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Beiträge verschlagwortet als “EU”

Brüssel lässt BAYER warten

Marius Stelzmann

Die Genscheren-Deregulierung stockt

Mit aller Macht versuchte die EU, ihre Verordnung zur Deregulierung der Neuen Gentechniken noch vor der Europa-Wahl durchzubringen. Dies scheiterte sehr zum Missfallen von BAYER & Co. jedoch – nicht zuletzt am Widerstand, der sich allerorts gegen das Vorhaben formiert hatte.

Von Jan Pehrke

Es zog sich, was das „Aktionsbündnis gegen Gentechnik in und um Düsseldorf“ am 6. April 2024 zum „Gehen gegen Gentechnik“ auf die Straße gebracht hatte. An einer langen Leine, an der kleine Kärtchen flatterten, marschierten die DemonstrantInnen, oft in der Montur roter Genteufelchen, durch die Stadt. Was sie da mit sich trugen, waren fein aufgereiht hunderte Postkarten mit Unterschriften gegen das Vorhaben der Europäischen Union, bestimmten neuen gentechnischen Verfahren Risiko-Prüfungen und Kennzeichnungspflichten zu ersparen. Adressat der Sendungen: die nordrhein-westfälische Landesregierung. Die kann nach Meinung des Bündnisses, in dem sich zahlreiche Initiativen wie der Ernährungsrat Düsseldorf, der NABU, die NaturFreunde Düsseldorf, Gerresheim Nachhaltig, das Ökotop Heerdt und die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) zusammengefunden haben, nämlich durchaus etwas gegen die Brüsseler Pläne tun. „In ihrem Koalitionsvertrag hatte Schwarz-Grün erklärt: ‚Wir wollen Verbraucherschutzland Nummer eins sein.‘ An dieses Versprechen werden wir Landeswirtschaftsministerin Mona Neubaur, Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen und Umweltminister Oliver Krischer am 6. April erinnern“, hieß es in der Pressemitteilung des Bündnisses zur Demo.

Annahme verweigert

Allerdings wollte keine/r der Drei die Unterschriften persönlich entgegennehmen. Die Absagen im Vorfeld hinderten die rund 80 Gentechnik-KritikerInnen jedoch nicht, bei den Ministerien vorstellig zu werden. Mit zwei Treckern und einer monströsen Gentech-Kartoffel an der Spitze ging es vom Graf-Adolf-Platz aus zunächst Richtung Stadttor zum „Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz“. Dort hielt der Biobauer Heiner Hannen vom Kaarster Lammertzhof eine kleine Ansprache. Er berichtete von den negativen Erfahrungen US-amerikanischer LandwirtInnen mit der Gentechnik, räumte mit der Mär ihrer Überlegenheit gegenüber konventionellen und ökologischen Praktiken auf und wandte sich dann direkt an die CDU-Politikerin. „Frau Landwirtschaftsministerin, eine große Mehrheit der Menschen hier in Deutschland und Europa und auch immer mehr Menschen in den USA und anderen Ländern möchten gentechnik-freie Lebensmittel essen. Biolandbau ist gentechnik-frei. Wenn der Gesetzvorschlag der EU durchkommt, kann ich nicht mehr für gentechnik-freie Erzeugung und damit für Bioanbau garantieren“, mit diesen Worten brachte er seine Befürchtungen zum Ausdruck. Wind und Bienen würden bei der Bestäubung nämlich keinen Unterschied machen und so seine Pflanzen unkontrollierbar kontaminieren, weswegen die Ernte nicht mehr als Bio-Ware zu vermarkten wäre, so Hannen. „Deshalb darf das EU-Gesetz nicht kommen“, mahnte er.

Dann ging es weiter zum Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie. „Ministerin Mona Neubaur hat leider keine Zeit gefunden, unsere Unterschriften persönlich entgegenzunehmen, aber ich glaube, dafür gibt es nicht nur terminliche Gründe. Während Schwarz-Grün sich im Koalitionsvertrag deutlich gegen die alten Gentechniken ausspricht, steht das Wirtschaftsministerium den neuen durchaus positiv gegenüber“, erläuterte Jan Pehrke von der CBG – der Autor dieser Zeilen. Er zitierte dazu Verlautbarungen aus dem Haus, wonach Genscheren wie CRISPR/Cas und andere Methoden des Genome Editing ein großes Potenzial für den Standort NRW besäßen und zudem unabdingbar wären, um die Landwirtschaft in die Lage zu versetzen, auf nachhaltige Weise dem Klimawandel zu trotzen und die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Pehrkes Ansicht nach ist das von der Grünen-Politikerin geführte Ministerium damit den Heilsversprechen von BAYER & Co. aufgesessen, die bei der alten Gentechnik ganz ähnlich geklungen hätten und wirkungslos verhallt wären. Er hob dagegen die ganz realen Risiken und Nebenwirkungen der Genscherereien hervor. Der CBGler zitierte dazu aus einem Gutachten der französischen Behörde für Nahrungsmittelsicherheit ANSEL, wonach selbst kleinste Eingriffe bei den Pflanzen zu einer Veränderung des Allergie- und Toxizitätspotentials sowie der Nährstoff-Eigenschaften führen könnten. Deshalb rief Jan Pehrke dazu auf, alles zur Verhinderung der EU-Pläne zu tun – so lange noch Zeit ist.

Kurs auf Krischer

Anschließend nahm der Zug am Rhein entlang Kurs auf das „Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr“. Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) fand „wegen der hohen Termindichte und bereits bestehender Verpflichtungen“ zwar auch keine Zeit, die Unterschriften persönlich entgegenzunehmen, aber er ließ zumindest eine ausführlichere Absage aufsetzen. Während sich das Wirtschaftsministerium ohne Wenn und Aber zu den neuen Schnippel-Techniken bekennt, klingt das aus dem Umweltministerium ein wenig anders. „Herr Minister Krischer hat sich bereits im Sinne ihrer Forderungen auf der Frühjahr-Umweltministerkonferenz (UMK) am 12.5.2023 eingesetzt“, hält das Schreiben fest. Leider jedoch hätten der NRW-Minister und seine KollegInnen für die dort gefassten Beschlüssen im Bundesrat keine Mehrheit gefunden, so dass nicht viele ihrer Forderungen in die Stellungnahme der Ländervertretung zum Verordnungsvorschlag der EU eingegangen wären, hieß es weiter. Insgesamt beschreibt das Ministerium die Haltung der nordrhein-westfälischen Landesregierung zur Gentechnik 2.0 als eine „differenzierte Position“. Neben den so obligatorischen wie unbelegten Verweisen auf die segensreichen Wirkungen von CRISPR/Cas & Co. für die Welternährung, die Pestizid-Reduktion und die Klima-Anpassung von Pflanzen betonte das Umweltministerium auch das Risiko der Kontamination von Öko-Produkten mit Gentech-Gewächsen. Überdies sah es in der zur Debatte stehenden Patentierbarkeit der Labor-Kreationen eine Gefahr, weil das ZüchterInnen den Zugang zu genetischem Material verschließe. „Das Umweltministerium wird sich im weiteren Rechtssetzungsprozess dafür einsetzen, dass offene Fragen zur Transparenz, Wahlfreiheit, Koexistenz, Patentierbarkeit sowie des Vorsorge-Prinzips geklärt werden“, versicherte das Krischer-Ministerium dem Aktionsbündnis zum Abschluss.

Die Macht am Rhein

Anne Mommertz vom Ernährungsrat Düsseldorf nahm den Minister beim Wort: „Sie schreiben, dass Sie sich 2023 in unserem Sinne eingesetzt haben (…) Wir stehen also hier, um unsere gemeinsamen Ziele zu unterstützen.“ Aber so einfach wollte sie Oliver Krischer dann doch nicht Glauben schenken. „Wir möchten eine Garantie, dass Gentechnik nur drin ist, wo es draufsteht“, so Mommertz. Dann berichtete sie von US-amerikanischen Öko-LandwirtInnen, die sich auf ihren Feldern mit übergriffigen Genpflanzen herumschlagen müssen und sehnsüchtig nach Brüssel blicken, wo das im EU-Recht verankerte Vorsorge-Prinzip Schutz vor solchen Kontaminationen bietet. „Dieses Vorsorge-Prinzip hebelt die EU mit dem vorgeschlagenen Gesetz nun selber aus! Warum? Für wen?“, fragte die Aktivistin und fand die Antwort unweit von Düsseldorf in Leverkusen, wo mit BAYER das größte Agrar-Unternehmen der Welt seinen Sitz hat. Von einer globalen Konzern-Macht, der zur Durchsetzung ihrer kommerziellen Ziele jedes Mittel recht sei, sprach sie in diesem Zusammenhang.

Noch aber sind BAYER & Co. trotz immenser Lobby-Anstrengungen nicht am Ziel. Allein der Leverkusener Multi nahm sich in Brüssel laut EU-Transparenz-Register zweimal die für den Verordnungsvorschlag zuständigen EU-ParlamentarierInnen zur Brust und sprach in der Sache fünf Mal bei Mitgliedern der Kabinette von EU-KommissarInnen vor. Zudem entfalteten Lobbyorganisationen wie der „Industrieverband Agrar“, die „Industrie-Vereinigung Biotechnologie“ und der „Bundesverband der Deutschen Pflanzenschützer“ rege Aktivitäten. So setzten sie einen offenen Brief an deutsche PolitikerInnen auf, der „Landwirtschaft zukunftsfähig machen: Anwendung der neuen genomischen Techniken in Europa zeitnah ermöglichen“ überschrieben war.

Bezeichnenderweise trug der „Deutsche Bauernverband“ das Schreiben nicht mit. Er sträubt sich nämlich, den Agro-Riesen Patentschutz auf ihre Labor-Kreationen zu gewähren. Der Streit darum gehört dann auch zu den Hauptgründen, warum das Vorhaben nicht recht vorankommt. Noch in der vorletzten Mai-Woche scheiterte ein Kompromiss-Vorschlag der belgischen Ratspräsidentschaft. Zu groß waren einstweilen noch die Bedenken der PolitikerInnen. Aber die Bemühungen, eine Einigung zu erzielen, gingen unbeeindruckt von der EU-Wahl und der Neu-Sortierung von Parlament und Kommission mit voller Kraft weiter. ⎜

BAYERs Genscherereien

Bei der Gentechnik 2.0 kommen Gen-Scheren wie CRISPR/Cas zum Einsatz. Dieses Verfahren bedient sich eines Abwehr-Mechanismus’ von Bakterien zum Aufspüren von schädlichen Viren. Es steuert bestimmte Gen-Abschnitte an und nutzt dann das Cas-Enzym zur Auftrennung der Genom-Sequenz. Anschließend setzt CRISPR/Cas entweder mitgeführte neue Erbgut-Stränge ein, schaltet bestimmte Gene ab oder bringt die Zellen dazu, per Mutagenese selbst Veränderungsprozesse einzuleiten. Der Leverkusener Multi vermarktet bereits einen von der Firma PAIRWISE mit Hilfe der Genom-Editierung entwickelten Salat und arbeitet gemeinsam mit dem Unternehmen an einem Kurzhalm-Mais. Zudem in der BAYER-Pipeline: eine Vitamin-D-Tomate und ein Ackerheller-Kraut. Darüber hinaus unterhält der Konzern Entwicklungspartnerschaften mit ERS GENOMICS, TARGETGENE BIOTECHNOLOGIES, dem BROAD INSTITUTE, MEIOGENIX und mit NOMAD BIOSCIENCE.

Keine Aufweichung der Gentechnik-Gesetze!

Marius Stelzmann

Düsseldorfer Bündnis übergibt NRW-Umweltminister Krischer 1.000 Unterschriften
Presse-Information vom 11.09.24
Das Aktionsbündnis gegen Gentechnik in und um Düsseldorf übergibt dem nordrhein-westfälischen Umweltminister Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) am kommenden Freitag 1.000 Unterschriften gegen die Deregulierung der neueren Gentechnik-Verfahren. Es fordert den Minister damit auf, sich gegen die entsprechenden EU-Pläne einzusetzen. 
Der Gesetzes-Entwurf der Europäischen Union zu den „Neuen Gentechniken (NGT)" sieht vor, einen Großteil der mit Genscheren wie CRISPR/Cas produzierten Pflanzen wie in der Natur vorkommende oder mit Hilfe konventioneller Verfahren gezüchtete Gewächse zu behandeln. Weder eine Risiko-Prüfung noch eine Kennzeichnungspflicht soll es für solche Laborfrüchte noch geben. „Gentechnik würde durch die Hintertür Einzug in unsere Lebensmittel nehmen." warnt Anne Mommertz vom Aktionsbündnis.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hat sich dem Bündnis angeschlossen, weil BAYER zu den größten Gentechnik-Konzernen der Welt zählt. Auch Gen-Scheren wie CRISPR/Cas kommen bei ihm zum Einsatz. So vertreibt das Unternehmen etwa einen – mittels Gentechnik entschärften – Salat aus Senfblättern und entwickelt eine Vitamin-D-Tomate.
Außer der Coordination gehören dem Bündnis noch Gruppen wie der Ernährungsrat Düsseldorf, die NaturFreunde Düsseldorf, Gerresheim Nachhaltig, das Ökotop Heerdt, das Klima-Netzwerk Wuppertal sowie die Bäckerei Bulle und der Lammertzhof an. 
Die Unterschriften-Übergabe findet Freitag, d. 13. September um 11 Uhr auf der Wiese vor dem NRW-Landtag statt.
Pressekontakt:
Marius Stelzmann 0211/33 39 11
presse@cbgnetwork.org

Ein Glyphosat-Stopp ist möglich!

CBG Vorstand

CBG zur heutigen Bundesrat-Sitzung

Presse-Information vom 14.06.2024

Am heutigen Freitag berät der Bundesrat über die weitere Zukunft von Glyphosat in Deutschland. Dazu liegen Empfehlungen vor, die Auflagen zu lockern und den Gebrauch auch in Wasserschutzgebieten zu erlauben.

„Das wäre absolut verantwortungslos. Die EU hat zwar die Zulassung von Glyphosat im November letzten Jahres verlängert, die Mitgliedsländer aber explizit dazu angehalten, dem Schutz des Grundwassers in gefährdeten Gebieten und dem Schutz von Oberflächengewässern besondere Aufmerksamkeit zu widmen“, hält Marius Stelzmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren fest.

Überdies hat die Europäische Union die Effekte des Herbizids auf die Artenvielfalt wegen fehlender Studien nicht abschließend bemessen können. Sie sprach von einer „generellen Daten-Lücke“. Damit nicht genug, machte die EU über 20 weitere „data gaps“ aus. Diese betrafen unter anderem die Entwicklungsneurotoxizität – also die Auswirkungen des Mittels auf die noch im Wachstum befindlichen Nervensysteme von Embryos, Säuglingen und Kindern – sowie mögliche Beeinträchtigungen von Zellteilungsprozessen und Schädigungen von Chromosomen. Zudem blieb „die Bewertung des ernährungsbedingten Risikos für Verbraucher“ offen, da keine Angaben der Hersteller zu den Glyphosat-Rückständen auf Karotten, Weizen und Salat vorlagen.

Den Umgang mit diesen Unwägbarkeiten überlässt die EU ausdrücklich den Mitgliedsländern. Wenn ein Staat trotz der Einführung von Risikominderungsmaßnahmen noch Bedenken hätte, dürfe er „die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in seinem Hoheitsgebiet beschränken oder verweigern“, heißt es im sogenannten Renewal Report.

„Und eben das muss die Politik nun tun, zumal der Rechtsweg offen ist“, fordert Stelzmann und verweist dazu auf die entsprechenden Expertisen von der Heinrich-Böll-Stiftung, Aurelia und der Deutschen Umwelthilfe. Aurelia und die Deutsche Umwelthilfe nennen dabei als einen Ansatzpunkt den Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Dieser Paragraf gestattet es bei neuen EU-Regularien nämlich, einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten, wenn das z. B. der Umweltschutz gebietet. Auch böte die von Brüssel ohnehin vorgeschriebene Überprüfung der Genehmigung vom November 2023 die Möglichkeit, das Herbizid aus dem Verkehr zu ziehen. Darüber hinaus gestatte das EU-Recht Notfallmaßnahmen bei Wirkstoffen mit schwerwiegenden Risiken für Mensch, Tier und Umwelt.

Der langen Liste der Glyphosat-Risiken fügten französische WissenschaftlerInnen unlängst noch einen Eintrag zu. Eine ForscherInnen-Gruppe um Claudine Vasseur untersuchte das Sperma französischer Männer und fand Glyphosat-Spuren. Dabei überstiegen die Rückstände diejenigen im Blut um den Faktor 4. „Zusammengefasst deuten unsere Ergebnisse auf einen negativen Einfluss von Glyphosat auf die reproduktive Gesundheit des Menschen und möglicherweise seiner Nachkommenschaft hin“, resümieren sie. Deshalb fordern Vasseur & Co. die Politik eindringlich auf, zu reagieren und dem Vorsorgeprinzip Geltung zu verschaffen.

„Die Politik hat also genug Möglichkeiten zu handeln, sie muss diese nur nutzen“, konstatiert CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann abschließend.