an die philippinische Präsidentin: http://www.cbgnetwork.org/Ubersicht/Kampagnen/Philippinen/Aufruf_Hande_weg_Quijano/Quijano.pdf

[Kurzmitteilungen] STICHWORT BAYER 04/2007 – Ticker

CBG Redaktion

Kurzmeldungen „Ticker“

AKTION & KRITIK

Proteste in Antwerpen
Der Leverkusener Multi will im Kunststoffbereich 1.500 Arbeitsplätze vernichten. Allein am Standort Antwerpen sollen mehr als 200 Stellen wegfallen (siehe auch KAPITAL & ARBEIT). Doch die Belegschaft wehrt sich. Gemeinsam mit den KollegInnen von BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS blockierten die Beschäftigten im Oktober und November 2007 die Werkseingänge, um gegen die „unsozialen Pläne“ zu protestieren (siehe auch SWB 4/07).

OECD-Klage erfolgreich
Im Jahr 2003 hat die philippinische BAYER-Niederlassung zwei Gewerkschaftler entlassen, die sich allzu stark für die Belange der Beschäftigten eingesetzt hatten (SWB 2/04). So hatte der Gewerkschaftsvorsitzende José Facundo unter anderem einen Streik mitorganisiert, in einem Arbeitrechtsprozess zu Gunsten eines Belegschaftsangehörigen ausgesagt und die Betriebsleitung kritisiert. Zudem warf Focundo dem Leverkusener Multi vor, widerrechtlich Gewerkschaftsbeiträge einbehalten zu haben. Aus Protest gegen seinen Rausschmiss reichte der Aktivist eine Klage bei dem Industrieländer-Zusammenschluss OECD ein, wobei ihn die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) unterstützte. Im letzten Jahr bekam er Recht zugesprochen, wie die CBG erst jetzt erfuhr. Der Rechtsauschuss bekräftigte die von BAYER angezweifelte Legitimität der Gewerkschaft und verurteilte den Multi dazu, der Beschäftigten-Vertretung das ihr zustehende Geld zu überweisen sowie Facundo eine Entschädigung zu zahlen.

UNEP-Jugendbeirat antwortet der CBG
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) setzt ihre Kampagne gegen BAYERs Greenwashing mit Hilfe des UN-Umweltprogrammes UNEP fort. Sie hat auch den neuen Jugendbeirat, der auf der Ende August 2007 beim Leverkusener Multi abgehaltenen „Internationalen Jugendumweltkonferenz“ gewählt wurde, aufgefordert, die Zusammenarbeit mit dem Agro-Riesen wg. dessen zahlreichen Umweltsünden und des Missbrauchs der UNEP zu reinen PR-Zwecken zu beenden. Aber das Gremium möchte an seinem Sponsor festhalten. „BAYER ist immerhin eines der Unternehmen, die durch ihre Kooperation mit der UNEP ihren Willen demonstrieren, ihre Haltung gegenüber der Umwelt zu ändern“, antwortete der Beirat auf den Brief der CBG.

Pipeline

  • 1: Demo


Am 3.11.2007 fand in Düsseldorf die erste landesweite Demonstration gegen die von BAYER geplante Kohlenmonoxid-Pipeline statt. 4.500 Menschen zogen von der DGB-Zentrale am Hauptbahnhof quer durch die Innenstadt bis zum Rathaus-Vorplatz und warnten vor den Gefahren der Giftgas-Röhre. Mittenmang die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und ihr schon vielseitig zum Einsatz gekommener, vom Künstler Klaus Klinger gestalteter „Gevatter Tod“, der diesmal auf einem Traktor mitreiste. Die Pipeline-GegnerInnen hielten Holzkreuze in die Höhe, trugen Transparente oder kleine Schilder mit Aufschriften wie „Mafia am Rhein: BAYER regiert, Politik versagt, Bevölkerung kämpft“, riefen immer wieder im Chor: „No, no, no, Pipeline geht k.o.!“ und ließen zum Abschluss des Protestes unheilschwangere schwarze Luftballons gen Himmel steigen.

Pipeline

  • 2: Klagen abgelehnt


Die „lex BAYER“ gestattet es dem Leverkusener Multi, durch „Besitzeinweisungsbescheide“ Grundstücke zu enteignen, die er für seine Pipeline braucht. Gegen diese Blankovollmacht haben die Städte Monheim, Ratingen, Hilden und Erkrath Klage erhoben. Die RichterInnen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf gaben ihr jedoch nicht statt, weil die Giftröhre angeblich dem Allgemeinwohl diene, hinter dem Einzelinteressen von WohneigentümerInnen oder Kommunen zurückstehen müssten. Die Gemeinden wollen das Urteil jedoch nicht akzeptieren. „Damit haben wir gerechnet und direkt Beschwerde eingelegt. Die Aktenordner sind schon unterwegs“, sagte der Monheimer Bürgermeister Thomas Dünchheim.

Pipeline

  • 3: Enteignungspanne


Am 18. Oktober 2007 hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf dem Leverkusener Multi vorerst grünes Licht dafür gegeben, die Enteignung von Grundstücken einzuleiten, falls der geplante Streckenverlauf der Giftröhren-Pipeline es erfordert (s. o.) Der Konzern machte sich auch gleich ans Werk, aber in Langenfeld unterlief ihm dabei eine Panne. Er wollte zuwenig von der Kommune und vergaß bei dem Enteignungsverfahren eine Parzelle. Die Stadt stellt sich nun stur und weigert sich, das Areal freiwillig herauszurücken. BAYER muss deshalb die Bauarbeiten an der Stelle unterbrechen und erneut vor Gericht ziehen.

Pipeline

  • 4: Attentate befürchtet


Die Polizei sieht sich außer Stande, die von BAYER geplante Kohlenmonoxid-Pipeline vor eventuellen Terroranschlägen zu schützen. „Eine lückenlose Sicherheit für die Pipeline-Trasse gibt es nicht, selbst wenn Tausende Polizisten eingestellt würden“, sagte der Udo Kutsche von der DEUTSCHEN POLIZEI-GEWERKSCHAFT und sprach sich aus diesem Grund gegen das umstrittene Vorhaben aus.

Pipeline

  • 5: Die Anhörung


Am 17.10.2007 fand im nordrhein-westfälischen Landtag auf Antrag der Grünen eine Anhörung zum Thema „Pipeline“ statt. Nachdem die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Giftröhren-GegnerInnen mit einer Mahnwache auf die Gefährlichkeit des Projektes hingewiesen hatten, begann die Veranstaltung. Viele Fragen blieben jedoch ungeklärt, weil Innenminister Ingo Wolf (FDP) dem für das Plangenehmigungsverfahren verantwortlichen Regierungspräsident Jürgen Büssow die Teilnahme untersagt hatte. Auch die BAYER-Emissäre drückten sich vor Antworten. Als etwa der Jura-Professor Stefan Muckel vom Leverkusener Multi, der immer wieder auf die Wichtigkeit der Pipeline für die Arbeitsplätze in der Region verweist, schriftlich haben wollte, wieviele Jobs der Konzern denn in den nächsten Jahrzehnten zu garantieren gedenke, musste BAYERs Pipeline-Mann Werner Breuer passen. Ebenso wenig trug der TÜV zur Zerstreuung der Sicherheitsbedenken bei. Mit der Tatsache konfrontiert, dass die Messinstrumente kleinere Leckagen erst wenn es zu spät ist, nach ein bis zwei Tagen nämlich, anzeigen, bekannte der technische Überwacher achselzuckend: „Das ist das heute technisch Machbare“.

Pipeline

  • 6: Deponie geöffnet


„Gift durch Gift“ - das passt gut“, dachte sich der Leverkusener Multi und verlegte seine Pipeline-Rohre in Hilden und Erkrath quer durch alte Giftmüll-Deponien. Die Bagger hoben die Gruben einfach aus und leiteten das verseuchte Grundwasser in einen Bach um. Dabei hatten die Behörden den Konzern vorher auf die Altlasten hingewiesen und ein abgestimmtes Vorgehen verlangt. Entsprechend verschnupft reagierten die Verantwortlichen. Die zuständigen Kreise legten die Baustellen still und verdonnerten den Pharma-Riesen zu Strafzahlungen. Zudem ermittelt nun der Staatsanwalt wegen umweltgefährdender Gewässerverunreinigung und illegaler Müllentsorgung.

Pipeline

  • 7: CO-Produktion modernisiert


Der Leverkusener Multi hat die Notwendigkeit einer Kohlenmonoxid-Pipeline immer mit veralteten CO-Produktionsanlagen begründet. In Krefeld modernisiert der Multi nun aber für drei Millionen Euro seine Fertigungsstätte. Trotzdem will der Konzern an dem umstrittenen Projekt festhalten. Nur mit der Giftgasleitung sei das Unternehmen in der Lage, die weiterverarbeitende Industrie zuverlässig zu beliefern, verlautete aus der Zentrale.

Pipeline

  • 8: Flurschaden


Ohne Rücksicht auf Verluste rollten die Bagger zur Aushebung der Pipeline-Schächte quer durch das Naturschutzgebiet Angertal, ohne dafür eine Genehmigung der Landschaftsbehörde einzuholen. Darum verfügte der Landrat Thomas Hendele Anfang September 2007 einen vorläufigen Baustopp.

Offener Brieg wg. Burma
BAYER betrachtet die Militärdiktatur in Burma als einen ganz normalen Absatzmarkt und testet dort Hybrid-Reis, eine nicht zur Wiederaussaat bestimmte Sorte (siehe auch SWB 3/07). Aus Protest gegen diese Geschäftspolitik schrieb die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit der BURMA-INITIATIVE ASIENHAUS und anderen Gruppen einen Offenen Brief an den Konzern-Chef Werner Wenning (siehe auch SWB 4/07).

CBG nimmt an TALCID-Wettbewerb teil
„Ein lebendiges, funktionierendes Gemeinwesen, bei dem niemand isoliert oder abseits steht, ist wichtig für das psycho-soziale Wohlergehen jedes Menschen. Ausgrenzung und Isolation können zu Erkrankungen wie Herz/Kreislaufkrankheiten oder Magen-Darm-Beschwerden beitragen. Eine aktive Teilhabe des Einzelnen wirkt sich gesundheitsfördernd aus - sowohl für den engagierten Menschen als auch für die Gesellschaft“, meint BAYER und rief gemeinsam mit der Stiftung „Bürger für Bürger“ den nach einem firmeneigenen Magenmittel benannten „TALCID-Förderpreis für Bürgerengagement“ ins Leben. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) fühlte sich gleich angesprochen, nominierte ihr Vorstandsmitglied Axel Köhler-Schnura für den Preis und begründete es zwingend: „Axel Köhler-Schnura hat den Verband, der weltweit mit 10.000 Partnern in mehr als 40 Ländern kooperiert, 1978 gegründet und hat in den vergangenen 30 Jahren zahlreiche Verstöße des Konzerns gegen Gesetze und Selbstverpflichtungserklärungen publik gemacht. Gemeinsam mit den Betroffenen setzt er sich für sichere Produkte und Produktionsbedingungen bei BAYER, für Umweltschutz und finanzielle Wiedergutmachung von Geschädigten ein.“ Da die Coordination bei dem letzten BAYER-Wettbewerb, an dem sie zumindest mittelbar beteiligt war - dem für neue Chemiepark-Konzepte (siehe SWB 4/07) so eine gute Figur machte, stehen die Chancen bestimmt auch hier nicht schlecht.

EU deckt LobbyistInnen
In Brüssel treiben rund 15.000 LobbyistInnen ihr Unwesen. Einer ihrer größten Arbeitgeber ist CEFIC, der Europa-Verband der Chemie-Industrie: 140 MitarbeiterInnen beschäftigt die Dependance von BAYER & Co. Damit die AntichambriererInnen ihre Arbeit weiterhin ungestört im Dunkeln verrichten können, hat eine Generaldirektion der EU-Kommission ihre Namen auf allen verfügbaren Sitzungsunterlagen, Briefen und anderen Dokumenten geschwärzt. Dagegen hat die Initiative CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) Beschwerde eingelegt.

BAYERs Blumen des Bösen
Der US-Amerikaner Robert T. O‘Brien hat einen Polit-Krimi über den Leverkusener Multi geschrieben. „Seeds of Evil“ (Die Blumen des Bösen) handelt von einer kleinen Pharma-Fabrik, die BAYERs Übernahmegelüste weckt. Der Firmeninhaber beginnt sich mit der unheilvollen Geschichte des Agro-Riesen auseinanderzusetzen und wehrt sich mit Händen und Füßen - und mit der Polizeichefin Kristi Christopher - gegen die Pläne. Dabei stoßen die beiden in ein ganzes Nest von Konzernkriminalität und vereiteln schließlich das Vorhaben des Pillen-Riesen.

BUND: Wo ist der Genraps?
Das Unternehmen DEUTSCHE SAATGUTVEREDELUNG säte auf einer Fläche von 1.500 Hektar Raps aus, der mit BAYERs gegen die Herbizide LIBERTY und BASTA resistenten Gentech-Sorten verunreinigt war (Ticker 3/07). Um solchen Gen-GAUs in Zukunft besser vorbeugen zu können, wollte die schleswig-holsteinische Sektion des BUND vom Landesumweltministerium wissen, wo überall zwischen Flensburg und Brunsbüttel Gentech-Raps auf den Feldern steht. Aber das Ministerium verweigerte mit dem Hinweis auf die Gefahr von Feldzerstörungen alle Angaben, obwohl es nach dem Umweltinformationsgesetz eigentlich auskunftspflichtig ist.

Offener Brief wg. Genraps
Die BÜRGERINITIATIVE GENTECHNIKFREIES SCHLESWIG-HOLSTEIN hat die Presse-Information der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) über Raps-Saatgut, das mit BAYERs gegen die Herbizide LIBERTY und BASTA resistenten Gentech-Sorten verunreinigt war, zum Anlass genommen, einen Offenen Brief an den Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, seine Kollegin in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern sowie an den Verbraucherschutzminister Horst Seehofer zu schreiben. Darin fordert die Gruppe ein Gentechnik-Moratorium, ein öffentlich zugängliches Register der derzeit laufenden Freisetzungsversuche, eine Haftpflicht des Herstellers BAYER sowie bessere Kontrollen.

KAPITAL & ARBEIT

BMS rationalisiert
BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) erwirtschaftet mit dem Verkauf von Plaste & Elaste eine Rendite von 16 Prozent. Das reicht der Konzern-Spitze jedoch nicht. Darum musste sich die Kunststoff-Sparte verpflichten, „eine angemessene Kapitalrendite zu erzielen und die Ebitda-Marge auf über 18 Prozent im günstigen Marktumfeld zu verbessern“, wie die Financial Times Deutschland den Top-Manager Axel Steiger-Bagel zitiert. Um diese Profit-Ziele zu erreichen, will BMS 300 Millionen Euro einsparen und dazu unter anderem weltweit 1.500 Arbeitsplätze vernichten - ein Zehntel aller Stellen (siehe auch Ticker 3/07). Die Äußerung von Steiger-Bagels Kollegen Tony Van Osselaers über die Produktion des Kunststoffes MDI: „Bis auf Europa ist MDI gut aufgestellt, in Europa haben wir Handlungsbedarf“ sowie Klagen über die teuren Transportwege zwischen den einzelnen Werken schüren zudem Ängste, BAYER könnte ganze Standorte wie z. B. Brunsbüttel schließen. So mancher Beschäftigte des Kunststoffbereichs fürchtet angesichts der Schwerpunkt-Verlagerung in Richtung „Pharma“ sogar einen Verkauf der gesamten Kunststoff-Abteilung.

Antwerpen: BMS streicht 200 Stellen
Am Standort Antwerpen vernichtet BAYER MATERIAL SCIENCE mehr als 200 Arbeitsplätze (siehe auch AKTION & KRITIK). Vor allem den Servicebereich mit Feuerwehr, Wachdienst, Laboren und HandwerkerInnen empfindet der Leverkusener Multi als Last auf dem Weg zu noch mehr Profit.

Lohnkürzungen bei CHEMION
BAYER will die Löhne bei der ausgegliederten Transport-Tochter CHEMION massiv kürzen. Nach Informationen des Betriebsrates sieht der Tarifvertrag für das Jahr 2008 durch eine Neueinteilung der Gehaltsstufen monatliche Einbußen von 458 bis 821 Euro vor. Bleibt die Frage, ob die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE das schluckt?

BIS heißt jetzt CURRENTA
Die innerhalb des BAYER-Konzerns für die Chemieparks zuständige BAYER INDUSTRY SERVICES (BIS) heißt jetzt CURRENTA. „Die Gesellschaft will weg vom Hausmeister-Image“, schreibt die Rheinische Post zu den Beweggründen und konstatiert: „Die Namensänderung ist der letzte Baustein einer für die Mitarbeiter mitunter knallharten Effizienzsteigerungsstrategie“. Seit 2006 vernichtete die BIS zehn Prozent der 5.500 Arbeitsplätze; 400 sollen bis 2009 noch folgen. Für die restlichen Belegschaftsangehörigen setzte das Management massive Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durch. So erhöhte sich etwa die Wochenarbeitszeit - ohne Lohnausgleich - von 37,5 auf 40 Stunden, was eine Gehaltseinbuße von 6,7 Prozent bedeutet (siehe auch SWB 4/07 und Ticker 3/07).

Dicke Lohnerhöhungen für Aufsichtsräte
Während sich die Masse der Beschäftigten in diesem Jahr mit mageren Entgelt-Erhöhungen zufrieden geben musste, stiegen die Bezüge der Aufsichtsräte kräftig. Sie erhielten durchschnittlich acht Prozent mehr, die jeweiligen Vorsitzenden sogar elf Prozent. So kommt dann BAYERs Ober-Aufseher Manfred Schneider, der als die personifizierte Deutschland AG zusätzlich noch in den Kontrollorganen von DAIMLER, METRO, RWE, TUI , ALLIANZ und LINDE - hier sogar als Aufsichtsratsvorsitzender - sitzt, auf ein Jahressalär von 1.054.717 Euro.

Plansoll-Übererfüllung von LANXESS
BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS hatte sich zum Ziel gesetzt, im Jahr 2009 ebenso viel Profit zu erwirtschaften wie seine Mitbewerber. Der Konzern hat aber derart rabiat Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt, Unternehmensteile veräußert und Arbeitsplätze vernichtet, dass er schon für 2008 mit einer erwarteten Rendite von 12,5 Prozent Vollzug melden kann. Die Aktien-Börsen verbuchten das unter „schöpferischer Zerstörung“ und reagierten mit einer 1,5-prozentigen Kurssteigerung.

LANXESS verkauft BORCHERS
BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS spaltet sich unaufhaltsam weiter auf. Im September 2007 hat das Unternehmen seine auf Lackzusatzstoffe spezialisierte Tochtergesellschaft BORCHERS an den US-Konzern OM verkauft. „Wir haben erneut eine zukunftsfähige Lösung für ein Randgeschäft gefunden“, kommentierte das Vorstandsmitglied Werner Breuers den Deal. Zur Zukunft der 90 Beschäftigten äußerte er sich jedoch nicht.

AGFA im Sinkflug
Im Jahr 1999 trennte sich der Leverkusener Multi von der AGFA und setzte damit weitere Teilungsprozesse bei seiner ehemaligen Foto-Sparte in Gang. Diese vernichteten zwar zahlreiche Arbeitsplätze, konnten aber die Talfahrt nicht stoppen. Am 18. Oktober fiel die Aktie des Unternehmens mit 11,19 Euro auf den tiefsten Stand seit ihrer Notierung. „Das Unternehmen erschütterte 2007 damit zum dritten Mal die Börse“, kommentierte die Faz. Erschütterungen der Belegschaft dürften auf dem Fuße folgen.

IG BCE verliert Mitglieder
Die Mitgliederzahl der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE sank seit Ende 2006 um 15.000 auf 714.000. Davon stehen noch 58 Prozent im Arbeitsprozess. Acht Prozent der IG BCElerInnen sind arbeitslos und rund ein Drittel RentnerInnen.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Kultur-Jubiläum mit Geschichtsklitterung
Mit großem Tamtam feiert BAYER in diesem Jahr den 100. Geburtstag seiner Kulturabteilung und will sich dabei von ihren dunklen Kapiteln nicht die Laune verderben lassen. „Nachdem Hugo Caspari 1934 die Leitung der Abteilung abgeben muss, übernimmt der Journalist Ferdinand Gerhardt seinen Posten. Laut BAYER-Geschichtsschreibung bemüht dieser sich um eine unabhängige Kultur- und Bildungsarbeit“, wie das Fono Forum schreibt. Die neue musikzeitung weiß da jedoch anderes zu berichten. „Ferdinand Gerhardt allerdings, der 1934 eingesetzte Mann für die Kultur, kann oder will keine eigenen Impulse setzen. Die Gleichschaltung erreicht auch die BAYER-Kultur“, heißt es dort. Nicht umsonst verboten die Alliierten Gerhardt nach 1945, seinen erlernten Beruf weiter auszuüben.

POLITIK & EINFLUSS

Wenning & Merkel in Indien
Zu dem Manager-Tross, der Angela Merkel im Herbst auf ihrer Indien-Reise begleitete, gehörte auch BAYER-Chef Werner Wenning. Der Leverkusener Multi plant nämlich, seinen Umsatz in dem Land bis zum Jahr 2015 auf eine Milliarde Euro zu verdreifachen. Im Pharma-Bereich hofft der Manager auf bessere Geschäfte durch die 2005 erfolgte Stärkung des Patentschutzes, die für höhere Preise sorgt - und damit für eine schlechtere Versorgung der Bedürftigen mit Medikamenten. Die größten Profite soll aber die Landwirtschaftssparte einfahren. Bereits jetzt Marktführer bei Pestiziden, will BAYER CROPSCIENCE den Staat in Zukunft noch verstärkt mit hybridem Reis beglücken, den die LandwirtInnen nicht wieder aussähen können und deshalb jedes Jahr neu kaufen müssen. Zudem plant der Agro-Riese die Vermarktung von genmanipulierter Baumwolle, obwohl bereits die Baumwolle made by MONSANTO viele indische FarmerInnen ins Unglück gestürzt hat.

Wenning gegen ALG-I-Verlängerung
BAYER-Chef Werner Wenning hat sich gegen eine Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I ausgesprochen. „Es ist ein großer Irrtum, wenn man hier Teile der Agenda 2010 wieder zurückdreht“, sagte der 3,3 Millionen Euro im Jahr verdienende Vorstandsvorsitzende. „Das ist der absolut falsche Weg“, warnt er. Der richtige wäre seiner Meinung nach eine Senkung der Lohnnebenkosten. Und auf eben diesen hat sich die Große Koalition dann ja zusätzlich zur ALG-I-Reform auch begeben und dem Leverkusener Multi so zu einem netten Millionengeschenk verholfen.

BAYERs Kulturverständnis
Der Leverkusener Multi inszeniert sich gerne als großer Kulturförderer. Auch die Bundesrepublik setzt auf die „soft power“ der auswärtigen Kulturpolitik zur Öffnung der Märkte. In China wollte man zwar nicht so klotzen wie etwa Frankreich, das für 40 Millionen Euro einen „kulturellen Dialog“ mit dem Land führt, aber 400.000 Euro für ein „deutsch-chinesisches Kulturjahr 2009“ sollten schon drin sein. Flugs setzte die Bundesregierung sich mit der Wirtschaft zwecks finanzieller Unterstützung in Verbindung. Dabei taten sich dann allerdings unverhofft Probleme auf. Als es ans Bezahlen ging, mochten BAYER & Co. nämlich von repräsentativen Dichtern & Denkern und schönen Künsten nicht mehr viel wissen. Damit die Investition sich auch lohnt, sollte statt profit-ferner Geistesgrößen die Initiative „Deutschland - Land der Ideen“, der auch BAYER angehört, die Public-Relation-Arbeit übernehmen. Und so kam es dann auch. Jetzt steht die Standort-Werbung auf den drei Säulen „Kultur“, „Wirtschaft“ und „Wissenschaft“, und bei der Vorbereitung des Events schaut dem Goethe-Institut eine Vertretung der Wirtschaft und eine Agentur für „Nation-Branding“ auf die Finger.

Strom-Deal mit RWE
Die gestiegenen Strom-Kosten für Privathaushalte kümmern die Politik nicht groß. Die Klagen von BAYER & Co. über zu hohe Energiepreise hingegen bewogen die Verantwortlichen zum Handeln. So hat sich das Kartellamt mit RWE auf einen Deal geeinigt. Die Behörde zieht die Kartellklage wg. der Einpreisung der kostenlos zugeteilten Kohlendioxid-Verschmutzungsrechte zurück, und RWE versteigert dafür im Gegenzug Strom für BAYER & Co. auf einer Auktion. Das ergebe „hinreichende Preisvorteile für die Industriekunden“, meldete ein Kartellamtssprecher Vollzug.

Bund fördert Pharmaforschung
Die Bundesregierung kündigte an, die Pharmaforschung von BAYER & Co. bis zum Jahr 2011 mit 800 Millionen Euro zu subventionieren. Ein Schwerpunkt wollen die PolitikerInnen dabei auf die Genmedizin und die Grundlagenforschung legen. Die Förderung versteht sich zudem als strukturpolitische Maßnahme zur weiteren Annäherung von Wissenschaft und Wirtschaft. Geld sollen nämlich nach Angaben von Bundesforschungsministerin Annette Schavan nur Konsortien aus Konzernen und Universitäten bekommen, welche die gesamte Wertschöpfungskette eines Präparates, von den ersten Entwicklungsschritten bis hin zur klinischen Prüfung, im Auge hätten.

Konvent will mehr Steuer-Föderalismus
BAYERs Aufsichtsratschef Manfred Schneider betätigt sich zusätzlich zu seinem Leverkusener Job nicht bloß noch als Aufseher bei ALLIANZ, LINDE, DAIMLER, METRO, RWE und TUI, er gehört auch noch dem „Konvent für Deutschland“ an. Dort befindet er sich in der zweifelhaften Gesellschaft von Otto Graf Lambsdorff, Roman Herzog, Wolfgang Clement und Klaus von Dohnanyi. Ein besonderes Anliegen ist dem exklusiven Club die Förderalismusreform, da er in dem Vorhaben eine große Chance zur weiteren institutionellen Verankerung des Neoliberalismus sieht. „Wir brauchen mehr Wettbewerb unter den Ländern“, mahnte Wolfgang Clement im Namen des Konvents und forderte mehr Länderkompetenzen in der Steuerpolitik ein. Das weitere Auseinandergehen der Schere zwischen reichen und armen Bundesländern nehmen die KonventlerInnen dabei gerne in Kauf, weil das die föderale Standort-Konkurrenz anfacht. Die in der Verfassung festgeschriebenen „einheitlichen Lebensverhältnisse“ sähe Roman Herzog deshalb gerne zu „gleichwertigen“ herabgestuft, und den Länderfinanzausgleich wollen Schneider & Co. auch auf den Müllhaufen der Geschichte werfen.

Schnappauf neuer BDI-Geschäftsführer
Der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) hat den bayerischen Landesminister für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, Werner Schnappauf, zum neuen Geschäftsführer ernannt. Der Industrie-Verband sieht im Zuge der Debatte um die Kohlendioxid-Emissionen offenbar härtere Zeiten auf sich zukommen und wappnet sich für die Diskussionen mit einem „der profiliertesten deutschen Politiker in der Klima-, Umwelt- und Energiepolitik“ (O-Ton BDI).

Plischke neuer VFA-Chef
Der BAYER-Manager Wolfgang Plischke steht seit neuestem dem vom Leverkusener Chemie-Multi mitgegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller“ (VFA) vor. Der im Konzern-Vorstand für Innovation, Technik, Umweltschutz sowie für die Asien/Pazifik-Region zuständige Plischke will während seiner Amtszeit „eine Lanze brechen für den Pharma-Standort Deutschland“ im Allgemeinen und die BAYER-affine Rheinschiene im Besonderen sowie für (noch) mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen eintreten. Zudem kündigte er an, dem bei den Pillen-Produzenten äußerst unbeliebten „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWG) das Leben schwer zu machen und im Hinblick auf 2009 schon einmal den Wahlkampf der Pharma-Riesen vorzubeiten.

Große Entrup im ECONSENCE-Vorstand
Wolfgang Große Entrup steht dem BAYER-Stab „Politik und Umwelt“ vor und leitet die Umweltkommission beim CDU-Wirtschaftsrat. Da durfte er bei „econsense“, einer auf umweltpolitisches Lobbying spezialisierten Ausgründung des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“, nicht fehlen. Die Organisation wählte ihn in den Vorstand.

Solaro leitet Verbindungsbüro
Im Oktober 2003 hatte der Leverkusener Chemie-Multi seine Berliner Repräsentanz am Pariser Platz in unmittelbarer Nähe zum Regierungsviertel bezogen. „Wir bei BAYER verstehen uns als Bestandteil der Gesellschaft und sehen es daher als unsere Pflicht, uns in die gesetzgeberischen Entscheidungsprozesse einzubringen“, sagte BAYER-Chef Werner Wenning in seiner Eröffnungsrede zum Sinn und Zweck des Verbindungsbüros. Seit Mai 2007 hat es mit Patricia Solaro eine neue Leiterin.

Agrarsubventionen für Bauer BAYER
Die EU macht‘s möglich: Sie betrachtet BAYERs Experimente mit Zuckerrüben und Getreide auf dem Versuchsgut Laacher Hof als landwirtschaftliche Aktivität und überwies dem Global Player 100.000 Euro an Agrarsubventionen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Virtueller Klimaschutz
Und immer wieder rettet BAYER das Klima - zumindest virtuell. Ende November 2007 kündigte der Leverkusener Multi großspurig an, eine Milliarde Euro in den Klimaschutz zu investieren und feierte sich darob gleich selbst als Umweltengel - und viele Medien feierten mit. Bei genauerem Hinsehen entpuppte sich das vom „Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung“ als „strategisch geschickt“ gelobte Brimborium allerdings als potemkinsches Dorf. Die 25 Prozent, um die der Konzern bis zum Jahr 2020 den Ausstoß von Kohlendioxid reduzieren will, verstand BAYER-Chef Werner Wenning nicht als absolute Zahl, er setzte sie vielmehr in Relation zur verkauften Produktmenge - was auch die CO2-Einsparungen relativiert. Und auch sonst blieb außer einem mehr oder weniger klima-relevanten Kessel Buntes - schadstoffarme Firmenwagen, ein Null-Emissionshaus in Indien, Biokraftstoff-Pflanzen und widerstandfähigere Ackerfrüchte - nicht viel übrig. Von den avisierten Umweltsünden wie dem - wohl Makulatur bleibenden (siehe WASSER, BODEN & LUFT) - Kohlekraftwerk in Krefeld und den auf den Antwerpener und Brunsbütteler Werksarealen geplanten Klimakillern redete der Ober-BAYER selbstverständlich nicht - aber die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. „Eine Pressekonferenz zum Thema Klimaschutz, zu der Journalisten aus aller Welt eingeflogen werden, macht keinen Sinn, wenn das in Sachen Klimaschutz problematischste Projekt des Unternehmens mit keinem Wort erwähnt wird. Was ist das Gerede von „Klima-Check“ und „holistischem Ansatz“ wert, wenn dadurch der Einsatz einer solchen Dinosaurier-Technologie nicht verhindert wird? Bei einer Lebensdauer von 40-50 Jahren würde das Steinkohlekraftwerk bis zur Mitte des Jahrhunderts Klima und Umwelt schwer belasten“, erklärte die CBG in einer Presseveröffentlichung, die viele Zeitungen aufgriffen.

Springer hetzt
Ende August 2007 wollte BAYER als Ausrichter einer Konferenz der UN-Umweltbehörde UNEP, an der 150 junge UmweltschützerInnen aus aller Welt teilnahmen, weiter an seinem grünen Image feilen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte gegen die Alibi-Veranstaltung und präsentierte der Öffentlichkeit das Umweltsündenregister des Konzerns, was auf breite Resonanz stieß. Das bewog den Chemie-Multi jetzt, entgegen sonstiger Gepflogenheiten doch mal das böse C-Wort in den Mund zu nehmen und Gegenaufklärung zu betreiben. In der Propaganda-Postille direkt nahm sich BAYERs Chef-Kommunikator Heiner Springer der Coordination an. „Wenn wir sehen, wie eine Gruppe namens ‚COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN‘ gegen das Unternehmen agitiert - und das seit fast 30 Jahren, dann muss man sich die Frage stellen: Was ist das wirkliche Ziel dieser Menschen, die ja mit Aktien unseres Unternehmens ausgestattet sind. Dividende wird also kassiert ... Klar ist für mich: Sie sind gegen unser Gesellschaftssystem, gegen das so genannte ‚Groß-Kapital‘“, schrieb er unter der Überschrift „Nur meckern ist einfach zu wenig“. Der Verweis auf die DKP-Mitgliedsschaft eines CBG-Vorstands durfte in seiner Suada natürlich auch nicht fehlen - der erfolgt immer, wenn der Konzern sich durch die CBG besonders in die Defensive gedrängt fühlt.

BAYER & Co. warnen vor Atomausstieg
Eine unter anderem vom „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) in Auftrag gegebene Studie prognostiziert für das Jahr 2030 Strompreis-Erhöhungen von bis zu 50 Prozent, falls die Bundesregierung weiterhin auf erneuerbare Energien setzt und am Atomausstieg festhält. Weil BAYER & Co. dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährdet sehen, wollen sie an AKWs als Standortfaktoren festhalten.

VFA lanciert Arzneimittel-Atlas
Der „Arzneimittelverordnungs-Report“ gibt alljährlich einen Überblick über den bundesdeutschen Pillen-Markt. Den Pharma-Riesen fällt dieser jedoch immer entschieden zu kritisch aus, weshalb der von BAYER mitgegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) zur Tat schritt und mit dem „Arzneimittel-Atlas“ ihr eigenes Kompendium lancierte. Bittere Pillen macht die Publikation kaum aus. Wundersam angestiegene Pharma-Umsätze sind ihr nicht etwa ein Zeichen von Überversorgung, sondern eines Vordringens der Arzneien zu bisher unbehandelten PatientInnen. Auch die mit bloß schein-innovativen Medikamenten gemachten Profite schätzt er mit 143,6 Millionen Euro weit geringer ein als der „Arzneimittelverordnungs-Report“, der auf 442 Millionen kommt. „Insgesamt muss der Arzneimittel-Atlas als ein nur allzu durchsichtiger Versuch der Pharma-Industrie bewertet werden, mit etwas wissenschaftlichem Brimborium Nebel über die immer noch in hohem Maße irrationale Arzneimittel-Therapie in Deutschland zu verbreiten“, lautet deshalb das Fazit der BUKO PHARMA-KAMPAGNE.

BAYERs Tag des Alltagsschmerzes
BAYER hat gemeinsam mit dem deutschen Apotheker-Verband und der Schmerzklinik Kiel einen Alltagsschmerz-Tag initiiert. Für den Leverkusener Multi gehört Schmerz nämlich zum Alltag. 91 Prozent der Menschen zählten zu den Betroffenen, behauptet er mit Berufung auf das Robert-Koch-Institut, und also auch zu den potenziellen ASPIRIN-Kunden. Dieses Marktsegment galt es mit dem Alltagsschmerztag zu erschließen.
„Das Schlechteste, was man tun kann, ist, den Schmerz nicht zu behandeln“, weiß deshalb der Herr Professor Hartmut Göbel und wird noch konkreter: „Die aktuelle Datenlage zeigt, dass IBUPROFEN, ASPIRIN oder PARACETAMOL als Einzelwirkstoffe vergleichbar gut verträglich sind“. Aber „vergleichbar“ ist immer relativ. Die dem Mediziner von der Kölner Schmerzklinik offenbar verborgen gebliebenen neueren Datenlagen dokumentieren nämlich einmal mehr die Gefährlichkeit von ASPIRIN. So erhöht das Mittel nach einer Studie der Universität Oxford das Risiko für durch Blutungen im Gehirn ausgelöste Schlaganfälle, da es den Blutfluss anregt (Ticker 3/07).

BAYER sponsort ESSM-Kongress
Beim 10. Kongress der „European Society of Sexual Medicine“ (ESSM), der standesgemäß im malerischen Lissabon standfand, trat BAYER als einer der Hauptsponsoren auf. Das war der Leverkusener Multi der ESSM und dessen Geschäftsführer John Dean aber auch schuldig. Die Gesellschaft half BAYER mit ihrer Studie „Sex and the Modern Woman“ nämlich gehörig, den Verkauf des Potenzstörungsmittels LEVITRA anzukurbeln. Die vom Leverkusener Multi finanzierte Untersuchung stellte nicht nur ein für alle Mal die Überlegenheit von LEVITRA gegenüber VIAGRA fest, sondern versuchte die Männer darüber hinaus auf eine perfide Art zum BAYER-Kunden zu machen: über die Frau. So betrachten angeblich 76 Prozent aller Frauen die „erektile Dysfunktion“ ihres Partners als eine Belastung, während sich 72 Prozent zufrieden über die pharmakologischen Behandlungsmöglichkeiten äußerten. Da es sich bei der „erektilen Dysfunktion“ aber in den meisten Fällen überhaupt nicht um ein Krankheitsbild, sondern um eine ganz normale Alterserscheinung handelt, hat der Report zur Umsatzsteigerung „ein neues Profil identifiziert“, das gleich auf 48 Prozent der Teilnehmerinnen zutraf: Die „vitalsexuelle Frau“ über 40. Diese legt auch im fortgeschrittenen Alter noch viel Wert auf ein spontanes Sexualleben und die Zufriedenheit des Partners. Solchen Ansprüchen, denen die vitalsexuelle Ex-Frau von Mick Jagger, Jerry Hall, bei der Vorstellung der Expertise leibhaftigen Ausdruck verlieh, soll mann dann mit LEVITRA genügen.

BAYER sponsort Verhütungstag
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur Freude des Leverkusener Multis erfreut sich diese Ansicht auch heute noch großer Beliebtheit, die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel aus Leverkusen. Um die Geschäftsaussichten für YASMIN & Co. noch ein wenig zu verbessern, hat der Pharma-Riese jetzt gemeinsam mit der „European Society of Contraception“ und anderen Organisationen den 21. September medienwirksam zum „Weltverhütungstag“ erklärt und mit einer Großspende die Durchführung ermöglicht.

BAYERs Bevölkerungspolitik
Familienplanung sei ein Schlüssel für Nachhaltige Entwicklung, sagte der UNICEFler Ingar Brüggemann beim „6. internationalen Dialog über Bevölkerung und Nachhaltige Entwicklung“. Um solche Sätze zu hören, hat BAYER die Veranstaltung mitorganisiert. Der Leverkusener Multi verfügt nämlich mit YASMIN und anderen Kontrazeptiva über die geeigneten „Planungsinstrumente“, die - mit freundlicher Unterstützung des Entwicklungshilfeministeriums - auf Absatz in der „Dritten Welt“ hoffen. In der Berichterstattung über die Konferenz stieg der Pillen-Riese sogar selbst zum Entwicklungshelfer auf. „Der 6. Internationale Dialog, an dem 120 Politiker, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen sowie Wissenschaftler aus rund 15 Ländern teilgenommen haben, wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung gemeinsam mit der BAYER SCHERING PHARMA AG und anderen Entwicklungsorganisationen veranstaltet“, meldete die Nachrichtenagentur ddp.

SchülerInnen produzieren Löffel
Graue Theorie ohne praktischen Bezug nützt nichts, meint die an einem Erftstädter Gymnasium Chemie lehrende Julia Schneider, und schickte ihre Schüler zur Bewährung in die BAYER-Produktion. Dort mussten die ZwölfklässerInnen im Schülerlabor Eierlöffel herstellen und vom Design über die Fertigung bis zur Vermarktung alles selber in die Hand nehmen. „Chemie ist, wenn am Ende ein Produkt dabei herauskommt“, diese BAYER-Lektion dürften die Eleven also gelernt haben.

DRUGS & PILLS

Aus für TRASYLOL
Nachdem eine neuerliche Studie BAYERs zur Blutstillung bei Herz-OPs eingesetzter Arznei TRASYLOL wiederum tödliche Nebenwirkungen bescheinigt hatte, zog die US-Gesundheitsbehörde FDA endlich die Konsequenz und forderte den Leverkusener Pillen-Riesen zu einem Vermarktungsstopp auf (siehe auch SWB 4/07).

Aus für TOCOSOL
Der Leverkusener Multi und sein Kooperationspartner SONUS haben die Entwicklung des Brustkrebs-Medikamentes TOCOSOL in der dritten und letzten Phase der klinischen Erprobung gestoppt. Die Arznei, mit der BAYER einen Jahresumsatz von 250 Millionen Euro machen wollte, wirkte nicht besser als das Vergleichsmittel TAXOL und hatte darüber hinaus mehr Nebenwirkungen.

Nierentransplantation wg. ASPIRIN & Co.?
Sporttreiben ist allzu oft eine schmerzvolle Angelegenheit. Um das vergessen zu lassen, schlucken die AthletInnen ASPIRIN und andere Präparate in rauhen Mengen (Ticker berichtete mehrfach). Welche katastrophalen Folgen das haben kann, zeigte jetzt der Fall „Ivan Klasnic“. Der Fußballprofi von Werder Bremen musste sich unlängst einer Nierentransplantation unterziehen - vermutlicher Grund nach Ansicht des Bremer Professors Arno-Ekkehart Lison: jahrelanger Schmerzmittel-Missbrauch.

Rückschlag für BETAFERON
Für den meisten Profit in BAYERs Pharma-Sparte sorgt das Multiple-Sklerose-Mittel BETAFERON mit einem Jahresumsatz von einer Milliarde Euro. Allerdings dürften die besten Tage des Medikamentes gezählt sein, da das Patent bald ausläuft und die Präparate der Konkurrenz zunehmend Marktanteile gewinnen. Darum musste sich der Leverkusener Multi etwas einfallen lassen, um die Lebenserwartung seines Megasellers zu erhöhen. Im Zuge des „Life-Cycle-Managements“, wie der Fachausdruck in Pharmakreisen lautet, erprobte BAYER zwecks Erlangung eines neuen Patentes eine BETAFERON-Version mit doppelter Wirkstoffmenge. Die Ergebnisse enttäuschten jedoch. Weder gegenüber dem alten BETAFERON noch gegenüber den Arzneien der Mitbewerber ergaben sich Therapie-Vorteile, so dass der Pharma-Riese die Entwicklung einstellen musste.

Hörschäden durch LEVITRA
Die Einnahme von LEVITRA und anderen Mittel gegen „erektile Dysfunktion“ kann zu Hörschäden führen. MedizinerInnen meldeten bei der US-Gesundheitsbehörde FDA Fälle von plötzlicher Taubheit, Tinnitus, Schwindel und Höhenangst. Die FDA reagierte prompt und zwang BAYER & Co., ihre Beipackzettel mit entsprechenden Warnhinweisen zu versehen. Zu den weiteren Nebenwirkungen von LEVITRA zählen Blindheit, Kopfschmerzen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome sowie Gesichtsrötungen.

Black-Box-Warnung wg. MAGNEVIST
In den USA hat das Kontrastmittel MAGNEVIST 2004 den Tod eines Menschen verursacht. Der 24-jährige Trevor Drake verstarb während einer Tomographie kurz nach der Injektion des Mittels (siehe Ticker 2/07). Bei dem nierenkranken Patienten hat der Inhaltsstoff Gadolinium eine Fibrose - ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes - hervorgerufen, die zu einem Organversagen führte. Seine schwer geschädigten Nieren konnten MAGNEVIST nur so langsam abbauen, dass das hochgiftige Gadolinium aus seiner chemischen Umhüllung gedrungen ist und die Fibrose ausgelöst hat. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat deshalb unlängst die Anwendung von Gadolinium-haltigen Kontrastmitteln bei Nierenkranken untersagt und den Leverkusener Multi, zu dessen Produktpalette die Arznei seit dem Aufkauf von SCHERING gehört, sowie die anderen Hersteller dazu verpflichtet, auf den Beipackzetteln künftig deutlich vor dieser Komplikation zu warnen. Dies half aber offenbar wenig. Nachdem die FDA 250 neue Berichte über Komplikationen erhalten hatte, entschloss sich die Behörde, noch deutlicher zu werden. Sie zwang BAYER und drei andere Hersteller von Kontrastmitteln, „Black-Box-Warnungen“ auf den Packungen anzubringen - in den USA deutlichste Form, Risiken und Nebenwirkungen eines Medikamentes anzuzeigen.

Aus für BfArM-Reform
Laut Koalitionsvertrag sollte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) „eine international konkurrenzfähige Zulassungsagentur werden“, statt den Risiken und Nebenwirkungen der Arzneien von BAYER & Co. wirklich auf die Spur zu kommen. Zu diesem Behufe wollte Gesundheitsministern Ulla Schmidt die Behörde, die schon jetzt Medikamente so schnell zulässt wie keine andere in Europa, von Geldern der Pharma-Industrie abhängig machen und die staatliche Unterstützung noch weiter zurückfahren. Dies ging aber selbst der CDU zu weit. „Der Schutz der Gesundheit der Patienten ist höherrangiger als das Interesse der Hersteller an der ungehinderten Vermarktung ihres Produktes“, belehrte deren Vize-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Zöller die Gesundheitsministerin. Das sorgte für erheblichen Streit in der Großen Koalition. Aber letztendlich musste Schmidt nachgeben und den Gesetzesentwurf zurückziehen, woraufhin sich auch Reinhard Kurth als BfArM-Chef zurückzog.

Arznei-Kosten: plus 7,7 Prozent
Und ewig steigen die Pillen-Preise: Von Januar bis September 2007 mussten die Krankenkassen für ärztliche Verordnungen 7,7 Prozent mehr ausgeben als im letzten Jahr. Die Pharma-Riesen machen dafür wider besseren Wissens die Mehrwertsteuer-Erhöhung verantwortlich, auf deren Konto lediglich 2,7 Prozent der Mehrkosten gehen. Besonders gern zücken die MedizinerInnen im Ostteil der Republik den Rezeptblock zugunsten von BAYER & Co.. 425 Euro verdienen die Pillen-Produzenten dort jährlich pro Kassenpatient, während sie im Westen „nur“ 370 Euro einstreichen. „Die Pharma-Vertreter haben im Osten seit der Wiedervereinigung einfach ganze Arbeit geleistet“, mit diesen Worten erklärt Leonhard Hansen von der „Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein“ die Schieflage.

Netzhaut-Präparat im Test
BAYER entwickelt gemeinsam mit dem Unternehmen REGENERON ein Medikament gegen die oft zu Blindheit führende Netzhaut-Erkrankung „Makula-Degeneration“. Das Präparat, welches das Absterben von Netzhautzellen unterbinden soll, befindet sich momentan in der dritten und letzten Phase der klinischen Erprobung. Der Leverkusener Multi rechnet mit einem Umsatz-Potenzial von 250 bis 500 Millionen Euro.

Neues Antibiotikum
Das US-Unternehmen NEKTAR THERAPEUTICS entwickelt für BAYER ein neues Antibiotikum zur Behandlung von Lungenentzündungen und erhält dafür vom Leverkusener Multi 175 Millionen Dollar.

Immer mehr Nebenwirkungen
Die Zahl der Behandlungsfälle wegen Arzneimittel-Nebenwirkungen hat in den USA stark zugenommen. Während die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA im Jahr 1998 „nur“ 35.000 Meldungen über unerwünschte Medikamenten-Effekte erhielt, erhöhte sich die Zahl bis 2005 auf fast 90.000. Die Todesfälle nahmen dabei fast um das Dreifache zu: 15.000 Menschen starben durch Pharmazeutika. Das „Institute of Social and Preventive Medicine ( ISPM) macht neben Opiaten und Diabetes-Präparaten auch biotechnologische Produkte wie BAYERs zur Behandlung von Multipler Sklerose eingesetztes BETAFERON für den alarmierenden Befund verantwortlich.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Endosulfan-Vergiftung in Brisbane
Im australischen Hafen Brisbane hatte ein Pestizid-Container mit dem Bestimmungsziel „BAYER“ ein Leck, durch das Endosulfan austrat. Ein Hafenarbeiter kam in Kontakt mit der Substanz und zog sich eine lebensgefährliche Chemikalien-Vergiftung zu.

Mehr Auflagen für Endosulfan
Der Pestizid-Wirkstoff Endosulfan, enthalten in den BAYER-Produkten MALIX, PHASER und THIODAN, ist in der Bundesrepublik wegen seiner Gefährlichkeit bereits verboten. Unter Auflagen darf ihn der Leverkusener Multi jedoch noch in Länder der „Dritten Welt“ exportieren. Im Juli 2007 hat sich die Europäische Kommission nun dafür ausgesprochen, das Mittel gemeinsam mit dem ebenfalls in BAYER-Mitteln enthaltenden Trifluralin (siehe WASSER, BODEN & LUFT) auf die Liste der Stockholmer Konvention für besonders giftige Substanzen zu setzen und damit sein Verschwinden von allen internationalen Märkten einzuleiten. „Wegen des Potenzials dieser Chemikalien zum weiträumigen Transport in die Umwelt kann ein hohes Schutzniveau für die Umwelt und die menschliche Gesundheit nicht allein durch Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedsstaaten oder der Gemeinschaft gewährleistet werden“, hieß es aus Brüssel zur Begründung.

Kombinationswirkung mit dem Klimawandel
Pestizide vermindern die Fähigkeit von Fischen, die Folgen des Klimawandels wie die Erwärmung des Wassers zu bewältigen. Zu diesem Schluss kommt eine australische Studie, welche die Zeitschrift Environmental Toxicology and Chemistry (Vol. 26, No. 7) veröffentlichte. Süßwasser-Fischarten, die den Wirkungen der Ackergifte Chlorpyrifos und Endosulfan (enthalten in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER bzw. MALIX, PHASER und THIODAN) ausgesetzt waren, konnten sich deutlich schlechter an die gestiegenen Temperaturen ihres Lebensraumes anpassen als ihre von Agrochemikalien verschont gebliebenen Artgenossen.

Bienensterben durch IAPV?
In den USA verendeten seit 2006 über eine Million Bienenvölker; die Bestände dezimierten sich um 70 Prozent (siehe auch SWB 3/07). Die Ursache hatten die WissenschaftlerInnen bisher nicht ergründen können. Viele hatten aber das schon lange als „Bienenkiller“ in der Kritik stehende BAYER-Pestizid GAUCHO in Verdacht. Ian Lipkin und sein Forscherteam von der Columbia-Universität lieferten jetzt eine andere Erklärung. Sie machen das „Israeli Acute Paralysis Virus“ (IAPV) für das Massensterben verantwortlich, das in Israel viele Bienen getötet hat. Ein direkter Nachweis gelang ihnen jedoch bisher nicht. Nicht nur weil die US-amerikanischen Bienen nicht die gleichen Krankheitsymptome zeigten wie die israelischen, lässt die IAPV-Theorie noch viele Fragen offen.

ALS-Krankheit durch Pestizide?
In Italien erkranken immer mehr Menschen am „Lou-Gehrig-Syndrom“ (ALS). Da vor allem Fußballer und LandwirtInnen von der Nervenkrankheit betroffen sind, vermutet der in Doping-Sachen ermittelnde Staatsanwalt Raffaele Guariniello bei den Sportlern neben leistungsfördernden Medikamenten und Überbelastung auch Pestizide als Ursache, mit denen die Kicker auf den Fußballfeldern in Berührung kommen.

Frühgeburten durch Pestizide
Nach einer Studie US-amerikanischer ForscherInnen von der Universität Indiana können Pestizide Frühgeburten auslösen. Ihrer Untersuchung zufolge stieg zur Hauptzeit des Pestizid-Einsatzes im Mai und Juni auch regelmäßig die Zahl der vorzeitig zur Welt gekommenen Babys an.

PAN: Haushaltsgifte verbieten!
Pestizide für den Hausgebrauch wie z. B. das BAYER GARTEN GARTENSPRAY oder die BAYER GARTEN COMBISTÄBCHEN enthalten in gleicher Weise Imidacloprid und andere gefährliche Substanzen wie Ackergifte und können aus diesem Grund in gleicher Weise nicht nur Schadinsekten, sondern auch Bienen und Fische töten. Um das Biotop „Garten“ besser zu schützen, fordert das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) deshalb eine Verschärfung der Zulassungsbedingungen für diese Chemikalien. „Die Gesetzgeber auf nationaler und europäischer Ebene müssen hier endlich Verantwortung übernehmen. Mittel mit negativen Auswirkungen auf den Naturhaushalt, die von Laien eingesetzt werden, müssen aus der Zulassung herausgenommen werden“, verlangt die PAN-Aktivistin Carina Weber.

GENE & KLONE

Neues Gensoja
Die „grüne Gentechnik“ hat zwar immer noch nicht so recht Fuß gefasst, stößt aber bereits an Grenzen. Die Schadinsekten und Unkräuter werden mit der Zeit nämlich genauso immun gegen bestimmte Pestizide, wie es die Ackerfrüchte dank der Gentechnik „von Geburt an“ sind, und trotzen deshalb ebenso wie diese den chemischen Keulen. Darum planen die Unternehmen, von den agrochemikalischen Monokulturen Abschied zu nehmen. So will BAYER gemeinsam mit MERTEC und M.S. TECHNOLOGIES eine Sojabohnen-Art entwickeln, die sowohl gegen Glyphosat (Wirkstoff von GLYPHOS und USTINEX G) als auch gegen Isoxaflutol (Wirkstoff von BALANCE) resistent ist. Das soll dann eine „flexiblere Unkrautbekämpfung“ ermöglichen.

Genreis im Bier
GREENPEACE hat in US-amerikanischem Bier Spuren von BAYERs Genreis der Sorte LL601 entdeckt, der im Jahr 2006 durch die Verunreinigung von konventionellem Supermarkt-Reis bereits einen Skandal ausgelöst hatte (siehe SWB 4/06). Fündig wurden die UmweltschützerInnen bei dem BUDWEISER herstellenden Unternehmen ANHEUSER-BUSCH, das zum Brauen Reis verwendet. Drei von vier Proben aus den Reis-Mühlen des Konzerns wiesen Spuren von LL601 auf. Gegen Gesetze verstößt der Konzern damit allerdings nicht - die US-Regierung hatte nach dem Gen-GAU nämlich nichts Eiligeres zu tun, als BAYERs Labor-Entwicklungen nachträglich die Genehmigung zu erteilen. Nur die Exportmärkte stehen dem gegen das Anti-Unkrautmittel LIBERTY resistenten Reis nicht offen. „ANHEUSER-BUSCH muss eine Erklärung über den Grad der genetischen Verunreinigung des zum Brauen von BUDWEISER verwendeten Reis‘ abgeben und Auskunft über die Maßnahmen erteilen, die sicherstellen, dass das Bier nicht die Exportmärkte erreicht“, forderte die GREENPEACE-Sprecherin Doreen Stabinsky deshalb.

Australien will Genraps
Der australische Bundesstaat New South Wales hat Ende November 2007 bekannt gegeben, das Moratorium für Genraps auslaufen zu lassen und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Vor der Entscheidung hatten 250 Agrar-Betriebe den Ministerpräsidenten vergeblich aufgefordert, den Bann aufrechtzuerhalten. Nicht nur weil die LandwirtInnen jetzt mit einer Verunreinigung ihrer Ernte und infolgedessen einem Wegbrechen der Exportmärkte rechnen müssen, befürchten sie Einkommensverluste. Auf 143 Millionen Dollar jährlich bezifferte das NETWORK OF CONCERNED FARMERS (NCF) das zu erwartende Minus. „Hier geht es um Industrien, die Geld mit den LandwirtInnen machen wollen und nicht für sie“, stellte die NCF-Sprecherin Julie Newman fest.

Genreis-Schaden: 1,2 Milliarden
Im letzten Jahr fand sich genmanipulierter Reis von BAYER massenhaft in herkömmlicher Supermarkt-Ware. GREENPEACE hat jetzt eine erste Bilanz des Flurschadens gezogen, den dieser Gen-GAU angerichtet hat. Nach den Berechnungen der Umweltschutzgruppe belaufen sich die Kosten des Desasters auf 1,2 Milliarden Dollar. Die Lebenmittel-Rückrufe schlugen dabei mit 253 Millionen zu Buche, die Exportverluste für die US-amerikanischen Reis-FarmerInnen in der Saison 2006/07 mit 254 Millionen und die für 2007/08 zu erwartenden mit 445 Millionen. „Es ist sicherlich das einschneidenste Ereignis in der Geschichte der US-amerikanischen Reis-Industrie“, klagt der Verbandssprecher David Coia deshalb.

Genreis-GAU: Ursache unbekannt
Die Wege der Gentechnik sind unergründlich, wie Gentech-GegnerInnen schon seit langem wissen: 14 Monate lang untersuchten die US-Behörden, wie BAYERs Genreis LL601 in herkömmliche Sorten und damit in die Supermärkte gelangen konnte. Aber den ExpertInnen gelang es nicht, den Tatbestand aufzuklären, weshalb sie BAYER auch nicht als eindeutigen Täter überführen und zur Kasse für den angerichteten Schaden (s. o.) bitten mochten.

LL601 erreicht China
Nun also auch China: GREENPEACE hat in chinesischem Supermarkt-Reis Spuren von BAYERs genmanipulierter Sorte LL601 entdeckt, der im Jahr 2006 bereits in den USA und Europa für einen Lebensmittelskandal gesorgt hatte. Da China kaum Reis aus dem Westen importiert, gibt es bisher noch keine Erklärung für die Verunreinigung.

BAYERs Genmais in Österreich?
Die EU hatte den Import von BAYERs gentechnischen verändertem Mais „T25“ und der MONSANTO-Sorte „Mon 810“ genehmigt. Österreich hat die Zulassung jedoch nicht akzeptiert und sich dabei auf das Recht der EU-Staaten berufen, bei Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt Alleingänge vorzunehmen. Gegen dieses nationale Verbot reichten die USA, Kanada und Argentinien umgehend Klage bei der WTO ein. Daraufhin übernahm wieder die EU-Kommission. Aber gegen ihren Versuch, Zwangsmaßnahmen gegen Österreich einzuleiten, votierten zu viele Mitgliedsländer. Eine qualifizierte Mehrheit erreichten diese jedoch nicht, weshalb die Kommission nun das letzte Wort hat, das ein Machtwort sein dürfte. Andernfalls drohen nämlich WTO-Strafzölle.

Auftrieb für die Gentechnik?
Was jahrelang teure PR-Kampagnen nicht vermochten, soll jetzt die Verknappung wichtiger landwirtschaftlicher Güter schaffen: den Boden für einen flächendeckenden Einsatz der grünen Gentechnik bereiten. Der BAYER- CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer spricht bereits von einer „stillen Agrarrevolution“ und bezeichnet die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung als „eine der drängendsten Fragen der Zeit“. Und weil sich da für ihn natürlich die Gentechnik als Antwort aufdrängt, dürfe er sich noch eine Weile als Panikmacher betätigen.

Neue Testphase für Alemtuzumab
Im Rahmen der klinischen Erprobung des Multiple-Sklerose-Wirkstoffes Alemtuzumab, den BAYER gemeinsam mit GENZYME auf gentechnischer Basis entwickelte, haben Vergleichsstudien begonnen, anhand derer der Pharma-Multi die Überlegenheit seines Präparates gegenüber der Arznei REBIF beweisen will. Eine Marktzulassung strebt der Leverkusener Multi für das Jahr 2011 an.

WASSER, BODEN & LUFT

Schmoldt für Kohlekraftwerke
Trotz wohlfeiler Bekenntnisse zum Klimaschutz setzt BAYER zur Deckung seines Energiebedarfs auf die in großen Mengen Kohlendioxid ausstoßenden Kohlekraftwerke. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE trägt diese umweltschädigende Politik mit. „Wenn dem Kernkraft-Tabu nun die Stigmatisierung der Kohle folgt, wird Deutschland energie- und klimapolitisch handlungsunfähig“, so geht Ökologik à la Schmoldt.

Kein Kraftwerk in Krefeld?
Das Engagement der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und vieler anderer AktivistInnen gegen das geplante Kohlenkraftwerk auf dem Krefelder Werksgelände von BAYER scheint Erfolg zu haben. Während die SPD auf Druck der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE ihre ablehnende Haltung aufgab und sich bei dem dafür extra einberufenen Sonderparteitag sogar bundespolitischen Flankenschutz von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel verschaffte, blieb die CDU nach einem partei-internen Diskussionsprozess bei ihrer Position und brachte damit das Projekt vorerst zu Fall.

Ein Kraftwerk in Antwerpen
Zur Deckung seines immensen Energie-Bedarfs will der Leverkusener Multi mehr und mehr auf klimaschädliche Steinkohlekraftwerke zurückgreifen. Sie liefern nämlich den billigsten Strom, und spätestens wenn es ums Geld geht, hört bei BAYER der Umweltschutz auf. So plant der EON-Konzern auf dem Antwerpener Werksgelände des Unternehmens eine 1100-Megawatt-Anlage mit einem CO2-Ausstoß von sechs Millionen Tonnen im Jahr, die den Agro-Riesen und andere Firmen versorgen soll. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und der BUND verurteilten das Vorhaben in einer gemeinsamen Presseerklärung. „Erneut will sich der BAYER-Konzern am Bau eines Klima-Killers beteiligen. Damit konterkariert das Unternehmen sein vollmundiges Versprechen, ‚im Klimaschutz neue Maßstäbe‘ setzen zu wollen. Wie will BAYER zum Klimaschutz beitragen, wenn das Unternehmen bei seinen Zulieferern auf Steinzeit-Technologie setzt?“, kritisierte CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes.

Ein Kraftwerk in Brunsbüttel
Nicht nur in Antwerpen (s. o.), auch auf dem Gelände des Brunsbütteler Chemieparks ist ein klimaschädigendes Steinkohlekraftwerk geplant, das BAYER und andere Unternehmen mit Energie versorgen soll.

Rhein nur „mäßig belastet“?
Vor allem die Stilllegung vieler Betriebe hat die Wasserqualität des Rheins verbessert. Im grünen Bereich ist der Fluss jedoch noch lange nicht. Er gilt momentan als „mäßig belastet“. Schwermetalle finden die ExpertInnen nur noch selten in ihren Proben, „aber ein Problem mit chemischen Stoffen haben wir immer noch“, sagt Stefan Staas von der nordhein-westfälischen Rheinfischerei-Genossenschaft. Vor allem Dioxine und Pestizide tummeln sich weiterhin in dem Gewässer. Die nur „mäßige“ Belastung könnte jedoch auch der nur mäßigen Kontrolle geschuldet sein. Die privatisierten Wasserversorger wie RWE führen nur äußerst laxe Untersuchungen durch, und auch staatliche Stellen bauen entsprechend geschultes Personal ab. Die Wasser-KontrolleurInnen können zudem immer nur das finden, was sie auch suchen, weshalb so manche Chemikalie unentdeckt bleibt (s. u.). Der Nachweis von Perfluorierten Tensiden (PFT) gelang dem „Bonner Institut für Hygiene und öffentliche Gesundheit“ deshalb bloß durch Zufall. Der Skandal führte zu einer Diskussion um eine verbesserte Qualität der Wasseraufbereitung, aber die Industrie scheut teure Investitionen. Der Bonner Wissenschaftler Harald Färber allerdings sieht dringenden Handlungsbedarf: „Wenn wir immer nur die Mindeststandards erfüllen, trinken wir demnächst einen Chemie-Cocktail aus dem Wasserhahn“.

Tolylfluanid im Trinkwasser
Das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) hat BAYER die Zulassung für den Pestizid-Wirkstoff Tolylfluanid entzogen, den der Agro-Riese unter den Produkt-Namen EUPAREN M WG, FOLICUR EM und MELODY MULTI vermarktet (Ticker 2/07). Gelangt die Chemikalie in Flüsse, die zur Trinkwassergewinnung dienen, kann sein Abbauprodukt Diemethylsulfamid im Zuge der Aufbereitung nämlich das gesundheitsgefährdende Nitrosamin bilden, wenn die Wasserversorger zur Entkeimung Ozon einsetzen. Das Verbot hat einige schwäbische Städte veranlasst, ihre Gewässer gezielt nach Tolylfluanid-Rückständen zu untersuchen. Die Ergebnisse waren erschreckend: In mehreren Ortschaften überschritt das Pestizid die Grenzwerte um das Vierfache! Das veranlasste die Behörden aber nicht zum Eingreifen. Mit der Begründung, das Wasserwerk in Schussenthal verwende kein Ozon, erachtete das Kreisgesundheitsamt die Belastung als ungefährlich und erteilte eine bis zum 30. April 2010 geltende Ausnahmegenehmigung für Tolylfluanid-verseuchtes Wasser. „Nicht zumutbar“ sei das, urteilte der Ravensburger Arzt Dr. Friedhelm Struben und schrieb einen Offenen Brief an die KommunalpolitikerInnen. „Wasser ist ein Grundnahrungsmittel. Ich kann doch die Grenzwerte nicht einfach am grünen Tisch ändern, weil es so am bequemsten ist“, erboste er sich.

EU kippt Bodenschutzgesetz
EU-weit sind ca. 3,5 Millionen Grundstücke durch Chemikalien, Schwermetalle oder Dioxin verunreinigt. Die Kosten für die Sanierung dieser Böden beziffert die Brüsseler Kommission auf 38 Milliarden Euro. Darum wollte die Europäische Union ihre Anstrengungen zum Bodenschutz verstärken (Ticker 1/07). Nach einem neuen Richtlinien-Entwurf sollten BAYER & Co. beim Verkauf von Firmen-Arealen künftig Expertisen über die im Erdreich schlummernden Schadstoffe vorlegen müssen. Aber die Vorschläge fanden im Industrie- und Umweltausschuss keine Mehrheit, und die jetzt fälligen Nachbesserungen lassen vom Geist des Gesetzes nicht mehr viel übrig. „Nach dem überarbeiteten Regelungsentwurf würde sich für Deutschland kein Änderungsbedarf ergeben“, schreibt die Faz.

Jährlich 649.000 Tonnen Abfall
649.000 Tonnen Abfall fiel bei der BAYER-Produktion im Jahr 2006 an. Dank dieses hohen Aufkommens droht die Sondermüll-Deponie in Leverkusen-Bürrig in 40 Jahren zum neuen Wahrzeichen der Kommune zu werden. Da die Altlasten sich laut Gesetz noch zu einem 70 Meter hohen Berg auftürmen dürfen, reichen sie bis zum Jahr 2047 bis auf zweieinhalb Meter an den bisherigen Blickfang der Stadt, den Wasserturm, heran.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Bezahlte Bisphenol-Entlastungsstudien
BAYER zählt zu den größten Herstellern der Chemikalie Bisphenol A, die in Alltagsgegenständen wie Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen enthalten ist. Die Substanz wirkt hormon-ähnlich und stört so die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Initiativen fordern deshalb seit langem ein Verbot. Aber BAYER & Co. halten dagegen und geben reihenweise Entlastungsgutachten in Auftrag. Für das letzte engagierten die Multis die Biologin Rochelle Tyl von der Beratungsfirma RESEARCH TRIANGLE INSTITUTE. Früher selbst in Diensten der Chemie-Industrie, hatte sie sich durch mehrere industrie-freundliche Untersuchungen empfohlen und leistete auch diesmal wieder ganze Arbeit. Ihr Studien-Design lieferte das gewünschte verharmlosende Ergebnis, und die EU-Lebensmittelbehörde EFSA setzte umgehend einen neuen Bisphenol-Grenzwert fest, der den VerbraucherInnen das Fünffache der bisher gerade noch als verträglich angesehenen Bisphenol-Dosis zumutet.

BUND warnt vor Quecksilber-Belastung
Das Schwermetall Quecksilber, von dem BAYER im Jahr 2004 ca. 33 Kilogramm in die Gewässer leitete, gehört zu den gefährlichsten Substanzen auf der Welt. Sie vergiftet Mensch, Tier und Umwelt in immer größerem Maße. Nach einer vom BUND mit in Auftrag gegebenen Studie, die 250 Frauen aus 21 Ländern untersuchte, wiesen 15 Prozent der Testpersonen eine über dem Grenzwert liegende Quecksilber-Belastung auf.

NANO & CO.

BAYER & Co. blocken bei Nano-Gefahren
Nano ist das griechische Wort für Zwerg. Die Nano-Technologie beschäftigt sich folglich mit klitzekleinen Materialien. So entwickelten BAYER-ForscherInnen winzige Duftkapseln, die Chemie-Leder wieder den Originalgeruch verschaffen sollen. Eine andere Abteilung will Kunststoffen durch die Einarbeitung von Nanoröhrchen aus Kohlenstoff zu mehr Härte und Leitfähigkeit verhelfen. Und Folien made by BAYER halten jetzt dank luftabhaltender Nanopartikel industriell produzierte Lebensmittel länger frisch. Der Leverkusener Chemie-Multi erwartet von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze, nur leider teilt diese die schlechten Eigenschaften vieler alter Technologien: Sie stellt ein Risiko für Mensch, Tier und Umwelt dar. Das räumt sogar der Konzern selber ein. „Bei vielen unlöslichen Nanomaterialien ist derzeit nicht auszuschließen, dass die inhalative Aufnahme dieser besonders kleinen Partikel am Arbeitsplatz zu Gefährdungen führen kann“, heißt es in dem vom „Verband der Chemischen Industrie“ gemeinsam mit der „Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“ herausgegebenen „Leitfaden für Tätigkeiten mit Nanomaterialien am Arbeitsplatz“. Einer besseren Vorsorge verweigern sich BAYER & Co. aber trotzdem. Die Ergänzung des Chemikaliengesetzes um die Substanzklasse „Nanochemikalien“, wie sie der BUND fordert, lehnen die Multis ab. Sie möchten die Stoffe weiterhin als ganz normale Chemikalien behandelt sehen, ohne gesonderte Genehmigungsverfahren, Kennzeichnungspflichten und Verbotsregelungen.

Nano-Eishockeyschläger
BAYER hat einen Eishockeyschläger entwickelt, den eine Schicht aus Nano-Röhrchen umgibt, was das Sportgerät angeblich haltbarer und treffsicherer macht.

CHEMIE & WAFFEN

15 Tote bei Chemiewaffen-Unfall
Bei der Entwicklung chemischer Kampfstoffe haben BAYER-Forscher eine bedeutende Rolle gespielt. Fritz Haber entwickelte während des Ersten Weltkrieges das Senfgas, 1936 synthetisierte Gerhard Schrader Sarin und das von US-WissenschaftlerInnen zusammengebraute Giftgas VX basierte auf einem Patent des Leverkusener Multis. Diese tödlichen Stoffe befinden sich immer noch in den Waffenarsenalen vieler Armeen. Zuletzt verwendete sie Saddam Hussein 1987 und 1988 bei seinen Attacken auf kurdische Dörfer; seinen auch „Chemie-Ali“ genannten willigen Vollstrecker Ali Hassan al Madschid hat ein irakisches Gericht deshalb in diesem Jahr zum Tode verurteilt. Im Juli kam es nun in Syrien zu einem verheerenden Chemiewaffen-Unfall. Bei einer iranisch-syrischen Truppenübung in Aleppo explodierte eine mit Sarin, Senfgas und VX ausgerüstete Scud-Rakete. 12 Soldaten und mehrere Ingenieure starben, zahlreiche Menschen wurden verletzt.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Immer mehr Asbest-Tote
Die von der „Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“ (BAuA) herausgegebene Statistik für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten weist immer mehr Todesfälle aus. Daran sind jedoch nicht die aktuellen Produktionsbedingungen schuld, sondern die früheren, deren Folgen sich erst jetzt so richtig zeigen. Für einen Großteil der tödlich verlaufenden Berufskrankheiten zeichnet der Umgang mit dem 1993 verbotenen Asbest verantwortlich. Da vom Zeitpunkt der Vergiftung bis zum Ausbruch von Asbestose, Lungen- oder Kehlkopfkrebs 40 Jahre vergehen können, kommt es immer noch zu Neuerkrankungen. Erst ab 2016 rechnen die ArbeitsmedizinerInnen mit einem Rückgang der Zahlen. Parallel zur Zunahme der Fälle wächst die Verschwiegenheit bei BAYER. Der Leverkusener Pharmariese verheimlicht nämlich die genauen Zahlen. Während es in einem früheren „Sustainable Development“-Bericht zu den 130 „anerkannten“ Berufskrankheiten des Jahres 2000 noch hieß: „Als Krankheitsauslöser waren bei uns vor allem Expositionen gegen Asbest und Lärm relevant“, fehlen ab 2005 alle Angaben zu Berufskrankheiten.

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr Kunststoff aus Antwerpen
Der Leverkusener Multi hat sich entschieden, die neue Anlage zur Herstellung von Polymerpolyole-Kunststoffen, einem Vorprodukt für Weichschäume, in Antwerpen zu errichten (Ticker 3/07). Ende 2008 soll die Fertigun

[Kurzmitteilungen] STICHWORT BAYER 04/2007 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Giftmüll-Kampagne erfolgreich!
Am 15. Juni 2007 konnte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen großen Erfolg feiern. Die Landesregierung lehnte den Import australischen Giftmülls ab und vermasselte BAYER und der Stadt Herten so ein lukratives Gechäft: Allein der Leverkusener Multi hätte mit der Verbrennung von 4.500 Tonnen Hexachlorbenzol einen Umsatz von drei Millionen Euro gemacht. „Wir sind nicht dafür da, die Akzeptanzprobleme der australischen Bevölkerung gegenüber Entsorgungslösungen im eigenen Land zu lösen“, begründete Umweltminister Eckhard Uhlenberg die Entscheidung. Diese Einsicht kam dem CDU-Politiker allerdings reichlich spät, und ohne die Kampagne der CBG und ihrer Bündnispartner gegen das hochriskante Unternehmen hätte sie ihn vermutlich niemals ereilt.

Immer mehr Pipeline-Proteste
Der Widerstand gegen die von BAYER zwischen den Standorten Krefeld und Dormagen geplante Kohlenmonoxid-Pipeline wächst immer weiter (siehe auch SWB 3/07). Neben Ratingen, Hilden, Monheim, Erkrath und Mettmann haben sich jüngst auch Hubbelrath und Düsseldorf gegen die Röhrenleitung ausgesprochen. Selbst in dem einst in Treue fest zum Bauvorhaben stehenden Duisburg kippt mittlerweile die Stimmung. Diese Entwicklung bewog schließlich auch die Landes-SPD, das Projekt abzulehnen. Dabei sucht sich der Protest, an dem die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) sich nach Kräften beteiligt, vielfältige Ausdrucksformen. In Duisburg, Erkrath und Hilden gab es Demonstrationen. Mehrere Kommunen, Privatpersonen und eine Bürgerinitiative haben Klagen eingereicht. Innenminister Wolfgang Schäuble und BAYER-Chef Werner Wenning erhielten Offene Briefe. Anti-Pipeline-Gruppen und die Bürgermeister von Monheim, Erkrath, Langenfeld und Hilden organisierten gemeinsam eine Plakat-Aktion. Zudem finden regelmäßig Mahnwachen und Diskussionsveranstaltungen statt, und die initiierte Unterschriftensammlung brachte es bis Anfang September auf 43.000 UnterzeichnerInnen. Einige hat die Angst vor dem geruchslosen Gift aus der Leitung sogar so weit getrieben, auf den Baustellen Gerät zu beschädigen.

Erfolgreiche Greenwashing-Kampagne
Durch die Kooperation mit der UN-Umweltbehörde UNEP versucht sich BAYER ein grünes Image zu verleihen. Die Ausrichtung einer Konferenz in Leverkusen mit 150 jungen UmweltschützerInnen aus aller Welt sollte Ende August 2007 zum Höhepunkt dieser Anstrengungen werden, das aber verhinderte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Sie protestierte vor Beginn der Veranstaltung gegen das Greenwashing und machte die Öffentlichkeit auf die zahlreichen Umweltsünden des Konzerns aufmerksam (siehe auch SWB 3/07).

Kinderarbeitsverfahren eingestellt
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte gegen BAYER gemeinsam mit anderen Initiativen wg. der Kinderarbeit bei den Zulieferern seiner indischen Saatgut-Tochter PROAGRO Klage bei der OECD eingereicht (Ticker berichtete mehrfach). Obwohl das Problem keineswegs beseitigt ist, und eine neue Studie für die nächste Pflanz-Saison sogar eine erhebliche Ausweitung der Beschäftigung von Minderjährigen prognostiziert hat, hat die bundesdeutsche Kontaktstelle der OECD das Verfahren eingestellt. Die Verantwortlichen gaben sich mit den bisher von dem Leverkusener Multi unternommenen Anstrengungen zufrieden. Und den Rest regelt für sie die vom Konzern abgegebene Selbstverpflichtungserklärung (siehe auch SWB 3/07).

Argentinien: Proteste gegen Feldversuche
Nicht nur Costa Rica (siehe SWB 3/07), auch Argentinien will der Leverkusener Agro-Riese nun als Versuchsfeld für sein Gentech-Saatgut nutzen. In Chacabuco beabsichtigt er sogar, zusätzlich noch neue Pestizide zu testen. Doch die Risiken und Nebenwirkungen riefen UmweltschützerInnen auf den Plan. Am Tag der Eröffnung des Geländes protestierten die AktivistInnen in der Stadt gegen das Freiluftlabor - und konnten sich dabei auch auf Material der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN stützen.

Ärzte-Initiative geehrt
Die ÄRZTE-INITIATIVE GEGEN DAS STEINKOHLEWERK UERDINGEN hat den Umweltpreis von Ökoplus bekommen. Die von dem Fachhandelsverbund für umweltgerechtes Bauen gestiftete und von der Grünen-Politikerin Bärbel Höhn überreichte Auszeichnung nahm Dr. Bernd Kaufmann entgegen. Kaufmann hatte auf Einladung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN bereits auf der letzten BAYER-Hauptversammlung gesprochen und den Chemie-Multi aufgefordert, das Bau-Projekt aufzugeben, weil die von Steinkohlekraftwerken emittierten Schadstoffe zu massiven Gesundheitsgefährdungen führen. Zudem schrieb der Mediziner das Editorial des letzten Stichwort BAYER.

Ärzte-Initiative schreibt Hoppe
Die Bundesärztekammer setzt sich regelmäßig für vorbeugende Gesundheitsmaßnahmen ein. So stritt etwa der Verbandspräsident Jörg-Dietrich Hoppe im letzten Jahr für einen gesetzlich verankerten Nichtraucherschutz. Auf das Feld der Umweltpolitik wollte sich Hoppe allerdings nicht begeben. Die ÄRZTE-INITIATIVE GEGEN DAS STEINKOHLEWERK UERDINGEN hatte ihn in einem Brief aufgefordert, ihr Engagement gegen das auf dem BAYER-Gelände geplante, auch nicht eben wenig Gesundheitsschäden verursachende Steinkohlekraftwerk zu unterstützen, aber da begann für den Oberarzt die Politik. Er könne sich in seiner offiziellen Funktion nicht festlegen, antwortete er seinen Krefelder KollegInnen.

KAPITAL & ARBEIT

BIS: Es kommt noch dicker
Mit der neuen, für die Beschäftigten von BAYER INDUSTRY SERVICES (BIS) geltenden „Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung“ konnte das Management massive Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durchsetzen (Ticker 2/07). Die Wochenarbeitszeit erhöhte sich - ohne Lohnausgleich - von 37,5 auf 40 Stunden, was eine Gehaltseinbuße von 6,7 Prozent bedeutet. In den kommenden vier Jahren müssen 40 Prozent der Belegschaft zudem weitere 8,3 Prozent ihres Lohnes opfern, indem sie auf Tariferhöhungen - und wenn das nicht reicht - sogar zusätzlich auf ihr Weihnachtsgeld verzichten. Aber dem BIS-Boss Klaus Schäfer reicht das noch nicht. „Die Technischen Dienste und der Werkschutz liegen in den Kosten noch zu hoch“, sagte er in einem Interview. Vorsichtshalber hat BAYER für die „Technischen Dienste“ schon eine Tochtergesellschaft gegründet, was der erste Schritt zu einer Ausgliederung sein könnte.

Neue BIS-Struktur
Die Rationalisierungsmaßnahmen bei BAYER INDUSTRY SERVICES (BIS), die zu Jobstreichungen und einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führten (SWB 1/07), haben auch zu Umstrukturierungen auf organisatorischer Ebene geführt. So reduzierte das Management die Geschäftsfelder von neun auf fünf.

Arbeitsplatzvernichter Nr. 11
Unter den weltgrößten Arbeitsplatzvernichtern nimmt BAYER mit dem Abbau von 6.100 Stellen den 11. Rang ein. In der nationalen Jobstreich-Hitparade belegt der Leverkusener Multi mit einem Beschäftigungsminus von 1.500 an den bundesdeutschen Standorten den vierten Platz.

LANXESS streicht 70 Jobs
Der Arbeitsplatzvernichtungsmotor bei BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS läuft ohne Unterlass. Im Juli 2007 kündigte das Unternehmen an, bei seiner Tochter RHEINCHEMIE 70 Stellen zu streichen, um so das Einsparziel von jährlich fünf Millionen Euro zu erreichen.

LANXESS verkauft LUSTRAN
BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS spaltet sich unaufhaltsam weiter auf. Gnadenlos stößt der Konzern alle unter dem Renditeziel von fünf Prozent bleibenden Bereiche ab. Ende Juni 2007 kündigte der Vorstandsvorsitzende Axel Heitmann den Verkauf von LUSTRAN POLYMERS an, einer hauptsächlich ABS-Kunststoffe für die Autoindustrie herstellenden Tochtergesellschaft. LANXESS bringt LUSTRAN zunächst in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem britischen Chemie-Multi INEOS ein, der die Sparte dann nach zwei Jahren komplett übernimmt. Was die erst 2005 im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen um 500 auf nunmehr 1.600 MitarbeiterInnen reduzierte LUSTRAN-Belegschaft um ihre Zukunft fürchten lässt, sorgte an der Börse für eine Kurssteigerung um 2,5 Prozent.

LANXESS will „Hire and Fire“
BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS hat angekündigt, den bis Ende 2007 geltenden Standort-Sicherungsvertrag, der betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, nicht mehr verlängern zu wollen. „Eine Fortsetzung der Standortsicherungsvereinbarung in ihrer jetzigen Form ist bei LANXESS nicht denkbar“, verlautete es aus der Chef-Etage am Rande von Verhandlungen mit GewerkschaftsvertreterInnen über die zukünftigen Arbeitsbedingungen, „in diesem Bereich werden wir nicht sehr kompromissbereit sein“. Auf die Beschäftigten dürften deshalb noch schwerere Zeiten zukommen, denn sogar ohne betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen gelang es dem Unternehmen bereits, seit seiner Gründung über 1.000 Arbeitsplätze zu vernichten.

Sparoffensive bei Kunststoffen
Der Leverkusener Multi hat Rationalisierungsmaßnahmen in der Kunststoffsparte angekündigt, um eine angebliche „Profitabilitätslücke zu Mitbewerbern“ zu schließen. Besonders am Standort Brunsbüttel geht die Angst um, da Arbeitsdirektor Tony Van Osselaer prophezeit hatte, mittelfristig werde BAYER eine der drei MDI-Produktionen aufgeben. „Die Programme haben Stellenabbau nicht zentral zum Ziel, sondern Prozess-Optimierung“, äußerte ein Konzern-Sprecher gegenüber der Financial Times Deutschland zu den Plänen. Aber ein bisschen Arbeitsplatzvernichtung muss neben Umstrukturierungen der Verwaltungsabläufe und Optimierungen bei den Stillstandszeiten und Wartungen der Anlagen schon dabei sein, soll das wohl heißen.

7,5 % mehr Umsatz erwartet
Für BAYER & Co. stimmt die Chemie. Ihre Aktien stiegen von Juli 2006 bis Juli 2007 um 45 Prozent, und der bis Ende des Sommers als Vorsitzender des „Verbandes der Chemischen Industrie“ amtierende BAYER-Chef Werner Wenning erwartet für dieses Jahr ein Umsatzplus von 7,5 Prozent. Auf den Arbeitsmarkt hatte der Boom jedoch kaum Auswirkungen: Die Beschäftigtenzahl stieg gegenüber dem Vorjahr nur geringfügig um 0,6 Prozent auf 436.000 Beschäftigte.

BAYER stellt 20 Pharma-Projekte ein
Im Pharma-Bereich betrachtet BAYER nur noch die vier Gebiete „Herz/Kreislauf“, „Krebserkrankungen“, „Frauengesundheit“ und „diagnostische Bildgebung“ als „Kerngeschäfte“. Arznei-Neuentwicklungen, die in dieses Raster nicht hineinpassen, gibt der Konzern auf. So kündigte Pharma-Chef Arthur Higgins das Aus für 20 Forschungsprojekte an, was viele PharmakologInnen um ihre Arbeitsplätze fürchten lässt.

Wenning verdient über 3 Millionen
Was ein Vorstandsvorsitzender eines DAX-Unternehmens genau an Bezügen erhält, ist nicht leicht zu ermitteln, da sich die Vergütung aus mehreren festen und variablen Komponenten zusammensetzt. Die Unternehmensberatung TOWERS PERRIN hat sich einmal die Mühe gemacht und neben der Grundvergütung auch die Tantiemen, Rücklagen für die Altersversorgung und andere Faktoren mit eingerechnet. Prompt fällt für BAYER-Chef Werner Wenning eine Gehaltserhöhung an. Nicht mehr „nur“ 2,65 Millionen Euro verdient er, wie früher gemeldet (Ticker 2/07), sondern 3,3 Millionen. Im Durchschnitt konnten Wenning und seine Manager-KollegInnen im Geschäftjahr 2006 fünf Prozent mehr Geld einstreichen als anno 2005.

ERSTE & DRITTE WELT

Neue Patente für altes AVELOX?
Die Pharmamultis haben die ärmeren Staaten nicht in ihrer Kundendatei. Deshalb müssen öffentliche oder private Institutionen einspringen, um Medikamenten-Entwicklungen für Krankheiten zu fördern, die besonders häufig in Entwicklungsländern auftreten. Eine solche Organisation ist die „Global Alliance for TB-Drug-Development“ (siehe auch Ticker 2/06). Bill Gates, die Rockefeller Foundation, die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA und diverse andere Vereinigungen finanzieren im Rahmen des Verbundes die Suche nach neuen Tuberkulose-Behandlungsmethoden. So fließt auch Geld für die Erprobung einer Kombinationstherapie von Tbc-Arzneien mit BAYERs Antibiotikum AVELOX; speziell für diesen Forschungsansatz hat Bill Gates im Frühjahr 2006 noch einmal 100 Millionen Dollar locker gemacht. Das Präparat soll den Heilungsprozess beschleunigen, die Bildung Antibiotika-resistenter Bakterienstämme eindämmen und so die Überlebenchancen der PatientInnen erhöhen. In der Fachwelt ist das BAYER-Mittel allerdings umstritten. Der „Arzneimittelverordnungsreport ‚97“ zählt Antibiotika mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Fluorchinole wie AVELOX aufgrund der vielen Nebenwirkungen zu den „nicht primär empfehlenswerten Substanzen“. Trotzdem bastelt der Pharma-Riese schon kräftig an neuen Vermarktungschancen für das alte AVELOX in neuen Tuberkulose-Schläuche und hat beispielsweise in Indien schon einen Antrag auf Patentschutz gestellt, der dem Medikament eine Hochpreis-Garantie verleihen würde.

POLITIK & EINFLUSS

CEFICs Extrem-Lobbying
In Brüssel treiben rund 15.000 LobbyistInnen ihr Unwesen. Einer ihrer größten Arbeitgeber ist CEFIC, der Europa-Verband der Chemie-Industrie. 140 MitarbeiterInnen beschäftigt die Dependance von BAYER & Co. - zum Vergleich: die Sache der LandwirtInnen vertreten trotz des umfangreichen EU-Agrarhaushalts nur 60 Personen.

Bisphenol-Grenzwerte gelockert
BAYER zählt zu den größten Herstellern der Chemikalie Bisphenol A, die in Alltagsgegenständen wie Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen enthalten ist. Die Substanz wirkt hormon-ähnlich und stört so die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit. In der Vergangenheit hat Bisphenol A häufig die zulässigen Grenzwerte überschritten, weshalb Anwendungsbeschränkungen drohten. Die Chemie-Multis veranlasste das aber nicht, vorsichtiger mit dem gefährlichen Stoff umzugehen. Im Gegenteil, sie gingen den umgekehrten Weg und übten über ihren Lobby-Verband CEFIC (s. o.) Druck auf Brüssel aus, die Grenzwerte zu lockern. Und die EU tat wie geheißen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte dieses willfährige Verhalten scharf. „Statt schwächerer Grenzwerte brauchen wir einen verbesserten Schutz der Bevölkerung. Wir fordern ein sofortiges Verbot von Bisphenol A in allen Produkten, die mit Nahrungsmitteln in Kontakt kommen“, kommentierte die CBG die Entscheidung in einer Presseerklärung.

EU-LobbyistInnen gegen Transparenz
Mit einem Zentralregister will die EU-Kommission den Brüsseler Lobby-Dschungel lichten. Nach dem Willen der AntichambriererInnen in Diensten von BAYER & Co. soll allerdings so einiges im Dunkeln bleiben. So verwehren sie sich vehement dagegen, in Zukunft die Höhe des Honorars für ihre „Beratungstätigkeiten“ offen zu legen. Die Organisation LOBBYCONTROL wertet das als einen Versuch, „das Register zu entkernen und jeglicher Substanz zu entkleiden“.

Lobbykosten: 2 Millionen
In den USA unterliegen LobbyistInnen der Auskunftspflicht. Deshalb weiß die Öffentlichkeit auch, welche Politikfelder BAYER besonders lieb und teuer sind. Im ersten Halbjahr 2007 gab der Konzern insgesamt zwei Millionen Dollar für Lobby-Aktivitäten aus und legte das Geld an, um ein Wörtchen bei Gesetzesvorhaben zur Patentreform, zur Umwelt- und Energiepolitik, zur Arzneisicherheit und zum internationalen Handel mitzureden.

Abwehrbündnis gegen Asien
Im Mai 2007 kam nach Informationen von german-foreign-policy.com der „Transatlantic Business Dialogue“ (TABD) unter der Schirmherrschaft von Angela Merkel in Berlin zusammen. Auf der Tagesordnung des Treffens der mächtigsten Konzernlenker der Welt, an dem auch BAYER-VertreterInnen teilnahmen, stand der neue Ost-West-Konflikt auf den Weltmärkten. Um sich gegen die wachsende Konkurrenz aus Asien zu wappnen, schlossen die ManagerInnen ein „Abwehrbündnis über den Atlantik“, wie es die Financial Times Deutschland nannte. Den größten Schutzwall sollte dabei der Gesundheitsbereich bilden, weil er nach den Worten von David Sampson aus dem US-Wirtschaftsministerium „einen extremen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der Länder“ hat. Als Rezepte zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit empfahlen die Bosse eine Senkung der Gesundheitsausgaben, eine Harmonisierung der Arznei-Zulassungen sowie mehr Steuergelder für die Pharma-Forschung. Bundesforschungsministerin Annette Schavan stellte sogleich mehr Mittel dafür in Aussicht, und auch EU-Kommissar Günter Verheugen signalisierte die Bereitschaft, die Abwehrkräfte von BAYER & Co. zu stärken. „Wir brauchen dringend eine starke Pharma- und Medizintechnikindustrie in Europa, um die Kosten unserer Systeme in den Griff zu bekommen“, sagte er auf der TABD-Konferenz.

Schlechtes Klima beim Klima-Gipfel
Beim von Angela Merkel initiierten Klima-Gipfel sorgten BAYER & Co. für ein schlechtes Klima. Mit dem Ansinnen, bis zum Jahr 2020 durch die Steigerung der Energie-Effizienz und Investitionen in Windkraft und andere klimaschonende Verfahren den Kohlendioxid-Ausstoß um 40 Prozent zu senken, nehme die Bundesregierung die „schleichende Deindustrialisierung Deutschlands billigend in Kauf“, polterten die Konzern-Bosse.

Emissionshandel darf nichts kosten
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in einer bestimmten Menge zu gestatten. Alles, was über ein bestimmtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen, weil sie dafür Verschmutzungsrechte kaufen müssten. Damit wollte Brüssel Anreize zu Klimaschutz-Maßnahmen schaffen. Diese blieben allerdings weitgehend aus: Die Lizenzen zum CO2-Ausstoß waren so großzügig bemessen und überdies kostenlos, dass die Schornsteine der Industrie weiterhin nach Lust und Laune qualmen konnten. Im Juni 2007 hat die Bundesregierung nun beschlossen, von der Stromindustrie für 10 Prozent dieser Zertifikate Geld zu verlangen. Sofort brach ein Sturm der Entrüstung los. Der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) sieht durch die neue Regelung das Produzieren in Deutschland bestraft und warnt vor den Folgen für BAYER und andere Massenverbraucher: „Das wird sich auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer energie-intensiven Industrie negativ auswirken“.

Wenning will Übernahmeschutz
BAYER-Chef Werner Wenning hat in einem Interview mit der Welt am Sonntag die Einrichtung einer nationalen Kommission gefordert, welche die Aufgabe hat, die bundesdeutschen Unternehmen „in gut begründeten Ausnahmefällen“ vor feindlichen Übernahmen zu schützen. Besonders bei politisch motivierten Investitionen sind nach Meinung des Managers staatliche Abwehrkräfte gefragt. „Wenn Fonds zum Beispiel aus Russland oder China bei ihren Investments im Ausland möglicherweise nationale Interessen der jeweiligen Regierungen verfolgen, können wir das nicht so einfach zulassen“, so Wenning. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist zufälligerweise derselben Ansicht und bereitet eine Lösung auf europäischer Ebene vor. Während der Bundesverband der Industrie„ entsprechende Pläne skeptisch beurteilt, stellte sich auch der CDU-Wirtschaftsrat hinter Merkel. Wozu nimmt Wolfgang Große Entrup, der Leiter des BAYER-Stabes “Politik und Umwelt„, dort schließlich auch einen wichtigen Posten ein!?

Wenning will “Waffengleichheit„
Die Sprache der ManagerInnen wird angesichts der sich verschärfenden globalen Konkurrenz zunehmend aggressiver. Von der Welt am Sonntag zu seinen Erwartungen an die PolitikerInnen befragt, antwortete BAYER-Chef Werner Wenning: “Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die uns im internationalen Kontext Waffengleichheit verschafft„. Anschließend präsentierte er seine Wunschliste und zählte ein innovationsfreundliches Klima im Allgemeinen und mehr Forschungsförderung im Besonderen, niedrigere Energiekosten und Steuersenkungen auf. Den Einwurf des Interviewers, die Unternehmenssteuerreform hätte den Konzernen doch gerade erst niedrigere Tarife eingeräumt, ließ der BAYER-Boss nicht gelten: “Das bringt zuwenig Entlastung„.

Peters im Vorstand der Chemie-Arbeitgeber
Die Mitglieder des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie (BAVC) wählten den BAYER-Mann Jan H. Peters und Klaus Hofer von BRAUN MELSUNGEN zu Stellvertretern des Vorsitzenden Eggert Voscherau (BASF).

Higgins neuer EFPIA-Vorsitzender
Der BAYER HEALTHCARE-Chef Arthur J. Higgins steht seit April 2007 dem “Europäischen Dachverband der Pharma-Industrie„ (EFPIA) vor. Er will das Amt vor allem dazu nutzen, schnellere Zulassungsverfahren für Arzneimittel zu erreichen. “Schafft zwei, drei, viele LIPOBAY-GAUs„ scheint also seine Maxime zu sein.

BAYER-Frau oberste Arbeitsschützerin
Nach Meinung von Bundesminister Franz Müntefering wissen ManagerInnen am besten, was Beschäftigten gut tut bzw. schadet. Er machte die Geschäftsführerin der BAYER-Tochter JENAPHARM, Isabel Rothe, zur Präsidentin der “Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin„.

Harte Globalisierungszeiten
Der Vorsitzende des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie (BAVC), der BASF-Manager Eggert Voscherau, sieht am Horizont härtere Zeiten aufziehen. Auf der BAVC-Mitgliederversammlung im Juni 2007 sagte er mit Blick auf die gewalttätigen Auseinandersetzungen beim G8-Gipfel in Heiligendamm: “Wir müssen die Herausforderungen des globalisierten Wettbewerbs hier am Standort Deutschland annehmen, wenn wir nicht kostspielige Sozialkonflikte in Kauf nehmen wollen„. Die Chemiebranche ist Voscherau zufolge allerdings gegen solche Verwerfungen dank der mit den Gewerkschaften praktizierten Sozialpartnerschaft gut gewappnet. Die Aushöhlung der Flächentarifverträge seit Anfang der 90er Jahre führte er als Beispiel für die gelungene Zusammenarbeit zwischen Kapital & Arbeit an. “Ich bin überzeugt, dass diese pragmatische Umgangsweise es den Chemie-Sozialpartnern ermöglichen wird, in Zukunft auch komplizierte Probleme im Interesse der Chemie-Branche und ihrer Beschäftigten zu lösen„, so der BAVC-Vorsitzende auf der letzten Mitgliederversammlung der Organisation.

BAYER regiert mit
Wie das TV-Magazin Monitor im vergangenen Jahr enthüllte, arbeiten ca. 100 EmissärInnen von Unternehmen und Verbänden in Ministerien mit (Ticker 4/06). Die Initiative LOBBYCONTROL hat jetzt auf einer Website die genauen Tätigkeitsbereiche der “WirtschaftspolitikerInnen„ aufgelistet. So kümmert sich eine BAYER-Beschäftigte im Umweltministerium um die Forschung auf den Gebieten Umwelt und Gesundheit im Allgemeinen und die Aktionspläne von EU und Weltgesundheitsorganisation zu diesen Themen im Besonderen. Daneben hat sie sich im Referat “Umwelteinwirkungen auf die menschliche Gesundheit„ die Bewertung von Bauprodukten vorgenommen - und dabei denen aus dem Hause BAYER bestimmt keine schlechten Noten erteilt. Was ihre Kollegin derweil im Wirtschaftsministerium so treibt, konnte LOBBYCONTROL bisher nicht ermitteln.

BAYER beim G8-Gipfel
Auf der Tagesordnung des G8-Gipfels in Heiligendamm stand auch die Produkt-Piraterie, mit der die Konzerne so ihre liebe Last haben. Der Leverkusener Multi nutzte das Großkopferten-Treffen deshalb als Produktmesse und stellte im Kühlungsborner Medienzentrum sein Lasergerät PROTEXXION vor, das angeblich genau zwischen Original und Fälschung unterscheiden kann (siehe auch Ticker 2/07).

BAYER & Co. sponsorn den Staat
Die Konzerne haben die Regierungstätigkeit im großen Umfang finanziell unterstützt, wie aus dem 2. Zweijahresbericht über Sponsoring-Leistungen an die Bundesverwaltung hervorgeht, den das “Bundesministerium des Inneren„ Ende Juli 2007 veröffentlichte. Geld- und Sachleistungen in einer Größenordnung von 80 Millionen Euro brachten die Unternehmen in den Jahren 2005 und 2006 auf. BAYER befand sich natürlich auch unter den “edlen Spendern„. Der Leverkusener Multi griff dem Auswärtigen Amt bei der Ausrichtung der “Deutschen Kultur- und Wirtschaftswoche„ im australischen Brisbane mit einer Spende von 6.551 Euro unter die Arme. Zudem unterstützte der Konzern das Sommerfest von Bundespräsident Horst Köhler finanziell und durfte dafür den Park des Schlosses Bellevue als Werbeplattform nutzen.

Wenning im “BerlinBoard„
BAYER-Chef Werner Wenning gehört dem von Klaus Wowereit geleiteten 12köpfigen “BerlinBoard„ an, welches laut Eigenauskunft “Kompetenzen aus unterschiedlichen Feldern für einen positiven Wandel der Stadt bündelt„. Wie nicht anders zu erwarten, wenn Top-Manager wie Wenning, Mathias Döpfner von der AXEL SPRINGER AG und Hartmut Ostrowski von BERTELSMANN ein Päckchen schnüren, wird die Stadt zum Produkt. Der Rat der 12 will eine “Markenstrategie Berlins„ entwickeln und “Anregungen zur strategischen Positionierung„ geben. Eine Marktforschungsstudie hat das BerlinBoard auch schon in Auftrag gegeben und eine Werbekampagne ist gleichfalls geplant.

EU prüft Biokraftstoff-Quotengesetz
Die Bundesregierung hat schon vor einiger Zeit mit dem “Biokraftstoffquoten-Gesetz„ großzügige Ökosteuer-Ausnahmeregelungen für BAYER und andere Großverbraucher von Energie beschlossen (Ticker 1/07). In Kraft ist das neue Paragraphenwerk allerdings noch nicht, da die Genehmigung von Seiten der EU noch aussteht. Diese prüft derzeit, ob es sich bei der geplanten Entlastung nicht um ein gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßendes Steuergeschenk handelt. Aber Finanzminister Peer Steinbrück rechnet fest damit, dass die Brüsseler Kommission das Projekt abnickt: “Wir sind zuversichtlich, dass sie dies macht„.

Köhler und Rüttgers bei BAYER
In diesem Jahr feierte BAYER “100 Jahre Kulturförderung„. Das Geburtstagskind ist allerdings schon recht schwach auf den Beinen. In den letzten Jahren sparte der Leverkusener Multi kräftig Mittel ein, schloss Werksgalerie und -bibliothek, strich die Unterstützung für Kleinkunst-Veranstaltungen und kürzte die Zuschüsse für den “Kunstverein Galerie-Werkstatt„. Er hält es offenbar nicht mehr für nötig, die Belegschaft mit einer großzügigen “Kulturpolitik„ bei Laune zu halten. Trotzdem konnte der Festakt mit prominenten Gästen wie Bundespräsident Horst Köhler und NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers aufwarten. In seiner Rede sprach letzterer Kultur und kultureller Bildung eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben zu, da zum Geschäftemachen Kreativität nötig sei. BAYER scheint vor allem von Gangsterfilmen gelernt zu haben.

PROPAGANDA & MEDIEN

Eine BAYER-Zensur findet statt
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat die genaueren Umstände ermittelt, die zum Verkaufstopp des Filmes “100 % Baumwolle„ führten (Ticker 2/07). Der Leverkusener Multi hat dem SWR als mitproduzierendem Sender im Falle einer nochmaligen Ausstrahlung mit einer Klage gedroht, da die Dokumentation falsche Angaben über BAYER-Pestizide mache. Das inkriminierte Ackergift Monocrotophos habe der Konzern in Indien längst vom Markt genommen, so das Unternehmen. Dieser Vorwurf geht ins Leere, denn “100 % Baumwolle„ entstand im Jahr 2003, und der Pharma-Riese kündigte den Verkaufsstopp auf dem Halbkontinent erst Ende 2004 an. Zudem stießen MitarbeiterInnen des EINE WELT NETZES NRW bei Recherchen vor Ort noch 2005 auf die Agrochemikalie. Trotzdem knickte der SWR ein und versprach, das Werk künftig nur noch mit einem Hinweis auf das inzwischen nicht mehr erhältliche Monocrotophos auszustrahlen. Die Filmemacher selber schreckten vor einer rechtlichen Auseinandersetzung offenbar zurück und haben den Vertrieb der DVD inzwischen eingestellt.

Spielerischer Pillen-Konsum
“Spielerisch„ will der Leverkusener Pharma-Multi den Umsatz seines umstrittenen Schmerzmittels ALEVE bei Jugendlichen steigern. Als Teil einer Marketing-Offensive soll das online-Spiel “Aleviator„ diese dazu animieren, “eine online-Verschwörung gegen kritische websites„ zu verhindern - und öfter zu den Pillen zu greifen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat diese Bauernfängerei in einer Presseerklärung angesichts der Risiken und Nebenwirkungen des Präparats scharf verurteilt und BAYERs Einsatz für die freie Meinungsäußerung mit Blick auf das Vorgehen des Konzerns gegen eine kritische Website der CBG als “zynische Verdrehung der Realität„ bezeichnet. Auch die im Rahmen der ALEVE-Kampagne geleisteten Spenden an den US-Umweltverband CONSERVATION FUND kritisierte die Coordination als billigen PR-Trick.

Informieren statt werben?
“Werbung heißt jetzt Information„, mit dieser Umwidmung wollen BAYER & Co. auf EU-Ebene das Reklameverbot für verschreibungspflichtige Medikamente aufweichen, das den Geschäften nicht eben zuträglich ist. Nachdem ein entsprechender Versuch 2003 gescheitert ist, sieht es nun besser aus. “Viele Patientengruppen erkennen die Pharma-Industrie als legitime Quelle von Informationen an„ meint die EU-Kommission, und auch der besonders industrie-freundliche Industrie-Kommissar Günther Verheugen signalisiert Wohlwollen.

BAYER & Co. entdecken den Pharma-Kunden
Auf die Frage, warum es die Pharma-Industrie nicht schafft, sich als eine positive, Nutzen bringende Branche darzustellen, antwortete die Hauptgeschäftsführerin des von BAYER gegründeten “Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller„ (VFA), Cornelia Yzer: “In weiten Kreisen der Bevölkerung wird es immer noch als unredlich gesehen, mit dem Gut Gesundheit im marktwirtschaftlichen Sinne zu wirtschaften. Dabei ist marktwirtschaftliches Verhalten eine Voraussetzung für den Erfolg der innovativen Pharma-Industrie„. Ganz in diesem Sinne erachtet es die ehemalige BAYER-Angestellte als Fehler, die PatientInnen lange Zeit nicht als Kunden betrachtet und die Marketing-Strategien nur auf die Ärzteschaft ausgerichtet zu haben. Das soll sich jetzt ändern. Die Pillen-Produzenten wollen Robin Hood spielen und sich der armen Kranken annehmen, die angeblich unter den Einsparmaßnahmen der GesundheitspolitikerInnen leiden. Was die Pharma-Lobbyistin in diesem Zusammenhang mit Blick auf das neu gegründete “Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen„ (IQWIG) Rationierung nennt, ist jedoch bloss das Aussortieren von Hochpreismedikamenten ohne Zusatznutzen aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen.

Perfide Milchpulver-Werbung
Muttermilch ist für Babys gesünder als Milchpulver-Mixe. Darum untersagen viele Länder den Unternehmen, für entsprechende Produkte, wie sie z. B. BAYERs Tochtergesellschaft NOVALAC als “infant feeding solutions„ anbietet, zu werben. Die Konzerne versuchen aber mit allen Mitteln, das Verbot zu umgehen. Auf den Philippinen klagen die Multis gegen das entsprechende Paragraphen-Werk. In Australien entziehen sich die Unternehmen dem Gesetz, indem sie ihre Waren als Nahrungsergänzungsmittel anpreisen, die Eisenmangel vorbeugen oder befleißigen sich anderer Täuschungsmanöver. Auf einer Anhörung des australischen Parlamentes zum Thema “Stillen„ verglich der Wissenschaftler Colin Binns die Methoden von BAYER & Co. deshalb mit den skrupellosen Reklame-Strategien der Tabak-Konzerne.

VFA diagnostiziert Pillen-Mangel
ÄrztInnen in der Bundesrepublik sitzt der Rezeptblock so locker wie in kaum einem anderen Land. Deshalb müssen die Krankenkassen Jahr für Jahr mehr Geld für Medikamente ausgeben. Aber den Pharma-Riesen reicht das noch nicht. Ihre Lobbyorganisation, der von BAYER gegründete “Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller„, gab eine Studie zur Arzneimittelversorgung in Auftrag und siehe da: Es existieren große Versorgungslücken, Millionen Menschen darben nach dem Stoff von BAYER & Co..

Keine Einkaufsgemeinschaft für Strom
BAYER & Co. klagen seit Jahren über zu hohe Energiepreise. Im Herbst 2006 schritten die Multis zur Tat und planten Einkaufsgenossenschaften für Strom, um Kosten zu sparen. RWE, ENBW & Co. ließen sich darauf allerdings nicht ein, unterbreiteten den Großverbrauchern lediglich günstigere Angebote. Der Leverkusener Multi reagiert auf die Malaise mit der Beteiligung am Bau von Steinkohle-Kraftwerken (siehe SWB 2/07), ohne Rücksicht auf deren klimaschädigenden Kohlendioxid-Ausstoß zu nehmen.

Noch ‘ne Klima-Erklärung
Mit BAYER, DAIMLER/CHRYSLER, SHELL und 47 anderen Global Playern unterzeichnete der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan Ende Juli 2000 in New York den “Global Compact„, eine unverbindliche Vereinbarung zur Umsetzung internationaler Menschenrechts-, Sozial- und Umweltstandards (Ticker 4/00). Im Gegenzug berechtigt die Unterschrift BAYER & Co., mit dem UN-Emblem zu werben. Darüber hinaus sicherte Kofi Annan den Multis Unterstützung bei ihrer Forderung nach einer weiteren Liberalisierung des Welthandels zu. Bei der jüngsten Konferenz des “Global Compact„, die am 5. und 6. Juli in Genf stattfand, gaben der Leverkusner Multi und die anderen “Global Player„ auch mal wieder eine der vielen ebenso wohlfeilen wie folgenlosen Erklärungen zum Klimaschutz ab, welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit konkreten Fakten aus BAYERs Kohlendioxid-Bilanz konterkarierte.

Reis-Konferenz gesponsort
BAYER verspricht sich von seinem in der EU bisher nicht zugelassenem, gegen das Herbizid LIBERTY resistenten Gentech-Reis, der sich jüngst aus ungeklärten Gründen in Handelsreis-Sorten wie UNCLE BEN wiederfand und damit einen großen Skandal auslöste, große Umsätze. Deshalb will sich der Leverkusener Multi schon mal die potenziellen Kunden gewogen machen und sponsorte die Konferenz “Reisanbau in nicht-tropischen Ländern„, die in Italien stattfand.

Scrabble-Sponsoring
Der Leverkusener Multi hat in Indien die nationale Scrabble-Meisterschaft finanziell unterstützt.

Greenwashing in Südafrika
Um sich auch in Südafrika das Image eines Umweltengels zu geben, unterstützt BAYER den dort ansässigen Naturschutzverband ENDANGERED WILDLIFE TRUST.

IG FARBEN & HEUTE

ZwangsarbeiterInnen-Entschädigung abgeschlossen
Über acht Millionen ZwangsarbeiterInnen leisteten während des Dritten Reiches Sklavendienste. Zehntausende von ihnen leisteten Fronarbeit bei den von BAYER mitgegründeten IG FARBEN. Allein beim Aufbau des Werkes in Auschwitz starben rund 30.000 von ihnen. In den 90er Jahren forderten die Überlebenden Entschädigungszahlungen von BAYER & Co. und drohten mit Sammelklagen. Die rot-grüne Bundesregierung sprang den Unternehmen zur Seite, um Imageschäden abzuwenden und langwierige Prozesse zu verhindern. Sie regte die Gründung der Bundesstiftung “Erinnerung, Verantwortung und Zukunft„ an, dessen Kapital die Unternehmen noch nicht einmal allein aufzubringen brauchten: die Hälfte kam aus Steuermitteln. Erst nach einem endlosen Gefeilsche mit den Opfer-VertreterInnen um die Entschädigungssummen konnte die Bundesstiftung mit den ersten Zahlungen beginnen. Im Juni 2007 schloss sie ihre Arbeit ab. Aber längst nicht alle ZwangsarbeiterInnen erhielten Geld, nur 1,665 Millionen Anträge akzeptierte die Organisation. Darum wurde am 12. Juni nichts aus der Feierstunde, zu der Bundespräsident Horst Köhler ins Schloss Bellevue geladen hatte. Vor den Toren protestierten nicht entschädigte SklavenarbeiterInnen. Von der Stiftung bleibt jetzt nur noch der Zukunftsfonds. Mit einem Jahresbudget von ca. acht Millionen Euro fördert er Geschichtsprojekte, Begegnungen und vergibt Stipendien. Damit es bei der Aufarbeitung nicht allzu konzern-kritisch zugeht, will die Bundesregierung die Position der Wirtschaft im Vergabe-Gremium stärken. “Das ist ein Schlag ins Gesicht aller NS-Opfer, die auch Opfer des deutschen Großkapitals waren„, kritisiert die Linkspartei-Abgeordnete Ulla Jelpke dieses Vorgehen.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Senfgas im Abessinien-Krieg
Das vom BAYER-Forscher Fritz Haber während des Ersten Weltkrieges entwickelte Senfgas erfreute sich bei Diktatoren großer Beliebtheit. Zuletzt verwendete es Saddam Hussein 1987 und 1988 bei seinen Attacken auf kurdische Dörfer, denen Zehntausende Menschen zum Opfer fielen. Den verheerendsten Gebrauch allerdings machte Mussolini 1935 im Abessinien-Krieg, der Historikern heute als “erster faschistischer Vernichtungskrieg„ gilt, von der Chemie-Waffe. Der britische Arzt John Melly erlebte die Massaker als Augenzeuge. “Das ist kein Krieg, es ist auch kein Blutbad, es ist die Folterung wehrloser Männer, Frauen und Kinder mit Bomben und Giftgas„, berichtete der damalige Leiter des Britischen Roten Kreuzes.

Drei Phosgen-Tote vor 1983
Obwohl das im Ersten Weltkrieg als Giftgas eingesetzte Phosgen zu den gefährlichsten chemischen Stoffen zählt,
verwendet BAYER die Substanz nach wie vor als Grundstoff. Im Jahr 2004 versuchte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit dem BUND vergeblich, eine weitere Ausweitung der Produktion in Krefeld zu verhindern. Die erste begann 1983 und war genauso umstritten. Ein zufällig entdeckter Artikel aus dieser Zeit schildert nicht nur die Auseinandersetzungen, sondern erwähnt auch die Opfer, welche die Herstellung der Substanz unter den BAYER-Beschäftigten bereits gefordert hatte. Drei Männer kamen in der Vergangenheit bei Unfällen mit der Chemikalie ums Leben.

Alte MOBAY-Sünden
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat anlässlich der neuen Kooperation von BAYER mit MONSANTO auf dem Gebiet der Gentechnik die alten Bande zwischen den beiden Konzernen aufgearbeitet und stieß dabei durch Zufall auch auf das Sündenregister von BAYERs US-amerikanischem Tochter- Unternehmen MOBAY. Der Chemie-Multi hat es 1970 übernommen und bis 1992 in Alleinbesitz gehalten. In dieser Zeit hat sich MOBAY diverser Vergehen schuldig gemacht. 1975 flog eine Kartellabsprache auf, für welche die Firma eine Millionen-Strafe zahlen musste. 1990 erhielt MOBAY eine Sanktion wg. fehlender Warnhinweise auf Pestiziden, die zum Export bestimmt waren. Und 1991 flog ein Im- und Export-Schwindel in großem Ausmaß auf: Falschdeklarationen in 400 Fällen kosteten die BAYER-Tochter 4,75 Millionen Dollar.

Strafe wg. Gift-Importen
Wie der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN erst jetzt bekannt wurde, erlegte die US-Umweltbehörde EPA dem Leverkusener Multi im Jahr 1996 eine 500.000-Dollar-Strafe wg. der illegalen Herstellung und Ausfuhr von “giftigen Substanzen„ auf.

DRUGS & PILLS

Schlaganfälle durch ASPIRIN
BAYER bewirbt ASPIRIN aggressiv als Mittel zur Prophylaxe von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Mit Erfolg: Nahmen Anfang der 80er Jahre nur ca. vier Prozent der Schlaganfall-Opfer zur Verhinderung weiterer Gehirnschläge ASPIRIN, so stieg ihre Zahl ab 2000 auf 40 Prozent, weil immer mehr PatientInnen auf die blutverdünnende Wirkung des Medikamentes setzen. Nach einer Studie der Universität Oxford erhöht aber gerade dieser Effekt das Risiko für den hämorrhagischen Schlaganfall, der nicht wie der ischämische durch einen Gefäßverschluss, sondern durch eine Blutung im Gehirn entsteht, denn ASPIRIN regt den Blutfluss an. Deshalb warnen die ForscherInnen, das BAYER-Präparat könne bald den Bluthochdruck als Hauptrisikofaktor für diese Art des Schlaganfalls ablösen. Ungeachtet dessen hat der Leverkusener Multi gerade wieder eine Megastudie zur Untersuchung der vorbeugenden Effekte des “Tausendsassas„ in Auftrag gegeben.

Erneute TRASYLOL-Überprüfung
Eine im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie hatte dem vor allem zur Blutstillung bei Bypass-Operationen verwendeten BAYER-Mittel TRASYLOL lebensgefährliche Nebenwirkungen von Nierenversagen über Schlaganfälle bis hin zu Herzinfarkten attestiert (SWB 1/06). Die US-amerikanische Arzneiaufsicht FDA überprüfte das Medikament daraufhin, entschied sich aber gegen einen Entzug der Zulassung, weil dem Leverkusener Multi eine Irreführung der Behörden gelungen war. Der Pharma-Riese hatte der Institution eine selbst in Auftrag gegebene Untersuchung verschwiegen, die zu alarmierenden Befunden gekommen war, was einen großen Skandal auslöste (siehe SWB 4/06). Inzwischen hat eine weitere Expertise die gesundheitsgefährdenden Effekte der Arznei nachgewiesen. WissenschaftlerInnen der “Ischemia Research and Education Foundation„ stellten ein im Vergleich zur Referenz-Gruppe um zwei Drittel höheres Sterblichkeitsrisiko fest; 21 Prozent der mit TRASYLOL behandelten PatientInnen kamen um. Nicht zuletzt dieses Forschungsergebnis hat die FDA veranlasst, das umstrittene Medikament erneut auf den Prüfstand zu stellen. Aber zu einem Verbot konnte sich die Institution nicht durchringen. Sie forderte den Pharma-Riesen lediglich auf, den Beipackzettel um einige Warnhinweise zu ergänzen und zusätzliche Sicherheitsstudien in Auftrag zu geben.

Bekenntnis zu mehr Transparenz
Nachdem der Skandal um verheimlichte Untersuchungsergebnisse zu TRASYLOL aufflog (s. o.), gelobte BAYER Besserung. Der Konzern kündigte mehr Transparenz an und will seine StudienleiterInnen jetzt zu einer besseren Übermittlung der Erkenntnisse anhalten. “BAYER ist zuversichtlich, dass mit den jetzt vorgenommenen Prozess-Verbesserungen derartige Versäumnisse in Zukunft nicht wieder auftreten können„, gab sich das Unternehmen leutselig.

Weniger Krebs durch weniger Hormone
Für BAYER machen typische Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche einen Pharma-Einsatz der Hormone Estradiol und Drospirenon unausweichlich. Was nach Darstellung des Konzerns “ein ganzheitlich ausgerichteter Therapieansatz, der auf den langfristigen Erhalt der Lebensqualität im Klimakterium zielt„, ist und auf den Namen “Menopause Management„ hört, bezeichnet das arznei-telegramm als “ein riesiges, unkontrolliertes Experiment mit den Frauen„. Oft mit tödlichem Ausgang: Bei vier Millionen Anwenderinnen in der Bundesrepublik schätzt eine Expertise die Zahl der Herzinfarkte und Schlaganfälle auf 3.000 und die Zahl der Thrombosen auf 7.000. Zudem erhöhen die Hormontherapien das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. MedizinerInnen mussten sogar eine Studie abbrechen, die beabsichtigte, das genauer zu ergründen, weil dieser Zusammenhang schon früh offen zu Tage trat und die ForscherInnen die Frauen nicht länger einer Gesundheitsgefährdung aussetzen wollten. BAYER möchte von dieser “Nebenwirkung„ allerdings nichts wissen, für die es jetzt erneut eindrucksvolle Belege gibt. Gemeinsam mit einem Rückgang der Verordnungen - nahmen im Jahr 1998 noch 16,9 Prozent aller Frauen in den Wechseljahren Hormonpräparate, so waren es 2004 “nur„ noch 10,1 Prozent - sank die Zahl der Brustkrebs-Neuerkrankungen um 10 bis 15 Prozent. “Diese Assoziation ist schon außerordentlich beeindruckcnd„, kommentiert der Lübecker Onkologe Jürgen Dunst. Ob diese auch die “Gynäkologische Fachgesellschaft„ beeindruckt, die in Sachen “Hormone„ bislang wacker zu BAYER & Co. hielt, bleibt abzuwarten.

Neue Sparte “Männergesundheit„
BAYERs Gesundheitsdivision hat die neue Abteilung “Männergesundheit„ eröffnet. Darin fasst der Pharma-Riese das Geschäft mit dem Potenzmittel LEVITRA sowie mit den Testosteron-Präparaten TESTOGEL und NEBIDO zusammen, die sich auch unter SportlerInnen trotz der Nebenwirkung “Krebs„ größerer Beliebtheit erfreuen (siehe SPORT & MEDAILLEN). Wenn es Frauenärzte und die entsprechenden Krankheiten gibt, dann besteht da doch auf der anderen Seite eine Marktlücke, denkt sich der Pharmariese und will sich ein lukratives Geschäftsfeld erschließen, denn “Männergesundheit ist ein Selbstzahlermarkt„, wie die Financial Times Deutschland weiß. Fehlen nur noch die entsprechenden Gesundheitsstörungen, aber die finden sich: BAYER hat bereits “männliche Wechseljahresstörungen„ ausgemacht und hält mit NEBIDO, dessen Name sich nicht zufällig an “Libido„ anlehnt, bereits das passende Produkt parat.

LEVITRA: massive Kombinationswirkungen
Nach US-amerikanischen Studien interagiert BAYERs Potenzmittel LEVITRA massiv mit anderen Medikamenten. Die Kombinationswirkungen mit Antipilzmitteln beispielsweise können zu Bluthochdruck, Augenproblemen und Priapismus, einer schmerzhaften Dauererektion des Penises, führen. Zudem drohen bei Beikonsum von LEVITRA Herzgefäßstörungen. Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat deshalb eine Reduzierung der Dosis vorgeschrieben, wenn LEVITRA gemeinsam mit bestimmten anderen Pillen geschluckt wird. Zudem hat die Behörde den Leverkusener Multi veranlasst, den Beipackzettel mit neuen Warnhinweisen zu versehen.

USA: Mangelhafte Arznei-Aufsicht
Der LIPOBAY-Skandal mit seinen über 100 Toten und andere Pharma-GAUs haben in den USA Zweifel an der Arbeit der US-Zulassungsbehörde FDA gesät. Die Institution ging in die Offensive und beauftragte das “Institute of Medicine„ mit einer Untersuchung. Die Expertise deckte viele Mängel auf und empfiehlt zahlreiche Veränderungen. So sollte die FDA nach Meinung der VerfasserInnen selbst Medikamenten-Untersuchungen durchführen, statt sich auf die Ergebnisse von BAYER & Co. zu verlassen und die Analyse der vorhandenen Pillen-Daten verbessern. Zudem treten die WissenschaftlerInnen dafür ein, Pharmazeutika auch nach der Zulassung noch zu kontrollieren und neue Arzneien vorsorglich mit Warnhinweisen zu versehen. Von der Industrie verlangten die WissenschaftlerInnen mehr Transparenz und dachten dabei vermutlich auch an den Leverkusener Multi: Der Pharma-Riese hatte der FDA unlängst negative Studienergebnisse zum Produkt TRASYLOL verschwiegen (Ticker 2/07).

Anti-Aging-Mittel GYNODIAN
BAYER macht mit dem Hormonpräparat GYNODIAN Millionen-Umsätze. In letzter Zeit preisen es Websites trotz der Nebenwirkung “Krebs„ auch als Verjüngungsmittel an. “Damit wird viel Schindluder getrieben„, kritisiert Angela Clausen von der Verbraucherzentrale NRW deshalb das exzessive Schlucken von GYNODIAN & Co..

Aus für ASOPRISNIL
BAYER stellt die Entwicklung des Medikamentes ASOPRISNIL ein, für das der Konzern schon einen Umsatz von über 250 Millionen Euro prognostiziert hatte. Die Arznei sollte zur Behandlung von gutartigen Gebärmutter-Geschwülsten dienen, hatte aber bei der klinischen Erprobung selber zu Wucherungen an der Gebärmutterschleimhaut geführt, die operativ entfernt werden mussten.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Chile: Aus für Methamidophos & Co.?
2005 kamen in Chile 19 Menschen durch Pestizide ums Leben; insgesamt 785 Vergiftungen registrierten die Behörden. Für 97 Fälle - mit Abstand die meisten - war der von BAYER unter dem Namen TAMARON vermarktete Pestizid-Wirkstoff Methamidophos verantwortlich. Diese besorgniserregende Lage hat chilenische Abgeordnete veranlasst, einen Antrag zum Verbot von Agrochemikalien der beiden höchsten Gefährlichkeitsklassen 1a und 1b in den Kongress einzubringen. Wenn das chilenische Parlament wirklich ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, würde die Produktpalette, die BAYER in dem südamerikanischen Land gemeinsam mit Geschäftspartnern vertreibt, um Methamidophos (TAMARON), Methamidophos + Cyfluthrin (BAYTHROID), Azinphos Methyl (COTNION), Formetanate HCI (DICARZOL), Methiocarb (MESUROL), und Deltamithrine + Endosulfan (DECISDAN) schrumpfen.

Glyphosate verringert Ernte-Ertrag
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosate, enthalten unter anderem in den BAYER-Mitteln GLYPHOS und USTINEX G, schädigt nicht nur die menschliche Gesundheit, indem er etwa Krebs- und Atemwegserkrankungen auslöst (Ticker 2/07), sondern auch die Ackerflächen. Die Substanz entzieht den Böden die für das Pflanzenwachstum wichtigen Spurenelemente wie Mangan oder Magnesium und sorgt so für Missernten. In Brasilien etwa schrumpfte der Ertrag von Soja-Feldern nach der Glyphosate-Behandlung um 75 Prozent.

GENE & KLONE

BAYER-Raps ist überall
Kaum hat sich die Aufregung um den bis in die Supermärkte vorgedrungenen Genreis LL601 gelegt, da sorgt der Leverkusener Multi für einen neuen Skandal. Die Aufsichtsbehörden entdeckten bei einer Routine-Untersuchung Spuren von BAYERs genmanipulierten Raps-Saaten BASTA und LIBERTY-LINK, die gegen das Herbizid Glufosinat resistent sind, in herkömmlichem Raps-Saatgut des Unternehmens DEUTSCHE SAATVEREDELUNG. Sie ordneten deshalb die Vernichtung der auf einer Fläche von 1.500 Hektar ausgesähten Pflanzen an. Die Verunreinigung weiterer Felder dürfte das allerdings nicht verhindern, weil sich das Saatgut bis zu 15 Jahren im Boden hält und die Pollen kilometerweit fliegen können. Dabei wurde BAYERs erst seit März in der EU zugelassener Gentech-Raps nicht zum ersten Mal auffällig. Auch in Kanada und Australien kontaminierte er bereits andere Saaten.

EFSA: Gen-Soja unbedenklich
BAYER hat bei der EU einen Antrag auf Genehmigung des Importes von Gen-Soja gestellt, das gegen das Herbizid Glufosinat resistent ist. Der wissenschaftliche Beirat der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA hat dazu eine positive Stellungnahme abgegeben, da ihm keine Hinweise auf mögliche Gefahren für Umwelt und menschliche Gesundheit vorlagen, wie es aus Brüssel hieß. Nach den Erfahrungen mit dem “baugleichen„ Gen-Mais von BAYER, der schon drei Monate nach seiner Zulassung auf herkömmliches Mais-Saatgut übergriff (s. o.), liegen diese nun vor. Es fragt sich bloß, ob die ExpertInnen darauf reagieren.

Schädigungen durch Gen-Mais
WissenschaftlerInnen haben in der Vergangenheit schon mehrfach die gesundheitsgefährdende Wirkung von Genpflanzen belegt. Einen neuerlichen Tierversuch, bei denen Genmais Leber und Nieren von Ratten schädigte, hätten die ForscherInnen vom “Committee for Independent Research and Genetic Engineering„ sich also sparen können.

Brasilien: umstrittener Gen-Mais
Ein brasilianischer Bundesrichter hat die erst vor kurzem erfolgte Genehmigung von BAYERs Gen-Mais mit eingebauter Resistenz gegen das Herbizid LIBERTY wieder aufgehoben (siehe auch Ticker 2/07). Als Begründung gab er die Schutzbedürftigkeit einheimischer Sorten an. Das letzte Wort über den LL-Mais dürften die Gerichte aber noch nicht gesprochen haben.

Gen-Baumwolle nach Südafrika?
BAYER hat in Südafrika eine Import-Zulassung für eine gen-manipulierte Baumwoll-Art beantragt, die eine eingebaute Resistenz gegenüber dem Herbizid LIBERTY besitzt. Das AFRICAN CENTRE FOR BIOSAFETY hat sich in einem umfangreichen Gutachten gegen eine Genehmigung ausgesprochen. Die WissenschaftlerInnen befürchten negative Folgen für die kleinen BaumwollfarmerInnen, warnen vor Einkreuzungen in konventionelle Sorten und der unkontrollierten Verbreitung des Antibiotikaresistenz-Genes. Zudem weisen die ForscherInnen auf den im Vergleich zu herkömmlicher Baumwolle höheren Gehalt von gesundheitsschädlichem Gossypol und auf den niedrigeren Gehalt von Vitamin E hin, was einen Einsatz als Tierfutter erschwert.

Kein Genreis auf den Philippinen?
GREENPEACE hat auf den Philippinen Einspruch gegen die Zulassung von BAYERs LL62-Genreis erhoben, der in Tateinheit mit der Sorte LL601 einen der größten Gen-GAUs der jüngeren Geschichte ausgelöst hatte. Wegen der von dem Labor-Reis ausgehenden Gefahren für die Umwelt, die Gesundheit, die Biodiversität und die konventionelle Landwirtschaft stellte die Umweltorganisation den Antrag auf ein Moratorium, dem das Gericht auch stattgab. Endgültig ist der Genreis in dem Land damit aber noch nicht vom Tisch.

Kooperation mit MONSANTO
BAYER, MONSANTO, SYNGENTA und einige andere Anbieter beherrschen den Markt für Gentech-Pflanzen. Die Auswahl ist dementsprechend überschaubar, und die Schadinsekten beginnen sich langsam an die Ackerfrüchte mit MONSANTOS Bt-Gift bzw. die Kombipacks mit dem Herbizid Glyphosate oder BAYERs LIBERTY zu gewöhnen. Wohl nicht zuletzt deshalb haben BAYER und MONSANTO einen umfangreichen Technologie-Transfer vereinbart. Der US-amerikanische Agro-Riese darf künftig zum Beispiel BAYERs LL-Resistenzen zusätzlich zum Bt- oder Glyphosate-Gen in seine Raps- oder Soja-Kreationen einbauen und der Leverkusener Multi im Gegenzug auf MONSANTO-Entwicklungen zurückgreifen. So will das Oligopol die Risiken und Nebenwirkungen des Oligopols in Grenzen halten, ob's hilft?

Neue Arzneimittelverordnung der EU
Die EU hat eine Verordnung zu neuartigen Arznei-Therapien verabschiedet. Gentechnik-KritikerInnen wie die grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer befürchteten im Vorfeld, die neue Regelung könne das bundesdeutsche Stammzellgesetz unterlaufen, das - noch - die Nutzung von nach dem 1.1.2002 gewonnenen Zelllinien verbietet. Diese Ängste erwiesen sich vorerst als unbegründet, da das Paragraphen-Werk den Mitgliedsländern die Entscheidung über die Gewinnung von menschlichen Stammzellen zu medizinischen Zwecken überlässt. BAYER & Co. waren mit dem Abstimmungsergebnis dennoch zufrieden, da es die Grundlage für ein EU-weites Zulassungsverfahren für Gentherapie, Zelltherapie und Gewebezüchtung legt, dessen ethische Standards sich nicht auf dem höchsten Niveau einpendeln dürften. Industriekommissar Günter Verheugen zeigte sich aus gleichen Motiven ebenfalls erfreut. “Die heutige Abstimmung im Parlament ebnet den Weg für eine baldige Verabschiedung der dringend notwendigen Verordnung, die von Patienten und Industrie mit Ungeduld erwartet wird„, so der SPD-Politiker.

Indikationserweiterung für CAMPATH?
Bisher durften MedizinerInnen das von BAYER und GENZYME gemeinsam entwickelte Gentech-Medikament CAMPATH bei der chronisch-lymphatischen Leukämie nur einsetzen, wenn die PatientInnen bereits mit anderen Arzneien vorbehandelt waren oder eine Therapie mit Fludarabin nicht den gewünschten Erfolg erbracht hatte. Jetzt hat der Pharmariese aber eine Zulassung auch für den Ersteinsatz beantragt.

PFLANZEN & SAATEN

BAYER-Tochter übernimmt SEEDEX
Die BAYER-Tochter NUNHEMS hat sich darauf spezializiert, mittels biotechnologischer Methoden im Erbgut von Gemüse nach besonderen Eigenschaften zu fahnden und auf Basis der Funde neue Sorten zu züchten (siehe auch Ticker 2/07). Jetzt hat die Firma den südkoreanischen Saatgut-Anbieter SEEDEX übernommen. Als “Akquisition eines hervorragenden Genpools für Peperoni und Kohl„ bezeichnete der Leverkusener Konzern den Deal, mit dem das Unternehmen seinen Status als Saatgut-Mogul weiter ausbaut.

Reis-Geschäfte mit Diktatoren
BAYER hat in der Vergangenheit nicht davor zurückgeschreckt, Geschäfte mit dem südafrikanischen Apartheidsregime oder Militärdiktaturen in Südamerika zu machen. Deshalb gehört der Leverkusener Chemie-Multi jetzt zu den wenigen Global Playern, die in dem von Generälen regierten Burma noch wirtschaftliche Aktivitäten entfalten. Während die auch nicht gerade zimperlichen Konzerne REEBOK und PEPSI COLA das Land bereits verlassen haben, hat der Agro-Riese es als Absatzmarkt für eine spezielle Reis-Art auserkoren. Im Moment führt der Saaten-Mogul gerade einen Test mit einer hybriden, also sterilen und nicht zur Wiederaussaat bestimmten Sorte durch. BAYER-Manager Harald Printz will die Militärdiktatur damit in die Lage versetzen, auf dem Reis-Markt mit Thailand zu konkurrieren. “Ich weiß nicht, wann der Staat sich öffnen wird. Aber wir sind darauf vorbereitet. Wenn es 20 Jahre dauert, dauert es eben 20 Jahre. Wir haben eine längerfristige Perspektive. Wir glauben, wenn wir Jahr für Jahr weitermachen, haben wir später eine gute Marktposition„, erläutert er die Geschäftspolitik des Unternehmens. Diese hat sogar die bekannte indische Aktivistin Vandana Shiva auf den Plan gerufen. Das Beispiel in ihrem Heimatland vor Augen, warnte sie: “Die multinationalen Konzerne haben den ganzen Sektor für landwirtschaftliche Bedarfsgüter wie Samen und Agrochemikalien übernommen. Wenn diese Unternehmen teure Samen und Pestizide auf den Markt drücken, dann verkaufen sie das auf Kredit-Basis, und diese Kredite können die kleinen LandwirtInnen nicht zurückzahlen. Die Erfahrung, die Indien machen musste, ist ein Zeichen dafür, was Burma vielleicht bevorsteht„, so Shiva. Sie übte auch konkret Kritik an dem Hyprid-Reis, weil er steril ist und die FarmerInnen ihn deshalb nicht jedes Jahr wieder neu aussäen können. Zudem sei er anfälliger für Pflanzenkrankheiten und stelle einen Angriff auf das traditionelle landwirtschaftliche Wissen um die Artenvielfalt des Reises dar. Shiva machte sogar eine Wahlverwandtschaft zwischen BAYER und Burma aus. “Diese Agro- und Biotech-Riesen errichten eine Diktatur. Sie verwandeln sogar Demokratien in Diktaturen. Sie sollten definitiv nicht in Burma sein - sie sollten nirgendwo sein. Sie sollten auch nicht in demokratischen Gesellschaften sein, weil sie freie Gesellschaften wie Indien in eine Diktatur verwandeln, wo nicht mehr die Landwirte selbst, sondern nur die Agro- und Saatgut-Multis entscheiden.„ Aber gerade unter den Bedingungen einer autoritären Regierung fällt es schwer, sich gegen den Wirtschaftsimperialismus der Global Player zur Wehr zu setzen. “Es ist gefährlich, etwas Öffentliches wie eine Demonstration zu machen. Wir müssen eine gute Strategie gegen BAYER haben„, sagt etwa Achmad Yakub von der internationalen Kleinbauern-Organisation VIA CAMPESINA. Er hofft durch Graswurzel-Aktivitäten wie kleine Boykotts etwas erreichen zu können und hat einen flammenden Appell an BAYER gerichtet, sich aus dem Land zurückzuziehen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

PCBs schädigen das Immunsystem
Polychlorierte Biphenyle (PCB) bauen sich nur sehr langsam ab. Obwohl bereits 1985 verboten, findet sich die gefährliche Industriechemikalie, zu deren Hauptanbietern BAYER zählte, deshalb immer noch in der Umwelt. Besonders Fische weisen einen hohen PCB-Gehalt auf. In die Nahrungskette gelangt, kann die Substanz Gesundheitsstörungen auslösen. So beobachtete eine dänische ForscherInnen-Gruppe um den Mediziner Carsten Heilmann bei Kindern von den Färöer-Inseln, wo Meerestiere ein Grundnahrungsmittel darstellen und die PCB-Werte im Blut um das Zehnfache über dem nordeuropäischen Normalwert liegen, eine Schwächung des Immunsystems, die den Erfolg von Schutzimpfungen gegen Tetanus oder andere Krankheiten gefährdet.

PCBs und Pestizide in Kinderblut
Das Umweltbundesamt untersuchte Blut und Urin von 1.790 Kindern auf Giftstoffe und wurde bei allen fündig. Die bereits 1985 verbotenen Polychlorierten Biphenyle (PCB), zu deren größten Produzenten BAYER gehörte, fanden sich flächendeckend in den Proben. UBA-Präsident Andreas Troge nahm diesen traurigen Befund zum Anlass, ein eindringliches Plädoyer für einen vorbeugenden Gesundheitsschutz zu halten, denn “der Bremsweg ist kolossal lang„. Auch Pestizide tummelten sich nicht zu knapp in den Körpern der Kleinen. Troge vermutet hier vor allem mit Agrochemikalien vergiftete Fruchtsäfte als Ursache.

WASSER, BODEN & LUFT

CO2-Ausstoß erhöht
Mit der anziehenden Konjunktur zieht auch der klima-schädigende Kohlendioxid-Ausstoß an. Das “Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung„ rechnet mit einer Erhöhung von einem Prozent für das Jahr 2007 und nennt als Hauptverantwortliche an erster Stelle die Chemie-Branche. Also dürften auch BAYERs CO2-Emissionen die zuletzt ausgewiesenen 7,5 Millionen Tonnen übersteigen.

Viel Restmüll
BAYER ist nach Selbstauskunft “Feuer und Flamme für schwierige Abfälle„. Allein an den bundesdeutschen Standorten betreibt der Konzern sechs Verbrennungsanlagen und hat aus der “Entsorgung„ ein lukratives Geschäftsfeld gemacht, auch wenn ihm jüngst ein Deal mit australischem Giftmüll durch die Lappen ging (AKTION & KRITIK). Dabei schlucken allein die beiden Öfen in Leverkusen-Bürrig jährlich 360.000 Tonnen Abfall. Für die Umwelt soll das alles kein Problem sein. “Problematische Stoffe werden durch nahezu vollständige Oxidation zerstört„, meint der Leverkusener Multi, und das bisschen Kohlenmonoxid, Schmutzwasser, Asche und Schlacke fällt nicht weiter ins Gewicht. UmweltaktivistInnen machen allerdings eine andere Rechnung auf. Demnach fällt pro Tonne Restmüll 250 Kilogramm Schlacke und 30 Kilogramm Filterstaub aus der Rauchgasreinigung an.

STANDORTE & PRODUKTION

Neue Kunststoff-Anlage
BAYER plant den Bau einer neuen Anlage zur Herstellung von Polymerpolyole-Kunststoffen, einem Vorprodukt für Weichschäume. Ob der Konzern die Fertigungsstätte in Dormagen oder Antwerpen errichten wird, hat er noch nicht entschieden. Wie bereits seit einigen Jahren üblich, spielt der Leverkusener Multi in Frage kommende Standorte gegeneinander aus und initiiert einen Unterbietungswettbewerb für die neue Fertigungsstätte, die angeblich mit 25 Prozent weniger Energie auskommen und dank verbesserter Technologien auch den Anteil der gesundheitsgefährdenden leicht flüchtigen Verbindungen im Endprodukt senken soll.

BAYER VITAL zieht um
Die neben BAYER/SCHERING zweite Gesundheitssparte des Global Players, BAYER VITAL, will im Jahr 2009 ein neues sechsstöckiges Verwaltungsgebäude beziehen, das im Leverkusener Chemiepark an der Stelle des alten AGFA-Hauses entsteht. Die Modalitäten geben einen Einblick in die komplizierten Verhältnisse innerhalb der BAYER-Holding, in der jede Teilgesellschaft selbstständig agiert. Bauherr des Bürokomplexes ist nämlich die BAYER AG, welche die Immobilie an BAYER VITAL und andere Interessenten weitervermietet.

Darmstädter gewinnen Architektur-Preis
Der Schrumpfungsprozess BAYERs hat über die Jahre auf dem Leverkusener Werksgelände ziemliche Lücken entstehen lassen, die auch die Anwerbung von Fremdfirmen im Rahmen des Chemiepark-Konzeptes nicht hat füllen können. Deshalb hat der Konzern eine preiswerte Lösung der Probleme initiiert, die ihm überdies die Planungshoheit gewährt. Er hat seine Beziehungen zur BDI-Unterabteilung “Kulturkreis der deutschen Wirtschaft„ spielen lassen und einen mit 10.000 Euro dotierten Architekturpreis für das Projekt “Leverkusen: vom BAYER-Werk zum Chemiepark„ ausgeschrieben. Im Mai 2007 gab der Multi die Gewinner bekannt. Den ersten Preis errangen die beiden Darmstädter Architekturstudenten Gael Hémon und Guillaume Tripoteau mit ihrem Projekt “Cubiquitol 27mg„.

Mehr Pestizide aus Köln-Hürth
Das BAYER-Werk am Standort Köln-Hürth weitet die Pestizid-Produktion um 50 Prozent aus.

IMPERIUM & WELTMARKT

Aus für Kunststoff-Gemeinschaftsunternehmen
BAYER hat 1998 gemeinsam mit GENERAL ELECTRIC das Unternehmen EXATEC gegründet, um Autoscheiben aus Kunststoff zu produzieren. Jetzt kündigte der Konzern den Ausstieg aus dem Joint Venture an, das 45 MitarbeiterInnen beschäftigte.

Erkältungsmittel-Deal mit TOPSUN
BAYER hat das Geschäft mit Erkältungsmitteln inklusive des Produktionsstandortes Gaitianli in Qidong vom chinesischen Pharma-Unternehmen TOPSUN übernommen und erwartet insbesonders durch das populäre Produkt WHITE & BLACK eine Stärkung seiner Position im wachsenden Landesmarkt für verschreibungsfreie Arzneien.

BAYER-Tochter übernimmt SEEDEX
Die BAYER-Tochter NUNHEMS hat den südkoreanischen Saatgut-Anbieter SEEDEX übernommen (siehe auch PFLANZEN & SAATEN).

Konkurrenz aus dem Nahen Osten
Ölförderländer wie Saudi Arabien, Qatar und die Vereinigten Arabischen Emirate versuchen zunehmend, den wertvollen Rohstoff selbst weiterzuverarbeiten und so ihren Anteil an der Wertschöpfungskette zu erhöhen. Die im Golfkooperationsrat zusammengeschlossenen Staaten wollen bis 2015 ca. 500 Milliarden Dollar in den Ausbau von Förderanlagen und den Aufbau von Chemie-Werken investieren. Damit dürfte für BAYER & Co. eine ernsthafte Konkurrenz erwachsen. Schon jetzt nimmt der saudische Konzern SABIC in der Rangliste der weltgrößten Plaste & Elaste-Unternehmen den sechsten Rang ein.

Global Player Nr. 74: BAYER
Auf der Rangliste der weltweit umsatzkräftigsten Unternehmen verbesserte sich BAYER im Geschäftsjahr 2006 von Platz 75 auf Platz 74. Am heimischen Standort ist der Konzern die Nr. 11.

ÖKONOMIE & PROFIT

Übernahmegerüchte
Mitte August machten Gerüchte die Runde, NOVARTIS habe BAYER als Opfer einer feindlichen Übernahme auserkoren. In der Folge der Spekulationen stieg der Aktienkurs des Leverkusener Multis binnen kurzem um 10 Prozent. Obwohl der Konzern Aufkauf-Gefahren Ernst nimmt und erst jüngst bei einer Investmentbank die Erarbeitung einer Abwehrstrategie in Auftrag gegeben hat, hielten die meisten BeobachterInnen einen solchen Coup von NOVARTIS für eher unwahrscheinlich. Und bisher hat das Schweizer Unternehmen auch noch keine Fakten geschaffen. Warum denn also so viel Rauch um nichts? Die Faz hat dafür zwei Erklärungen: Entweder hat Agro-Riese das Gerücht selbst in die Welt gesetzt, um seinen Börsenwert zu erhöhen, oder aber NOVARTIS lancierte es mit dem Ziel, von anderweitigen Übernahmeplänen abzulenken.

Bye-Bye Wall Street
Mit großem Brimborium hat der Leverkusener Multi im Jahr 2001 die Notierung der BAYER-Aktie an der New Yorker Börse gefeiert. Nun hat der Konzern kleinlaut seinen Abschied von der Wall Street verkündet, was vorher bereits andere bundesdeutsche DAX-Unternehmen wie BASF getan haben. Zu geringes Handelsvolumen, zu hoher finanzieller Aufwand, gab der Pharma-Riese zur Begründung an. BAYER hat vor allem das nach dem ENRON-Skandal eingeführte “Sarbanes-Oxley-Gesetz" zu schaffen gemacht, das für mehr Transparenz sorgen sollte: Die strengen Auflagen zur Informationspflicht drohten immer das eine oder andere schmutzige Geschäf

[Zigaretten] STICHWORT BAYER 02/2007

CBG Redaktion

Chemikalien in Zigaretten

Blauer BAYER-Dunst

„Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich ganz ungeniert“, denken sich die Zigaretten-Hersteller und machen aus den Glimmstengeln wahre Gift-Cocktails. Auch an BAYER-Pestiziden dürfen die RaucherInnen ziehen.

Von John Jonik (USA)

Zigaretten enthalten Dutzende von Zusatzstoffen. So umfasst eine vom deutschen Verbraucherschutzministerium herausgegebene Aufstellung unter anderem Rum, Lakritze, Zucker, Glycerin, Zellulose, Alkohol, Milchsäure, Vanille und getrocknete Früchte. Um besonders Jugendlichen das Rauchen schmackhaft machen, werden Zigaretten mit Kakao, Honig und Aromen versüßt. Zusätze wie Menthol und Ammoniak verstärken die Sucht, indem sie den Hustenreiz lindern und die Nikotinaufnahme erhöhen. In den USA muss eine Zigarette nicht einmal mehr Tabak enthalten – der Geschmack lässt sich mit Zellulose und Aromastoffen vollständig simulieren.
Wenig bekannt ist, dass sich im Zigarettenrauch auch radioaktive Elemente wie Polonium finden. Denn Tabakpflanzen nehmen über Düngemittel radioaktives Blei auf, das zu dem hochgefährlichen Polonium zerfällt. Der Stoff setzt sich im Lungengewebe fest und verstrahlt über Jahre hinweg das umliegende Gewebe – im Tierversuch wurde hierdurch Lungenkrebs ausgelöst. In den Prozessen gegen die amerikanische Tabakindustrie kam heraus, dass den Zigarettenherstellern die Polonium-Kontamination seit langem bekannt ist und sie schon in den 50er Jahren Geheimstudien über die radioaktiven Gefahren von Tabakrauch erstellt hatten.
Weitere hochgefährliche Inhaltsstoffe von Zigaretten sind Pestizide. Tabakpflanzen gehören zu den am stärksten behandelten Kulturen – in den USA gehen rund 15 Prozent aller Agrochemikalien in den Tabakanbau. Die US-amerikanische Behörde „Governmental Accountability Office“ (GAO) legte im Jahr 2003 eine Liste von 37 Pestiziden vor, die im Tabakanbau eingesetzt werden und die sich größtenteils auch in Zigaretten nachweisen lassen. Elf dieser Agrogifte produziert BAYER, darunter berüchtigte Wirkstoffe wie Fenamiphos, Ethoprop, Endosulfan, Aldicarb, Disulfoton und Carbofuran. Nach Aussage des GAO „verursachen viele dieser Pestizide Schäden an Nerven und Atemwegen, die zum Tod führen können. Einige Wirkstoffe können Krebs auslösen und das ungeborene Leben schädigen“.
Fenamiphos, enthalten im BAYER-Produkt NEMACUR, Ethoprop (MOCAP), Disulfoton (DYSISTON), Carbofuran und Aldicarb (TEMIK) ordnet die Weltgesundheitsorganisation WHO allesamt der höchsten Gefahrenklasse („extrem gefährlich“) zu. Weitere Hersteller von Pestiziden im Tabakanbau – wenn auch nicht in dem Ausmaß wie BAYER, dem nach eigenen Angaben größten Hersteller der Welt - sind DOW CHEMICALS, BASF, SYNGENTA und DUPONT.
Nicht nur Pestizide, sondern auch die zur Bleiche von Zigarettenpapier eingesetzten Chemikalien enthalten Chlor. Im Zigarettenrauch findet sich daher auch das krebserregende Ultragift Dioxin, das bei der Verbrennung chlorhaltiger Stoffe entsteht. Nach Studien des Bundesumweltamtes liegt dabei die Dioxin-Belastung von Passiv-RaucherInnen sogar noch höher als die von RaucherInnen.
Ein großer Teil der Gesundheitsrisiken von Zigaretten geht auf die Vielzahl der kaum reglementierten Zusatzstoffe zurück. Reiner Tabak ist weit weniger gefährlich als der Chemikalien-Cocktail, den die Industrie daraus macht! Es ist daher unverständlich, dass in der Debatte um Rauchverbote und bei den Kampagnen gegen Zigaretten-Hersteller von diesen Gefahren und von den Interessen der beteiligten Unternehmen kaum die Rede ist. Zu „Big Tobacco“, den Profiteuren der Zigarettensucht, gehören nämlich nicht nur die großen Tabakfirmen, sondern auch die Hersteller von Düngemitteln, Pestiziden, Bleichstoffen, Zellulose, Aromastoffen und vielem anderen mehr.
Auf Zigarettenpackungen stehen zwar Angaben zum Teer- und Nikotingehalt, Gefahrenhinweise für Dioxin, Pestizide und radioaktive Substanzen fehlen jedoch vollständig. Auch in den Prozessen gegen die US-amerikanische Tabak-Industrie spielten diese Risiken keine größere Rolle. Dabei wäre es für Zigarettenhersteller wie auch für Aufsichtsbehörden schwer zu erklären, warum Dioxin und andere Ultragifte im Zigarettenrauch enthalten sind und nicht verboten werden – aber offenbar hat niemand dieses Verbrechen bislang öffentlich angeprangert.

Die Tabakfirmen haben die in den USA verhängten Strafen zum großen Teil mittels Preiserhöhungen auf die KäuferInnen abgewälzt. Eben diesen wird – von Herstellern wie auch von der Öffentlichkeit - die Schuld für ihre Erkrankungen gegeben, da den RaucherInnen die Gefährlichkeit von Zigaretten bekannt sei. Diese Argumentation ist aber nur zum Teil wahr. Sie lenkt ab von der Verantwortung der Industrie für die Vergiftung von Zigaretten und blendet die politische Einflussnahme aus, mit der die Produzenten verhindern, dass die Zusammensetzung von Zigaretten stärker reglementiert und das Auftreten bestimmter Giftstoffe im Zigarettenrauch verhindert wird.

[HV Protest] STICHWORT BAYER 02/2007

CBG Redaktion

Turbulente BAYER-Hauptversammlung

Aktionen & AktionärInnen

Am 27. April lud der Leverkusener Multi zu seiner diesjährigen Hauptversammlung ein. Unter den nicht ganz so willkommenden Gästen befanden sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, das EINE-WELT-NETZWERK NRW, der NIEDERRHEINISCHE UMWELTSCHUTZVEREIN, die KREFELDER ÄRZTE-INITIATIVE und andere Konzern-KritikerInnen. So kamen den Aktionären nicht nur Zahlen zu Gehör.

Für Bayer war es mal wieder ein Rekordjahr. Mit 29 Milliarden Euro konnte der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning auf der Hauptversammlung ein Umsatzplus von 17 Prozent verkünden. Das sorgte aber auch für einen Rekord ganz anderer Art: Keine andere Stadt in Nordrhein-Westfalen verlor 2006 so viele Industrie-Arbeitsplätze wie der Konzern-Stammsitz Leverkusen. Diese und andere Begleiterscheinungen der Gewinnjagd brachten zehn Kritische AktionärInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und anderer Initiativen zur Sprache. Der Protest begann schon vor den Kölner Messehallen. Ein fast vier Meter großer, vom Aktionskünstler Klaus Klinger gestalteter Gevatter Tod mit einer Tonne Hexachlorbenzol unter dem Arm spielte auf das von Bayer anvisierte Millionengeschäft mit der Verbrennung australischen Giftmülls an, und eine riesige Weltkugel des EINE-WELT-NETZWERKES-NRWs rief den BesucherInnen die globalen Auswirkungen lokalen Profitstrebens in Erinnerung. Zudem mussten die AktionärInnen sich den Weg zu den heiligen Hallen durch eine Phalanx von FlugblattverteilerInnen bahnen.

Durch den so in ähnlicher Weise schon seit Jahren aufgebauten öffentlichen Druck sieht sich der Multi zu aufwändigen Image-Investitionen veranlasst. Nunmehr sind auf den Hauptversammlungen neben den Zahlen nicht nur ein paar Worte zu hören, sondern sogar Filme zu sehen. Zeigte der Konzern seinen AnteilseignerInnen im letzten Jahr, wie sich mit einem kleinen Griff in die Portokasse durch ein vom Konzern spendiertes Süppchen ein Lächeln auf das Gesicht armer Dritte-Welt-Kinder zaubern lässt, so brachte er diesmal ein Werk über ein angebliches Wundermittel gegen Krebs zur Aufführung. Dass es sich hierbei um pure Science-Fiction handelte, stellte Philipp Mimkes von der CBG klar. Nur bei PatientInnen mit fortgeschrittenem Nierenkrebs, bei denen die Chemotherapie nicht mehr anschlägt, kann BAYER nämlich eine lebensverlängernde Wirkung um bis zu drei Monaten nachweisen, weshalb NEXAVAR gegenüber dem Konkurrenz-Präparat SUTENT auch als Mittel zweiter Wahl gilt. Bei den Indikationen „Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs“ musste der Leverkusener Multi die Klinische Erprobung von NEXAVAR sogar vorzeitig abbrechen. Mit seiner Vielzahl von gesundheitsgefährenden Produkten ist BAYER für Mimkes daher viel eher Teil des Problems als der Lösung.

„Es gibt Familien, in denen alle Mitglieder Tumorerkrankungen haben. Die Menschen haben eine Zeitbombe in ihrem Körper, ihre Lebenserwartung liegt 30 Jahre unter dem Durchschnitt“, zitierte etwa der Schreiber dieser Zeilen in seiner Rede die Argentinierin Sofia Gatica, die sich mit der Initiative DIE MÜTTER VON ITUZAINGÓ gegen die unter anderem von BAYER-Pestiziden ausgehende Gefahr wehrt. Die allgemeine Schadensbilanz der Ackergifte präsentierte Jens Elmer vom EINE-WELT-NETZ-NRW der Hauptversammlung: Nach neuesten Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO vergiften sich jährlich bis zu 25 Millionen Menschen durch Agrochemikalien. Aber der Leverkusener Multi habe noch nicht einmal sein 1995 gegebenes Versprechen eingelöst, bis zum Jahr 2000 wenigstens die schlimmsten, der Gefahrenklasse I angehörenden Ackergifte vom Markt zu nehmen, kritisierte Elmer und forderte: „Stoppen Sie endlich den Verkauf hochgefährlicher Pestizide!“ An eine solche Zusage mochte Werner Wenning sich nicht mehr erinnern. Die Ablösung von Klasse-I-Pestiziden sei „ein langwieriger Prozess“, da gebe es „keine Schwarz/Weiß-Lösungen“, druckste der Profit-Profi herum und nahm wieder einmal bei der Standard-Antwort Zuflucht, bei sachgemäßer Anwendung gehe von den Chemischen Keulen keinerlei Gefahr aus.

Hubert Ostendorf (CBG) informierte die Hauptversammlung über die von Nierenversagen über Schlaganfälle bis zu Herzinfarkten reichenden Gegenanzeigen der Arznei TRASYLOL und der Allgemeinmediziner Dr. Bernd Kaufmann von der ÄRZTE-INITIATIVE GEGEN DAS KOHLEKRAFTWERK UERDINGEN widmete sich den Risiken und Nebenwirkungen des im Krefelder Chemiepark geplanten Steinkohle-Kraftwerkes. Würde die Dreckschleuder die Feinstaub-Belastung in der Stadt nur um 10 Nanogramm pro Kubikmeter erhöhen, würde die Sterberate bei Lungenkrebs um 14 Prozent steigen, rechnete er vor. „Wir sind der Meinung, dass gesundheitliche Belange auch bei den Fragen der Energie-Gewinnung und -Produktion vorrangige Beachtung finden müssen“, so Kaufmann. Der Krefelder Stadtrat war der selben Meinung und lehnte den Bau ab, aber BAYER lässt nichts unversucht, um doch noch an die Dreckschleuder zu kommen.

Welche Folgen der Betrieb eines solchen Kraftwerkes für das Klima hätte, machte Ulrich Grubert vom NIEDERRHEINISCHEN UMWELTSCHUTZVEREIN deutlich. 4,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid betrüge die zusätzliche Luftbelastung, führte er aus und veranschaulichte die Dimension dieser Zahl durch einen Vergleich. „Würden alle Bewohner Australiens ihre Glühlampen durch Energiesparlampen ersetzen, würden jährlich drei Millionen Tonnen an Kohlendioxid eingespart“, so Grubert. „Sie können sicher sein, dass Fragen zu Gesundheit und Umwelt für uns wichtig sind“, antwortete Wenning. Aber anderes offenbar wichtiger - und bestimmt nicht das, was er zur Legitimation des Projektes anführte: Standortsicherung und Arbeitsplätze.

Auch Axel Köhler-Schnura von der CBG nahm sich der drohenden Klima-Katastrophe an und wandte sich zu Beginn seiner Ausführungen direkt an die AktionärInnen. „Wie fühlen Sie sich, wenn nun Realität wird, wovor wir KritikerInnen seit Jahrzehnten warnen? Immerhin sprechen wir bereits seit den 80er Jahren hier über die CO2- und andere Emissionen des BAYER-Konzerns, über die Verantwortung des BAYER-Konzerns für die Qualität des Klimas und der Luft. Es muss doch jetzt langsam dem Letzten hier im Saal klar werden, dass hier auf den Hauptversammlungen nicht nur über Gewinn und Dividende gesprochen werden kann!“, beschwor er das Publikum. Und dann sprach er über anderes: Arbeitshetze, Arbeitsplatzvernichtungen und Ausgliederungen.

Was das konkret für die betroffenen Familien bedeutet, veranschaulichte Ulla Krajewski (CBG). Sie verlas den Beitrag eines jungen Schülers, den die Rationalisierungspläne bei BAYER INDUSTRY SERVICES zu einer ungewöhnlichen Protestaktion veranlasst haben. „Wir sind Jugendliche, die sich Sorgen machen um die Arbeitsplätze. Wenn schon die Stellen für unsere Väter in Gefahr sind, wie sieht es dann erst bei unserer Generation aus? Aus diesem Grund machen wir in den Sommerferien eine Protestfahrt. Wir fahren mit dem Skateboard von Augsburg bis Leverkusen und sammeln in ganz Deutschland Unterschriften für den Erhalt von Arbeitsplätzen“, so die Worte von Dennis Schmidt. Andrea Will (DKP) befasste sich ebenfalls mit dem Bilanzschaden „Stellenstreichungen“, der BAYER mit einem Minus von 6.000 Jobs in die Top 3 der bundesdeutschen Arbeitsplatzvernichter katapultierte. „Ist das für Sie ein erfolgreiches Unternehmertum?, Ist das für Sie die Sozialpflichtigkeit des Eigentums?“, fragte Will die Verantwortlichen. Aber die Manager rührte das nicht groß. „Dieses kommunistische Manifest hören wir hier nun schon zum x-ten Mal“, beschied ihr der Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Schneider knapp. Wenning selber bezeichnete die „Anpassungen in der Personalstruktur“, wie es im Konzernchef-Deutsch heißt, als „schmerzlich, aber leider unverzichtbar“. Die Arbeitsplatzvernichtungen im Zuge der Schering-Übernahme verbuchte er kurzerhand unter „Synergieeffekt“.
Ein Alibi für diese Konzern-Politik verschaffte sich der Agro-Riese durch einen aus den Reihen der Betriebsräte rekrutierten Kapital-Claqueur - ein perfides Manöver, das auf den Hauptversammlungen schon Tradition hat. Und so schwang sich die „Arbeitnehmervertreterin“ dann auf, BAYER gegen die „desaströsen Einlassungen“, „Anschuldigungen“ und „Unterstellungen“ der CBG und anderer RednerInnen zu verteidigen und demonstrierte damit, dass nicht nur SIEMENS willige BetriebsratsvertreterInnen hat. Die Wahlverwandtschaft zwischen den beiden Konzernen spiegelt sich auch im Aufsichtsrat wieder. Dort sitzt nämlich mit André Krejcik ein Emissär des Gewerkschaftsgewächses von SIEMENS, der AUB - und auf der Arbeitgeberseite Dr. Klaus Kleinfeld himself. Der verlorene SIEMENS-Sohn fand trotz Korruptionsaffären und anderer Kleinigkeiten eine warme Aufnahme in der BAYER-Familie. 95,8 Prozent stimmten seiner Wahl in den Aufsichtsrat zu, lediglich ein paar mehr Enthaltungen als üblich gab es. Mit Verweis auf diesen schlechten Umgang konnten selbst konservative Zeitungen wie die Rheinische Post den Beteuerungen des Konzern-Chefs: „Geschäfte, die nur mit unlauteren Methoden gemacht werden können, kommen für uns nicht in Betracht“, nicht recht glauben. Weiteren Zweifel sähte dann Ralf-Jochen Ehresmann mit seinen Ausführungen zu BAYERs Beteiligung an einem Potenzmittel-Kartell in der Schweiz. Nur für den Versammlungsleiter Manfred Schneider war am Ende eines langen Tages alles klar. „Da die Fragen unserer Meinung nach alle beantwortet worden sind“, beendete er die Aussprache. Hubert Ostendorf zog hingegen ein ganz anderes Resümee: „BAYER hat sich wieder mal als beratungsresistent erwiesen“. von Jan Pehrke

KritikerInnen fragen, BAYER antwortet nicht

Die Schadensbilanz 2006

BAYER-Vorstand Werner Wenning beantwortet die Fragen der Konzern-KritikerInnen nicht persönlich, dafür hat er seine Leute. Hinter der Bühne der Kölner Messehalle verbirgt sich ein 50-köpfiges „Back Office“, das dem Chef die richtigen Repliken einflüstert und ihm die zur Umgehung der Wahrheit nötigen rhetorischen Textbausteine liefert. Da wird aus einem 203 Millionen schwerem Steuergeschenk schon mal gerne ein „normaler betriebswirtschaftlicher Vorgang“ der „steuerlichen Berichtigung“. Vom Gen-GAU mit dem LL601-Reis drang auch nichts auf die Rückseite des „Science for a better life“-Bühnenbildes, obwohl es sinnfällig gewesen wäre. „Die Zusammensetzung des Proteins ist gründlich geprüft“ und „Das Unternehmen hat verantwortlich gehandelt“ gaben die Stimmen aus dem Hintergrund Wenning stattdessen ein.

Und immer wenn es Erklärungsbedarf wegen Ermittlungen gegen BAYER gab, wie im Falle des Nebenwirkungen wie Nierenversagen, Herzinfarkt und Schlaganfall verursachenden Medikamentes TRASYLOL, hieß es verbrämend: „Wir arbeiten eng mit den Arzneimittelbehörden zusammen“. Hubert Ostendorf von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Er informierte die AktionärInnen über eine Untersuchung, nach der das bei Bypass-OPs zur Blutstillung eingesetzte Medikament das Schlaganfallrisiko um 181 Prozent erhöht und die Wahrscheinlichkeit einen Herzinfarkt oder eine Gehirnkrankheit zu bekommen verdoppelt. „Eine ernste Situation“, nannte das der Mediziner Dennis Mangano Ostendorf zufolge. Wenning hingegen vermochte den Ernst der Lage nicht zu erkennen. Als „nicht verlässlich“ apostrophierte die Studie - die PatientInnen waren also offenbar nur auf dem Papier gestorben.

„Wir kooperieren mit den Wettbewerbsbehörden“, das versicherte der Große Vorsitzende auch Ralf-Jochen Ehresmann, der bei den Hauptversammlungen regelmäßig die Kartellverstöße des Multis thematisiert und dieses Mal von Preisabsprachen beim Potenzmittel LEVITRA berichtete. Auch die unlautere Werbung für das Lifestyle-Präparat zwang BAYER nach Angaben Ehresmanns rund um den Globus zu diversen „Kooperationen“. So schritten in Australien, den USA und Brasilien staatliche Stellen gegen die Pillen-Propaganda ein. Im Fall „Brasilien“, wo der Konzern während der Fußball-WM kostenlos LEVITRA verteilt hatte, gab sich Werner Wenning reumütig. Die Aktion wurde gestoppt, weil es sich um eine „nicht abgestimmte Verteilung“ gehandelt habe, gestand er. Auch eine Überarbeitung der homepage des Mittels gegen „erektile Dysfunktion“ räumte der Vorstandsvorsitzende ein. Ansonsten ließ er aber auf die „Seriösität der LEVITRA-Werbung“ nichts kommen, deren Aggressivität der Zielgruppe ja nur die Scheu vor dem Arzt-Besuch nehmen solle. Seinen AktionärInnen gegenüber redete der BAYER-Mann dann später Klartext. „Eine mehr auf den Konsumenten zugeschnittene Ansprache“ hätte die Verkaufszahlen für das Präparat nach oben getrieben.

So deutliche Worte hätte Jens Elmer vom EINE-WELT-NETZ-NRW sich auch zur Kinderarbeit gewünscht. „Seit vier Jahren verstößt BAYER gegen die eigenen Zusagen“, empörte sich Elmer, immer noch arbeiteten Minderjährige 12 Stunden in senkender Hitze und oft noch in Schuldknechtschaft bei den Zulieferern von BAYERs indischer Saatgut-Tochter PROAGRO. „Die jahrelangen Vorwürfe des EINE-WELT-NETZ-NRW zeigen, wie wenig Sie sich vor Ort mit den Aktivitäten von BAYER beschäftigt haben. Sonst wüssten Sie von den Erfolgen“, antwortete das „Back Office“ durch das Medium Wenning und pries wider besseren Wissens wieder einmal das Sanktionssystem des Multis und sein bildungspolitisches Engagement in der Region.

Aber nicht nur in Sachen „Kinderarbeit“ und „genereller Marktrückzug von Ackergiften der Gefahrenklasse I“ musste sich der Konzern von Elmer Wortbrüche vorhalten lassen. Auch die Zusage, den Vertrieb der Pestizid-Wirkstoffe Parathion Methyl (Produktname: FOLIDOL) und Monocrotophos einzustellen, hielt der Agro-Riese nicht ein. „Stoppen Sie endlich den Verkauf hochgefährlicher Pestizide!“, appellierte der Aktivist deshalb an den Vorstand und bekräftigte seine Forderung mit Protest-Unterschriften von 2.600 Einzelpersonen und 154 Organisationen aus 35 Ländern.

CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes übernahm es schließlich, der Hauptversammlung den genauen Wortlaut des von BAYER gegebenen Versprechens über den Stopp von Klasse-I-Agrochemikalien zu präsentieren und Werner Wenning so Lügen zu strafen. Auch sein Gedächtnis zum Pestizid Endosulfan, das der Profit-Profi gar nicht mehr in BAYER-Produktion wähnte, frischte Mimkes wieder auf. Als der CBGler auf die zahlreichen Störfälle von Baytown über Belford Roxo bis Uerdingen und Dormagen zu sprechen kam, schaltete der Vorstandsvorsitzende auf Autopilot. BAYER befände sich mal wieder „in enger Absprache mit den Behörden.“ Sogar einige neue Sicherheitsparameter gönnte sich das Unternehmen, aber allzu viel Hoffnung machte Wenning Philipp Mimkes nicht. „Leider kann, wie bei vielen Dingen im Leben, ein Restrisiko nie ganz ausgeschlossen werden“. Darum hüllte er sich wohl auch zur von BAYER geplanten, 67 km langen Kohlenmonoxid-Pipeline von Dormagen nach Uerdingen in Schweigen, welche ob ihres Gefahrenpotenzials Monheim und andere neben der Strecke liegende Städte in Aufruhr versetzt, wie Mimkes darlegte. Die 16.000 Kilometer lange, von Australien bis zu BAYERs Rückstandsverbrennungsanlagen in Dormagen und Leverkusen reichende Giftmüll-Pipeline bezeichnete der Konzernchef dagegen als längsten Umweltschutzbeitrag der Welt, da die Öfen des Unternehmens „den modernsten Standards entsprechen“. Die Verbal-Akrobatik von Wennings Hintermännern und -frauen ereichte allerdings im Fall „Fritz ter Meer“ ihren Höhepunkt. Philipp Mimkes hatte in seiner Rede die alljährlichen Kranzniederlegungen auf dem Grab des ehemaligen IG-FARBEN-Vorstandes kritisiert, den die Alliierten nach 1945 wegen der Ausbeutung von SklavenarbeiterInnen und Plünderungen als Kriegsverbrecher zu sieben Jahren Haft verurteilt hatten. Wenning beschied ihm nun, die Ehrung galt gar nicht ihm, sondern seinem Vater Edmund Ter Meer, dem Gründer einer Vorläuferfirma von BAYER. Das kann ja schon mal vorkommen, dass einem auf der letzten Ruhestätte einer großen Familie mal ein Kranz verrutscht und in gefährliche Nähe zur Grabplatte eines Faschisten gerät, meinte der Vorstandschef offensichtlich. Und so wenig wie der Pharma-Riese an diesem Freitag im April willens war, seine Vergangenheit zu bewältigen, so wenig war er auch bereit, sich den sozialen, politischen und ökologischen Folgen seines heutigen Handelns zu stellen.
Von Jan Pehrke