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Beiträge verschlagwortet als “Glyphosat”

Pestizide

CBG Redaktion

31. Mai 2013, Dirk Zimmermann (Greenpeace)

Bienen zwischen allen Fronten – vom chemischen Krieg auf dem Acker

Die guten Nachrichten vorweg: Die Europäische Kommission hat am 24. Mai die Mehrheitsentscheidung der Mitgliedsstaaten bestätigt und ein zumindest vorübergehendes Verbot dreier Pestizide aus der Wirkstoffgruppe der sogenannten Neonicotinoide installiert, die für Bienen besonders gefährlich sind.

Ab Dezember sind die Gifte dann für zwei Jahre und bestimmte Kulturen verboten – ein überfälliger Schritt, auch wenn er deutlich zu kurz greift. Im Herbst ausgesäter Raps beispielsweise darf noch einmal mit den Insektiziden ausgerüstet werden, zudem sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse eindeutig genug, um ein langfristiges Verbot zu rechtfertigen.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestätigte mit der Veröffentlichung der Bewertung eines weiteren Wirkstoffs, Fipronil, am 27. Mai auch dessen Gefährlichkeit für Bienen. Das Insektizid Fipronil aus dem Hause BASF wird in Europa vor allem zur Behandlung von Mais-Saatgut eingesetzt. In Deutschland besteht zurzeit nur die vorübergehende Zulassung zum Einsatz im Kartoffel-Anbau.

Auch Greenpeace hatte das Gift als gefährlich für Bienen eingeschätzt und dessen umgehendes Verbot gefordert. Mit der erneut unerwarteten Unterstützung von Seiten der EFSA sollte Fipronil nun auch schnellstmöglich auf die Abschussliste der EU-Kommission wandern.

Auch dem Industrieverband Agrar (IVA), Sprachrohr der Industrie, ist die Entwicklung in Sachen Neonicotinoide und Giftverbote ein Dorn im Auge – doch wirklich weh tut das bevorstehende Verbot der Agrochemie-Industrie wohl nicht. Auch das geht aus den Presseinformationen des Verbandes hervor, in denen die stark wachsenden Umsätze mit Agrargiften und synthetischen Düngemitteln gefeiert werden.

Zwar geben die veröffentlichten Zahlen nur die Umsätze wieder, doch dürfte auch der mengenmäßige Einsatz von Chemie auf dem Acker erneut zugenommen haben. Ein trauriges Detail: Immer mehr Flächen in Deutschland werden mit Totalherbiziden behandelt, Unkrautvernichtungsmitteln also, die sämtliches pflanzliche Leben töten. Damit sorgen sie entweder für einen “reinen Tisch”, oder aber eine kontrollierte Abreife von z.B. Raps oder Getreide.

In Erwartung einer weiter steigenden Nachfrage haben sich nach Angaben des IVA zahlreiche Landwirte mit entsprechenden Produkten bevorratet. Unter ihnen dürfte “Roundup” von Monsanto das bekannteste sein, doch praktisch alle Agrochemie-Anbieter haben Glyphosat-haltige Mittel im Angebot.

Der ausufernde Einsatz von Glyphosat, in den USA vor allem im Zusammenhang mit Herbizid-resistenten Gen-Pflanzen, hat nicht nur im Mutterland der Agro-Gentechnik immer mehr Unkräuter resistent werden lassen. 50 Prozent der Anbaufläche ist von dem Problem betroffen, immer mehr Gift kommt zum Einsatz. Das Systemversagen hätte ein grundsätzliches Hinterfragen des Anbaus herbizidtoleranter Gen-Pflanzen herbeiführen müssen.

Das Gegenteil ist der Fall: Die Gentechnik-Multis haben längst Pflanzen mit Resistenzen gegen alternative Wirkstoffe vor der Marktreife und preisen deren zu erwartende Zulassungen als nachhaltige Lösungen an. Doch die Hoffnungen von Monsanto und Dow auf baldige Zulassung von Mais-, Soja- und Baumwoll-Gen-Sorten mit Resistenzen gegen die Wirkstoffe 2,4-D und Dicamba haben sich unlängst zerschlagen: Das amerikanische Landwirtschaftsministerium hat Bedenken hinsichtlich der ökologischen Unbedenklichkeit der Pflanzen und deshalb weitere Daten angefordert.

Frühestens 2015 wird ein Anbau der Varietäten möglich werden. Vielleicht reift bis dahin weitere Einsicht – die in Frage stehenden “Komplementärherbizide” haben jedenfalls eine noch längere und unrühmlichere Vergangenheit als das populäre Glyphosat.

Und noch ein Totalherbizid machte in den vergangenen Wochen Schlagzeilen: Glufosinat, das unter anderem im Zusammenhang mit dem Gen-Reis-Skandal von 2006 traurige Berühmtheit erlangte und dessen Gefährlichkeit unbestritten ist, steht schon lange auf der Abschussliste der EU. Die Zulassung wäre 2017 ausgelaufen, nun hat die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, allen Pestiziden mit dem Wirkstoff bis November 2013 die Lizenz zu entziehen. Eine gute Nachricht also – das fortpflanzungsschädigende Glufosinat könnte damit schon bald aus der landwirtschaftlichen Praxis in Europa verschwunden sein.

Leider sieht Bayer CropScience, der Hersteller des Ackergifts, dies ganz anders: Nur gute drei Wochen nach der EU-Verordnung kündigte der Konzern den Bau einer Glufosinat-Fabrik in den USA an, die die weltweite Produktion des Wirkstoffs in Kürze verdoppeln könnte. Bayer begründet seine Unternehmensentscheidung unter anderem mit der immer dramatischeren Glyphosat-Resistenz-Problematik – und bezeichnet Glufosinat als eine nachhaltige Lösung. Das Wettrüsten auf dem Acker nimmt damit endgültig absurde Züge an. “Nachhaltig” dürften vorerst nur die Unternehmensgewinne sprudeln – Umwelt und Verbraucher bleiben auf der Strecke.

In dem Zusammenhang muss eine traurige Kuriosität genannt werden: Die US-Umweltbehörde EPA plant die Grenzwerte für Glyphosat in Lebens- und Futtermitteln ein weiteres Mal heraufzusetzen. Der immer weiter ausufernde Einsatz des Gifts in den Roundup-Ready-Kulturen auf Amerikas Gentechnik-Feldern macht diesen Schritt unausweichlich.

Der Konsumentenschutz muss sich einmal mehr der gängigen Praxis und den Konzerninteressen unterwerfen. Ähnliches hat auch schon in Europa stattgefunden. Es ist höchste Zeit, die komplette landwirtschaftliche Praxis nicht nur infrage zu stellen, sondern aus dem Pestizid-Spiel auszusteigen und echte Lösungen zu finden.

Ökologische Landwirtschaft nutzt natürliche Regelungsfunktionen, vermeidet und verhindert damit “Schädlings”befall – und kann daher auf Agrargifte verzichten. Die Beikrautregulierung erfolgt mechanisch oder über geschicktes Management, etwa den zeitlich überlappenden Anbau von Zwischenfrüchten mit der Hauptkultur.

Die Frage nach dem Umgang mit Pestizid-Rückständen erübrigt sich und gleichzeitig liefert der ökologische Landbau Antworten auf andere Fragen: Die Anbausysteme sind in jeder Hinsicht vielfältiger als agrarindustrielle Monokulturen. Auch das ist ein Geheimnis ihrer erhöhten Stabilität. Dadurch werden auch Bienen und wildlebende Bestäubungsinsekten nicht nur vor Agrargiften geschützt, es wird ihnen auch ein vielfältiges und ganzjähriges Nahrungsangebot bereitgestellt.

In weiten Teilen Deutschlands fehlt bereits nach der üppigen, aber wegen des hohen Gifteinsatzes auch gefährlichen Rapsblüte, die Nahrungsgrundlage der Bestäuber. Freigespritzte Maismonokulturen sind nicht nur für Bienen ökologische Wüsten. Von der Vielfalt ökologischer Landwirtschaft profitieren am Ende also fast alle Beteiligten – außer der agrarchemischen Industrie.

weitere Infos: „Glufosinat endlich vom Markt nehmen!“ und Kampagne Bienensterben

Glufosinat

CBG Redaktion

Presse Information vom 16. Mai 2013

Coordination gegen BAYER-Gefahren
Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN)
Gen-ethisches Netzwerk e.V. (GeN)
Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU)

„Glufosinat endlich vom Markt nehmen!“

EU befürchtet Risiken für Säugetiere / BAYER erweitert Produktion in den USA

Die EU-Kommission hat in einer aktuellen Verordnung die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, die Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln mit dem umstrittenen Herbizid Glufosinat bis zum November 2013 zu widerrufen oder einzuschränken. Wörtlich heißt es in der Verordnung, „dass ein hohes Risiko für Säugetiere und Nichtzielarthropoden nur durch Festlegung weiterer Einschränkungen ausgeschlossen werden kann“.

Das fortpflanzungsschädigende Glufosinat gehört zu der Gruppe besonders gefährlicher Pestizide, die laut EU-Pestizidgesetzgebung sukzessive aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Für Glufosinat läuft die Genehmigung im September 2017 aus.

Trotz der seit Jahren bekannten Risiken und dem voraussehbaren Ende für den EU-Markt hat die Bayer CropScience AG gestern den Bau einer neuen Glufosinat-Produktionsanlage im US-Bundesstaat Alabama angekündigt. Hierdurch solle der weltweite Ausstoß verdoppelt werden, so das Unternehmen. Begründet wird der Schritt mit zunehmenden Unkrautresistenzen gegen das Herbizid Glyphosat von Monsanto.

Carina Weber, Geschäftsführerin vom Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany) fordert: „Die EU-Mitgliedsstaaten, so auch Deutschland, sollten jetzt eine klare Entscheidung treffen und glufosinathaltige Mittel auf Grundlage der Verordnung vom Markt nehmen. Weiteres Herumdoktern mit Verwendungsbeschränkungen wäre aufgrund der hohen Risiken weder zu befürworten noch nachzuvollziehen.“ Betroffen wären in Deutschland die drei BAYER-Produkte BASTA, HYGANEX-flüssig und RA-200-flüssig, die u.a. beim Anbau von Spargel, Kartoffeln, Möhren und Feldsalat eingesetzt werden.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren ergänzt: „Die Firma BAYER handelt unverantwortlich, wenn sie im Ausland den Einsatz eines Pestizids forciert, das in Europa aus guten Gründen vom Markt genommen wird“. Mimkes erinnert daran, dass Umweltverbände vor der Einführung von genmanipuliertem Saatgut stets vor der Entstehung herbizidresistenter Wildkräuter gewarnt haben. „Weder der Einsatz von Glyphosat noch der von Glufosinat ist zu verantworten. Wir müssen endlich damit aufhören, immer mehr resistente Unkräuter mit Agrogiften zu erzeugen!“.

BAYER bietet das Herbizid auf dem globalen Markt in Kombination mit gentechnisch verändertem Saatgut an, u.a. Raps, Reis, Zuckerrüben, Mais, Soja und Baumwolle. Da die Pflanzen tolerant gegen den Wirkstoff sind, haben die Landwirt/innen die Möglichkeit, das Pestizid in großen Mengen zu verwenden, ohne die Nutzpflanze zu schädigen. Mit einem Weltmarktanteil von rund 20% ist Bayer CropScience der zweitgrößte Pestizidhersteller der Welt.

Glufosinat kann Missbildungen bei Föten verursachen und ist als reproduktionstoxisch klassifiziert. Studien zufolge beeinträchtigt der Wirkstoff zudem die Entwicklung des Gehirns und ruft Verhaltensstörungen hervor. Erst Anfang des Jahres hatte Bayer die Erweiterung der Glufosinat-Produktion auch in Deutschland angekündigt.

weitere Informationen:
=> BAYER erhöht Glufosinat-Produktion in Deutschland
=> EU-Verbot: Glufosinat jetzt vom Markt nehmen!

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2013 TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Prozess wg. Uni-Vertrag
Im Jahr 2008 ging BAYER mit der Kölner Hochschule eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pharma-Forschung ein. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen befürchteten eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Profit, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten die Organisationen eine Offenlegung des Vertrages und fanden dafür auch die Unterstützung des NRW-Datenschutzbeauftragten. Die Universität verweigerte das jedoch, weshalb die CBG die Hochschule im Mai 2011 verklagte. Anfang Dezember 2012 fand nun der erste Prozess-Termin statt. Ohne die Kooperationsvereinbarung selber gelesen zu haben und sich über das Votum des Datenschutzbeauftragten hinwegsetzend, lehnte der Richter das Begehr der Coordination ab. Das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz sehe im Gegensatz zu denen der meisten anderen Bundesländer Auskunftsbeschränkungen für den Bereich „Forschung und Wissenschaft“ vor, hieß es zur Begründung. Doch die CBG akzeptierte das Urteil nicht und ging in Berufung.

Kleine Anfrage mit der Piratenpartei
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) führt einen Prozess, um Informationen über das zwischen BAYER und der Universität Köln geschlossene Forschungsabkommen zu erhalten (s. o.). Der Landesdatenschutzbeauftragte hatte das Begehr unterstützt, das Kölner Verwaltungsgericht lehnte es allerdings ab, auf Ausnahmetatbestände für Forschung und Wissenschaft im nordrhein-westfälischen Informationsfreiheitsgesetz verweisend (s. o.) Um jetzt die Position von SPD und Grünen zu dem Kasus in Erfahrung zu bringen, kooperierte die Coordination mit der Piratenpartei NRW und half bei der Abfassung einer Kleinen Anfrage zum Thema. „Warum hat die Landesregierung keine Anstrengungen unternommen, das Votum ihres Landesbeauftragten umzusetzen?“ und „Hält die Landesregierung eine Überarbeitung des Ausnahmetatbestands zu Forschungseinrichtungen und Hochschulen für sinnvoll, damit dieser nicht weiter dazu dient, der interessierten Öffentlichkeit Informationen zu Kooperationsverträgen zwischen Universitäten und Industrie-Unternehmen zu verwehren?“ wollen die PiratInnen darin unter anderem von Kraft & Co. wissen.

50 Einwendungen in Brunsbüttel
BAYER will am Standort Brunsbüttel die Produktion des Kunststoff-Zwischenprodukts MDI erweitern. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt das Vorhaben ab. Nach Ansicht der Coordination berücksichtigt das Projekt die Möglichkeit eines Austrittes großer Mengen des Giftgases Phosgen nicht in ausreichendem Maße. So will das Unternehmen die Anlage zwar mit einer Einhausung schützen, womit es einer langjährigen Forderung der Umweltverbände nachkommt, diese aber nicht aus Beton, sondern nur aus Blechplatten errichten. Zudem verzichtet der Konzern auf eine sogenannte Ammoniak-Wand als zweites Sicherheitssystem und hält bei den Planungen den Mindestabstand zu bewohnten Gebieten nicht ein. Die CBG hat beim schleswig-holsteinischen „Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume“ deshalb Einspruch gegen den Bau eingelegt und befindet sich damit in guter Gesellschaft. Insgesamt 50 Einwendungen gingen bei der Behörde ein. Mit den AktivistInnen vor Ort arbeitet die Coordination zusammen und gibt unter anderem ihre Erfahrungen aus den Auseinandersetzungen um die neue TDI-Anlage in Dormagen (siehe SWB 2/13) weiter.

Demonstration gegen PONCHO
Das BAYER-Pestizid PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin ist für das weltweite Bienensterben mitverantwortlich (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Darum haben im November 2012 US-amerikanische BienenzüchterInnen und UmweltaktivistInnen vor der Umweltbehörde EPA demonstriert und ein Verbot des Ackergiftes gefordert.

Dortmund: Duisbergstraße weg?
Immer noch sind in der Bundesrepublik zahlreiche Straßen nach BAYERs langjährigem Generaldirektor Carl Duisberg benannt, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörder-Konzerns IG FARBEN hatte. Aber seit einiger Zeit findet die Forderung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nach Tilgung des Namens immer mehr AnhängerInnen. So liegt nun auch in Dortmund ein BürgerInnen-Antrag auf Umbenennung einer Straße vor. Die CDU wollte die Diskussion darüber in der Bezirksvertretung unter Ausschluss der Öffentlichkeit führen, um die Persönlichkeitsrechte des längst Verstorbenen zu schützen, kam damit aber nicht durch. Die Partei stimmte dann allerdings dem Vorhaben zu, das Thema grundsätzlicher anzugehen. Sie einigte sich mit den Grünen und der SPD darauf, alle Straßennamen im Bezirk auf den Prüfstand zu stellen und historisch belastete auszutauschen.

Neue Kunststoffe braucht die Welt
Der Chemie-Professor Dr. Uwe Lahl von der TU Darmstadt hat bei einer Bundestagsanhörung eine Wende in der Chemie-Produktion gefordert. Ohne einen Verzicht auf fossile Kohlenstoffe als Basis der Herstellungsprozesse von BAYER & Co. ist Lahl zufolge eine Reduzierung der klima-schädigenden Kohlendioxid-Emissionen nicht zu erreichen. Unter der Devise „Neue Kunststoffe braucht die Welt“ plädierte der Abfalltechnik-Experte stattdessen für den Einsatz von Biomasse als Rohstoff und befürwortete auch entsprechende staatliche Vorgaben. Solche Eingriffe lehnt Gerd Romanowski vom „Verband der Chemischen Industrie“ allerdings kategorisch ab. Der „Ordnungsrahmen der sozialen Marktwirtschaft“ genügt seiner Ansicht nach als Leitlinie für ein nachhaltiges Wirtschaften.

Umweltverbände kritisieren Pestizid-Plan
Die Bundesregierung hat den „Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ (NAP) überarbeitet. Nach Ansicht der Umweltverbände entspricht der neue Plan jedoch nicht den Erfordernissen. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK, BUND, NABU und GREENPEACE kritisieren in einer gemeinsamen Stellungnahme den Abschied von dem Ziel, den Gebrauch der Pestizide von BAYER & Co. zu reduzieren und seine Ersetzung durch die Empfehlung an die LandwirtInnen, nicht „vom notwendigen Maß“ abzuweichen. „Das ‚notwendige Maß’ wird der Umwelt wenig helfen“, halten die Organisationen fest. Im Einzelnen monieren die Verbände fehlende Anstrengungen zum Erhalt der Artenvielfalt im Allgemeinen und zum Schutz der Bienen vor den Agro-Chemikalien (siehe PESTIZIDE und HAUSHALTSGIFTE) im Besonderen. Zudem vernachlässigt der NAP nach Ansicht der Initiativen die Lebensmittelsicherheit, indem er Maßnahmen zur Eindämmung der Pestizid-Kombinationswirkungen unterlässt. Darüber hinaus fordern PAN & Co. eine konsequentere Förderung des Ökolandbaus und ein Kontrollprogramm zum Schutz von acker-nahen Kleinstgewässern vor den Gift-Einträgen.

Pestizid-Protest auf der Documenta
Die massive Ausweitung des Soja-Anbaus in Südamerika führt zu einer entsprechenden Ausweitung der Pestizid-Ausbringung – und zu einer Ausweitung der Gesundheitsschädigungen (siehe auch Ticker 2/07). Seit dem Soja-Boom der späten 90er Jahre steigen in den Dörfern nahe der Felder die Fälle von Krebs und anderen Krankheiten massiv an. Im argentinischen Ituzaingó etwa kommt ein Drittel der Neugeborenen mit Missbildungen zu Welt; bei 80 Prozent der BewohnerInnen wiesen WissenschaftlerInnen Rückstände von Agrochemikalien im Blut nach. Viele Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, haben daran einen Anteil, so etwa Glyphosate (GLYPHOS, USTINEX G), Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER), Endosulfan (MALIX, PHASER, THIODAN), Methamidophos (TAMARON) und Monocrotophos (BILPHOS). Aber die Betroffenen setzen sich zur Wehr. So haben sich etwa in Ituzaingó, wo Endosulfan sogar das Trinkwasser verseucht, Frauen zu den „Mothers of Ituzaingó“ zusammengeschlossen. Die Initiative schrieb zahlreiche Petitionen an die Regierung und forderte Untersuchungen ein. Und im letzten Jahr besuchte sie die Documenta-Kunstausstellung in Kassel, um ihren Forderungen im Heimatland BAYERs Ausdruck zu verleihen.

Mehr Bisphenol-Maßnahmen gefordert
Im März 2011 hatte die EU die Verwendung der Chemikalie Bisphenol, zu deren Hauptproduzenten BAYER mit einer Jahresproduktion von rund einer Million Tonnen zählt, in Babyflaschen untersagt. Brüssel begründete dies mit den Risiken und Nebenwirkungen der Substanz wie Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Leber-Erkrankungen. Ende letzten Jahres weitete Frankreich die Reglementierungen aus. Der Staat beschloss einen Bisphenol-Bann für den gesamten Nahrungsmittel-Sektor, der 2015 in Kraft treten soll (Ticker 1/13). Der BUND forderte nun, es dem Nachbarland gleichzutun. „Das Verbot für Baby-Fläschchen war ein guter erster Schritt, aber er reicht nicht“, so die BUND-Aktivistin Sarah Häuser.

BAYTRIL: Aigner antwortet der CBG
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Mittel aus der Gruppe der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, waren mit acht Tonnen dabei. Der massenhafte Einsatz dieser Mittel in der Massenzucht fördert die massenhafte Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen die Antibiotika dann nicht mehr wirken. Bis zu 15.000 Menschen sterben in der Bundesrepublik an solche Infektionen. Bei BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß, denn CIPROBAY, sein Pendant für die Humanmedizin, entstammt ebenfalls aus der Gruppe der Fluorchinolone und hat sogar den Status eines Reserve-Präparats für besonders schwierig zu behandelnde Fälle inne. Wegen dieser bedrohlichen Lage sandte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen Offenen Brief an die Adresse von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner. Die Coordination forderte die CSU-Politikerin darin auf, den Gebrauch von BAYTRIL in der Massentierhaltung zu verbieten und daran zu arbeiten, mittelfristig alle Antibiotika aus den Zuchtbetrieben zu verbannen. Darauf wollte Aigner sich jedoch nicht einlassen. Sie stritt in ihrem Antwort-Schreiben den Zusammenhang zwischen den 15.000 Toten und der Verwendung von BAYTRIL & Co. in den Mast-Anlagen ebenso ab wie den drastischen Anstieg der Gaben und den generellen Status von Fluorchinolonen als Reserve-Antibiotikum. Die Ministerin versicherte ansonsten aber, das Problem erkannt zu haben und verwies in diesem Zusammenhang auf die entsprechenden Passagen im Entwurf zum „16. Gesetz zur Änderung des Arzneimittel-Gesetzes“ (16. AMG-Novelle). Darin sieht der Gesetzgeber unter anderem die Etablierung eines Registrier- und Kontrollsystems vor. Zudem sollen sich die Massentier-HalterInnen künftig an bestimmten Richtmengen orientieren. „Ich bin mir sicher, dass die 16. AMG-Novelle einen deutlichen Beitrag zur Senkung der Antibiotika-Mengen in der Tierhaltung führen wird“, heißt es in dem Brief deshalb. Andere, die von der Bundesregierung drastischere Schritte verlangt hatten wie etwa der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel, sind sich da jedoch nicht so sicher.

CBG: Hepatitis nicht unvermeidbar
In den 1970er und 1980er Jahren hatten sich weltweit Tausende Hämophile durch Blutplasma-Produkte von BAYER und anderen Herstellern mit HIV oder Hepatitis C infiziert. Während der Leverkusener Multi den Geschädigten in anderen Ländern hohe Summen an Schmerzensgeld zahlen musste, kam er in der Bundesrepublik glimpflich davon. AIDS-kranke Bluter erhielten Unterstützung von einer Stiftung, zu deren Kapital der Pharma-Riese lediglich neun Millionen Euro beisteuerte. Hepatits-C-Patienten gingen sogar ganz leer aus, denn der damaligen Bundesregierung gelang es nicht, BAYER & Co. zu einem Entgegenkommen zu bewegen. Offiziell hieß es jedoch, die Situation der an Hepatits leidenden Bluter sei nicht mit der an AIDS leidenden zu vergleichen, daher sei die Ungleichbehandlung legitim. Daran halten CDU und FDP noch heute fest, obwohl sich die Therapie-Möglichkeiten für AIDS-PatientInnen inzwischen stark verbessert haben. Das geht aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervor. Darin bezeichnen CDU und FDP die erfolgten Hepatitis-Infektionen zudem als „ein unvermeidbares Ereignis“, ungeachtet der Tatsache, dass es bereits ab 1981 ein Präparat zur Deaktivierung der Viren gab – zu dessen flächendeckendem Einsatz die Aufsichtsbehörden sich jedoch nicht entschließen konnten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und die Geschädigten-Initiative ROBIN BLOOD kritisierten deshalb die Position der Bundesregierung. „Der Bundestags-Untersuchungsausschuss ‚HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte’ (Bundestagsdrucksache 12/8591) kam zu dem Ergebnis, dass ab Ende 1982 nahezu alle Infektionen hätten verhindert werden können. Es ist nicht hinnehmbar, wenn Behörden und Industrie nun versuchen, die Geschichte umzuschreiben“, so CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in der Presseerklärung. Und Andreas Bemeleit von ROBIN BLOOD pflichtete ihm bei: „Die pharmazeutischen Unternehmen haben aus reiner Profitgier unzählige Infektionen billigend in Kauf genommen. Die Bundesregierung hat seinerzeit ihre Aufsichtspflicht verletzt und sich zum Handlanger der Industrie gemacht. Der hilflos anmutende Verweis auf eine angebliche Schicksalhaftigkeit der Ereignisse zeigt, dass die Bundesregierung nicht gewillt ist, Verantwortung zu übernehmen und nicht fähig ist, ihre Positionen gegenüber der pharmazeutischen Industrie durchzusetzen.”

KAPITAL & ARBEIT

Machtzuwachs für Dekkers
In diesem Jahr geht der BAYER-Arbeitsdirektor Richard Pott in den Ruhestand und scheidet deshalb auch aus dem Vorstand aus. Die Nachfolge-Regelung – den Posten des 59-Jährigen erhält Michael Koenig – nutzte der Leverkusener Multi gleich zu einer Neuverteilung der Aufgaben in dem Gremium. So übernimmt der Ober-BAYER Marijn Dekkers zusätzlich den bisher von Pott betreuten Arbeitsbereich „Konzern-Strategie“ und erhält dadurch noch mehr Einfluss auf das Unternehmen.

Kein Weltbetriebsrat
Zwischen den Beschäftigten der inner- und außereuropäischen Niederlassungen macht der Leverkusener Multi große Unterschiede. So beklagte der kolumbianische Gewerkschaftler Guillermo Correa Montoya unlängst: „Ein anderes Beispiel ist die BAYER AG. Die hat eine Firmengeschichte von mehr als hundert Jahren in Kolumbien, aber weder im Werk Barranquilla noch in jenem in Cali gibt es eine Gewerkschaft. Das ist kein Zufall.“ Ein Weg hin zu mehr Gleichbehandlung bestände in der Einrichtung eines Weltbetriebsrats, wie ihn DAIMLER und VOLKSWAGEN bereits ins Leben gerufen haben. Aber beim Konzern gibt es derzeit keine solchen Bestrebungen.

Frauen bei Gehalt benachteiligt
Wenn sich bei BAYER Frauen für Führungspositionen bewerben, fordern sie nach Angaben der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden im Leverkusener Werk, Roswitha Süßelbeck, in der Regel weniger Geld als ihre männlichen Pendants. Und den Konzern freut diese Bescheidenheit. Oftmals musste deshalb der Betriebsrat intervenieren, um den Anspruch auf gleiches Geld für gleiche Arbeit durchzusetzen.

Weniger soziales Engagement
In unruhigeren Zeiten hat der Leverkusener Multi eine rege Sozialpolitik betrieben, damit die Beschäftigten nicht auf dumme Gedanken kommen. Seit einiger Zeit hält der Konzern das nicht mehr für nötig. So schloss er Bibliotheken, Schwimmbäder sowie das werkseigene Kaufhaus und fuhr die finanzielle Unterstützung von Sportvereinen drastisch zurück. Der lokale Kaninchenzüchter-Verein könne heute strategisch nicht mehr begründet werden, erklärte Dirk Frenzel, BAYERs Mann für Gesellschaftspolitik und Umwelt, bei einem Vortrag den Gesinnungswandel und gab offen zu: „Es ist weniger geworden.“ Da mussten die ZuhörerInnen ihm zustimmen. „Unsere Mutter BAYER existiert nicht mehr“, stellte etwa ein ehemaliger Beschäftiger des Global Players fest.

Manager, wechsel-dich
ManagerInnen ist es egal, was sie wo machen, nur ein Schritt auf der Karriere-Leiter muss es sein. Deshalb herrscht zur Zeit ein Kommen und Gehen in BAYERs Führungsetage. Pharma-Boss Jörg Reinhardt, der 2010 von NOVARTIS zum Leverkusener Multi gewechselt war, weil er bei seinem alten Arbeitgeber den begehrten Chef-Posten nicht ergattern konnte, hatte beim zweiten Anlauf mehr Glück und kehrt deshalb in die Schweiz zurück. Und die ebenfalls erst 2010 als Leiterin von BAYER CROPSCIENCE in die Dienste des Multis getretene Sandra Peterson war noch schneller wieder weg, um ihre Karriere beim US-Unternehmen JOHNSON & JOHNSON fortzusetzen.

ERSTE & DRITTE WELT

NEXAVAR-Urteil zeigt Wirkung
Im September 2012 erlaubte ein indisches Patent-Gericht der Firma NATCO PHARMA, eine preisgünstige Nachahmer-Version des patent-geschützten BAYER-Krebsmittels NEXAVAR herzustellen. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Nun zeigt die Entscheidung Wirkung. Immer mehr Pillen-Produzenten wenden sich von ihrer bisherigen Verkaufspolitik in den Schwellenländern ab. Sie gestatten Dritt-Firmen die Herstellung billigerer Versionen oder bringen sogar selber welche heraus. Der Leverkusener Multi hatte sich derweil schon im Vorfeld der Auseinandersetzung um NEXAVAR dazu durchgerungen, das Mittel bedürftigen InderInnen kostengünstiger zur Verfügung zu stellen. Solche „Good Will“-Aktionen ersetzen allerdings keine umfassenden Regelungen zu einer besseren Versorgung der Menschen in der „Dritten Welt“ mit dringend benötigten Medikamenten.

IG FARBEN & HEUTE

Preis nach Nazi benannt
BAYER vergibt eine Reihe von Auszeichnungen im Medizin-Bereich, um Kontakte zu WissenschaftlerInnen, Universitäten und anderen Forschungsstätten zu vertiefen, darunter auch den mit 75.000 Euro dotierten „Familie-Hansen-Preis“. Zur Ehre gereicht dieser den ForscherInnen jedoch kaum, denn der Stifter Kurt Hansen hat eine braune Vergangenheit. Er trat bereits im Jahr 1931 in die NSDAP ein und nahm bei dem von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzern IG FARBEN den Posten des Leiters der kriegswichtigen „Zentralstelle für Rohstoffbeschaffung“ ein. Wegen seiner Mitverantwortung für Kriegsverbrechen internierten die Alliierten Kurt Hansen deshalb gleich nach dem Krieg. Beim Leverkusener Multi konnte er seine Karriere dann aber bald schon wieder fortsetzen. Von 1961 bis 1974 war Hansen Vorstandsvorsitzender des Chemie-Multis, später saß der Manager dem Aufsichtsrat vor. Das Unternehmen machte ihn sogar zum Ehrenvorsitzenden. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) verurteilt diesen unkritischen Umgang mit der Konzern-Historie forderte den Global Player auf, den Preis umzubenennen.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER-Manager sitzt Euro Chlor vor
Der Leverkusener Multi steht weiterhin in Treue fest zur Chlor-Chemie, obwohl Chlor-Verbindungen wegen ihrer Langlebigkeit zu den gefährlichsten Substanzen überhaupt gehören. In einer Menge von 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr produziert der Konzern das Gas aus der Gruppe der Halogene. Damit zählt er zu den größten Herstellern in Europa – und hat entsprechenden Einfluss. So wählte Euro Chlor, der europäische Verband der Chlor-Fabrikanten, den BAYER-Manager Andreas Amling zu ihrem neuen Vorsitzenden.

Regierung gegen Steuer-Transparenz
Multinational agierenden Konzernen wie BAYER bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, die unterschiedlichen Steuer-Gesetze der Länder auszunutzen, um Gewinne da anfallen zu lassen, wo die niedrigste Abgaben-Last lockt. So betreiben sie mit ihren Tochter-Unternehmen etwa einen internen Lizenz-Handel oder leihen sich von ihnen Geld und ziehen die anfallenden Zins-Zahlungen dann in der Bundesrepublik von ihren Gewinnen ab. Unterschiedlichen Schätzungen zufolgen entgehen dem Fiskus durch solche „Verschiebe-Bahnhöfe“ Beträge zwischen 60 und 190 Milliarden Euro. Die EU will den Unternehmen solche Kostensenkungsstrategien jetzt erschweren. Deshalb plant sie, BAYER & Co. zu einer Offenlegung ihrer Steuerzahlungen zwingen. Die Bundesregierung aber vertritt die Interessen der Multis und blockiert den Vorstoß.

Weniger Strom-Subventionen?
Mit der Ökosteuer wollte Rot-Grün 1999 Industrie und Privathaushalte durch eine Erhöhung der Energiekosten zu umweltschonenderem Verhalten anregen. Bei BAYER & Co. bleibt diese Lenkungswirkung allerdings aus, denn die Regierung Schröder gewährte den energie-intensiven Branchen wie der Chemie-, Bergbau-, Stahl- und Eisen-Industrie großzügige Ausnahmen, welche die gemeinen Strom-KundInnen per Umlage finanzieren. 2011 waren diese „milden Gaben“ 4,3 Milliarden Euro wert. Allein der „Spitzenausgleich“ erspart den Konzernen jährlich 2,3 Milliarden Euro – die dritthöchste in der Bundesrepublik gewährte Subvention. Die Chemie-Industrie ist da mit einer Milliarde Euro dabei. Jetzt will die Bundesregierung diese Zuwendungen allerdings um ca. 700 Millionen Euro kürzen. So plant sie, den Kreis der für den Strom-Ablass in Frage kommenden Unternehmen zu beschränken, die Firmen an den Netzkosten zu beteiligen und auch die Energie-Erzeugung durch eigene Kraftwerke abgabepflichtig zu machen. Aber Betriebe, die sich der Weltmarkt-Konkurrenz stellen müssen wie der Leverkusener Pharma-Riese, beabsichtigt die CDU/FDP-Koalition zu schonen. Trotzdem protestieren die Multis vehement gegen das Vorhaben, wobei die Gewerkschaft IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE sie unterstützt. Und am Stammsitz BAYERs in Nordrhein-Westfalen setzen sich die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (s. u.) für die Stromfresser ein. „Wer jetzt fordert, die energie-intensive Industrie stärker zu belasten, ist auf dem Holzweg“, so Duin.

Duin hält Rede beim VCI
Im Oktober 2012 stellte der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) in Essen seine emphatisch „Studie“ benannte 20-Seiten-Schrift „Die deutsche Chemische Industrie 2030“ vor. Sie skizziert dabei unter den Überschriften „innovationsfreundliches Umfeld“ und „zerrissene Wertschöpfungsketten“ zwei unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten. Die Letztere entwirft dabei eine düstere Version von einer dank der bösen Energiewende darniederliegenden Chemie-Branche und verfolgt ganz gegenwärtige Zwecke: Es soll PolitikerInnen zu einer noch industrie-freundlicheren Haltung verleiten. Bei dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) bleiben da freilich kaum noch Wünsche offen: Er steuerte zu dem durchsichtigen Manöver des VCI die Festrede bei.

Duin bei „Zukunft durch Industrie“
Die Lobby-Vereinigung „Zukunft durch Industrie“, die BAYER zu ihren Mitgliedern zählt, will nach eigenem Bekunden „das Industrie-Verständnis in der Bevölkerung erhöhen“. Dem nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) scheint das ebenfalls ein wichtiges Anliegen zu sein. Er übernahm nämlich nicht nur die Schirmherrschaft des Zukunftsworkshops „Die Energiewende, ihre Folge-Wirkungen und Gestaltungsnotwendigkeiten“, sondern hielt – im freundlicherweise von der Düsseldorfer Bezirksregierung zur Verfügung gestellten – Plenarsaal auch die Eröffnungsrede.

Enquete-Kommission „Chemie“
Die nordrhein-westfälischen Grünen haben die Einrichtung einer Enquete-Kommission beantragt, die sich der „Zukunft der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf nachhaltige Rohstoff-Basen, Produkte und Produktionsverfahren“ widmen soll. Konkret stehen etwa Alternativen zum Öl, neue Speicher-Technologien und Werkstoffe sowie Verfahren zur Nachahmung umweltschonender natürlicher Prozesse auf der Agenda. Zugleich bekennt sich die Partei aber eindeutig zum Chemie-Standort NRW: „25 Prozent aller Arbeitsplätze in der chemischen Industrie in Deutschland befinden sich in NRW. Der Erhalt und die Zukunftsfestigkeit unserer industriellen Kerne, die uns besser als viele andere durch diese Krise gebracht haben, erhält damit eine herausragende Bedeutung für Nordrhein-Westfalen“. Sylvia Löhrmann & Co. wollen offensichtlich Ökonomie und Ökologie miteinander versöhnen. Ob das aber gelingen kann, daran bestehen ernste Zweifel.

Lütkes bei BAYER
Anfang Dezember 2012 weihte BAYER in Wuppertal das Technikum „Zellbiologie“ ein, in dem der Pharma-Multi biologische Wirkstoffe für klinische Tests herstellen will. Als Ehrengast konnte der Leverkusener Multi neben dem Wuppertaler Bürgermeister Peter Jung (CDU) auch die Präsidentin der Bezirksregierung Düsseldorf, Anne Lütkes (Grüne), begrüßen. Und vielleicht blieb ja für BAYER-Chef Marijn Dekkers ein wenig Zeit, um die Politikerin in Sachen „Kohlenmonoxid-Pipeline“ ins Gebet zu nehmen, denn es ist an der Behörde, das Röhren-Werk zu genehmigen.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER kauft Störfall-Bilder
Bilder von Chemie-GAUs machen sich gar nicht gut in der Presse. Darum hat der Leverkusener Multi die Rechte an den Fotos von der Explosion am US-amerikanischen Standort Institute, in deren Folge im August 2008 zwei Beschäftigte starben, aufgekauft, um sie aus dem Verkehr zu ziehen.

Neues Nachbarschaftsbüro
Um BAYERs Image steht es nicht zum Besten. Der zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline schlägt viel Gegenwind entgegen und auch gegen neue Anlagen gibt es regelmäßig Einsprüche. Dagegen will der Konzern jetzt etwas tun und investiert in Öffentlichkeitsarbeit. So richtet er in Krefeld ein Nachbarschaftsbüro ein und bestallt Mario Bernards zum Leiter für „Politik- und Bürger-Dialog“.

BAYERs Pharma-Strategie in China
Eine neue Studie der BOSTON CONSULTING GROUP sieht das meiste Entwicklungspotential auf dem chinesischen Pharma-Markt in den ländlichen Regionen mit seinen Krankenhäusern und Gesundheitszentren. BAYER hat sich schon seit längerer Zeit darauf eingestellt. So unterhält der Pharma-Riese in den Hospitälern und Beratungseinrichtungen eigene „Health Houses“, die kostenlose MedizinerInnen-Besuche und Informationen zu Krankheiten wie Diabetes anbieten, um die Medikamente des Leverkusener Multis unters Volk bringen zu können. Über 400 solcher Häuser betreibt der Konzern mittlerweile. Zudem bietet er im Rahmen seines „Go West“-Programms abseits der Mega-Cities Fortbildungskurse für ÄrztInnen an (Ticker 1/13).

UmweltbotschafterInnen bei BAYER
Im Rahmen der Kooperation mit dem Umweltprogramm der UN, die ein zentrales Element innerhalb der Greenwashing-Aktivitäten BAYERs darstellt, lud der Multi 50 junge UmweltbotschafterInnen aus 19 Schwellen- und Entwicklungsländern zu Workshops, Diskussionen und Exkursionen nach Leverkusen ein. Anschließend sollen die EmissärInnen dann daheim von den vorbildlichen Umweltschutz-Praktiken des Pharma-Multis künden. Das dürfte ihnen jedoch schwer fallen – nicht nur im Hinblick auf den Ausstoß von klima-schädigendem Kohlendioxid, der sich dem neuesten Nachhaltigkeitsbericht zufolge auf 8,15 Millionen Tonnen im Jahr beläuft.

BAYERs Rotationskampagne
Immer mehr Unkräuter bilden Resistenzen gegen das Pestizid ROUND UP mit dem Wirkstoff Glyphosat aus, das der Hersteller MONSANTO bevorzugt in Kombination mit seinen gegen diese Substanz immunen Genpflanzen verkauft (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Schon seit geraumer Zeit versucht BAYER davon zu profitieren. So rief der Leverkusener Multi die Kampagne „Respect the Rotation“ ins Leben, die Lokaltermine auf von Wildpflanzen heimgesuchten ROUND-UP-Feldern ansetzt und eingekaufte AgrarwissenschaftlerInnen auftreten lässt. Diese raten den FarmerInnen dort dann zu mehr Flexiblität bei der Verwendung der Laborfrüchte und der dazugehörigen Agrochemikalien im Allgemeinen und zur LIBERTY-LINK-Serie des Leverkusener Multis im Besonderen.

Kooperation mit Web-Apotheke
Das dürfte den stationären Pharma-Handel aber gar nicht erfreuen: Der Leverkusener Multi arbeitet mit dem Internet-Unternehmen EASYAPOTHEKE zusammen, das in größeren Städten auch Filialen betreibt. Die beiden Kooperationspartner werben auf Großplakaten gemeinsam für BAYERs Sodbrennen-Arznei RENNIE. Zu den Risiken und Nebenwirkungen dieses Präparates gehören die Schädigung des Knochenbaus und die Förderung von Lungenentzündungen, weshalb WissenschaftlerInnen die viel zu häufige Verwendung von RENNIE und anderen Mitteln dieser Medikamenten-Gruppe kritisieren.

Medien-Preis für BAYER
„Ausgerechnet der BAYER-Konzern hat nach eigenen Angaben eine Auszeichnung für ein positives Medien-Image bekommen“, wunderte sich die Neue Ruhr Zeitung angesichts der vielen Negativ-Schlagzeilen zu der zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline. Aber diese Berichte gehörten offenbar nicht zu den 19.230 Beiträgen über DAX-Unternehmen, welche die MEDIA TENOR INTERNATIONAL AG auswertete und zur Verleihung des Preises an den Leverkusener Multi bewogen. Der Geschäftsbericht und Artikel über die angebliche Innovationskraft des Konzerns gaben stattdessen den Ausschlag für die Entscheidung.

BAYER investiert in Schulen
Der Leverkusener Multi fördert Schulen über die „BAYER Science & Education Foundation“, denn dieses Stiftungsmodell erlaubt nebenher auch noch Steuer-Ersparnisse. Bei der Sponsoring-Maßnahme bilden nicht von ungefähr die naturwissenschaftlichen Bereiche einen Schwerpunkt. „Ich muss gestehen, wir fördern die Schulen nicht ganz uneigennützig. Wir sehen das als langfristige Investition“, so Stiftungsvorstand Thimo V. Schmitt-Lord. Ca. 500.000 Euro verteilt der Konzern Jahr für Jahr an Schulen in der Nähe seiner Standorte. So erhielt die Dormagener Realschule Hackenbroich unter anderem 5.000 Euro für das Projekt „Genetik schüler-orientiert“, das Gymnasium Brunsbüttel bekam gar 19.500 Euro zur Ausstattung eines Gen-Labors, die Monheimer Lise-Meitner-Realschule konnte 4.000 Euro für die Unterrichtseinheit „Nanotechnologie in Theorie und Praxis“ entgegennehmen und derselbe Betrag für dasselbe Thema floss dem Michael-Ende-Gymnasium in St. Tönis zu. Darüber hinaus vergibt der Pharma-Riese gemeinsam mit der Westdeutschen Zeitung auch noch den „Wuppertaler Schulpreis“ und mit dem Solinger Tageblatt den „Solinger Schulpreis“.

Erstes Baylab in Mexiko
An seinen bundesdeutschen Standorten unterhält der Leverkusener Multi bereits vier SchülerInnen-Labore. Im letzten Jahr hat der Konzern nun sein erstes Baylab außerhalb Deutschlands eingerichtet. Es steht im Kindermuseum von Mexiko-Stadt. Was der Global Player dort mit den Kleinen vorhat, spricht er ganz offen aus: „Das Baylab ermöglicht ihnen, die Faszination für Wissenschaft spielerisch zu erfahren und hautnah zu erleben, was unsere Mission ‚BAYER: Science For A Better Life’ bedeutet“. Wegen solcher Lehrpläne urteilte die Wirtschaftswoche einmal über die pädagogischen Bemühungen des Unternehmens: „Hier grenzt sinnvolle Lernhilfe an Lobbyismus.“

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2012 unterstützte die Stiftung unter anderem die Dormagener „Elterninitiative diabetischer Kinder“, ein Musical der „Initiative Down-Syndrom“, einen Fahrrad-Reparaturkurs in Leverkusen, eine Freilichtbühne in Werne, die Gründung der Pfadfinder-Gruppe „Novaesium“ und den Ausbau einer Schule in Guatemala.

BAYERs Gemüse-Forum
Der Leverkusener Multi baut sein Geschäft mit Gemüse-Saaten immer weiter aus und versucht, in der Nahrungsmittel-Wertschöpfungskette eine Schlüsselposition einzunehmen. Zu diesem Zweck organisiert er „Food Chain Partnerships“ zwischen LandwirtInnen, Verarbeitern, Im- und Export-Unternehmen sowie dem Handel. Im Dezember 2012 lud der Konzern all diese Akteure nach Monheim zum „Vegetable Future Forum“ ein und konnte als Gäste unter anderem VertreterInnen von NESTLE, METRO, SAP und RABOBANK begrüßen.

TIERE & ARZNEIEN

Noch mehr BAYTRIL
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Der massenhafte Einsatz dieser Mittel in der Massenzucht fördert die Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen die Antibiotika dann nicht mehr wirken. Bei BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß, denn CIPROBAY, sein Pendant für die Humanmedizin, entstammt ebenfalls aus der Gruppe der Fluorchinolone und hat sogar den Status eines Reserve-Präparats für besonders schwierig mit Antibiotika zu behandelnde Infektionen inne. Einen Umsatz von 166 Millionen Euro machte der Leverkusener Multi mit dem Präparat im vorvergangenen Jahr, 118 Millionen Euro davon mit MassentierhalterInnen. Heuer dürften es noch mehr werden, denn der Leverkusener Multi wirft immer mehr BAYTRIL-Variationen auf den Markt. Nachdem er 2012 in Europa die Zulassung für BAYTRIL MAX FOR PIGS erhalten hat, genehmigten die US-Behörden jetzt BAYTRIL 100 zur Behandlung von Atemwegserkrankungen bei Rindern und Kühen.

BAYTRIL-Resistenzen nehmen zu
In der Tiermast nehmen Resistenz-Bildungen gegen Antibiotika auf Fluorchinolone-Basis wie BAYERs BAYTRIL zu. „Diese sind bei Masthähnchen und Puten weit verbreitet, bei Rindern und Schweinen sind die Resistenz-Raten deutlich geringer“, antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen. Damit steigt auch die Gefahr der Übertragung von unbehandelbaren Krankheitskeimen auf den Menschen. Und im Fall von BAYTRIL ist dieses Risiko besonders hoch. Der Leverkusener Multi bietet nämlich für den Humanmedizin-Bereich mit CIPROBAY ebenfalls ein Medikament aus der Gruppe der Fluorchinole an, das sogar den Status eines Reserve-Antibiotikas für besonders schwierig zu behandelnde Infektionen besitzt. Konkrete Maßnahmen zur Einschränkung des Gebrauchs von Mitteln wie BAYTRIL in den Ställen wollen CDU und FDP trotzdem nicht vornehmen.

DRUGS & PILLS

58 XARELTO-Tote
Anfang des Jahres richtete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Anfrage an das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM), um etwas über die Risiken und Nebenwirkungen von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zu erfahren (siehe auch SWB 2/13). Die Antwort war schockierend: 58 Meldungen über Todesfälle und 750 über schwere Nebenwirkungen wie Blutungen hatte das BfArM allein 2012 erhalten. Das Institut betont jedoch, dass „ein Kausalzusammenhang im Einzelfall nicht sicher belegt ist“ und bewertet das Risiko/Nutzen-Potenzial des Mittels weiterhin als „positiv“. Das Fachmagazin arznei-telegramm und die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ raten indes von dem Präparat ab.

FDA will weitere XARELTO-Daten
In den USA verzögert sich die Zulassung von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zur Nachbehandlung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie weiter (siehe auch SWB 2/13). Bereits im Februar 2012 hatte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA in einem „Complete Response Letter“ Aufklärung über Todesfälle verlangt, die in den eingereichten Studien nicht dokumentiert sind, statt die Arznei zuzulassen. Anfang März 2013 stellte sie dem Konzern nun einen weiteren Brief mit der Aufforderung zu, fehlende Daten zum Sicherheitsprofil nachzureichen.

Neuer XARELTO-Test
BAYER lässt nicht locker. Obwohl der Gerinnungshemmer XARELTO viele Risiken und Nebenwirkungen hat (s. o.), testet das Unternehmen das Präparat für immer mehr Anwendungsgebiete. So begannen im März 2013 Phase-III-Studien mit XARELTO als Mittel zur Behandlung von Herzinsuffizienz bei gleichzeitig bestehender koronaler Herzkrankheit.

ONE-A-DAY-Pille schützt Herz nicht
Der Leverkusener Multi schreibt seinen Vitamin-Präparaten aus der ONE-A-DAY-Serie neben anderen medizinischen Wohltaten auch eine herz-stärkende Wirkung zu. Eine Studie der „Harvard Medical School“ mit den Vitaminen C und B sowie Beta-Carotin und einer Multivitamin-Kombination, an der 15.000 Männer teilnahmen, hat diese Aussage nun aber widerlegt. In der Vitamin-Gruppe traten der „Physicians Health Study II“ zufolge über einen Zeitraum von elf Jahren nicht weniger Herzinfarkte auf als in der Placebo-Gruppe. Zuvor hatten bereits andere Untersuchungen die Heil-Wirkungen der Produkte widerlegt. So wiesen finnische WissenschaftlerInnen sogar lungenkrebs-fördernde Effekte von Beta-Carotin nach, während ihre US-Kollegen bei ProbandInnen, die Beta-Carotin in Kombination mit Vitamin A eingenommen hatten, neben erhöhten Raten von Lungenkrebs auch solche von Herz/Kreislauf-Erkrankungen feststellten. Und nach einer 2011 im Journal of the American Medical Association veröffentlichten Expertise steigert Vitamin E das Risiko, Prostata-Krebs zu bekommen.

Netzhaut-Ablösungen durch CIPROBAY
Die Einnahme des BAYER-Präparats CIPROBAY und anderer Antibiotika auf Fluorchinolone-Basis kann zu Netzhaut-Ablösungen führen. Zu diesem Ergebnis kam eine ForscherInnen-Gruppe unter Leitung des Pharmazeuten Dr. Mahyar Etminan. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA sieht trotzdem keinen Anlass, die Fach-Informationen für MedizinerInnen zu aktualisieren. Sie will die Mittel zunächst nur unter verstärkte Beobachtung stellen und erst handeln, wenn weitere Untersuchungen den Befund bestätigen sollten.

Zuviel ANTRA im Einsatz
Krankenhaus-PatientInnen, die an Nieren-Erkrankungen, Gerinnungsstörungen oder an einer Blutvergiftung leiden, erhalten zum Schutz vor Blutungen der Magenschleimhaut oft Protonenpumpen-Inhibitoren wie BAYERs ANTRA mit dem Wirkstoff Omeprazol. Nach einer Untersuchung der Harvard University erfolgen die präventiven Gaben allerdings zu häufig. Nur bei 13 Prozent der Kranken mit einem erhöhten Blutungsrisiko mache die Einnahme Sinn, so die Wissenschaftler. Die Mittel haben nämlich beträchtliche Nebenwirkungen. Sie unterbinden die Magensäure-Produktion fast komplett, was nicht nur Bakterien ein gedeihlicheres Klima beschert und so den Ausbruch von Infektionen fördert, sondern auch die Kalzium-Gewinnung aus der Nahrung stört und auf diese Weise die Gefahr von Knochenbrüchen erhöht. Wegen solcher Gegenanzeigen warnen bundesrepublikanische MedizinerInnen bereits seit langem vor einem zu sorglosen Umgang mit den Präparaten, die hauptsächlich bei der Behandlung von Sodbrennen zum Einsatz kommen. Allerdings fruchteten ihre Warnungen nicht – seit einiger Zeit sind diese Medikamente nicht einmal mehr verschreibungspflichtig. Und nicht zuletzt deshalb verfünffachte sich der Verbrauch in den letzten zehn Jahren.

Neue Hormon-Spirale
BAYER bringt eine neue Hormon-Spirale mit dem Produkt-Namen JAYDESS bzw. SKYLA auf den Markt, die mit Levonorgestrel denselben Wirkstoff wie MIRENA hat, aber nicht mehr so einen großen Umfang hat. Als häufige oder sehr häufige Nebenwirkungen des Mittels zählt der Leverkusener Multi unter anderem Übelkeit, Unterleibs- und Kopfschmerzen, Schwindel, Durchfall und Menstruationsstörungen auf. Damit befindet JAYDESS sich ebenfalls in guter Gesellschaft mit MIRENA, unter deren Risiken und Nebenwirkungen mehr als jede zehnte Anwenderin leidet. 45.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte hat allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA schon erhalten. Erste Schadensersatz-Klagen beschäftigen bereits die Gerichte (siehe RECHT & UNBILLIG).

Frankreich verbietet DIANE
In Frankreich durften Frauen BAYERs Hormon-Präparat DIANE anders als hierzulande auch zur Schwangerschaftsverhütung einsetzen. Nach dem Bekanntwerden von vier Sterbefällen verbot die Aufsichtsbehörde ANSM das Mittel jedoch (siehe auch SWB 2/13). Auch die Niederlande sahen Handlungsbedarf. Mit Verweis auf zehn Tote hat das „Dutch Medicines Evaluation Board“ ÄrztInnen geraten, die Pille neuen PatientInnen nicht mehr zu verschreiben. Darüber hinaus wird die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA sich mit dem Fall „DIANE“ beschäftigen.

Schlechte Noten für ASPIRIN COFFEIN
Die Stiftung Warentest hat Mittel gegen Regelschmerzen getestet und BAYERs ASPIRIN COFFEIN dabei mit „ungenügend“ bewertet. Grund für die schlechte Note war der Koffein-Zusatz. Dieser könne dazu führen, dass die Patientinnen die Arznei länger als nötig einnehmen, befanden die TesterInnen und gaben eine „6“.

Neues Lungenhochdruck-Mittel
BAYER hat einen Zulassungsantrag für eine Arznei zur Behandlung von Lungenhochdruck gestellt. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge ein Enzym stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Der Leverkusener Multi erwartet von dem Mittel einen Umsatz von 500 Millionen Euro im Jahr.

ALPHARADIN-Zulassung beantragt
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch das vom Leverkusener Multi gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickelte ALPHARADIN. Es ist zum Einsatz bei der Prostatakrebs-Art CRPC bestimmt, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Dann soll eine radioaktive Bestrahlung mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid das Wachstum der Tumor-Zellen hemmen. Bei den Klinischen Tests verhalf es Männern jedoch nur zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. Trotzdem hat BAYER für das Medikament nun die Zulassung beantragt.

DHG hilft bei ProbandInnen-Suche
Bluter-Verbände beschenkt BAYER reichlich, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. So spendete der Leverkusener Multi im vorletzten Jahr der „Deutschen Hämophilie-Gesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten“ (DHG) 20.000 Euro. Zudem nutzt der Konzern die DHG, um ProbandInnen für Arznei-Tests zu rekrutieren. „Liebes DHL-Mitglied, viele Hämophile leiden immer wieder unter Schmerzen (...) Daher ist die Verbesserung der Schmerz-Therapie für Hämophile ein wichtiges Anliegen“ – mit diesem Schreiben forderte die Gesellschaft ihre Mitglieder auf, an einem Medikamenten-Versuch teilzunehmen. Sie hielt es dabei noch nicht einmal für nötig, BAYERs Namen zu nennen.

Mehr Transparenz in den USA
In den USA müssen BAYER & Co. bald alle Zuwendungen an MedizinerInnen oder Kliniken der Behörde „Centers for Medicare and Medicaid“ melden, welche die Angaben dann im Internet veröffentlicht. Unter den „Physician Payment Sunshine Act“ fallen unter anderem Beratungshonorare, Bewirtungen, Geschenke, Spenden, Forschungsaufträge, Reise-Finanzierungen und das Sponsoring von Forschungsaktivitäten. Bei Verstößen gegen die Auflagen sieht das Gesetz Strafen von bis zu einer Million Dollar vor. Um sich hierzulande das Schicksal einer solchen Verordnung zu ersparen, gehen die Pharma-Riesen in die Offensive und kündigen eine freiwillige Selbstverpflichtung zu mehr Transparenz im Gesundheitswesen an.

326 Pharma-Kooperationen
„Heutzutage kann kein Unternehmen den Anspruch mehr haben, alles alleine erreichen zu können“, sagte BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke im November 2012 auf dem Presseforum „BAYER Innovations-Perspektive 2012“ zur Begründung dafür, immer mehr Forschungsaktivitäten ganz oder teilweise auszugliedern. Nach Plischkes Angaben hat allein die Pharma-Abteilung des Leverkusener Multis momentan schon 326 Kooperationsvereinbarungen mit Universitäten, Instituten oder anderen Firmen abgeschlossen.

BAYER & Co. sabotierten AMNOG
Nach dem Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz müssen die Pharma-Firmen mit ihren neuen Arzneien ein Verfahren durchlaufen, das Kosten und Nutzen der Präparate bewertet, und sich anschließend – wenn das Präparat nicht durchfällt – mit den Krankenkassen auf einen Erstattungsbetrag einigen. Diesen wollen BAYER & Co. jetzt aber im Falle eines Falles nicht angeben. Sie haben stattdessen vor, der „Informationsstelle für Arznei-Spezialitäten“ (IFA) ihre Wunsch-Kalkulation zu melden und die Differenz zur verhandelten Summe als Rabatt zu deklarieren. Damit bliebe dann die erstgenannte Zahl auf der IFA-Liste die Referenz-Größe, an der sich andere Länder bei der Festlegung ihrer Pillen-Preise orientieren. Die GesundheitspolitikerInnen reagierten erbost auf das Vorhaben. So kritisierte Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU: „Ich kann der Pharma-Industrie nur empfehlen, nicht – wie anscheinend geplant – aktiv gegen die Rechtsauffassung des Gesundheitsministers zu agieren. Das wäre ein Affront, der nicht ohne Folgen bleiben kann.“

Mehr Pillen in Russland
Der Leverkusener Multi will sein Pharma-Geschäft in Russland ausbauen und hat zu diesem Zweck einen Kooperationsvertrag mit dem einheimischen MEDSINTEZ-Konzern geschlossen. Die beiden Unternehmen beabsichtigen, auf dem Gebiet der diagnostischen Bildgebung sowie der Infektionen und der neurologischen Krankheiten zusammenzuarbeiten. Auch eine gemeinsame Vermarktung von Produkten streben die Multis an. „Die lokale Produktion unserer Präparate wird unsere Geschäftsentwicklung in diesem Wachstumsmarkt vorantreiben“, erklärte Pharma-Manager Andreas Fibig zu dem Deal.

Neue Krebs-Therapie?
Der Leverkusener Multi will wieder mal auf dem besten Wege sein, eine Krebs-Therapie auf Knopfdruck zu entwickeln. BAYERs Kooperationspartner vom „Deutschen Krebsforschungszentrum“ und vom Universitätsklinikum haben nämlich ein Enzym entdeckt, das eine große Rolle bei der Entstehung von Tumoren spielt. Und jetzt gilt es nur noch, einen Wirkstoff zu finden, der das Eiweiß HDAC11 blockiert, und schon ist der Krebs besiegt, frohlockt der Pharma-Multi. In der Praxis jedoch helfen die Mittel, die der Konzern bisher auf dieser Basis produziert hat, recht wenig. So verlängert BAYERs NEXAVAR das Leben der PatientInnen gerade einmal um zwei bis drei Monate und mutet ihnen dabei zudem noch starke Nebenwirkungen zu.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

EFSA: GAUCHO bienengefährlich
Zahlreiche Studien belegen die Bienengefährlichkeit von Pestizid-Wirkstoffen auf Neonicotinoide-Basis wie Imidacloprid (enthalten in BAYERs GAUCHO) und Clothianidin (PONCHO). Nun hat sich auch die Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit (EFSA) der Sache angenommen. Sie untersuchte Imidacloprid und Clothianidin gemeinsam mit der SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam und bestätigte die bisherigen Resultate. „Die EFSA-Wissenschaftler haben etliche Risiken für Bienen durch drei Neonicotinoid-Insektizide ermittelt“, hieß es in einer Presse-Mitteilung. Die Europäische Kommission kündigte daraufhin an, über ein zunächst zweijähriges Verbot zu beraten. Der Leverkusener Multi aber zeigt sich immer noch beratungsresistent. Eine „allzu konservative Auslegung des Vorsorge-Prinzips“ warf er Brüssel vor. Dem Spiegel erklärte der Konzern derweil, das Bienensterben sei durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt und hielt fest, ein Bann der Mittel müsse „auf eindeutigen wissenschaftlichen Nachweisen“ basieren. Und nach Meinung von BAYERs europäischem Interessensverband ECPA hat die EFSA eben diese Nachweise nicht erbringen können, da sie nicht alle vorliegenden Studien mit in ihr Urteil einbezogen habe. Ob es aber tatsächlich zu einem Moratorium kommt, bleibt zweifelhaft, denn „Die Vertreter der EU-Staaten reagierten nach Angaben eines EU-Diplomaten verhalten auf die Vorschläge der Kommission“ wie dpa berichtete.

Hormonell wirksame Pestizide
Viele Pestizide wirken wie Hormone. Deshalb können sie den menschlichen Organismus aus dem Gleichgewicht bringen und zu Krebs, Stoffwechsel-Störungen, Unfruchtbarkeit und neurologischen Erkrankungen führen. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) hat jetzt eine Broschüre zu dem Thema veröffentlicht und in ihr auch die am häufigsten in Salat, Gurken und Tomaten nachgewiesenen Ackergifte mit solchen Nebenwirkungen aufgeführt. Unter ihnen befanden sich auch zahlreiche Substanzen aus dem Sortiment des Leverkusener Multis wie Propamocarb (enthalten in der Agro-Chemikalie VOLARE), Deltamethrin (K-OBIOL und PROTEUS), Bifenthrin (ALLECTUS), Cyproconazol (ALLO) und Pyrimethanil (CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI).

Pestizide in Trauben
Das Chemische und Veterinär-Untersuchungsamt Stuttgart hat Tafeltrauben nach Pestizid-Rückständen untersucht. In 92 Prozent der einheimischen Früchte hat es Rückstände gleich von mehreren Agro-Chemikalien gefunden. Darunter waren auch viele Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten ihr Unwesen treiben. Mit Spiroxamin (enthalten in INPUT) spürten die WissenschaftlerInnen überdies eine Substanz auf, die hierzulande gar keine Zulassungen für Tafeltrauben-Kulturen hat. Und bei Proben aus der Türkei überschritten Carbendazim (enthalten in DEROSAL) und Chlorthalonil (enthalten in BAYERs PRONTO PLUS BRAVO-PACK) sogar die zulässigen Grenzwerte.

EU überprüft Chlorpyrifos
Der Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos, enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER, gehört zur Gruppe der Organophosphate und ist deshalb besonders gefährlich. So kann er neueren Untersuchungen zufolge die Entwicklung von Embryos im Mutterleib stören und bei den Kindern später Gehirnschäden verursachen. Die EU-Kommission hat sich jetzt entschlossen, die Substanz einem Prüfverfahren zu unterziehen, obwohl diese noch eine Zulassung besitzt, was ein absolutes Novum darstellt.

Immer mehr Herbizid-Resistenzen
Immer mehr Unkräuter widerstehen den Herbiziden der Agro-Riesen, weshalb die FarmerInnen immer höhere Dosen Agro-Chemie ausbringen müssen. Warum das so ist, darüber sprach BAYERs oberster Herbizid-Forscher Dr. Hermann Stübler Ende November 2012 auf einem Symposion des Leverkusener Multis ganz offen. Die Industrie habe seit über 25 Jahren kein neues Anti-Unkrautmittel mehr entwickelt, unter anderem weil sich auf dem Markt oligopolistische Strukturen verfestigt hätten und es deshalb immer weniger Forschung auf diesem Gebiet gebe. In die Bresche springen sollen nach Ansicht der Symposionsteilnehmer jetzt staatliche Wissenschaftseinrichtungen. So schlug der Leiter des Max-Planck-Institutes für molekulare Physiologie, Dr. Lothar Willmitzer, vor, seine Einrichtung könnte in Zukunft gemeinsam mit BAYER & Co. nach neuen Wirksubstanzen fahnden.

Neue Herbizid-Kooperation
Da die handelsüblichen Herbizide immer mehr Resistenzen ausbilden (s. o.), vereinbarte BAYER eine Forschungskooperation mit MENDEL BIOTECHNOLOGY, um neue Wirkstoffe auf der Basis von pflanzen-eigenen Genregulations-Mechanismen zu entwickeln.

LIBERTY-Verkauf boomt
2012 hat das warme Wetter in den USA zu früheren Spritzrunden mit dem MONSANTO-Herbizid ROUND-UP
geführt und noch mehr Wildpflanzen gegen die Substanz immun gemacht (s. o.). Darum landete eine erhöhte Dosis Agro-Chemie auf den Feldern. Die FarmerInnen griffen nämlich vermehrt zu BAYERs Anti-Unkrautmittel LIBERTY, dessen Wirkstoff Glufosinat die EU wegen seiner Gefährlichkeit bereits verboten hat, und bescherten dem Leverkusener Multi so blendende Absatz-Zahlen.

Mehr Glufosinat aus Knapsack
Immer mehr Unkräuter bilden Resistenzen gegen das MONSANTO-Herbizid ROUND-UP aus (s. o.). Das steigert die Markt-Chancen von BAYERs LIBERTY, das der Konzern bevorzugt in Kombination mit gentechnisch gegen das Mittel immun gemachten Pflanzen verkauft. Darum will der Leverkusener Multi in Knapsack bei Köln nun die Produktion des Wirkstoffes Glufosinat steigern, obwohl dieser wegen seiner Gefährlichkeit EU-weit seine Zulassung verloren hat. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte gegen die Entscheidung. „Es ist unverantwortlich, im Ausland eine Anbautechnik zu forcieren, die mit der Verwendung eines hochgiftigen und bei uns verbotenen Pestizids verknüpft ist. Das Schicksal der Landarbeiterinnen und Landarbeiter in Lateinamerika oder Asien ist dem Konzern augenscheinlich gleichgültig!“, heißt es in der Presseerklärung der Coordination.

Brasilien verbietet Aldicarb
Das BAYER-Pestizid Aldicarb, vermarktet unter dem Namen TEMIK, gehört als Organophosphat zur Gefahrenklasse 1a - und damit zur höchsten. Die EU hat das Ackergift deshalb schon im Jahr 2007 aus dem Verkehr gezogen, wogegen der Leverkusener Multi sich mit Händen und Füßen gewehrt hatte. Im Herbst 2012 verhängte nun auch Brasilien ein Verbot. In den USA sind die Tage der Agro-Chemikalie ebenfalls gezählt. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA gewährt dem Mittel jedoch noch eine Gnadenfrist bis Ende 2014.

PFLANZEN & SAATEN

Nr. 6 im Saatgut-Geschäft
Seit einiger Zeit baut BAYER das Geschäft mit Saatgut aus. 820 Millionen Euro setzte der Leverkusener Multi 2011 in diesem Segment um. Damit nahm er unter den globalen Top-Produzenten die Position sechs ein.

GENE & KLONE

Neue EYLEA-Indikationen gesucht
Gerade erst hat der Leverkusener Multi die Zulassung für sein gemeinsam mit der Firma REGENERON entwickeltes Gentech-Augenpräparat EYLEA zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erhalten, da schaut er sich schon nach neuen Anwendungsgebieten um. Der Pharma-Riese stellte einen Antrag auf Genehmigung des Präparates zur Therapie von solchen Flüssigkeitsansammlungen in der Makula-Region des Auges, die nach einem Zentralvenen-Verschluss an der Netzhaut auftreten.

BAYER & Co. behindern Forschung
Die Patente, welche die Agro-Multis auf ihre Genpflanzen halten, gewähren ihnen weitgehende Rechte. So hat BAYER etwa durch das geistige Eigentum an der Sojabohne A5547-127 das Monopol auf die Untersuchungen von unvorhergesehenen Auskreuzungen dieser Labor-Frucht. Unabhängige WissenschaftlerInnen bleibt dagegen der Zugang zu dem Soja, Mais und Raps der Gen-Giganten versperrt. „Legal kann zu vielen kritischen Fragen keine wirklich unabhängige Forschung durchgeführt werden“, klagten deshalb ExpertInnen 2009 bei einer Anhörung der US-Regierung. Auf EU-Ebene stellt sich das nicht anders dar. Im vorletzten Jahr sah sich der damalige Verbraucherschutz-Kommissar John Dalli aus diesem Grund gezwungen, die Konzerne zu bitten, ForscherInnen ihre gen-manipulierten Arten zur Verfügung zu stellen, damit jene die Möglichkeit haben, selber Tests mit ihnen durchzuführen. Auf ein solches Goodwill ist die Europäische Union angewiesen, denn ein juristischer Anspruch auf eine Bereitstellung von A5547-127 und anderen Gen-Konstrukten besteht nicht.

WASSER, BODEN & LUFT

Gadolinium verunreinigt Gewässer
Nach einer Studie der Bremer „Jacobs University“ verunreinigt Gadolinium den Rhein. Der Wissenschaftler Prof. Dr. Michael Bau ermittelte von dem in BAYERs Röntgen-Kontrastmitteln GADOVIST und MAGNEVIST enthaltenen Stoff Konzentrationen, die mehr als das Zehnfache über den natürlichen lagen. „Erhöhte Gehalte an Gadolinium sind mittlerweile überall in der entwickelten Welt in Flüssen und vereinzelt auch im Trinkwasser zu finden“, hält Bau fest und forderte die Einführung eines Monitoring-Systems für diese zu den Seltenen Erden gehörende Substanz. Und dieses wäre umso nötiger, als der Stoff mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen behaftet ist (Ticker 3/11). So kann Gadolinium bei Nierenkranken ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge auslösen. Mit 230 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen sah sich der Pharma-Riese deshalb bereits konfrontiert; aktuell laufen noch 40 Prozesse (Stand: 12.2.13). Auch die Aufsichtsbehörden haben das Gefährdungspotenzial bereits erkannt. So hat die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA jüngst strengere Auflagen für den Gebrauch von GADOVIST & Co. erlassen.

Diuron verunreinigt Gewässer
Der Pestizid-Wirkstoff Diuron, den BAYER seit einiger Zeit in Deutschland nicht mehr vertreibt, verunreinigt in Tateinheit mit anderen Substanzen immer noch die Ruhr. „Die Belastung der Ruhr mit Mikro-Schadstoffen ist ein ernstes Thema“, sagt deshalb der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von den Grünen und kündigt politische Schritte an. An knapp zwei Prozent der Meßstellen überschritt Diuron die Grenzwerte.

Neue EU-Emissionsrichtlinie
Die neue Richtlinie der EU zu Industrie-Emissionen bleibt in ihren Vorschriften teilweise weit hinter den Standards auf anderen Kontinenten zurück. Während BAYER & Co. etwa in den USA nur drei Mikrogramm Quecksilber pro Kubikmeter Abluft ausstoßen dürfen, legt die Europäische Union einen Grenzwert von zehn Mikrogramm fest. Und bei Stickoxiden, von denen die Schlote der Industrie nun bereits schon seit 12 Jahren kontinuierlich höhere Mengen produzieren – BAYERs Wert für 2011: 3.700 Tonnen – wäre technisch längst weit weniger Belastung möglich, als Brüssel erlaubt. Darum forderten die Grünen und die Linkspartei, bei der Umsetzung der Direktive in nationales Recht schärfere Limits für Quecksilber und Stickoxide festzusetzen. Die SPD trat derweil dafür ein, die Umwelt-Auflagen für Müllmitverbrennungsanlagen, wie sie auch der Leverkusener Multi betreibt (SWB 3/11), denen für herkömmliche Müllverbrennungsanlagen anzugleichen, während sich Fachleute für härtere Auflagen Feinstaub und Ammoniak betreffend starkmachen. Die Regierungskoalition lehnte die Vorstöße jedoch ab.

BAYER-Chemie in Kosmetika
BAYER & Co. drängen mit ihrer Plaste & Elaste auf den Kosmetika-Markt. So finden sich in Zahnpasten, Dusch-Peelings und Kontaktlinsen-Reinigern viele Kunststoff-Produkte. Der Leverkusener Multi produziert beispielsweise Polyurethane zur Verstärkung der Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups. Diese Substanzen können nicht nur Gesundheitsstörungen verursachen, sondern auch die Umwelt schädigen, denn sie passieren die Kläranlagen unbehelligt. CDU und FDP wollen dem vorerst nicht Einhalt gebieten. „Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Bedarf, weitergehende gesetzliche Regelungen zu treffen“, heißt es in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen. Merkel & Co. stellen lediglich vage Maßnahmen im Rahmen der EU-Meeresstrategie-Richtlinie in Aussicht.

Schon wieder eine Altlast
Unter dem Pflaster des ehemaligen BAYER-Autohofs in Leverkusen schlummern vermutlich giftige Abfälle aus der Frühzeit des Konzerns, denn das Kataster-Amt der Stadt weist das Areal als Altlasten-Verdachtsfläche aus. Der Vergessenheit entrissen wurde die chemische Zeitbombe, als die Kommune einen neuen Standort für ihre Feuerwehr suchte. Dafür hatte sie nämlich das Areal des Unternehmens in die engere Wahl genommen und genauere Erkundigungen über das Grundstück eingezogen. Die Feuerwehrleute reagierten alarmiert auf die Informationen und lehnen den Autohof als neue Heimstatt ab. „Wer garantiert, dass wir keine Spätfolgen erleiden, wenn wir auf verseuchtem Boden unseren Dienst verrichten“, fragte einer von ihnen in einem Brief, der dem Leverkusener Anzeiger zuging.

DEROSAL verunreinigt Gewässer
Der BUND, der NABU und andere Initiativen haben Kleingewässer in Brandenburg auf Pestizid-Rückstände untersucht und erhebliche Verunreinigungen festgestellt. Unter den nachgewiesenen Ackergiften befand sich auch Carbendazim, das in dem BAYER-Produkt DEROSAL enthalten ist und wegen seiner hohen Halbwertzeit eine große Umweltgefahr darstellt. „Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass eine unzulässig hohe Schadstoff-Belastung der Gewässer die Regel ist. Die Vorschriften zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sind folglich in hohem Maße unzureichend“, resümierte die Toxikologin Dr. Anita Schwaier vom Verein ZUKUNFT BIOSPHÄRE UND LEBENSRAUM.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

PCB-Grenzwerte waren zu hoch
Der Sonderkommission des Berliner Senats zur Prüfung gefährlicher Arbeitsstoffe zufolge galten in der Bundesrepublik lange Zeit zu lasche Werte für die „Maximale Arbeitsplatz-Konzentration“ (MAK) von Polychlorierten Biphenylen (PCB). Die ExpertInnen schlugen deshalb eine „drastische Absenkung des MAK-Wertes für höherchlorierte (...) Biphenyle von 0,1 auf 0,003 mg/m3“ vor. BAYER zählte lange zu den Hauptherstellern von PCB, die unter anderem als Weichmacher in Kunststoffen, Kühlmittel und Isoliermaterial Verwendung fanden. 1983 verbot der Gesetzgeber die Substanz. Aber die gesundheitsschädlichen Wirkungen der Substanz wie etwa Krebs machen sich nicht nur deshalb immer noch bemerkbar, weil sie zu den chemisch äußerst stabilen und sich in der Umwelt entsprechend langsam abbauenden Chlor-Verbindungen gehört und noch in zahlreichen alten Gebäuden steckt. Es kommen auch noch neue Belastungen hinzu, beispielsweise durch die PCB-Verbrennung in den Müll-Öfen des Leverkusener Multis.

Schlechte Noten für Körperlotion
Die „Stiftung Warentest“ hat BAYERs BEPANTHOL-Körperlotion mit „ungenügend“ bewertet, da sie bedenkliche Inhaltsstoffe wie potenziell krebserregende PEG-Derivate, giftige halogen-organische Verbindungen und andere gesundheitsschädliche Stoffe wie Paraffine und Silikone enthält.

NANO & CO.

Nano-Anlage genehmigt
Die Auftragsfertigung der Kohlenstoff-Nanoröhrchen mit dem Produktnamen BAYTUBES führt für den Leverkusener Multi seine ehemalige Tochterfirma H. C. STARCK in Laufenburg aus. Bislang betreibt das Unternehmen die Anlage nur im Test-Modus, es stellte beim Regierungspräsidium Freiburg jedoch einen Antrag auf einen Normalbetrieb nebst einer Kapazitätserweiterung von 30 auf 75 Tonnen im Jahr. Da die Nano-Technologie Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen lässt, wodurch diese unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften entwickeln, erhob nicht nur die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN Einspruch gegen das Projekt. 61 Einwendungen gingen bei den Behörden ein. Das Regierungspräsidium schenkte den KritikerInnen jedoch keinen Glauben. Es folgte lieber den Ansichten des von H. C. STARCK angeheuerten Gutachters Helmut Greim, der BAYER bereits im Holzgifte-Prozess gute Dienste erwiesen hatte, und erteilte die Zulassung für den ersten Großversuch mit der Nano-Fertigung im „Multimillionen-Maßstab“ (O-Ton BAYER). Der BUND verurteilte die Entscheidung, während die in Baden-Württemberg jüngst zu Regierungsehren gekommenen Grünen sie guthießen. An der Genehmigung gebe es nichts zu bemängeln, schließlich hätten mehrere Gutachten erwiesen, dass die Produktion keine Gefahr darstelle, verlautete den Stuttgarter Nachrichten zufolge aus dem Landesumweltministerium.

CO & CO.

Lkw-Unfall an Pipeline-Strecke
Mitte Januar 2013 prallte auf der Erkrather Neandertal-Brücke ein Lkw gegen die Leitplanke. Ein Stahl-Seil verhinderte gerade noch, dass der Laster in die Tiefe stürzte. So fiel nur ein Teil der Ladung hinab – dorthin, wo knapp zwei Meter unter dem Boden BAYERs umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline verläuft. Wäre sie schon in Betrieb und auch der Lastkraftwagen von der Brücke gekippt, hätte es einen Super-GAU geben können. Darum reagierte die Bezirksregierung Düsseldorf prompt: „Auch dieser Lkw-Unfall wird von der Bezirksregierung nochmals in die Sicherheitsprüfung einbezogen.“ Der Leverkusener Multi hingegen bestritt ein solches Risiko und verwies auf ein Gutachten des Unternehmens TÜV, für welches auf Brücken „nach den bisherigen Prüfungen eine Gefährdung nicht gegeben“ sei. Erich Hennen von der Initiative CONTRA PIPELINE macht derweil sogar noch weiter Gefahrenpunkte an Verkehrsnetzen aus wie etwa bei Mündelheim, wo die Giftgas-Leitung die B 288 kreuzt.

Hohe Pipeline-Folgekosten?
Für Erkrath hat der Bau von BAYERs zwischen Krefeld und Dormagen verlaufender Kohlenmonoxid-Pipeline hohe Folgekosten. Bürgermeister Arno Werner nannte in dem Zusammenhang vor allem nötig gewordene Veränderungen bei der Feuerwehr wie die Einstellung von mehr Personal, die Verbesserung der technischen Ausstattung und den Bau einer neuen Wache. Allein letzteres wird nach seinen Angaben ca. 13 Millionen Euro verschlingen. Der Anti-Pipeline-Aktivist Uwe Koopmann wollte es genauer wissen und hakte bei der Feuerwehr nach. Diese dementierte allerdings die Angaben Werners. „Die Planungen der Feuerwehr stehen in keinem Zusammenhang mit der CO-Pipeline“, heißt es in dem Antwort-Schreiben.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

ULTRAVIST-Rückruf
BAYER musste eine Rückruf-Aktion für sein Röntgen-Kontrastmittel ULTRAVIST starten, weil einige Chargen Verunreinigungen aufwiesen.

STANDORTE & PRODUKTION

Dormagener TDI-Anlage genehmigt
Ende Dezember 2012 erteilte die Bezirksregierung Köln BAYER di

Gentechnik

CBG Redaktion

Presse Information vom 31. Oktober 2012
Coordination gegen BAYER-Gefahren

BAYER, BASF und MONSANTO gegen Kennzeichnungspflicht

USA: Millionenspenden der Gentech-Industrie

Die Chemie-Konzerne BAYER und BASF beteiligen sich mit millionenschweren Spenden an einer Kampagne amerikanischer Gentechnik- und Pestizid-Hersteller. Die Industrie will damit eine Initiative von Umweltverbänden zur Deklaration gentechnisch veränderter Lebensmittel stoppen. Die im Bundesstaat Kalifornien eingebrachte Proposition 37, die eine Kennzeichnungspflicht nach europäischem Vorbild fordert, wird parallel zur Präsidentschaftswahl am 6. November zur Abstimmung gebracht.

Die Unternehmen investieren über 40 Millionen Dollar in ihre Werbekampagne, die vor allem aus TV Spots besteht - rund zehnmal so viel wie die Befürworter der Initiative. Größter Finanzier ist der Weltmarktführer für gentechnisch verändertes Saatgut, Monsanto, mit 7 Millionen Dollar. Es folgen DuPont (4,9 Mio), BAYER und BASF (jeweils 2 Mio), Pepsi, Nestlé und Coca Cola. Das Hauptargument der Industrie ist, dass eine Deklarationspflicht die Kosten für die Hersteller um „Milliarden Dollar erhöhen“ würde - eine absurde Behauptung, für die jeglicher Beleg fehlt.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die Gentechnik-Multis messen mit zweierlei Maß: in Europa ist die Deklaration von gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen selbstverständlich. In den USA hingegen soll eine solche Kennzeichnung mit fadenscheinigen Argumenten verhindert werden. Die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern werden dadurch mit Füßen getreten!“. Scharfe Kritik äußert auch Gary Ruskin von der Initiative California Right to Know: „BAYER und BASF schicken ihr Geld um die halbe Welt, um Müttern und Vätern weiszumachen, sie hätten nicht das Recht zu wissen, was sich im Essen ihrer Kinder befindet!“.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren sieht eine Parallele zum Verkauf des BAYER-Pestizids Glufosinat. Der zusammen mit gentechnischem Saatgut verkaufte Wirkstoff muss in der EU wegen erwiesener Gesundheitsgefahren vom Markt genommen werden. Trotzdem hat BAYER die Exporte in die USA und nach Lateinamerika drastisch erhöht, „ein klassischer Fall doppelter Sicherheits-Standards“, so Mimkes weiter. Glufosinat soll in die Fußstapfen des von Monsanto vertriebenen Herbizids Glyphosat treten, das wegen zunehmender Resistenzen immer unwirksamer wird.

BAYER war in den USA für die bislang größte Kontamination mit gentechnisch veränderten Organismen verantwortlich: Im Jahr 2006 war sogenannter Liberty Link-Reis weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl hierfür keinerlei Zulassung vorlag. Rund 30 % der US-amerikanischen Ernte war verunreinigt, die EU und Japan stoppten daraufhin alle Reisimporte aus Nordamerika. In den vergangenen Monaten musste BAYER die betroffenen Landwirte und Reismühlen mit über 900 Mio. Dollar entschädigen. Bis heute wird LL-Reis jedoch vereinzelt in Supermarkt-Packungen gefunden.

Im laufenden Wahlkampf gehört BAYER zu den größten ausländischen Unterstützern republikanischer Abgeordnete. Die Ausgaben zur Verhinderung von Proposition 37 übertreffen jedoch die Spenden an Politiker deutlich. Kalifornien war in der Vergangenheit häufig Vorreiter bei der Einführung neuer Umweltschutz-Bestimmungen, so z. B. bei Katalysator-Autos oder zum Ausstoß von Treibhausgasen. Dies erklärt die erhöhte Nervosität der Gentech-Lobby.

weitere Informationen:
=> Initiative „California Right to Know“
=> Deutsche Welle: German giants join GM food fight in California

[Endosulfan] STICHWORT BAYER 04/2012

CBG Redaktion

BAYER-Pestizid am Pranger

Ein vergiftetes Leben

Mit dem Verbot des auch von BAYER produzierten, systemisch wirksamen Insektizids Endosulfan im Mai 2011 sollen nun die Bestände, die noch in dem indischen Teilstaat Kerala in der Region der Cashewnuss-Plantagen lagern, vernichtet werden. Jedoch gibt es im gesamten Land dafür weder die optimalen technischen Voraussetzungen, noch scheint der politische Wille vorhanden zu sein, das Verhandlungsergebnis der im vergangenen Jahr verabschiedeten Stockholmer Konvention vollständig umzusetzen. Der Zusammenhang zwischen den Gesundheitsschäden und dem Gift wird von den Befürwortern aus der Chemieindustrie immer noch angezweifelt. Das Agrargift wird weiterhin exportiert und kommt anderswo zum Einsatz. Das Leiden für die Opfer dauert nun seit 35 Jahren an, und für sie ist kein Ende in Sicht.

Von Thomas W. Baier

Kasaragod/Südindien - Das Mädchen heißt Haseena, „die Lächelnde“. Und sie lächelt viel, schaut mit neugierigen Augen in ihrem Zimmer umher, das seit ihrer frühen Kindheit fast alles ist, was sie von der Welt sehen kann. Will sie sich auf dem Bett bewegen, graben sich ihre verkrümmten Füße in die Matratze und schieben ihren verwundenen Körper an die Stelle, an der sie sich am liebsten aufhält: ans geöffnete Fenster. Dabei verzerrt sich ihr offenes Lächeln zu einer angestrengten Grimasse, es ist ein grausamer Kampf gegen ihren verrenkten, verkrümmten Torso. Dann lächelt sie wieder, sie hat sich so bis zum offenen Fenster gerobbt. Das war nicht immer so: Haseena ging früher in die Schule, spielte mit ihren Freundinnen — bis sie fünf Jahre alt wurde und das Gift in ihrem Körper zu wirken begann.

Am Fenster steht ihr Vater Karim Shaik und schaut mit leerem Blick durch die Gitterstäbe. Auch er ist verkrümmt, jedoch in seiner Seele. Ihm ist das Leid ins Gesicht geschrieben, die Mimik ist gelähmt vom Gift, die Seele vom Schicksal seiner Tochter. Einzig der 20-jährige Bruder Ashraf Ali scheint unbehelligt, doch leichte Zuckungen verraten, dass das Gift auch in seinem Körper steckt. Alle paar Wochen schüttelt ihn ein unerklärlicher Fieberschub bis auf‚s Mark, und er ist dann tagelang wie gelähmt. Balkise Shaik, die Mutter, kämpft an gegen die Krankheit und die alltäglichen Demütigungen. Sie verteidigt ihre kranke Familie gegen die Gleichgültigkeit der Behörden, der Chemieindustrie und des Schicksals.

Haseenas Distorsionen sind die Folge des nervenwirksamen Insektizids Endosulfan, eine der vermeintlich segensreichen Entwicklungen des deutschen Chemiekonzern HOECHST aus der Zeit, als die Agrarindustrie noch mit dem Schlagwort der „grünen Revolution“ eine bessere Welt schaffen wollte. Überzeugt von den Vorteilen, wurde die Chemikalie der heimischen Unternehmen EXCEL INDUSTRIES Ltd. und HINDUSTAN CHEMICALS Ltd. unter der Patentlizenz der deutschen BAYER AG flächendeckend auf den 6.000 Hektar Cashew-Plantagen von den staatlichen Agrar-ExpertInnen gegen Insektenschädlinge mit Hubschraubern versprüht. Zweimal im Jahr, über 25 Jahre hinweg. Rückstandskontrollen durch das Landwirtschaftsministerium gab es nicht. Der Ort Kasaragod im Norden des Teilstaates Kerala liegt an der geschichtsträchtigen Küste von Malabar in einer der ärmsten Regionen. Der moderat marxistische Staat griff hier regulierend als Unternehmer ein, schuf Arbeitsplätze und vertrat mit dieser Politik nicht nur die Interessen der kleinen LandwirtInnen. Auch Haseenas Eltern arbeiteten auf den Plantagen, ernteten die auffallend leuchtend roten Früchte mit dem außen anhängenden Nusskern, während zweimal im Jahr der Helikopter dröhnend über das Dorf knatterte und seine giftige Fracht über ihren Köpfen ablud.

Balkise und Karim verdienten einen mageren Lohn und gründeten eine Familie. Ihre erstgeborene Tochter ist von dem Gift hochgradig geschädigt, die Arme sind in den Schultergelenken meistens nach oben-, und in den Beugen bogenförmig durchgestreckt und haben so für sie keine Funktion. Sie hat gelernt, einen Stift mit ihren verkrümmten Füßen zu halten und zeigt, dass sie so auf einem Notizblock ein paar Buchstaben zustande bringt. Sie ist eine stolze junge Frau, die auch mit ihrer Schönheit kokettieren kann. Ihre Mutter hat alles Menschenmögliche versucht, um die aussichtslose Situation zu verbessern. Sie hat alle Dokumente unter dem Bett in Haseenas Zimmer hervorgeholt, hat bei den lokalen Behörden vorgesprochen und wurde vertröstet. Sie hat nach Erklärungen verlangt, und die einzige, die sie je erhielt, ist zynisch: Weil ihre Familie in einem gemieteten Haus wohnt, kann sie nach Meinung der Behörden nicht beweisen, dass sie zum Zeitpunkt der Lufteinsätze in der betroffenen Region gelebt hat. Nur so hätte sie einen Anspruch auf ärztliche Versorgung und ein wenig Unterstützung von der Sozialbehörde. Zudem gehören sie als Muslime der sozio-kulturellen Unterschicht Keralas an, die keine Aussicht auf Verbesserung ihrer Lage hat. Balkises tränenvolle Augen schauen durch das Gitterfenster, davor steht ihr Mann und starrt hilflos in das Zimmer.

Bis zu 9.000 Opfer
Im Bezirk gibt es eine Sonderschule. Achtundvierzig mental extrem beeinträchtigte Kinder und junge Erwachsene gehen hier zur Schule. Der Tag beginnt mit einem Lied, das die beiden Lehrerinnen Saline und Suma auf einer Bühne vor den Kindern stehend anstimmen. Es klingt freudig, und jeder hat seinen festen Platz dabei, jeder steht in einem auf dem Boden aufgemalten Kreis. Einige der hinteren Kreise bleiben an diesem Tag leer. Fast jeden Tag fehlen einige der Kinder, weil sie es nicht aus dem Bett schaffen und sie sich verkriechen. 4.880 Personen sind in der Region als Opfer identifiziert, Zahlen zwischen 7.500 und 9.000 werden mittlerweile von ÄrztInnen in der Region als realistisch betrachtet. Zu viele fallen durch das vom staatlichen Menschenrechts-Kommissar zur Anerkennung der von Endosulfan verursachten Schäden vorgegebene Raster. Denjenigen, denen eine Kompensation zusteht, wird mit Betreuung in der Schule und ärztlicher Versorgung geholfen. Es sind schwerste geistige und auch körperliche Behinderungen, die konstatiert werden. Die Schulverwaltung des Distrikts Panjayat spricht von „mental herausgeforderten Menschen“.

Der politisch korrekte Umgangston hat auch in Indien Einzug gehalten und provoziert zu der Frage, ob diese korrekte Form die normal Geforderten vor dem stillen Anspruch der anders Geforderten schützen soll. Keine Frage, jede der in den Betrieb involvierten Personen versucht sein Bestes zu geben, und doch können die rudimentären Bedingungen, unter denen hier sonderpädagogische Arbeit geleistet wird, nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ein Abschiebegleis zur Gewissensberuhigung ist.

Die Dorfpraxis von Dr. Mohanan Kumar inmitten der ehemaligen Plantagen floriert. Es sind nicht die schweren Fälle, die zu ihm kommen, eher die Leute mit kleineren Malaisen. Zu den schweren Fällen geht er zum Hausbesuch. Als Mitglied der indischen Beratungskommission zur medizinischen Forschung ICMR vertritt er im Distrikt eine der Erhebungsstellen, um die Folgen von Endosulfan zu dokumentieren. Die gute Nachricht ist, dass die Schädigungen nach seinen Beobachtungen seit fünf Jahren rückläufig sind, vor allem Kinder sind nicht mehr so stark betroffen. Er verfolgt das Thema seitdem 1974 die ersten Lufteinsätze stattfanden und dokumentierte das Insektensterben, den Verlust der Artenvielfalt und nicht zuletzt die verstümmelten Kinderkörper. Die Konzentration der Lösung betrug 0,1 Prozent und tötete bei jedem Einsatz regelmäßig alles ab, was kreucht und fleucht: für Bienen und andere Insekten, Amphibien und viele Vögel war das eine tödliche Dosis. Seit 1982 konstatierte er die ersten Fälle von Krebs, seither sind 700 Menschen im Distrikt daran gestorben. Und dass Gift wirkt lang anhaltend, da es über das Fettgewebe wie Leber, Nieren, Gehirn und Knochenmark resorbiert wird und dann langsam im Körper seine volle Wirkung entfaltet. Und die schlechte Nachricht? Dr. Mohanan Kumar spricht aus, was andere nicht denken wollen: „Es gibt keine Hilfen für die Spätfolgen. Das Gift wirkt sich auf das Erbgut aus und wird in den nächsten Generationen weiterhin wirken. Die dann auftretenden Symptome wird niemand mehr in Zusammenhang mit Endosulfan stellen. Es wird die Betroffenen zu einem Leben als Bettler auf die Straße zwingen.“

Auch sein direkter Nachbar befasst sich seit langem mit dem Thema. Der Agrar-Journalist Shree Padre schrieb 1979 seine erste Reportage über die Deformationen bei Kühen und machte es an dem chlororganischen Pestizid fest. Er ist als Profi einer derjenigen, die ihre Stimme sehr wahrnehmbar erheben und gegen die Gier der Verursacher wettert. Er wisse als Fachmann, dass zum Verkauf vorgesehene Produkte wie Milch und Honig im Allgemeinen strengeren Auflagen unterliegen, als dies bei Endosulfan der Fall ist. „Die rhetorisch geschulte Lobby führt die Öffentlichkeit seit Jahren absichtlich in die Irre“, steigert er sich im Gespräch hinein, „und der Reigen der Experten erklärt Insektenkundler zu Spezialisten in Sachen menschlicher Gesundheit.“ Ein deutsches Fernsehteam ist aus Neu Delhi angereist und interviewt ihn in einem Waldstück nahe seines Hauses. Das Grundstück liegt paradiesisch in den Hügeln. Der nächste Ort hier heißt Swarg, das bedeutet „Himmel“. Nichts lässt ahnen, dass nicht weit von hier das Unheil Zuhause ist. Vor der Kamera fordert er ganz klar, dass die Verantwortlichen verurteilt und bestraft werden und die Opfer Kompensation erhalten müssen. Ohne Wenn und Aber. „Taim nanda - time‘s out“, sagt er zum Abschied in seiner Landessprache Malayalam, und er münzt es auf die Agrarindustrie.

Die Familie Abubokar ist ein Extrembeispiel. Acht Kinder hat der heute 63-jährige mit seiner Frau Nafeesa zur Welt gebracht und jedes Mal war es ein Hoffen und Bangen, ob es diesmal gut ausgeht. Zwei Söhne sind im Alter von fünf und zwei Jahren an ihren Deformationen gestorben: Unbehandelte Gaumenspalten, verbogene Gliedmaßen und unzählige andere Symptome führten zum Tod. Vier weitere Söhne sind schwer betroffen, aber wunderbarerweise sind die zwei Töchter vollkommen gesund. Der 24-jährige Abdulkabir war am Morgen in der Schule und erkennt das Filmteam wieder. Erst freut er sich, doch als er die Kamera sieht, will er sich schnell verbergen. Dann beginnt er seinem ältesten Bruder Abdulamir aufgeregt in verschlierten Lautbildungen, aber mit viel Temperament von dem aufregenden Schultag mit dem Fernsehteam zu erzählen. Abdulamir ist 36 und war nie in der Schule. Hinter ihm sitzt der zweitälteste Abdulrahman, er ist 27 Jahre alt und hat keine Zähne, sie sind alle weggefault. Der Vater sitzt gebeugt daneben und erzählt uns, dass sie zwar eine offizielle Anerkennung als Opfer bekommen haben, doch erhält er pro geschädigtem Familienmitglied nur 400 Rupien monatlich, das sind für alle vier zusammen knapp 24 Euro. Das Haus hat er mühevoll von seinem Arbeiterlohn aufgebaut, doch abbezahlt ist es noch nicht. Er ist ausgemergelt, er kann die schwere Arbeit nicht mehr verrichten. Nächsten Monat will die Bank die Hypothek kündigen und eine Räumungsklage durchsetzen. Er weiß nicht, wohin er mit seiner Familie gehen soll.

Währenddessen stehen seine Tochter Kadija und ihre Schwester Pathuma mit ihrer Mutter hinter dem Küchenfenster und schauen neugierig auf das Geschehen. Die Ältere ist verheiratet, sie hat Glück gehabt, ihr Mann lebt mit ihr im Elternhaus und unterstützt sie und auch ihre Familie ein wenig. Pathuma ist eine bildschöne Frau mit Lachgrübchen auf der Wange. Sie ist längst im heiratsfähigen Alter und findet keinen Mann. Die Männer haben Angst, dass sie ungesunde Kinder zur Welt bringen könnte, erzählt sie und lächelt beschämt. Als der 26-jährige Bruder Ahemad Kabir, gerade von der Schule kommend, zur Familie stößt, bricht eine gelöste Stimmung aus. Er ist der Sunnyboy, und obwohl auch er schwer von mentalen Defiziten betroffen ist, hat er ein starkes und frohes Wesen, das alle um ihn herum aufmuntert. Am Ende schnattern alle durcheinander, und beim Abschied ist es fast vergessen, dass das Schicksal die vier Brüder solange ihre Eltern leben an die Familie bindet und sie unter anderen sozialen Gegebenheiten keinen Halt mehr fänden. Was nach dem Tod von Abubokar und Nafeesa sein wird, mag sich niemand vorstellen.

Die Endosulfan-Entsorgung
Der nächste Morgen beginnt in der 100.000 Einwohner zählenden Distrikthauptstadt Kasaragod mit lautem Tatütata — der Landwirtschaftsminister ist aus der Landeshauptstadt Trivandrum für eine seit langem anberaumte Pressekonferenz angereist. Die VertreterInnen der vom Endosulfan-Skandal betroffenen Bezirke und Gemeinden sitzen im kreisrunden Versammlungsgebäude der Bezirksverwaltung und empfangen die Entourage des Ministers unaufgeregt. Jeder kann sein Anliegen an den Minister K. P. Mohanan richten, sein Sekretär ergreift gerne das Wort zur Replik. Das Mikrofon zirkuliert in der Runde, und die Beschwerden kreisen immer um dieselbe Problematik: Die ärztliche Versorgung ist durch die Minimalausstattung nicht gewährleistet, versprochene Mittel sind nicht verfügbar und Geld kommt nicht an den Stellen an, an denen es gebraucht wird. Zum Thema „Geld“ führt der Minister selbst aus, dass der Umfang an Mitteln in den vergangenen zehn Jahren, als Kerala die Anwendung der Chemikalie als erster Teilstaat Indiens verboten hat, stetig angestiegen sei und insgesamt 186 Crore Rupien — ein Crore sind zehn Millionen Rupien — und damit umgerechnet etwa 27 Millionen Euro für die Opfer bereitgestellt wurden. Er konstatiert selbstbewusst, die Landesregierung habe die bestmöglichen Voraussetzungen zur Linderung der Not geschaffen. Die Frage des deutschen Fernseh-Korrespondenten, ob er von Opfern wisse, die keine Entschädigung erhalten, wird vom Minister glatt abgebürstet: Solche Opfer kenne er nicht.

Zugleich demonstriert eine Gruppe von ungefähr 40 Müttern und Vätern nun schon den 58. Tag an der Zufahrtsstraße zur Bezirksverwaltung. Es sind keine wütende Menschen, die hier mit vielen Reden und Klagen, und an diesem für sie besonderen Tag auch mit gesungenen Einlagen, ihr Anliegen vertreten. Es sind zutiefst gebrochene Menschen. Auch die Eltern von Haseena sind an diesem Tag da. Sie wollen mobilmachen für eine größere Beteiligung am Tag nach der Pressekonferenz. Es wird ein Sonntag sein, ein Tag, der für sie in die Geschichte eingehen wird. An diesem Tag werden die letzten Fässer des tödlichen Endosulfans in sichere Gebinde verpackt, um endgültig vernichtet zu werden. Es sind die Eltern der Opfer, die keine Entschädigung erwarten können. Die Kolonne des Ministers rauscht an dem bescheidenen Unterstand am Straßenrand vorbei. Der Himmel öffnet seine Schleusen und der Monsunregen prasselt in harten, schweren Tropfen auf die Eltern hernieder.

Auch am darauffolgenden Sonntag Morgen hat der Monsun nichts an Kraft eingebüßt. Das Gelände der staatlichen Pflanzenzuchtanstalt mit seinen Plantagen ist von Polizei und Feuerwehr abgesichert. Das kleine Haus, in dem die Restbestände des Endosulfans lagern, ist umgeben von drei Sicherheitskreisen in den Farben grün, gelb und rot. Im roten Bereich tragen alle Schutzanzüge und Atemgeräte. Seit zehn Jahren stehen hier 950,4 Liter des Giftmülls in vor sich hinrostenden Metallfässern in einem versiegelten Gebäude der Institution, die das Mittel einst vehement propagiert und angewendet hat. Zwei weitere Lagerstätten im Distrikt bergen um die 730 Liter, insgesamt werden 1.683 Liter unschädlich gemacht.

Es brauchte wohl jemanden wie Dr. Mohamad Asheel, der als promovierter Chemiker beim staatlichen Betrieb anfing. Er bezeichnet sich von seiner Herkunft her als ein Teil des Systems. In seiner Auseinandersetzung mit POPs (persistent organic pollutants), zu denen Endosulfan zählt, bekehrte ihn ein Mentor aus Studienzeiten zur Abkehr von der gängigen Praxis. Dessen Name ist C. Jayakumar, ein weltweit gefragter Aktivist. Er ist bei der Versiegelung als Beobachter der „Stockholm Convention“ mit dabei im Gefahrenbereich des Gebäudes. Er steht im Austausch mit dem internationalen PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) und arbeitet mit der Organisation Hand in Hand, auch mit PAN in Deutschland. PAN hat die Aufnahme von Endosulfan in die Liste der verbotenen Stoffe maßgeblich vorangetrieben und leistet darüber fundierte Aufklärungsarbeit.

Nun also kommt der Moment, an dem eine fachgerechte Lagerung die endgültige Vernichtung einleitet. Das Verfahren wird von Dr. Mohamad Asheel, dem zuständigen Task Force Manager so beschrieben: Das flüssige Gift wird aus den alten Fässern abgepumpt und in Kunststofffässer umgefüllt. Dabei wird es mit Sägemehl vermischt, dann in einem chemischen Prozess vom flüssigen in einen festen Zustand überführt. Das nennt der Verfahrensingenieur „Solidifizierung“. Dieser Prozess dauert noch einige Monate, dann kann das Material in einer Sondermülldeponie entsorgt werden.

Noch immer Geschäfte
Weshalb das nicht schon vor zehn Jahren, als das Material eingelagert wurde, geschah? Er meint, dies war unmöglich, weil keine bundesstaatlich gültige Entscheidung zum Verbot bestand. Und Dr. Asheel hat dazu eine dezidierte Meinung. Er ist überzeugt, dass die Befürworter und LobbyistInnen bis zuletzt hofften, das Verbot kippen zu können. Einer der größten Unternehmer des Landes, Vijay Mallay, ist Inhaber der größten Brauerei und der Fluggesellschaft KINGFISHER. Zuvor war er der Leiter von BAYER INDIA Ltd., Tochter des deutschen Lizenzinhabers BAYER AG. Er ist bestens vernetzt in Regierungskreise und wird als oberster Lobbyist beschrieben, der für die Torpedierung des Verbots verantwortlich ist. Und auch der indische Staat selbst hat keine einheitliche Haltung zu dem Thema, denn er ist selbst an den heimischen Chemie-Unternehmen beteiligt. EXCEL INDUSTRIES, HINDUSTAN INSECTICIDES und COROMANDEL sind die drei Großen der Branche im Land, die mit der Agrarchemikalie viel Geld verdienten. Und zuvor war es das deutsche Unternehmen BAYER.

Und das möchten sie auch gerne weiterhin tun. Die Restbestände des chlororganischen Grundstoffes Hexachloroxypopenderol reichen aus, um vier Millionen Liter des Endprodukts herzustellen. Noch wird trotz des weltweiten Verbots durch die am 13. Mai 2011 verabschiedete Stockholmer Konvention kräftig exportiert. Am Tag des Banns vor einem Jahr waren noch 1.090 Tonnen des Stoffs in den Beständen, und die wurden vom Obersten Gerichtshof zum Export freigegeben. Der BRIC-Partner Brasilien, sowie Argentinien und Ecuador sind verlässliche Abnehmer. Auch der Nachbar Bangladesh und Nigeria zahlen gerne viel Geld für den Giftmüll. 10.000 Tonnen pro Jahr produzierten die Unternehmen zuletzt im Land. 70 Prozent deckte EXCEL INDUSTRIES allein ab. Für HINDUSTAN CHEMICALS Ltd. bedeutet der Wegfall der Endosulfan-Produktion einen 70-prozentigen Einkommenseinbruch. Der anhaltende Druck der Lobby auf die Regierung macht es für Dr. Mohamad Asheel umso deutlicher, dass das Landwirtschaftsministerium der Sklave der Industrie ist.

Pradeep Dave, Präsident des „Verbands der Chemischen Industrie“ in Indien geht soweit zu sagen, dass es keinerlei wissenschaftlich Beweise dafür gibt, die den Zusammenhang zwischen den Symptomen und dem Gift belegen können. Im Interview mit dem Fernsehteam sagte er: „Wir haben eine Menge Sympathie für die Menschen in Kerala. Aber dass Endosulfan dafür verantwortlich sein soll, ist nicht zu akzeptieren. Ich bin kein Techniker, aber ich kann sagen: Fehlernährung und Inzucht, das sind die wahren Gründe der Missbildungen.“

Und was wird aus all denen, die keine mächtigen Fürsprecher haben und für die keine Kompensation zu erwarten ist? Haseenas Mutter Balkise sagte zum Abschied, vielleicht bliebe ihr nichts anderes, als sich mit ihrer Tochter das Leben zu nehmen. Bislang bestreitet sie ihren Lebensunterhalt mit der Herstellung und dem Verkauf von bunten Armreifen, doch das reicht nicht einmal für das Nötigste aus. Ihr Mann ist zu apathisch, um einer Arbeit nachzugehen.

Und Vater Abubokar mit seinen vier Söhnen? Wird er demnächst, am Ende seines entbehrungsreichen Lebens, als Bettler im Straßenbild der Distriktkapitale Kasaragod zu sehen sein, vielleicht mit seinen behinderten Söhnen im Schlepptau? Er würde nicht weiter auffallen in diesem Land, das für einige wenige so viel zu bieten hat und für so viele viel zu wenig.

Strafe wg. Endosulfan-Sprühung

In Argentinien verurteilte ein Gericht Ende August 2012 einen Soja-Produzenten und den Besitzer eines Kleinflugzeuges wegen des Versprühens von Endosulfan und Glyphosat zu drei Jahren auf Bewährung. Der Richter befand die beiden für schuldig, gegen die Bestimmungen zum Umgang mit gefährlichen Substanzen verstoßen zu haben. Geklagt hatten Hinterbliebene von Vergifteten, die – wie rund 12 der 40 Millionen ArgentinierInnen – im Umfeld von Soja- und Maisfeldern lebten und so in Kontakt mit den tödlichen Chemikalien kamen.

[Ticker] STICHWORT BAYER TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CO-Pipeline: CBG erhebt Einspruch
Die von BAYER zwischen Krefeld und Dormagen errichtete Pipeline zur Beförderung von hochgiftigem Kohlenmonoxid entspricht nicht dem Bau, den die Bezirksregierung abgesegnet hatte. Der Leverkusener Multi nahm nämlich „Planungsanpassungen“ vor. So verzichtete er etwa auf ein Warnband, reduzierte die Breite der Abschirmungsmatten von 80 auf 60 cm und verlegte an manchen Stellen nur 5,6 mm statt 6,3 mm dicke Rohre. Für die deshalb notwendig gewordene neue Genehmigung reichte der Konzern sage und schreibe 2.000 Seiten mit Änderungen ein. Neben anderen Initiativen und Einzelpersonen greift auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN in das Verfahren ein und legte der Bezirksregierung eine Einwendung gegen den BAYER-Antrag vor.

CBG fragt, Supermärkte antworten
Die Pestizide von BAYER finden sich immer wieder in dem Obst und Gemüse, das bundesdeutsche Supermarkt-Ketten verkaufen. Mitglieder der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nahmen das zum Anlass, die fünfzehn wichtigsten Anbieter nach den Schutzmaßnahmen für die VerbraucherInnen zu fragen. Acht davon schrieben zurück. Die Antworten fielen teilweise sehr allgemein aus; die meisten Konzerne können die Diskussion jedoch nicht mehr ganz ignorieren. Vorbildlich ist einzig die Position der Firma TEGUT, die in ihren Waren keinerlei Rückstände duldet. Alle anderen Unternehmen bekennen sich nicht zu einem Sortiment ganz ohne Agro-Chemikalien. Immerhin setzen sich einige Ketten zum Ziel, mit ihren Produkten die gesetzlichen Grenzwerte deutlich zu unterschreiten. So wollen LIDL und KAUFLAND um 66 Prozent unter dem staatlich vorgegebenen Limit bleiben, KAISER’S und ALDI streben eine Marke von 30 Prozent an.

Linke für Forschungsschutz
Die Unternehmen üben immer mehr Einfluss auf die Universitäten aus. Mittlerweile übersteigt der Anteil der Drittmittel an der Forschungsfinanzierung denjenigen der „Erstmittel“. Allein der Leverkusener Multi unterhält über 900 Kooperationen mit Hochschulen. Diese Gemengelage hat die Partei „Die Linke“ dazu bewogen, einen Antrag in den Bundestag einzubringen, der die Bundesregierung auffordert, Maßnahmen zu mehr Transparenz und zum Schutz der Unabhängigkeit der Wissenschaft zu treffen. Anlass dazu gab ihr konkret auch die Zusammenarbeit BAYERs mit der „Universität zu Köln“ (Ticker berichtete mehrfach), weil die beiden Partner Stillschweigen über den Vertrag wahren, was die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN bereits zu einer Klage bewogen hat. „Wie viel Geld an die Hochschule fließt und wie die Zusammenarbeit im Einzelnen geregelt wird, wird geheim gehalten“, kritisieren die Linke-Abgeordneten. Wenig später hat die SPD einen ähnlichen Vorstoß unternommen.

DGB gegen NRW-Hochschulräte
In den Hochschulräten als neuen Aufsichtsgremien der Universitäten sitzen zu einem Drittel VertreterInnen von Unternehmen. Der Leverkusener Multi darf da natürlich nicht fehlen. So ist der Konzern durch sein Vorstandsmitglied Richard Pott beispielsweise im Komitee der Universität Köln vertreten, mit welcher der Konzern auch eine umfassende Forschungskooperation unterhält (SWB 2/09). Der DEUTSCHE GEWERKSCHAFTSBUND (DGB) hat jetzt die Abschaffung der Hochschulräte gefordert. „Die Freiheit der Wissenschaft darf nicht den Zwängen des marktwirtschaftlichen Wettbewerbes unterworfen werden. Sonst bestimmen zunehmend die Wirtschaft und ihre Verbände die Wissenschaft“, heißt es in dem Bundesvorstandsbeschluss „Mehr Demokratie statt ‚unternehmerischer’ Hochschulräte“.

ACT UP kritisiert BAYER
Im März 2012 hat Indien BAYERs Patent an dem Krebs-Medikament NEXAVAR aufgehoben und dem einheimischen Generika-Hersteller NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung einer preisgünstigen Version erteilt (Ticker 2/12), um die Versorgung der Bevölkerung mit der Arznei sicherzustellen. Der Leverkusener Multi zog umgehend vor Gericht (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Dies stieß – wie ein ähnliches Vorgehen von NOVARTIS – auf Kritik der französischen Initiative ACT UP PARIS, die sich dem Kampf gegen AIDS widmet. Die Organisation sieht in der Entscheidung des indischen Patentamts nämlich eine richtige Maßnahme, die auch im Falle der für viele InderInnen unerschwinglichen, weil patent-geschützten neuen AIDS-Präparate angezeigt wäre. „ACT UP PARIS verurteilt die mörderische Politik von NOVARTIS und BAYER, deren Profit-Streben das Leben von hunderttausenden Kranken aufs Spiel setzt“, heißt es deshalb in einer Erklärung der Gruppe.

YASMIN-Geschädigte fordern Geld
BAYERs drospirenon-haltige Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie können Thromboembolien auslösen, die nicht selten tödlich verlaufen. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte in den letzten zehn Jahren 190 Sterbefälle. 13.530 Geschädigte oder deren Hinterbliebene haben deshalb bisher 12.325 Einzel- oder Sammelklagen gegen den Multi angestrengt. Mit 1.800 von ihnen hat der Konzern bis Mitte Juli 2012 Vergleiche geschlossen und dafür 400 Millionen US-Dollar aufgewendet. Jetzt fordern auch bundesdeutsche YASMIN-Geschädigte ein Entgegenkommen. „Die jüngsten Vergleiche in den USA zeigen, dass BAYER mit dem Rücken zur Wand steht. Von einem angeblichen ‚positiven Nutzen/Risiko-Profil’ der Präparate kann längst nicht mehr gesprochen werden. Es ist jedoch nicht hinnehmbar, dass BAYER eine halbe Milliarde Euro an amerikanische Opfer zahlt, sich aber in Europa weiterhin weigert, Verantwortung für exakt dieselben Pillen zu übernehmen“, so Felicitas Rohrer von der SELBSTHILFEGRUPPE DROSPIRENON-GESCHÄDIGTER in einer Presse-Erklärung. Auf der Hauptversammlung im Frühjahr 2012 hatte sich BAYER-Chef Marijn Dekkers gegen ein solches Begehr verwahrt. Die Zahlungen seien der Besonderheit des Rechtssystems in den USA geschuldet, erklärte er damals.

Duisberg-Straße bleibt
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Er war im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen. Zudem hatte er einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN. Da dem Ex-Chef des Leverkusener Multis trotz alledem immer noch in Ehren gedacht wird, startete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne. Sie forderte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen und Schulen, die Duisbergs Namen tragen, sowie den Entzug der Leverkusener Ehrenbürgerschaft (siehe auch SWB 1/12). Der Stadtrat des BAYER-Stammsitzes lehnte es jedoch ab, eine neue Bezeichnung für die Carl-Duisberg-Straße zu suchen – wegen der angeblichen Verdienste des Firmen-Patriarchen. Im nordrhein-westfälischen Espelkamp, das Duisbergs in Nürnberg als Kriegsverbrecher verurteilten IG-Kollegen Max Ilgner ein ehrendes Andenken bewahrt, übernahmen AntifaschistInnen 2008 selbst die Initiative. Sie überklebten den Straßennamen und gedachten auf dem Schild stattdessen dem ehemaligen IG-FARBEN-Zwangsarbeiter Eugen Muszynski.

ÄrztInnen wollen mehr Transparenz
Der VEREIN DEMOKRATISCHER ÄRZTINNEN UND ÄRZTE, TRANSPARENCY INTERNATIONAL und andere Initiativen haben in einer gemeinsamen Stellungnahme mehr Transparenz im Gesundheitswesen und eine Beschränkung des Einflusses der Pharma-Riesen gefordert. So treten die Organisationen für eine Offenlegung aller Zuwendungen von BAYER & Co. an MedizinerInnen, Verbände und Hochschulen ein. Zudem verlangen sie ein Verbot der Anwendungsbeobachtungen, bei denen die Pillen-Multis ÄrztInnen Geld für das Ausfüllen eines kleinen Fragebogens bezahlen, das in Wirklichkeit als Prämie für Neuverordnungen des Medikaments dient. Darüber hinaus mahnen die Gruppen eine strengere Handhabung des Heilmittel-Werbegesetzes an, um BAYERs Werbe-Broschüren für das Potenzmittel LEVITRA und andere Reklame-Schriften aus den Praxen zu verbannen.

KAPITAL & ARBEIT

BBS: Rationalisierung geht weiter
Im letzten Jahr hatte der Leverkusener Multi Teile der IT-Abteilung von BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) ausgegliedert und damit die Arbeitsplätze von 260 Belegschaftsangehörigen und 290 LeiharbeiterInnen vernichtet. Doch das Rationalisierungsprogramm bei BBS geht weiter. So will die Sparte „Insourcing“ betreiben und nach außen vergebenen Arbeiten wieder selber erledigen. Mehr Personal plant das Unternehmen dafür allerdings nicht einzustellen – im Gegenteil: durch natürliche Fluktuation rechnet es laut Gesamtbetriebsvereinbarung bis Ende 2015 mit ca. 230 Beschäftigten weniger. „Letztendlich steht hier eine Gesamtbetriebsvereinbarung für die Profit-Interessen des Arbeitgebers auf dem Rücken der Mitarbeiter Modell. Die einen (intern) dürfen mehr arbeiten, die anderen (extern) können nicht mehr arbeiten“, so kritisieren die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk, diese Geschäftspolitik.

200 Entlassungen in Institute
Nach der EU hatte 2010 auch die US-amerikanische Umweltbehörde EPA BAYER aufgefordert, die Fabrikation des zur höchsten Gefahrenklasse gehörenden Pestizid-Wirkstoffs Aldicarb einzustellen. Eine Gnadenfrist bis Ende 2014 räumte die Einrichtung dem Agro-Riesen ein. Der Leverkusener Multi trat allerdings in Vorleistung und schloss die EPA-Anordnung mit seinem 4.500 Jobs zur Disposition stellenden Rationalisierungsprogramm kurz. Bereits 2012 legte der Konzern die Aldicarb-Produktionsanlage am US-amerikanischen Standort Institute still und vernichtete damit 200 Arbeitsplätze.

BMS schließt Systemhäuser
Die Kunststoff-Sparte des Leverkusener Multis betreibt weltweit rund 30 Systemhäuser, die dafür sorgen, „dass aus den Polyurethan-Grundprodukten von BAYER maßgeschneiderte Anwendungen werden“ wie etwa Armaturenbretter, Polster für die Möbel-Industrie oder Dämmstoffe. Im Rahmen eines Rationalisierungsprogramms schließt BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) nun allerdings drei dieser Niederlassungen in Italien, Griechenland und in der Tschechischen Republik. In Italien nahmen das die Beschäftigten nicht einfach so hin. Sie streikten einen Tag lang, um gegen die Vernichtung von 50 Arbeitsplätzen zu protestieren.

CURRENTA: IG BCE will 37,5 Stunden
2007 spaltete der Leverkusener Multi BAYER INDUSTRY SERVICES auf. Die technischen Dienste landeten bei TECTRION und die Verantwortung für die Chemie-„Parks“ bei der CURRENTA, an der er 60 Prozent und seine Chemie-Abspaltung LANXESS 40 Prozent der Anteile hält. Zugleich nahm der Konzern gravierende Veränderungen vor. So erhöhte das Unternehmen bei den beiden Gesellschaften die Wochenarbeitszeit – ohne Lohnausgleich – von 37,5 auf 40 Stunden, was eine Gehaltseinbuße von 6,7 Prozent bedeutete. Zudem zwang es Teilen der Belegschaft das Zugeständnis ab, für einen bestimmten Zeitraum auf Lohnsteigerungen zu verzichten. Mit Blick auf die gute Ertragslage verlangt die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE jetzt, die Einschnitte bei CURRENTA und TECTRION zurückzunehmen. „Wir wollen wieder den normalen Flächentarif-Vertrag mit 37,5 Stunden“, erklärte der Betriebsratschef Jörg Feldmann, Beschäftigte erster und zweiter Klasse dürfe es nicht mehr geben. Das BELEGSCHAFTSTEAM, eine alternative Gewerkschaftsgruppe in der IG BCE, schloss sich den Forderungen an. Sollte es nicht zu einer Rückkehr zur Normalität kommen, kündigte deren Betriebsrat Klaus Hebert-Okon an, für den Beitritt der CURRENTA- und TECTRION-Beschäftigten zum Standortsicherungsvertrag einzutreten.

Gleicherer Lohn für gleiche Arbeit
Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) einigte sich mit dem Unternehmensverband der Zeitarbeitsfirmen auf eine Erhöhung der Bezüge für LeiharbeiterInnen. Deren bisheriges Gehalt von 8,13 Euro in der Entgeltgruppe 1 für Un- oder Angelernte soll über einen Zeitraum von neun Monaten in fünf Stufen bis zu einer Summe von 12,20 Euro steigen. Es liegt damit allerdings noch beträchtlich unter dem betreffenden Festangestellten-Tarif der Chemischen Industrie Nordrhein von 14 Euro. Auch gilt die Staffel-Regelung nur für die Entgelt-Gruppen 1 bis 5, nicht aber für die höheren Entgelt-Gruppen 6 bis 9.

Nur noch 909 Lehrlinge
Die Anzahl der Auszubildenden bei BAYER sinkt 2012 gegenüber dem Vorjahr von 924 auf 909. Das ist jedoch gar nichts im Vergleich zur Vergangenheit: Im Jahr 1990 fingen beim Leverkusener Multi noch 1.600 Stifte an. Zudem sind heutzutage rund ein Drittel der Neuen bloß Lehrlinge zweiter Klasse. Entweder nehmen sie am Starthilfe-Programm teil, das lernschwache SchulabgängerInnen lediglich auf eine künftige Lehre vorbereitet, oder sie gehören zu denjenigen, die der Konzern im Rahmen der „Ausbildungsinitiative Rheinland“ über Bedarf überbetrieblich und damit ohne Berufsaussichten beim Unternehmen mitausbildet.

Prozess-Design geht in die USA
BAYERs Kunststoff-Sparte verlegt die Zentrale für das globale Prozess-Design, welches weltweit die Betriebsabläufe mit Hilfe von SAP-Computerprogrammen vereinheitlichen will, in die USA. „Zum ersten Mal in der Historie des Traditionskonzerns beginnt ein unternehmensweites Projekt nicht in Deutschland“, hält die Fachzeitschrift CIO dazu fest. Die US-amerikanischen Beschäftigten signalisierten dem „BAYER MATERIAL SCIENCE“-Chef Patrick Thomas zufolge nämlich die größere Aufgeschlossenheit gegenüber Veränderungen. Und der Leverkusener Multi beabsichtigte, mit der Standort-Wahl „Vereinigte Staaten“ seinerseits ein Zeichen zu setzen. „Wir brauchten ein starkes Symbol für den Change“, erklärte Thomas. Und bei solchen „Changes“ geht es nicht immer sanft zu, wie sein IT-Beauftragter Kurt de Ruwe unter Beweis stellt: „Wenn ich die Denkweise von Menschen ändern möchte, dann muss ich sie auch aus ihrer Komfortzone herausholen.“

BAYWOGE: letzter Akt?
Anfang 2002 hat BAYER die firmen-eigene Wohnungsgesellschaft BAYWOGE mit ihren über 9.600 Wohneinheiten für 500 Millionen Euro an die ESSENER TREUHANDSTELLE (THS) verkauft, an der die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE beteiligt ist. Für die MieterInnen werde sich nichts ändern, betonte der Konzern damals. Dies erweist sich nun als falsch. Inzwischen haben sich die Besitzverhältnisse an dem Immobilien-Paket nämlich geändert, weil sich der Bund aus der THS zurückgezogen und die EVONIK mehr Anteile übernommen hat. Und seit 2012 gibt es mit VIVAWEST nicht nur einen neuen Namen, sondern auch eine neue Geschäftspolitik. Das Unternehmen will sich nämlich von der „Känguruh-Siedlung“ in Leverkusen-Wiesdorf trennen und forderte die MieterInnen in einem Brief auf, ihre Einfamlienhäuser doch zu kaufen und sich bis Ende Oktober zu entscheiden. „Sollte uns bis zu diesem Termin keine verbindliche Kaufzusage vorliegen, behalten wir uns vor, das Objekt anderweitig zu veräußern“, heißt es in dem Schreiben. Das hat die MieterInnen in helle Aufregung versetzt. Deshalb beschwichtigte VIVAWEST: „Niemand müsse befürchten, von einem fremden Erwerber wegen Eigenbedarfs kurzfristig aus dem Haus geklagt zu werden.“ Aber die Ängste bleiben. „Zehn Jahre. So lange hat es also gedauert, bis das letzte BAYER-Biotop austrocknet“, kommentierte der Leverkusener Anzeiger und machte „einen weiteren Traditionsbruch unter dem BAYER-Kreuz“ fest.

ERSTE & DRITTE WELT

Handelsabkommen abgesegnet
Um die ganz großen Globalisierungsvorhaben steht es nicht gut. Das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) landete Ende der 1990er Jahre auf dem Müllhaufen der Geschichte, und die Liberalisierungsbestrebungen der Welthandelsorganisation WTO im Rahmen der Doha-Runde kommen wegen der Vetos der Entwicklungsländer ebenfalls nicht voran. Darum schließt die EU fleißig Freihandelsabkommen mit einzelnen Ländern ab (siehe auch SWB 2/11). So hat der Europäische Rat im Juni 2012 die Verträge mit Peru und Kolumbien offiziell abgesegnet, die sogar noch über die 1994 im Rahmen der Welthandelsrunde in Uruguay beschlossenen Vereinbarungen hinausgehen. Galt in diesen Regelungen ein 20-jähriger Schutz des geistigen Eigentums, so können BAYER & Co. nun in Peru und Kolumbien bedeutend länger Monopol-Profite für ihre Medikamente einstreichen. Die Bearbeitungsdauer der Zulassungsanträge für die Arzneien müssen die beiden Länder nämlich jetzt noch draufrechnen. Auch Zugang zu den Test-Daten der Pillen dürfen sie erst nach fünf Jahren gewähren, weshalb sich die Produktion von Nachahmer-Präparaten verzögert, denn die meisten Generika-Firmen haben nicht das Geld für eigene Klinische Prüfungen. Zudem haben die südamerikanischen Staaten sich verpflichtet, Patent-Verstöße strenger zu verfolgen und zu bestrafen. Hätte Brüssel alle Forderungen gegenüber Peru durchgesetzt, so hätte das die Arzneimittel-Kosten in dem Land jährlich um 459 Millionen Dollar erhöht, wie die Initiative HEALTH ACTION INTERNATIONAL ausgerechnet hat. Aber selbst der erreichte Kompromiss dürfte den Andenstaat etliche Millionen Dollar kosten. Zu den weiteren Leidtragenden des Freihandelsabkommens zählen die Kleinbauern und -bäuerinnen und indigenen Gruppen, denn bereits infolge des Vertrags mit den USA mussten Regenwälder Agrosprit-Plantagen weichen und gefährdeten umweltschädliche Bergbau-Projekte die Ernten.

Indien: mangelhafte Arznei-Aufsicht
Eine vom indischen Parlament beauftragte Untersuchungskommission hat gravierende Mängel bei der Arzneimittel-Aufsichtsbehörde CDSCO festgestellt. „Über Jahrzehnte hinweg hat sie vor allem den Interessen der Pharma-Industrie gedient und darüber die Interessen der VerbraucherInnen vernachlässigt“, resümiert der Bericht. So hat die CDSCO sich beispielsweise in Zulassungsverfahren für Medikamente auf Gutachten von ExpertInnen verlassen, denen die Pillen-Riesen die Hand geführt haben. Als ein Beispiel nennt der Report BAYERs XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban: „Die drei Expertisen (...) für Rivaroxaban (BAYER), eine Arznei zur Blutverflüssigung, sind fast identische Kopien.“

Kostenlose Generika in Indien
Lange hat BAYER Indien als Wachstumsmarkt betrachtet. Jetzt aber macht das Land dem Leverkusener Multi zunehmend Sorgen. Im März 2012 hat es das Konzern-Patent an dem Krebs-Medikament NEXAVAR aufgehoben und dem einheimischen Generika-Hersteller NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung einer preisgünstigen Version erteilt (siehe auch AKTION & KRITIK). Und drei Monate später kündigte der Staat eine weitere Maßnahme an, um eine erschwingliche medizinische Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Die Regierung legte ein 5,4 Milliarden Dollar schweres Gesundheitsprogramm auf, in dessen Rahmen sie den InderInnen kostenlos Nachahmer-Arzneien zur Verfügung stellen und den ÄrztInnen das Verschreiben der teuren patent-geschützten Original-Präparate verbieten will.

Indien: 20 Arzneitest-Tote
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Tests in ärmere Länder aus. Dort locken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und eine mangelhafte Aufsicht. Die Folge: Immer wieder kommt es zu Todesfällen. Allein in Indien starben im letzten Jahr 20 Menschen bei Erprobungen von BAYER-Medikamenten. Von 2007 bis 2011 kamen 158 TeilnehmerInnen an klinischen Prüfungen mit Präparaten des Leverkusener Multis ums Leben. Insgesamt gab es in dem Zeitraum 2.038 Test-Tote.

POLITIK & EINFLUSS

250.000 Dollar für die Republikaner
Der Leverkusener Multi gehört traditionell zu den wichtigsten ausländischen Spendern im US-Wahlkampf. Aktuell schlägt sich BAYER - wie in den vergangenen Wahlkämpfen - auf die Seite der Republikaner. Ihre KandidatInnen erhalten 250.000 Dollar – so viel zahlt kein anderes bundesdeutsches Unternehmen. Um es sich mit der Gegenseite nicht ganz zu verscherzen, überweist der Leverkusener Multi den Demokraten 129.000 Dollar. Insgesamt investierte der Konzern bis Ende August 2012 über 473.000 Dollar in den Urnengang. Und es dürfte noch eine erkleckliche Summe dazukommen. Grenzen sind dem Pharma-Riesen dabei keine mehr gesetzt: Im Januar 2010 erklärte das Oberste Gericht der USA die Festsetzung von Parteispenden-Höchstgrenzen für verfassungswidrig.

VCI spendet reichlich
Der Leverkusener Multi spendet aus Image-Gründen nicht selber an politische Parteien. Das übernimmt für ihn der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Den 2012 veröffentlichten Zahlen zufolge ließ dieser im Jahr 2010 der CDU 26.000 Euro zukommen, der FDP 20.000 und der SPD 14.000. Die Grünen und „Die Linke“ gingen leer aus.

BAYER sponsert NRW-Fest
Traditionell richtet die nordrhein-westfälische Landesregierung in ihrer Berliner Vertretung einmal pro Jahr ein Fest aus. Und traditionell zählt BAYER mit zu den Finanziers. 5.000 Euro lässt der Leverkusener Multi heuer dafür springen. „Unternehmen machen das, weil sie auf der Feier neue Kontakte knüpfen und wichtige Gespräche führen können“, so erklärt Regierungssprecherin Anja Heil die Freigiebigkeit der Konzerne. Dem Pharma-Riesen bietet sich diesmal unter anderem die Möglichkeit, mit dem NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin wichtige Gespräche zu führen.

Dekkers im GE-Verwaltungsrat
BAYER-Chef Marijn Dekkers zog in den Verwaltungsrat des US-amerikanischen Multis GENERAL ELECTRIC ein, für den der Holländer während der 1980er Jahre bereits einmal in der Forschungsabteilung gearbeitet hatte.

Yzer-Comeback
Im letzten Jahr musste die ehemalige BAYER-Juristin und CDU-Staatssekretärin Cornelia Yzer ihren GeschäftsführerInnen-Posten beim vom Leverkusener Multi gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller (VFA) räumen, da ihre Rambo-Politik das den Pillen-Riesen Zugeständnisse abfordernde neue Arzneimittel-Gesetz nicht hatte verhindern können. Yzer blieb jedoch nicht lange arbeitslos. Im September 2012 erhielt sie die Nominierung zur Berliner Wirtschaftssenatorin. Das hatte selbst für konservative Zeitungen wie die Rheinische Post ein Geschmäckle. „Yzer war nicht irgendeine Lobbyistin. Sie stand jahrelang dem VFA und damit einem der aggressivsten Lobby-Verbände vor. Nun soll sie in einer Stadt, in der das Pharma-Unternehmen BAYER SCHERING einer der größten Arbeitgeber ist, Politik für die ganze Wirtschaft machen. Kann das glaubwürdig gelingen?“, fragte sich das Blatt.

Ökosteuer-Ausnahmen verlängert
Mit der Ökosteuer wollte Rot-Grün 1999 Industrie und Privathaushalte durch eine Erhöhung der Energiekosten zu umweltschonenderem Verhalten anregen. Bei BAYER & Co. bleibt diese Lenkungswirkung allerdings aus, denn die Regierung Schröder gewährte den energie-intensiven Branchen wie der Chemie-, Bergbau-, Stahl- und Eisen-Industrie großzügige Ausnahmen. 2011 waren diese 4,3 Milliarden Euro wert. Allein der „Spitzenausgleich“ erspart den Konzernen jährlich 2,3 Milliarden Euro – die dritthöchste in der Bundesrepublik gewährte Subvention. Die Chemie-Industrie ist da mit einer Milliarde Euro dabei. Wieviel die Regelung BAYER selbst einbringt, möchte der Leverkusener Multi nicht verraten – Steuergeheimnis. 2012 läuft der Sonderpassus aus, ursprünglich wollte die EU ihn wegen seiner wettbewerbsverzerrenden Wirkung schon viel früher kippen, aber der damalige Finanzminister Hans Eichel intervenierte erfolgreich in Brüssel. Wolfgang Schäuble sprach in der Sache ebenfalls schon bei der Europäischen Union vor, und so dürfte diese auch diesmal wieder ihr Ja-Wort geben. Bei der zur Verlängerung nötigen „Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes“ haben die Konzerne tatkräftig mitgewirkt. „Viele Ihrer Änderungswünsche wurden übernommen“, teilte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) dem „Bundesverband der deutschen Industrie“ in einer E-Mail mit. Nicht zuletzt deshalb begrüßte der „Verband der chemischen Industrie“ den Kabinettsbeschluss: „Der Spitzenausgleich ist ein notwendiger Bestandteil der Energiewende. Er begrenzt die hohe Mehrbelastung für energie-intensive Unternehmen und ist unentbehrlich, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.“

Mit Obama für das NEXAVAR-Patent
Im März 2012 hat das „Indian Patent Office“ BAYERs Patent an dem Krebs-Medikament NEXAVAR aufgehoben und dem einheimischen Generika-Hersteller NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung einer preisgünstigen Version erteilt (Ticker 2/12). Die Behörde berief sich dabei auf einen Ausnahme-Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS und begründete ihre Entscheidung damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Das hat Big Pharma in helle Aufregung versetzt. Die Konzerne witterten einen Präzedenz-Fall und starteten Aktivitäten. US-amerikanischen Pillen-Riesen gelang es sogar, den Präsidenten für ihre Ziele einzuspannen. Ein hochrangiges Mitglied der Obama-Administration sicherte den Unternehmen zu, in dieser Sache Druck auf die indische Regierung auszuüben. Der Kongress unterstützte diesen Kurs, nachdem die Leiterin des US-amerikanischen Patentamtes, Teresa Rea, die PolitikerInnen von der Dringlichkeit der Angelegenheit überzeugt hatte. Der republikanische Abgeordnete Bob Goodlatte drohte in der Debatte sogar damit, den Fall vor das Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO zu bringen. Unterdessen macht das indische Beispiel Schule: China, Thailand, Argentinien und die Philippinen haben ihre Patent-Gesetze um Regelungen erweitert, die eine vereinfachte Vergabe von Lizenzen zum Nachbau patent-geschützter Pharmazeutika ermöglichen.

Personalisierte Medizin ist Hightech
Laien verstehen unter „personalisierter Medizin“ eine passgenaue, auf die jeweiligen Bedürfnisse der PatientInnen ausgerichtete Therapie-Form. Dabei versteckt sich hinter dem Begriff oft nur die schlechte alte Gentechnik mit ihrer Suche nach krankheitsrelevanten Molekülen. Häufig umschreibt der Ausdruck auch bloß die Strategie, aus der Not eine Tugend zu machen. So begann der Leverkusener Multi, als sein Blutverdünner XARELTO bei der Indikation „Thrombose“ in Tests nicht besser als die bisherige Standardmedikation abschnitt, diejenigen ProbandInnen herausfiltern, bei denen es doch anschlug, um es einmal mit einem personalisierten XARELTO zu versuchen (Ticker 1/12). Zu großen Hoffnungen für die Menschen gibt das Forschungsgebiet also kaum Anlass. Trotzdem gelang es Big Pharma, dieses der Bundesregierung schmackhaft zu machen: Sie nahm die individualisierte Medizin in ihre „Hightech-Strategie 2020 für Deutschland“ auf.

PatientInnen als BAYER-LobbyistInnen
BAYER & Co. haben keinen Sitz im „Gemeinsamen Bundesausschuss“ (G-BA), der unter anderem darüber entscheidet, für welche Arzneien die Krankenkassen die Kosten übernehmen müssen. Deshalb wollen die Konzerne wenigstens einen verbesserten Zugriff auf die PatientInnen-VertreterInnen in dem Gremium haben, deren Namen bisher anonym bleiben. Dank ihrer durch viel Geld hergestellten guten Beziehungen zu Selbsthilfe-Gruppen und Verbänden wie dem Diabetiker-Bund hoffen sie nämlich, über die Kranken ihren Einfluss bei den Beratungen zu stärken und in den Besitz von wertvollen Informationen zu gelangen. Aus diesem Grund setzte BAYER HEALTHCARE dieses Thema bei einem Hintergrund-Gespräch mit Bundestagsabgeordneten in Berlin auf die Agenda. Die „Patienten-Beteiligung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA)“ servierte der Multi zu seinem „Politik-Lunch“. Und die von dem Pharma-Anwalt Christian Dierks gehaltene Tischrede brachte die BAYER-Wünsche deutlich zum Ausdruck: „Um eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung zu legitimieren, muss eine transparente und angemessen legitimierte Patienten-Beteiligung im G-BA geschaffen werden.“

Erleichterte Arznei-Tests
TeilnehmerInnen von Arznei-Tests setzen sich hohen Risiken aus. Allein in der Bundesrepublik kamen von 2007 bis 2011 45 Menschen bei klinischen Prüfungen mit BAYER-Präparaten ums Leben. Trotzdem will die Bundesregierung die Aufsicht „entbürokratisieren“. So sollen die Ethik-Kommissionen, die bisher schon bloß 20 Minuten Zeit zur Begutachtung einer Medikamenten-Prüfung haben, künftig nicht mehr die Qualifikation aller an dem Verfahren beteiligten MedizinerInnen kontrollieren. Auch planen CDU und FDP, die bislang vorgeschriebene ProbandInnen-Versicherung bei „risiko-armen“ Pillen-Versuchen abzuschaffen. Der „Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen“ hat das Vorhaben scharf kritisiert. Er sieht „die große Gefahr, dass der Schutz der Studien-Teilnehmer nicht mehr im Vordergrund steht“.

BAYER bleibt bei ALEC
Das „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) ist eine von den Global Playern gesponserte JuristInnen-Vereinigung, die als Bindeglied zwischen der Wirtschaft und den Republikanern fungiert. Der Leverkusener Multi gehört der Organisation seit 1992 an, „um unsere Unternehmenspositionen in den politischen Meinungsbildungsprozess einzubringen“, wie Konzern-Sprecher Guenter Forneck sagt, und ist in wichtigen Gremien vertreten (Ticker 2/12). Als die republikanischen Politiker James Inhofe, George Nethercutt und Orrin G. Hatch – auch mit Hilfe großzügiger Wahlkampf-Spenden von BAYER – Mandate erlangten, da machten sich die willigen Rechts-ExpertInnen von ALEC gleich daran, ihnen die Entwürfe für Gesetzesinitiativen zum Öko-, Agrar- und Tierrechts„terrorismus“ zu liefern. Und im letzten Jahr gelang es dank ALEC, im Bundesstaat Wisconsin ein Paragrafen-Werk zu verabschieden, das für BAYER & Co. die Standards der Produkthaftung aufweicht und beispielsweise für Pillen-Hersteller die zu zahlenden Entschädigungssummen auf 750.000 Dollar begrenzt. Durch ein von ihnen konzipiertes Notwehrrecht gerieten die Konzern-JuristInnen in den USA nun aber an den Pranger, denn auf eben dieses berief sich George Zimmermann vor Gericht, nachdem er Ende Februar 2012 den unbewaffneten Teenager Trayvon Martin erschossen hatte. COCA COLA, KRAFT und andere Firmen verließen daraufhin den Club. Der Spiegel fragte deshalb an, ob BAYER auch solch einen Schritt plane. „Nein“, antwortete der Gen-Gigant kurz und knapp.

BfR unter Einfluss
Die „Expertenkommission für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel“ berät das „Bundesinstitut für Risikobewertung“ in Sachen „Lebens- und Futtermittelsicherheit gentechnisch veränderter Organismen und daraus hergestellter Produkte“. Unabhängig agiert sie dabei jedoch nicht, denn nach einer Recherche von TESTBIOTECH haben neun der 13 Mitglieder Verbindungen zur Industrie. So stand etwa die Kommissionsvorsitzende Inge Broer, Biotech-Unternehmerin und Agrobiotechnologie-Professorin, BAYER bei der Anmeldung von Patenten auf Gentech-Pflanzen zur Seite.

Bánáti ganz beim ILSI
Die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA), die unter anderem für die Zulassung von Gen-Pflanzen zuständig ist, steht seit langem in dem Ruf, allzu industrie-freundlich zu sein. So haben viele MitarbeiterInnen Verbindungen zum „International Life Science Institute“ (ILSI), das – finanziert unter anderem von BAYER, MONSANTO und COCA COLA – regelmäßig Entlastungsstudien zu Gen- und Nanotechnik sowie zu anderen umstrittenen Feldern anfertigt. Die Verwaltungsratschefin Diána Bánáti musste deshalb zurücktreten – und trat umgehend einen Vollzeitjob beim ILSI an.

Schneider besucht BAYER
Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) besuchte Ende August 2012 BAYERs Dormagener Chemie-„Park“, um die neuen Lehrlinge zu begrüßen und BAYERs Starthilfe-Programm für lernschwache SchulabgängerInnen ohne Ausbildungsplatz zu loben. Mit Kritik an der im Vergleich zum Vorjahr gesunkenden Zahl der Ausbildungsplätze (siehe KAPITAL & ARBEIT) hielt sich Schneider hingegen vornehm zurück.

Lieberknecht besucht BAYER
Ende Juli 2012 besuchte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht die BAYER WEIMAR GmbH, welche unter anderem die wegen ihrer schweren Nebenwirkungen umstrittenen Verhütungsmittel der YASMIN-Familie produziert (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Die CDU-Politikerin nahm daran allerdings keinen Anstoß. Für sie stellte die Fertigungsstätte einen Beweis „Thüringer Leistungsfähigkeit“ dar.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER überprüft Werbe-Etat
Laut Geschäftsbericht lässt der Leverkusener Multi sich Marketing und Vertrieb seiner Produkte rund neun Milliarden Euro kosten. Direkt in die Werbung fließt davon ca. eine Milliarde Euro, einen großen Teil davon frisst die Pillen-Reklame. Große Agenturen wie BBDO oder JWT widmen sich für BAYER der Marken-Pflege. Derzeit überprüft der Pharma-Riese jedoch sämtliche Geschäftsbeziehungen in diesem Bereich, um Einspar-Potenziale auszuloten.

Pillen-Werbung erleichtert
Bislang durften BAYER & Co. auch für nicht verschreibungspflichtige Arzneien nicht uneingeschränkt Reklame machen. So verbot der Gesetzgeber Werbung mit Hilfe von Gutachten, Krankengeschichten und Vorher-/Nachher-Bildern. All das gilt nun nicht mehr. Eine EU-Richtlinie lockerte die Bestimmungen, und die Bundesregierung setzte sie im Juni 2012 in deutsches Recht um. Nur der Bundesrat muss noch zustimmen. Die BUKO PHARMA-KAMPAGNE protestierte gegen die Änderung des Arzneimittel-Gesetzes. Es könne „einem problematischen Schmerzmittel-Konsum Vorschub leisten“, warnt die Initiative mit Blick auf die Nebenwirkungen von ASPIRIN und anderen Analgetika. Auch eine Selbsthilfegruppe von Menschen mit Behinderung und die Bundesärztekammer sprachen sich gegen die „Reform“ aus.

„ONE-A-DAY“-PR mit Sheryl Crow
Promi-unterstütztes Sozialmarketing – so will BAYER in den USA den KundInnen-Stamm für seinen Vitamin-Cocktail ONE-A-DAY erweitern. Der Leverkusener Multi kaufte die Musikerin Sheryl Crow als Schirmherrin einer mildtätigen Aktion ein, in deren Rahmen er von jeder verkauften Packung des Präparats einen bestimmten Betrag an eine Organisation überweist, die Bedürftige mit Lebensmitteln versorgt.

Kampagne für Augen-Arznei
Der neueste Schrei ist BAYERs neue Arznei EYLEA nicht. Das Mittel zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zeigte nach Angaben des Leverkusener Multis lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Um so wichtiger ist daher die Erschließung der Zielgruppe. Da dem Konzern zufolge „diese Krankheit und ihre Symptome noch weitgehend unbekannt“ sind, plant er eine Versorgungsanalyse, aus der später einmal ein „Unterstützungsprogramm“ für die PatientInnen erwachsen soll.

YASMIN hilft nicht mehr gegen Akne
Der Leverkusener Multi bewirbt seine Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie auch als Lifestyle-Präparate zur Behandlung von Akne, obwohl die Mittel viele Nebenwirkungen wie beispielsweise Trombo-Embolien haben, an denen binnen der letzten zehn Jahre allein in den USA 190 Frauen starben. „Die Einnahme mancher Pillen kann Problemen wie fettiger Haut und fettigem Haar entgegenwirken“, verkündete BAYER etwa auf der Website pille.com. Von Spiegel online auf diesen Tatbestand angesprochen, stritt der Konzern alles ab. Die Präparate „werden von uns in Deutschland weder in der Indikation ‚Akne’ noch in anderen dermatologischen Indikationen vermarktet“, behauptete ein Unternehmenssprecher. Zumindest ein wenig wahrer wurde dies nach Erscheinen des Artikels: Dann nahm der Pillen-Riese die betreffende Seite nämlich vom Netz.

Nano-Truck im Baykomm
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln die Erzeugnisse wie BAYERs BAYTUBES-Kohlenstoffröhrchen jedoch oftmals unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Im Nano-Truck, der im Auftrag des Bundesbildungsministeriums zu Werbe-Zwecken durch die Lande fährt und Ende Mai 2012 beim Multi in Leverkusen Station machte, erfahren die interessierten Laien davon allerdings nichts. Stattdessen zeigen ihnen WissenschaftlerInnen, wie Ketchup dank der Nano-Technik seine klebrigen Eigenschaften verliert.

BAYLABs in der Kritik
Die bundesdeutschen Schulen haben immer weniger Zeit und Geld, um für eine angemessene naturwissenschaftliche Ausbildung zu sorgen. Das nutzen die Konzerne aus. Sie halten immer mehr bestens ausgestattete SchülerInnen-Labore bereit, die ganze chemische Herstellungsprozesse simulieren können oder Gentechnik-Experimente erlauben. Kritik steht jedoch nicht auf dem Lehrplan. „Natürlich bekommen die Schüler dort den Eindruck vermittelt, Gentechnik sei das Nonplusultra, und ohne BAYER und seine Pflanzenschutzmittel würde keine Nutzpflanze auf dieser Welt überleben“, sagte eine Lehrerin der Wirtschaftswoche. Da muss selbst die Journalistin konstatieren: „Hier grenzt sinnvolle Lernhilfe an Lobbyismus.“ Die interviewte Pädagogin versucht der Konzern-Propaganda durch eine gezielte Vorbereitung vorzubeugen. Nach Ansicht der Didaktik-Forscherin Susanne Weßnigk stoßen solche Bemühungen jedoch an ihre Grenzen. Die Wissenschaftlerin befragte SchülerInnen vor und nach dem Besuch des „Baylab Plastics“ zu ihrer Haltung zu den Fächern „Chemie“ und „Physik“ und kam zu dem Ergebnis: „Das Image der beiden Fächer verbesserte sich deutlich.“

UNEP lobt BAYER
Bereits seit langem sponsert BAYER die UNEP, das Umweltprogramm der Vereinten Nationen. Und das lohnt sich für den Leverkusener Multi, denn die Organisation tut viel für die Außenwirkung des die Natur nicht eben wenig belastenden Konzerns. „Die UNEP ist stolz darauf, mit BAYER zusammenzuarbeiten, um zu gewährleisten, dass sich die nächste Generation von Entscheidern in der globalen Umwelt-Diskussion engagiert“, konstatierte die US-amerikanische UNEP-Direktorin Amy Fraenkel anlässlich eines vom Global Player ausgerichteten Malwettbewerbs zum Weltumwelttag.

TIERE & ARZNEIEN

1.734 Tonnen Antibiotika
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Mittel aus der Gruppe der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, waren mit acht Tonnen dabei. Einen Umsatz von 166 Millionen Euro machte der Leverkusener Multi mit dem Präparat im vergangenen Jahr, 118 Millionen Euro davon mit MassentierhalterInnen. Im Jahr 2005 hatten die Zuchtbetriebe insgesamt „nur“ 784,5 Tonnen Antibiotika gekauft. Die Steigerung um fast 1.000 Tonnen erhöht noch einmal die Gefahr der Entstehung von resistenten Krankheitserregern, die auch die menschliche Gesundheit bedrohen können – wegen der Infektion mit solchen Keimen sterben in der Bundesrepublik jährlich rund 15.000 Menschen. Die Bundesregierung will diese Gefährdung durch ein Gesetz zur Beschränkung des Antibiotika-Einsatzes reduzieren, das allerdings keine drastischen Maßnahmen vorsieht.

BAYER kauft dazu
Da die Massentierhaltung Medikamente en masse braucht (s. o.), stellt sie für BAYER einen lukrativen Markt dar. Darum verstärkte sich der Leverkusener Multi im September 2012 auf diesem Gebiet. Der Konzern kaufte die Veterinär-Sparte des israelischen Pharma-Riesen TEVA. Er entrichtete dafür keine Festsumme, sondern vereinbarte zusätzlich zum Kaufpreis von 60 Millionen Dollar erfolgsabhängige Zahlungen von bis zu 80 Millionen Dollar. Durch den Erwerb erweitert das Unternehmen sein Angebot in den Bereichen „Antiinfektiva“, „Haut-Präparate“, „‚Wellness’-Produkte“ und „Futter-Ergänzungsstoffe“. Ganz neu ins Portfolio rutschen Fortpflanzungshormone.

Deal mit NORBROOK
Der Leverkusener Multi vertreibt künftig Veterinär-Produkte von NORBROOK exklusiv in der Bundesrepublik und in Frankreich. Als Grund für die Kooperation gab der Pharma-Riese an, mit den Parasitiziden, Anti-Infektiva und Pharmalogika des norwegischen Herstellers sein eigenes Angebot ergänzen zu wollen, um „den Kunden umfassende Lösungsansätze anbieten zu können“.

DRUGS & PILLS

Kein XARELTO bei ACS?
Der Leverkusener Multi strebt in den USA eine Zulassung seines Mittels XARELTO zur Nachbehandlung des akuten Koronar-Syndroms (ACS) an. Das Präparat, das von den Behörden bereits grünes Licht für die Indikationen „Schlaganfall- und Thrombose-Prophylaxe“ erhalten hat, soll in Kombination mit einer anderen Therapie der nochmaligen Entstehung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie vorbeugen. Das BeraterInnen-Gremium der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA riet allerdings von einer Genehmigung der Arznei ab. Das hatte es mit Verweis auf die erhöhten Herzinfarkt- und Blutungsrisiken schon beim Anwendungsgebiet „Schlaganfall-Prophylaxe“ getan. Die FDA ließ das Mittel dann allerdings trotzdem zu.
Eine Vorentscheidung ist also noch nicht gefallen.

ASPIRIN COFFEIN ungenügend
Öko-Test prüfte Schmerzmittel auf ihre Wirksamkeit, Verträglichkeit und Gegenanzeigen hin. ASPIRIN COFFEIN erhielt ein „Ungenügend“, da die vom Koffein ausgelöste belebende Wirkung dazu verleitet, das Mittel länger als nötig zu nehmen. Die anderen ASPIRIN- und ALKA-SELTZER-Analgetika bekamen dagegen trotz solcher Risiken und Nebenwirkungen wie Magenbluten unverständlicherweise gute Noten.

ASPIRIN COMPLEX mangelhaft
Öko-Test prüfte Grippe-Präparate auf ihre Wirksamkeit, Verträglichkeit und Gesundheitsrisiken hin. ASPIRIN COMPLEX erhielt die Note „mangelhaft“, weil das Mittel Pseudoephedrin zur Abschwellung der Nasenschleimhaut enthält. Dieser den Amphetaminen verwandte Stoff erhöht nach Meinung der TesterInnen die Gefahr von Nebenwirkungen. Zudem hat er ihnen zufolge einen aufputschenden Effekt, was zu Unruhe, Angst-Gefühlen und Schlafstörungen führen kann.

„Fett weg“-Spritze kommt
Mangels erfolgreicher neuer Arzneien zur Behandlung schwerwiegender Krankheiten will der Leverkusener Multi verstärkt von der steigenden Nachfrage nach Lifestyle-Präparaten profitieren. So entwickelt er gemeinsam mit dem Unternehmen KYTHERA eine Substanz, die – unter die Haut gespritzt – kleinere Fettpolster am Kinn auflösen soll. Im Frühjahr hat BAYER die dritte und letzte Testphase mit der „Fett weg“-Spritze angeblich erfolgreich abgeschlossen. Der Pharmazeut Gerd Glaeske warnt vor der Neuentwicklung. Er befürchtet, die zerstörten Fettzellen könnten im Körper umherwandern, zusammenklumpen und Gefäß-Verschlüsse oder Schlaganfälle verursachen. Zudem prophezeit er Hautschäden an den behandelten Stellen.

TRASYLOL-Teilverkauf
BAYER hat die Vertriebsrechte für die Arznei TRASYLOL, die zur Blutstillung nach Bypass-Operationen zum Einsatz kommt, an das niederländische Unternehmen NORDIC verkauft. Nur in den USA vermarktet der Leverkusener Multi das Mittel weiterhin selber. Der Pharma-Riese musste das Medikament 2007 aus dem Verkehr ziehen, weil Untersuchungen es für tausende Sterbefälle und Nebenwirkungen wie Nierenversagen, Schlaganfälle und Herzerkrankungen verantwortlich gemacht hatten. Erst im Februar 2012 hob die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA das Verbot wieder auf. Nach Ansicht der Behörde wies die so genannte BART-Studie des „Ottawa Hospital Research Institutes“, die im Jahr 2007 den Ausschlag für den Verkaufsstopp gegeben hatte, gravierende Mängel auf, was die ForscherInnen jedoch zurückweisen (Ticker 2/12).

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Mehr Bio-Pestizide
BAYER hat für 425 Millionen Dollar das US-Unternehmen AGRAQUEST gekauft. Es stellt Pestizide auf biologischer Basis her, die etwa mittels Bakterien Pilzbefall vorbeugen. Nach Ansicht der Nachrichtenagentur Reuters reagiert der Leverkusener Multi, der bisher mit VOTIVO nur ein einziges solches Mittel in seinem Sortiment führt, damit auf die hohe Nachfrage von Obst- und GemüseanbauerInnen nach Substanzen, die keine Chemikalien enthalten.

Berufskrankheit „Parkinson“
Pestizide haben Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem. Besonders Menschen, die täglich mit Agrochemikalien umgehen, setzen sich einem Gesundheitsrisiko aus. So erkranken LandwirtInnen häufiger an Parkinson als der Durchschnitt der Bevölkerung. Frankreich hat daraus die Konsequenz gezogen und die Gesundheitsstörung offiziell als Berufskrankheit bei Bauern und Bäuerinnen anerkannt. In der Bundesrepublik ist das vorerst nicht zu erwarten, obwohl die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft schon Anträge bewilligt hat. „Die hier und in Frankreich zugelassenen Pestizide sind unterschiedlich, das Versicherungssystem ist anders“, wiegelt Franz-Josef Heufert von der „Landwirtschaftlichen Sozialversicherung Nordrhein-Westfalen“ ab. Zudem gibt es nach Ansicht Heuferts wie auch des „Bundesinstituts für Risiko-Bewertung“ angeblich keine eindeutigen wissenschaftlichen Beweise für einen Zusammenhang zwischen Ackergiften und Parkinson-Erkrankungen.

Glyphosat im Urin
Das Anti-Unkrautmittel Glyphosat kommt hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe, aber auch zusammen mit BAYER-Produkten wie der Baumwolle „GHB 614“ zum Einsatz. WissenschaftlerInnen der Universität Leipzig wiesen das Mittel jetzt im menschlichen Urin nach. Da die ProbandInnen beruflich oder privat nicht mit dem Stoff umgingen, vermuten die ForscherInnen Nahrungsmittel als Überträger. Und tatsächlich spürte das schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerium die Substanz, die auch Geburtsschäden auslösen kann, bereits in Import-Linsen und Haferflocken auf (Ticker 3/12).

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft Melonen-Saatgut
Der Leverkusener Multi baut sein Sortiment mit Gemüse-Saatgut weiter aus und erwirbt vom US-Unternehmen ABBOTT & COBB das Wassermelonen-Geschäft. Mittlerweile verfügt BAYER über 28 Arten und 2.500 Gemüsesaatgut-Sorten und strebt damit für 2012 einen Umsatz von drei Milliarden Euro an.

GENE & KLONE

Schlappen für NEXAVAR
Bereits im Jahr 2008 musste der Leverkusener Multi Tests mit NEXAVAR (Wirkstoff: Sorafenib) bei der Indikation „Lungenkrebs“ abbrechen. Trotzdem unternahm er mit dem Medikament bei der Diagnose „fortgeschrittener Lungenkrebs“ noch ein weiteren Anlauf. Doch dieser Versuch scheiterte im Mai 2012 wenig überraschend. Eine Kombinationstherapie von NEXAVAR und dem „ASTELLAS PHARMA“-Präparat TARCEVA zur Behandlung von fortgeschrittenem Leberkrebs brachte auch nicht das erhoffte Ergebnis. Bei Haut-, Brust- und Bauchspeicheldrüsenkrebs hatte sich die Arznei ebenfalls schon als wirkungslos erwiesen.

BETAFERON hält MS nicht auf
BETAFERON ist BAYERS profitabelste Arznei; allein im ersten Halbjahr 2012 setzte der Pharma-Riese damit über 900 Millionen Euro um. Mit der Wirkung steht es allerdings nicht zum Besten. Das Mittel kann zwar Rückfälle verhindern und Hirn-Schädigungen aufhalten, das Fortschreiten der Krankheit allerdings nicht unterbinden. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie der Universitätsklinik Basel unter Leitung von Ludwig Kappos. „Wir fanden keinen Beleg dafür, dass die Gabe von Beta-Interferon zu einer Verzögerung des Fortschreitens der Behinderung bei Patienten mit schubförmiger MS führt“, schreiben Kappos und seine MitarbeiterInnen im Journal of the American Medical Association.

Markt-Rücknahme von MABCAMPATH
Das von BAYER und GENZYME gemeinsam entwickelte Gentech-Medikament MABCAMPATH (Wirkstoff: Alemtuzumab) hat eine Zulassung zur Behandlung einer seltenen Leukämie-Art. Diese PatientInnen stehen jetzt allerdings auf dem Schlauch. Die beiden Konzerne wollen das Mittel nämlich zur Therapie von Multipler Sklerose einsetzen, wo es achtmal so viele Betroffene gibt und entsprechend mehr zu verdienen. Deshalb haben die Unternehmen die Arznei für die bisherige Indikation kurzerhand aus dem Verkehr gezogen. Die Genehmigungsvorschriften würden es nicht erlauben, ein erst in der Klinischen Prüfung befindliches Medikament schon verfügbar zu halten, sagte GENZYME zur Begründung. „Dies ist ein Musterbeispiel für eine unethische Markt-Politik. Der Shareholder-Value wird hier in bisher nicht dagewesener Weise vor das Patienten-Wohl gesetzt“, empörte sich Torsten Hoppe-Tichy vom „Bundesverband Deutscher Krankenhaus-Apotheker. Auch die „Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie“ kritisierte das Vorgehen der Pharma-Riesen scharf.

Verunreinigungen durch LL601-Reis
Im Jahr 2006 war der gentechnisch veränderte Langkorn-Reis „LL601“ von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo eine Zulassung für die gegen das hochgefährliche Herbizid Glufosinat (Produktname: LIBERTY) resistente Sorte vorlag. Und Kontaminationen gibt es weiterhin, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ mitteilte. 2008 fand sich LL601 drei Mal in Handelsreis und Heimtier-Produkten und 2010 einmal in Handelsreis. Europa-weit gingen 2008 sieben LL601-Meldungen und eine LL62-Meldung ein, 2010 und 2011 jeweils eine. Insgesamt kam es ab 2008 in der Bundesrepublik zu 105 Fällen von Lebensmittel-, Futtermittel- oder Saatgut-Verunreinigungen durch Gen-Pflanzen, im restlichen Europa zu 242, was eindeutig die Unbeherrschbarkeit der Risiko-Technologie demonstriert.

Patentierte Kontaminationssuche
Nach Recherchen von NO PATENTS ON SEEDS hat das „Europäische Patentamt“ im Jahr 2011 rund 140 Patente auf Pflanzen erteilt. BAYER erhielt davon 22 – nur BASF bekam mehr. Auch das Eigentumsrecht an der gegen das Herbizid Glufosinat resistenten Sojabohne A5574-127 erwarb der Leverkusener Multi. Er darf damit sogar Saatgut exklusiv auf eine Verunreinigung mit dieser Sorte untersuchen. „Das neue Patent könnte nun dazu genutzt werden, unabhängige Kontrollen zu verhindern“, warnt NO PATENTS ON SEEDS.

BAYER entwickelt Gentech-Weizen
Die australische „Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation“ (CSIRO) hat im Labor einen gentechnisch veränderten Weizen entwickelt, der bis zu 30 Prozent mehr Erträge abwerfen soll. Den Zugriff auf diese Technologie will sich nun BAYER sichern. Deshalb ging der Leverkusener Multi mit CSIRO sowie der „Grains Research and Development Cooperation“ (GRDC), welche die Versuche finanziell unterstützt hatte, eine Forschungskooperation ein. So fügte er seinen zahlreichen Weizen-Verbünden (Ticker 3/12) einen weiteren hinzu.

Immer mehr Bt-Resistenzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Diese können sich jedoch immer besser auf die Substanz einstellen, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ mitteilte. So trotzt beispielsweise in China und Indien die Baumwoll-Kapseleule dem Stoff, in Japan, Malaysia, auf den Philippinen und in den USA die Kohlschabe, in Kanada die Aschgraue Höckereule, in Puerto Rico der Eulenfalter und in Südafrika die „Busseola fusca“-Raupe.

Glufosinat-Verkauf boomt
Im letzten Jahr hat das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ BAYERs Pestizid Glufosinat wegen seiner großen Gefahren für AnwenderInnen und VerbraucherInnen verboten und damit eine Anordnung der Europäischen Union umgesetzt. Außerhalb der EU-Grenzen erfreut sich die gesundheitsgefährdende Substanz aber einer steigenden Beliebtheit. In den USA kommt der Leverkusener Multi mit der Lieferung des Herbizids gar nicht mehr nach, hauptsächlich weil sich das Konkurrenz-Produkt Glyphosat von MONSANTO als zunehmend wirkungslos gegen den Wildwuchs auf den Feldern erweist. Das gleiche Schicksal könnte dem Ackergift, das der Konzern unter dem Namen LIBERTY vermarktet und bevorzugt zusammen mit seinen gegen dieses Mittel resistenten Gen-Pflanzen anbietet, jedoch auch bald blühen. Diese Situation hat DOW AGROSCIENCES schon dazu veranlasst, die Zulassung für ein genmanipulierte Soja-Sorte zu beantragen, die nicht nur gegen Glyphosat und Glufosinat, sondern auch gegen das berühmt-berüchtigte „Agent Orange“-Pestizid 2,4-D immun ist, an dessen Produktion dereinst die BAYER-Tochter MOBAY beteiligt war.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYERs PFC-Einleitungen
Perfluorierte Kohlenwasserstoff-Verbindungen (PFC) sind hochgiftige, schwer abbaubare chemische Substanzen. Nach Recherchen des BUND leitet kaum ein Unternehmen eine solche Menge dieser Stoffe in den Rhein wie der Leverkusener Multi. Lange Zeit gelangten per annum sechs Tonnen PFCs made by BAYER in den Rhein. Mittlerweile „beschränkt“ sich der Konzern auf eine Tonne pro Jahr.

Mehr Pestizide in Gewässern
Bei den Zulassungsverfahren für die Pestizide von BAYER & Co. prüfen die Behörden auch, in welchem Maße die Agro-Chemikalien die Gewässer verunreinigen. Mit Hilfe von mathematischen Modellen bestimmen die zuständigen Stellen die voraussichtliche Belastung. Das „Institut für Umweltwissenschaften“ der Universität Koblenz/Landau hat diese Berechungen nun einmal einer genaueren Prüfung unterzogen. Das Ergebnis: Die tatsächliche Verschmutzung mit Chlorpyrifos – enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER – liegt weit höher als die prognostizierte. Professor Dr. Ralf Schulz tritt deshalb für eine grundlegende Revision der Risiko-Bewertung ein und fordert darüber hinaus: „Die Industrie als Zulassungsinhaber muss ihrer Verantwortung für einen vorsorgenden Umweltschutz gerecht werden und sich an einer Ursachen-Aufklärung beteiligen“. Auch an unabhängig gewonnenen Daten zu den Ackergift-Rückständen in den Flüssen fehlt es laut Schulz.

Strengere Auflagen für Anlagen
Die Bundesregierung hat einen Gesetzes-Entwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie für Industrie-Emissionen vorgelegt. Das Paragraphen-Werk schränkt die Möglichkeit zur Überschreitung von Grenzwerten für den Stickoxid- und Schwefeldioxid-Ausstoß ein und schreibt BAYER & Co. vor, bei der Stilllegung von Anlagen für eine Sanierung von Böden und Grundwasser zu sorgen. Zudem erweitert der Gesetzgeber die Informationspflichten der Konzerne.

Mehr Müll in Leverkusen-Bürrig
Neben der von der CURRENTA in Leverkusen-Bürrig betriebenen Sondermüll-Verbrennungsanlage entsteht eine Aufbereitungsanlage für die bei der Abfall-Behandlung übrig bleibenden Ofen-Schlacken. Mit den Planungen dafür betraute die Betreiber-Gesellschaft AVEA dann auch gleich die 60-prozentige BAYER-Tochter, die zudem nach der Fertigstellung des Baus jährlich bis zu 25.000 Tonnen Rostasche aus eigener „Produktion“ anliefern will. Größere Umweltbelastungen schlossen die beiden Unternehmen aus. Der Entstehung giftiger Staubwolken beabsichtigen sie etwa mit Berieselungsvorrichtungen entgegenzuwirken.

Noch mehr Gestank in Bergkamen
Bereits seit Jahren klagen die AnwohnerInnen des Bergkamener BAYER-Werkes über Geruchsbelästigungen, die von der Kläranlage ausgehen. Die 2008 eingeleiteten Umbau-Maßnahmen haben bislang keine Abhilfe schaffen können. Aus immer neuen Quellen dringt Gestank nach außen. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für schlechte Luft. Wenige Tage später flossen unvorhergesehen saure und basische Abwässer zusammen, was übel aufstieß (Ticker 4/11). Einem erneuten Angriff auf die Riech-Organe begegnete der Konzern dann mit einer Entfernung des Klärschlamms und der Ablagerungen in den Auffangbecken. Ende Juli 2012 schließlich traten an einigen Leitungen Risse auf, durch die Abwässer sickerten und Duftmarken setzten. BAYER-Sprecher Martin Pape versuchte umgehend abzuwiegeln: „Der Schaden ist im mikrobiologischen Teil der Anlage entstanden. Dieser Teil ist nicht sehr geruchsintensiv.“

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Giftlager Chemie-„Park“
Im Frühjahr 2011 gelang es der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) erstmals, Angaben über die auf den Werksarealen von BAYER gelagerten gefährlichen Chemikalien zu erhalten – trotz des Umweltinformationsgesetzes hatte der Leverkusener Multi vorher stets erfolgreich blocken können. 2012 stellte die CBG eine zweite Anfrage, diesmal nicht die Lage in Dormagen, sondern in Leverkusen betreffend. Demnach lagert BAYER MATERIAL SCIENCE im Chemie-„Park“ 1.600 Tonnen sehr giftiger, 9.200 Tonnen giftiger Stoffe und 3.400 Tonnen leicht entzündlicher Flüssigkeiten. Allein 42 Tonnen des Giftgases Phosgen befinden sich auf dem Gelände Und dazu kommen noch die Chemikalien-Bestände der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA und des Unternehmens LANXESS. Professor Jürgen Rochlitz, Mitglied des CBG-Beirates und der vom Bundesumweltministerium eingesetzten „Kommission für Anlagensicherheit“, hält die Zahlen für besorgniserregend: „Bei BAYER werden weiterhin in großem Umfang hochgefährliche Chemikalien eingesetzt. Auffällig ist zum Beispiel die beachtliche Menge von Ethylenoxid und Propylenoxid – immerhin Stoffe, die sowohl krebserregend als auch hochentzündlich sind. Auch die großen Mengen krebserzeugender Stoffe stellen ein besonderes Gefährdungspotential dar. Zu fordern ist eine Substitution dieser besonders risikoreichen Chemikalien.“

Triclosan schädigt Muskeln
Triclosan kann die Muskeln schädigen. Der antibakteriell wirkende Stoff, der unter anderem in BAYERs FUNSOL-Spray gegen Fußpilz und -geruch enthalten ist, schränkt nach Forschungen von Isaac Pessah die Funktion zweier zwei Proteine ein, welche für die Kalzium-Versorgung der Muskelzellen sorgen. „Die Behörden sollten daher sehr genau prüfen, ob diese Substanz wirklich weiterhin in Konsum-Produkten verwendet werden darf“, rät der in Davis an der University of California lehrende Wissenschaftler.

Eine Million Chemie-Tote
Einer neue Studie des UN-Umweltprogrammes UNEP zufolge sterben in der „Dritten Welt“ jährlich über eine Million Menschen durch Pestizide oder andere Chemikalien. Damit gehören diese Vergiftungen weltweit zu den fünf häufigsten Todesursachen. Als Gründe für die besorgniserregenden Zahlen nennt der Report die gestiegene Chemie-Produktion in den armen Ländern, laxe Umweltgesetze, mangelnde Aufklärung über die Handhabung der gefährlichen Produkte und das Fehlen von Schutzkleidung. „Eine konzertierte Aktion von Regierungen und Industrie ist nötig, um die wachsenden Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu reduzieren, die durch einen nicht nachhaltigen Umgang mit Chemikalien entstehen“, erklärte die UNEP. Die Institution könnte auf dem kleinen Dienstweg zur Handlung schreiten: BAYER gehört nämlich zu ihren Sponsoren (siehe auch PROPAGANDA & MEDIEN). Der Leverkusener Multi und die anderen bundesdeutschen Chemie-Unternehmen lehnen allerdings eine Mitverantwortung für die eine Million Toten ab. Deutsche Hersteller seien kaum in ärmeren Ländern aktiv, nur 13 Prozent der Exporte gingen nach Asien und bloß 1,7 Prozent nach Afrika, erklärte eine Sprecherin des „Verbandes der Chemischen Industrie“ gegenüber der taz.

BEPANTHOL-Lipstick ungenügend
Öko-Test hat Lippenstifte mit UV-Filtern zum Schutz vor Sonnen-Strahlen untersucht. BAYERs BEPANTHOL LIPSTICK LSF 30 bewertete die Zeitschrift mit „ungenügend“. Für die schlechte Note sorgten hormonell wirksame Inhaltsstoffe wie Ethylhexyl Methoxycinnamate sowie andere gesundheitlich nicht unbedenkliche Substanzen wie Paraffine und Silikon.

NANO & CO.

Explosive Nano-Stäube
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf Mikro-Formate schrumpfen. Darum können Nano-Stäube schneller explodieren als andere Stäube, denn mit abnehmender Größe nimmt die Oberfläche im Verhältnis zum Volumen zu, weshalb die Winzlinge rascher oxidieren und entflammen. Ab einer Konzentration von 500 Gramm pro Kubikmeter Luft besteht nach den Angaben von BAYER auf dem Sicherheitsdatenblatt für die Nano-Röhrchen vom Typ BAYTUBES C 70 P oder C 150 P eine Staubexplosionsgefahr.

Greim als Nano-Gutachter
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln BAYERs BAYTUBES und andere Nano-Produkte jedoch unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Genau dies stand dann auch bei dem Erörterungstermin zum Genehmigungsantrag der Firma H. C. STARCK, die ihre BAYTUBES-Herstellung von einem Versuchsbetrieb auf Normalproduktion umstellen und darüber hinaus ausweiten will, auf der Tagesordnung. Deshalb gab das Regierungspräsidium Freiburg im Laufe des Verfahrens auch ein Arbeitsschutz-Gutachten in Auftrag (Ticker 3/12). Für die Anfertigung hat die Behörde allerdings den Richtigen gefunden: Professor Helmut Greim. Der Toxikologe hat BAYER bereits im Holzgifte-Prozess sowie im Fall des Pestizides Lindan verteidigt und auch sonst allen möglichen Giften von Dioxin bis Pentachlorphenol (PCP) Unbedenklichkeitsbescheinigungen ausgestellt.

CO & CO.

Suche nach Hohlräumen
Die Bezirksregierung sucht noch bis November 2012 Teile des Streckenverlaufs von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline nach Hohlräumen ab, die sich durch Ausspülungen und Kohlensäure-Verwitterungen in unterirdischem Kalkgestein bilden können. Sollten die PrüferInnen auf solche Bodenverhältnisse stoßen, so bedürfte das laut Pressesprecherin Marielle Erb „gesonderter Vorkehrungen für einen sicheren Leitungsbetrieb“ der Giftgas-Röhre.

PLASTE & ELASTE

Windkraft-Zentrum in Dänemark
BAYERs Kunststoff-Sparte will vom Boom regenerativer Energien profitieren und hat zu diesem Zweck an ihrem dänischen Standort Otterup ein Kompetenz-Zentrum für Windkraft eröffnet. Polycarbonate, Polyurethane, Lacke und Klebstoffe beabsichtigt BAYER MATERIAL SCIENCE den Herstellern der Anlagen zu liefern.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Gas-Austritt in Chemie-„Park“
Bei der auf dem Gelände des Dormagener Chemie-„Parks“ ansässigen Gefahrgut-Spedition HOYER kam es am 10.9.2012 zu einem Unfall. Aus der undichten Leitung einer Behälter-Reinigungsanlage trat Chlorwasserstoff aus. 25 Beschäftigte erlitten Augen- und Atemwegsreizungen, drei von ihnen mussten kurzzeitig ins Krankenhaus. 32 Feuerwehr-Kräfte waren im Einsatz; die Polizei sperrte bis zum Nachmittag alle Straßen rund um das Gelände ab. Seit 1999 operiert HOYER vom Chemie-„Park“ aus, macht für BAYER und weitere Unternehmen Chemikalien und andere Güter „reisefertig“ und transportiert sie. Der Leverkusener Multi nutzte das sogleich dazu, Abfüll-Arbeiten auszugliedern und der Logistik-Firma zu übertragen. Schon damals befürchteten einige BeobachterInnen Schlimmes. „Das Gefährdungspotenzial im Chemie-„Park“ BAYER wächst damit weiter“, so kommentierte etwa die Dormagener Grüne Irene Schnoor die Ansiedlung vor dreizehn Jahren.

STANDORTE & PRODUKTION

Subventionierte Standort-Verlegung
Im Zuge seines 800 Millionen Euro schweren Rationalisierungsprogramms, das 4.500 Arbeitsplätze vernichtet, verlegt BAYER Teile der Rechnungslegung wie etwa die Kunden- und Lieferantenbuchhaltung von Leverkusen nach Asien und Osteuropa (Ticker 2/12). Und dabei kassiert der Leverkusener Multi auch noch Subventionen. So verlockte das Städte-Dreieck Danzig/Sopot/Gdynia den Konzern mit einer Prämie von fast 200.000 Euro, der Region den Vorzug vor anderen möglichen Standorten zu geben.

BAYER nutzt Standort-Wettbewerb
Die Stadt Monheim hat den Standort-Wettbewerb mit einer Senkung des Gewerbesteuer-Hebesatzes auf 300 Prozentpunkte verschärft. Weniger verlangt keine Kommune in Nordrhein-Westfalen. Dies ließ sich BAYER nicht zweimal sagen. Der Multi verlegte seine Patent-Abteilung von Leverkusen nach Monheim, wo er gegenüber seinem Stammsitz 180 Prozentpunkte Gewerbesteuer spart, und vernichtete dabei auch gleich noch 25 der 200 Arbeitsplätze (Ticker 2/12).

Monheim will mehr Sicherheit
Im Februar 2012 erteilte die Bezirksregierung Köln der von BAYER in Dormagen geplanten Kunststoff-Anlage eine Vorgenehmigung, obwohl die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Verbände letztes Jahr in einer Anhörung viele Vorbehalte geäußert hatten. So beanstandeten sie etwa die fehlenden Angaben zur Umweltbelastung, eine mangelhafte Störfall-Vorsorge und eine ungenügende, da nur mit Blech statt mit Beton vorgenommene Ummantelung der Produktionsstätte. Zudem traten die Initiativen für den Einbau einer Schutzwand ein, die bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte, und stellten in Frage, ob der Sicherheitsabstand der Fertigungsstätte zu Wohnsiedlungen ausreicht. Die Bezirksregierung hatte das zum Anlass genommen, ein Chemie-Werk mit einer Betonhülle zu besichtigen, BAYER einen Prüfauftrag zur Abstandsregelung zu erteilen und die Erstellung eines Katastrophen-Planes anzumahnen. Nach Bekanntgabe der Vorgenehmigung forderte auch die Stadt Monheim Nachbesserungen. Sie verlangte die Installierung von Hochleistungssirenen sowie von Mess- und Warn-Einrichtungen am Rheinbogen. „Die Einwände werden bei der abschließenden Genehmigung alle noch einmal rechtlich gewürdigt“, versprach die Kölner Behörde.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER kauft ARKEMA-Sparte
BAYER hat von dem französischen Konzern ARKEMA die Kunststoffplatten-Sparte mit den entspre

GenSoja

CBG Redaktion

Wegen der zunehmenden Resisten von Wildkräutern gegen Herbizide will Dow Chemicals nun eine gentechnisch veränderte Soja-Sorte auf den Markt bringen, die gegen drei Pestizide resistent ist, darunter Glufosinat von BAYER. Dow, Monsanto und BAYER hatten hierfür Patente untereinander ausgetauscht (siehe Herbizid Glufosinat vom Markt nehmen!).

Informationsdienst Gentechnik - 23. Juli 2012

Die ultimative Gentech-Soja?

Für den Gentechnikanbau in Monokulturen sind immer stärkere Herbizide nötig

In den USA läuft derzeit das Zulassungsverfahren für eine neue Gentechniksoja. Diese soll, so verspricht das Unternehmen Dow AgroSciences, die Lösung für ein in den dortigen Monokulturen grassierendes Problem bieten. Denn durch den flächendeckenden Einsatz von Herbiziden auf Gentechnikfeldern haben manche Unkräuter Resistenzen entwickelt. Die Spritzmittel, z.B. das weit verbreitete Glyphosat, können ihnen nichts mehr anhaben. Für Landwirte bedeutet dies enorme wirtschaftliche Schäden. Deshalb wurde bei Dow AgroSciences eine Soja entwickelt, die nicht nur das Versprühen von Glyphosat und Glufosinat tolerieren soll, sondern auch von 2,4-D, einer höchst giftigen Chemikalie, die schon Bestandteil des im Vietnamkrieg zu trauriger Berühmtheit gelangten Entlaubungsmittel „Agent Orange“ war. Die Antwort auf das durch Gentechnik und Gift ausgelöste Unkrautproblem lautet also: mehr Gentechnik und mehr Gift.

Der Antrag auf Zulassung der Soja DAS-44406-6 liegt nun beim Landwirtschaftsministerium in Washington. Aufgrund der meist unkritischen Haltung der Behörde gegenüber gentechnisch veränderten Organismen gilt es als wahrscheinlich, dass die Genehmigung gewährt wird. Auch ein gegen 2,4-D resistenter Gentech-Mais steht kurz vor der Zulassung. Während Dow AgroSciences in professionellen Werbespots die Vorzüge der Produkte anpreist, beteuert das Agrarministerium, dass 2,4-D sicher und umfassend getestet sei.

Umweltschutzverbände und viele Landwirte sind allerdings besorgt. Sie halten das Spritzmittel für noch gefährlicher als Glyphosat und Glufosinat, sowohl für die menschliche Gesundheit als auch für Nutzpflanzen und Ökosysteme. Durch Abdrift könne es auch auf andere Felder, auf denen keine Gentechnik angebaut wird, und in Gärten gelangen. In Dänemark, Schweden und Norwegen wurde 2,4-D aufgrund wissenschaftlicher Studien, die einen Zusammenhang mit Krebserkrankungen herstellen, aus dem Verkehr gezogen.

Und auch die Hoffnung der Industrie auf eine Lösung des Unkrautproblems könnte sich als Trugschluss erweisen, wenn sich die ungewünschten Pflanzen an die veränderten Bedingungen anpassen und eine Toleranz gegenüber dem Herbizid entwickeln. Dr. Charles Benbrook von der Organisation Organic Center geht davon aus, dass die eingesetzte Menge der Chemikalie bei einer Markteinführung des Dow AgroSciences-Mais bis 2019 um das Siebenfache mehr zunehmen würde, als wenn auf deren Anbau verzichtet würde. Massiver Gifteinsatz in Gentechnikmonokulturen hat bereits bei Glyphosat, das z.B. vom Konkurrent Monsanto unter dem Namen Roundup vertrieben wird, zu einer entsprechenden Anpassung der Unkräuter geführt.

Momentan sammelt das US-Landwirtschaftsministerium 60 Tage lang Kommentare und Einwände, bevor es zu einer Entscheidung kommen wird. Bislang wird darin ausschließlich gefordert, die Gentechpflanze nicht zuzulassen und 2,4-D zu verbieten. Eine besorgte Bürgerin schreibt: „Tun Sie es für die Sicherheit und die Gesundheit unserer Kinder und deren Kinder.“

MotherJones (MJ): USDA Prepares to Green-Light Gnarliest GMO Soy Yet
http:www.motherjones.com/tom-philpott/2012/07/usda-prepares-ground-dows-herbicide-sucking-crops

US-Agrarministerium: Bestätigung des Zulassungsantrags für 2,4D-tolerante Soja
http:
www.aphis.usda.gov/brs/fedregister/BRS_20120713b.pdf

US-Agrarministerium: Questions and Answers: Dow AgroSciences‚s 2,4- D Tolerant Soybean
http:www.aphis.usda.gov/publications/biotechnology/2012/faq_dow_soybean.pdf

Infodienst: USA - neuer umstrittener Gentechnik-Mais vor Zulassung (27.04.12)
http:
www.keine-gentechnik.de/news-gentechnik/news/de/25634.html

Pesticide Action Network: Bad idea: Dow‘s 2,4-D corn seed
http:www.panna.org/current-campaigns/24D

The Center for Food Safety: Projected increase in 2,4-D use with introduction of 2,4-D-resistant corn through 2019
http:
www.centerforfoodsafety.org/projected-increase-in-24-d-use-with-introduction-of-24-d-resistant-corn-through-2019-benbrook2012/

VIDEO: Mother Jones: Dow-AgroSciences-Werbespot für die 2,4-D Schiene (englisch)
http://www.motherjones.com/tom-philpott/2012/05/dow-herbicide-video

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2012 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

BAYER occupied
Aus Protest gegen die Vermarktung bienengefährlicher Agrochemikalien (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) haben OCCUPY OAKLAND, das PESTICIDE-ACTION-NETWORK und andere Gruppen den Eingang des BAYER-Werkes im US-amerikanischen Berkeley besetzt und ein „bee-in at BAYER“ abgehalten.

Neonicotinoide-Verbot gefordert
Ein großer spanischer Landwirtschaftsverband hat sich mit einem Appell an die Regierung gewandt, Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie die BAYER-Wirkstoffe Clothianidin und Imidacloprid zu verbieten, da diese schon Millionen von Bienenvölkern den Tod gebracht haben.

CBG reicht EU-Beschwerde ein
Die Anlage zur Produktion des Kunststoffes TDI, die BAYER in Dormagen plant, entspricht nicht dem neuesten Stand der Technik. So will der Multi die Fertigungsstätte nur mit Blech statt mit Beton ummanteln. Zudem verzichtet der Konzern auf den Einbau einer Schutzwand, die bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte. Auch der hohe Ressourcen-Einsatz, das Fehlen von „Worst Case“-Szenarien sowie die Verwendung hochgefährlicher Zwischenprodukte wie Phosgen stoßen auf Kritik. Für das Bundesumweltministerium hat die Fertigungsstätte dennoch „Vorbild-Charakter“, weshalb es die „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) anwies, dem Pharma-Riesen einen zinsgünstigen Kredit in Höhe von 150 Millionen Euro zu gewähren. Eine eigenständige Prüfung hat die bundeseigene Institution nicht durchgeführt, ihr reichte die Genehmigung der Anlage als Grundlage für die Entscheidung, gegen welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit dem BUND bei der EU eine Beschwerde wegen unrechtmäßiger Subventionierung eingereicht hat.

BUND kritisiert Bisphenol-Grenzwert
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A. Drei Prozent davon finden in Lebensmittel-Verpackungen wie etwa Konservendosen Verwendung. Da die Substanz Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen hervorzurufen vermag, hatte die EU im März 2011 ihre Verwendung in Babyflaschen untersagt (Ticker 1/12), sonst aber keine weiteren Schritte unternommen. Die Behörden verweisen bei ihren Unterlassungshandlungen stets auf die eingehaltenen Grenzwerte. Genau das hat der BUND nun kritisiert. „Dem Konzept, mit den klassischen Methoden der Toxikologie einen sicheren Schwellenwert festlegen zu können, liegt eine These zugrunde, die widerlegt ist“, heißt es in einer Broschüre zum Thema. Das von der Leber nicht unschädlich gemachte und in den Blutkreislauf geratene Bisphenol verhält sich nämlich wie ein Hormon – und da helfen dann keine Limits mehr. „Hormone wirken viel komplexer. Vielleicht gibt es beim menschlichen Fötus eine ganz bestimmte Phase, in der Bisphenol A eine Weiche im Entwicklungsprozess verstellt. Wenn man dieses Zeitfenster in Tierversuchen nicht richtig erfasst, kann man natürlich keine Auswirkungen sehen“, führt der BUND-Experte Heribert Wefers aus.

Onkologe kritisiert Innovationsstau
Der Leverkusener Multi preist stets seine segensreichen Arznei-Neuentwicklungen. MedizinerInnen dagegen beurteilen die Erfindungskraft der Branche deutlich skeptischer. „Wir sehen Innovationen sehr viel seltener als die Pharma-Konzerne“, sagt etwa der Krebs-Spezialist Wolf-Dieter Ludwig. Besonders auf seinem eigenen Fachgebiet erblickt er kaum Neues am Horizont: „Was in den letzten Jahren erreicht worden ist, steht in keinem Verhältnis zu den Jahrestherapie-Kosten von bis zu 70.000 Euro.“ Unter dieses Verdikt fällt auch BAYERs NEXAVAR, denn Ludwig lässt nur ein Medikament wirklich gelten: ein Hautkrebs-Therapeutikum von BRISTOL MYERS-SQUIBB.

ProfessorInnen warnen vor Einflussnahme
Einen Kooperationsvertrag, wie ihn BAYER mit der Kölner Universität vereinbart hat, schließen immer mehr Bildungseinrichtungen mit Unternehmen ab. Darum hat der „Deutsche Hochschulverband“ jetzt vor der Gefahr sachfremder Einflüsse auf die Wissenschaft durch Industriegelder gewarnt. Die Tendenz, Drittmittel zum „Fetisch und zur Währung des Wissenschaftsbetriebs“ zu machen, gefährde die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Forschung, erklärte die Organisation. Zudem forderte sie, die Öffentlichkeit gezielt über die Bedingungen der Zusammenarbeit zu informieren. Das sollten sich der Leverkusener Multi und die Kölner Hochschule zu Herzen nehmen, denn sie weigern sich strikt, die entsprechenden Dokumente offenzulegen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat deshalb bereits die Gerichte eingeschaltet.

KAPITAL & ARBEIT

Drei Prozent mehr Geld
Im Mai 2012 einigten sich die Tarif-Parteien in der Chemie-Industrie auf eine Entgelt-Erhöhung von 4,5 Prozent für die nächsten 19 Monate. Auf das Jahr gerechnet ergibt das eine Steigerung von ca. drei Prozent. Im letzten Jahr hatte es mit 4,1 Prozent für 15 Monate noch ein besseres Ergebnis gegeben. Zudem gelang es BAYER & Co., ihre Forderung nach mehr Flexibilisierung durchzusetzen. Die Betriebe dürfen jetzt um bis zu 2,5 Stunden von der 37,5 Stunden betragenden Wochenarbeitszeit abweichen.

IG BCE segnet Rationalisierungen ab
BAYER hat den Bereich „Rechnungswesen“ einem umfangreichen Rationalisierungsprogramm unterzogen (Ticker 2/12). So verlegte der Multi Teile der Rechnungslegung wie etwa die Kunden- und Lieferantenbuchhaltung von Leverkusen nach Asien und Osteuropa. Und die Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE etablierte eine gemeinsame Controlling-Plattform für alle Standorte und legte Planungszyklen und Kostenstellen zusammen. Die Gewerkschaft betrieb dabei Co-Management und lobte dementsprechend das Endresultat. „Die Konzernbetriebsvereinbarung zum Projekt ‚GAC 2015’ ist ein positives Signal“, urteilte Reiner Hoffmann von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE). Der Landesbezirksleiter der Chemie-Gewerkschaft und BAYER-Aufsichtsrat gab sich damit zufrieden, dass der Konzern die Maßnahme „sozialverträglich“ gestaltete.

BAYER zahlt mehr Bonus
Der Leverkusener Multi hat den Druck auf seine Belegschaft in den letzten Jahren kontinuierlich verschärft. So kostet das aktuelle Rationalisierungsprogramm 4.500 Arbeitsplätze. Als eine Art Schmerzensgeld zahlt der Konzern den Beschäftigten nun einen erhöhten Bonus. Der Konzern schüttet 600 Millionen Euro aus. Zwischen 80 und 140 Prozent ihres Durchschnittsentgelts erhalten die BAYER-WerkerInnen als Prämie. Sie orientiert sich allerdings am Erfolg der einzelnen Geschäftsbereiche. Am meisten Geld bekommen die Angestellten der Landwirtschaftssparte BAYER CROPSCIENCE, am wenigsten diejenigen des Kunststoffbereiches BAYER MATERIAL SCIENCE.

4,4 Millionen Euro für Dekkers
BAYER-Chef Marijn Dekkers hat im Geschäftsjahr 2011 4.418.000 Millionen Euro verdient. Zum Vergleich: Sein Vorgänger Werner Wenning strich 2009 in seinem letzten vollen Dienstjahr „bloß“ 3.570.000 Millionen Euro ein.

Aufsichtsrat muss Aktien kaufen
Der Leverkusener Multi bindet die Bezahlung seines Aufsichtsrats stärker an den Konzern-Erfolg. Er macht es den Mitgliedern des Gremiums nämlich zur Auflage, 25 Prozent ihrer festen Bezüge in BAYER-Aktien zu investieren. „So lassen sich wirksam und nachhaltig die Unternehmensinteressen in der Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern verankern“, jubiliert die Unternehmensberatung HOSTETTLER, KRAMARSCH & PARTNER. Von einer Kontrolle der Geschäftspolitik durch den Aufsichtsrat dürfte dann noch weniger die Rede sein.

Beschäftigte denken, BAYER kassiert
Die Verbesserungsvorschläge von Belegschaftsangehörigen rechnen sich für BAYER weit mehr als für die Kreativen selber. 2011 brachte die Realisierung der MitarbeiterInnen-Ideen dem Leverkusener Multi nämlich einen Rationalisierungsgewinn von 5,4 Millionen Euro ein. Den ErfinderInnen zahlte er für den Zugriff auf ihr geistiges Eigentum, von dem der Konzern über ein langen Zeitraum hinweg profitieren dürfte, aber nur einmalig 1,7 Millionen Euro an Prämien aus.

Käufer für Diabetes-Messgeräte gesucht
Der Leverkusener Multi will sein Geschäft mit Diagnostika-Produkten aufgeben und sucht deshalb auch einen Interessenten für seine Sparte mit Blutzucker-Messgeräten. Obwohl der Konzern damit viele Arbeitsplätze zur Disposition stellt, dürften die Proteste im Falle einer Transaktion gering ausfallen. „Diabetes Care sitzt in den USA, wo BAYER bei einem Verkauf keinen großen Widerstand der Gewerkschaft befürchten muss“, schreibt die Financial Times Deutschland.

BAYER verkauft Alzheimer-Diagnostikum
Im Rahmen der Abwicklung der Diagnostika-Sparte (s. o.) veräußert der Leverkusener Multi auch ein in der Entwicklung befindliches Alzheimer-Diagnostikum, an dem er 2008 die Rechte von der Universität Nagasaki erworben hatte. Käufer ist das indische Unternehmen PIRAMAL IMAGING.

Outsourcing von Arzneitests

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In der Öffentlichkeit pflegt der Leverkusener Multi mit großem Engagement das Bild eines forschenden Unternehmens. In Wirklichkeit aber findet in den Laboren des Unternehmens immer weniger wissenschaftliche Arbeit statt. So plant der Pharma-Riese jetzt, die Arzneitests der Phase I, bei denen die PharmazeutInnen die Medikamente an Gesunden ausprobieren, outzusourcen und damit 25 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns zu vernichten. BAYER begründet diesen Schritt mit der schwankenden Auslastung der ProbandInnen-Station in Wuppertal.

Outsourcing von Arzneitests

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Bei Arzneitests der Phasen II bis IV, bei denen die PharmazeutInnen die Medikamente an größeren Gruppen von Kranken ausprobieren, hat der Leverkusener Multi schon öfters mit externen Dienstleistern kooperiert. Jetzt systematisiert er diese Zusammenarbeit. Der Pharma-Riese hat mit dem US-Unternehmen COVANCE einen langfristigen Vertrag geschlossen. Er strebt damit „eine weitere Optimierung von Betriebsabläufen sowie der Effizienz und Qualität klinischer Studien an“. Zu erwarten ist jedoch vielmehr, dass die weitere Rationalisierung von Arznei-Erprobungen zu noch mehr Opfern als in der Vergangenheit führt. Zwischen 2007 und 2010 starben allein in Indien 138 Menschen bei Tests von BAYER-Präparaten, und in der Bundesrepublik mussten 2010 20 Menschen ihr Leben lassen.

BAYER verkauft Fabrik in Norwich
Im Rahmen seines Rationalisierungsprogramms verkauft der Leverkusener Multi seine Pestizid-Fabrik im englischen Norwich an die Beteiligungsgesellschaft AURELIUS und stellt damit 310 Arbeitsplätze im Konzern zur Disposition. Die Fertigungsstätte bleibt dem Agro-Riesen jedoch verbunden. Sie steigt in die Vertragsfertigung für den Konzern ein, will aber auch noch andere Unternehmen beliefern.

Der Weg des Titandioxids
Der Leverkusener Multi trennte sich im Zuge der „Konzentration auf das Kerngeschäft“ peu à peu von seiner Titandioxid-Produktion. 1998 überführte er die Uerdinger Fabrik in ein gemeinsam mit KERR-MCGEE betriebenes Joint Venture. 2001 übernahm das US-amerikanische Unternehmen das Geschäft ganz. 2006 dann gliederte es selber den Bereich in eine eigenständige Gesellschaft aus, die 2009 Insolvenz anmelden musste. Und 2012 verkaufte der Insolvenzverwalter die inzwischen CRENOX heißende Firma an BAYERs einstmaligen Konkurrenten SACHTLEBEN. Mit den Nachwirkungen der Titandioxid-Herstellung in Uerdingen haben die Behörden jedoch immer noch zu kämpfen. Sie arbeiten nämlich schon seit vielen Jahren an der Sanierung der Deponie in Rheinberg, in der lange Zeit die Produktionsrückstände von BAYER und SACHTLEBEN landeten (TICKER 2/11).

Pensionskasse wird teuer
Die BAYER-Pensionskasse nimmt schon seit längerem keine neuen Mitglieder mehr auf. Alle Belegschaftsangehörigen, die nach 2005 zum Konzern kamen, mussten zur Rheinischen Pensionskasse gehen. Darum verschlechtert sich das Verhältnis von EinzahlerInnen und Anspruchsberechtigten. Eine Erhöhung der Lebenserwartung und nicht ausreichend lukrative Geldanlagen trugen ein Übriges zur Unterfinanzierung bei. So hat jüngst etwa eine Untersuchung der BANK OF AMERICA MERRILL LYNCH die Pensionsrückstellungen des Konzerns in Höhe von 7,8 Milliarden Euro als unzureichend bezeichnet. Deshalb hat der Leverkusener Multi den Firmen-Beitrag von 300 auf 400 Prozent des Beschäftigten-Beitrages erhöht. Das hat allerdings auch Konsequenzen für die BAYER-WerkerInnen. Ab einem Jahres-Entgelt von 34.000 Euro müssen sie nämlich Steuern auf den Unternehmensanteil zahlen. Und diese können sich je nach Gehalt auf bis zu 710 Euro im Jahr belaufen.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYER gründet Rohstoffallianz
Bereits seit einiger Zeit treibt BAYER & Co. die angespannte Situation auf den Rohstoff-Märkten um. Die Konzerne starteten deshalb bereits diverse Initiativen und verstärkten den Druck auf die Politik (SWB 1/10). Nun jedoch erreicht ihr Engagement eine neue Qualität. BAYER, BOSCH, THYSSENKRUPP und sieben weitere Unternehmen gründeten im April 2012 die RA ROHSTOFFALLIANZ. Geschäftszweck der GmbH: „Die Sicherung der Versorgung der Gesellschafter mit kritischen Rohstoffen“. Fürs Erste haben es die Firmen dabei auf Seltene Erden, Kokskohle, Graphit und Wolfram abgesehen. Dazu wollen sie sich an Minen beteiligen und selber Vorkommen erschließen (siehe auch SWB 3/12).

Arzneitests in Kolumbien
Die Pharma-Multis verlegen immer mehr Medikamentenversuche in arme Länder. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Entsprechend hoch ist das Risiko für die ProbandInnen: Allein in Indien starben zwischen 2007 und 2010 138 Menschen während der Tests mit BAYER-Arzneien. In Südamerika hat der Pharma-Riese Kolumbien zu einem Zentrum für die Pillen-Erprobungen erkoren. „In den vergangenen zwei Jahren hat BAYER/Kolumbien acht Millionen Euro in die wissenschaftliche Forschung investiert und zahlreiche Studien an 280 Forschungszentren in Kolumbien durchgeführt – insbesondere in den Bereichen Herz/Kreislauf-Erkrankungen, Krebs-Erkrankungen und Hämophilie“, heißt es in der Propaganda-Postille BAYER direkt.

Mega-Gewerkschaftsfusion
Die drei großen Gewerkschaftsweltverbände der Sparten Metall, Chemie & Bergbau und Textil schließen sich zusammen. „Gewerkschaftsmacht aufbauen durch eine Organisierung entlang der Lieferkette; ein mächtiges Gegengewicht zu den transnationen Konzernen schaffen“, heißt die Devise. Die Fusion stößt allerdings auch auf Kritik, weil sie „top down“ erfolgte und die Mitglieder nicht einbezog. Zudem trauen viele der neuer Organisation nicht zu, mehr zu sein als die Summe ihrer Teile, die sich bisher kaum als globale Gegenmacht in Szene setzen konnten – oder wollten.

IG FARBEN & HEUTE

Gedenkort für Euthanasie-Opfer
Die vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN haben nicht nur das Zyklon B für die Vergasung der Juden im „Dritten Reich“ geliefert. Der Mörder-Konzern hatte auch für die Euthanasie, der mehr als 100.000 behinderte oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen, den passenden Rohstoff im Angebot. Sie stellte für die „Aktion T4“ – benannt nach der Berliner Adresse des Planungszentrums für den Massenmord, das sich in der Tiergartenstr. 4 befand – das heute wieder durch BAYERs umstrittenes Pipeline-Projekt ins Gerede gekommene Kohlenmonoxid zur Verfügung. Im November 2011 entschied der Bundestag, in würdigerer Form als bisher an die Toten zu erinnern. Er beschloss, an der Tiergartenstraße eine Gedenktafel anzubringen und ein Denkmal aufzustellen. Darüber hinaus ist ein Dokumentationszentrum geplant.

POLITIK & EINFLUSS

Kabinett-Sitzung bei BAYER
Ein Ereignis mit Symbol-Wert: Am 21. Februar 2012 verlegte die am 6. Mai nicht wiedergewählte Landesregierung von Schleswig-Holstein ihre Kabinett-Sitzung ins Brunsbütteler BAYER-Werk. An dem Schwerpunktthema „Netzausbau“ hatte der Chemie-Multi auch ein besonders Interesse, klagt er doch trotz großzügiger Rabatte (siehe ÖKONOMIE & PROFIT) nicht erst seit der beschlossenen Energiewende über zu hohe Strom-Kosten. Dieses Lamento hat sich wohl auch der EU-Energiekommissar Günther Oettinger anhören müssen, der zu dem Termin extra aus Brüssel angereist war. Nach dem Zusammentreffen mit dem inzwischen abgewählten Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen und seinen MinisterInnen und StaatssekretärInnen aß er nämlich mit dem damaligen BAYER-Werksleiter Volker Weintritt zu Mittag.

Birgitta Wolff in Gatersleben
BAYER errichtet im Biotech„park“ Gatersleben ein Europäisches Weizenzucht-Zentrum (siehe auch FORSCHUNG & LEHRE). Es soll besonders ertragreiche und widerstandsfähige Sorten hervorbringen und die globalen Zucht-Aktivitäten des Agro-Riesen auf diesem Gebiet koordinieren. Prominentester Gast bei der feierlichen Eröffnung der Einrichtung war die sachsen-anhaltinische Ministerin für Wissenschaft und Wirtschaft, Birgitta Wolff (CDU). „Die Eröffnung des Europäischen Weizenzucht-Zentrums in Gatersleben ist ein deutliches Bekenntnis der BAYER AG zum Biotechnologie-Standort Sachsen-Anhalt (...) Dabei haben wir eine klassische „Win-Win“-Situation. So bietet der Biotech„park“Gatersleben die optimale Infrastruktur für BAYER. Gleichzeitig wird das „Leibniz-Institut für Pflanzen-Genetik und Kulturpflanzen-Forschung durch einen intensiven personellen Austausch vom neuen Weizenzucht-Zentrum profitieren“, freute sich die Ministerin.

Energiewende-Streit im BDI
Die Energiewende entzweit den „Bundesverband der deutschen Industrie“; „regelrechte Glaubenskriege“ machte die WirtschaftsWoche aus. Während einige ManagerInnen, sogar solche aus der viel Strom benötigenden Chemiebranche wie Axel Heitmann von der BAYER-Abspaltung LANXESS, dem neuen energie-politischen Kurs positiv gegenüberstehen, zählt der Leverkusener Multi zur Beton-Fraktion. Im August 2010 gehörte der damalige Vorstands- und baldige Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning zu den UnterzeichnerInnen des „Energiepolitischen Appells“, der die Bundesregierung – zunächst erfolgreich – zur Laufzeit-Verlängerung der AKWs aufforderte. Und sein Nachfolger Marijn Dekkers drohte angesichts der angeblich mit dem Ausstieg aus der Atomkraft verbundenen Mehrkosten schon mit Abwanderung. „Die Energie-Preise werden weiter steigen, dabei haben wir bereits heute die höchsten in der EU. Es ist wichtig, dass wir im Vergleich mit anderen Ländern wettbewerbsfähig bleiben. Ansonsten kann sich ein globales Unternehmen wie BAYER überlegen, seine Produktionen in Länder mit niedrigeren Energie-Kosten zu verlagern“, sagte er letztes Jahr in einem Interview.

EU-Effizienzrichtlinie aufgeweicht
Die EU-Länder haben sich zum Ziel gesetzt, bis zum 2020 Energie-Einsparungen in Höhe von 20 Prozent vorzunehmen. Um das zu erreichen, wollte Brüssel den Mitgliedsstaaten in einer Effizienz-Richtlinie verbindliche Reduzierungsauflagen machen. So wollte das Paragraphen-Werk die Mitgliedsländer zwingen, den Stromverbrauch jedes Jahr um 1,5 Prozent zu senken. Bei BAYER & Co. rief das einen Sturm der Entrüstung hervor. „Starre Vorgaben widersprechen jeglicher unternehmerischer Realität“, erklärte Markus Kerber vom „Bundesverband der deutschen Industrie“. Der ehemalige Umweltminister Norbert Röttgen unterstützte dagegen den Brüsseler Vorstoß, Wirtschaftsminister Philipp Rösler lehnte ihn jedoch vehement ab. Nach dem Rücktritt Röttgens konnte die Bundesregierung dann unumwunden die Position von BAYER & Co. vertreten und Obstruktionspolitik in Brüssel betreiben. Auf diesen Wege gelang es ihr dann auch, die Vorlage zu verwässern. Nun braucht kein Staat mehr verbindliche Strombremsen einzuführen. Auch eine kreative Buchführung ist nun erlaubt. Unternehmen, die wie BAYER am Emissionshandel mit CO2-Verschmutzungszertifikaten teilnehmen, müssen nicht ihren ganzen Energie-Verbrauch in die Endabrechnung einfließen lassen. Der Lobbyverband VIK, bei dem Günter Hilken von der BAYER-Tochtergesellschaft CURRENTA in der Geschäftsführung sitzt, protestierte trotz der ganzen „Nachbesserungen“ gegen die geplante Richtlinie.

Der BDI will es bilateral

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Um die ganz großen Globalisierungsvorhaben steht es nicht gut. Das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) landete Ende der 1990er Jahre auf dem Müllhaufen der Geschichte, und die Liberalisierungsbestrebungen der Welthandelsorganisation WTO im Rahmen der Doha-Runde kommen wegen der Vetos der Entwicklungsländer ebenfalls nicht voran. Darum forderte der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) als Lobby-Organisation von BAYER & Co. den Abschluss von EU-Abkommen mit einzelnen Staaten. Die Politik stand dem Ansinnen zunächst skeptisch gegenüber, lenkte jedoch ein. „Wir wurden da hineingedrängt von der Wirtschaft und dem BDI“, sagt Bernd Pfaffenbach. Dem früheren Staatssekretär im Wirtschaftsministerium zufolge fürchtete der Verband, gegenüber der internationalen Konkurrenz ins Hintertreffen zu geraten und machte Druck: „Wenn alle Wettbewerber sich da Vorteile verschaffen, können wir darauf nicht verzichten.“ Und das mussten sie dann auch nicht. Zudem gelang es den Unternehmen, die Agenda der Verhandlungen entscheidend mitzubestimmen. Dementsprechend profitierten sie von den Ergebnissen. Strengere Patent-Regime, freiere Marktzugänge, mehr Investitionsschutz, Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen und verbesserter Zugriff auf Rohstoffe - fast kein Wunsch blieb unerfüllt (siehe auch SWB 2/11).

Der BDI will es bilateral

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Seit geraumer Zeit setzen die bundesdeutschen und europäischen Lobby-Organisationen der Konzerne wegen der stockenden internationalen Freihandelsabkommen auf bilaterale Lösungen (s. o.), wobei sie sich mit ihren US-amerikanischen Pendants einig wissen. So forderten europäische und US-amerikanische Wirtschaftsverbände im Vorfeld des G8-Treffens, das im Mai 2012 in Camp Davis stattfand, unisono den Abbau transatlantischer Handelshemmnisse wie Zölle, Import-Quoten oder Klauseln zur Begünstigung einheimischer Unternehmen.

VFA gegen Zwangsrabatt
Nach dem seit 2011 gültigen „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ müssen BAYER & Co. den Krankenkassen für neue Medikamente einen Hersteller-Rabatt von 16 Prozent einräumen. Darüber hatte sich BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Bilanz-Pressekonferenz im Februar 2012 bitterlich beklagt und angesichts der Überschüsse von DAK & Co. eine Abschaffung der Regelung gefordert. Der vom Leverkusener Multi gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) schloss sich unmittelbar darauf an (Ticker 1/12). Ende März 2012 erneuerte die Lobby-Organisation nun ihre Kritik. „Wenn wir keine stichhaltige Begründung erhalten, müssen wir uns Gehör verschaffen“, tönte der Vorstandsvorsitzende Hagen Pfundner und drohte mit einer Klage der Pharma-Multis gegen die Regelung. Und selbstverständlich fehlte die Warnung vor einem Verlust von Arbeitsplätzen nicht.

Treffen mit Westerwelle
Das aufstrebende Schwellenland Brasilien gehört mit zu den wichtigsten Auslandsmärkten BAYERs und anderer bundesdeutscher Konzerne. Deshalb nimmt es in der Außenwirtschaftspolitik der Bundesregierung ebenfalls eine besondere Rolle ein. Und zu dieser gehörte die Einrichtung eines „Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses“ in São Paulo. Prominentester Gast bei der von BAYER gesponserten Einweihungsfeier war Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP), der im Verlauf seiner Brasilien-Reise auch mit BAYER-Landessprecher Theo van der Loo zusammentraf.

Treffen mit kolumbianischem Präsident
100 Jahre betreibt BAYER bereits Geschäfte in Kolumbien (siehe auch ERSTE & DRITTE WELT und PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Zum „feierlichen“ Jubiläum reiste der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in das Land und traf dort unter anderem mit dem Staatspräsidenten Juan Manuel Santos und den MinisterInnen Juan Camilo Restrepo und Beatriz Londoño zu einem Gespräch zusammen.

Finanzämter fördern Forschung nicht
Bereits seit langem fordert BAYER die steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsaufwändungen. Die Bundesregierung kündigte im Koalitionsvertrag auch ein entsprechendes Gesetzes-Vorhaben an, jetzt allerdings verschob sie das Projekt erst einmal. „Wir haben vereinbart, dass wir die steuerliche Forschungsförderung im Rahmen eines haushalts- und steuerpolitischen Gesamtkonzeptes entscheiden wollen“, erklärte Klaus-Peter Flosbach, der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Neuer Mann für die Unternehmenssteuer
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat den Sozialdemokraten Albert Peters als Abteilungsleiter für Steuerpolitik entlassen. Er ersetzte ihn durch den Christdemokraten Michael Sell. Dessen erste Aufgabe: die Reform der Unternehmensbesteuerung. Ein solches Gesetzesvorhaben wollte Schäuble offensichtlich doch lieber in Parteihand wissen.

EU reguliert Derivate-Markt
Der Leverkusener Multi nutzt die seit der Finanzkrise in Misskredit geratenen Derivate – eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber – hauptsächlich zur Absicherung seiner globalen Transaktionen. Darum hat er seine LobbyistInnen in Brüssel vehement gegen Regulierungen auf diesem Sektor in Stellung gebracht. So ganz konnten diese politische Maßnahmen allerdings nicht verhindern. So will die EU für die OTC-Derivate (außerbörslich gehandelte Papiere) ein Melderegister einführen und für den Handel künftig eine Unterlegung mit Eigenkapital fordern.

PROPAGANDA & MEDIEN

Schwerpunkt TV-Werbung
Der Leverkusener Multi gibt 80 Prozent seines Reklame-Budgets für TV-Werbung aus. An Printmedien lässt sein Interesse dagegen nach – der Konzern investiert lieber ins Internet. „Analog zur ständig wachsenden Nutzerschaft des Mediums und der sich weiterentwickelnden Hardware wird auch die Bedeutung als Werbeträger weiter zunehmen“, prognostiziert BAYERs Marketing-Manager Nils Rohrsen.

BAYER digitalisiert Report
Der Leverkusener Multi ersetzt sein Print-Magazin Report durch das Digital-Format BAYER Magazin. Mit interaktiven Texten, Foto-Galerien, Filmen und Info-Grafiken will der Konzern „neue Ebenen des Storytellings“ erklimmen. So hofft er, seine Zielgruppe – KundInnen, LieferantInnen, AktionärInnen, AnalystInnen und interessierte Öffentlichkeit – besser an das Unternehmen zu binden und mehr jüngere Leute zu erreichen. Ob er das schafft, bleibt die Frage. Die eigentliche Story ändert sich nämlich allen neuen Storytelling-Ebenen zum Trotz nicht und ist relativ schnell erzählt: Alles ist gut.

VFA plant Charme-Offensive
Der Wechsel an der Spitze des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) von Cornelia Yzer zu Birgit Fischer ist auch mit programmatischen Veränderungen verbunden. Die Lobby-Organisation setzt jetzt mehr auf Kooperation. „Die Herausforderungen im Gesundheitsbereich sind so groß, dass sie sich nur gemeinsam lösen lassen“, heißt es in der neuen Programmschrift. Zudem bekennt sich der VFA zu Transparenz & Nachhaltigkeit und gibt sich diskussionsfreudig: „Dennoch werden wir in der Gesellschaft auch kritisch gesehen. Wir stellen uns dieser Kritik, denn wir haben gute Argumente.“ Die immer ohne Rücksicht auf Verluste Industrie-Interessen verfechtende Cornelia Yzer hatte 2010 das neue Arzneimittelgesetz nicht nach den Wünschen der Konzerne ausrichten können und musste deshalb ihren Posten räumen. Von der Charme-Offensive erhoffen sich BAYER & Co. nun mehr politische Erfolge.

Neuer Hämophilie-Preis
Blutern gilt die besondere Aufmerksamkeit BAYERs, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Hämophile an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. Von den 57 Millionen Euro, die der Leverkusener Multi 2010 für „wohltätige Zwecke“ ausgab, erhielten Hämophilie-Organisationen mit 5,5 Millionen Euro fast zehn Prozent. Und jetzt stiftet der Pharma-Riese zur Besänftigung der Zielgruppe auch noch den „Philos“-Preis für Projekte, „die dabei helfen, die alltäglichen Herausforderungen im Leben mit der Bluterkrankheit zu meistern“.

Auszeichnung für die „Dream Production“
BAYER gehörte 2006 zu den Sponsoren der Kampagne „Land der Ideen“, welche die Fußball-Weltmeisterschaft dazu nutzte, um für den Industrie-Standort zu werben. Der PR-Betrieb hat die Ball-Treterei sogar überlebt und veranstaltet noch den Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“. Jetzt haben die InitiatorInnen schon zum zweiten Mal einen „BAYER-Ort der Ideen“ ausgezeichnet – sie wissen offenbar, was sie ihren Geldgebern schuldig sind. Nach dem Kommunikationszentrum „Baykomm“ traf es nun die Pilotanlage, die den Einsatz von Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung erprobt. Der Pharma-Riese feiert dieses gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ betriebene Projekt „Dream Production“ als eine Großaktion zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10). Und als der BAYER-Manager Peter Vanacker in einem Interview gefragt wurde, wieviel CO2 die „Dream Production“ dem Recycling denn nun zuführe, gab er sich dann auch recht kleinlaut: „Genaue Zahlen möchten wir nicht veröffentlichen“.

Schul-Kooperation in Holland
Nicht nur in der Bundesrepublik, auch in Holland macht BAYER Schule. Der Leverkusener Multi kündigte eine Bildungsinitiative in den Niederlanden an, um SchülerInnen die Pflanzenzucht näher zu bringen. Passenderweise gab der Konzern diesen Entschluss gemeinsam mit dem Präsidenten der Universität Wageningen anlässlich der Einweihung des erweiterten Gemüsezucht-Zentrums in Leudal bekannt (siehe auch PFLANZEN & SAATEN). Und Hochschulleiter Dr. Aalt Dijkhuizen ließ dann auch an Sinn und Zweck der Übung keinen Zweifel: „Die florierende Gemüse-Industrie ist auf den Ideenreichtum der jungen Menschen angewiesen. Wir hoffen, dass dieses Projekt bei den Schülern die Begeisterung für die Pflanzenzüchtung weckt.“

LandwirtInnen bei BAYER
Um die Beziehungen zu seinen Pestizid-KundInnen zu pflegen, lädt der Leverkusener Multi immer wieder LandwirtInnen zu Betriebsbesichtigungen ein. So besuchte im Frühjahr 2012 der „Landwirtschaftliche Ortsverein Hoxfeld/Rhedebrügge“ den BAYER-Standort Monheim.

BAYER umwirbt ImkerInnen
Für den Leverkusener Multi haben nicht die haus-eigenen Pestizide das millionenfache Bienensterben verursacht, die Verantwortung dafür trägt nach Ansicht des Konzerns vielmehr die böse Varroa-Milbe. Und gegen diese hält das Unternehmen mit dem Pyrethroid BAYVAROL (Wirkstoff: Flumethrin) zufälligerweise auch gleich das passende Gegenmittel bereit. Um die „frohe Kunde“ zu verbreiten, hat der Agro-Riese in Mexiko die staatlichen Beauftragten für Imkerei als Werbeträger entdeckt. Er stattet sie mit Schutzkleidung aus, auf welcher der BAYVAROL-Schriftzug prangt. Der Unterrichtsqualität scheint das nicht unbedingt zu bekommen. Einem Beobachter zufolge lässt das Lehrpersonal die giftigen Pyrethroid-Streifen nämlich zu lange in den Bienenstöcken, weshalb sich die Chemikalie später im Honig wiederfinden könnte. Zudem steht die Gefahr von Resistenz-Bildungen – die Milben stellen sich zunehmend auf das BAYVAROL ein – nicht auf dem Stundenplan.

BAYER-Mann an Hochschule
Immer wieder gerne nutzen BAYER-WissenschaftlerInnen das Forum, das ihnen Universitäten von Zeit zu Zeit bieten. So hielt der Pharma-Forscher Walter Hübsch an der Hochschule Aalen einen Vortrag über Struktur-Elemente in der medizinischen Chemie.

PatientInnen-Betreuung im Internet
Wer unter Lungenhochdruck leidet und den Begriff googlet, landet bei www.lungenhochdruck.de – und damit bei BAYER. Der Leverkusener Multi betreibt die Webseite zur KundInnen-Bindung und hält dort Informationen für PatientInnen bereit, welche die MedizinerInnen auf sein Präparat ILOPROST eingestellt haben. Es gibt eine persönliche Beratung durch Krankenschwestern oder ArzthelferInnen und Links zu Selbsthilfegruppen. Sogar Medikamenten-Proben verschickt der Pharma-Riese über das Werbe-Portal.

TIERE & VERSUCHE

Mehr Tierversuche
Die Zahl der Tierversuche bei BAYER stieg von 192.412 im Jahr 2010 auf 199.636 im Jahr 2011. Während in den eigenen Laboren des Leverkusener Multis mit 168.825 weniger Kreaturen verendeten als 2010, wo noch 171.627 bei klinischen Erprobungen starben, erhöhte sich Menge der Versuchskaninchen, die bei vom Konzern beauftragten externen Dienstleistern ihr Leben ließen, von 19.785 auf 30.811.

TIERE & ARZNEIEN

Massentierhaltungsarznei BAYTRIL
Die Massentierhaltung kommt ohne massenhaft verordnete Medikamente nicht aus und verursacht so Probleme en masse. Krankheitserreger bilden beispielsweise Resistenzen gegen Antibiotika aus und können – über Hautkontakt oder den Nahrungsmittel-Kreislauf in den menschlichen Organismus gelangt – Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist. BAYERs BAYTRIL hat daran einen gehörigen Anteil. Zum Gesamtumsatz mit dem Mittel von 166 Millionen Euro im Jahr 2010 trug die industrielle Fleischproduktion in den Ställen fast ein Drittel bei: 118 Millionen Euro.

DRUGS & PILLS

Pillen-Preise steigen wieder
Das 2010 erlassene „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ hat die Pillen-Preise bis zum Jahr 2013 auf dem Stand von August 2009 eingefroren und den Hersteller-Rabatt für neue Medikamente von sechs auf 16 Prozent erhöht. Darum mussten die Krankenkassen im letzten Jahr zum ersten Mal nach langer Zeit nicht über Mehrausgaben für Pharmazeutika klagen. Inzwischen scheinen sich die Pharma-Riesen aber auf die veränderten Bedingungen eingestellt zu haben. Im ersten Quartal 2012 stiegen die Pillen-Kosten für DAK & Co. um 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Einen Hauptanteil daran dürften extrem teure, aber nicht unbedingt empfehlenswerte Arznei-Novitäten wie BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO (s. u.) haben.

Pillen-Preise unter Verschluss
Mit dem „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ (s.o.) hat der Gesetzgeber auch eine Kosten/Nutzen-Bewertung für neue Medikamente eingeführt. Bei positivem Votum schließen sich Preis-Verhandlungen der Pharma-Produzenten mit den Krankenkassen an. BAYER & Co. drängen dabei darauf, die Zahlen unter Verschluss halten zu können. Und die Bundesregierung will ihnen den Wunsch nach Geheimhaltung auch erfüllen, wogegen die Opposition protestiert. „Auf eines ist bei Schwarz-Gelb immerhin Verlass: Forderungen der Industrie-Lobby werden stets konsequent umgesetzt“, kritisierte Claudia Roth von den Grünen.

NICE empfiehlt XARELTO
Das britische „National Institute for Health and Clinical Excellence“ (NICE), das Kosten und Nutzen neuer Arzneimittel bewertet, hat BAYERs Blutgerinnungshemmer XARELTO nach einigem Zögern nun doch die Absolution erteilt. Zunächst hatte sich die Einrichtung mit den von BAYER zur Verfügung gestellten Daten über die Therapie-Erfolge für die Anwendungsgebiete „Thrombosen“ und „Schlaganfall-Vorbeugung bei PatientInnen mit Vorhofflimmern“ nicht zufriedengegeben und aussagekräftigere Informationen verlangt (Ticker 2/12). Diese scheinen das NICE überzeugt zu haben, weshalb die Krankenkassen nun den Preis für die XARELTO-Gaben zahlen müssen.

Immer mehr XARELTO-Indikationen
Die Gesundheitsbehörden taten sich stets schwer, Genehmigungen für BAYERs Blutgerinnungshemmer XARELTO zu erteilen. So zögerte die US-amerikanische FDA lange, ehe sie ihr Einverständnis für die Verwendung zur Vorbeugung von Schlaganfällen und von Thrombosen bei schweren orthopädischen Operationen gab, weil bei den Klinischen Tests Nebenwirkungen wie Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden auftraten. Trotzdem versucht der Leverkusener Multi beständig, das XARELTO-Anwendungsspektrum zu erweitern. Nach Zulassungsanträgen für den prophylaktischen Einsatz zur Verhinderung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie (Ticker 2/12) ersucht BAYER nun auch um grünes Licht in Europa und den USA für die Vermarktung der Substanz zur Nachbehandlung von Thrombose-PatientInnen und zur Lungenembolie-Therapie. Darüber hinaus laufen im Moment Studien zur Vermeidung von Thrombosen bei Hüft- oder Kniegelenksersatzoperationen.

Blutungen durch XARELTO
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) hat 306 Meldungen über Blutungen nach dem Einsatz von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO erhalten. Das ergab eine Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Dabei legt die Behörde Wert auf die Feststellung, dass es sich um Verdachtsfälle handelt.

XARELTO-Rabattvertrag mit der AOK
BAYERs umstrittener Blutgerinnungshemmer XARELTO (s. o.) hat einen stolzen Preis. 30 Tabletten kosten über 100 Euro – weit mehr als vergleichbare Präparate. Um das Medikament trotzdem in den Markt zu drücken, hat der Leverkusener Multi mit der AOK Rheinland/Hamburg einen Rabattvertrag abgeschlossen. Auch für die „Multiple Sklerose“-Arznei BETAFERON existiert eine entsprechende Vereinbarung mit der Krankenkasse.

Mehr YASMIN-Warnhinweise
Im Dezember 2011 entschied sich die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA in einem knappen Votum dafür, BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie trotz der Nebenwirkung „Thromboembolie“ auf dem Markt zu lassen (Ticker 1/12). Im Frühjahr 2012 verpflichtete die Institution den Leverkusener Multi aber wenigstens, auf den Packungen auf das erhöhte Thromboembolie-Risiko hinzuweisen.

ASPIRIN gegen Krebs?
Der britische Forscher Peter M. Rothwell hatte bereits im letzten Jahr eine Untersuchung veröffentlicht, wonach ASPIRIN das Krebs-Risiko senke. Wer das Präparat fünf Jahre lang täglich schluckte, reduzierte das Sterberisiko um 21 Prozent, so der Wissenschaftler. Rothwell hatte allerdings ein ganz anderes Studien-Ziel. Der Forscher wollte den Einfluss des „Tausendsassas“ auf Herz/Kreislauferkrankungen ermitteln, weshalb der Mediziner nicht auf Daten zum individuellen Krebsrisiko der PatientInnen zurückgreifen konnte. Zudem reicht eine Nachbeobachtungsphase von vier Jahren nicht aus, um eine Tumor-Gefährdung auszuschließen, wie andere ÄrztInnen kritisierten (Ticker 2/11). Aber Rothwell ließ nicht locker. Jetzt wertete er 51 Studien aus und fand seine Ergebnisse bestätigt. Zwei Untersuchungen, die zu ganz anderen Befunden kamen, „übersah“ er jedoch. Vielleicht haben seine Verbindungen zu BAYER sein Seh-Vermögen getrübt. Er erforscht im Auftrag des Pharma-Riesen nämlich noch andere angebliche ASPIRIN-Segnungen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Neues Pestizidgesetz
Die Bundesregierung hat die neue Pestizid-Richtlinie der EU in nationales Recht überführt. Das Gesetz bringt einige Verbesserungen wie das Verbot des Spritzens aus der Luft und Anwendungsbeschränkungen beispielsweise für Schulhöfe, weist jedoch auch gravierende Mängel auf. So gibt es keine erhöhten Auflagen für den Hausgebrauch von Agrochemikalien. „Beispiel hierfür ist das „BAYER GARTEN“- Rosenschädlingsspray, das neben dem bienengefährlichen Wirkstoff Imidacloprid den hochgefährlichen Wirkstoff Methiocarb enthält“, kritisiert das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN). Die Initiative wirft der Regierungskoalition zudem vor, keine strengeren Export-Vorschriften erlassen zu haben, weshalb hierzulande verbotene Ackergifte immer noch ihren Weg in andere Länder finden können. Darüber hinaus fällt das Paragraphen-Werk den Pestizid-ExpertInnen zufolge in mehreren Punkten hinter die EU-Richtlinie zurück. Es schreibt nämlich weder die Einrichtung von Pufferzonen zum Schutz der Gewässer vor noch die Verwendung von Substanzen geringerer Giftigkeit in Gebieten mit gefährdeter Flora und Fauna. Und eine besondere Regelung zu den Saatgut-Beizmitteln wie BAYERs CONFIDOR, die für ein millionenfaches Bienensterben verantwortlich sind, fehlt laut PAN ebenfalls.

64 hochgefährliche Pestizide
Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) hat die Produktpalette der drei Agro-Riesen BASF, BAYER und SYNGENTA daraufhin untersucht, wie viele nach wissenschaftlichen Standards hochgefährliche Pestizide sich im Angebot befinden. Beim Leverkusener Multi stieß die Initiative auf 64 Agrochemikalien, die wegen ihrer Langzeit-Wirkung, ihrer Umweltgiftigkeit oder ihrer akuten Toxizität in diese Kategorie gehören. Besonders die ärmeren Länder kommen „in den Genuss“ dieser Mittel. 15 der inkriminierten Wirkstoffe verkauft der Leverkusener Multi ausschließlich in Afrika, Asien und Lateinamerika, und 11 dieser 15 Ackergifte darf er in Europa auch gar nicht mehr anbieten. Wegen dieses Besorgnis erregenden Ergebnisses unterstützt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die PAN-Kampagne „Rote Karte für SYNGENTA, BAYER und BASF“.

Giftige Blumenpracht
Nach den Niederlanden ist Kolumbien der weltweit größte Exporteur von Schnittblumen. „Für BAYER CROPSCIENCE ist Kolumbien damit etwas besonderes. Allein sieben Mitarbeiter sind ausschließlich für die Kunden in der Blumen-Industrie unterwegs“, heißt es in der konzern-eigenen Propaganda-Postille BAYER direkt. Der Leverkusener Multi, der mit seinen Agro-Chemikalien die Position des Marktführers in dem südamerikanischen Land innehat, entwickelt sogar Pestizide speziell für die Pflanzungen wie etwa LUNA „gegen die bei Blumenzüchtern gefürchtete Grauschimmel-Fäule“. Die ArbeiterInnen, die auf den Plantagen für einen kargen Lohn malochen müssen, fürchten sich dagegen weniger vor der Grauschimmel-Fäule und anderen Pflanzen-Krankheiten als vielmehr vor LUNA und anderen Gegenmitteln. Immer wieder kommt es zu Vergiftungen; eine Schutzkleidung tragen nur die wenigsten. Auch sonst dürfen die Beschäftigten ihre Rechte nicht wahrnehmen: Eine Gewerkschaftsmitgliedschaft gilt als Kündigungsgrund.

Chlorpyrifos schädigt Gehirne
Der Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos kann die Entwicklung von Embryos im Mutterleib stören und bei den Kindern später Gehirnschäden verursachen. Das haben ForscherInnen der New Yorker Columbia-Universität herausgefunden. „Unsere Ergebnisse sind Besorgnis erregend“, schreiben Virginia Rauh und ihr Team in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences. Das Ackergift, das in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER enthalten ist, lässt schon in geringsten Dosen die Großhirnrinde schrumpfen und wirkt auf Regionen ein, welche die Emotionen, die Impuls-Kontrolle, die Aufmerksamkeit und die sozialen Beziehungen steuern. Auch die geschlechtstypischen Prägungen des Gehirns verändert die Agrochemikalie. Als Konsequenz aus ihren Befunden fordern die WissenschaftlerInnen eine Erhöhung der Grenzwerte für Chlorpyrifos.

Immer mehr Bixafen-Resistenzen
Kaum hatte BAYER den Fungizid-Wirkstoff Bixafen auf den Markt gebracht, da hatten sich schon die ersten Pilz-Arten an die Mittel mit den Produkt-Namen AVIATOR, XPRO und ZANTARA gewöhnt. Als „mittel bis hoch“ stuft das wissenschaftliche Komitee der Agro-Riesen das Resistenz-Risiko mittlerweile ein und rät dazu, das Pestizid höchstens zweimal pro Saison auszubringen. Der Leverkusener Multi gibt diese Empfehlung zwar weiter, hält aber fest: „Für eine nachhaltige Resistenz-Strategie zum Erhalt der Wirksamkeit der Carboxamide – zu dieser Gruppe gehört Bixafen – sind die Fungizide mit XPRO-Technologie sehr gut konzipiert.“ Der Konzern will sich nämlich das Geschäft nicht vermiesen lassen. Schließlich plant er, noch in diesem Jahr ein weiteres Carboxamid auf den Markt zu bringen.

Bienensterben in Kanada
Auch in Kanada kam es zu einem Bienensterben. WissenschaftlerInnen untersuchten daraufhin 37 tote Tiere und wiesen bei 28 von ihnen Spuren des BAYER-Pestizidwirkstoffs Clothianidin nach.

Bienengefährliche Topseller
Die Insektizide GAUCHO und CONFIDOR mit dem Wirkstoff Imidacloprid, die schon Millionen von Bienenvölkern den Tod brachten, zählen mit einem Jahresumsatz von jeweils 400 Millionen Euro zu den Topsellern mit Pestizid-Sortiment von BAYER. Nur das Fungizid NATIVO brachte mit 500 Millionen noch mehr ein.

SANTANA: wieder Ausnahmegenehmigung
BAYERs Pestizide mit dem Wirkstoff Clothianidin gehörten mit zu den Agro-Chemikalien, die im Jahr 2008 ein
massives Bienensterben verursacht hatten. Deshalb verboten viele Länder das Insektizid. Hierzulande entschieden die Behörden, die Zulassung für Mais-Kulturen einstweilen ruhen zu lassen. Allzulange ruhte diese allerdings nicht. Immer wieder entdeckte das dem Landwirtschaftsministerium unterstehende „Julius-Koch-Institut“ Notfall-Situationen, die einen Griff nach dem Wirkstoff angeblich unumgänglich machten. Auch in diesem Jahr tat es das – in Form des Drahtwurms war Gefahr im Verzug. So erteilte das Institut bereits zum dritten Mal eine Ausnahmegenehmigung für das Clothianidin-Granulat SANTANA. Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) kritisierte die Entscheidung: „Unter dem Deckmantel der Notfall-Situation werden Jahr für Jahr Ausnahmen für verbotene Pestizide genehmigt. Hier wird den ökonomischen Interessen Einzelner Vorrang vor Umwelt- und Naturschutz eingeräumt.“ PAN zufolge werden solche Ausnahmen immer mehr zur Regel. Von 59 auf 310 stieg ihre Zahl europa-weit binnen der letzten vier Jahre.

Neue Clothianidin-Studie
In Österreich dürfen die LandwirtInnen BAYERs Pestizid-Wirkstoff Clothianidin (enthalten in den Produkten PONCHO, PROSPER und SANTANA) noch auf ihren Maisfeldern einsetzen. Andere Länder wie z. B. die Bundesrepublik haben den Stoff wegen seiner Bienengefährlichkeit hingegen verboten, gewähren jedoch Ausnahmegenehmigungen (s. o.). Die österreichischen Behörden haben jedoch eine Studie zu Risiken und Nebenwirkungen der Chemikalie in Auftrag gegeben, die der Leverkusener Multi mitfinanziert hat. Das Ergebnis fiel für den Agro-Riesen wenig schmeichelhaft aus. Clothianidin sei „regional“ für das Verenden von Bienenvölkern verantwortlich, befanden die ForscherInnen. Wirkliche Konsequenzen wie ein Bann des Mittels will die Alpenrepublik jedoch nicht ziehen, sie plant lediglich etwas strengere Auflagen.

Neue Imidacloprid-Studie
Eine neue Studie der Universität von Stirling bestätigt einmal mehr die bienenschädigende Wirkung von BAYERs Pestizid-Wirkstoff Imidacloprid, das der Agro-Riese z. B. unter Produktnamen wie ADMIRE, CONFIDOR, EVIDENCE und PROVADO vermarktet. Hatte der Leverkusener Multi die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen immer mit Verweis darauf angezweifelt, dass diese in Laboren und nicht unter freiem Himmel stattgefunden haben, so kann er dieses Argument nun nicht mehr anbringen. Professor David Goulson und sein Team haben nämlich einen Feldversuch unternommen und auch dabei eine Reduzierung der Zahl der Bienenköniginnen um 85 Prozent durch die Effekte von CONFIDOR & Co. festgestellt.

Geschäfte mit dem Bienensterben
Einer Unzahl von Studien zum Trotz (s. o.) haben für den Leverkusener Multi keineswegs die haus-eigenen Pestizide das millionenfache Bienensterben verursacht, die Verantwortung dafür trägt dem Konzern zufolge vielmehr die böse Varroa-Milbe. Dabei wird höchstens umgekehrt ein Schuh daraus: Weil die Agrochemikalien die Tiere so schwächen, können sie eine Angriffsfläche für die Parasiten bilden. Aber der Global Player wehrt sich nicht nur gegen diese Einsicht, um die Vermarktungschancen für CONFIDOR & Co. nicht zu gefährden. Er hat noch einen zweiten Grund dafür. Mit dem Pyrethroid (Wirkstoff: Flumethrin), das er unter dem Slogan „Gesunde Bienen“ feilbietet, hält er nämlich angeblich das passende Gegenmittel zum Milben-Befall bereit. So sind die armen Bienen den BAYER-Giften sinnloserweise gleich doppelt ausgeliefert, und der Leverkusener Multi schlägt sogar noch aus den Folgen seiner rücksichtslosen Geschäftspolitik Profit. Die Milben indessen stellen sich bereits auf BAYVAROL ein und bilden Resistenzen aus.

PFLANZEN & SAATEN

Neue pestizid-tolerante Zuckerrübe
Die KWS SAAT hat für den Leverkusener Multi eine Zuckerrübe entwickelt, die gegen das BAYER-Herbizid BETANAL resistent ist. Deshalb können die LandwirtInnen das Mittel in Kombination mit der Pflanze, mit deren baldiger Zulassung der Agro-Riese rechnet, in rauen Mengen gegen Unkrautwuchs verwenden. Die Züchtung erfolgte auf konventionellem Weg über die Auswahl einer Pflanze als Ausgangsmaterial, deren Erbgut angeblich über eine Enzym-Veränderung verfügt, die für den schnellen Abbau der Agrochemikalie sorgt.

Mehr Gemüsezucht in Leudal
Der Leverkusener Multi hat sein Gemüsezucht-Zentrum im niederländischen Leudal ausgebaut. Die zur Verfügung stehende Fläche wuchs fast um das Dreifache. Mit dieser Investition verstärkt der Konzern sein Engagement auf diesem Sektor weiter. Neben einer zweiten Forschungs- und Entwicklungseinrichtung, die in den USA angesiedelt ist, unterhält er noch 26 Gemüsezucht-Stationen sowie zwei Dienstleistungszentren.

GENE & KLONE

Neue Krebsmittel-Anforderungen?
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzu oft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So verlängert BAYERs NEXAVAR, das auf einen Monatspreis von 4.200 Euro kommt, das Leben der PatientInnen gerade einmal um zwei bis drei Monate. Da sich neue Pharmazeutika seit der Arzneimittelgesetz-Novelle von 2011 einer Kosten/Nutzen-Bewertung stellen müssen, könnte die Luft für die Mittel bald dünner werden. Es existieren nämlich Pläne, von ihnen eine deutlich höhere Wirksamkeit zu verlangen, wenn die Krankenkassen weiter im vollen Umfang für sie aufkommen sollen. Das stößt beim von BAYER gegründeten „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) erwartungsgemäß auf Kritik. „Wenn man diese Hürde schon vor zehn Jahren gesetzt hätte, dann hätte es keinen Fortschritt in der Krebs-Behandlung gegeben“, erklärte der Vorstandsvorsitzende Hagen Pfundner.

Neues KOGENATE
Das einzig neue bei neuen BAYER-Medikamenten ist oft die Darreichungsform. So entwickelt der Leverkusener Multi zur Zeit eine Variante seines gentechnisch hergestellten Bluterpräparats KOGENATE, die sich länger im Blut hält, weshalb die Patienten es nicht mehr so oft injizieren müssen. Einen entsprechenden Versuch hatte der Konzern 2010 schon einmal wegen Erfolglosigkeit eingestellt. Für den zweiten Anlauf, der auch zum Ziel hat, mit einem KOGENATE 2.0 dem drohenden Auslaufen des Patentschutzes zuvorzukommen, hat das Unternehmen gerade erste Tests durchgeführt.

AMGEN entwickelt Antikörper
Das bundesdeutsche Biotech-Unternehmen AMGEN entwickelt für den Leverkusener Multi einen weiteren Antikörper zur Zerstörung von Krebszellen. Bislang haben Medikamente auf Basis von Antikörpern die in sie gesetzten Erwartungen allerdings nicht erfüllen können. So schafft es BAYERs NEXAVAR kaum, die Lebenserwartung der PatientInnen länger als ein paar Wochen zu erhöhen, kostet aber Unsummen (SWB 4/10).

Geburtsschäden durch Glyphosat
Das Anti-Unkrautmittel Glyphosat, das hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe, aber auch zusammen mit BAYER-Produkten wie der Baumwolle „GHB 614“ zum Einsatz kommt, kann zu Geburtsschäden führen. Dem „Bundesamt für Verbraucherschutz“ liegen die entsprechenden Untersuchungen vor. Es bewertet die in den Dokumenten aufgeführten Missbildungen jedoch nicht als statistisch relevant und verlängerte die Zulassung bis 2015 (Ticker 2/12). Die WissenschaftlerInnen der Studie „Round Up and birth defects: Is the public kept in dark?“ kritisierten diese Haltung scharf.

Glyphosat in Lebensmitteln
Das schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerium wies Spuren des Pestizid-Wirkstoffs Glyphosat, der hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe, aber auch mit BAYER-Produkten wie der Baumwolle „GHB 614“ zum Einsatz kommt, in Import-Linsen und Haferflocken nach. Dies setzt die VerbraucherInnen Gesundheitsgefährdungen aus, denn die Agro-Chemikalie kann Embryos schädigen (s. o.) und ist darüber hinaus mit zahlreichen weiteren Risiken und Nebenwirkungen behaftet.

BAYER-Raps kreuzt aus
Gentechnisch manipulierter BAYER-Raps wandelt mal wieder auf Freiersfüßen. US-ForscherInnen untersuchten wild wachsenden Raps und stießen in 288 von 634 Proben neben Spuren von Gentech-Pflanzen made by MONSANTO auch auf solche, die von den LIBERTYLINK-Produkten des Leverkusener Multis herrühren. Mit solchen Raps-Auskreuzungen machte der Konzern schon mehrfach Schlagzeilen. 2002 griff Gen-Raps von einem bundesdeutschen Versuchsfeld auf andere Ackergründe über. 2005 fanden sich Spuren der Labor-Früchte in konventionell erzeugter australischer und biologisch angebauter kanadischer Ware. Und 2007 kontaminierte das BAYER-Kreuzblütengewächs Saatgut eines Produzenten aus Deutschland.

BAYER kauft Soja-Züchtungen
Der Leverkusener Multi hat PROSOY GENETICS, die Sojazucht-Sparte des Unternehmens THOMSON AGRONOMICS, gekauft. „Mit der Übernahme erweitert BAYER seine Möglichkeiten bei der Züchtung von Sojabohnen“, erklärte der Konzern. Vor allem von dem PROSOY-Forschungsprogramm mit herbizid- und insektizid-resistenten Gen-Pflanzen verspricht der Agro-Riese sich viel. Zudem sieht er durch den Erwerb der Firma aus dem Mittleren Westen der USA die in der Region die Vermarktungschancen für seine Soja-Kreationen der LIBERTYLINK-Baureihe steigen.

Bt tötet nicht nur Schadinsekten
Das Gift-Bakterium Bacillus thuringiensis (Bt), mit dem BAYER und andere Agro-Riesen ihre Gen-Pflanzen bestückt haben, tötet nicht nur Schadinsekten, sondern auch andere Tiere wie z. B. Marienkäfer. Dies ergab ein Fütterungsversuch mit Bt-haltigen Mehlmotten-Eiern, den Angelika Hilbeck mit weiteren ForscherInnen der ETH Zürich durchgeführt hat.

WASSER, BODEN & LUFT

Großzügiger Strom-Rabatt
BAYER gehört zu den energie-intensiven Unternehmen. Und der Konzern hat auch keinen Anreiz, seinen Strom-Bedarf zu senken. Der Staat gewährt den Großverbrauchern nämlich großzügige Rabatte, die auf die Rechnung der übrigen KundInnen aufgeschlagen werden. Eine von GREENPEACE in Auftrag gegebene Studie bezifferte die Vergünstigungen auf neun Milliarden Euro pro Jahr.

Bergkamen stinkt zum Himmel
Bereits seit Jahren klagen die AnwohnerInnen des Bergkamener BAYER-Werkes über Geruchsbelästigungen. Die 2008 eingeleiteten Umbau-Maßnahmen haben bislang keine Abhilfe schaffen können. Aus immer neuen Quellen dringt Gestank nach außen. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für schlechte Luft. Wenige Tage später flossen unvorhergesehen saure und basische Abwässer zusammen, was übel aufstieß (Ticker 4/11). Und dann kam es zu einem Angriff auf die Riech-Organe, für den der Konzern lange keine Erklärung hatte. Seit Neuestem vermutet er den Klärschlamm und die Ablagerungen in den Auffangbecken für die Betriebsabwässer als Ursache. Mitte März 2012 begannen deshalb die Sanierungsarbeiten. Unterdessen versucht das Unternehmen die BergkamenerInnen zu beruhigen: „Nach derzeitigem Erkenntnisstand geht von den Emissionen keine Gefahr für Mensch und Natur aus“.

Altlast in Hauxton
Im englischen Hauxton nahe Cambridge hinterließ der Global Player nach der Schließung eines Pestizid-Werkes verbrannte Erde: jede Menge Altlasten im Boden und im Grundwasser (Ticker berichtete mehrfach). Der Investor HARROW ESTATES will auf dem Areal trotzdem Häuser errichten. Zu einer Sanierung erklärte er sich erst nach massivem Druck bereit und wählte dementsprechend die billigste Variante. Die AnwohnerInnen klagten schon während der Aushub-Arbeiten über Kopfschmerzen, Rachen-Entzündungen und Atemnot. Und auch nach Abschluss der Maßnahmen änderte sich die Gefahrenlage nicht grundlegend. „Erhöhte Konzentrationen“ gleich mehrerer Pestizide maß die zuständige Umweltbehörde in einem nahe gelegenen Fluss. „Deshalb sollte das Gelände unter keinen Umständen bebaut werden“, meint der Umweltaktivist Robin Page.

CO & CO.

PPP-Planänderungsverfahren
BAYER ist beim Bau der umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline, welche die Standorte Dormagen und Krefeld miteinander verbinden soll, in 66 Fällen von den Planvorgaben abgewichen (Ticker 1/09). So verwendete der Leverkusener Multi zur Abschirmung der Rohre nur eine 60 cm breite Geogrid-Matte statt einer 80 cm langen, verlegte mancherorts nur 5,6 mm starke Rohre statt solche mit einer Wandstärke von 6,3 mm und änderte auch den Trassenverlauf. Darum musste BAYER nach dem Willen der Bezirksregierung Düsseldorf einen Planänderungsantrag stellen. Prüfen will die Behörde diesen allerdings nicht selber, sie sucht dafür per Ausschreibung einen externen Dienstleister – die im Zuge des Neoliberalismus populär gewordenen Public-Private-Partnerships (PPP) greifen nun also auch bei Genehmigungsverfahren um sich. Erich Hennen von der Initiative CONTRA PIPELINE wendet sich nicht nur aus diesem Grund gegen das Prozedere. Da das Düsseldorfer Verwaltungsgericht im letzten Jahr den gesamten Planfeststellungsbeschluss wegen der mangelnden Vorkehrungen für die Erdbebensicherheit für rechtswidrig erklärt hatte, tritt er dafür ein, wieder ganz von vorn zu beginnen. „Wenn der ursprüngliche Beschluss nicht rechtens ist, nützen keine Nachbesserungen. Es muss ein neuer Planfeststellungsbeschluss her“, so Hennen.

Wutkapitalist Dekkers
BAYER-Chef Marijn Dekkers hadert mit den Zeitläuften. Die Industrie müsse die Erfahrung machen, dass „aufgeklärte Wohlstandsbürger beschlossene Projekte in Frage stellen – und stoppen“, jammerte er angesichts der Diskussionen um das Kohlekraftwerk von EON und BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline. Und ihm schwindet langsam der Glaube an die Inbetriebnahme des Röhren-Werks. „Ich weiß nicht, ob die Pipeline jemals ans Netz gehen wird, wir werden sehen“, sagte er vor der „Wirtschaftspublizistischen Vereinigung“ in Düsseldorf. Der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von den Grünen gab die Kritik postwendend zurück. NRW sei Industrieland Nr. 1 und werde es auch bleiben, „aber nur, wenn auch die Wirtschaft akzeptiert, dass die Zeit der Blankoschecks bei der Realisierung von Industrie-Projekten vorbei ist“, stellte er fest und warf EON und BAYER „gravierende handwerkliche Fehler“ bei der Vorbereitung der Projekte vor. „BAYER sollte sich hier selber an die Nase packen, solide Arbeit machen und nicht immer neue Stellenabbau-Runden und Verlagerungen ins Ausland ankündigen“, so Remmel.

NANO & CO.

Erörterungstermin in Sachen „Nano“
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln BAYERs BAYTUBES und andere Nano-Produkte jedoch unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Genau dies stand dann auch bei dem Erörterungstermin zum Genehmigungsantrag der Firma H. C. STARCK, die ihre BAYTUBES-Herstellung von einem Versuchsbetrieb auf Normalproduktion umstellen und darüber hinaus ausweiten will (siehe auch RECHT & UNBILLIG), auf der Tagesordnung. Bei der Anhörung stritten die BAYER-Vertreter die Gefährlichkeit der Winzlinge rundweg ab. Sie seien weder giftig noch umweltschädlich und reicherten sich auch nicht im menschlichen Organismus an, versuchte etwa Jacques Ragot zu beruhigen. „Nano bezeichnet eine Größenangabe und ist keine gefährliche Eigenschaft“, so der Chemiker, es gebe zwar Hinweise auf eine Lungenkrebs-Gefahr durch Nano-Teilchen, aber die seien mit den BAYTUBES nicht zu vergleichen. Leider kommen die von BAYER selber herausgegebenen Sicherheitsdatenblätter da zu ganz anderen Schlüssen. Als Claudia Baitinger vom BUND und Barbara Dohmen von der Initiative LEBENSWERTER HOCHRHEIN dies thematisierten, legten die Konzern-Emissäre plötzlich ganz neue, noch nicht einmal der Genehmigungsbehörde bekannte Dokumente vor. Diese konnten allerdings ebenfalls nicht überzeugen. Das Regierungspräsidium blieb misstrauisch und gab erst einmal ein Arbeitsschutz-Gutachten in Auftrag, um sich „bei Fragen der Toxikologie nicht allein auf die Angaben der Firma BAYER verlassen zu müssen“.

Gutes Nano, schlechtes Nano
Der „Sachverständigenrat für Umweltfragen“ kommt in seinem Sondergutachten „Vorsorgestrategien für Nano-Materialien“ zu einer durchaus kritischen Bewertung der neuen Technologie. Von BAYERs BAYTUBES gehen nach Meinung der ExpertInnen jedoch keine gravierenderen Gesundheitsgefahren aus: „Kleine Fasern und nichtstarre Fasern, zum Beispiel BAYTUBES, haben mutmaßlich keine asbestartige Wirkung, sondern ähneln in ihrer Wirkung eher granulären biopersistenten Stäuben.“ Nur die langen und starren Partikel hätten ein größeres Gefährdungspotenzial, so die WissenschaftlerInnen. Ihr Urteil stützt sich allerdings ausschließlich auf Forschungsarbeiten vom Leverkusener Multi selber, und nicht einmal diese stellen dem Produkt einen Persilschein aus. Es greift auch nach Meinung der Konzern-WissenschaftlerInnen die Lungen an, aber als Arbeitsschutzmaßnahme reicht ihnen zufolge ein Grenzwert von 0,05 mg pro Kubikmeter Raumluft aus. Unterdessen macht das Votum des Sachverständigenrates Karriere. Überall, wo die BAYTUBES-Risiken zur Debatte stehen wie jetzt im Zuge des Genehmigungsverfahrens für eine Fertigungsstätte dieser Kohlenstoff-Röhrchen (s. o.), da zitieren JournalistInnen die Einschätzung des Gremiums – natürlich ohne die BAYER-Quelle der Erkenntnis zu nennen.

VCI gegen strengere Auflagen
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln die Erzeugnisse wie BAYERs BAYTUBES-Kohlenstoffröhrchen jedoch oftmals unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Aus Gründen des vorsorglichen Gesundheitsschutzes hat der „Sachverständigenrat für Umweltfragen“ (s. o.) deshalb Verschärfungen im Chemikalien- und Umweltrecht gefordert. Der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) lehnt das jedoch ab. „Diese Vorschläge halten wir angesichts der vorhandenen Datenlage für überzogen. Sie würden die Innovationspotenziale, die die Nanotechnologie bietet, unnötig beeinträchtigen“, erklärte die Lobby-Organisation von BAYER & Co. Auch gegen eine Begriffsdefinition, die alle Partikel zwischen einem Milliardstel Meter und hundert Milliardstel Metern unter „Nano“ subsummiert, wandte sich der VCI. Damit mache man de facto alle Alltagsprodukte zu Nanoprodukten, kritisierte der Verband.

Noch mehr Nano-Risiken
Die Liste der möglichen Risiken und Nebenwirkungen durch die Nano-Technologie wird immer länger. Auf einem internationalen Kongress in Würzburg, der im Mai 2011 stattfand, betonten die WissenschaftlerInnen vor allem die Gesundheitsgefährdungen, die durch die Eigenschaft der Partikel ausgelöst werden, sich an Moleküle heften oder in die DNA eindringen zu können. Dies erhöht nämlich die Gefahr der Entstehung von Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, Creutzfeldt-Jakob, Diabetes, Arteriosklerose, Herz/Kreislauf-Schädigungen oder Krebs.

Dekkers gibt Nano-Entwarnung
Konzern-Chef Marijn Dekkers fürchtet sich vor gar nichts. Im Selbstversuch schaufelt der Holländer Gen-Gemüse in sich hinein, die bundesdeutsche Reaktion auf die Atom-Katastrophe von Fukushima bezeichnete er in einem Interview als überzogen und für BAYERs Kohlenmonoxid-Leitung von Dormagen nach Krefeld verbürgt er sich auch. Da ist ihm natürlich vor den winzig kleinen Nano-Teilchen ebenfalls nicht bange. Wider besseren Wissens versichert er sich dabei sogar des Beistandes der ForscherInnen-Gemeinschaft. „Aber obwohl es keine wissenschaftliche Nachweise dafür gibt, dass Nano-Materialien zu Schädigungen von Umwelt und Gesundheit führen, sehen einige Interessensgruppen auch hier vor allem potenzielle Risiken“, kritisiert der Manager in der Börsen-Zeitung.

UNFÄLLE & KASTASTROPHEN

Schwelbrand in Monheim
Am 13. März 2012 kam es in einem Monheimer Gebäude von BAYER CROPSCIENCE zu einem Schwelbrand mit starker Rauchentwicklung, weil sich Isoliermaterial entzündet hatte. Die Feuerwehr vermutet einen technischen Defekt als Ursache.

Abwasser trat aus
Am 13. Mai 2012 kam es auf dem Gelände von BAYERs Krefelder Chemie„park“ zu einem Unfall. Durch einen Defekt in einer Hebe-Anlage trat ungereinigtes Abwasser aus. Dies überforderte offenbar die Werksfeuerwehr. Beim ihrem Einsatz musste die Berufsfeuerwehr der Stadt helfen.

BAYER ruft Hormon zurück
Der Leverkusener Mul

[Pestizid Tribunal] STICHWORT BAYER 02/2012

CBG Redaktion

Gefährliche Pestizide

BAYER VOR GERICHT

Das seit 1979 bestehende PERMANENT PEOPLES’ TRIBUNAL befasste sich im Dezember 2011 mit den katastrophalen Folgen des großflächigen Einsatzes von Agrochemikalien. Das Tribunal, das diesmal im indischen Bangalore stattfand, hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN eingeladen, um der Jury den Fall des von BAYER-Pestiziden wesentlich mitverursachten globalen Bienensterbens darzulegen. Die RichterInnen verurteilten den Leverkusener Chemie-Multi dafür und sprachen auch die anderen Agro-Konzerne schuldig.

Sarojini Rengam, Direktorin des PESTIZID AKTIONS-NETZWERKS (PAN) Asien, war wütend: „Die Landwirtschaft, das Herz der globalen Nahrungsmittel-Produktion, wird von Konzernen dominiert, denen Profite wichtiger sind als Menschenleben. Solange sich dies nicht ändert, wird es immer wieder Tragödien wie die in Bhopal geben!“. Rengam forderte die Regierungen in aller Welt auf, die Verantwortlichen dafür vor Gericht zu stellen: „Die Pestizid-Hersteller sind für Vergiftungen und Umweltkatastrophen in aller Welt verantwortlich. Hierfür müssen sie endlich zur Rechenschaft gezogen werden!“ Nach Angaben der Weltbank sterben jedes Jahr etwa 350.000 Menschen an Pestiziden; viele Fälle bleiben zudem unentdeckt.
Auf den Tag genau 27 Jahre nach der Katastrophe in Bhopal, wo nach einer Explosion in einer Pestizidfabrik rund 20.000 AnwohnerInnen das Leben verloren, begann in Bangalore, einige hundert Kilometer südlich von Bhopal, die 37. Sitzung des PERMANENT PEOPLES´ TRIBUNAL (PPT). Die viertägige Verhandlung befasste sich in diesem Jahr ausschließlich mit Pestizid-Vergiftungen. Hierfür kamen mehr als 200 JuristInnen, WissenschaftlerInnen und VertreterInnen von LandwirtInnen und Umweltverbänden aus aller Welt zusammen.
Das PERMANENT PEOPLE´S TRIBUNAL existiert seit 1979. Es wurde gegründet, um auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen, die sich dem institutionellen Recht entziehen. Hervorgegangen ist das PPT aus dem Russell-Sartre-Tribunal zur Untersuchung des Vietnamkriegs. Das Verfahren folgt den strengen Regeln einer juristischen Verhandlung und bezieht sich auf existierendes Recht, zum Beispiel die UN-Deklaration für Menschenrechte. Das Urteil wird den Vereinten Nationen sowie den verantwortlichen Regierungen zugestellt.
In der Jury des PPT sitzen JuristInnen aus aller Welt. Den Vorsitz hat momentan Upendra Baxi inne, Rechtsprofessor an der Universität von Warwick. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK hatte der Jury eine 300-seitige Anklageschrift vorgelegt, in der die Folgen des weltweiten Pestizid-Einsatzes akribisch dokumentiert werden.

Opfer von Alaska bis Malaysia
Eröffnet wurde die Sitzung in Bangalore von M. N. Venkatachaliah, dem ehemaligen obersten Richter Indiens. Auf der Anklagebank saßen die sechs größten Hersteller von Agrogiften: MONSANTO, DOW, BASF, BAYER, SYNGENTA und DUPONT. Diese „Big6“ kontrollieren 71 Prozent des globalen Pestizid-Marktes und 58 Prozent des kommerziellen Saatgut-Marktes. Die Agro-Industrie stellt somit einen der am stärksten konzentrierten Wirtschaftszweige der Welt dar.
In der Anhörung kam eine große Zahl von Betroffenen zu Wort. So berichteten malaysische Arbeiterinnen über Vergiftungen und Todesfälle in Palmöl-Plantagen. „Ich habe Paraquat ohne jegliche Schutzkleidung versprüht, da ich die Gefahren nicht kannte”, so Nagama Raman. Das von der schweizer Firma SYNGENTA produzierte Herbizid ist hochgiftig und in der Schweiz seit 1989 verboten. Dennoch vertreibt das Unternehmen den Wirkstoff in mehr als 100 Ländern. Mit verheerenden Folgen: Nagama Raman ist wegen chronischer Gesundheitsschäden nicht mehr in der Lage, für ihren Lebensunterhalt aufzukommen.
Noch schlimmer traf es Petrona Villasboa aus Paraguay. Ihr Sohn Silvino wurde mit Glyphosat besprüht, als er mit dem Fahrrad durch eine Soja-Plantage fuhr. Der elfjährige Junge starb fünf Tage später an der Vergiftung. Auch seine Geschwister und Eltern erkrankten schwer. Zwar wurde die Ursache von Silvinos Tod gerichtlich eindeutig festgestellt. Dennoch wurde die Firma MONSANTO nicht zur Rechenschaft gezogen und kann Glyphosat, das weltweit am meisten eingesetzte und hauptsächlich beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zum Einsatz kommende Ackergift, ungestört weiter vermarkten.
Dass die Verantwortlichen straffrei ausgehen, ist gängige Praxis, nicht zuletzt auch in Indien. So konnte das ursprünglich von HOECHST entwickelte Insektizid Endosulfan, das vor zehn Jahren im Portfolio von BAYER landete, jahrzehntelang ungehindert für Vergiftungen, Todesfälle und Missbildungen sorgen. Allein im indischen Bundesstaat Kerala, wo LandwirtInnen das Präparat auf Cashewfrucht-Plantagen einsetzen, starben rund 4.000 Menschen infolge der Flugzeug-Sprühungen. Die Ärzte Dr. Mohan Kumar and Dr. Mohammed Asheel, die die Betroffenen seit Jahren behandeln, berichteten dem Tribunal von schrecklichen Gesundheitsschäden. BAYER hat den Wirkstoff zwar vor wenigen Monaten aus dem Verkehr gezogen, aber indische Firmen produzieren das Pestizid noch heute.
Und selbst dort, wo Agro-Chemikalien wie Endosulfan gar nicht ausgebracht werden, leiden die Menschen unter den langlebigen Schadstoffen. Denn viele Gifte sind biologisch kaum abbaubar; die Wirkstoffe migrieren über Luft- und Meeresströmungen bis in abgelegene Regionen, zum Beispiel die Arktis. Vi Waghiyi, eine Eskimo-Frau von der vor Alaska gelegenen Insel St. Lawrence, bezeugte vor dem Tribunal, wie sehr ihre Nahrung, hauptsächlich Fische und Robben, vergiftet ist. Die UreinwohnerInnen der Inseln vermögen sich deshalb nicht mehr auf traditionelle Weise ernähren und sind stattdessen auf teure Nahrungsmittel-Lieferungen aus den USA angewiesen.

Wissenschaft in Gefahr
WissenschaftlerInnen pflichteten dem Richter Venkatachaliah bei, der in seinem Eingangsstatement die Befürchtung geäußert hatte, dass die moderne Wissenschaft mehr und mehr als Mittel der Ausbeutung fungiere, statt den Menschen zu dienen. Sie berichteten von dem weitreichenden Einfluss der Hersteller auf die Forschung. Oftmals diskreditieren BAYER & Co. AutorInnen kritischer Studien oder trocknen sie finanziell aus. Der Biologe Dr. Tyron Hayes von der Universität Berkeley legte der Jury seine Studien-Ergebnisse über die Wirkungen des Pestizids Atrazin von SYNGENTA dar. Dieses verhindert ihm zufolge die Bildung des männlichen Hormons Testosteron. Männliche Frösche produzieren nur noch wenig Sperma, bilden stattdessen weibliche Geschlechtsmerkmale aus und werden unfruchtbar. Was bei Fröschen, anderen Amphibien und Vögeln zu beobachten ist, ist teilweise auch auf Menschen übertragbar. Für diese Warnung erntete Dr. Hayes, den Unternehmen einst mit Fördergeldern umwarben, Schmähungen als Außenseiter der Zunft. Erschwerend kommt seine Kooperation mit Umweltverbänden dazu. Das alles hätte Hayes fast seine Stelle gekostet - sich mit den Multis anzulegen, ist auch für ForscherInnen nicht ungefährlich.
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) schließlich rief das PPT in den Zeugenstand, um den Fall der weltweiten Bienensterben durch Neonicotinoide vorzustellen. Der BAYER-Konzern ist Weltmarktführer in dieser Substanz-Klasse, die in vielen Ländern wegen Risiken für Bienen nicht mehr frei in den Verkauf gelangen darf. In Deutschland, wo das BAYER-Pestizid Clothianidin im Jahr 2008 ein flächendeckendes Bienensterben verursachte (SWB berichtete mehrfach), erging beispielsweise ein Verbot für die Ausbringung auf Mais-Kulturen.
Zusammen mit dem britischen Imker Graham White informierte Philipp Mimkes von der CBG darüber, dass die französischen Behörden den vom Leverkusener Multi entwickelten Wirkstoff Imidacloprid wegen hoher Bienenschädlichkeit bereits 1999 aus dem Verkehr zogen. Sogar die UN-Umweltbehörde UNEP zeigt sich alarmiert. Sie veröffentlichte im vergangenen Frühjahr einen Bericht zu dem fortschreitenden Bienensterben, das wegen der verringerten Bestäubungsleistung auch eine Bedrohung für die Ernährungssicherheit darstellt, und bezeichnete die BAYER-Pestizide Clothianidin und Imidacloprid darin als Bedrohung für zahlreiche Tierarten. Die Pestizid-Gefahren für Insekten, Amphibien und Vögel nahmen dann auch einen großen Teil der Verhandlung ein und erhielten ein eigenes Kapitel im Urteil der Jury. Den Verkauf der Mittel stören solche Befunde allerdings nicht. Trotz gravierender Bedenken von WissenschaftlerInnen und ImkerInnen erfreuen sich Neonicotinoide noch großer Beliebtheit. Im vergangenen Jahr machte der Global Player mit diesen Substanzen einen Umsatz von 900 Millionen Euro - Grund genug für den Konzern, mit allen Mitteln gegen ein Verbot zu kämpfen.

Einstimmige Verurteilung
Die sechsköpfige Jury verurteilte in ihrer Abschlusserklärung BAYER und die andern fünf Unternehmen, die den Weltmarkt für Pestizide und Saatgut dominieren, wegen schwerster Umwelt- und Gesundheitsschäden. Der ungezügelte Einsatz von Agrogiften verletze das Menschenrecht auf Gesundheit und Leben; Millionen Menschen, vor allem in den Ländern des Südens, würden wissentlich hohen Risiken ausgesetzt, so die RichterInnen.
Neben den sechs Konzernen und ihren Herkunftsländern (USA, Deutschland, Schweiz) sprachen die JuristInnen auch den Internationalen Währungsfonds, die Weltbank und die Welthandelsorganisation schuldig. Sie haben, so die Jury, durch ihre Programme die Macht der Konzerne vergrößert und den Einsatz von Pestiziden weiter begünstigt, ohne dabei auf die Einhaltung der Menschenrechte zu dringen.
Die Jury verlangt von den Regierungen der Herkunftsländer, Straftatbestände zur Aufklärung von Pestizid-Vergiftungen einzuführen. Auch seien entsprechende internationale Gesetze erforderlich. Besonders gefährliche Wirkstoffe wie Neonicotinoide müssten zum Schutz von Bienen und Wildinsekten unmittelbar verboten werden. Zudem ermahnten die JurorInnen die Firmen, jegliche Angriffe auf kritische WissenschaftlerInnen, UmweltschützerInnen und LandwirtInnen, die gegen Pestizidvergiftungen protestieren, einzustellen.
Zwar untersteht dem Tribunal keine Exekutive, so dass es nicht möglich ist, das Urteil zu vollstrecken. Es kann aber als Grundlage künftiger Prozesse dienen. Darüber hinaus erzeugt er Druck auf nationale Regierungen, den doppelten Sicherheitsstandard zu untersagen, der es den Firmen erlaubt, im Heimatland verbotene Wirkstoffe zu exportieren.
Carina Weber, Geschäftsführerin des PESTIZID AKTIONS-NETZWERKS Deutschland begrüßte das Urteil: „Dieses Tribunal macht deutlich, dass durch multinationale Agrarchemie-Konzerne begangene Menschenrechtsverletzungen in großem Ausmaß stillschweigend geschehen. Viele Opfer sind nicht in der Lage, ihre Rechte im eigenen Land juristisch einzufordern und auf globaler Ebene existiert kein wirksamer Mechanismus, um die Konzerne für begangene Menschenrechtsverletzungen haftbar zu machen.“
Von Philipp Mimkes, Coordination gegen BAYER-Gefahren

weitere Berichte und Fotos

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[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2012 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Die CBG in Indien beim PPT
Das seit 1979 bestehende PERMANENT PEOPLES’ TRIBUNAL (PPT) befasste sich im Dezember 2011 mit den katastrophalen Folgen des großflächigen Einsatzes von Agro-Chemikalien. Das Tribunal, das diesmal im indischen Bangalore stattfand, hatte auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eingeladen, um den Fall des von BAYER-Pestiziden wesentlich mitverursachten globalen Bienensterbens darzulegen. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes schilderte das Ausmaß der Katastrophe in aller Ausführlichkeit – und konnte die Jury überzeugen. Das sechsköpfige Gremium verurteilte in seiner Abschlusserklärung BAYER und die andern fünf Unternehmen, die den Weltmarkt für Pestizide und Saatgut dominieren, wegen schwerster Umwelt- und Gesundheitsschäden. Der ungezügelte Einsatz von Agrogiften verletze das Menschenrecht auf Gesundheit und Leben; Millionen Menschen, vor allem in den Ländern des Südens, würden wissentlich hohen Risiken ausgesetzt, so die RichterInnen (siehe auch SWB 2/12).

BAYER und die Kinderarbeit
Im Jahr 2003 veröffentlichte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Studie zur Kinderarbeit in Indien, die Erschreckendes zu Tage förderte. Allein auf den Feldern von Zulieferern der BAYER-Tochter PROAGRO malochten ca. 2.000 Minderjährige. Die CBG startete daraufhin eine Kampagne. Sie informierte die Medien, schrieb einen Offenen Brief an BAYER, brachte das Thema auf die Hauptversammlung und wandte sich an die OECD. Trotzdem tat sich fünf Jahre lang kaum etwas. Nur ganz allmählich beugte sich der Leverkusener Multi dem öffentlichen Druck und zeigte Initiative, um einen Image-Schaden zu vermeiden. Der Konzern belohnte FarmerInnen, die auf Kinderarbeit verzichteten, gab ihnen Tipps zur besseren Bewirtschaftung der Felder und richtete Schulen ein. So konnte er das Problem weitgehend lösen. Der Agro-Riese stellt das jedoch anders dar. Er sieht sich als Entwicklungshelfer, der jahrelang heldenhaft gegen Windmühlen kämpfte. Und die Financial Times Deutschland kaufte BAYER diese Geschichte ab. Auf zwei Seiten schilderte die Zeitung im Dezember 2011 das Engagement des Unternehmens und ging dabei nur im Kleingedruckten auf seine profanen Beweggründe ein.

Kölner Uni richtet Kommission ein
Vor vier Jahren vereinbarte BAYER mit der Kölner Hochschule eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen befürchteten eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Profit, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten die Organisationen eine Offenlegung des Vertrages. Die Universität verweigerte das jedoch, weshalb die CBG die Hochschule im Mai 2011 verklagte. Intern jedoch scheint sich etwas zu regen. So hat die Bildungseinrichtung eine Kommission ins Leben gerufen, die Richtlinien für künftige Kooperationen dieser Art mit Unternehmen erarbeiten soll.

Vorgenehmigung für TDI-Anlage
Auf den Erörterungsterminen für die von BAYER in Dormagen geplante Kunststoff-Anlage hatten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Verbände Anfang Oktober 2011 viele Vorbehalte geäußert. Sie beanstandeten etwa die fehlenden Angaben zur Umweltbelastung, eine mangelhafte Störfall-Vorsorge und eine ungenügende, da nur mit Blech statt mit Beton vorgenommene Ummantelung der Produktionsstätte. Zudem verlangten die Initiativen den Einbau eines Schutz-Schleiers, der bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte, und stellten in Frage, ob der Sicherheitsabstand der Fertigungsstätte zu Wohnsiedlungen ausreicht. Die Bezirksregierung hat dem Projekt trotzdem eine Vorgenehmigung erteilt. Aber so ganz unbeeindruckt hat sie die Kritik nicht gelassen. So hat die Behörde ein Gutachten zur Abstandsregelung in Auftrag gegeben und eine Exkursion nach Stade unternommen, um ein Chemie-Werk mit einer Betonhülle zu besichtigen. Allerdings führte das alles nicht zu geänderten Bau-Auflagen.

Kreuzweg der Arbeit führt zu BAYER
Die KATHOLISCHE ARBEITNEHMER-BEWEGUNG (KAB) hat Anfang März 2012 in Leverkusen einen „Kreuzweg der Arbeit“ initiiert, um auf das Leiden an den modernen Beschäftigungsverhältnissen aufmerksam zu machen. Sinnigerweise beginnt der Zug an einem Werkstor des Global Players. „Immer mehr Arbeitsplätze wurden in den letzten Jahren abgebaut, natürlich nicht nur bei BAYER. Aber eben das wollten wir darstellen“, so der KAB-Sekretär Wienfried Gather zur Erklärung.

Protest gegen Nano-Produktion
Bislang betreibt der Leverkusener Multi an seinem Stammsitz offiziell nur eine Versuchsanlage zur Nano-Produktion. Auch bei seiner ehemaligen Tochterfirma H. C. STARCK in Laufenburg läuft die Auftragsfertigung der Kohlenstoff-Röhrchen mit dem Produktnamen BAYTUBES nur im Testlauf. Dies soll sich nun ändern. H. C. STARCK hat beim Regierungspräsidium Freiburg einen Antrag auf einen Normalbetrieb nebst einer Kapazitätserweiterung von 30 auf 75 Tonnen im Jahr gestellt (siehe auch SWB 2/12). Die zuständige „Abteilung Umwelt“ hält das für eine reine Formsache. Da „keine schweren, komplexen, irreversiblen oder grenzüberschreitende, erheblich nachteilige Unweltauswirkungen auf den Standort (...) zu erwarten“ seien, will sie auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichten und im Genehmigungsverfahren lediglich immissionsschutzrechtliche Aspekte berücksichtigen sowie eine Erheblichkeitsuntersuchung durchführen. Doch dagegen erhebt sich Protest, denn der Verein LEBENSWERTER HOCHRHEIN und die ÖKOLOGISCHE ÄRZTE-INITIATIVE HOCHRHEIN IM BUND befürchten sehr wohl negative Auswirkungen. Die Nano-Technologie lässt nämlich Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen, wodurch diese unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften entwickeln. Deswegen haben die Verbände beim Regierungspräsidium eine Einwendung gegen das Vorhaben eingereicht, die sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zum Vorbild für eine eigene genommen hat, und ihre Kritik am 21. März auch auf einem Erörterungstermin vorgetragen.

Leserbrief zur Sportförder-Kürzung
BAYER zieht sich immer mehr aus der Breitensport-Förderung zurück. So kündigte der Konzern Ende 2011 an, die Unterstützung um einen weiteren „niedrigen einstelligen Millionenbetrag“ zu kürzen und sich mit dem Etat von 13 Millionen Euro „zukünftig auf sechs Großvereine konzentrieren“. Dies führte zu einem erbosten Leserbrief an den Leverkusener Anzeiger. „Für mich zeigt sich in dieser Art der Unternehmensführung die scheußliche Fratze des ungezügelten Kapitalismus“, empört sich der Schreiber.

310 MedizinerInnen warnen vor Pipeline
Im vergangenen Jahr hatte der Hildener Kinderarzt Dr. Gottfried Arnold die Landesregierung in einem Offenen Brief vor den Gefahren der zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline gewarnt. Inzwischen haben sich 310 MedizinerInnen seiner Meinung angeschlossen. Auf einer Pressekonferenz hat Arnold, der auch Mitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ist, vor dem Hintergrund jüngster Unfälle mit Kohlenmonoxid-Vergiftungen nochmals auf die Unmöglichkeit hingewiesen, im Falle eines Falles angemessen zu reagieren. „Die Rettungsmöglichkeiten bei einem Massen-Unfall sind völlig unzureichend“, kritisierte der Arzt angesichts ungenügender Behandlungskapazitäten in der Universitätsklinik Düsseldorf und nur einem Notarzt- und zwei Krankenwagen im Kreis Mettmann.

DIE LINKE gegen NRW-Hochschulräte
In den Hochschulräten als neuen Aufsichtsgremien der Universitäten sitzen zu einem Drittel VertreterInnen von Unternehmen. Der Leverkusener Multi darf da natürlich nicht fehlen. So ist der Konzern durch sein Vorstandsmitglied Richard Pott beispielsweise im Komitee der Universität Köln vertreten, mit welcher der Konzern auch eine umfassende Forschungskooperation unterhält (SWB 2/09). Die Partei DIE LINKE will solche Gepflogenheiten in Nordrhein-Westfalen jetzt unterbinden. Sie hat einen Gesetzes-Entwurf zur Abschaffung der Räte vorbereitet. Eine Mehrheit dürfte dieser jedoch kaum finden, obwohl die jetzige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die durch das „Hochschulfreiheitsgesetz“ geschaffene Einrichtung im Wahlkampf noch als Beispiel für eine „Privatisierung der Hochschulen“ kritisiert hatte.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER verlegt Rechnungslegung
Im Zuge seines 800 Millionen Euro schweren Rationalisierungsprogramms, das 4.500 Arbeitsplätze vernichtet, verlegt der Multi Teile der Rechnungslegung wie etwa die Kunden- und Lieferantenbuchhaltung von Leverkusen nach Asien und Osteuropa. Der Abteilung am Stammsitz bleiben dann nur noch Koordinierungsaufgaben, weshalb es dort zu Arbeitsplatz-Vernichtungen kommt.

BMS rationalisiert Rechnungswesen
BAYERs Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE hat seinen Bereich „Rechnungswesen“ einem Rationalisierungsprozess unterzogen. So schuf die Abteilung eine gemeinsame Controlling-Plattform für alle Standorte und legte Planungszyklen und Kostenstellen zusammen. Dadurch reduzierte das Unternehmen in den letzten drei Jahren seine Ausgaben um drei Millionen Euro – zum Leidwesen der Beschäftigten. „Der wesentliche Kostentreiber im Controlling ist das Personal. Der Großteil der Einsparungen beruht auf weggefallenen Personalkosten“, so der für die Umstrukturierungen verantwortliche Manager Axel Steiger-Bagel.

Weniger Jobs in Patent-Abteilung
Bisher beschäftigt der Leverkusener Multi in seiner Patent-Abteilung 200 Personen. Jetzt kündigte er im Zuge seines Rationalisierungsprogramms Umstrukturierungsmaßnahmen an, die 25 Arbeitsplätze vernichten. Der Konzern gründet die Tochter-Gesellschaft BAYER INTELLECTUAL PROPERTY (BIP) und löst die Patent-Sparte in Leverkusen komplett auf. Die Arbeit konzentriert sich so auf Monheim und die beiden neuen Standorte Eschborn und Schönefeld, die das Unternehmen nach eigenen Angaben aus Gründen der Steuer-Ersparnis wählte.

Sparen für die Traumrendite
Im Geschäftsjahr 2011 steigerte BAYERs Pillen-Sparte ihren Gewinn vor Sondereinflüssen um 6,7 Prozent auf 4,7 Milliarden Euro. Der Konzern führt diese Entwicklung neben den besseren Verkaufszahlen für nicht verschreibungspflichtige Arzneien auf „Kostensenkungen bei Pharma“ zurück. In der Tat trifft das Rationalisierungsprogramm des Unternehmens, das die Vernichtung von 4.500 Arbeitsplätzen vorsieht, vor allem den Medizin-Bereich. „Sparen für die Traumrendite“ kommentierte deshalb die Financial Times Deutschland.

Sparen für die AktionärInnen
BAYER will mit seinem Rationalisierungsprogramm, das 4.500 Arbeitsplätze kostet, 800 Millionen Euro sparen.
Die Frankfurter Rundschau fragte deshalb den Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers: „Warum heben Sie dann die Dividende an, was dieses Jahr allein 120 Millionen Euro kostet?“. Aber der Konzern-Leiter war um eine Antwort nicht verlegen: „Weil die Aktionäre Eigentümer des Unternehmens sind und sie einen Anspruch darauf haben, am Geschäftserfolg des vergangenen Jahres beteiligt zu werden“.

Schlechte Noten für Aufsichtsrat
Der Hochschulprofessor Peter Ruhwedel hat das Wirken der Aufsichtsräte der 30 DAX-Konzerne genauer untersucht und bewertet. BAYER kam dabei mit 59 von 100 möglichen Punkten nur auf den 25. Rang. Das Gremium des Konzerns ließ es sowohl an Sitzungsfleiß als auch an Transparenz fehlen und wies eine zu geringe Frauen- und AusländerInnenquote auf. RWE und LINDE, die anderen beiden Unternehmen, bei denen BAYER-Aufsichtsratschef Manfred Schneider die Rolle des Oberkontrolleurs innehat, erreichten sogar nur die Plätze 29 und 30.

Wennings Comeback
Seit 2010 verbietet das Aktiengesetz den unmittelbaren Wechsel vom Posten des Vorstandsvorsitzenden zu demjenigen des Aufsichtsratsvorsitzenden und schreibt eine 2-jährige Karenzzeit vor. Das Paragraphen-Werk sieht dadurch die Unabhängigkeit des Kontroll-Gremiums besser gewährleistet. Der Leverkusener Multi bekämpfte die Regelung von Beginn an vehement und beabsichtigt jetzt, ihre Folgen für das Unternehmen durch winkeladvokatische Tricks möglichst gering zu halten. Obwohl der ehemalige BAYER-Chef Werner Wenning zum Zeitpunkt der nächsten Hauptversammlung im April 2012 noch nicht zwei Jahre aus dem Amt ist, will ihn der Konzern dort mittels Vorratsbeschluss schon einmal inthronisieren, damit er schon im Herbst auf Manfred Schneider folgen kann und nicht bis 2013 warten muss.

Veränderungen im Aufsichtsrat
Im BAYER-Aufsichtsrat steht ein Wandel an. Es geht nicht nur der bisherige Vorsitzende Manfred Schneider (s. o.), mit Hubertus Schmoldt verlässt auch der ehemalige Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) das Gremium. Seinen Sitz übernimmt Petra Reinbold-Knape, die Bezirksleiterin der IG BCE für die Region Nordost/Berlin. Der Vertreter der BELEGSCHAFTSLISTE, eine oppositionelle Gruppe innerhalb der Gewerkschaft, wechselt ebenfalls: André Aich ersetzt Michael Schmidt-Kiesling. Desgleichen verändert sich die personelle Zusammensetzung der Kapital-Seite. Sie nominierte als neue KandidatInnen den PROSIEBEN/SAT.1-Vorstand Thomas Ebeling und Sue H. Rataj, obwohl diese zur Zeit der „Deep Water Horizon“-Katastrophe Hauptverantwortliche für das Ölgeschäft von BP war.

IG BCE: kein Ja zum Plaste-Verkauf
Im März 2011 hatte BAYER-Chef Marijn Dekkers die Bereitschaft erkennen lassen, die Kunststoff-Sparte zu veräußern, falls der Konzern Geld für eine Akquisition benötige. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) kündigte an, einem solchen Beschluss im Aufsichtsrat „mit Sicherheit“ nicht zuzustimmen. „Es wird darum gehen, eine gewisse Grunderdung bei BAYER als weltweit agierender Konzern zu erhalten“, so das IG-BCE-Vorstandsmitglied Peter Hausmann.

Keine Behinderten-Integration
Der Gesetzgeber verpflichtet die Unternehmen seit langem, mindestens fünf Prozent Behinderte zu beschäftigen. Der Leverkusener Multi schafft jedoch nur eine Quote von 4,4 Prozent und muss dafür eine Ausgleichsabgabe in Höhe von 347.000 Euro zahlen.

ERSTE & DRITTE WELT

Zwangslizenz für NEXAVAR-Version
Der indische Generika-Hersteller NATCO PHARMA kann eine preisgünstige Version von BAYERs Krebs-Medikament NEXAVAR herausbringen. Das Indian Patent Office (IPO) hat dem Unternehmen unter Berufung auf einen Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS Anfang März 2012 eine Zwangslizenz zur Herstellung des Mittels erteilt. Dafür muss NATCO eine Gebühr von sechs Prozent des Verkaufspreises an den bundesdeutschen Pharma-Riesen zahlen. Die Behörde begründete die Entscheidung damit, dass BAYER es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Zudem habe der Konzern ihnen die Arznei nicht in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt. Von den 8.842 Krebskranken, die das Mittel benötigt hätten, hätten es nur 200 erhalten, so das IPO. Die CBG begrüßt dieses Urteil aus prinzipiellen Gründen, obwohl sie NEXAVAR wegen seiner geringen Heilwirkung – das Präparat verlängert das Leben der PatientInnen nur um wenige Wochen – für kein sinnvolles Therapeutikum hält. Die Wirtschaftspresse hat die Nachricht hingegen in helle Aufregung versetzt. „In Bombay enteignet“, kommentierte etwa die Faz und stellte den ganzen Status Indiens als gelobtes Land der Pharma-Industrie in Frage. BAYER kündigte an, gerichtliche Schritte zu prüfen.

Soja-Anbau kostet ein Leben
In den südamerikanischen Ländern boomt der Soja-Anbau, wovon BAYER als einer der weltgrößten Pestizid-und Saatgut-Anbieter profitiert. Die GroßgrundbesitzerInnen können für die Pflanzungen gar nicht genug Flächen akquirieren und schrecken deshalb nicht einmal vor brutalsten Landnahmen zurück. So engagierten sie Mitte November 2011 in Brasilien sogar Killer, die ein Indigenen-Camp in Mato Grosso do Sul überfielen, einen Menschen töteten und drei Kinder verschleppten, um die UreinwohnerInnen einzuschüchtern und aus dem Gebiet zu vertreiben.

ACTA behindert Generika-Hersteller
Das umstrittene Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) schützt nicht nur das geistige Eigentum der Konzerne im Internet, sondern auch in der realen Welt – mit teilweise verheerenden Auswirkungen. So macht es das Abkommen Herstellern von Nachahmer-Arzneien schwerer, ihr Geschäft zu betreiben, was die Versorgung von Menschen in armen Ländern mit erschwinglichen Medikamenten behindert. Schon in der Vergangenheit hat Big Pharma diesen Firmen durch Patent-Prozesse und andere Mittel immer wieder Schwierigkeiten bereitet. So boten die Konzerne schon mal den Zoll auf, um Lieferungen indischer Generika an den Grenzen zu stoppen, obwohl die Arzneien gar nicht für den europäischen, sondern für den südamerikanischen Markt bestimmt waren. Jetzt haben die Unternehmen ein noch leichteres Spiel, denn ACTA sieht bei angeblichen Verstößen gegen Urheberrechte hohe Strafen für die Produzenten solcher Präparate, Zulieferer und Händler vor. Auch unterscheidet das Paragrafen-Werk nicht trennscharf zwischen Generika und Fälschungen, weshalb laut Sandy Harnisch vom AKTIONSBÜNDNIS GEGEN AIDS die Gefahr besteht, „dass legal hergestellte Generika mit Fälschungen verwechselt und deshalb beschlagnahmt oder sogar vernichtet werden können“.

IG FARBEN & HEUTE

„Berüchtigt“ ohne IG FARBEN
In dem Hitchcock-Film „Berüchtigt“ schmieden deutsche Wissenschaftler nach dem Zweiten Weltkrieg einen Plan, um dem Nationalsozialismus wieder zur Macht zu verhelfen. Den Auftrag dazu erteilte ihnen die IG FARBEN. „Als Teil eines Verbundes, der die deutsche Kriegsmaschine aufgebaut hat“, charakterisiert das Werk den von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzern. Jedenfalls im Original. In der bundesdeutschen Version, die 1951 in die Kinos kam, fehlt jeder Hinweis auf den Faschismus im Allgemeinen und die IG FARBEN im Besonderen. In der 1969 ausgestrahlten TV-Fassung durfte es dann immerhin schon Nazis geben, aber die IG FARBEN auch weiterhin nicht.

POLITIK & EINFLUSS

Sechs Millionen Dollar für Lobbying
BAYER hat nach Angaben des US-amerikanischen CENTERS FOR RESPONSIBLE POLITICS im Jahr 2011 6,465 Millionen Dollar für Lobbying-Aktivitäten ausgegeben. Der Konzern lässt beispielsweise gegen den „Ban Poisonous Additives Act“ opponieren, der eine Anwendungsbeschränkung für die Industrie-Chemikalie Bisphenol A vorsieht. Zudem versucht der Leverkusener Multi ein Gesetz zu verhindern, das den Gebrauch von Antibiotika wegen der zunehmenden Resistenzen von Krankheitserregern einschränken will. Auch fühlte er sich berufen, die Kongress-Mitglieder für viel Geld davon zu unterrichten, welche Mühen es angeblich kostet, ein „innovatives“ Medikament auf den Markt zu bringen.

BAYERs US-Spenden
BAYER investiert viel Geld, um die politische Landschaft in den USA zu pflegen. Im Jahr 2010 gab der Konzern dafür 506.000 Dollar aus. Mit 406.000 Dollar unterstützte er US-amerikanische PolitikerInnen, besonders die republikanischen. Sie erhielten 57 Prozent vom Kuchen, die demokratischen dagegen lediglich 41 Prozent. Und im Wahljahr 2012 legt der Pharma-Riese noch einmal mächtig zu. 276.000 Dollar gab er bis zum 31. Januar schon aus. 234.000 davon erhielten Abgeordnete, wobei das Unternehmen Konservative noch deutlicher als 2010 bevorzugte. Sie bekamen 70 Prozent der Summe, Obamas Partei-GenossInnen dagegen nur 30 Prozent.

BAYER als Gesetzgeber

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Das „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) ist eine von den Konzernen gesponserte JuristInnen-Vereinigung. Die BAYER-Managerin Sandra Oliver sitzt für den Agro-Riesen in dem ALEC-Beirat, ihr Kollege Mike Birdsong gehört der „Health and Human Services Task Force“ an, und Bill Corley, das ALEC-Mitglied des Jahres 2005 in der Sektion „Privatwirtschaft“, steht im Bundesstaat Arkansas demjenigen Gremium vor, das sich um das legislative Wohlergehen von BAYER & Co. kümmert. Dank ALEC kontrollieren die Multis das ganze legislative Verfahren. Als etwa die republikanischen Politiker James Inhofe, George Nethercutt und Orrin G. Hatch mit Hilfe großzügiger Wahlkampf-Spenden von BAYER Mandate erlangten, da machten sich die willigen JuristInnen von ALEC gleich daran, ihnen die Entwürfe für Gesetzesinitiativen zum Öko-, Agrar- und Tierrechts„terrorismus“ zu liefern. Und im letzten Jahr gelang es dank ALEC, im Bundesstaat Wisconsin ein Paragrafen-Werk zu verabschieden, das für BAYER & Co. die Standards der Produkthaftung aufweicht und beispielsweise für Pillen-Hersteller die im Haftungsfall zu zahlenden Entschädigungssummen auf 750.000 Dollar begrenzt. Verkauft wurde das Ganze dann als Teil eines Programms zur Arbeitsplatz-Beschaffung.

ALEC leugnet Klimawandel
Einen Klimawandel gibt es für das „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) nicht. Die von BAYER & Co. gesponserte JuristInnen-Vereinigung opponiert nicht nur gegen jegliche Art von Klimapolitik, sie sieht sogar etwas Gutes in der Aufheizung des Planeten. „Selbst eine substanzielle Erderwärmung ist gut für die Vereinigen Staaten“, meint ALEC. Und auf seinem Jahrestreffen, das BAYER finanziell unterstützt hat, pries der Klassenjustiz-Verband sogar „die Vorzüge von Kohlendioxid“.

Tricks mit Ökosteuer-Ausnahmen
Für BAYER und andere Energie-Großverbraucher hält die Ökosteuer großzügige Ausnahmeregelungen parat (Ticker 3/06), die den Konzernen jährlich ca. fünf Milliarden Euro ersparen. Die EU betrachtet das als eine versteckte Subvention und drängt auf Veränderungen. So will Brüssel die Vergünstigungen an Klimaschutz-Maßnahmen geknüpft wissen. Das allerdings plant ein neuer Gesetzesentwurf aus dem Finanzministerium zu umgehen. Er erhebt nur Energieverbrauchssenkungen zur Vorschrift, welche die Unternehmen ohnehin erbringen müssen.

Zwei Milliarden Euro Steuer-Entlastung
1999 brachte BAYERs ehemaliger Finanzchef Heribert Zitzelsberger die Unternehmenssteuer„reform“ auf den Weg, die dem Bund allein bis zum Jahr 2003 Einnahme-Ausfälle von mehr als 50 Milliarden Euro bescherte. Und seither haben Regierungen aller Couleur sogar immer noch „nachgebessert“. Momentan schnürt die schwarz-gelbe Koalition ein zwei Milliarden teures Geschenk. Ganz wie es sich der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) gewünscht hatte, will Wolfgang Schäuble den Konzernen die Verrechnung von Gewinnen und Verlusten zwischen Tochter- und Muttergesellschaften erleichtern. Zudem plant er, die Verlustnutzung wieder zu erlauben, die es den Unternehmen gestattet, die Verluste gekaufter Firmen steuersparend vom eigenen Ertrag abzuziehen.

BAYER gegen Banken-Regulierung
1,85 Millionen lässt sich der Leverkusener Multi seine Lobby-Aktivitäten bei der EU nach eigenen Angaben jährlich kosten. Momentan investiert er viel von dem Geld in den Versuch, eine umfassende Reform des Finanzsektors zu verhindern. Der Konzern befürchtet nämlich steigende Kosten durch eine strengere Regulierung der Derivate – eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber – , die der Chemie-Multi hauptsächlich zur Absicherung seiner globalen Transaktionen nutzt. Zudem graust es ihn vor schärferen Eigenkapital-Vorschriften für Banken, weil das seine Kredit-Konditionen verschlechtern könnte. Darum lässt der Global Player einen Brüsseler Emissär klagen: „Seitens der Realwirtschaft sind wir sehr besorgt über die Verteuerung nicht nur der OTC-Derivate (außerbörslich gehandelte Derivate, Anm. SWB) (...), sondern auch für die Refinanzierung, die aus den geänderten Eigenkapital-Vorschriften resultieren“.

BAYER & Co. gründen Rohstoff-Allianz
Den großen Konzernen drohen schon bald die Rohstoffe auszugehen. Darum haben BAYER, BASF, THYSSENKRUPP und andere Unternehmen Ende Januar 2012 eine „Allianz zur Rohstoff-Sicherung“ gegründet. Um auch in Zukunft die Versorgung der Multis mit Seltenen Erden, Wolfram, Kokskohle und anderen Substanzen zu garantieren, will die Initiative selber Vorkommen erkunden und Abbau-Rechte erwerben.

Arznei-Gremien ohne BAYER?
Die Bundesregierung plant, VertreterInnen der Pharma-Industrie aus wichtigen Arzneimittel-Kommissionen wie dem „Sachverständigen-Ausschuss zur Verschreibungspflicht“ zu verbannen, weil dies „im Hinblick auf die notwendige Unabhängigkeit der Gremien in rein fachspezifischen Fragen erforderlich“ sei. BAYER & Co. haben Einspruch eingelegt und versuchen, diese Veränderung des Arzneimittelgesetzes zu verhindern.

Gröhe bei BAYER
Der CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe besuchte BAYER zu einem „Fachgespräch“. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers nutzte den Termin, um ein Klagelied über die Energiewende, die zu höheren Strompreisen führe, anzustimmen und einmal mehr die steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsausgaben zu fordern. Einsparungen in Höhe von 20 bis 30 Millionen Euro erhofft sich der Holländer von einer solchen Gesetzes-Änderung.

Voigtsberger bei BAYER
BAYERs Chemie„parks“ liegen dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) besonders am Herzen. Nachdem er bereits im November 2011 eine Konferenz zu deren Zukunft veranstaltet hatte (Ticker 1/12), die passenderweise auch gleich beim Leverkusener Multi stattfand, initiierte er Ende Februar 2012 ein Pressegespräch zum Thema – und natürlich wieder am Stammsitz des Konzerns.

Trittin bei BAYER
Schon zu seiner Zeit als Bundesumweltminister besuchte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin den Leverkusener Multi. Anfang Dezember 2011 schaute er mal wieder vorbei. Bei den Gesprächen ging es nicht nur um die alten BAYER-Gassenhauer „Energie-Preise“ und „steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsausgaben“ (s. o.), sondern zusätzlich auch noch um den Klimaschutz und finanzpolitische Fragen.

Jianmin Xu bei BAYER
Hierzulande lässt es der Leverkusener Multi auf seinen Hauptversammlungen – vorzugsweise bei den Gegenreden des CBG-Vorstandsmitglieds Axel Köhler-Schnura – selten an antikommunistischen Parolen fehlen, andernorts gehören KommunistInnen jedoch zu den geladenen Gästen BAYERs. So wohnte mit Jianmin Xu der Sekretär der Kommunistischen Partei Chinas der Einweihung einer Konzern-Anlage in Shanghai bei.

China: Mitwirkung an Patent-Gesetz
Eines der größten Hindernisse für die wirtschaftliche Aktivität der Global Players in Schwellenländern ist der angeblich mangelhafte Schutz des geistigen Eigentums. Deshalb hat BAYER in China schon „Entwicklungshilfe“ geleistet und an der Shanghaier Tongji-Universität einen Lehrstuhl für Patentrecht gestiftet (Ticker 1/08). Und das Engagement scheint sich auszuzahlen. Das Gesetzemachen gestaltet sich im Reich der Mitte fast schon so „demokratisch“ wie im Westen. So zeigte sich BAYERs oberster Patentschützer in China, Oliver Lutze, froh, im Prozedere zur Vorbereitung eines neuen Paragraphen-Werks zu den intellectual property rights (IPR) gehört zu werden: „Sie schicken den Industrie-Verbänden Entwürfe zu, und wir schicken es mit unseren Statements zurück. Und in manchen Punkten wurden unsere Vorschläge akzeptiert und die Passagen geändert.“

BAYER stellt Hunger-Experten
Im letzten Jahr initiierte der Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung zum Hungerproblem. Unter den geladenen ExpertInnen war auch der BAYER-Manager Dr. Manfred Kern. Und er wusste natürlich auch die Lösung: Eine nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft mit mehr Pestiziden, mehr Saatgut und mehr Gentechnik. Also noch mehr von alledem, was schon seit Jahrzehnten keinen Erfolg bei der Verbesserung der Welternährungslage zeigt und nur die Kassen der Agro-Multis füllt.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER-Kreuz am Jungfrau-Berg
Jetzt müssen sogar schon Berge als Litfaßsäulen für die großen Unternehmen herhalten. So prankte auf dem schweizer Jungfrau-Massiv ein riesiges BAYER-Kreuz. Mit dieser „Bandenwerbung“ finanzierten die Jungfrau-Bahnen zu ihrem 100-jährigen Jubiläum eine Lichtkunst-Aktion von Gerry Hofstetter, der das Schweizerkreuz auf eine Gebirgswand projizierte. Die „Stiftung Landschaftsschutz“ übte Kritik an dem Budenzauber: „Es tut weh zu sehen, wie multinationale Konzerne die grandiose Berglandschaft zur Werbeleinwand degradieren.“ Und auch Katharina Conradin von der Naturschutz-Organisation MOUNTAIN WILDERNESS protestierte: „Ein Berg ist doch kein Werbeobjekt.“

BAYER spendet an Heartland-Institut
Auch BAYER zählt zu den Unterstützern des US-amerikanischen Heartland-Institutes, einer konservativen Lobby-Organisation, die durch die Finanzierung von Klimawandel-LeugnerInnen einige Berühmtheit erlangt hat. Der Leverkusener Multi allerdings benannte einen anderen Verwendungszweck für seine Spende. Er wollte das Geld in Kampagnen gegen die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherungspflicht investiert wissen. Das legen interne Unterlagen der Einrichtung nahe, die ein Whistleblower dem Internet-Portal DeSmogBlog zugespielt hat.

KundInnen-Bindung 2.0
Das bundesdeutsche Gesetz erlaubt keine Werbung für verschreibungspflichtige Arzneien. BAYER & Co. streben eine Lockerung an und tun alles dafür, eine entsprechende Lösung auf EU-Ebene zu erreichen (Ticker 1/12). Bis es soweit ist, versuchen die Konzerne, bis an die Grenze des Erlaubten zu „informieren“. Dazu nutzen sie vor allem das Internet. So betreibt BAYER etwa das Portal MS-Gateway, das sich an Multiple-Sklerose-PatientInnen richtet. Es verfügt über einen offenen und einen geschlossenen Bereich, der nur für NutzerInnen des Konzern-Präparats BETASERON bestimmt ist. Einziges Ziel: neue KundInnen zu gewinnen und alte zu halten. Von Veranstaltungshinweisen über die Vermittlung von BeraterInnen und Apps zum Therapie-Management bis zu Foren und „Wellness-Diagrammen“ reicht das Angebot. Es stößt offenbar auf Resonanz: Auf 12.000 Mitglieder kann MS-Gateway zählen.

Eltern berichtet über MIRENA
Mehr als jede zehnte Anwenderin von BAYERs Hormon-Spirale MIRENA leidet unter schweren Nebenwirkungen wie Depressionen, Zyklusstörungen, Gewichtszunahme, Eierstock-Zysten, Unterleibsentzündungen, Schwindel, Übelkeit, starker Haarwuchs, Akne, Hautkrankheiten und Kopfschmerzen Zudem besteht der Verdacht auf Erhöhung des Brustkrebs-Risikos. Diesen unerwünschten Arzneimittel-Folgen widmete sich im Februar 2012 auch die Zeitschrift Eltern. Der Frauenarzt Michael Ludwig zerstreute dann allerdings die Bedenken. Und er hatte guten Grund dazu, der Mediziner steht nämlich seit Jahren immer wieder in Diensten BAYERs. Diese Information enthielt die Zeitschrift ihren LeserInnen jedoch vor. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat der Redaktion deshalb einen Brief geschrieben, in dem es hieß: „Diese Abhängigkeiten hätten in dem Artikel unbedingt genannt werden müssen. Besser noch wäre es gewesen, ausschließlich unabhängige Frauenärzte zu befragen.“

Winnackers Gentech-Lob in der Zeit
Zeit Online bot dem BAYER-Aufsichtsrat Ernst-Ludwig Winnacker, einem „der einflussreichsten Wissenschaftsmanager und Politik-Berater Europas“, die Gelegenheit, sich ellenlang über die Behinderungen zu verbreiten, mit denen sich die „grüne“ Gentechnik konfrontiert sieht. Sie werde fälschlicherweise für das Artensterben verantwortlich gemacht, klagte er, wo sie doch so dringend für die Ernährung der Menschen rund um den Globus benötigt werde, denn: „Wer den Welthunger nur für ein Verteilungsproblem hält, argumentiert zynisch.“ Aber trotzdem machten die Abstandsregelungen hierzulande Freisetzungsversuche fast unmöglich, so Winnacker. Nur in Sachen „Patente auf Leben“ räumte der Biochemiker Fehler der Konzerne ein. Er selber bekennt sich zu einer kritischen Haltung gegenüber solchen Eigentumstiteln, „weil ihre gelegentlich kompromisslose Durchsetzung nicht in die Kultur der Landwirtschaft passt“ und stellt fest: „Die Patent-Strategien einiger Unternehmen haben zu einem beträchtlichen Vertrauensverlust und Imageschaden geführt.“

BAYER-Land der Ideen
BAYER gehörte 2006 zu den Sponsoren der Kampagne „Land der Ideen“, welche die Fußball-Weltmeisterschaft dazu nutzte, um für den hiesigen Industrie-Standort zu werben. Der PR-Betrieb hat die Ball-Treterei sogar überlebt und veranstaltet alljährlich den Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“. Selbstredend finden sich darunter immer wieder BAYER-Orte. Im letzten Jahr war es mit dem Baykomm das Kommunikationszentrum des Leverkusener Multis. Und dieses Mal schafften es sogar drei Konzern-Projekte in die Auswahl: das Integrationsprogramm „Einfach Fußball“, der Ideen-Trimmpfad des TSV BAYER 04 Leverkusen und die „Dream Production“ – ein alles anderer als traumhafter Versuch, bei der Kunststoff-Produktion Kohlendioxid zu recyclen (Ticker 4/11).

BAYER investiert in Schulen
Der Leverkusener Multi fördert Schulen über die „BAYER Science & Education Foundation“, denn dieses Stiftungsmodell erlaubt nebenher auch noch Steuer-Ersparnisse. Bei der Sponsoring-Maßnahme bilden nicht von ungefähr die naturwissenschaftlichen Bereiche einen Schwerpunkt. „Ich muss gestehen, wir fördern die Schulen nicht ganz uneigennützig. Wir sehen das als langfristige Investition“, so Stiftungsvorstand Thimo V. Schmitt-Lord.
Im Jahr 2011 verteilte der Konzern 462.000 Euro unter 52 Schulen in der Nähe seiner Standorte. Mit Geld bedachte er unter anderem die Monheimer „Lise-Meitner-Realschule“ für ihr Projekt „Nanotechnologie in Theorie und Praxis“, das „NaturGut Ophoven“ für ihre Lernwerkstatt zum Klimaschutz, das Schulzentrum Steinen für ihre Unterrichtseinheit zu naturwissenschaftlichen Grundgesetzen und die Gemeinschaftshauptschule Neucronenberg für ihren Lern-Parcours.

Das Humboldt-BAYER-Mobil rollt
In Kooperation mit der Berliner Humboldt-Universität betreibt der Leverkusener Multi ein rollendes Labor. Das „Humboldt-BAYER-Mobil“ fährt Schulen in Berlin und im Osten Deutschlands an und arbeitet mehr oder weniger spielerisch den naturwissenschaftlichen Lernplan des Konzerns ab.

BAYER lanciert Nano-Wettbewerb
Der Leverkusener Multi arbeitet eifrig an der Akzeptanz der umstrittenen Nano-Technologie und hat zu diesem Behufe gemeinsam mit dem „Landescluster NanoMikro+Werkstoffe.NRW“ den Wettbewerb „Nano erleben“ gestartet. Dieser fordert SchülerInnen, LehrerInnen und WissenschaftlerInnen auf, „ihre kreativen Ideen in Nanotechnologie-Demonstrationsversuche fließen zu lassen“. Davon erhofft sich dann BAYERs Nano-Beauftragter Peter Krüger „das Potenzial, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass Nanotechnologie fundierte und spannende Wissenschaft ist, die wesentlich zu unserer Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit beiträgt“.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern intern immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2011 verteilte die Stiftung 126.000 Euro. Geld gab es unter anderem für die Ausbildung von jugendlichen StreitschlichterInnen in Dithmarschen, für die Bitterfelder Jugendkunstschule, einen Gnadenhof für Ponys in Leichlingen, eine Leverkusener Schuldenpräventionsinitiative, eine ForscherInnen-Werkstatt in Schochwitz und ein neues Beachvolleyball-Feld in Wollbach. Darüber hinaus soll der ASPIRIN-Sozialpreis das Bild vom barmherzigen Samariter BAYER in die Welt tragen. 2011 hat der Leverkusener Multi die Auszeichnung an eine Organisation verliehen, die brandverletzte Kinder unterstützt.

XARELTO-Muster per Post
Seit Mitte der 1980er Jahre untersagt das Arzneimittelgesetz BAYER & Co. die großflächige Versendung von Arzneimittel-Mustern an MedizinerInnen. Nach dem Paragrafen-Werk dürfen die Konzerne nur zur Tat schreiten, wenn eine Anforderung vorliegt. Der Leverkusener Multi verschickte jedoch trotzdem große Massen seines umstrittenen Blutverdünnungsmittels XARELTO (siehe DRUGS & PILLS), eine Empfangsbestätigung als „Just-in-Time“-Antrag für die Proben wertend. Die unabhängige Fachzeitschrift arznei-telegramm hat BAYER deshalb angezeigt, und auch die „Freiwillige Selbstkontrolle der Pharma-Industrie“ prüft den Fall.

BAYER VITAL wirbt für 54 Millionen
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat 2011 nach Angaben des „Deutschen Apotheker-Verbandes“ allein in der Bundesrepublik 54,5 Millionen Euro für Reklame ausgegeben. Nur KLOSTERFRAU und BOEHRINGER INGENHEIM investierten mehr.

Podiumsdiskussion mit BAYER und DSW
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur großen Befriedigung BAYERs erfreut sich diese Ansicht auch heute noch großer Beliebtheit, die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. Um die Geschäftsaussichten für YASMIN & Co. noch ein wenig zu verbessern, sponsert das Unternehmen seit geraumer Zeit die „Deutsche Stiftung Weltbevölkerung“ (DSW), „denn mit ihren Projekten in Entwicklungsländern hilft die DSW vor allem jungen Menschen, ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden und sich vor HIV/Aids zu schützen. Damit nutzt sie die Chancen zur menschenwürdigen Verlangsamung des Weltbevölkerungswachstums und trägt zugleich unmittelbar zur Verbesserung der Lebensverhältnisse vor Ort bei“. Der Leverkusener Multi führt gemeinsam mit der DSW auch regelmäßig einen „Parlamentarischen Abend“ in Berlin durch. Am 24. April 2012 stehen unter anderem die Anwältin und Publizistin Seyran Ates, der kongolesische Botschafter S. E. Kennedy Nyauncho Osinde und die SPD-Bundestagsabgeordnete Karin Roth auf der Gästeliste.

TIERE & ARZNEIEN

ASPIRIN im Stall
BAYERs „Tausendsassa“ ASPIRIN hat sich einen neuen Markt erobert: die Tiere. Da die Massenzucht Hühnern, Puten und anderen Kreaturen unendliche Qualen bereitet, verabreichen ihnen TierärztInnen oft das Schmerzmittel, obwohl seine Anwendung nicht erlaubt ist.

Noch mehr Tierarzneien
Der Leverkusener Multi hat die Veterinärmedizin-Sparte des US-amerikanischen Chemie-Konzerns KMG übernommen. Diese besteht vor allem aus Insektiziden, die Rindern, Schweinen und Geflügel mittels Chemie Fliegen und andere Plagegeister vom Leib halten.

DRUGS & PILLS

TRASYLOL-Comeback
Im Februar 2012 gab die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA bekannt, BAYERs Arznei TRASYLOL wieder zuzulassen. Nach Ansicht der Behörde wies die sogenannte BART-Studie des „Ottawa Hospital Research Institutes“, die im Jahr 2007 den Ausschlag für den Verkaufsstopp gegeben hatte, gravierende Mängel auf. Das Institut wehrt sich gegen diese Vorwürfe. „Die BART-Wissenschaftler stellen fest, dass die Durchführung und Analyse der BART-Untersuchung den höchsten Standards entsprach“, heißt es in der Antwort auf eine Ticker-Nachfrage. Zudem beschwerte sich die Einrichtung darüber, von der EMA nie in der Angelegenheit kontaktiert worden zu sein. Aber selbst wenn die ForscherInnen Fehler gemacht haben sollten – bereits vorher hatten unzählige Expertisen dem Mittel, das zur Blutstillung nach Bypass-Operationen zum Einsatz kam, Gesundheitsgefährdungen bescheinigt. Nicht einmal eine von BAYER selbst in Auftrag gegebene Studie konnte bessere Resultate liefern. Der Harvard-Professor Alexander Walker analysierte für den Konzern die Unterlagen von 78.000 Krankenhaus-PatientInnen und stellte im Falle einer Behandlung mit TRASYLOL eine erhöhte Sterblichkeitsrate, sowie ein größeres Risiko für Nierenversagen, Schlaganfälle und Herzerkrankungen fest. „2.653 Patienten mussten zur Dialyse und 2.613 Patienten starben“, so lautete damals sein eindeutiger Befund, den das Unternehmen den zuständigen Behörden lieber verschwieg.

ASPIRIN-Entlastungsstudie
BAYERs „Tausendsassa“ ASPIRIN gerät mehr und mehr in die Kritik. So schätzt Dr. Friedrich Hagenmüller von der Hamburger Asklepios-Klinik die Zahl der Todesopfer durch die Nebenwirkung „Magenbluten“ allein in der Bundesrepublik pro Jahr auf 1.000 bis 5.000. Der Leverkusener Multi musste also etwas für das ramponierte Image der Arznei tun und gab eine Entlastungsstudie in Auftrag. Und siehe da: Es „wurde deutlich, dass das Jahrhundert-Medikament bei Kurzzeit-Behandlungen von Schmerzen und Fieber ebenso verträglich ist wie andere Schmerzmittel, zum Beispiel IBUPROFEN oder PARACETAMOL“.

Neue YASMIN-Packungsbeilage
Mit Drospirenon-haltigen Verhütungsmitteln wie BAYERs Produkten aus der YASMIN-Familie steigt im Vergleich zu Levonorgestrel-haltigen Kontrazeptiva das Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Das haben Untersuchungen aus den USA und England nun erneut bestätigt. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) reagierte und forderte BAYER zu einer nochmaligen Aktualisierung des Beipackzettels auf, um deutlicher vor der Gefahr zu warnen.

LEFAX nur „ausreichend“
Die „Stiftung Warentest“ testete fünf Präparate gegen Blähungen und kam zu wenig überzeugenden Ergebnissen. Vier Präparate, darunter auch BAYERs LEFAX, bekamen die Note „ausreichend“, und ein Mittel erhielt das Prädikat „mangelhaft“.

XARELTO jetzt auch in Europa
Der Leverkusener Multi darf sein Präparat XARELTO jetzt auch in Europa und Japan als Mittel zur Schlaganfall-Vorbeugung bei PatientInnen mit Vorhofflimmern vermarkten. Eine entsprechende Genehmigung hatte vorher schon die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA erteilt. Allerdings tat sie sich mit der Entscheidung schwer. MitarbeiterInnen hatten sich noch Anfang September 2011 gegen die Genehmigung ausgesprochen, weil die von BAYER eingereichten Studien ihrer Meinung nach Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken aufwarfen. Zudem konnten sie im Vergleich zum bislang gebräuchlichen Wirkstoff Warfarin keinen therapeutischen Zusatznutzen entdecken. Aber die Behörde setzte sich über diese internen Einwände hinweg. Nicht einmal Meldungen über Sterbefälle bei der Klinischen Erprobung des Mittels in Indien (Ticker 1/12) vermochten sie umzustimmen.

Neue XARELTO-Indikation
Der Leverkusener Multi strebt eine Zulassung seines umstrittenen Mittels XARELTO (s. o.) zur Nachbehandlung des akuten Koronar-Syndroms (ACS) an. Das Präparat soll in Kombination mit einer anderen Therapie der nochmaligen Entstehung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie vorbeugen. In den Tests zeigten sich allerdings auch deutlich die Risiken und Nebenwirkungen der Arznei. So erlitten XARELTO-ProbandInnen häufiger schwere Blutungen als die Test-Personen, welche die bisherige Standard-Medikation bekamen.

NICE nicht nice zu XARELTO
Die britische „National Institute for Health and Clinical Excellence“ (NICE), das Kosten und Nutzen neuer Arzneimittel bewertet, hat Zweifel an der Qualität von BAYERs Blutverdünner XARELTO. Da ihm die vom Leverkusener Multi zur Verfügung gestellten Daten für die Anwendungsgebiete „Thrombosen“ und „Schlaganfall-Vorbeugung bei PatientInnen mit Vorhofflimmern“ nicht ausreichten, forderte es vom Pillen-Riesen mehr Informationen an. Auch in Spanien erwartet der Konzern harte Verhandlungen mit den Behörden. Nur in der Bundesrepublik blüht dies dem Unternehmen nicht. Das hiesige Arzneimittel-Gesetz erspart nämlich Präparaten, die für andere Indikationen schon zugelassen sind, wie XARELTO zur Thrombose-Prophylaxe bei schweren orthopädischen OPs, eine solche Prozedur.

Zulassung für Augenmittel
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat BAYERs Augen-Arznei VEGF-Trap-Eye genehmigt. Das Mittel zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt jedoch nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Medikament mit dem Produktnamen EYLEA lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Nach dem positiven Bescheid strebt das Unternehmen nun auch Zulassungen für andere Krankheitsgebiete an.

Regorafenib-Zulassung beantragt
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch der Wirkstoff Regorafenib, für den BAYER 2012 in Europa und den USA die Zulassung beantragen will. Er darf nur bei PatientInnen mit fortgeschrittenem Darmkrebs, bei denen alle sonstigen Therapien versagten, zum Einsatz kommen und zeigte nur äußerst bescheidene Test-Ergebnisse. Die Substanz steigerte die Gesamtüberlebenszeit der ProbandInnen im Vergleich zur Placebo-Gruppe gerade einmal um 1,4 Monate und schenkte ihnen bloß eine um 0,2 Monate längere Zeit ohne weiteres Tumor-Wachstum.

Überdosis CIPROBAY
Immer mehr Krankheitserreger bilden gegen Antibiotika wie BAYERs CIPROBAY Resistenzen aus und lösen so todbringende Gesundheitsstörungen aus (siehe auch SWB 2/12). Trotzdem verordnen MedizinerInnen die Mittel immer noch viel zu häufig. Das ergab eine Studie der Universität Bremen zur Verschreibungspraxis von KinderärztInnen. Obwohl die Präparate nur gegen Bakterien wirken, setzen PädiaterInnen sie der Untersuchung zufolge häufig auch bei Virus-Infektionen wie Erkältungen oder Mittelohr-Entzündungen ein. Und in Schwellenländern wie Indien geben Apotheken CIPROBAY sogar ohne Rezept und Beipackzettel ab.

Muskelschwäche durch CIPROBAY
Antibiotika sorgen nicht nur für resistente Krankheitskeime (s. o.), sie haben auch noch ganz andere Risiken und Nebenwirkungen wie beispielsweise Sehnen-Entzündungen und Sehnenrisse. Health Canada warnt jetzt vor einer neuen Gegenanzeige: BAYERs CIPROBAY und andere Mittel aus der Substanzklasse der Fluorchinolone können die Autoimmun-Krankheit Myasthenia gravis auslösen. Die Medikamente stören das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, indem sie die Aufnahme des Impulse weiterleitenden Neurotransmitters Acetylcholine behindern und führen so zu Lähmungserscheinungen im Bereich der innere Organe, im Bewegungsapparat oder im Gesicht. Deshalb zwang die Behörde den Leverkusener Multi und andere Hersteller, die PatientInnen über diese mögliche Folge der Antibiotika-Einnahme zu informieren.

Neue Preisgestaltung ärgert BAYER
Nach dem 2011 in Kraft getretenen Arzneimittel-Gesetz dürfen die Pharma-Riesen die Preise für ihre neuen Medikamente nicht mehr selber festlegen. Sie sind jetzt Gegenstand von Verhandlungen auf Basis des Zusatznutzens im Vergleich zu älteren Pillen und der in anderen Staaten verlangten Beträge. Die Veröffentlichung der Länder-Referenzliste, auf der sich unter anderem Belgien, Dänemark, Großbritannien, Frankreich und Griechenland befinden, sorgte jetzt für einigen Unmut beim von BAYER gegründeten „Verband forschender Arzneimittel-Hersteller“ (VFA). „Deutschland ist nicht Griechenland. Ein Unterbietungswettbewerb durch Vergleich mit wirtschaftlich schwachen Ländern gefährdet die Einführung von Arzneimittel-Innovationen in Deutschland“, ereiferte sich die VFA-Geschäftsführerin Birgit Fischer.

Zwangsrabatte ärgern BAYER
Nach dem seit 2011 gültigen „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ müssen BAYER & Co. den Krankenkassen für neue Medikamente einen Hersteller-Rabatt von 16 Prozent einräumen. Darüber hat sich BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Bilanz-Pressekonferenz im Februar 2012 bitterlich beklagt und angesichts der diesjährigen Überschüsse von DAK & Co. eine Abschaffung der Regelung gefordert: „Sachliche Gründe für eine Beibehaltung gibt es also nicht.“ Trotzdem ließ sich die Bundesregierung nicht erweichen. Das rief wiederum den von BAYER gegründeten „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ auf den Plan. Er sah „Politisches Kalkül statt faktenbasierter Prüfung“ am Werk und wiederholte Dekkers’ Kritik wortwörtlich: „Sachliche Gründe für eine Beibehaltung gibt es also nicht.“ Die Dienstwege sind eben kurz.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

HEDONAL geht an die Nieren
In El Salvador sorgen Pestizide für massive Gesundheitsprobleme. So leiden in der Küstenregion Bajo Lempa über 20 Prozent der Menschen an Nieren-Erkrankungen. Mauricio Sermeño von der Umweltorganisation UNIDAD ECOLÓGICA SALVADOREÑA macht dafür hauptsächlich zwei Ackergifte verantwortlich: SYNGENTAs GRAMOXON und BAYERs HEDONAL mit dem Wirkstoff 2-4-Dichlorphenoxyessigsäure, der als ein Bestandteil von Agent Orange traurige Berühmtheit erlangte. Nach den Angaben der Organisation gibt es in bestimmten Gebieten des Landes kaum EinwohnerInnen, die nicht einen Verwandten oder Freund durch Nieren­Versagen verloren hätten (siehe auch SWB 2/12).

OXFAM kritisiert FLINT-Sprühungen
Auf den Bananen-Plantagen Ecuadors herrschen einer OXFAM-Studie zufolge unhaltbare Zustände. So müssen die Angestellten dort für einen Hungerlohn arbeiten und auch noch ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. Während Flugzeuge Pestizide wie Mancozeb (enthalten unter anderem in BAYERs FLINT) versprühen, dürfen die LandarbeiterInnen die Felder nicht verlassen, obwohl sie bloß in Ausnahmefällen Spezialkleidung tragen. „Wir bekommen die Pestizide ab und können uns nur mit unseren Händen und Bananen-Blättern schützen“, klagt einer von ihnen. Zudem verseuchen die auf dem Luftweg ausgebrachten Ackergifte auch die Umgebung und sorgen so für hohe Krankheitsraten, vor allem unter Kindern. „Sie leiden unter Gehirn-Erkrankungen, Problemen in den Armen und Beinen, Hautausschlag etc.“, so eine Feldarbeiterin.

COCA COLA mit Carbendazim
In Orangensäften des Unternehmens COCA COLA fanden sich Spuren des BAYER-Pestizids Carbendazim. Und der Wirkstoff, den der Leverkusener Multi unter dem Produktnamen DEROSAL vermarktet, hat es in sich. „Giftig für Wasser-Organismen“, „kann das Kind im Mutterleib schädigen“, „kann vererbbare Schäden verursachen“ – so lauten einige Warnhinweise für das Fungizid. Darum sollte die Substanz ursprünglich ebenso wenig wie weitere fünf Agro-Chemikalien des Konzerns eine neue Zulassung von der Europäischen Union erhalten. Aber für Carbendazim machte Brüssel dann kurz vor Ablauf der Frist eine Ausnahme und gewährte eine Verlängerung. Es gäbe „annehmbare Anwendungen“, erklärte die EU-Kommission und berief sich dabei ausgerechnet auf Studien der Agro-Riesen sowie auf eine Expertise der von Industrie-VertreterInnen durchsetzten „Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (siehe auch TICKER 2/11).

Kein Glyphosat-Verbot
Die Liste der Risiken und Nebenwirkungen des von MONSANTO entwickelten Pestizid-Wirkstoffs Glyphosat, den BAYER etwa im Kombi-Pack mit der gegen diese Substanz immun gemachten Baumwollpflanze „GHB 614“ verkauft, ist lang. So stört die Agrochemikalie das Embryo-Wachstum, lässt Soja-Gewächse absterben und Mais verwelken, macht wertvollen Boden-Organismen den Garaus und dezimiert die biologische Vielfalt. Das alles aber reichte der Bundesregierung nicht aus, um den Stoff aus dem Verkehr zu ziehen. Sie lehnte Anfang Februar 2012 einen entsprechenden Antrag der Grünen ab und verlängerte die Zulassung bis 2015.

Verkauf von Ultra-Giften
Der Leverkusener Multi trennt sich im Rahmen der Verkleinerung seines Pestizid-Sortiments weiter von besonders schädlichen Agrochemikalien der Gefahrenklasse I. Nachdem er im letzten Jahr schon NEMACUR und MOCAP verkauft hatte, stößt er nun SEVIN (Wirkstoff: Carbaryl) ab. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisiert diesen Schritt, den der Konzern der Öffentlichkeit gegenüber als Teil seiner Nachhaltigkeitsstrategie verkauft: „BAYER hätte die Produktion längst einstellen müssen, statt diese Ultra-Gifte jetzt noch profitabel zu verramschen“.

GAUCHO befördert Milben-Befall
BAYERs Imidacloprid-haltiges Pestizid GAUCHO sorgte für den Tod von Millionen Bienen. Der Leverkusener Multi streitet diese „Nebenwirkung“ jedoch ab und macht stattdessen die Varroa-Milbe für die Sterbefälle verantwortlich. Eine von einem Bienenforschungsinstitut, das dem US-amerikanischen Landwirtschaftsministerium untersteht, durchgeführte Studie wies jetzt einen Zusammenhang zwischen beiden Phänomen nach. Der Untersuchung zufolge zeigten sich durch GAUCHO & Co. geschwächte Bienen anfälliger für den Befall mit der Milben-Art als gesunde Tiere.

GENE & KLONE

BAYER-Gensoja zugelassen
Nachdem sich weder ein ExpertInnen-Gremium der EU noch ein Berufungsausschuss über die Import-Genehmigung für BAYERs Gensoja der BASTA-Produktreihe und drei weiteren Laborfrüchten einigen konnte, hat die Europäische Kommission ein Machtwort gesprochen und alle Sorten zugelassen. Die COORDINATON GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Initiativen haben immer vor einem solchen Schritt gewarnt. „A5547-127“ ist nämlich durch eine auf gentechnischem Wege eingebaute Resistenz auf den Gebrauch des hochgefährlichen Herbizides LIBERTY mit dem Wirkstoff Glufosinat abgestimmt, dessen Gebrauch die Europäische Union ab 2017 verboten hat. Zudem unterscheidet sich die LIBERTYLINK-Pflanze auf Stoffwechsel-Ebene von seinen konventionellen Ebenbildern, was auf eine genetische Instabilität hindeutet, die eigentlich der Gegenstand eines Stress-Tests hätte sein müssen. Dieser unterblieb jedoch. Auch Daten-Material von Fütterungstests liegt nur sporadisch vor. Das alles macht den Soja des Konzerns zu einem unkalkulierbaren Risiko.

Genbaumwoll-Anbau beantragt
Der Leverkusener Multi hat in Spanien einen Antrag auf eine Anbau-Genehmigung für seine Gentech-Baumwolle „GHB 614“ gestellt, die gegen das gefährliche Anti-Unkrautmittel Glyphosat (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) resistent ist.

Genraps-Anbau beantragt
BAYER hat in Australien einen Antrag auf eine Anbau-Genehmigung für seine Genraps-Sorte INVIGOR gestellt. Die Pflanze ist nicht nur gegen Glufosinat immun, sondern auch gegen MONSANTOs berühmt-berüchtigten ROUND-UP-READY-Wirkstoff Glyphosat (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Schadinsekten gewöhnen sich nämlich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen. Ein Lizenzabkommen mit dem US-Unternehmen ermöglichte dem Leverkusener Multi die Entwicklung des Doppelpacks. Die australische Initiative GENEETHICS hat Einspruch gegen das Zulassungsbegehr erhoben und dabei mit der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zusammengearbeitet.

Pestizide per Gentechnik
BAYER nutzt die Biotechnologie zur Produktion von Pestiziden. So kommen bei der Herstellung des Anti-Unkrautmittels INDAZIFLAM gen-manipulierte Coli-Bakterien zum Einsatz.

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft Raps-Sparte
BAYER hat die Rapssaatgut-Abteilung des Unternehmens RAPS GbR erworben. Nach Ansicht der BAYER-CROPSSCIENCE-Vorsitzenden Sandra Peterson wird der Kauf „den Eintritt von BAYER CROPSSCIENCE in den europäischen Raps-Markt weiter beschleunigen“. Der Agro-Multi, der in den USA bereits eine führende Stellung im Raps-Geschäft innehat, will noch in diesem Jahr erste Sorten auf den EU-Markt bringen.

WASSER, BODEN & LUFT

Luftverschmutzungskosten: bis zu 169 Mrd.
Die Europäische Umweltagentur EUA hat ausgerechnet, wie hoch die Kosten für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sind, welche die Luftverschmutzung verursacht. Sie kam auf staatliche Zahlen: Zwischen 102 und 169 Milliarden Euro bewegt sich der Wert. Dabei richten die 191 größten Betriebe die Hälfte des Gesamtschadens an. Und auf dieser Liste durfte BAYER natürlich nicht fehlen. Sowohl die Werke in Leverkusen als auch die in Krefeld fanden sich auf ihr wieder.

Endgültiges Aus für Kohlekraftwerk
Im letzten Jahr hatte der Leverkusener Multi nach massiven Protesten den Verzicht auf die Errichtung eines klimaschädlichen Kohlekraftwerks in Krefeld bekannt gegeben. Stattdessen plante er gemeinsam mit TRIANEL ein umweltfreundlicheres Gas- und Dampfkraftwerk. Aber so ganz in trockenen Tüchern war das Vorhaben lange nicht. „Ob dieses Projekt wirtschaftlich umsetzbar ist, wird sich im Laufe der Projekt-Entwicklung zeigen“, erklärte der Konzern nämlich. Aber Anfang Februar 2012 machte er die Entscheidung dann endgültig, indem er den Bauantrag für die Dreckschleuder offiziell zurückzog.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BAYER: „Bisphenol keine Gefahr“
Im März 2011 hatte die EU die Verwendung der Industrie-Chemikalie Bisphenol A in Babyflaschen untersagt, da die Substanz Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen verursachen kann. Der Leverkusener Multi, der zu den größten Produzenten des Stoffes zählt, spielt die Gefahr jedoch immer noch herunter. Eine Studie des BUNDs, der Kindertagesstätten überprüfte und in 92 von 107 Staubproben Bisphenol nachwies, fand er nicht weiter beunruhigend. Bisphenol A sei nicht krebserzeugend und habe keinen Einfluss auf die Fruchtbarkeit, wiegelte Konzernsprecherin Gisela Stropp gegenüber dem Pfälzischen Merkur ab.

CO & CO.

Erdeinbrüche durch Zechen-Schächte?
Immer wieder kommt es entlang der Trasse von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline zu Erdeinbrüchen. In Erkrath und rund um Ratingen bildeten sich teilweise schon 80 cm tiefe Krater. Stillgelegte Zechen entlang der Trasse könnten diese Gefahr durch die Hohlräume, die von den Schächten herrühren, noch verstärken. 12 solcher Bergbau-Areale hat Erich Hennen von der Initiative STOPP BAYER-CO-PIPELINE ausgemacht, obwohl die Bezirksregierung und das Bergbau-Amt keine Unterlagen herausgaben. „Es wird gemauert, verdeckt, verschwiegen“, kritisierte Hennen.

NANO & CO.

Nano-Kongress in Bayreuth
Anfang Februar 2012 hielt die vom Bundesforschungsministerium geförderte „Innovationsallianz Carbon Nanotubes“, der auch der Leverkusener Multi angehört, ihren vierten Jahreskongress in Bayreuth ab. Von dem Gefährdungspotenzial, das von den Kohlenstoff-Nanoröhrchen (CNT) ausgeht, sprachen die TeilnehmerInnen natürlich nicht, obwohl einige WissenschaftlerInnen es mit demjenigen von Asbest vergleichen. Die Nano-Technologie lässt nämlich Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen, wodurch diese unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften entwickeln. BAYER-Manager Peter Krüger focht das nicht an. Er malte die Nano-Zukunft in goldenen Farben: „Unsere Forschungsarbeiten zeigen, dass CNT wichtige Impulse geben können (...) Das sorgt für innovative Produkte, stärkt die Wirtschaft und schafft Arbeitsplätze. Außerdem geben Kohlenstoff-Nanomaterialien wichtige Impulse für mehr Klimaschutz und Ressourcen-Effizienz.“

BAYER eröffnet Nano-Konferenz
Am 21. und 22. März fand in Brüssel die Konferenz „Nano Enhancers for Plastics 2012“ statt. Sie befasste sich mit dem Segen, den die Nanotechnologie angeblich für die Kunststoff-Industrie bereithält. Das Grundsatz-Referent durfte BAYERs Nano-Beauftragter Peter Krüger halten. Und natürlich ließ er es sich nicht nehmen, in seinem Beitrag die Werbetrommel für die BAYTUBES-Kohlenstoffröhrchen des Konzerns zu rühren.

NIOSH für höhere Nano-Grenzwerte
Selbst ist der Multi: BAYER hatte den Grenzwert für die Belastung der Beschäftigten mit Nano-Stäuben eigenmächtig auf 50 Mikrogramm festgesetzt – und die damalige schwarz-gelbe Landesregierung Nordrhein-Westfalens nickte diesen auch ohne Murren ab. Mittlerweile fordern WissenschaftlerInnen viel schärfere Limits. So empfiehlt das US-amerikanische „National Institute for Occupational Safety and Health“ (NIOSH) eine Marke von sieben Mikrogramm pro Kubikmeter Raumluft.

Nanotubes können Erbgut schädigen
Nano-Röhrchen aus Kohlenstoff, wie der Leverkusener Multi sie mit seinen BAYTUBES herstellt, sind imstande, das Erbgut zu schädigen. Das kann dem österreichischen „Institut für Technikfolgen-Abschätzung“ zufolge sowohl durch einen direkten Kontakt mit der DNA als auch durch entzündliche Reaktionen des Körpers geschehen.

Energie-intensive Nano-Herstellung
Die Herstellung von Kohlenstoff-Nanoröhrchen (CNT) wie BAYERs BAYTUBES ist sehr energie-intensiv. Die Produktion von einem Kilogramm Nanotubes verschlingt bis zu 1 Terrajoule, zu deren Erzeugung es ca. 26.550 Liter Erdöl braucht. „Demnach wären CNTs eines der energie-intensivsten Materialien, die uns bekannt sind“, resümiert das österreichische „Institut für Technikfolgen-Abschätzung“.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Gas-Austritt in Tarragona
Am 11. Januar 2012 kam es auf dem Gelände des spanischen BAYER-Standortes Tarragona zu einem Gasaustritt, was einen mehrstündigen Alarm auslöste.

PLASTE & ELASTE

Neues Forschungszentrum
BAYER MATERIAL SCIENCE, die Kunststoff-Sparte des Leverkusener Multis, hat in Dormagen ein neues Forschungszentrum in Betrieb genommen. Es hat die Aufgabe, „die technischen Abläufe bei der Produktion der Isocyanate MDI und TDI sowie der dabei benötigten Vorprodukte weiter zu erforschen und zu optimieren“. Es geht also vornehmlich um Effizienz-Steigerung. Dabei wäre ein ganz anderer Forschungsschwerpunkt wichtig: Der Versuch, bei der Herstellung der Plaste-Produkte ohne das gefährliche Giftgas Phosgen auszukommen.

STANDORTE & PRODUKTION

Chemie-„Park“ als Giftlager
Seit Jahren bemüht sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) darum, Angaben über die auf den Werksarealen von BAYER gelagerten gefährlichen Chemikalien zu erhalten. Trotz Umweltinformationsgesetz gelang ihr dies bisher nie – der Leverkusener Multi machte stets Terror-Gefahren geltend. Im Frühjahr 2011 jedoch entsprach die Bezirksregierung erstmals einem Antrag der CBG und teilte Zahlen für den gesamten Dormagener Chemie„park“ mit. Sie geben einigen Anlass zur Sorge. So befinden sich auf dem Gelände 70.000 Tonnen „giftige“ bzw. „sehr giftige“, über 13.000 Tonnen leicht entzündliche und über 65 Tonnen brandfördernde Stoffe. Von den sehr giftigen BAYER-Substanzen erreicht Toluol-diisocyanat (TDI) mit 7.765 Tonnen das größte Volumen. Es folgen Dimethylsulfat mit 51, Phosgen mit 36 und Brom mit zwei Tonnen. Bei den „nur“ giftigen Chemikalien nimmt die Propylenoxid-Menge mit 6.400 Tonnen das beträchtlichste Ausmaß an. Dann kommen Methanol mit 951, Chlor mit 761 und Hydrazin mit 360 Tonnen.

Mehr Pillen aus Weimar
BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie haben mehr Nebenwirkungen als andere Kontrazeptiva. So registrierte allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA in den letzten zehn Jahre 190 Sterbefälle nach Thromboembolien. Trotzdem will der Konzern die Produktion von YASMIN und anderen Pillen ausweiten. Darum rief er seine Niederlassungen zu einem internen Standort-Wettbewerb auf, aus dem Weimar als Sieger hervorging. Hier baut der Multi demnächst für 25 Millionen Euro; neue Arbeitsplätze entstehen durch die Investition nicht.

BMS investiert 700 Mio. in Deutschland
BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) kündigte an, bis 2014 ca. 700 Millionen Euro in der Bundesrepublik zu investieren. Zu den Projekten der Kunststoff-Sparte gehört die TDI-Anlage in Dormagen, eine neue Fabrik für Lackrohstoffe in Leverkusen und eine Kapazitätserweiterung in Krefeld. Der Multi feiert das als Bekenntnis zum Standort, obwohl sein finanzielles Engagement in Asien die für Deutschland vorgesehene Summe bei Weitem übersteigt – allein in Shanghai hat sich BMS neue Fertigungsstätten binnen der letzten zehn Jahre 2,1 Milliarden Euro kosten lassen. Viele neue Arbeitsplätze schafft das Unternehmen durch die Bau-Vorhaben auch nicht. So entstehen durch die in Leverkusen geplante Lack-Produktion nach Angaben des Konzerns gerade einmal „bis zu zehn“ neue Jobs.

Keine „Kultur GmbH“ in Leverkusen
Seit der Unternehmenssteuerreform von 2000/2001, die BAYERs ehemaliger Finanzchef Heribert Zitzelsberger in seiner Funktion als Staatssekretär wesentlich mitgeprägt hat, verringerte sich die Abgabenlast des Global Players merklich. Das bescherte den Städten mit BAYER-Standorten große finanzielle Nöte. Darum existierten im chronisch klammen Leverkusen Pläne, das Kulturprogramm des Pharma-Riesen stärker mit demjenigen der Kommune zusammenzuführen. Dazu wird es allerdings nicht kommen. „Wir haben schließlich bemerkt, dass die erhofften Synergie-Effekte bei einer engeren Kooperation doch nicht so groß wären“, so die Kulturpolitikerin Marion Grundmann zu den Motiven für den Entschluss, doch lieber weiter getrennte Wege zu gehen. Der Pharma-Riese, der gern

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2012 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Preis für die CBG
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und ihr Gründungsmitglied Axel Köhler-Schnura erhielten am 24. September 2011 den „Henry-Mathews-Preis“ der KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE. In der Laudatio hieß es: „Eine beeindruckende Anzahl von Aktionen hat eure konzernkritische Arbeit begleitet. Zum Beispiel im Jahr 2000, als ihr auf dem jährlich stattfindenden Gedenktag ‚Day of no Pesticides‘ an die Bhopal-Opfer des Giftgasunfalls in Indien 1984 erinnert habt und mit Giftspritzen, Kreuzen und Transparenten vor BAYER aufgetreten seid (...) Neben den Hauptversammlungs-Auftritten und Aktionen begleitet Ihr BAYER mit kritischen Analysen. Daneben unterstützt ihr weltweit Bürgerinitiativen, wenn sie in euer Aufgabenfeld gehören.“ Axel Köhler-Schnura dankte mit den Worten: „Ich wurde geehrt mit dem Henry-Mathews-Preis. Wofür? Für etwas, das doch selbstverständlich ist: Aufzustehen gegen Unrecht und Verbrechen. Und zwar so, wie es einem möglich ist. Dieser Preis steht Unzähligen zu. Und so sehe ich mich stellvertretend für all diese namenlosen Unbekannten, die tagtäglich das Gleiche tun wie ich“.

TDI-Anlage in der Kritik
Auf den von der Bezirksregierung Köln in der ersten Oktober-Woche 2011 einberufenen Erörterungsterminen zur Toluylendiisocyanat-Anlage, die BAYER in Dormagen plant, mussten sich die Konzern-Emissäre viel Kritik anhören (siehe auch SWB 1/12). Die VertreterInnen von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, dem BUND und der DORMAGENER AGENDA 21 beanstandeten die fehlenden Angaben zur Umweltbelastung, eine mangelhafte Störfall-Vorsorge und eine ungenügende, da nur mit Blech statt mit Beton vorgenommene Ummantelung der Produktionsstätte. Zudem verlangten sie den Einbau einer Schutzwand, die bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte. Die Bezirksregierung ließ das nicht unbeeindruckt. Sie dürfte das Projekt aber trotzdem genehmigen und im günstigsten Fall einige Nachbesserungen einfordern.

Duisbergs 150. Geburtstag
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Er war im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von Zwangsarbeitern. Zudem hatte er einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN. Da dem Ex-Chef des Leverkusener Multis trotz alledem immer noch in Ehren gedacht wird, startete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne. Sie forderte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen und Schulen, die Duisbergs Namen tragen, sowie den Entzug der Leverkusener Ehrenbürgerschaft (siehe auch SWB 1/12).

Kritik an Kölner Universität
Der Politologe Thomas Kliche hat den Kooperationsvertrag der Universität Köln mit BAYER scharf kritisiert und als „korporative Korruption“ bezeichnet. „Forscher mit Geld von Unternehmen finden häufiger die gewünschten Wirkungen und interpretieren ihre Ergebnisse netter zugunsten der Pillen“, sagte Kliche in einem Interview mit der taz. Er monierte auch die immer stärkere Abhängigkeit der Hochschulen von Drittmitteln, weil das die Einrichtungen den Wünschen der Konzerne gegenüber gefügiger mache. Um Transparenz zu gewährleisten, forderte der Wissenschaftler deshalb die Offenlegung der Vereinbarung und ergänzte: „Aber damit kann es nicht getan sein, weil solche Abkommen ja oft bewusst unverfänglich formuliert werden. Auch die Rahmenbedingungen müssen sich ändern. Da könnten interessanterweise Arbeitnehmervertretungen in der Forschung helfen, denn sie stärken die unteren Ebenen gegen den sanften Erwartungsdruck von oben.“

Anfrage zu Kooperationsverträgen
Einen Kooperationsvertrag, wie ihn die Kölner Hochschule mit BAYER vereinbart hat (siehe oben), schließen immer mehr Universitäten mit Wirtschaftsunternehmen ab. Die Partei „Die Linke“ nahm die Zusammenarbeit der Berliner Humboldt-Universität mit der DEUTSCHEN BANK zum Anlass, eine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Diese sieht die Freiheit von Wissenschaft und Lehre durch solche Partnerschaften allerdings nicht gefährdet. Darum will sie auch keinen Handlungsbedarf erkennen, und zwar gerade im Namen dieser Freiheit. „Die grundgesetzliche garantierte Freiheit von Forschung und Lehre begrenzt die staatliche Einflussmöglichkeit“, so die CDU/FDP-Koalition. Auch an der Geheimhaltungspolitik, wie sie beispielsweise BAYER und die Kölner Uni mit Vehemenz verfechten, stört sie sich nicht. „Angesichts der vielfältigen Formen der Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie der zahlreichen rechtlichen Implikationen, z. B. mit Blick auf den Schutz personenbezogener Daten, den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder den Schutz geistigen Eigentums erachtet die Bundesregierung (...) eine generelle Pflicht zur Veröffentlichung von Kooperationsverträgen als rechtlich bedenklich“, heißt es in der Antwort.

Forscher warnt vor Glyphosat
Gentech-Pflanzen weisen Resistenzen gegenüber bestimmten Pestiziden auf und können auf den Feldern deshalb bis zum Abwinken mit ihnen besprüht werden. Das bekannteste Mittel ist Glyphosat, das hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe, aber auch mit BAYER-Produkten wie der Baumwolle „GHB 614“ zum Einsatz kommt. Der emeritierte US-Agrarwissenschaftler Don Huber hat den Präsidenten der Europäischen Kommission, Manuel Barroso, jetzt in einem Brief eindringlich vor Glyphosat gewarnt, da es seiner Meinung nach zahlreiche Risiken und Nebenwirkungen hat. So kann es zum Absterben von Soja-Gewächsen und zum Verwelken von Mais führen. Zudem senkt es Huber zufolge die pflanzen-eigenen Widerstandskräfte. Deshalb riet der Forscher der EU, keine Laborfrüchte zuzulassen, die den Gebrauch von Glyphosat nach sich ziehen.

Demo gegen Patente auf Pflanzen
BAYER & Co. betreiben die Privatisierung der Natur nicht nur vermittels der Gentechnik. Sie streben auch immer mehr Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen wie z. B. Brokkoli an. So hat das Europäische Patentamt BAYER unlängst geistiges Eigentum auf eine besser vor Mehltau geschützte Gurke sowie auf eine Ackerfrucht mit erhöhter Stress-Resistenz zugesprochen. Doch gegen das Vorgehen der Konzerne erhebt sich Widerstand. Am 26. Oktober 2011 kam es vor dem Europäischen Patentamt in München zu einer Demonstration gegen den botanischen Imperialismus der Agro-Multis.

Naturland ohne Nano
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln BAYERs BAYTUBES und andere Nano-Produkte jedoch unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Wegen dieses Risiko-Profils hat sich der Ökoverband „Naturland“ entschieden, keine Lebensmittel, Kosmetika oder Verpackungsmaterialien auf Nano-Basis mit seinem Label zu versehen.

KAPITAL & ARBEIT

Erfolgreicher Arbeitskampf in Berkeley
Das BAYER-Werk in Berkeley gehört zu den wenigen US-Niederlassungen des Konzerns mit einer organisierten Arbeiterschaft. Darum gelang es in harten Tarifverhandlungen, die von Solidaritätsaktionen im ganzen Land begleitet waren, auch, deutliche Verbesserungen für die Beschäftigten zu erreichen. Die Gewerkschaft INTERNATIONAL LONGSHORE AND WAREHOUSE UNION (ILWU) vereinbarte mit der Betriebsleitung eine Entgelt-Steigerung von 3,1 Prozent über einen Zeitraum von vier Jahren, eine Begrenzung der Krankenversicherungskosten auf 18 Prozent des Gehalts sowie eine Sicherung der Arbeitsplätze. Donald Mahon von der ILWU sah den Erfolg als Bestätigung seiner Arbeit. „BAYER macht - so wie viele andere Unternehmen - Milliardenumsätze, aber damit sie den Arbeitern davon einen Teil abgeben, benötigt man gewerkschaftliche Organisation, Proteste sowie Druck von außerhalb und innerhalb der Werke“, so der Aktivist.

„Chemie Ost“ mit Entgelt-Angleichung
Im neuen Tarifvertrag für die ostdeutsche Chemie-Industrie ist es der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE gelungen, eine weitere Angleichung der Entgelte auf das West-Niveau zu erreichen. Gibt es bei den Eingangstarifen für verschiedene FacharbeiterInnen-Gruppen schon länger keine Unterschiede mehr, so soll nun auch die Differenz bei den vorgesehenen Erhöhungsstufen, die aktuell noch acht Prozent beträgt, schrumpfen. Zudem erweitert sich im Osten die Bemessungsgrundlage für die jährlichen Bonus-Zahlungen sukzessive, bis sie 2015 zum West-Wert von 95 Prozent des letzten Bruttogehaltes aufschließt.

IB BCE will Job-Garantie
Der Betriebsrat verhandelt mit der BAYER-Spitze über den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen bis 2015. „Wegen massiver Umstrukturierungen, Ausgliederungen von Unternehmensteilen und angedrohtem Arbeitsplatz-Abbau benötigen die Beschäftigten klare Perspektiven und dauerhaft gesicherte Arbeit“, erklärte Gesamtbetriebsratschef Thomas de Win von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE. Allerdings gestalten sich die Gespräche schwierig. Sie werden nicht wie eigentlich vorgesehen zum Jahresende 2011 enden, BAYER-Chef Marijn Dekkers kündigte eine Einigung erst für Mitte 2012 an. De Win indessen reicht die Job-Garantie nicht. Er forderte auch mehr Engagement für die Niederlassungen in der Bundesrepublik: „BAYER muss an allen deutschen Standorten investieren.“.

Lohnangleichung für LeiharbeiterInnen
Der Leverkusener Multi beschäftigt Hunderte von LeiharbeiterInnen. Ihre Lage dürfte sich bald bessern. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) erzielte mit dem „Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister“ nämlich eine Einigung über eine Lohnangleichung. Nach einem Zeitraum von drei Monaten sollen die ZeitarbeiterInnen sukzessive Zuschläge erhalten, bis ihr Entgelt dem der Stammbelegschaft entspricht, so die Regelung. Auch anderen Leiharbeitgebern will die IG BCE dieses Modell vorschlagen. Es tritt allerdings erst in Kraft, wenn es den anderen DBG-Gewerkschaften ebenfalls gelingt, das „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“-Prinzip durchzusetzen. Einigen von denen geht die Vereinbarung jedoch nicht weit genug. So lehnt etwa VER.DI die Stufenanpassung ab. „Da sich die Höhe des Lohns nach der Entleih-Dauer richtet, würden lediglich die Einkommensunterschiede zwischen Stammbelegschaft und Leiharbeitern zementiert“, konstatiert Jörg Wiedemuth von VERDIs tarifpolitischer Grundsatzabteilung. Zudem nimmt er es der IG BCE übel, den Leiharbeitsvorstoß nicht mit den anderen Gewerkschaften abgesprochen zu haben.

Auflösung der Diagnostika-Sparte
Seit dem 2006 erfolgten Aufkauf von SCHERING hat BAYER viele Arzneien des ehemaligen Berliner Pharma-Riesen ausgemustert. Der Konzern gab sich nämlich nicht dessen mit Umsatz-Erwartungen zufrieden. Während SCHERING neuen Produkten die Vorgabe von 100 Millionen Euro machte, erwartet der Leverkusener Multi 200 bis 300 Millionen. Neuester Coup: Der Konzern will die Sparte mit den ererbten Diagnostika-Produkten auflösen, die er schon länger vernachlässigt, weshalb bereits viele SCHERING-Ehemalige das Unternehmen verlassen haben. Das Geschäft mit den Röntgenkontrastmitteln MAGNEVIST und ULTRAVIST schlägt der Global Player seiner Tochterfirma MEDRAD zu; für sein noch nicht marktreifes Präparat zur Alzheimer-Früherkennung sucht er einen Käufer. Nach Angaben des Pillen-Herstellers stehen mit den avisierten Veränderungen 100 Arbeitsplätze zur Disposition.

Die letzten SCHERING-Mohikaner
Als der Leverkusener Multi 2006 SCHERING übernahm, stellte er den Beschäftigten Vorteile aus dem Zusammenschluss in Aussicht. Die Realität sah jedoch anders aus. 1.000 Belegschaftsangehörige mussten sofort gehen, und viele SCHERING-Präparate stampfte BAYER ein (s. o.). Mit dem neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers brachen dann noch härtere Zeiten an. Er tilgte den Namen SCHERING und unterstellte die Pillen-Schmiede direkt dem Kommando des Pharma-Chefs Jörg Reinhardt. Zudem verabschiedete er sich vom Ausbau des Berliner Standortes und ließ die dortigen Beschäftigten besonders hart unter seinem Arbeitsplatzvernichtungsprogramm leiden. Dies alles hatte Konsequenzen. Von den 96 Personen, die bei SCHERING einst in höheren Positionen tätig waren, arbeiten heute nach einer Berechnung des Betriebsrats gerade noch einmal vier für den Global Player, wie die Financial Times Deutschland berichtete.

Das Ende des Standortes Mishawaka
Im Zuge seines Rationalisierungsprogramms, das 4.500 Jobs kostet, strukturiert BAYER auch das Pharma-Geschäft in den USA um. So stehen bei MEDRAD, der Tochter-Firma für Medizin-Produkte, 60 bis 70 Jobs zur Disposition. Zudem plant der Gen-Gigant an der Ostküste ein neues Pharma-Zentrum, was die Existenz der anderen sechs Standorte in der Region bedroht. Eines wickelt der Pharma-Riese bereits ab. Er kündigte an, seine Niederlassung in Mishawaka schließen zu wollen. Die 130 Belegschaftsangehörigen, die dort für SIEMENS Diagnostika-Geräte herstellten, können zum Münchner Unternehmen wechseln. Die restlichen 270 stehen vor einer ungewissen Zukunft. Der Leverkusener Multi machte ihnen zwar ein Weiterbeschäftigungsangebot, das allerdings fiel ziemlich vage aus.

BAYER verkauft VIVERSO
Der Leverkusener Multi hat seine Tochter-Gesellschaft VIVERSO für 75 Millionen Euro an die Firma NUPLEX verkauft. „Damit trennt sich BAYER MATERIAL SCIENCE von dem Geschäft mit bestimmten konventionellen Lackharzen, das nicht mehr zur aktuellen Strategie des Unternehmens passt“, verkündete der Global Player. Er vernichtet damit 165 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns. Die Beschäftigten müssen vorerst jedoch nicht um ihre Jobs fürchten. NUPLEX kündigte an, die komplette Belegschaft übernehmen zu wollen.

JENAPHARM: Nur noch Vertrieb
Bereits 2006 hatte der Leverkusener Multi die Forschungsabteilung seiner Tochter-Gesellschaft JENAPHARM dicht gemacht. Nun wickelt er auch noch die Entwicklungssparte ab und vernichtet so 40 Arbeitsplätze. Künftig kümmern sich die verbleibenenen 200 Beschäftigten nur noch um den Vertrieb von Kontrazeptiva, Testosteron-Präparaten und Mitteln gegen Hautkrankheiten.

DYNEVO am Ende
Im Jahr 2001 hatte BAYER die Werksdruckerei DYNEVO ausgegliedert. In der Folge reduzierte der Multi die Arbeitsplätze von 230 auf 150. Zuletzt wollte er die Gesellschaft an BERTELSMANN verkaufen. Aber die Verhandlungen scheiterten. Deshalb kündigte der Konzern jetzt an, den Betrieb dicht zu machen.

Frauenanteil: 17 Prozent
Aktuell beträgt der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei BAYER 17 Prozent. Der Leverkusener Multi hat sich zum Ziel gesetzt, diesen bis zum Jahr 2015 auf 30 Prozent zu steigern. Er will sich dabei allerdings nicht von der Politik auf die Sprünge helfen lassen. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers empfindet eine „gesetzliche Quote als nicht zielführend“.

Großverdiener Manfred Schneider
BAYERs Aufsichtsratschef Manfred Schneider bleibt König der Deutschland AG. Er sitzt nämlich nicht nur dem Kontrollgremium des Leverkusener Multis vor, sondern bekleidet diese Position auch bei LINDE und RWE. Einen einfachen Aufsichtsratssitz hat er zudem noch bei der ALLIANZ inne. Dafür streicht er insgesamt 1,1 Millionen Euro ein - so viel wie keiner seiner KollegInnen.

14,7 Millionen für Wenning
Der Leverkusener Multi sorgt für einen angenehmen Ruhestand seines Ex-Chefs Werner Wenning. 14,7 Millionen Euro hält er für dessen Lebensabend bereit - mehr haben nur MERCEDES und VW für ihre Ehemaligen übrig. Und Wennings Nachfolger Marijn Dekkers braucht sich ebenfalls keine Sorgen zu machen. Im letzten Jahr hat der Konzern schon über zwei Millionen Euro für seine Pension zurückgelegt, so viel wie kein anderes Dax-Unternehmen für seinen Vorstandsvorsitzenden.

ERSTE & DRITTE WELT

Indien: 138 Arzneitest-Tote
Von 2007 bis 2010 starben in Indien 138 Menschen bei der Klinischen Erprobung von BAYER-Medikamenten (siehe auch SWB 1/12). Insgesamt kamen bei den Pillen-Prüfungen von Big Pharma in dem Zeitraum 1.600 ProbandInnen ums Leben. Nach Ansicht der Multis haben jedoch zumeist nicht die Medikamente, sondern Vorerkrankungen wie Krebs zum Ableben der ProbandInnen geführt. Die amtlichen Stellen machen ebenfalls nicht die Pharmazeutika im Allgemeinen verantwortlich. Von den 668 Sterbefällen im Jahr 2010 schreiben sie 22 der direkten Einwirkung der getesteten Substanzen zu. Darunter befinden sich fünf BAYER-Opfer, allein vier Tote forderte das Präparat XARELTO. Die Tests mit diesem Blutverdünnungsmittel hatte bereits die US-Gesundheitsorganisation PUBLIC CITIZEN beanstandet, da ProbandInnen, welche die Konkurrenz-Substanz Warfarin bekamen, nicht die optimale Dosis erhielten und sich so einem erhöhten Schlaganfall-Risiko aussetzten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat in einem Offenen Brief an BAYER die Praxis des Konzerns scharf kritisiert, immer mehr Tests in ärmere Länder zu verlegen, weil dort unschlagbare Preise, schnellere Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht locken, und eine umfassende Aufklärung über die Todesserie gefordert.

Kontrazeptiva-Kampagne in Afrika
Der Leverkusener Multi hat in Afrika eine Vermarktungsinitiative für seine Verhütungsmittel gestartet. Dazu ist er eine Partnerschaft mit der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID eingegangen, welche die Kosten für Erstellung und Verbreitung von Informationsmaterial zu den Pillen übernimmt. Die gemeinsame „Contraceptive Security Initiative“ will allen Frauen „mit mittlerem Einkommen in vorerst elf subsaharischen Entwicklungsländern Zugang zu bezahlbaren oralen Kontrazeptiva“ verschaffen. Um die Armen geht es also nicht; und um besonders arme Länder auch nicht. Äthiopien hat BAYER als Ausgangspunkt der Kampagne gewählt, weil die Märkte des Landes relativ gut entwickelt sind und eine hohe Nachfrage nach YASMIN & Co. besteht. „Einen neuen strategischen Ansatz und einen innovativen Weg zur Erschließung der Märkte in Entwicklungsländern“ nennt der Pharma-Riese das Ganze.

Freude über hohe Agrar-Preise
Die durch Finanzmarkt-Spekulationen zusätzlich hochgetriebenen Agrar-Preise bedrohen die Ernährungslage der Menschen in der „Dritten Welt“. Der Leverkusener Multi hingegen freut sich über die Entwicklung, denn die Mehreinnahmen der großen landwirtschaftlichen Betriebe führen zu einem gesteigerten Saatgut- und Pestizidabsatz. „All das deutet auf einen recht positiven Branchenausblick für den Rest des Jahres hin“, sagte BAYER-CROPSCIENCE-Chefin Sandra Peterson deshalb im September 2011.

Unnütze BAYER-Pillen in Indien
Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE hat die Geschäftspolitik BAYERs und anderer Pillen-Multis in Indien untersucht und kam zu einem wenig schmeichelhaften Ergebnis. So bewertete die Initiative von den 39 Präparaten, die der Leverkusener Multi dort in 77 Dosierungs- und Formulierungsarten vertreibt, nur neun als unentbehrlich. 40 sah sie als rational und 28 als irrational an. Aber selbst bei den unentbehrlichen Medikamenten wie RESOCHIN mit dem Wirkstoff Chloroquin hapert es, denn als Malaria-Theapeutikum taugt es wegen vermehrt auftretender Resistenzen nur noch bedingt. Und bei den als rational eingestuften Arzneien bemängelt der BUKO den oft viel zu hohen Preis. Die Liste der irrationalen Pharmazeutika führt mit dem Kontrazeptivum DIANE 35 ein Produkt an, das in der Bundesrepublik seit 1994 keine Zulassung mehr hat, weil es in Verdacht steht, Krebs auszulösen. Wegen der Nebenwirkung „Thrombose“ folgt das Verhütungsmittel YASMIN. Das Diabetikum GLUCOBAY und der Blutdrucksenker XIRTAM finden sich wegen Zweifeln an ihrer Wirksamkeit in dieser Kategorie wieder. Die Vitamin-Trunks wie BAYER‘S TONIC, EDINOL oder SUPRADYN hält der BUKO hingegen nicht nur für völlig nutzlos, sondern auch für gefährlich, denn sie enthalten teilweise Alkohol und belasten darüber hinaus das ohnehin zumeist schmale Budget der Familien unnötig. Zu allem Überfluss greift BAYER bei der Reklame für diese heikle Produkt-Palette dann auch noch zu dubiosen Praktiken. Besonders kritisiert die Pharma-Kampagne die aggressive YASMIN-Vermarktung in indischen Privatkrankenhäusern und die Kontrazeptiva-Schleichwerbung im Internet.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Im Verbund mit Autokraten
In welchem Maße die von BAYER mitgegründeten IG FARBEN den Faschismus unterstützt haben, ist allgemein bekannt. Aber auch noch nach 1945 hielt es der Leverkusener Multi mit autoritären Regimes. So vollzog er in Südafrika bereitwillig die Apartheid mit und richtete in seinen Niederlassungen getrennte Kantinen und Toiletten für Weiße und Schwarze ein. Und 1978 klagte ein brasilianischer Gewerkschaftler über die Kollaboration von BAYER & Co. mit dem Militär-Regime: „Aus der Bundesrepublik Deutschland sind da insbesondere VW, DAIMLER-BENZ, MANNESMANN, KRUPP, BAYER, HOECHST, SIEMENS, BASF, VOIGT u. a. zu nennen. Man könnte die Liste beliebig fortsetzen, zu der etwa 50 große westdeutsche Konzerne gehören, die in Brasilien die Privilegien genießen, die ihnen die Militärdiktatur einräumt.“ In Peru verstand sich der Konzern ebenfalls prächtig mit den Generälen, weil diese den Beschäftigten keinerlei Rechte zubilligten. 1977 schrieb deshalb die Gewerkschaft von BAYER INDUSTRIAL S.A. an ihre KollegInnen in der Bundesrepublik einen langen Brief. „Die geheiligten Rechte der Arbeiter werden von den Unternehmern verletzt, d. h. der 8-Stunden-Tag, das Streikrecht, die Vorlage von Lohnforderungen, das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht, Vollversammlungen durchzuführen und uns politisch zu organisieren. Wir bitten Sie, diese unsere Situation in Ihren Veröffentlichungen zu berücksichtigen und Ihren Protest zu erheben gegen diese Angriffe auf die Arbeiterschaft, gegen die Verfolgung von Sozialkämpfern und Gewerkschaftsführern, die verhaftet wurden und noch im Gefängnis sitzen, die deportiert wurden oder einfach verschwunden sind“, hieß es in dem Schreiben.

Die CUTTER-Impfkatastophe
1955 kam es in den USA zu einem folgenschweren Ereignis. Ein Impfstoff der BAYER-Tochter CUTTER gegen Kinderlähmung löste ebendiese aus, da er einen nicht sachgemäß deaktivierten Erreger enthielt. Neun Menschen starben, über 40.000 entwickelten Polio-Symptome. Als „CUTTER-incident“ ging der Fall in die Geschichtsbücher ein. Ein andere Version des Vakzins forderte in der Bundesrepublik zwei Todesopfer; 48 Menschen infizierten sich.

IG FARBEN & HEUTE

Börse ohne IG FARBEN
Auch nach 1945 bestand die IG FARBEN weiter. Der Zustand „in Auflösung“ hielt jahrzehntelang an. Immer wieder fand sich eine Gelegenheit, um alte Ansprüche wahren oder - etwa nach der Wiedervereinigung - neue formulieren zu können. In den 1990er Jahren hielten sich windige Investoren wie der CDU-Großspender Karl Ehlerding zudem gütlich am noch verbliebenen Grundkapital. Immer wieder vergeblich hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gefordert, die IG FARBEN zu liquidieren und ihr Vermögen an die ZwangsarbeiterInnen auszuzahlen. Das langsame Sterben des Unternehmens läutete jedoch erst die finanzielle Schieflage der Beteiligungsgesellschaft WCM ein, die den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern zwang, Insolvenz zu beantragen. Und nun steht das entsprechende Verfahren vor dem Abschluss, weshalb die Insolvenz-Verwalterin Angelika Wimmer-Amend ein Ende der Börsen-Zulassung der IG FARBEN beantragte.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER bespitzelt die CBG
Der Leverkusener Multi lässt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bespitzeln. Er beauftragte das Kölner Unternehmen UNICEPTA - nach eigener Aussage die „Nr. 1 in Medienbeobachtung, Issue-Management und Pressearbeit“ - damit, Materialien über die CBG zu sammeln. Beschäftigte mussten sich in den Email-Verteiler der Coordination eintragen und Informationen anfordern. Darüber hinaus wertete die Online-Analyse-Abteilung die Web-Aktivitäten der CBG aus.

Staatssekretär bei „invite“-Einweihung
Helmut Dockter, Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Forschungsministerium, wohnte der Eröffnung des Forschungszentrums „invite“ bei, das BAYER gemeinsam mit der Universität Dortmund betreibt. Die zu 70 Prozent aus Mitteln des Konjunkturpakets II finanzierte, 6,5 Millionen Euro teure Einrichtung soll Dockter zufolge helfen, den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu profitablen Produkten zu beschleunigen und so den trotz Konjunktur-Einbruch stabilen bundesdeutschen Industrie-Sektor weiter stärken. „Die Landesregierung will, dass diese Krisenfestigkeit erhalten bleibt“, so der Staatssekretär. Zu den Projekten von „invite“ zählt etwa die Entwicklung einer Produktionsstätte in modularer Form, deren einzelne Komponenten unabhängig voneinander ausgetauscht werden können. Sieben Chemie-Firmen gehören dabei zu den Kooperationspartnern, zahlen tut allerdings die EU. 30 Millionen Euro Fördergelder steuert sie bei.

Voigtsberger bei BAYER
Wo einst nur das BAYER-Werk seinen Sitz hatte, da befinden sich heute Niederlassungen von 38 Unternehmen. Und immer noch ist Platz im Leverkusener Chemie-„Park“ - zuviel Platz. Die Anwerbe-Politik des Konzerns verläuft nämlich nicht allzu erfolgreich, da sich die gesamte Chemie-Branche ähnlich wie der Multi „gesundschrumpft“. Er musste sogar schon mit Floristik-Studios als Mietern vorlieb nehmen. Da diese Klientel andere Bedürfnisse hat, veranstaltete der Global Player vor ein paar Jahren sogar einen Architektur-Wettbewerb zur Umgestaltung des Geländes (SWB 4/07). Jetzt hat sich das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium der Problematik angenommen, die sich an den anderen Standorten des Konzerns ähnlich darstellt. Es veranstaltete eine Konferenz zur Zukunft der Chemie-„Parks“. Diese fand Mitte November 2011 passender weise auch gleich am BAYER-Stammsitz statt. Der zuständige Minister Harry Voigtsberger (SPD) sprach dem Global Player in seiner Eröffnungsrede gleich Mut zu. „Chemie-‚Parks‘ haben sich bewährt. Sie werden auch weiterhin ein Zukunftsmodell sein, wenn sie sich den aktuellen Herausforderungen wie Energie-Effizienz sowie nachhaltige Entwicklung stellen“, befand er.

BAYER sponsert Regierung
Auch im jüngsten Sponsoringbericht der CDU/FDP-Koalition ist BAYER wieder prominent vertreten. Mit insgesamt rund 65.000 Euro griff der Konzern den jeweiligen Bundesregierungen von Januar 2009 bis Dezember 2010 unter die Arme. Er sponserte unter anderem Weihnachtskonzerte, Empfänge zum Tag der deutschen Einheit und einen Saatgut-Kongress. Auch die Landesregierungen „unterstützt“ der Leverkusener Multi. So erhielt die „Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund“ 8.000 Euro Zuschuss zum „Fest des Westens 2010“.

Dekkers VCI-Vize
Traditionell nehmen BAYER-Chefs Spitzenpositionen beim „Verband der Chemischen Industrie“ ein. Da macht auch der jetzige Vorstandsvorsitzende keine Ausnahme: Marijn Dekkers gehört neuerdings gemeinsam mit seinen Kollegen von MERCK und BASF zum Triumvirat der Vize-Präsidenten.

Dekkers im BDI-Präsidium
Der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) hat BAYER-Chef Marijn Dekkers in seinen erweiterten Präsidiumskreis gewählt.

Gutes China, schlechtes Deutschland
BAYER-Chef Marijn Dekkers nutzte die Einweihung eines neuen Kunststoffwerkes in Shanghai, um die chinesische Führung zu loben und Kritik am Investitionsklima in der Bundesrepublik zu üben. „Insgesamt hat es die chinesische Regierung bisher immer verstanden, das Wachstum zu managen“, sagte der Vorstandsvorsitzende. Die Bundesrepublik hingegen nutze ihr wirtschaftliches Potenzial nicht, da es Usus sei, „nur noch auf die Vermeidung kleinster Risiken zu pochen“, wie Dekkers im Hinblick auf die umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline formulierte (siehe auch IMPERIUM & WELTMARKT).

Obama stoppt CO2-Vorstoß der EPA
Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA wollte ab 2013 schärfere Kohlendioxid-Grenzwerte erlassen. Das aber verhinderte Barack Obama nach politischem Druck von Seiten der Konzerne. Vorher war es BAYER & Co. mit Verweis auf die schlechte Wirtschaftslage bereits gelungen, den Präsidenten von der Einführung eines Handels mit CO2-Verschmutzungsrechten und sowie von dem Ziel einer ehrgeizigen Emissionsreduktion abzubringen (siehe Ticker 1/10).

BAYER & Co. für Beitragssenkungen
BAYER & Co. fordern eine Senkung der Rentenversicherungsbeiträge. Die „Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände“ tritt für eine stufenweise Reduzierung von 19,9 auf 19,1 Prozent ein. Das brächte der Wirtschaft eine Ersparnis von rund vier Milliarden Euro.

Keine Netzgebühren für BAYER & Co.
Das neue Energiewende-Gesetz befreit BAYER und andere energie-intensive Unternehmen rückwirkend ab Januar 2011 von den Netzgebühren. Es gehe darum, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern und gleichzeitig Industrieland zu bleiben, so begründet Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) laut stern die Subventionsmaßnahme. Zu zahlen haben das die Privathaushalte. Auf sie kommt nach einer Schätzung des „Bundes der Energieverbraucher“ eine Mehrbelastung von jährlich ca. einer Milliarde Euro zu. „Die Industrie massiv zu entlasten und allein die Kleinverbraucher die Zeche zahlen zu lassen, ist eine Dreistigkeit, die bisher ohne Beispiel ist“, protestiert deshalb Holger Krawinkel von der Verbraucherzentrale. Bleibt nur, auf ein Eingreifen der EU zu hoffen. Aber selbst dafür haben die Multis schon vorgesorgt. Sie fordern eine Ausgleichszahlung, falls Brüssel gegen die Ausnahmeregelung vorgehen sollte.

PROPAGANDA & MEDIEN

Die Dekkers-Inthronisierung
In der Fachzeitschrift prmagazin hat BAYERs Kommunikationschef Michael Schade aus dem Nähkästchen geplaudert. Er legte dar, wie umfassend die PR-Abteilung die Presse-Berichte über den neuen Konzern-Leiter Marijn Dekkers gelenkt hat. Als das Unternehmen die Nominierung bekannt gab und erste Artikel auftauchten, die das wenig schmeichelhafte Bild eines rücksichtslosen Sanierers zeichneten, ergriffen Schade & Co. sogleich Maßnahmen und diktierten 40 JournalistInnen eine nettere Story in den Schreibblock. Wenig später stellten sie den Schreiberlingen ihren Schützling bei einem Abendessen exklusiv vor. Das zweite Diner folgte dann kurz vor dem wirklichen Amtswechsel. Dekkers bekam dort die Gelegenheit, die ihm in den Mund gelegten Phrasen „Mehr Innovation, weniger Administration“ und „Evolution statt Revolution“ zu platzieren, die anschließend auch eine weite Verbreitung gefunden haben. Und momentan arbeitet Schade daran, seinem Chef trotz der verkündeten Vernichtung von 4.500 Arbeitsplätzen das Image eines Jobkillers zu nehmen und vermeldet schon erste Erfolge. „Die mediale Platzierung von Herrn Dekkers gelingt immer besser“, sagt er mit Verweis auf ein Interview in der Wirtschaftswoche und einen Beitrag im Handelsblatt. Die Financial Times Deutschland hingegen ließ sich nicht so leicht einspannen. Ihr Journalist Klaus Max Smolka wollte einmal Details über Stellenstreichungen veröffentlichen, die ihm ein BAYER-Beschäftigter zugespielt hatte, und verärgerte damit den Multi nachhaltig. Auch generell „nimmt er wahr, dass der Konzern die Zügel anziehe, um die Berichterstattung zu steuern“, gibt das prmagazin dessen Worte wieder.

Medialer Gen-Gau
Unermüdlich arbeitet EuropaBio daran, die Akzeptanz für die umstrittene Gentechnik zu erhöhen. Und für den Herbst 2011 hatte sich der Lobbyverband von BAYER & Co. einen besonderen Coup ausgedacht: Prominente „Pro-Gentechnik-Botschafter“ sollten für die Risiko-Technologie Reklame machen. Einem internen Papier zufolge hatten sich Bob Geldorf und Kofi Annan bereits „interessiert“ gezeigt. Die Genannten wussten von ihrem Gentech-Glück jedoch noch gar nichts. „Herr Annan ist kein Botschafter für EuropaBio und hat keine Absicht, den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen zu fördern“, antwortete etwa ein Sprecher des ehemaligen UN-Generalsekretärs der englischen Zeitung The Guardian. Damit ging die PR-Offensive nach hinten los und entwickelte sich für EuropaBio zu einem medialen Gen-GAU.

Medialer Pipeline-GAU
Der Leverkusener Multi blickt neidvoll auf seinen Kölner Nachbarn SHELL. Der Öl-Konzern hatte es geschafft, ein mit der Gefährlichkeit von BAYERs zwischen Dormagen und Krefeld geplanter Kohlenmonoxid-Pipeline vergleichbares Projekt zu realisieren, ohne auf größeren Widerstand aus der Bevölkerung zu stoßen. Darum hat der Pharma-Riese die Leiterin der Abteilung „Corporate Policy and Advocacy“, Denise Rennmann, nebst anderen hochrangigen ManagerInnen zur Fortbildung in die Domstadt geschickt. „Wir haben mitgenommen, dass SHELL da sehr professionell kommuniziert hat“, resümierte BAYER-Sprecher Jochen Klüner. Der Global Player hatte nämlich frühzeitig das Gespräch mit AnwohnerInnen und Naturschutz-Initiativen gesucht, statt wie der Agro-Gigant allein auf Legislative und Judikative zu setzen. Bei ähnlich umstrittenen Vorhaben dürfte BAYER also zukünftig geschickter vorgehen. Darauf müssen sich alle Organisationen einstellen.

BAYERs EU-Lobbying
1,85 Millionen lässt sich der Leverkusener Multi seine Lobby-Aktivitäten bei der EU nach eigenen Angaben jährlich kosten. Was BAYER mit dem Geld so alles veranstaltet, darüber gibt der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold auf seiner Homepage einen kleinen Einblick. Der Parlamentarier dokumentiert dort nämlich sämtliche Annäherungsversuche. Und auf der langen Liste darf der Pharma-Riese natürlich nicht fehlen. So wollte er Giegold eine aus Unternehmenssicht verfasste „Studie“ zu den anstehenden Finanzmarkt-Reformen vorstellen. Der Global Player nutzt nämlich so umstrittene Instrumente wie Derivate - eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber - und hat Angst vor Regulierungen. Zudem befürchtet der Pille-Riese, verschärfte Eigenkapital-Vorschriften für Banken könnten die Kreditvergabe erschweren. Auch die Meinung des Konzerns zum Grünbuch „Angemessene, nachhaltige und sichere europäische Pensions- und Rentensysteme“ sollte sich der Parlamentarier auf BAYERs Wunsch anhören. Und solche Avancen dürfte der Pharma-Riese auch den KollegInnen des Grünen-Politikers immer wieder machen.

EU will Werbeverbot lockern
Unter massivem Lobby-Einsatz versucht BAYER in Tateinheit mit der gesamten Branche seit geraumer Zeit, das EU-weite Werbe-Verbot für Medikamente zu kippen, um unter dem Siegel der „PatientInnen-Information“ mit seinem Milliarden-Etat noch ein wenig mehr Marketing betreiben zu können. Ganz ist ihm das nicht geglückt, denn explizite Reklame erlaubt der Gesetzesvorschlag weiterhin nicht. Dafür legt er den Begriff „Information“ recht weit aus. Darunter fallen beispielsweise auch Patientenschicksale und Krankengeschichten. „Dies wäre eine nachträgliche Legalisierung dessen, was Arzneimittel-Hersteller seit einigen Jahren praktizieren. So existieren z. B. zur Männergesundheit zahlreiche Seiten zum Thema Testosteronmangel oder der so genannten erektilen Dysfunktion, die dann in einem Atemzug auch auf entsprechende Arzneimittel zur Behebung des Mangels verweisen“, kritisiert die BUKO-PHARMAKAMPAGNE mit Verweis auf BAYERs Methoden zur Vermarktung von NEBIDO, TESTOGEL und LEVITRA. Studien, Gutachten und wissenschaftliche Veröffentlichungen gelten ebenfalls nicht als Werbung, weshalb der Pharmakologe Gerd Glaeske schon Böses ahnt. „Es gibt sehr viele Gefälligkeitsgutachten von Wissenschaftlern, die Wünsche der Pharma-Industrie erfüllen“, so der Forscher von der Universität Bremen. Und zu allem Überfluss dürfen MedizinerInnen und ApothekerInnen zudem bald Broschüren der Pillen-Riesen an die PatientInnen verteilen.

BAYER sponsort Weltverhütungstag
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zum Behagen des Leverkusener Multis erfreut sich diese Ansicht sogar heute noch großer Beliebtheit, die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. Um die Geschäftsaussichten für YASMIN & Co. noch ein wenig zu verbessern, sponsert er darum auch 2011 wieder den Weltverhütungstag, der vor allem Jugendliche ansprechen soll.

BAYER sponsert Studierende
Der Leverkusener Multi umwirbt schon Studierende als zukünftige BAYER-KundInnen. So spendiert er beispielsweise StudentInnen der Tiermedizin Sezierbesteck, damit sie später auch schön seine Veterinär-Arzneien verschreiben.

BAYER will Forschungssubventionen
Unermüdlich fordert der Leverkusener Multi Steuererleichterungen für seine Forschungsanstrengungen. „In Europa fehlt dieses Instrument außer in Deutschland nur noch in Schweden, Solwenien, Rumänien und den baltischen Staaten“, klagte BAYERs Forschungsvorstand Wolfgang Plischke. In dem Interview mit dem Magazin GoingPublic drohte er in seiner damaligen Funktion als Vorstandsvorsitzender des vom Pharma-Riesen gegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ bei Nichtgewährung dieser Subvention sogleich mit Abwanderung. „Die Unternehmen können dieses Ungleichgewicht bei ihren Standort-Entscheidungen nicht ignorieren“, so Plischke.

200.000 Euro für Selbsthilfegruppen
BAYER sponsert Selbsthilfegruppen und PatientInnen-Organisationen in hohem Maße. Über 200.000 Euro verteilte der Leverkusener Multi 2010 allein an die bundesrepublikanischen Verbände. Aber natürlich nicht an alle. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen, die der Konzern mit entsprechenden Medikamenten beglücken kann: Diabetes-, Krebs-, Bluter- und Multiple-Sklerose-Vereinigungen. Und das ist gut angelegtes Geld: „Wenn Firmen zehn Prozent mehr in Selbsthilfegruppen investieren, wächst ihr Umsatz um ein Prozent im Jahr“, hat der als Gesundheitsökonom an der Universität Bremen lehrende Dr. Gerd Glaeske einmal errechnet. International greift der Pharma-Riese noch tiefer in die Tasche. So bedachte er die Blutergesellschaften rund um den Globus 2010 mit über fünf Millionen Euro. Aber diese PR-Maßnahme ist auch bitter nötig. In den 1990er Jahren starben nämlich Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Pillen-Herstellers, weil er sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner sterilisierenden Hitze-Behandlung unterzogen hatte.

45.000 Euro an Krankenhaus
Im letzten Jahr hat der Leverkusener Multi 45.000 Euro an das Klinikum Bremen-Mitte gespendet, ein weiteres Krankenhaus der Stadt erhielt immerhin noch 5.000 Euro. Auch andere Multis zeigten sich großzügig. Die Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper hätte diese Zahlen am liebsten unter Verschluss gehalten, die Veröffentlichung verdankt sich allein der Beharrlichkeit der HUMANISTISCHEN UNION. Für den Pillen-Multi dürfte sich die Investition lohnen. „Ein Pharma-Unternehmen wie BAYER zahlt das nicht aus gutem Willen zur Förderung eines guten Zwecks, die erwarten eine Gegenleistung“, kommentiert der Pharmakologe Peter Schönhöfer das Sponsoring.

45.000 Euro an „Arche“
BAYERs BEPANTHEN-Kinderförderung unterstützt seit längerem das Kinder- und Jugendwerk „Die Arche“, das dem evangelikalen Verband „Deutsche Evangelische Allianz“ angehört, und investiert damit in das SozialarbeiterInnen-Image des Konzerns. Wie im letzten Jahr honorierte er die Rückgabe einer leeren und den Erwerb einer neuen Packung der BEPANTHEN-Wundsalbe mit einem Euro für „Die Arche“. 45.000 Euro kamen so zusammen. Für die Verbreitung des PR-Coups sorgte als Medienpartner dann das Blatt Frau im Spiegel.

Umweltschutz-Studien bei BAYER
Als „Bluewashing“ kritisieren die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen die Strategie der Konzerne, sich durch Kooperationen mit den Vereinten Nationen ein gutes Image zu verschaffen. Der Leverkusener Multi tut dies hauptsächlich durch ein Sponsoring der UNEP, des Umweltprogramms der UN. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit besuchten im Herbst 2011 50 Studierende aus Afrika, Asien und Lateinamerika Leverkusen, um ausgerechnet bei BAYER Studien zum Thema „Nachhaltigkeit und Umweltschutz“ zu betreiben.

Pestizid-Entlastungsstudie
BAYER & Co. behagt das schlechte Image ihrer Ackergifte nicht. Deshalb hat ihr „Industrieverband Agrar“ (IVA) bei Professor Harald von Witzke von der Berliner Humboldt-Universität eine Entlastungsstudie bestellt. Und Witzke, der schon häufiger vom Leverkusener Multi und anderen Unternehmen gesponserte Expertisen durchgeführt hatte und auch bereits als Autor des BAYER-Magazins re:source hervortat, lieferte das gewünschte Ergebnis. „Studie belegt Wohlstandsgewinn durch moderne Landwirtschaft“, konnte der IVA vermelden. Die Agrochemikalien schalten Unkraut, Pilze und Schadinsekten aus und bescheren den konventionell arbeitenden LandwirtInnen so eine viel reichere Ernte als den Biobauern und -bäuerinnen, so das Resultat der Forschungsarbeit. Witzke hatte sogar eine Zahl parat: Auf vier Milliarden Euro bezifferte er den Pestizid-Mehrwert. „Diese Studie darf nicht folgenlos bleiben“, forderte IVA-Geschäftsführer Volker Koch-Achelpöhler daraufhin, „... Es wird Zeit, auch jene Risiken klar zu benennen, die durch den Verzicht auf den modernen Pflanzenschutz erwachsen“.

Tag der offenen Tür
Mit dem Image des Leverkusener Multis ist es wegen umstrittener Vorhaben wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und anderer Großprojekte nicht zum Besten bestellt. Darum unternimmt er viele Anstrengungen zur Rettung seines Rufes. Eine Gelegenheit dazu bot der „Tag der offenen Tür“, den BAYER und andere Chemie-Konzerne im „Jahr der Chemie“ mit besonders großem Aufwand gestalteten. In Leverkusen schaute sogar der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers persönlich vorbei, um „Chemie zum Anfassen“ zu präsentieren und Lust auf das „BAYER-Wissenschaftsabenteuerland“ zu wecken. Das größte Abenteuer boten dort Sängerinnen, welche die Forschungsphilosophie des Pharma-Riesen in Lied-Form vortrugen. Ansonsten gab es noch Chemie„park“-Führungen, Austellungen, Labor-Experimente, Hüpfburgen, Kakerlaken-Wettrennen, Flohzirkusse und TiermedizinerInnen-Sprechstunden.

TIERE & VERSUCHE

Mehr Tierversuche
Bei BAYER ist die Zahl der Tierversuche im Geschäftsjahr 2010 gegenüber 2009 von 171.251 auf 171.627 gestiegen. 92 Prozent davon unternahm der Leverkusener Multi mit Ratten und Mäusen, fünf Prozent mit Fischen und Vögeln und 0,6 Prozent mit Hunden, Katzen und Affen. Dazu kommen noch die Experimente, die der Konzern von externen Forschungszentren machen lässt. Sie wuchsen besonders stark an und erhöhten sich von 5.793 auf 19.785. „Der Anstieg ist durch die Tatsache zu erklären, dass wir mit einem Nutztier-Projekt in die finale Entwicklungsphase gekommen sind und gesetzlich geforderte Studien durchgeführt haben“, so das Unternehmen zur Begründung.

DRUGS & PILLS

YASMIN bleibt auf dem Markt
Auch in den USA sehen sich BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie wegen ihrer Nebenwirkungen zunehmender Kritik ausgesetzt. Neuere Studien weisen ein bis um den Faktor 3,3 erhöhtes Risiko für Thromboembolien aus. 190 Todesfälle binnen der letzten zehn Jahren listet die US-Gesundheitsbehörde FDA auf. Darum hat sie sich Anfang Dezember mit dem Fall „YASMIN“ befasst. Mit 15 zu 11 Stimmen votierten die von der FDA berufenen ExpertInnen knapp dafür, das Mittel auf dem Markt zu lassen. Die Behörde dürfte den Leverkusener Multi nun lediglich auffordern, auf den Verpackungen dringlicher vor den Gesundheitsgefahren zu warnen. Ähnlich defensiv verfuhr bereits das hiesige „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“.

Erweiterte XARELTO-Indikation
Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat das BAYER-Präparat XARELTO, bisher zur Thrombose-Vorbeugung nach schweren orthopädischen OPs im Einsatz, jetzt auch als Mittel zur Schlaganfall-Vorbeugung zugelassen. Sie setzte sich damit über viele, auch interne Bedenken hinweg. Eigene MitarbeiterInnen hatten sich noch Anfang September 2011 gegen die Genehmigung ausgesprochen, weil die von BAYER eingereichten Studien ihrer Meinung nach Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken aufwarfen. Zudem konnten sie im Vergleich zum bislang gebräuchlichen Wirkstoff Warfarin keinen therapeutischen Zusatznutzen entdecken. Aber die FDA setzte sich über diese Einwände hinweg. Nicht einmal Meldungen über Sterbefälle bei der Klinischen Erprobung des Mittels in Indien (siehe ERSTE & DRITTE WELT) konnten sie umstimmen. Der Institution waren derartige Zwischenfälle bekannt, wie sie der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mitteilte: „Die Ärzte-Information führt Tod als mögliche Nebenwirkung auf, die während der Klinischen Tests mit XARELTO auftrat“. Bei Zulassungen gelte es immer, zwischen Wirksamkeit und Sicherheit eines Medikamentes abzuwägen, so die Behörde weiter. Dank dieser Abwägung zu Gunsten der Wirksamkeit und zu Lasten der Sicherheit kann der Leverkusener Multi mit einem XARELTO-Umsatz von zwei Milliarden Euro rechnen.

ALPHARADIN-Zulassung beantragt
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch das vom Leverkusener Multi gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickelte ALPHARADIN, das vermittels radioaktiver Strahlung das Wachstum von Prostatatumor-Zellen hemmen soll. Männern, bei denen eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben, verhalf es in einem Klinischen Test zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. Trotzdem will BAYER für das Medikament im nächsten Jahr die Zulassung beantragen.

TRASYLOL-Wiederzulassung in Kanada
Im November 2007 musste BAYER das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen. Mehrere Studien hatten die Gefährlichkeit des Medikamentes belegt. So analysierte der Harvard-Professor Alexander Walker die Unterlagen von 78.000 Krankenhaus-PatientInnen und konstatierte im Falle einer Behandlung mit TRASYLOL eine erhöhte Sterblichkeitsrate sowie ein größeres Risiko für Nierenversagen, Schlaganfälle und Herzerkrankungen. „2.653 Patienten mussten zur Dialyse und 2.613 Patienten starben“, hieß es in der Expertise. Trotz dieses Befundes hat Kanada der Arznei zur Versorgung von PatientInnen nach Bypass-Operationen eine Wiederzulassung erteilt. „Nach einer sorgsamen Überprüfung kam Health Canada (die staatliche Gesundheitsbehörde, Anm. Ticker) zu dem Schluss, dass der Nutzen von TRASYLOL die Risiken übersteigt“, hieß es zur Begründung. Zahlreiche MedizinerInnen mochten sich diese Meinung nicht anschließen und protestierten gegen die Entscheidung.

Lieber kein ASPIRIN COMPLEX
In unendlichen Variationen bietet der Leverkusener Multi seinen „Tausendsassa“ ASPIRIN mittlerweile an. So gibt es ASPIRIN COMPLEX zur Behandlung von Erkältungssymptomen seit Kurzem auch zum Anrühren mit heißem Wasser. Die unabhängige Fachzeitschrift arznei-telegramm rät von dem Mittel mit der Wirkstoff-Kombination Acetylsalicylsäure und Pseudoephedrin allerdings ab. Vor allem am Nutzen des Amphetamin-Abkömmlings Pseudoephedrin zweifelt das Magazin, weil es gegen eine verstopfte Nase nicht so gut wirkt wie andere Wirkstoffe und zudem noch mehr Nebenwirkungen hat. Als solche zählt die Zeitschrift Angstzustände, Schlaflosigkeit, Halluzinationen, Herzrasen und steigender Blutdruck auf. Sogar ein Herzinfarkt ist der Publikation zufolge belegt.

Keine Packungsbeschränkung für ASPIRIN
Immer mehr Menschen nehmen ASPIRIN ein, was vor allem der BAYER-Werbung geschuldet ist. Dem Konzern gelingt es mit seinen Kampagnen, das Präparat nicht mehr nur als Schmerztablette, sondern auch als Mittel zur Herzinfarkt-Prophylaxe zu vermarkten. Aber mit den Umsätzen (aktuell 776 Millionen Euro), steigen auch die Zwischenfälle. Dr. Friedrich Hagenmüller von der Hamburger Asklepios-Klinik schätzt die Zahl der Todesopfer durch die ASPIRIN-Nebenwirkung „Magenbluten“ allein in der Bundesrepublik auf 1.000 bis 5.000. Da er zudem den Nutzen des „Tausendsassas“ bei der Schmerzbehandlung anzweifelt, setzt er sich für eine Handelsbeschränkung ein. Die forderte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) ebenfalls. Es trat dafür ein, die rezeptfrei abgegebenen Packungen von ASPIRIN und ähnlichen Produkten so zu verkleinern, dass sie nur noch für vier Tage reichen. Danach sollten die PatientInnen die Medikamente bloß noch auf Rezept bekommen. Dieser Vorschlag konnte vor dem auch mit Pharma-VertreterInnen besetzten „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ allerdings nicht bestehen.

Doping mit ASPIRIN
ASPIRIN erfreut sich auch im Sport-Bereich zunehmender Beliebtheit. Besonders vor strapaziösen Marathonläufe greifen die TeilnehmerInnen gerne zu dem Tausendsassa oder zu anderen Schmerzmitteln. Nach einer Untersuchung des Pharmakologen Dr. Kay Brune nahmen beim Bonn-Marathon 2009 fast zwei Drittel der LäuferInnen ASPIRIN oder ähnliche Präparate ein. Unter der sportlichen Belastung steigt die Gefahr noch einmal stark an, dass die Nebenwirkungen durchschlagen, denn der Körper versorgt während dieser Zeit die für die Entgiftung zuständigen Nieren und den Magen/Darm-Trakt weniger mit Blut als üblicherweise. Die Folge: Nierenschäden und Magengeschwüre. „Manche Sportler müssen sogar unmittelbar nach der sportlichen Höchstleistung operiert werden und verlieren Teile ihrer inneren Organe“, so Brune.

LEGANTO neu auf dem Markt
BAYER bringt das bisher unter dem Namen NEUPRO bekannte Pflaster unter der Bezeichnung LEGANTO neu heraus. Eine entsprechende Kooperation mit dem NEUPRO-Hersteller UCB gab der Leverkusener Multi im Sommer 2011 bekannt. Das mit dem dopamin-ähnlich wirkenden Rotigotin versehene Pflaster ist zur Behandlung des Restless-Legs-Syndroms und zur Therapie von Parkinson im Frühstadium zugelassen. In einem späterem Stadium der Krankheit dürfen es die MedizinerInnen nur gemeinsam mit einem anderen Medikament verwenden. In Tests zeigte sich das Mittel bei dieser Indikation der Substanz Ropinirol unterlegen. Die „European Medicines Agency“ ließ das Medikament, zu dessen Nebenwirkungen Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerz und Übelkeit zählen, aber trotzdem zu.

VFA beklagt sinkende Pillen-Preise
Das 2010 erlassene „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ hat die Pillen-Preise bis zum Jahr 2013 auf dem Stand von August 2009 eingefroren und den Hersteller-Rabatt für neue Medikamente von sechs auf 16 Prozent erhöht. Das hat nach Berechnungen des „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ (VFA), den BAYER gegründet hat, die Arzneien im Durchschnitt um drei Prozent billiger gemacht, was zu entsprechenden Mindereinnahmen bei den Pharma-Multis geführt hat. Allein das neue Rabatt-Reglement kostet die Konzerne 1,5 Milliarden Euro.

Personalisierte Medizin floppt
Die personalisierte Medizin, also die Entwicklung einer passgenauen, auf die jeweiligen Bedürfnisse der PatientInnen ausgerichteten Therapie-Form, erfüllt die in sie gesteckten Erwartungen nicht. „Die Sache ist komplizierter als gedacht“, räumt BAYERs Pharma-Forscher Jörg Müller ein. Besonders bei Herz/Kreislauf-Erkrankungen hapert es noch. „Kardiologische Erkrankungen sind auf molekularer Ebene viel weniger erforscht, als das bei Krebs-Indikationen der Fall ist“, stellt sein Kollege Helmut Haning fest. Zudem ist „Personalisierte Medizin“ oftmals nur ein Euphemismus für ein dem Großteil der PatientInnen nicht zumutbares Medikament. Wenn eine Arznei in einem Klinischen Test bei der Mehrheit der ProbandInnen keine positiven Effekte zeitigt, picken sich die Pharma-Multis die Minderheit heraus und deklarieren die Pille als maßgeschneidert für ebendiese Gruppe. Das hat auch der Leverkusener Multi vor. Da sein Pharmazeutikum XARELTO bei der Indikation „Thrombose“ in Tests nicht besser als die bisherige Standardmedikation abschnitt, will er sich nun diejenigen TeilnehmerInnen herausfiltern, bei denen es doch anschlug, um wenigstens ein personalisiertes XARELTO für dieses Anwendungsgebiet herausbringen zu können.

Neuer Anlauf für Positivliste?
Viele GesundheitsministerInnen haben sich schon bemüht, die unübersehbare Menge der auf dem Markt befindlichen Arzneimittel durch eine Positivliste zu beschränken. Allesamt scheiterten sie jedoch am Widerstand von BAYER & Co. Jetzt unternehmen CDU und FDP einen neuen Anlauf. Die Parteien wollen parallel zum LandärztInnen-Gesetz einen Modellversuch starten, der die MedizinerInnen auf die Verordnung bestimmter, in einem Katalog festgehaltener Arzneien verpflichtet. Warnungen vor einer „standardisierten Kochbuch-Medizin“ ließen da nicht lange auf sich warten, und allen bisherigen Erfahrungen nach zu urteilen, dürfte das Projekt keine großen Chancen haben.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Endosulfan-Verbot beschlossen
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen, besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan in anderen Ländern ebenfalls nicht mehr zu vertreiben. Im vorletzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09), nicht ohne jedoch noch einmal einen aggressiven Schlussverkauf zu veranstalten (siehe auch SWB 1/11). Und jetzt darf der Multi auch gar nicht mehr anders: Die 133 der „Stockholmer Konvention“ angeschlossenen Staaten haben sich zu einem weltweiten Bann entschlossen. Allerdings gestalteten sich die Verhandlungen schwierig, und Indien, China und Uganda stimmten der Einigung nur gegen die Gewährung von Ausnahmegenehmigungen zu. Ganz verschwindet das Ultragift damit also nicht.

PFLANZEN & SAATEN

Zugriff auf Hybridreis-Zucht
Ende September 2011 erwarb BAYER Zugriffsrechte auf das Hybridreis-Zuchtprogramm der brasilianischen Firma FAZENDA ANA PAULA. Bei Hybrid-Reis handelt es sich um solche Pflanzen, welche die LandwirtInnen nicht wiederaussäen können, was die Abhängigkeit von den Konzernen steigert (siehe auch SWB 1/10). Darum engagiert sich der Leverkusener Multi auch stark auf diesem Gebiet. Er hat in Ländern wie Indonesien, Brasilien, Burma, China, Thailand, den Philippinen und Vietnam Kooperationen mit den Regierungen vereinbart hat, um ARIZE und andere Sorten durchzusetzen. Bauern und Bäuerinnen haben mit ihnen denkbar schlechte Erfahrungen gemacht. So klagen etwa indonesische FarmerInnen über ARIZE, weil er hohe Produktionskosten verursacht, schlecht schmeckt und anfälliger gegenüber Schadinsekten ist. Da der Agro-Riese das Produkt zudem auf die industrielle Landwirtschaft zugeschnitten hat, warnt die Initiative ALLIANCE OF AGRARIAN REFORM MOVEMENT im Land bereits vor einem Bauernsterben durch ARIZE & Co.

Mehr Bioscience
BAYER entwickelt pro Jahr mehr als 100 neue Pflanzen- und Gemüsesorten. Und es sollen noch mehr werden. Der Konzern kündigte nämlich an, seine Forschungsausgaben in der Sparte „Bioscience“ bis 2015 auf 400 Millionen Euro zu verdoppeln. Und neben neuen Gentech-Arten (siehe GENE & KLONE) will der Agro-Multi mit diesem Geld auch mehr Saatgut und auf konventionellem Wege veränderte Ackerfrüchte entwickeln.

Weizen-Kooperation mit Uni
Der Leverkusener Multi hat mit der US-amerikanischen „South Dakota State University“ eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet „Weizen-Saatgut“ vereinbart. Nach dem Vertrag gewähren sich die Partner gegenseitig den Zugriff auf ihr Zuchtmaterial, was dem Konzern die Möglichkeit eröffnet, neue Sorten zu entwickeln. Das gewachsene Interesse des Global Players an der weltweit am häufigsten angebauten Kulturpflanze belegen auch neuere Kooperationen mit dem französischen Unternehmen RAGT, der australischen Forschungseinrichtung „Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation“ (CSIRO), mit dem israelischen Biotech-Betrieb EVOGENE und der Universität von Nebraska sowie der Erwerb zweier Zuchtprogramme von ukrainischen Gesellschaften. Der erste Weizen made by BAYER ist für das Jahr 2015 angekündigt.

Weizenzucht-Zentrum in Gatersleben
BAYER errichtet im Biotech„park“ Gatersleben ein Europäisches Weizenzucht-Zentrum und verstärkt damit sein Engagement auf diesem Gebiet (s.o.) weiter. Auf dem Gelände, auf dem sich auch das „Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzen-Forschung“ befindet, hat der Multi Großes im Sinn. „Unser Team im Europäischen Weizenzucht-Zentrum wird erstklassige, an europäische Bedingungen angepasste Sorten entwickeln. Mit diesen Sorten und unserem führenden Portfolio an Pflanzenschutz-Produkten werden wir in Zukunft Lösungen für eine nachhaltige Getreide-Produktion von der Aussaat bis zur Ernte anbieten können“, erklärte der Agro-Riese. Ähnliche Zentren wie das in Gatersleben plant er in den USA, in Australien, Asien und Lateinamerika. Und um auch den ganzen Nutzen aus der Wertschöpfungskette „Weizen“ ziehen und die LandwirtInnen in eine größere Abhängigkeit treiben zu können, fordert der Global Player auch für nicht per Gentechnik entwickelte Ackerfrüchte eine Patent-Regelung ein (siehe Ticker 4/11).

GENE & KLONE

BAYER testet Krebsmittel
Das Biotech-Unternehmen MORPHOSYS hat einen Antikörper zur Tumor-Behandlung entdeckt und will ihn gemeinsam mit BAYER bis zur Produktreife entwickeln. Die Klinischen Tests der Phase I haben im Herbst 2011 begonnen. Die bisherigen Erfahrungen machen allerdings skeptisch. Bislang ist es dem Leverkusener Multi noch nie gelungen, ein Krebspräparat auf den Markt zu bringen, welches das Leben der PatientInnen mehr als drei Monate verlängert.

BAYER-Gensoja nicht zugelassen
Ein ExpertInnen-Gremium der EU konnte sich nicht über die Zulassung von BAYERs Gensoja der BASTA-Produktreihe einigen. Deshalb muss sich jetzt eine höhere Instanz mit dem Fall beschäftigen. Die COORDINATON GEGEN BAYER-GEFAHREN tritt schon seit längerem für ein Importverbot ein. Die Pflanze ist nämlich durch eine auf gentechnischem Wege eingebaute Resistenz auf den Gebrauch des hochgefährlichen Herbizides Glufosinat abgestimmt, dessen Gebrauch die Europäische Union ab 2017 verboten hat.

Mehr Gentech-Forschung
BAYER will die Forschungsausgaben im Bereich „Bioscience“ bis zum Jahr 2015 auf 400 Millionen Euro verdoppeln. Da sich die Hälfte der Projekte in dieser Sparte mit der „grünen Gentechnik“ befasst, dürfte deshalb in Zukunft mit mehr Laborfrüchten made by BAYER zu rechnen sein.

Neues Gentech-Verfahren
Durch die Nutzung einer Technologie, die das US-Unternehmen PRECISION BIOSCIENCE entwickelt hat, ist es BAYER-ForscherInnen gelungen, eine neue Erbanlage in eine bereits gen-veränderte Pflanze einzubauen. „Durch die zielgenaue Integration vorteilhafter Pflanzen-Eigenschaften lässt sich die Produktentwicklung vereinfachen und die Zeit bis zur Marktreife verkürzen“, jubiliert der Konzern.

WASSER, BODEN & LUFT

„Map Ta Phut“-Gesetz scheitert vorerst
Im thailändischen Map Ta Phut liegt eine der größten Industriezonen der Welt. Sie sollte noch größer werden, aber den AnwohnerInnen reichten schon die bisherigen Umweltbelastungen. Sie klagten, und 2009 gab ein Gericht ihnen Recht. Es stoppte 76 Bauvorhaben, darunter zwei des Leverkusener Multis, der seine Bisphenol- und seine Polycarbonat-Produktion erweitern wollte (SWB 1/11). Inzwischen ist das Moratorium wieder aufgehoben. Die Regionalregierung versprach jedoch einen besseren Gesundheitsschutz. Eine unabhängige Kommission erarbeitete dann auch einen Gesetzesvorschlag. Der allerdings fand im September 2011 nicht die Gnade der Politik. Sie gab eine Überarbeitung in Auftrag, was die Initiative EASTERN PEOPLE‘S NETWORK zu herber Kritik veranlasste.

Kooperation mit der Müll-Mafia
BAYER und andere bundesdeutsche Unternehmen haben in den 1960er bis 1980er Jahren die Dienste der Mafia in Anspruch genommen, um ihren Giftmüll zu entsorgen. Die Abfälle landeten zunächst in Afrika. Als es dort zu Protesten kam, versenkte die kriminelle Vereinigung die Produktionsreste mitsamt Schiffen einfach auf hoher See. Ca. 30 von ihnen schlummern heute noch auf dem Meeresgrund. „Es war ein weitverzweigtes Netzwerk. Ein internationales Netzwerk, bestehend aus Drecksarbeitern und Saubermännern, bis in höchste politische Ebenen vernetzt, mit Ausläufern auf dem ganzen Erdball“, sagt der Journalist Sandro Mattioli, der gemeinsam mit seinem Kollegen Andrea Palladino über diesen Fall das Buch „Die Müllmafia“ geschrieben hat. Ernsthafte Bemühungen, diesen Skandal aufzudecken, gab es nur in den 1990er Jahren - und der damalige Hauptermittler Natale de Grazia bezahlte das mit seinem Leben.

Dormagen: Aus für Müllkraftwerk
Der Leverkusener Multi hat Planungen für ein Müllkraftwerk in Dormagen aufgegeben, da das zu erwartende Abfall-Volumen nicht ausreicht, um es rentabel betreiben zu können. Auch in Brunsbüttel stocken die Vorbereitungen für einen solchen Ofen, der mehr Schadstoffe produziert als herkömmliche Rückstandsverbrennungsanlagen, weshalb die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Bau-Bestrebungen bereits seit längerem kritisiert (siehe SWB 1/08).

BAYER initiiert „CleantechNRW“
Unter Nachhaltigkeit versteht der Leverkusener Multi vor allem Ressourcen-Effizienz. Aber die Umwelt profitiert im Gegensatz zum Unternehmensetat nicht unbedingt von einem sparsamen Umgang mit den Rohstoffen. So lobt sich der Konzern zwar immer wieder selbst dafür, den Energie-Einsatz pro Produktionseinheit heruntergefahren zu haben, schweigt aber lieber über den trotzdem in absoluten Zahlen gestiegenen Kohlendioxid-Ausstoß. Da wundert es nicht, dass sich der auf BAYERs Initiative hin entstandene Verbund „CleantechNRW“ auch diesem Paradigma verschrieben hat. „Ich bin überzeugt, dass CleanTechNRW einen hervorragenden Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Standorts NRW leisten kann. Auch, weil es sich mutig und klar zu bestimmten Zukunftsthemen bekennt - wie dem Klimawandel und der Ressourcen-Effizienz“, sagt etwa BAYER-Chef Marijn Dekkers. Neben solchen Projekten will sich das Cluster vor allem der Entwicklung von Batterien für Elektroautos und der Gewinnung von Wasserstoff und Methan aus gasförmigen Abfallstoffen widmen.

BAYER sieht Energiewende skeptisch
Der Leverkusener Multi vermag dem Ausstieg aus der Atomkraft nichts Positives abgewinnen, weil er höhere Energiekosten befürchtet. Auf die Frage des Magazins Process: „Könnte die Energiewende im Hinblick auf eine energie-effiziente Produktion zum Antrieb werden?“ antwortete BAYER-Chef Marijn Dekkers: „Daran glaube ich nicht. Wäre es so, müssten sich alle Mitbewerber um deutsche Standorte reißen, um in den Genuss dieser ‚Antriebskräfte‘ zu kommen.“

Plan B zum Gaskraftwerk
Nach massiven Protesten musste TRIANEL darauf verzichten, auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld ein klima-schädigendes Kohlekraftwerk zu errichten. Nun plant BAYER gemeinsam mit TRIANEL ein Gas- und Dampfkraftwerk. Aber so ganz in trockenen Tüchern ist das Vorhaben noch nicht. „Ob dieses Projekt wirtschaftlich umsetzbar ist, wird sich im Laufe der Projekt-Entwicklung zeigen“, heißt es von Seiten des Leverkusener Multis. Darum hält er sich auch die Alternative einer „Eigenlösung“ offen und hat bei der Bezirksregierung einen Genehmigungsantrag zum Bau einer gas-betriebenen Kessel-Anlage gestellt.

Emissionshandel ohne Effekt
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in einem bestimmten Volumen zu gestatten. Alles, was über ein bestimmtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen. Aber die disziplinarische Wirkung dieser Maßnahme hält sich in Grenzen. Die Unternehmen erhalten nämlich immer noch viel zu viel Gratis-Lizenzen zur Klimaschädigung. 1,97 Milliarden Tonnen Kohlendioxid dürfen sie 2013 ungestraft ausstoßen, nur geringfügig weniger als momentan (2,08 Milliarden Tonnen). So kann der Leverkusener Multi munter seinen CO2-Ausstoß steigern (aktuell 8,5 Millionen Tonnen), „ohne in größerem Umfang Zertifikate zukaufen zu müssen“, wie es im Nachhaltigkeitsbericht heißt.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BAYER drittgrößter Chlorproduzent
Chlor-Verbindungen gehören zu den gesundheitsschädlichsten und umweltbelastendsten Substanzen überhaupt. Trotzdem unternimmt BAYER kaum Anstrengungen, das Gas als Grundstoff für Chemie-Produkte wie etwa Polyurethan zu ersetzen. So stellen in Europa nur noch DOW CHEMICAL und SOLVAY mehr Chlor her als der Leverkusener Multi. Auf eine Jahres-Kapazitä

GenSoja

CBG Redaktion

Europolitics, 15 November 2011

No decision on two GM soybean products

Two proposals to authorise genetically modified (GM) soybean products were not endorsed, on 14 November, by member states during a meeting of the Standing Committee on the Food Chain and Animal Health (SCoFCAH). They will now be examined by the appeal committee. The Commission presented to SCoFCAH one proposal for the authorisation of GM soybean A5547-127 (from Bayer Cropscience) and another one on the renewal of the authorisation of GM soybean 40-3-2 (from Monsanto). Both authorisations concern food and feed uses, not cultivation, after favourable scientific assessments from the European Food Safety Authority (EFSA). EFSA concluded in both opinions that these soybeans are as safe as their non-genetically modified counterparts, with respect to potential effects on human and animal health or the environment.

Gemeinsame Presseerklärung von NABU und Testbiotech

Große Datenlücke bei Risikobewertung von ‚Gen-Soja‘

EU-Mitgliedsstaaten beraten in Brüssel über Marktzulassung

München/ Brüssel, 14.11.2011. Die Experten der EU-Mitgliedsländer in Brüssel verhandeln heute über zwei Anträge auf Marktzulassung gentechnisch veränderter Sojabohnen der Firmen Monsanto und Bayer. Die Sojabohnen wurden gegen die Herbizide Glyphosat (bekannt als Roundup) und Glufosinat (bekannt als Liberty oder Basta) unempfindlich gemacht. Dadurch können sie mit speziellen Unkrautvernichtungsmitteln gespritzt werden, ohne dabei selbst Schaden zu nehmen. In der Folge finden sich Rückstände dieser Spritzmittel auch im Pflanzengewebe. Testbiotech und der Naturschutzbund (NABU) warnen vor einer EU-Marktzulassung der Sojabohnen, die für den Import und die Verarbeitung Futter- und Lebensmitteln beantragt wurde. Insbesondere fehlen Daten über die Höhe der Spritzmittelbelastung dieser Pflanzen.

„Vor allem in den Anbauländern Argentinien, Brasilien und den USA werden die Pflanzen massiv mit Glyphosat besprüht, weil immer mehr Unkrautarten Resistenzen gebildet haben. Wenn nicht bekannt ist, wie hoch die Giftbelastung tatsächlich ist, kommt eine Zulassung dieser Pflanzen zur Verwendung in Futter- und Lebensmitteln nicht in Frage“, sagt Steffi Ober vom NABU. „Rückstände dieser Herbizide finden sich inzwischen sogar im Blut von Verbrauchern.“
Die Produkte, über deren Marktzulassung debattiert wird, sind die Soja 40-3-2 von Monsanto (bekannt als Roundup-Ready-Soja) und die Soja A5547-127 der Firma Bayer (auch „Bayers Basta-Bohnen“ genannt). Letztere dürfen seit kurzem in Brasilien angebaut werden. Sie sollen jetzt zum ersten Mal in der EU als Lebens- und Futtermittel zugelassen werden. Die schon seit einigen Jahren angebaute Roundup-Ready-Soja landet in der EU vorwiegend im Tierfutter. Ihre Marktzulassung ist abgelaufen und wird zurzeit erneut geprüft. Es ist unklar, ob die Roundup-Ready-Sojabohnen die Gesundheit schädigen, weil es bislang kein Monitoring der Auswirkungen auf die Gesundheit gab, obwohl dieses in der EU vorgeschrieben ist.
Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Herbizid. Jüngste wissenschaftliche Untersuchungen weisen darauf hin, dass Glyphosatmischungen zu Störungen der embryonalen Entwicklung führen können. In Deutschland sind einige diese Mischungen bereits verboten worden, damit die Gifte nicht in die Nahrungskette gelangen.
Die Verwendung von Glufosinat soll aufgrund bekannter gesundheitlicher Risiken in der EU ab dem Jahr 2017 sogar vollständig verboten werden. Es wäre paradox, wenn man jetzt Pflanzen zuließe, die regelmäßig Rückstände dieses Herbizids aufweisen.
Zudem gibt es weitere Bedenken gegenüber der Risikobewertung durch die europäische Lebensmittelbehörde EFSA: „Es wurden weder die signifikanten Veränderungen in der Zusammensetzung der Pflanzen noch mögliche Auswirkungen auf das Immun- oder Fortpflanzungssystem ausreichend geprüft. Außerdem gab es keine Untersuchungen möglicher Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen gentechnisch veränderten Pflanzen, die in Lebens- und Futtermitteln gemischt werden können. Diese Produkte können deshalb nicht als sicher angesehen werden”, warnt Christoph Then.

Kontakt:
Dr. Christoph Then, Tel 015154638040, info@testbiotech.org, www.testbiotech.org
Dr. Steffi Ober, Tel. + 49 (0)30.28 49 84-1612, Steffi.Ober@nabu.de, www.NABU.de

Link zum Brief an die Experten der Mitgliedsstaaten: http://www.testbiotech.de/node/573

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2011 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Einwendung gegen TDI-Anlage
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat bei der Bezirksregierung Köln eine Einwendung gegen das Vorhaben von BAYER, in Dormagen eine neue Anlage zur Herstellung des Kunststoffes TDI zu bauen, eingereicht. Die CBG hält die Produktion, bei der 60 Tonnen des Giftgases Phosgen, 25 Tonnen Ammoniak, 2.900 Tonnen TDI und mehr als 1.000 Tonnen Dichlorbenzol zum Einsatz kommen, für zu risikoreich. Sie schätzt zudem die mit dem Betrieb verbundenen Umweltbelastungen als zu hoch ein und kritisiert den zu geringen Abstand der Fertigungsstätte zu Wohnsiedlungen. Darüber hinaus moniert die Coordination das Fehlen eines „Worst-Case-Szenarios“ und den Verzicht auf Schutzmaßnahmen wie dem Vorhalten einer Ammoniak-Dampfwand zur Neutralisierung austretenden Phosgens.

CBG verklagt Uni Köln
Vor drei Jahren vereinbarte BAYER mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. „Sie ist die weitreichendste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“, jubilierte der damalige Innovationsminister Andreas Pinkwart (FDP). Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und anderen Initiativen machte das eher Angst. Die Gruppen befürchteten eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Profit, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten sie eine Offenlegung des Vertrages und bekamen dafür auch die Unterstützung des nordrhein-westfälischen Datenschutzbeauftragten. Die Universität blieb jedoch bei ihrer Verweigerungshaltung. Aus diesem Grund hat die CBG die Hochschule im Mai 2011 verklagt. Die RichterInnen erweiterten das Verfahren noch auf den Leverkusener Multi, der mit FRESHFIELDS und REDEKER gleich zwei der teuersten Kanzleien mit seiner Verteidigung beauftragte. REDEKER verfügt dabei schon über Erfahrungen auf dem Gebiet: Das Büro verteidigte Angela Merkel bei ihrem Ansinnen, keine näheren Informationen zu dem von ihr ausgerichteten Geburtstagsdinner für den Banker Josef Ackermann geben zu wollen. Die beiden Forschungspartner betreiben derweil selbst in den Mühlen der Justiz ihr Versteckspiel weiter. So weigerten sie sich sogar, dem Verwaltungsgericht das Corpus delicti, den Vertrag, zukommen zu lassen. Sie erwägen überdies, ein „in camera Verfahren“ zu beantragen, das eigentlich nur eröffnet wird, wenn eine Veröffentlichung „dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde“ - also den Rang eines Staatsgeheimnisses besitzt.

UNEP antwortet der CBG
Seit Jahren kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) dafür, mit dem Umweltsünder BAYER zu kooperieren. Jetzt reagierte die Organisation auf die Vorwürfe. Chemikalien tragen zur Anhebung des Lebensstandards bei, können aber auch negative Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit von Menschen haben, heißt es in dem Brief an die CBG. Deshalb bemühe sich die UNEP sehr, die chemische Industrie auf diese Gefahren aufmerksam zu machen und eine Balance zwischen Kosten und Nutzen zu finden. „Unsere Partnerschaft stellt BAYERs Umweltverhalten in den Mittelpunkt und gemahnt BAYER an seine Verantwortung für die Umwelt. Es gehört zu unserer Philosophie, mit Privatunternehmen zusammenzuarbeiten und sie zu einer Veränderung ihrer Umweltpolitik zu bewegen“, schreibt UNEP-Direktor Achim Steiner. Ein Einwirken des Leverkusener Multis auf den Kurs der UNEP findet Steiner zufolge nicht statt: „Ich möchte die Gelegenheit ergreifen, Ihnen zu versichern, dass BAYER weder in die Projekte der UNEP oder ihre Aktivitäten im Kinder- und Jugendbereich eingebunden ist noch die Ergebnisse der UNEP-Arbeit beeinflusst“.

Botschaft antwortet der CBG
Im thailändischen Map Ta Phut liegt eine der größten Industriezonen der Welt. Sie sollte noch größer werden, aber den AnwohnerInnen reichten schon die bisherigen Umweltbelastungen. Sie klagten, und 2009 gab ein Gericht ihnen Recht. Es stoppte 76 Bauvorhaben, darunter zwei des Leverkusener Multis, der seine Bisphenol- und seine Polycarbonat-Produktion erweitern wollte (SWB 1/11). Inzwischen ist das Moratorium wieder aufgehoben und alles läuft seinen gewohnten kapitalistischen Gang. Erst im Frühjahr trat aus einem BAYER-Werk giftiges Phenol aus (SWB 3/11). Wegen der bedenklichen Situation vor Ort hat sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN an die deutsche Botschaft in Thailand gewandt. Aber diese sieht keinen Handlungsbedarf. Sie räumte sogar ein, sich in Abstimmung mit BAYER & Co. und den EU-Staaten für ein Ende des Bau-Verbots eingesetzt zu haben und sieht in Map Ta Phut ansonsten alles im grünen Bereich. Die Regierung des Landes bemüht sich nach der Einschätzung von Botschafter Hanns H. Schumacher, die Umweltstandards zu verbessern, wobei ihr die Entwicklungshilfe-Organisation „Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ mit Rat und Tat beiseite stehe. Schuhmacher fühlt sich deshalb auch nicht bemüßigt, bundesdeutsche Unternehmen zu einer Verringerung ihrer Schadstoff-Emissionen zu veranlassen. „Der deutschen Botschaft liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Bestimmungen der thailändischen Umweltgesetzgebung von den deutschen Firmen nicht eingehalten würden. Persönlich füge ich hinzu: Die Fa. BAYER THAI hat sich in Map Ta Phut äußerst korrekt verhalten“. So bekommen die doppelten Standards dann auch noch den amtlichen Segen.

Protest beim BBS-Sommerfest
Im Rahmen seines Kostensenkungsprogramms gliedert der Leverkusener Multi Teile seiner IT-Sparte BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) aus und vernichtet so die Arbeitsplätze von 260 Belegschaftsangehörigen und 290 LeiharbeiterInnen (siehe auch Ticker 3/11). Darum konnte das BBS-Sommerfest auch nicht festlich verlaufen. 350 Beschäftigte nutzten den Anlass, um gegen die Rationalisierungsmaßnahmen zu protestieren.

Kindergarten-Bau scheinheilig
Der Leverkusener Multi feiert den Bau neuer Betriebskindergärten in Monheim und Leverkusen als nachhaltige Maßnahme. Dagegen erhebt sich allerdings Kritik. „BAYER hatte sich vor einigen Jahren seiner Kindergärten/Kindertagesstätten entledigt. Sie gingen weitgehend im Roten Kreuz auf. Vor diesem Hintergrund halte ich es für scheinheilig, sich so öffentlichkeitswirksam als sozialer Konzern darzustellen“, heißt es in einem Leserbrief an die Rheinische Post.

Wasserversorger gegen Biosprit
Seit Jahr und Tag klagen die Wasserversorger über die hohe Verunreinigung des Trinkwassers mit Pestiziden und Nitraten, die aufwendige Reinigungsprozeduren erforderlich macht. Umso skeptischer sehen sie den Trend zum Anbau von Energie-Pflanzen zur Produktion von Biosprit. Durch die Ausweitung von Ackerflächen und die von den Biosprit-Bauern und -Bäuerinnen intensiv eingesetzten Agro-Chemikalien befürchten die Wasserwerke nämlich einen nochmaligen Anstieg der Belastung.

BAYER gehackt
Die politische HackerInnen-Gruppe „Anonymus“ hat das Computer-System BAYERs gestört. Der Konzern musste deshalb zeitweilig Websites vom Netz nehmen. Als Grund für die Tat führte die Organisation unter anderem „die Beschäftigung von Nazi-Verbrechern“ und die Herstellung gesundheitsschädlicher Pharma-Produkte an.

CBG beim Kirchentag
Auch 2011 war die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) wieder auf dem evangelischen Kirchentag vertreten, der dieses Mal vom 1. bis zum 5. Juni in Dresden stattfand. Die Coordination teilte sich einen Stand mit der SOLIDARISCHEN KIRCHE und stellte ihre Kampagne gegen die Industrie-Chemikalie Bisphenol A vor, die schon zu einem Teilerfolg führte. Die EU untersagte nämlich Anfang des Jahres die Verwendung der hormon-aktiven Substanz in Babyflaschen, um möglichen Gesundheitsschäden vorzubeugen.

Erinnerung an Zitzelsberger
In einem Zeitungsbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung erinnerte der ehemalige Kulturstaatsminister Michael Naumann noch einmal an die 1999 vorgenommene Plünderung öffentlicher Kassen durch eine Unternehmenssteuerreform der besonderen Art. „Der ehemalige Steuerabteilungsleiter der BAYER AG Zitzelsberger war der eigentliche Urheber dieser angeblich strategischen Großmutsregelung“, schreibt Naumann und fährt fort: „Nicht nur die Minister, auch die meisten Berliner Wirtschaftskorrespondenten hatten die Pressemitteilung des Finanzministers zur Steuerreform auf Seite zwölf überlesen: ‚Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen, die eine Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft hält, sind nicht steuerpflichtig‘. Die Regelung hatte obendrein rückwirkenden Charakter. Die Unternehmen durften bereits mit vierzig Prozent versteuerte, aber einbehaltene Gewinne der Jahre 1999 und 2000 im Nachhinein mit lediglich 25 Prozent versteuern - und Rückforderungen an den Fiskus stellen: rund 400 Millionen Euro zu ihren Gunsten. Eine ‚linke‘ Regierung subventionierte also das deutsche Großkapital.“

BARMER kritisiert YASMIN & Co.
Nach den Zahlen des neuesten Arzneimittelreports der BARMER GEK finden sich unter den 20 am häufigsten verordneten Verhütungsmittel 50 Prozent mit hormonellen Wirkstoffen, die gegenüber älteren Mitteln ein höheres Risiko-Profil aufweisen. Darunter fallen auch BAYERs Drospirenon-haltige Kontrazeptiva aus der YASMIN-Familie, die binnen der letzten zehn Jahre allein in den USA für 190 Todesfälle verantwortlich waren. Die Krankenkasse macht die hohe Werbeetats von BAYER & Co. für die gefährliche Schieflage verantwortlich und empfiehlt: „Ärztinnen und Ärzte sollten nicht den Werbeaktionen und dem ‚Marketinggeklingel‘ pharmazeutischer Unternehmer folgen – allen voran die BAYER AG, sondern der Frau gut verträgliche und bewährte Mittel ohne neue Risiken anbieten“.

Kritik an „personalisierter Medizin“
BAYER & Co. haben eine neue Marktlücke entdeckt: die personalisierte Medizin. Worunter Laien eine passgenaue, auf die jeweiligen Bedürfnisse der PatientInnen ausgerichtete Therapie-Form verstehen, versteckt sich oft nur die schlechte alte Gentechnik mit ihrer Suche nach krankheitsrelevanten Molekülen. Die Version 2.0 ist bloß den aktuellen Herausforderungen angepasst. Die Bundesrepublik und viele andere Länder haben seit einiger Zeit nämlich Kosten/Nutzen-Beurteilungen für neue Arzneien vorgeschrieben und nur für solche, die bei Menschen mit seltenen Erkrankungen zur Anwendung kommen, Ausnahmen gemacht. Darüber hinaus gelten für diese Medikamente vereinfachte Zulassungsbedingungen. Und wie das Pillenbranchen-Leben so spielt: Plötzlich entdecken Kongresse rund um den Globus rare Gebrechen und noch rarere Arzneien, die so genannten orphan drugs. Die Zahl der Zulassungsanträge für die Spezialpillen stieg in Europa von 72 im Jahr 2000 auf 174 im Jahr 2010. ForscherInnen warnen bereits vor dem Boom. „Wir sollten keine Zeit damit verschwenden, die personalisierte Medizin als wissenschaftliches Etikett zu etablieren“, schreibt eine kanadische MedizinerInnen-Gruppe um George Browman im Canadian Medical Association Journal. Die BUKO PHARMA-KAMPAGNE kritisiert überdies die weit gefasste Definition von orphan drugs, die sogar Krebsmedikamente umfasse, „deren therapeutischer Nutzen gegen Null geht“.

ImkerInnen demonstrieren in Wien
Am 6. Juli 2011 demonstrierten ImkerInnen in Wien vor der Staatsoper gegen das weltweite Bienensterben, für das Pestizide mitverantwortlich sind. Ein UN-Bericht zum Thema erwähnt die betreffenden Wirkstoffe sogar namentlich. „Verschiedene Studien haben die Giftigkeit von Chemikalien wie Imidacloprid (Wirkstoff von BAYERs GAUCHO, Anm. SWB), Clothianidin (Wirkstoff von BAYERs PONCHO, Anm. SWB), Thiamethoxam und verwandten Inhaltsstoffen für Tiere nachgewiesen“, heißt es in dem Report. Auch der Bienensterben-Report des Europäischen Parlamentes gibt Substanzen aus der Gruppe der Neonicotinoide wie Imidacloprid und Clothianidin eine Mitschuld an dem Desaster.

Zwei Imker im Hungerstreik
Zwei italienische Imker haben mit einem Hungerstreik gegen das von BAYER-Pestiziden wie GAUCHO und PONCHO mitverursachte Bienensterben protestiert.

Schwarzbuch „Facebook“
Eine Engländerin hat die Facebook-Seite des Leverkusener Multis dazu genutzt, sich mit der unheilvollen Geschichte des Konzerns zu befassen. Sie erinnerte an die grausamen Menschenversuche, welche die von BAYER mitgegründeten IG FARBEN während des Faschismus‘ mit KZ-Häftlingen durchführten. „Das ist inzwischen breit aufgearbeitet und dokumentiert“, lautete der einzige Kommentar des Unternehmens dazu.

KAPITAL & ARBEIT

Standort-Sicherungsvertrag verlängert
Die BAYER-Geschäftsleitung und der Gesamtbetriebsrat haben sich darauf geeinigt, den Ende 2012 auslaufenden „Standort-Sicherungsvertrag“ vorzeitig zu verlängern. Betriebsbedingte Kündigungen sind jetzt bis Ende 2015 ausgeschlossen. Dafür verlangte der Konzern allerdings auch Gegenleistungen. Die Gewerkschaften mussten sich zu „Kostenstrukturen auf Markt-Niveau“ und zu einer „verstärkte(n) Ausrichtung der Arbeitsbedingungen auf Flexibilität und Mobilität“ bekennen.

BAYERs Verwaltungsreform
Im letzten Jahr kündigte der Leverkusener Chemie-Multi ein 800 Millionen Euro schweres Rationalisierungsprogramm an, das 4.500 Arbeitsplätze vernichtet. Im Rahmen dieser Maßnahme führt der Leverkusener Multi bei seinen ausländischen Gesellschaften jetzt eine Verwaltungsreform durch und legt zentrale Bereiche wie „Personal“, „Finanzen“ und „Einkauf“ zusammen. Zunächst will der Konzern die neue Struktur in Brasilien, Südeuropa und Italien testen.

BAYER VITAL schließt Vertrieb
BAYER VITAL gibt den Vertrieb seiner Medikamente an einen externen Dienstleister ab und stellt damit 100 Arbeitsplätze zur Disposition. Nicht einmal betriebsbedingte Kündigungen wollte die Sparte des Leverkusener Multis für rezeptfreie Medikamente ausschließen. Die Distributionsgeschäfte übernimmt ab Januar 2013 die Firma PHARMLOG, an der BAYER VITAL Anteile hält.

Viele ManagerInnen unzufrieden
In seinem letzten Geschäftsbericht wertete der Leverkusener Multi eine Befragung unter seinen Angestellten aus und konstatierte, „dass sich die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten - deutlich mehr als 80 Prozent - in einem hohen Maße mit BAYER verbunden fühlt und das Unternehmen insgesamt als attraktiven Arbeitgeber schätzt“. Der „Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter der Chemischen Industrie“ kam da zu anderen Ergebnissen. Nach seiner Untersuchung sind viele Spitzenkräfte des Konzerns unzufrieden. Diese gaben dem Unternehmen nur die Gesamtnote „Drei minus“. Damit belegte der Global Player unter 25 Chemie-Firmen den wenig schmeichelhaften Rang 16. Das Jobstreichungsprogramm von Marijn Dekkers, seine bloß halbherzigen Bekenntnisse zur Kunststoff-Sparte und seine Einlassungen zu einer möglichen Pharma-Fusion haben offensichtlich auch Top-ManagerInnen verunsichert.

Leiharbeitsurteil ohne Folgen
Im letzten Jahr hat das Bundesarbeitsgericht der „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ (CGZP) ihre Tariffähigkeit abgesprochen. Als Konsequenz aus dem Urteil müssen Verleihfirmen, deren Angestellte für den Gotteslohn malochen, Sozialbeiträge in Millionen-Höhe nachzahlen. Die knapp 200 LeiharbeiterInnen bei CURRENTA, dem mehrheitlich zu BAYER gehörenden Betreiber des Leverkusener Chemie-„Parks“, sind von dem Richterspruch allerdings nicht betroffen. „Wir arbeiten nicht mit Zeitarbeitsfirmen zusammen, die mit der CGZP Tarifverträge abgeschlossen haben“, erklärte Sprecher Jürgen Gemke. Ob das auch für die Muttergesellschaft gilt, sagte er nicht.

Chemie-Sozialpartner für Tarifeinheit
Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) fordert gemeinsam mit dem „Bundesarbeitgeber-Verband Chemie“ eine gesetzliche Verankerung der Tarifeinheit. „Eine Spaltung der Belegschaften durch das Aufkommen neuer Sparten-Gewerkschaften in der Chemie würde eine Fortsetzung der innovativen Tarifpolitik für die ganze Branche unmöglich machen. Dabei hat die gemeinsame Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise erst kürzlich eindeutig unter Beweis gestellt, wie wichtig ein effektives und verlässliches Tarifsystem für die Sicherung von Standort und Beschäftigung ist“, heißt es in der Erklärung. Die Tarifeinheit ist derzeit von zwei Seiten her gefährdet. Einerseits von konzern-freundlichen Gewerkschaften und aus den Unternehmensverbänden austretenden Firmen und andererseits von „Besserverdiener“-Gewerkschaften“ wie dem „Marburger Bund“. Die einen unterbieten die den DGB-Gewerkschaften ausgehandelten Tarife und die anderen überbieten sie. Eine Aufgabe der Tarifeinheit dürfte Entsolidarisierungstendenzen verstärken, deshalb bleibt sie - trotz aller Kritik am DGB im Allgemeinen und an der IG BCE im Besonderen - eine wichtige Errungenschaft. Die gemeinsame Initiative von Gewerkschaftsbund und „Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände“ für ein entsprechendes Paragrafen-Werk brach allerdings im Juni 2011 auseinander. VER.DI wollte berechtigterweise den Passus nicht mittragen, der Konkurrenz-Gewerkschaften das Streikrecht nimmt.

„Verantwortliches Handeln“ ohne BAYER
Großkonzerne wie BMW, BASF, DEUTSCHE BANK und VOLKSWAGEN haben ein „Leitbild für ein verantwortliches Handeln in der Wirtschaft“ veröffentlicht. BAYER gehörte nicht zu den Unterzeichnern. Zu Prinzipien wie „Wirtschaft muss dem Wohl der Menschen dienen“, „Unzureichende Leistung darf nicht belohnt werden“ und „Verantwortlicher, wirtschaftlicher Wettbewerb muss immer auch die Lebensbedingungen nachfolgender Generationen achten“ mochte sich der Leverkusener Multi offenbar nicht bekennen. Auch das Angebot, sich dem Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen „noch aktiver“ zu stellen, scheint nicht im Sinne des Konzerns gewesen zu sein.

Etwas mehr Lehrlinge
Die Anzahl der Auszubildenden bei BAYER steigt 2011 gegenüber dem Vorjahr leicht von 904 auf 924. Das ist jedoch gar nichts im Vergleich zur Vergangenheit: Im Jahr 1990 fingen beim Leverkusener Multi noch 1.600 Stifte an. Zudem sind heutzutage rund ein Drittel der Neuen bloß Lehrlinge zweiter Klasse. Entweder nehmen sie am Starthilfe-Programm teil, das lediglich auf eine künftige Lehre vorbereitet, oder sie gehören zu denjenigen, die der Konzern im Rahmen der „Ausbildungsinitiative Rheinland“ über Bedarf überbetrieblich und damit ohne Berufsaussichten beim Unternehmen mit ausbildet.

Keine ChemikantInnen übernommen
BAYER hat keine/n der ChemikantIn übernommen, die in Leverkusen eine Lehre begonnen hatten. Vier Wochen vor der Abschluss-Prüfung teilte der Multi den Auszubildenen diesen Beschluss in einem formlosen Schreiben mit und forderte sie auf, sich bei der „Agentur für Arbeit“ zu melden.

ERSTE & DRITTE WELT

Freihandel: Indien wehrt sich
Die Europäische Union schließt fleißig Handelsabkommen ab (SWB 2/11). Deren Agenda - strengere Patent-Regime, freiere Marktzugänge, mehr Investitionsschutz, Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen und verbesserter Zugriff auf Rohstoffe - haben BAYER & Co. entscheidend mitbestimmt. Derzeit finden Verhandlungen mit Indien statt. Aber die Gespräche verlaufen stockend. Die EU verlangt nämlich über die international geltenden TRIPS-Vereinbarungen hinausgehende Patentrichtlinien, was im Fall von Peru und Kolumbien schon erfolgreich war. Das hätte besonders für die Herstellung billiger Medikamente in dem südasiatischen Land verheerende Folgen, denn deren Produktion würde sich durch einen längeren Schutz des geistigen Eigentums und einen verzögerten Zugriff auf Test-Daten erheblich verzögern. Indien droht so seinen Ruf als „Apotheke der Dritten Welt“ zu verlieren - allein ÄRZTE OHNE GRENZEN bezieht 80 Prozent seiner Aids-Medikamente preiswert aus dem südasiatischen Staat und versorgt damit rund 160.000 PatientInnen. Darum erklärte die indische Regierung auch im April 2011: „Der Premierminister bestätigte in aller Klarheit, dass Indien keine Verpflichtung eingehen wird, die TRIPS oder das indische Recht überschreiten“.

POLITIK & EINFLUSS

BDI für Steuer-Erleichterungen
Im Jahr 2008 hatte die Bundesregierung mal wieder die Unternehmenssteuern gesenkt und aus kosmetischen Gründen im Gegenzug ein paar Schlupflöcher gestopft. So nahm sie BAYER & Co. die Möglichkeit zu Verlustverrechnungen bei Firmenaufkäufen. Manche Unternehmen hatten darin nämlich ein veritables Steuerspar-Modell ausgemacht. Sie erwarben gezielt verschuldete Firmen und verrechneten deren Defizit dann mit den eigenen Gewinnen. Nach diesen alten Zeiten sehnt sich der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) wieder zurück. Er appellierte an die Bundesregierung, die „Versagung der Verlustnutzung“ bei Akquisitionen wieder aufzugeben, „um die Konkurrenz-Fähigkeit des deutschen Steuersystems wiederherzustellen“ und „wirtschaftlich sinnvolle Investitionen, Transaktionen und wirtschaftliche Neustrukturierungen ohne besonderen Rechtfertigungsbedarf zuzulassen“. Im Rahmen der Konjunkturpakete II und III hatte die Große Koalition das Steuersparmodell via „Sanierungsklausel“ schon wieder revitalisiert, aber die EU-Wettbewerbsbehörde sah darin eine unerlaubte Subvention und intervenierte. Jetzt will die Bundesregierung im Rahmen einer „Neuordnung der Verlustverrechnung“ eine Lösung suchen, die auch eine Erweiterung der Möglichkeiten zur Verrechnung von Gewinnen und Verlusten zwischen Mutter-Gesellschaften und ihren ausländischen Töchtern umfasst. „Das Unternehmenssteuerrecht soll weiter modernisiert und international wettbewerbsfähig gestaltet werden“, erklärten Schäuble & Co.

Griechenland-Konferenz des BDI
BAYER hat so einige Außenstände bei griechischen Hospitälern. Andere bundesdeutsche Konzerne warten ebenso noch auf ihr Geld. Darum haben die Unternehmen ein Interesse an der ökonomischen Gesundung des Landes - allerdings mit einer Therapie made in Germany. Um über diese zu beraten, hat der „Bundesverband der bundesdeutschen Industrie“ (BDI) Ende Juli 2011 eine Investoren-Konferenz einberufen. Konkrete Zusagen machte der Verband zwar nicht, er stellte aber 50 Milliarden unter der Bedingung in Aussicht, dass der Staat für mehr Rechtssicherheit sorge. Bei diesem Unterfangen bekommt Athen Amtshilfe aus Berlin. Das Bundeswirtschaftsministerium will der Regierung von Premierminister Papandreou bei der „Reform“ von Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden helfen. Auch zu Privatisierungen darf Griechenland Rat erwarten. Durch die Privatisierungen in der ehemaligen DDR habe Deutschland hier besondere Erfahrung, meint Wirtschaftsminister Philipp Rösler laut Financial Times Deutschland. Darüber hinaus hat sein Ministerium eine Export-Initiative gestartet, welche auch das Gesundheitswesen umfasst. Da das südosteuropäische Land zudem über viele gut ausgebildete junge Menschen verfügt, sieht Volker Treier vom „Deutschen Industrie- und Handelskammertag“ hier eine Chance für Unternehmen wie BAYER.

BAYER & Co. gegen Nano-Gesetze
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln diese oft unbekannte Eigenschaften. So auch das Nano-Produkt BAYERTITAN T, dem es im Gegensatz zu größeren Titandioxid-Partikeln gelingt, die Luft/Blut-Schranke zu überwinden und sich in den Organen anzureichern (siehe auch NANO & CO.) Darum wollen die Regierungen spezielle Sicherheitsvorschriften für die Winzlinge erlassen. BAYER & Co. geben sich gesprächsbereit, betreiben aber de facto Obstruktionspolitik. Sie treten für eine Definition von Nano-Materialien ein, unter die möglichst wenig Substanzen fallen. Zudem wehren sich die Konzerne dagegen, die EU-Chemikalienordnung, die Prüfungen für gefährliche Stoffe vorschreibt, um Vorschriften für Nano-Teilchen zu erweitern. „Die Industrie-Teilnehmer blockieren eine fachliche Diskussion mit dem Verweis auf die bestehende Ordnung“, erbost sich deshalb eine Wissenschaftlerin, die mit UnternehmensvertreterInnen in einem ExpertInnen-Gremium der Europäischen Union zusammensaß.

EU-Unternehmenssteuer
BAYER & Co. fordern seit längerem eine einheitliche Unternehmenssteuer innerhalb der EU. Im März 2011 hat der EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta der Öffentlichkeit einen ersten Entwurf vorgestellt. Durch den Wegfall von Verwaltungskosten und eine bessere Möglichkeit, Gewinne und Verluste von Mutter- und Tochtergesellschaften miteinander zu verrechnen, rechnet er mit Steuer-Ersparnissen von rund zwei Milliarden Euro für die Unternehmen.

EU-Lobbying kostet ca. 2 Millionen
1,85 Millionen Euro lässt der Leverkusener Multi sich seine Lobbying-Aktivitäten in Brüssel kosten. Das geht aus Angaben im Lobby-Register der Europäischen Union hervor. Schwerpunkte der Arbeit bilden dabei laut BAYER Einflussnahmen auf Gesetzes-Initiativen, die Pharma-Produkte, Pestizide, Saatgut und Chemikalien betreffen.

Energiewende à la BAYER
Anders als viele mittelständische Betriebe hat der Leverkusener Multi seine Chlor-Herstellung immer noch nicht komplett auf ein Verfahren umgestellt, bei dem kein giftiges Quecksilber als Produktionsrückstand mehr anfällt. Er betreibt in Krefeld seit 2010 lediglich eine Pilotanlage, die mit der Sauerstoffverzehrkathoden-Technik arbeitet. Trotzdem feiert der Multi sich als Innovator und meldet sogleich Ansprüche an. Statt regenerative Energien zu fördern, sollte die Bundesregierung lieber Projekte wie die neue Chlor-Fertigung unterstützen, meint BAYER-Manager Tony Van Osselaer: „Wenn die Politik einen Förder-Schwerpunkt auf Produktionsverfahren mit deutlich verbesserter Energie-Effizienz setzen würde, sähe ich riesige Einspar-Potenziale“. Die Umrüstung alter Fertigungsstätten kostet nämlich viel Geld und steht der Vermarktung der BAYER-Entwicklung im Wege. Bei Chlorfabrik-Neubauten laufen die Geschäfte dem Konzern zufolge dagegen besser.

BAYER droht mit Abwanderung
Die Energiewende im Allgemeinen und der Atom-Ausstieg im Besonderen behagt dem Leverkusener Multi nicht. BAYER-Chef Marijn Dekkers befürchtet höhere Stromkosten und drohte in einem WirtschaftsWoche-Interview schon mit Abwanderung. „Deutschland wird als Produktionsstandort für die energie-intensive Industrie immer unattraktiver. Die Energie-Preise werden weiter steigen, dabei haben wir bereits heute die höchsten in der EU. Es ist wichtig, dass wir im Vergleich mit anderen Ländern wettbewerbsfähig bleiben. Ansonsten kann sich ein globales Unternehmen wie BAYER überlegen, seine Produktionen in Länder mit niedrigeren Energie-Kosten zu verlagern“, so der Konzern-Boss.

Christian Wulff bei BAYER
Ende Mai 2011 besuchte Bundespräsident Christian Wulff BAYERs Pharma-Werk in Wuppertal. Dabei ließ er sich in die Produkteinführungskampagne für das nicht gerade überragende Test-Ergebnisse aufweisende Medikament XARELTO (siehe auch DRUGS & PILLS) einspannen, das der Pillen-Riese als Schlaganfall-Mittel vermarkten will. Der Konzern bestätige damit seinen Ruf als Apotheke der Welt, so Wulff, der dem Global Player trotz eines umfassenden Arbeitsplatzvernichtungsprogramms auch gleich noch ein Nachhaltigkeitsprädikat ausstellte. „BAYER ist kein Konzern, der auf das schnelle Geld aus ist, BAYER denkt in langen Zeiträumen“, lobte er. Zum Dank dafür musste er sich mal wieder die alte BAYER-Leier anhören, die Forschung brauche mehr Subventionen aus Steuer-Mitteln.

Telefonat mit Röttgen
Vom Leverkusener Anzeiger zu seinen interessantesten beruflichen Erfahrungen als Leiter des Leverkusener Chemie-„Parks“ von BAYER befragt, antwortete der nach China wechselnde Klaus Schäfer: „Neu war die Erfahrung mit Politikern. Wir mussten denen klar machen, dass Chemie-„Parks“ zu unserem Industrie-Standort dazugehören und auch wir eigene Interessen haben“. Die letzte Nachhilfestunde von ihm erhielt Umweltminister Norbert Röttgen zum Thema „Erneuerbare-Energien-Gesetz“.

Klimaschutz-Gesetz aufgeweicht
Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte bei ihrem Amtsantritt 2010 ein Klimaschutz-Gesetz angekündigt - angesichts eines NRW-Anteils an den bundesweiten Kohlendioxid-Emissionen von 33 Prozent eine überfällige Maßnahme. Im ersten Entwurf nahm sich Rot-Grün vor, den CO2-Ausstoß im Land bis 2020 um 25 Prozent und bis 2050 um 80 bis 90 Prozent zu senken. Ein Klimaschutzplan sollte regeln, wieviel jede Branche noch emittieren darf und auch als Maßstab für die Bewilligung neuer Anlagen dienen. Sofort nach Bekanntwerden des Vorhabens brach allerdings ein Sturm der Entrüstung los (Ticker 2/11). Er legte sich nicht mehr und führte schließlich zu „Nachbesserungen“. Die überarbeitete Fassung formuliert nur noch ein Reduktionsziel von „mindestens 80 Prozent“. Zudem verspricht sie, die Veränderungen „wettbewerbsneutral zu gestalten“ und die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Darüber hinaus musste Umweltminister Johannes Remmel auf die Möglichkeit verzichten, über das Planungsrecht für den Bau besonders klima-schonender Industrie-Anlagen und Kraftwerke sorgen zu können. Trotzdem geben BAYER & Co. sich damit nicht zufrieden und fordern weitere Korrekturen.

IG BCE gegen Emissionshandel
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in bestimmten Mengen zu gestatten. Alles, was über ein festgelegtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen, weil sie dafür Verschmutzungsrechte kaufen müssten. Bevor die Unternehmen allerdings wirklich zur Kasse gebeten werden, will die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE die Regelung schon wieder abschaffen. Nach Ansicht des IG-BCE-Chefs Michael Vassiliadis gelang es nicht, den Emissionshandel auf große Länder wie die USA, Japan und Australien auszudehnen, wodurch die europäischen Multis einen Wettbewerbsnachteil erleiden würden. Deshalb plädiert er dafür, die Versteigerung von Verschmutzungszertifikaten im Jahr 2020 auslaufen zu lassen und die energie-intensive Industrie für ihre Mehrausgaben durch die 2005 eingeführte Maßnahme zu entschädigen.

BAYER-Mann VSW-Vorsitzender
Der „Verband für Sicherheit in der Wirtschaft“ (VSW) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Unternehmenssicherheit unter anderem im Computerbereich zu fördern. Den Vorsitz des nordrhein-westfälischen VSW-Ablegers hat im Mai 2011 Michael Sorge übernommen, der beim Leverkusener Multi für die „Corporate Security“ zuständig ist.

Voigtsberger als BAYER-Lobbyist
Über die „Bedeutung und Zukunft der Chemie-Industrie in NRW“ sprach NRW-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) vor einiger Zeit bei der Zusammenkunft des nordrhein-westfälischen Chemie-Verbundes „ChemCologne“ im Leverkusener Baykomm (Ticker 3/11). Und diese liegt ihm wirklich sehr am Herzen. So kritisierte er den von CDU und FDP beschlossenen Atom-Ausstieg: „Bei der Energiewende lässt Berlin die energie-intensiven Unternehmen in Deutschland im Stich“. Zudem warf der SPD-Politiker Schwarz-Gelb vor, Verhandlungen mit der EU über eine Erlaubnis, den Konzernen Strompreis-Beihilfen gewähren zu können, nicht voranzutreiben.

Kerber neuer BDI-Geschäftsführer
Der bisherige Hauptgeschäftsführer des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“ (BDI), Werner Schnappauf, musste Ende März 2011 seinen Posten räumen. Er übernahm die politische Verantwortung dafür, dass die Äußerung des damaligen Wirtschaftsministers Rainer Brüderles bei einer BDI-Präsidiumssitzung, das verkündete Atom-Moratorium sei nur aus taktischen Gründen wegen der bevorstehenden Landtagswahlen erfolgt, in die Öffentlichkeit drang. Ihm folgte Markus Kerber nach, der über beste Verbindungen in die Politik verfügt. Bis zu seinem Wechsel zum Lobby-Club leitete er im Bundesfinanzministerium die Abteilung für Grundsatzfragen.

BAYER & Co. gegen Atomausstieg
BAYER & Co. kritisieren den Atomausstieg. „Die deutlich erkennbare politische Absicht, in einem beispiellos beschleunigten Verfahren einen finalen und irreversiblen Schlusspunkt für die Nutzung von Kernenergie in diesem Land zu fixieren, erfüllt mich zunehmend mit Sorge“, bekundete Hans-Peter Keitel vom „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) in einer Presseeerklärung. Der BDI befürchtet nämlich einen Anstieg der Energie-Preise und sieht die Versorgungssicherheit gefährdet. „Wir verlangen Alternativen, die Wirtschaft, Verbraucher und Klima nicht über Gebühr belasten“, heißt es deshalb in dem Papier.

Wirtschaftsrat für AKW-Plebiszit
Der CDU-Wirtschaftsrat, dessen Umweltkommission der BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup vorsteht, wollte den Atomausstieg durch eine Volksabstimmung verhindern. Dafür konnte sich allerdings noch nicht einmal die Spitze der eigenen Partei erwärmen. „Auf einem Irrweg“ befand sich der Wirtschaftsrat nach Ansicht des Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder. Der Vorschlag bringe die Diskussion über eine künftige Energie-Politik überhaupt nicht weiter, befand der Christdemokrat und fragte sich: „Ich bin gespannt, ob der Wirtschaftsrat Volksentscheide beispielsweise in der Debatte um Mindestlöhne akzeptieren würde“.

Bleiben die NRW-Hochschulräte?
In den Hochschulräten als neuen Aufsichtsgremien der Universitäten sitzen zu einem Drittel VertreterInnen von Unternehmen. Der Leverkusener Multi darf da natürlich nicht fehlen. So ist BAYER-Vorstand Richard Pott im Hochschulrat der Universität Köln vertreten, mit welcher der Konzern auch eine umfassende Forschungskooperation unterhält (SWB 2/09). Im Wahlkampf hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Hochschulräte noch als Beispiele für eine „Privatisierung der Hochschulen“ kritisiert und eine Reform angekündigt. Geschehen ist bisher jedoch noch nichts. „Wir möchten über die Hochschulräte nicht herausgelöst entscheiden, sie sind Teil des Hochschulgesetzes. Und darüber wollen wir erst einmal einen breiten Dialog anstoßen, um dann eine Entscheidung zu fällen“, verlautet nun aus der Staatskanzlei.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER pflegt Kontakte

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Mit dem Image des Leverkusener Multis in der Region ist es seit einiger Zeit nicht mehr zum Besten bestellt. Umstrittene Projekte wie die Kohlendioxid-Pipeline und Kohlekraftwerke sorgen neben der kontinuierlichen Arbeitsplatzvernichtung für eine schlechte Presse. Darum geht der Konzern vermehrt in die Offensive. So veranstaltete er im August 2011 eine Sommertour für JournalistInnen, PolitikerInnen, WirtschaftsvertreterInnen und StadtverwaltungsbeamtInnen auf dem Monheimer Gelände von BAYER CROPSCIENCE. Dabei sprach das Unternehmen ganz offen aus, was Sinn der Übung war: Kontaktpflege.

BAYER pflegt Kontakte

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Da BAYERs Chemie-„Parks“ in Leverkusen, Dormagen und Krefeld bei den AnwohnerInnen nicht gerade in hohem Ansehen stehen, setzten sie sich zur Nachbarschaftspflege als Wohltäter in Szene. So lobte die 60-prozentige Konzern-Tochter CURRENTA als Betreiber der Industrie-Areale den Preis „Nachbarschafft Hilfe“ aus. Um der Gute-Onkel-Aktion möglichst viel Resonanz zu verschaffen, ließ die CURRENTA die Menschen an den Standorten online über die Vergabe von 10.000 Euro an Vereine oder soziale Einrichtung entscheiden. 120.000 Personen nutzten diese Gelegenheit, allerdings handelten viele von ihnen unsozial und betrieben Vereinsmeierei in eigener Sache. „Leider gab es ein paar Unterstützer, die sich mit unfairen Mitteln beteiligt haben“, musste BAYER einräumen.

Malwettbewerb mit der UNEP
BAYER sponsert das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), um sich ein Öko-Image zu verschaffen. Im Rahmen dieser Kooperation veranstaltet der Konzern auch einen Malwettbewerb. Im Jahr 2011 nahmen 8.000 Kinder an ihm teil.

1. Klimaschutz-Tag
Am 29. Mai 2011 veranstaltete BAYER in Leverkusen den „1. Klimaschutz-Tag“. „Mit unseren zahlreichen Aktionen für Groß und Klein wollen wir das Umweltbewusstsein der Besucher schärfen und zeigen, wie BAYER sich für den Schutz des Klimas einsetzt“, erklärt der Konzern. Aber weder „Kasper, der Energiesparer“ noch Verweise auf Wärmedämmung made by BAYER vermochten zu verdecken, was die nüchternen Zahlen des jüngsten Nachhaltigkeitsberichtes ausweisen: Der Global Player steigerte im letzten Jahr den Ausstoß des klima-schädigenden Kohlendioxids um 400.000 Tonnen auf 8,5 Millionen Tonnen.

Gentechnik für AnfängerInnen
Spielerisch lernen bei BAYER bereits die Kleinsten den Umgang mit der Gentechnik. Bei einer Wissenschaftsnacht „durften“ 140 sechs- bis 13-jährige Schülerinnen im Leverkusener Kommunikationszentrum des Konzerns auf die Frage: „Warum ist die Tomate rot und rund, die Kiwi grün und borstig?“ die Antwort „Das liegt am Erbgut“ finden, indem sie die Früchte unter fachlicher Anleitung auseinander nahmen.

Ausstellung im NRW-Landtag
Der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), der Lobbyclub von BAYER & Co., durfte den nordrhein-westfälischen Landtag als Propaganda-Forum nutzen. Der NRW-Ableger des VCI zeigte dort im Juli 2011 die Ausstellung „Innovationen der chemischen Industrie“. Bei der Eröffnung konnte er Gäste wie die Landeswissenschaftsministerin Svenja Schulze begrüßen, deren Wege sich öfters mit denen der BAYER-ManagerInnen kreuzen.

DRUGS & PILLS

USA: XARELTO zugelassen
Während das BAYER-Medikament XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban) in der EU schon länger zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zugelassen ist, zögerte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA lange mit der Genehmigung. Zu schwer wogen die Bedenken gegen das Mittel, welches das Blutgerinnungsenzym Thrombin hemmt, wegen des erhöhten Risikos für Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie der ungeklärten Langzeitwirkung. Jetzt scheinen die Vorbehalte überwunden: Die FDA gab grünes Licht für XARELTO. Für den Leverkusener Multi stellt das allerdings nur einen ersten Schritt dar. Er setzt alles daran, das Mittel auch zur Schlaganfall-Prophylaxe einsetzen zu können, obwohl es selbst nach eigener Aussage „kein konsistent positives Nutzen-Risiko-Profil“ aufweist (Ticker 3/11).

XARELTO-Hängepartie
Die US-Zulassung von XARELTO als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe gestaltet sich schwierig. MitarbeiterInnen der Gesundheitsbehörde FDA hatten sich Anfang September 2011 gegen die Genehmigung ausgesprochen. Die von BAYER eingereichten Studien warfen ihrer Meinung nach Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken auf. Zudem konnten sie im Vergleich zum bislang gebräuchlichen Wirkstoff Warfarin keinen therapeutischen Zusatznutzen entdecken. Trotzdem entschloss sich das BeraterInnen-Gremium der Behörde, eine Zulassungsempfehlung auszusprechen. Neun Mitglieder votierten dafür, zwei dagegen, und eine Person enthielt sich. Die endgültige Entscheidung über XARELTO fällt im November 2011.

BETAFERON-Rückruf
In den USA bestückt BAYER die Packungen seines Multiple-Sklerose-Medikamentes BETAFERON mit alkohol-haltigen Pads zur Haut-Desinfektion. Weil viele dieser Pads mit einem Bazillus verunreinigt waren, der lebensgefährliche Krankheiten übertragen kann, musste der Leverkusener Multi eine Rückruf-Aktion starten.

ADALAT + Antibiokum = gefährlich
BAYERs Bluthochdruck-Mittel ADALAT und BAYMYCARD können in Kombination mit bestimmten Antibiotika gesundheitsgefährdende Wirkungen entfalten. Nehmen PatientInnen die Kalzium-Antagonisten gemeinsam mit den Wirkstoffen Erythromycin oder Clarithromycin ein, so besteht die Gefahr einer zu starken Absenkung des Blutdrucks. Die beiden Antibiotika-Wirkstoffe hemmen nämlich ein Leberenzym, das Arzneien abbaut, was zu einer Überdosis ADALAT im Organismus führt. Das ergab eine Studie von WissenschaftlerInnen der Universität Toronto unter Leitung von David Juurlink.

QLAIRA gegen HMB
Warum eigentlich mühsam Heilmittel für existierende Krankheiten erfinden, wenn man auch Krankheiten für schon existierende Heilmittel erfinden kann, fragt sich der Leverkusener Multi immer öfters. Jetzt hat sein ForscherInnen-Geist wieder etwas Neues entdeckt: schwere Menstruationsblutungen. Eine standesgemäße Abkürzung hat der Konzern für dieses „Leiden“ mit HMB bereits ebenso wie mit dem BAYER-Verhütungsmittel QLAIRA ein adäquates Gegenmittel. Über die Nebenwirkung „Thrombose“, welche bei den Schwesterprodukten aus der YASMIN-Familie schon zu Todesfällen geführt hat, weiß der Pharma-Riese dagegen nichts. Das könnte „nur in großen epidemiologischen Studien geklärt werden“, lässt er verlauten.

Endgültiges Aus für Männer-Pille
Im Jahr 2002 stellte BAYER die Forschung an der Pille für den Mann ein, welche die Weltgesundheitsorganisation WHO mit über einer Million Dollar gesponsert hatte. Weil der Konzern der Einrichtung etwas schuldig war, überließ er ihr aber das haus-eigene Testosteron-Präparat NEBIDO für Versuchsreihen, nicht ohne sich dafür die Zusicherung auszubedingen, Einblick in die Studien-Unterlagen nehmen zu können. Im Erfolgsfall wäre der Pharma-Riese damit wieder am Drücker. Dieser ist jedoch nicht eingetreten. Die WHO brach die Studie im Sommer 2011 ab, weil bei zehn Prozent der Probanden Nebenwirkungen wie Depressionen, Gewichtszunahme und Akne aufgetraten waren.

BAYER kauft Antibiotikum
Der Leverkusener Multi entwickelt immer weniger Arzneien selbst und kauft stattdessen Forschungserträge von außerhalb zu. So hat er die Rechte für den Antibiotika-Wirkstoff Torezolid erworben, der gerade die zweite Phase der klinischen Tests durchläuft. Die mittels eines biotechnologischen Verfahrens gewonnene Substanz gehört zu der neuen Antibiotika-Klasse der Oxazolidinone, die Bakterien angeblich in einem sehr frühen Stadium zu Leibe rücken kann.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

19 Tote durch Endosulfan
2010 starben in Benin 19 Menschen durch ein Pestizid; 161 Personen vergiftete es insgesamt. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation OBEPAB handelte es sich dabei höchstwahrscheinlich um das in dem Staat verbotene Endosulfan. Obwohl die Substanz, die BAYER nach eigenen Angaben seit zwei Jahren nicht mehr vertreibt, inzwischen vor einem weltweiten Bann steht, ist sie immer noch in Umlauf. Über schwarze Kanäle gelangte das Ackergift nach Benin, wo es in Lagerhallen Maniok, Bohnen, Mais und Getreide vor Schadinsekten schützen sollte. Der Verzehr der belasteten Lebensmittel führte dann zu der Katastrophe.

Verzicht auf Klasse-1-Pestizide
Der Leverkusener Multi nimmt bis Ende 2012 seine Pestizide der höchsten Gefahrenklasse vom Markt. Damit kommt der Konzern einer langjährigen Forderung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nach - allerdings mit über zehn Jahren Verspätung. Versprochen hatte das Unternehmen diesen Schritt in seinem Geschäftsbericht von 1995 nämlich schon für das Jahr 2000. Darum begrüßte die CBG die Ankündigung in einer Presseerklärung zwar, kritisierte jedoch, „dass sich der Konzern erst entschloss, diese chemischen Zeitbomben auszumustern, als sie nicht mehr genügend Profit abwarfen“.

BVL geht gegen RODINO vor
Das „Bundesamt für Verbraucherschutz“ (BVL) hat BAYERs Antiunkraut-Mittel RODINO sowie weiteren Pestiziden mit dem Wirkstoff Clomazone vorläufig die Zulassung entzogen. Vorausgegangen waren Beschwerden von AnwohnerInnen landwirtschaftlicher Nutzflächen, die über gesundheitliche Probleme geklagt hatten. Bereits vor drei Jahren hatten die Behörden die Anwendungsbedingungen für Clomazone-haltige Mittel verschärft, denn diese haben „die kritische Eigenschaft, nach der Spritzung auf den Boden noch ungezielt weiter verdriften zu können“, wie die „Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft“ festhält. Allerdings haben BAYER & Co. Widerspruch gegen die Entscheidung des BVL eingelegt, weshalb die Agrochemikalien vorerst weiter im Umlauf bleiben. Darum fordert das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN): „Die deutsche Bundesregierung muss endlich gesetzgeberisch den Zulassungsbehörden den Rücken stärken, damit die Behörden sich gegen die ökonomischen Interessen multinationaler Konzerne durchsetzen können!“

Parkinson durch Pestizide
Es wird immer amtlicher: Pestizide können Parkinson verursachen. Was viele Studien belegen, dringt mittlerweile auch bis zu den Berufsgenossenschaften durch. Sie haben nun bereits zum vierten Mal Parkinson bei LandwirtInnen, die viel mit Ackergiften umgehen, als Berufskrankheit anerkannt.

Alzheimer durch Pestizide
Pestizide können die Alzheimer-Erkrankung befördern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der französischen Wissenschaftlerin Isabelle Baldi. Die Forscherin machte mit LandarbeiterInnen, die in unterschiedlich starker Weise Ackergiften ausgesetzt sind, über einen Zeitraum von über vier Jahren hinweg Alzheimer-Früherkennungstests. Dabei stellte Baldi fest, dass bei Personen, die viel in Kontakt mit den Agro-Chemikalien kamen, die kognitiven Leistungen doppelt so stark nachließen wie in den Vergleichsgruppen.

PFLANZEN & SAATEN

Weizen-Kooperation mit RAGT
Der Leverkusener Multi hat mit dem französischen Unternehmen RAGT eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet „Weizen-Saatgut“ vereinbart. Die beiden Konzerne wollen gemeinsam neue Arten entwickeln und ihr Wissen teilen. Der Agro-Riese erhält Zugriff auf das Winterweizen-Zuchtmaterial der Firma und gewährt ihr im Gegenzug das Recht auf Nutzung von bestimmten Pflanzen-Eigenschaften made by BAYER. Das gewachsene Interesse des Global Players an der weltweit am häufigsten angebauten Kulturpflanze belegen auch Kooperationen mit der australischen Forschungseinrichtung „Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation“ (CSIRO), mit dem israelischen Biotech-Betrieb EVOGENE und der Universität von Nebraska sowie der Erwerb zweier Zuchtprogramme von ukrainischen Gesellschaften.

BAYER für Patente auf Pflanzen
Nicht nur auf gen-manipulierte Ackerfrüchte, sondern auch auf mittels konventioneller Verfahren gezüchtete erheben die Konzerne Patentansprüche. So bekam der Leverkusener Multi unter anderem ein Schutzrecht auf eine herbizid-resistente Mais-Art zugesprochen und will gerade Methoden zur Züchtung von Pflanzen, die zur Agrodiesel-Produktion dienen, als geistiges Eigentum schützen lassen. Der traditionelle Sortenschutz, der ebenfalls die Verfolgung kommerzieller Interessen gewährleistet, reicht dem Agro-Multi nicht aus. Er reklamiert umfassendere Rechte für sich. „Der Sortenschutz hat Grenzen, da Erfindungen meist nicht sorten-spezifisch sind, sondern vielmehr in viele Sorten eingebracht werden können“, erklärte BAYER-CROPSCIENCE-Sprecher Richard Breum.

NUNHEMS wächst und wächst
BAYERs Saatgut-Tochter NUNHEMS expandiert beständig. Nachdem sie im US-amerikanischen Parma und in Monheim die Betriebsstätten ausbaute und im spanischen Cartagena ein Forschungszentrum eröffnete, erweitert das Unternehmen nun auch seine Kapazitäten im niederländischen Leudal. Dort plant NUNHEMS neue Labore für DNA-Analysen, molekulare Züchtungen und Saatgut-Experimente.

GENE & KLONE

Genreis-Rückstände in China
Im Jahr 2006 tauchte gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in den Supermärkten auf. In keinem Land der Erde lag zu diesem Zeitpunkt eine Zulassung der Sorte mit der Bezeichnung LL 601 vor. Rund ein Drittel der US-amerikanischen Ernte war verunreinigt. Die EU und Japan stoppten daraufhin alle Importe aus dem Land, die betroffenen LandwirtInnen blieben auf ihrer Ernte sitzen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Und die Laborfrucht treibt immer noch ihr Unwesen. Im Februar diesen Jahres fand sich die Laborfrucht, die gegen das Herbizid LIBERTY resistent ist, weshalb die LandwirtInnen die Pflanze mit großen Mengen des Pestizids behandeln können, in chinesischem Supermarkt-Reis wieder.

T25-Rückstände im Saatgut
Das niedersächsische Umweltministerium hat bei einer Untersuchung Spuren von BAYERs in Europa nicht zugelassenem Genmais der Sorte „T25“ in konventionellem Mais-Saatgut aus Ungarn entdeckt.

Keine Grenzwert-Erhöhung
Immer wieder stoßen die Labore auf Rückstände der Gen-Pflanzen von BAYER & Co. in konventionellem Saatgut (s. o.) Darum setzten die Agro-Multis alles daran, den Grenzwert zu erhöhen. In der Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner fanden sie auch eine Mitstreiterin. Aber ihre Initiative, das strikte Verbot von Verunreinigungen aufzuheben und Gen-Spuren in geringen Mengen zuzulassen, scheiterte im Bundesrat.

Gentech-Paradies Spanien
Spanien ist das Gentech-Paradies der EU. 85 Prozent aller Laborfrüchte Europas erblühen dort. Da darf der Leverkusener Multi mit seinen Produkten natürlich nicht fehlen. Er führte oder führt dort noch 48 Freisetzungsversuche durch, die meisten davon mit Baumwoll-Arten, aber auch solche mit Raps, Mais oder Soja.

EU lässt Gen-Baumwolle nicht zu
Die AgrarministerInnen der Europäischen Union konnten sich nicht darauf verständigen, BAYERs gegen das Anti-Unkrautmittel Glyphosate resistenter Gentech-Baumwolle „GHB 614“ eine Import-Genehmigung zu erteilen. Eine endgültige Entscheidung fällt nun die EU-Kommission.

Argentinien lässt Gen-Soja zu
Argentinien hat BAYERs Gen-Soja der LIBERTYLINK-Baureihe zugelassen. Die Laborfrucht ist gegen das in Europa bald nicht mehr zugelassene Glufosinat resistent, weshalb die LandwirtInnen das Pestizid in großen Mengen verwenden können, ohne die Nutzpflanze zu schädigen - dafür aber Flora und Fauna in ihrer Umgebung umso mehr.

Protest gegen BAYER-Patent
Das Europäische Patentamt hat BAYERs weitreichenden Patent-Antrag auf stress-resistente Pflanzen genehmigt. Das „EP1616013“ umfasst das Verfahren, das entsprechende DNA-Molekül, die Pflanzen-Zelle, die Samen, die Anwendungen bei gentechnischen oder konventionellen Züchtungen sowie die Pflanze selber. Der Leverkusener Multi hat den Schutz auf geistiges Eigentum erhalten, obwohl viele der vom Konzern dargelegten Verfahren seit langem Anwendung in der Praxis finden. Darüber hinaus untersagt das Europäische Patentübereinkommen eigentlich Ansprüche auf Züchtungen, die auf dem Weg der Kreuzung und Selektion zustande kommen. „Die Europäischen Patentgesetze müssen endlich verändert werden, damit solche Patente nicht mehr möglich sind (...) Ansonsten ist der Ausverkauf der natürlichen Lebensgrundlagen an Konzerne wie BAYER und MONSANTO die Folge“, so kritisieren die Initiativen KEIN RECHT AUF LEBEN und KEINE PATENTE AUF SAATGUT die Entscheidung der Behörde in einer Presseerklärung.

Gentech-Steroide von BRAIN
Der Leverkusener Multi benötigt Steroide für seine Hormon-Präparate und als Pharma-Zwischenprodukte. Ihre Herstellung erfolgt mit Hilfe von Mikroorganismen. Diese lässt BAYER jetzt gentechnisch von der BRAIN AG optimieren. „Unter Anwendung moderner, molekularbiologischer Techniken innerhalb der System-Biologie ist es uns möglich, gezielt in das Genom von Produktionsstämmen einzugreifen, um einzelne, die Produktausbeute limitierende Gene auszutauschen oder zu modellieren“, erklärte das Zwingenberger Unternehmen.

Neues Krebsmittel im Test
Der Leverkusener Multi hat mit Tests für eine neue Krebs-Arznei begonnen. Ein Antikörper soll im Gegensatz zu Chemo-Therapien, die nicht nur Tumorzellen, sondern auch gesundes Gewebe zerstören, gezielt vom Krebs befallene Zellen aufspüren und dann das mitgeführte Zellgift Monomethylauristatin E (MMAE) zum Einsatz bringen. Der Leverkusener Multi kooperiert bei den Versuchen mit dem Unternehmen SEATTLE GENETICS, welches das MMAE entwickelt hat. Das Versprechen, Krebs-Präparate mit passgenauen Antikörpern zu entwickeln, hat der Pharma-Riese bisher nicht einlösen können. Sein Medikament NEXAVAR schafft es kaum, die Lebenserwartung der PatientInnen merklich zu erhöhen, kostet aber Unsummen (SWB 4/10)

ALPHARADIN bei Prostata-Krebs?
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch das vom Leverkusener Multi gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickelte ALPHARADIN, das vermittels Alpha-Strahlen das Wachstum von Prostatatumor-Zellen hemmen soll. Männern, bei denen eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben, verhalf es in einem Klinischen Test zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. Ihre durchschnittliche Überlebenszeit betrug 14 Monate, diejenige der Placebo-Gruppe 11,2 Monate. Und sogar noch an dieser Zahl bestehen Zweifel, denn die Pharma-Hersteller gehen bei der Auswahl von ProbandInnen für ihre Arznei-Tests ziemlich selektiv vor. Wie jetzt eine Auswertung von 164 Studien ergab, bevorzugen sie jüngere Personen. Während 74 Prozent der Darmkrebs-Erkrankten über 65 sind, kommen nur 40 Prozent der Studien-TeilnehmerInnen auf dieses Alter - und haben entsprechend bessere Überlebenschancen. Trotzdem kommentierten die Zeitungen das Ergebnis der BAYER-Untersuchungen mit Überschriften wie „Hoffnung für Prostatakrebs-Patienten“.

BAYER erwirbt Lizenz für Hemmstoff
Hemmstoffe oder Antikörper, die gezielt auf Tumor-Zellen einwirken, gelten dem Leverkusener Multi als Wundermittel gegen Krebs, auch wenn die auf dieser Basis entwickelten Medikamente das Leben der Betroffenen bisher kaum länger als zwei Monate verlängern konnten. BAYER setzt jedoch unverdrossen weiter auf diese Therapie-Form und erwarb von der Universität Münster die Lizenz für einen entsprechenden Eiweißstoff.

Keine Suche mehr nach Zielmolekülen
Einkaufstouren wie solche bei der Universität Münster (s. o.) dürfte der Leverkusener Multi künftig öfters unternehmen. Der Konzern löste nämlich seine Forschungsabteilung auf, die nach krankheitsrelevanten Zielmolekülen suchte, um sie dann - so jedenfalls die graue Gentechnik-Theorie - mit passgenau entwickelten Antikörpern oder Hemmstoffen ausschalten zu können.

WASSER, BODEN & LUFT

Aus für Kohlekraftwerk
Die jahrelangen Proteste gegen das auf dem Krefelder Chemie-„Park“ des Leverkusener Multis geplante Kohlekraftwerk, das seine Tochterfirma CURRENTA betreiben sollte, haben sich ausgezahlt. Der Energie-Versorger TRIANEL beugte sich dem Druck der Öffentlichkeit und entschied sich für eine umweltschonendere Variante: ein Gas- und Dampfkraftwerk (siehe auch SWB 4/11). Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) begrüßt diesen Schritt; sie sieht Gas als Brückentechnologie hin zu einer wirklich umweltschonenden Stromerzeugung an. Allerdings kritisiert die CBG die Dimensionen der Anlage. Sie ist für 1.200 Megawatt ausgelegt und übersteigt damit die Kapazität des ursprünglich avisierten Kohlekraftwerks bei weitem. Deshalb produziert sie mehr klima-schädigendes Kohlendioxid als nötig und erreicht einen geringeren Wirkungsgrad als kleinere Kraftwerke.

Umweltgefährdende Müllmitverbrennung
Aus Kostengründen verfeuern BAYER & Co. in ihren Brennöfen zur Energie-Gewinnung nicht nur Steinkohle, sondern auch Müll. Auf 5,1 Millionen Tonnen kommen die Betriebe allein in Nordrhein-Westfalen pro Jahr. Am Standort Krefeld plant der Leverkusener Multi sogar, den Anteil auf 25 Prozent zu erhöhen (Ticker 3/11). Da diese Art des „Recyclings“ nicht den modernen Standards beispielsweise der Rauchgas-Behandlung entspricht, gelangen große Konzentrationen von Dioxinen, Furanen und Schwermetallen in die Umwelt, was nur eine Ausnahme-Regelung in der Bundesimmissionsschutz-Verordnung gestattet. Dagegen wollen die Grünen in NRW nun vorgehen. Sie planen eine Verschärfung der Grenzwerte und streben über eine Bundesratsinitiative auch eine bundesweite Lösung an.

Mehr Sondermüll-Verbrennung
Der Leverkusener Multi will die Kapazität seiner Sondermüll-Verbrennungsanlage in Leverkusen um 40.000 Tonnen auf 120.000 Tonnen steigern. Damit nimmt auch die ohnehin schon hohe Belastung der Umwelt mit Stoffen wie Kohlendioxid, Stickoxiden, Quecksilber, Arsen und Cadmium zu. Der BUND kritisiert vor allem das Fehlen von Vorrichtungen zur Reduktion der Stickoxid-Emissionen sowie die zu niedrig angesetzte und deshalb zu mehr Schadstoff-Ausstoß als nötig führende Temperatur zur Klärschlamm-Verbrennung. Auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt die Pläne ab. „In NRW gibt es keinen Bedarf für weitere Verbrennungskapazitäten - schon jetzt werden zur Auslastung der bestehenden Anlagen große Mengen Müll aus dem Ausland akquiriert. Immer neue Verbrennungsanlagen verhindern zudem den Einstieg in eine ökologisch sinnvolle Kreislaufwirtschaft“, so CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in einer gemeinsam mit dem BUND, dem NABU und der LANDESGEMEINSCHAFT NATURSCHUTZ und UMWELT veröffentlichten Presseerklärung.

BAYERs CO2--Recycling
Im Februar 2011 nahm BAYER eine Pilotanlage in Betrieb, die den Einsatz von Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung erprobt. Der Pharma-Riese feiert dieses gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ betriebene Projekt „Dream Production“ als eine Großtat zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10). Und selbst bei der günstigsten Hochrechnung fallen die Ergebnisse bescheiden aus. Sollten wirklich einmal weltweit alle Kunststoffe nach dem neuen Verfahren hergestellt werden, so wären gerade einmal 178 Millionen Tonnen Kohlendioxid gebunden - 0,6 Prozent der jährlichen Emissionen. Darüber hinaus fällt bei der „Dream Production“ selber nicht wenig CO2 ab, da energie-aufwendige Abtrennungs-, Reinigungs- und Verflüssigungsprozesse nötig sind, ehe aus den Rauchgasen der Kohlenkraftwerke ein Rohstoff für die Chemie-Industrie entsteht.

Neue Grundwasser-Verordnung
Im Herbst 2010 trat eine neue Grundwasser-Verordnung in Kraft. Sie vermag es allerdings nicht, die Belastungen der aquatischen Ökosysteme durch die Ackergifte von BAYER & Co. zu senken. „Es gibt keine bundesweit einheitlichen Mindeststandards zur Dokumentation, Reduzierung oder Behebung bedeutender Verunreinigungsquellen, dadurch können die nun für Grundwasser geltenden Pestizid- und Biozid-Grenzwerte nicht wirken“, kritisiert das PESTIZIDS-AKTIONS-NETZWERK (PAN).

Baugenehmigung in Cambridge
Bis zum Jahr 2003 betrieb BAYER im englischen Hauxton nahe Cambridge ein Werk. Bei der Schließung hinterließ der Konzern in Boden und Grundwasser jede Menge Altlasten. Trotzdem sollen auf dem Gelände Wohnhäuser entstehen. Eigentlich hätte der Leverkusener Multi die Sanierung übernehmen müssen, ihm gelang es jedoch, diese Aufgabe auf den Investor HARROW ESTATES abzuwälzen. Entsprechend demotiviert und erst auf politischen Druck hin machte dieser sich ans Werk. Er entschloss sich, das Erdreich abzutragen, zu säubern und wieder in die Grube zurückzuverfrachten. Dabei erwachten zwischenzeitlich auch die Schadstoffe zu neuem Leben und verursachten bei mehr als der Hälfte der 402 AnwohnerInnen Atemprobleme, Kopf- und Halsschmerzen sowie andere Gesundheitsstörungen. Darüber hinaus kam erst im Zuge der Arbeiten das ganze Ausmaß der Verschmutzung ans Tageslicht. Deshalb bat HARROW den Gemeinderat, einer Sanierung light zuzustimmen, was dieser auch tat. Nun befinden sich Boden um bis 500 Mal höhere Rückstände von Dicambe, Ethofumesate und anderen Chemikalien als ursprünglich vorgesehen - eine große Bedrohung nicht nur für das Grundwasser. Entsprechend empört reagierten die AnwohnerInnen. Das hielt die Kommune jedoch nicht davon ab, HARROW ESTATES eine Baugenehmigung für das Areal zu erteilen.

NANO & CO.

Gefährliches BAYERTITAN T
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln diese oft unbekannte Eigenschaften. So auch das Nano-Produkt BAYERTITAN T, das als Aufheller in Wandfarben, Zahnpasta und Tabletten oder als UV-Filter in Sonnencremes Verwendung finden kann. Im Gegensatz zu größeren Titandioxid-Partikeln gelingt es dem Stoff nämlich, die Luft/Blut-Schranke zu überwinden und sich in den Organen anzureichern. Es „muss von einer möglichen, wenn auch minimalen, systemischen Verteilung der Partikel über den Blutkreislauf ausgegangen werden“, resümiert Maja Eydner ihren Tierversuch, ohne darin einen besonders beunruhigenden Befund zu sehen. Wolfgang Kreyling vom Helmholtz-Zentrum München, der im Auftrag des Bundesumweltamtes eine Nano-Studie mit Titan-Partikeln von DEGUSSA/EVONIK durchführte und eine weite Streuung der Teilchen in Lunge, Leber, Niere, Herz und Gehirn beobachtete, kommt da zu anderen Schlussfolgerungen. Angesichts von 4,5 Milligramm Titandioxid, das der Mensch täglich aufnimmt, warnt er: „Wenn auch davon nur ein Prozent im Körper verbleibt, so kommt damit im Laufe der Zeit und damit im Laufe des Lebens eine beträchtliche Summe zusammen, die durchaus bedenkenswert ist“. Eine frühere Untersuchung (Ticker 3/11) hatte bereits die tödliche Wirkung von Nano-Teilchen aus Titandioxid auf Mikro-Organismen wie Wasserflöhe nachgewiesen.

Risiko-Analysen „zwingend nötig“
Bundesumweltminister Norbert Röttgen erachtet Risiko-Analysen für Nano-Produkte als „zwingend nötig“, wie er bei der Vorstellung des Abschlussberichtes der 2006 vom damaligen Umweltminister Sigmar Gabriel einberufenen „NanoKommission“ deutlich machte. BAYER und die anderen Hersteller sind da anderer Meinung.
Sie wehren sich gegen ein zentrales Register, wie es für Chemikalien bereits existiert (siehe auch POLITIK & EINFLUSS). „Vertreter der Industrie halten die vorhandenen Produktlisten und -register (...) für ausreichend“, heißt es in der Publikation mit dem Titel „Verantwortlicher Umgang mit Nano-Technologien“. Auch einer Kennzeichnungspflicht mochten die Unternehmen nicht zustimmen. Überraschenderweise sprachen sie sich aber nicht gegen politische Rahmensetzungen aus: „Die NanoKommission ist sich bewusst, dass in nächster Zeit Regulierungsfragen Vorrang vor Konzepten haben werden, die auf freiwilligen Maßnahmen der Industrie aufbauen“.

400 Millionen für Nano-Forschung
Die Bundesregierung will die Nano-Forschung von BAYER & Co. jährlich mit 400 Millionen Euro fördern. Das beschlossen CDU und FDP im Rahmen ihres „Aktionsplans Nanotechnologie 2015“. Der „Verband der Chemischen Industrie zeigte sich hellauf begeistert: „Mit ihrem ‚Aktionsplan Nanotechnologie 2015‘ kann die Bundesregierung die europäische Spitzenposition Deutschlands in dieser zukunftsweisenden Technik ausbauen“.

Nano-Pestizid RAXIL
Der Leverkusener Multi verwendet die Nano-Technologie auch in der Pestizid-Produktion. So enthält das Saatgutbehandlungsmittel RAXIL MD Substanzen in Nano-Größe. Das macht das Mittel BAYER zufolge feiner, dünner, stabiler in der Wirkung - und giftiger, denn der Stoff kann direkt in die Zellen der Pflanzen eindringen wie auch in diejenigen von Insekten oder - über die Nahrungskette - von Menschen. Trotz dieser Risiken gibt es kein spezielles Zulassungsverfahren für Ackergifte auf Nano-Basis. Einen entsprechenden Antrag der Grünen hatte das Europäische Parlament in der letzten Legislatur-Periode abgelehnt.

CO & CO.

Berufungen im Pipeline-Verfahren
Am 25. Mai 2011 hatte das Düsseldorfer Verwaltungsgericht die Inbetriebnahme von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline untersagt, weil die Rohrleitung nicht ausreichend vor Erdbeben gesichert ist. Allerdings bestätigten die JuristInnen die Rechtmäßigkeit der Enteignungen entlang des Streckenverlaufes. Deshalb kündigten die Anwohner, die dagegen geklagt hatten, gleich nach der Urteilsverkündigung an, in Berufung zu gehen. Gleiches tat Ende August 2011 auch die Düsseldorfer Bezirksregierung. Ihre Begründung lag bis Redaktionsschluss noch nicht vor.

Mangelnder Rostschutz
An fünf Stellen der zwischen Krefeld und Dormagen verlaufenden Kohlenmonoxid-Pipeline muss BAYER schon Reparatur-Arbeiten vornehmen, obwohl die Bauarbeiten kaum abgeschlossen sind. Eine Überprüfung hatte nämlich Mängel an den Isolierungen festgestellt, die den Rostschutz gefährden.

STANDORTE & PRODUKTION

„Pharma-Campus“ verschoben
BAYER hatte in Berlin viel vor. Im letzten Jahr kündigte der Leverkusener Multi an, das Gelände der 2006 erworbenen SCHERING AG für 500 Millionen Euro zu einem „Pharma-Campus“ umbauen zu wollen. Doch unter dem neuen Chef Marijn Dekkers ging der Konzern immer mehr auf Distanz zu dem Projekt. Mitte Juli 2011 gab er schließlich bekannt, die Pläne zunächst für zwei Jahre ruhen zu lassen. Ob sie überhaupt noch realisiert werden, st

GenSoja

CBG Redaktion

23. August 2011, Informationsdienst Gentechnik

Argentinien: Gentechnik-Soja = Glufosinat = Fortpflanzungsgefährdung

Letzte Woche hat Argentinien Bayer CropScience die endgültige Zulassung für eine Gentechnik-Sojabohne mit einer Toleranz gegen das hauseigene Breitbandherbizid Liberty mit dem Wirkstoff Glufosinat-Ammonium erteilt. Die Bildung von Resistenzen, erhöhte Gesundheitsrisiken und Kontaminationen sind vorherzusehen. In Deutschland ist der Wirkstoff unter dem Handelsnamen Basta und Liberty bekannt und wurde vom Europäischen Parlament als fortpflanzungsgefährdende Substanz eingestuft. Die Zulassung läuft daher 2015 aus. Vergangene Woche hatte das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf Wunsch von Bayer die Zulassung für Liberty widerrufen.

Durch den massiven Einsatz des Herbizids bei Gentechnik-Pflanzen ist in Argentinien eine erhöhte Gesundheitsbelastung für Mensch und Umwelt zu erwarten. Das Nachbarland Brasilien, welches neben Argentinien und den USA eine Anbaugenehmigung für die Gentechnik-Soja besitzt, distanziert sich zunehmend von der Liberty-Link-Technologie. Vergangenes Jahr hat Brasilien den LL-Mais verboten, da eine Koexistenz von transgenem und herkömmlichen Mais nicht garantiert werden kann. Die Zulassung seitens der nationalen Kommission für biologische Sicherheit (CTNBio) wurde aufgehoben, da die zugrundeliegenden Studien nicht offen gelegt wurden. Der Antrag für die Anbauzulassung von LL-Reis 62 in Brasilien wurde nach jahrelangem Protest von der Firma Bayer überraschend zurückgezogen. Wahrscheinlich ein strategischer Zug, um Zeit für die Akzeptanzsteigerung innerhalb der Bevölkerung zu gewinnen. Auch der LL-Reis 601 ist keine Erfolgsstory. So verursachte er 2006 den bisher größten Verunreinigungsskandal, zu einem Zeitpunkt an dem der Gentechnik-Reis weltweit keine Zulassung hatte. Bis heute sind die Ursachen nicht geklärt.

Bayer sieht in der LL-Sojabohne eine wirksame Alternative für die immer stärker auftretenden resistenten Unkräutern gegen den derzeit am häufigsten eingesetzten und in starker Kritik stehenden Wirkstoff Glyphosat der Firmenkonkurrenz Monsanto. Jedoch ist es nur eine Frage der Zeit bis auch bei der LL-Sojabohne durch den intensiven, einseitigen und großflächigen Einsatz des Wirkstoffs Glufosinat die gleichen Resistenzprobleme auftreten.

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2011 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

TESTBIOTECH kritisiert EFSA
Der Verein TESTBIOTECH hat Kritik an der Art und Weise, wie die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA die Risiken der Laborfrüchte von BAYER & Co. beurteilt, geübt. So unterlässt es die EFSA, die unlängst durch ihre Verfilzung mit den Gen-Giganten für Schlagzeilen sorgte (Ticker 2/11), die Wechselwirkung zwischen dem Erbgut der Pflanze, dem eingebauten Gen und der Umwelt zu untersuchen. Auch fehlen der Behörde klare Kriterien für ein Negativ-Urteil, monierte die Initiative.

CBG verlangt Phosgen-Verzicht
Der Leverkusener Multi will in Brunsbüttel und Krefeld seine Polycarbonat-Produktion erweitern, dabei aber weiterhin das gefährliche Vorprodukt Phosgen verwenden, obwohl es bereits seit langem Alternativ-Verfahren gibt. Dagegen hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit dem BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ protestiert. „Die Phosgen-Chemie gehört nach Atomkraftwerken zu den risiko-reichsten Technologien in Deutschland. Fukushima zeigt, dass das Undenkbare möglich ist! Das Risiko, jährlich Hunderttausende Tonnen eines Giftgases zu produzieren, ist schlichtweg zu hoch - zumal es Alternativen gibt. Wir fordern, dass neue Werke nach dem neuesten Stand der Technik gebaut werden müssen“, heißt es in der Presseerklärung.

Leserbrief zu Phosgen-Produktion
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte in Presse-Erklärungen die von BAYER in Brunsbüttel und Krefeld geplante Ausweitung der Polyurethan-Produktion kritisiert, weil der Leverkusener Multi dabei weiterhin auf ein Verfahren mit dem Giftgas Phosgen setzt, obwohl Alternativen bestehen (s. o.). Daran knüpfte eine Leserin der Brunsbütteler Zeitung an. Sie schrieb dem Blatt: „Ich frage mich, ob der Brunsbütteler Bevölkerung eigentlich bekannt ist, was BAYER dort plant und welche Auswirkungen das hochgiftige Phosgen-Gas haben kann. Dieses Gas - im 1. Weltkrieg als Kampfgas genutzt - ist für den Menschen schon in geringsten Dosen tödlich! Es ist bekannt, dass von BAYER in Brunsbüttel viele oder sehr viele Arbeitsplätze abhängen und daher evtl. niemand so recht wagt, etwas dagegen zu sagen. Aber eventuell toten - vielleicht vielen toten - Menschen nützen irgendwelche Arbeitsplätze dann auch nichts mehr“.

CBG-Leserbrief an die SZ
Der BAYER seit langen Jahren besonders zugetane Journalist Stefan Weber von der Süddeutschen Zeitung verfasste für die Serie „Starke Marken“ eine halbseitige ASPIRIN-Eloge, ohne sich weiter den Risiken und Nebenwirkungen des „Tausendsassas“ zu widmen. Das tat dann die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN in einem Leserbrief. „Der Wirkstoff greift tief in den biochemischen Haushalt des Körpers ein und kann u. a. Blutungen im Magen-Darm-Trakt und Magengeschwüre verursachen. Trotzdem versucht die BAYER AG das Präparat als ‚Wunderpille‘ zu vermarkten - zum Beispiel mit der website WonderDrug.com. Von den Gefahren findet sich in der Werbung kein Wort. Dabei sterben in den USA mehr Menschen an ASPIRIN-Nebenwirkungen als beispielsweise an HIV oder Verkehrsunfällen“, heißt es in der Zuschrift.

Proteste vor Brüsseler BAYER-Büro
Die TeilnehmerInnen der „Europäischen Saatguttage“, die Mitte April 2011 in Brüssel stattfanden, haben auch vor BAYERs Brüsseler Niederlassung demonstriert. Der Leverkusener Multi gehört nämlich zu den Hauptprofiteuren der von der EU geplanten Novelle des Saatgutrechts, will diese den LandwirtInnen doch untersagen, selber Saatgut in Verkehr zu bringen und so das Monopol der Agro-Riesen zementieren. Noch dazu sollen wichtige Prüfungen künftig in den Händen von BAYER & Co. oder in denen der von Industrie-VertreterInnen durchsetzten „Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit“ liegen (siehe auch Ticker 2/11). Zum Zeichen des Protestes gegen das Projekt haben die AktivistInnen den Europa-ParlamentarierInnen außerdem 51.416 Unterschriften übergeben.

KAPITAL & ARBEIT

Pharma-Fusion unter Gleichen?
Mit schöner Regelmäßigkeit stellt BAYER-Chef Marijn Dekkers Unternehmensteile zur Disposition. Hatte er im März 2011 die Bereitschaft erkennen lassen, die Kunststoff-Sparte zu veräußern, falls der Konzern Geld für eine Akquisition benötige, so zeigte er sich zwei Monate später gegenüber Veränderungen im Pharma-Bereich aufgeschlossen. „Wir würden möglicherweise einen Zusammenschluss unter Gleichen in der Healthcare-Sparte erwägen“, sagte er nicht irgendwo, sondern bei einem Besuch der Finanzagentur BLOOMBERG in New York. Bei einem solchen Joint-Venture wäre es leichter, die Prämie für die AktionärInnen zurückzuverdienen als bei Übernahmen, führte der Holländer laut Financial Times Deutschland aus. Allerdings stellt sich bei Deals dieser Art oftmals keine echte Parität ein. Einer der Partner ist nicht selten ein wenig gleicher als der andere.

„Pharma-Campus“ schrumpft
Als der Leverkusener Multi 2006 SCHERING übernahm, stellte er den Beschäftigten Vorteile aus dem Zusammenschluss in Aussicht. Die Realität sah jedoch anders aus. 1.000 Belegschaftsangehörige mussten sofort gehen. Mit dem neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers brachen dann noch härtere Zeiten an. Er tilgte den Namen und unterstellte die Pillen-Schmiede direkt dem Kommando des Pharma-Chefs Jörg Reinhardt. Auch von dem Job-Abbau, den Dekkers kurz nach seinem Amtsantritt ankündigte, sind die BerlinerInnen in besonders hohem Ausmaß betroffen. Das alles „kann man nicht als Erfüllung der Zusage werten“, warf eine Angestellte dem Vorstandsvorsitzenden auf der Hauptversammlung im April 2011 deshalb vor. Sie fragte den Holländer ebenfalls nach der Zukunft der hochtrabenden „Pharma-Campus“-Pläne, in die nicht zuletzt der Senat der Hauptstadt große Hoffnungen steckt, weil er sich davon eine Sogwirkung auf andere Unternehmen verspricht. Der Ober-BAYER drückte sich um eine klare Antwort. Aber zwei Wochen später wurde der Konzern deutlicher. Er präsentierte eine deutlich abgespeckte Version des Masterplans; der Bau eines Hochhauses steht jetzt nicht mehr zur Debatte.

BAYER gliedert BBS aus
Der Leverkusener Multi gliedert Teile seiner IT-Sparte BAYER BUSINESS SERVICES aus; künftig übernimmt eine SIEMENS-Tochter die Dienstleistungen. Durch diese Maßnahme vernichtet BAYER im Konzern-Verbund die Arbeitsplätze von 260 Belegschaftsangehörigen und 290 LeiharbeiterInnen. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE kritisierte diesen Schritt deshalb scharf. „Offensichtlich verstehen die Arbeitgeber unter Wettbewerbsfähigkeit nur die Maximierung betriebswirtschaftlicher Kennziffern, mit denen sie die Finanzmärkte begeistern wollen“, so Reiner Hoffmann, Landesbezirksleiter der Gewerkschaft.

Job-Streichungen in Emeryville
Auch über sein im November 2010 beschlossenes Rationalisierungsprogramm hinaus vernichtet der Leverkusener Multi noch Arbeitsplätze. So stellt er die Fertigung des Multiple-Sklerose-Wirkstoffs Betaferon im US-amerikanischen Emeryville ein. Künftig übernimmt BOEHRINGER für BAYER die Herstellung. Die meisten der 540 Beschäftigten verlieren durch diese Maßnahme ihren Job. Damit bleibt der Konzern seiner Devise treu, bevorzugt Produktionen zu schließen, in denen sich Betriebsgruppen von Gewerkschaften konstituieren wollen. In Emeryville hatte das Unternehmen die Gründung hintertrieben, indem es mit Stellen-Streichungen drohte und die Beschäftigten-VertreterInnen als „Schmarotzer“ diffamierte, die es nur auf die Beiträge der Belegschaftsangehörigen abgesehen hätten.

Job-Streichungen in Leverkusen
Auch am Stammsitz Leverkusen streicht BAYER Stellen. Nach Informationen der Gewerkschaften will der Konzern 61 Arbeitsplätze in den der Geschäftsführung zuarbeitenden Corporate Centern vernichten.

Fabrik-Verkauf in Norwich
Im Rahmen seines Rationalisierungsprogramms will sich BAYER von seiner Pestizid-Fabrik im englischen Norwich trennen und stellt damit 280 Arbeitsplätze im Konzern zur Disposition. Der Leverkusener Multi, der 2010 noch elf Millionen Pfund in den Standort investiert hatte, sucht Werksleiter Tim Green zufolge einen Interessenten für die Produktionsanlagen. Er dürfte allerdings selbst kaum daran glauben, auch einen zu finden, denn als Käufer kämen nur vier, fünf Konzerne aus dem exklusiven Club des Agrochemie-Oligopols in Betracht - und nach Neuerwerbungen steht denen im Moment nicht der Sinn. Es besteht also die Gefahr, dass von Norwich nur eine Mensch, Tier und Umwelt schädigende Altlast übrig bleibt, wofür die Fertigungsstätte in Hauxton nahe Cambridge ein warnendes Beispiel abgibt (Ticker 2/10).

4,1 Prozent mehr Lohn
Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE hat sich mit dem „Arbeitgeberverband Chemie“ auf eine Lohnerhöhung in Höhe von 4,1 Prozent geeinigt. Nach Berechnungen der KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener Werk, bleiben davon inflationsbereinigt zwei Prozent übrig. Auszubildende erhalten nach dem neuen Tarifvertrag, der eine Laufzeit von 15 Monaten hat, 35 Euro mehr. „Das Ergebnis ist weder überragend, noch ist es schlecht, es bewegt sich in einer Größenordnung, die man im Allgemeinen als moderat bezeichnen kann“, resümieren die Durchschaubaren das Ergebnis. Ihrer Ansicht nach fehlten auf der Verhandlungsagenda die Themen „gleicher Lohn für LeiharbeiterInnen“ und „Festgeld-Erhöhung“, also das Streiten für die Anhebung des Tarifs um einen bestimmten Betrag, was mehr Verteilungsgerechtigkeit verspricht. Von einem prozentualen Zuwachs profitieren die oberen Einkommensgruppen nämlich mehr als die unteren.

Zehn Millionen für den Vorstand
Der Vorstand des Leverkusener Multis darf sich über üppige Bezüge freuen. Mehr als zehn Millionen Euro strich die Riege im Geschäftsjahr 2010 ein - über eine Million Euro mehr als 2009. Allein BAYER-Chef Marijn Dekkers erhielt fast vier Millionen Euro. Erstmals orientiert sich die Hälfte der variablen Vergütung an der Entwicklung der BAYER-Aktie während eines Zeitraums von drei Jahren, aber gnädigerweise hat der Konzern zweien seiner Vorstände für die „System-Umstellung“ noch einen Aufschlag von fünf Prozent gewährt.

BAYER zahlt Ex-Manager Entschädigung
BAYERs Top-ManagerInnen können mit einer Lohnfortzahlung im Ausscheidungsfall rechnen. Weil die Führungskräfte nicht direkt vom Leverkusener Multi zur Konkurrenz wechseln dürfen, erhalten sie dafür beim Abschied eine Art Schmerzensgeld. So zahlte der Global Player seinem im April 2010 ausgeschiedenen Finanz-Vorstand Klaus Kühn laut Geschäftsbericht 765.000 Euro „als Entschädigung für dieses Wettbewerbsverbot“.

BAYER gliedert Werksschutz aus
BAYER CROPSCIENCE hat am Stammsitz Monheim den Werksschutz ausgegliedert. Fortan übernehmen - wie bereits im Brunsbütteler BAYER-Werk - Beschäftigte des Sicherheitsunternehmens VSU diese Aufgabe. „Damit leisten wir einen Beitrag zur Verbesserung der Kosten-Situation an den rheinischen und niederrheinischen BAYER-Standorten“, so die Landwirtschaftssparte zur Begründung des Schrittes. Betriebsrat und Chemie-Gewerkschaft kritisieren die Maßnahme scharf. „Wir schätzen, dass die immerhin über eine formale Ausbildung verfügenden künftigen Werksschützer einen Stundenlohn zwischen zwölf und dreizehn Euro erhalten. Das liegt deutlich unter der niedrigsten Lohnstufe, in die zum Beispiel Produktionshelfer in der Chemischen Industrie eingestuft werden“, moniert der Betriebsratsvorsitzende Oliver Zühlke. Von „Lohndumping in stark sensiblen Tätigkeitsfeldern“ spricht er deshalb. Die 17 bisherigen WerksschützerInnen erhalten nach BAYER-Angaben andere Job-Angebote im Konzern.

Wenning EON-Aufsichtsratschef
Der ehemalige BAYER-Chef Werner Wenning wäre nach seiner Amtszeit am liebsten bruchlos Aufsichtsratsvorsitzender beim Leverkusener Multi geworden. Das erlauben jedoch die Gesetze nicht mehr. Also trainiert er bis zur Rückkehr an die alte Wirkungsstätte schon einmal bei anderen Konzernen. So leitet er seit 2010 den EON-Aufsichtsrat und sitzt bei der DEUTSCHEN BANK, HDI und TALANX in den Kontrollgremien. Darüber hinaus gehört er den Gesellschafter-Ausschüssen von HENKEL und BAYER Leverkusen an und ist Vize-Präsident des „Verbandes der Chemischen Industrie“.

Neues Projekt der BASIS-BETRIEBSRÄTE
Mitglieder der BASIS-BETRIEBSRÄTE, einer alternativen Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk, haben das Projekt „Wechselwirkung LEV“ ins Leben gerufen. Es hat sich zum Ziel gesetzt, ein gemeinsamer Anlaufpunkt für Erwerbslose, prekär Arbeitende und regulär Beschäftigte in der Stadt zu werden. „Alle Leute, die unbequem sind, die raus sind aus dem Chemie-„Park“ oder in sonstiger Weise nicht der Gewerkschaft angepasst sind“, sollen dort nach den Worten des Mitinitiators Nikolaus Roth zusammenkommen. Auch der Zersplitterung der BAYER-Belegschaft, die sich inzwischen auf die unterschiedlichsten Tochter-Gesellschaften mit den unterschiedlichsten Arbeitsbedingungen verteilt und so die oppositionelle Betriebsratsarbeit erschwert, will Roth durch die „Wechselwirkung LEV“ entgegenwirken.

ERSTE & DRITTE WELT

Immer mehr Menschenversuche
BAYER & Co. gehen in immer früheren Test-Phasen dazu über, Medikamente an Menschen zu erproben. Die Pharma-Riesen wollen schneller belastbare Informationen über die Praxis-Tauglichkeit einer neuen Arznei erhalten und so Entwicklungskosten sparen. Als Reservoir für die Versuchsreihen dienen vornehmlich die Länder der „Dritten Welt“. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Zu einem der beliebtesten Staaten für dieses Geschäft hat sich mittlerweile Indien entwickelt. BAYER lässt dort unter anderem das Multiple-Sklerose-Medikament BETAFERON, die Hautgeschwür-Arznei IMPAVIDO sowie vier Krebs-Präparate großflächig erproben.

Klagerecht für BAYER & Co.
Die Europäische Union schließt fleißig Freihandelsabkommen ab (SWB 2/11). Die Verträge mit Kolumbien, Peru und Südkorea sind schon unterschrieben, ein Abschluss mit Indien steht noch in diesem Jahr an. BAYER & Co. haben die Agenda der EU bei den Verhandlungen entscheidend mitbestimmt und profitieren entsprechend von den Ergebnissen wie strengere Patent-Regeln, freiere Marktzugänge, mehr Investitionsschutz, Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen und verbesserte Zugriffe auf Rohstoffe. Und jetzt geht die EU noch einen Schritt weiter. Sie räumt den Konzernen bei bilateralen Investitionsabkommen ein Klagerecht gegen Umwelt- und Sozialgesetze der Vertragspartner ein. „Diese Investitionsabkommen hebeln die Demokratie aus. Konzerne haben dadurch häufig mehr Rechte als Regierungen. Sie sind eine Gefahr für jede ökologische und soziale Politik und das öffentliche Interesse“, kritisiert deshalb Roland Süß von ATTAC.

POLITIK & EINFLUSS

Üppige Parteispenden des VCI
Der Leverkusener Multi spendet in der Bundesrepublik nicht selber an politische Parteien, um den Eindruck direkt gekaufter Entscheidungen zu vermeiden. Er überlässt diesen Job dem „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Die jüngst veröffentlichen Rechenschaftsberichte von CDU, SPD und FDP weisen für das Wahlkampf-Jahr 2009 üppige Zuwändungen von Seiten des Lobby-Clubs aus. Die ChristdemokratInnen bekamen 228.000 Euro, die Liberalen 118.000 Euro und die SozialdemokratInnen 56.000. Bündnis 90/Die Grünen und „Die Linke“ erhielten nichts.

Dekkers bei Merkel
Kaum hatte Marijn Dekkers beim Leverkusener Multi den Chef-Sessel übernommen, da machte er auch schon seinen Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Visite „diente dem gegenseitigen Kennenlernen, aber auch bereits der ersten Diskussion wichtiger politischer und wirtschaftlicher Fragen“, hielt BAYERs Propaganda-Postille direkt fest.

Yu Zhengsheng bei BAYER
Im April 2011 besuchte Yu Zhengsheng, der Parteisekretär von Shanghai, BAYERs Konzern-Zentrale in Leverkusen und sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers und anderen Managern über die Bauvorhaben des Global Players in China.

Krüger im Wissenschaftsministerium
Obwohl Nano-Teilchen eine asbest-ähnliche Wirkung entfalten können, hat die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze die neue Technologie zur Chef-Sache erklärt und fördert Forschung & Entwicklung in diesem Bereich mit 50 Millionen Euro bis 2050. Da bleiben wiederholte Treffen mit BAYER-ManagerInnen nicht aus. So lud sie im Mai 2011 den „Expertenkreis Nano-Technologie zu einem „Runden Tisch“ ins Wissenschaftsministerium ein, dem auch Péter Krüger von BAYER MATERIAL SCIENCE angehört. Zum Sinn und Zweck des Meetings erklärte dieser: „Die Nanotechnologie gehört zu den Zukunftsthemen schlechthin. Es wird erwartet, dass im Jahr 2015 die Eigenschaften von 15 bis 20 Prozent der weltweit produzierten Güter wesentlich durch Nano-Technologie bestimmt sein werden. Dabei liegt es auf der Hand, dass echte Entwicklungsoptionen über die Grenzen von rein technologischen und ökonomischen Aspekten hinaus gedacht werden müssen.“

SPDlerInnen bei BAYER
Im Januar besuchten hochrangige nordrhein-westfälische SPD-Landespolitiker das Bergkamener BAYER-Werk. Der Fraktionsvorsitzende Norbert Römer, der wirtschaftspolitische Sprecher Thomas Eiskirch und der Wahlkreis-Abgeordnete Rüdiger Weiß lobten trotz eines Kohlendioxid-Ausstoßes von acht Millionen Tonnen im Geschäftsjahr 2009 die Umweltschutz-Anstrengungen des Leverkusener Multis und versicherten dem Konzern ihren Beistand bei so umstrittenen Projekten wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und Kohlekraftwerken. „Speziell forschungsorientierte Unternehmen geben vielfach positive Impulse für die gesamte Gesellschaft. Deshalb braucht die Politik gerade dort starke Partner“, so Römer.

Weiter Druck auf Remmel
Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte bei ihrem Amtsantritt 2010 unter anderem ein Klimaschutz-Gesetz angekündigt - angesichts eines NRW-Anteiles an den bundesweiten Kohlendioxid-Emissionen von 33 Prozent eine überfällige Maßnahme. Nach einem ersten Entwurf nimmt sich Rot-Grün vor, den CO2-Ausstoß im Land bis 2020 um 25 Prozent und bis 2050 um 80 bis 90 Prozent zu senken. Ein Klimaschutzplan soll regeln, wieviel jede Branche noch emittieren darf und auch als Maßstab für die Bewilligung neuer Anlagen dienen. Sofort nach Bekanntwerden der Pläne brach ein Sturm der Entrüstung los (Ticker 2/11), der sich auch nicht mehr legte. So gab „Unternehmer NRW“, der Interessensverband von BAYER & Co., ein Gutachten in Auftrag, das in dem Paragraphen-Werk einen Verstoß gegen die Verfassung sah. Die politischen Interventionen verfehlen ihren Einfluss auf die SozialdemokratInnen nicht. Deren wirtschaftspolitischer Sprecher Thomas Eiskirch, gern gesehener Gast bei BAYER (s. o.), erklärte bereits: „Ein Klimaschutzziel von 80 bis 90 Prozent gibt es so im Gesetz nicht“. Das Vorhaben dürfte den Landtag also kaum ohne „Nachbesserungen“ passieren.

Voigtsberger bei BAYER
Der NRW-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) besuchte die Zusammenkunft des nordrhein-westfälischen Chemie-Verbundes „ChemCologne“ im Leverkusener Baykomm und hielt dort einen Vortrag zum Thema „Bedeutung und Zukunft der Chemie-Industrie in NRW“.

Birgit Fischer neue VFA-Chefin
Die frühere BAYER-Angestellte Cornelia Yzer musste den GeschäftsführerInnen-Posten beim „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller (VFA), den der Leverkusener Multi mitgegründet hat, räumen (Ticker 2/11). Die Pharma-Riesen werfen ihr vor, die im Zuge des „Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ (AMNOG) beschlossene Erhöhung des Krankenkassen-Rabattes für neue Medikamente ebenso wenig verhindert zu haben wie ein Ende der Preisfindung nach Gutsherren-Art und eine Kosten/Nutzen-Bewertung für Medikamente. Ihr folgt die frühere SPD-Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen, Birgit Fischer, nach, die das AMNOG in ihrer früheren Position als Chefin der BARMER-Krankenkasse noch als zu industrie-freundlich kritisiert hatte. BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke erklärte in seiner Funktion als VFA-Vorsitzender die überraschende Personalie mit der Notwendigkeit, den Dialog mit allen AkteurInnen der Gesundheitsbranche zu intensivieren. Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn vermutet indes ganz andere Motive hinter der Verpflichtung Fischers: „Da wettet ein Verband 30 Monate vor der Bundestagswahl gegen die amtierende Regierung auf einen Wechsel“.

Große Entrup „econsense“-Boss
Wolfgang Große Entrup ist der Umweltpolitiker des Leverkusener Multis. Er steht dem BAYER-Stab „Politik und Umwelt“ vor und leitet die Umweltkommission beim CDU-Wirtschaftsrat, den industrie-hörige ChristdemokratInnen in den 1960er Jahren präventiv aus Angst vor einem Linksschwenk Konrad Adenauers gegründet hatten. Seit kurzem hat Große Entrup noch einen Posten inne. Er hat den Chefsessel bei „econsense“ eingenommen, einer auf anti-ökologisches Lobbying spezialisierten Ausgründung des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“.

Thomas sitzt „Plastics Europe“ vor
Patrick Thomas, der Chef von BAYER MATERIAL SCIENCE, hat den Vorsitz des Verbandes „Plastics Europe“ übernommen, der die Interessen der Kunststoff-Hersteller auf europäischer Ebene vertritt.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit üppig mit Agrar-Subventionen. 183.000 Euro strich der Konzern im letzten Jahr ein. Das Geld dürfte wie ehedem BAYERs Laarcher Hof in Monheim bekommen haben, der als klassischer Ackerbau-Betrieb firmiert, obwohl er nur eine Versuchsküche für die Pestizide des Konzerns ist.

BAYERs Griechenland-Geschäfte
Von dem Geld im zweistelligen Millionen-Bereich, das griechische Hospitäler ihm schuldeten, musste der Leverkusener Multi jüngst rund 20 Prozent abschreiben. Trotzdem will der Konzern auf diesen Markt auch künftig nicht verzichten, darum lässt er seinen KundInnen ab 2010 ein Jahr Zeit, ihre Rechnungen zu begleichen.
Andere bundesdeutsche Unternehmen warten ebenfalls auf Überweisungen aus dem südosteuropäischen Land, weshalb BAYER & Co. natürlich ein vitales Interesse an den Zahlungsfähigkeit gewährleistenden Milliarden-Krediten haben.

Politikbrief mit Prominenten
„Mit dem BAYER-Politikbrief ‚Beitrag‘ bringen wir unsere Expertise in die politische Debatte in Deutschland ein“, so charakterisiert der Leverkusener Multi Sinn und Zweck seiner Publikation, die sich an „politische Entscheider auf Bundes- und Landesebene sowie Wissenschaft, Wirtschaft und Medien“ wendet. Eine weitere Funktion der Veröffentlichung ist es, Personen mit einflussreichen Posten als AutorInnen zu gewinnen. So schreibt im neuesten Politikbrief mit Namen „re:source“ Achim Steiner vom Umweltprogramm der UN, dessen offizieller Partner BAYER ist, über den Klimagipfel von Kopenhagen. Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft prophezeit: „In der Krise erneuert sich die Wirtschaft“ und Michael Vassiliadis von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE unterbreitet den Lösungsvorschlag: „Mit Forschung und Sozialpartnerschaft aus der Krise“.

PROPAGANDA & MEDIEN

5,5 Mio. an Hämophilie-Verbände
Bluter-Verbände beschenkt BAYER reichlich, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. Von den 57 Millionen Euro, die der Leverkusener Multi 2010 für „wohltätige Zwecke“ ausgab, erhielten Hämophilie-Organisationen fast zehn Prozent: 5,5 Millionen Euro, wie BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Hauptversammlung im April 2011 bekannt gab.

Kraft zeichnet Baykomm aus
BAYER gehörte 2006 zu den Sponsoren der Kampagne „Land der Ideen“, welche die Fußball-Weltmeisterschaft dazu nutzte, um für den Industrie-Standort zu werben. Der PR-Betrieb hat die Ball-Treterei sogar überlebt und veranstaltet zum Beispiel noch den Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“. Als einen dieser Orte haben die InitiatorInnen nun mit dem Baykomm das Kommunikationszentrum des Leverkusener Multis ausgezeichnet - sie wissen offenbar, was sie ihren Geldgebern schuldig sind. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft überreichte die Auszeichnung und pries das Propaganda-Forum des Konzerns dafür, „Besucher jeglichen Alters mit Wissenschaft und Forschung vertraut zu machen“.

Dekkers kritisiert Sicherheitsdenken
BAYER-Chef Marijn Dekkers kritisiert das angeblich übertriebene Sicherheitsdenken in der Bundesrepublik. Die Reaktion auf die Atom-Katastrophe in Japan hält er für überzogen, und eine andere Risiko-Kultur, wie sie der BOSCH-Vorstandsvorsitzende Franz Fehrenbach gefordert hat, braucht es für die Chemie seiner Meinung nach nicht. Die Branche habe ihre Lektion seit Seveso und Bhopal gelernt, meint der Holländer - trotz der Großexplosion in BAYERs Bhopal-Referenzwerk Institute vom August 2008. Nur etwas kleinlaut räumte Dekkers ein: „Aber auch für uns gilt: Ein Restrisiko lässt sich leider niemals ganz ausschließen“. In der Gentechnik hat der Konzern damit schon Bekanntschaft machen müssen. Im Jahr 2006 suchte gentechnisch veränderter Langkorn-Reis des Gen-Giganten weltweit die Supermärkte heim. Trotzdem bekennt sich der Ober-BAYER weiterhin wacker zu dieser Technologie. „Weltweit haben Menschen inzwischen mehr als zwei Billionen Mahlzeiten mit gentechnisch veränderten Produkten verzehrt, ohne dass sie irgendwelche Schäden erlitten hätten“, so der Manager.

Dekkers für Forschungsförderung
Hatte schon der frühere BAYER-Chef Werner Wenning bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit für eine steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsausgaben geworben, so erweist sich Marijn Dekkers als würdiger Nachfolger. In einem Handelsblatt-Beitrag forderte er die Politik angesichts der andernorts schon lange üblichen Forschungsförderung zum Handeln auf und sparte selbst mit Drohungen nicht: „Es liegt auf der Hand, dass solche Unterschiede auch bei Standort-Entscheidungen den Ausschlag geben können“. Umgekehrt wird für ihn kein Schuh draus: Dem Vorstoß der Bundesregierung, innerhalb der EU für einen Subventionsabbau auf diesem Sektor zu werben, kann Dekkers nichts abgewinnen.

BAYER „bester Apotheken-Partner“
Die Pharma-DrückerInnen des Leverkusener Multis leisten in den Pharmazien ganze Arbeit. Das sehen jedenfalls die ApothekerInnen so, die sich an der Umfrage des Branchenblattes PharmaRundschau beteiligten. Sie zeigten sich mit der persönlichen Betreuung durch die Außendienst-MitarbeiterInnen, dem Service und der Leistungsfähigkeit des Konzerns zufrieden und wählten den Pillen-Riesen in den Kategorien „Schmerzmittel“ und „Antipilzmittel“ zum „besten Apotheken-Partner“. Zweite Plätze gab es jeweils beim DiabetikerInnen-Bedarf, bei der Wund- und Brandversorgung sowie bei den Grippe- und Magen/Darmmitteln. Ein Grund für den innigen Bund dürften die hohen Preise der BAYER-Mittel sein, die den PharmazeutInnen hohe Margen versprechen. Im Fall von ASPIRIN hatten 11.000 von 21.000 bundesdeutschen Apotheken im Jahr 2007 sogar Kartell-Absprachen mit dem Pharma-Riesen getroffen und sich dazu verpflichtet, keine Billig-Angebote zu machen, wenn der Hersteller ihnen dafür im Gegenzug großzügige Rabatte gewährt. Darüber hinaus pflegt der Global Player die pharmazeutische Landschaft auch noch mit einem Schulungs- und Forschungszentrum.

BAYER VITAL stockt Werbeetat auf
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat 2010 nach Angaben des Fachmagazins Healthcare Marketing allein in der Bundesrepublik mit 54,39 Millionen Euro bedeutend mehr für Reklame ausgegeben als im Vorjahr. Nur KLOSTERFRAU investierte mehr. TV-Werbung und Anzeigen in Publikumszeitschriften schluckten dabei den Löwen-Anteil des Etats, aber immerhin schon sieben Prozent der Aufwändungen flossen in den Online-Bereich.

GynäkologInnen preisen YASMIN
BAYER sponsert die kanadische GynäkologInnen-Gesellschaft großzügig. Zum Dank dafür griffen die MedizinerInnen beim Verfassen einer Aufklärungsschrift über Verhütungsmittel auf Werbematerial des Leverkusener Multis zurück. Sie übernahmen einzelne Passagen sogar wortwörtlich und priesen YASMIN & Co. als Mittel gegen Akne und Migräne. Über die Embolie-Gefahr, die von den Mitteln ausgeht - allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte in den letzten zehn Jahren 190 Sterbefälle - fand sich natürlich nichts in der Broschüre.

US-Star preist BEYAZ
Trotz zahlreicher Todesfälle setzt BAYER weiter auf Kontrazeptiva aus der YASMIN-Familie. Weil für die Präparate der Patentschutz ausläuft, bringt der Leverkusener Multi nun Varianten mit geringfügigen Abweichungen auf den Markt. So hat er in den USA für BEYAZ die Zulassung erhalten, das zusätzlich zu dem berühmt-berüchtigten YAZ-Wirkstoff Drospirenon noch Vitamine aus dem B-Komplex enthält, um einer angeblichen Unterversorgung bei späteren Schwangerschaften und daraus resultierenden Geburtsfehlern vorzubeugen. Für die Produkteinführungskampagne in den USA hat der Konzern die Schauspielerin und Moderatorin Vanessa Minnillo verpflichtet.

LoveGent wirbt für LEVITRA
Mit einem „Emag für den Gentleman 2.0“ wirbt BAYER im Internet für seine Potenz-Pille LEVITRA. Einschlägige Artikel auf LoveGent zu den Themen „Die schnelle Nummer“, „Männerspielzeug“ oder „Prostitution“ und der eingekaufte „Experten“-Rat von Prof. Dr. Frank Sommer sollen den Kundenstamm für sein Lifestyle-Präparat erweitern. Angaben zu den Risiken und Nebenwirkungen des Präparats wie temporärer Gedächtnisverlust, zeitweilige oder dauerhafte Hörschäden, Sehstörungen bis zum Sehverlust, Schwindel, Höhenangst, Kopfschmerzen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome sowie Gesichtsrötungen finden sich deshalb auf der Website nicht.

Etikettenschwindel mit „Was ist was“
Der vom Leverkusener Multi mitgegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ nutzt die Popularität der Kindersachbuch-Reihe „Was ist was“, um Reklame für die Pharma-Riesen zu machen. „Was ist was - Wie entsteht ein Medikament?“ heißt das Machwerk ohne Risiken und Nebenwirkungen. In einer Auflage von 30.000 Exemplaren gedruckt, wollen BAYER & Co. damit vor allem Schulklassen beglücken; im offiziellen Buchhandel vertreibt es der TESSLOFF-Verlag nicht. „Die Pharma-Industrie ist sehr stark daran interessiert, eine wissensneutrale Marke wie ‚Was ist was‘ zu nutzen“, sagt die Verlagssprecherin zu dem Deal, der dem Haus durchaus „Bauchschmerzen“ bereitet habe.

Mehr Marketing, weniger Forschung
Aller Lippenbekenntnisse zur Wichtigkeit der Forschung zum Trotz erhöht der Leverkusener Multi die entsprechenden Ausgaben 2011 nicht. Er friert sie stattdessen bei 3,1 Milliarden Euro ein. Zudem nimmt der Konzern auch noch Umschichtungen im Etat vor und knappst mehr Geld für das Marketing ab. „Die neuen Produkte müssen schließlich auch verkauft werden“, so BAYER-Chef Marijn Dekkers. Die Westdeutsche Zeitung beschleichen da böse Ahnungen. „Bei der intensiveren Vermarktung von Medikamenten will er einen weiteren Schwerpunkt setzen. Das riecht nach Mauscheleien zwischen Pharma-Firmen, Ärzten und Apothekern. Davon sollte Dekkers lieber die Finger lassen“, schreibt das Blatt.

Mehr Arzneien für „Nutztiere“
„Während wir in der Vergangenheit den Hobbytieren größere Priorität eingeräumt haben, verstärken wir seit einigen Jahren wieder deutlich unser Engagement im Nutztier-Bereich“, sagt BAYERs Tiergesundheitschef Thomas Steffens. Zu diesem Behufe hat der Leverkusener Multi eine „Nutztier-Akademie“ gegründet mit Fortbildungsveranstaltungen für TierärztInnen und LandwirtInnen, ein neues Web-Portal aufgebaut und zu dem Podiumsgespräch „Gesunde Tiere, gesunde Lebensmittel“ mit „80 Meinungsbildnern aus Politik, Wissenschaft, Verbänden und Medien“ geladen.

Noch mehr „Global Compact“
Mit BAYER, DAIMLER/CHRYSLER, SHELL und 47 anderen Global Playern unterzeichnete der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan Ende Juli 2000 in New York den „Global Compact“, eine unverbindliche Vereinbarung zur Umsetzung internationaler Menschenrechts-, Sozial- und Umweltstandards (Ticker 4/00). Im Gegenzug berechtigt die Unterschrift BAYER & Co., mit dem UN-Emblem für Konzern-Produkte zu werben und so „Bluewashing“ zu betreiben. Mehrmals kritisierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Zusammenarbeit des „Global Compact“ mit BAYER, aber die Organisation stieß sich weder an Kinderarbeit bei den indischen Zulieferern des Multis noch an seinem Katastrophen-Management nach der Explosion im Instituter Werk. Und weil eine so verstandene Nachhaltigkeit den Unternehmen richtig Spaß macht, beschlossen sie auf ihrem jährlichen Klassentreffen beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos eine Ausweitung ihrer Nichtaktivitäten und starteten im Beisein von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die Initiative LEAD.

BMZ fördert Kontrazeptiva-Absatz
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur großen Befriedigung BAYERs erfreut sich diese Ansicht auch heute noch großer Beliebtheit, die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. Um die Geschäftsaussichten für YASMIN & Co. noch ein wenig zu verbessern, sponsert das Unternehmen seit geraumer Zeit die „Deutsche Stiftung Weltbevölkerung“. Diese öffnet im politischen Berlin nämlich Türen. So hat der Pharma-Riese gemeinsam mit der Stiftung einen parlamentarischen Abend veranstaltet, an dem Gudrun Kopp (FDP), parlamentarische Staatssekretärin im Entwicklungshilfe-Ministerium, teilnahm. Und die Liberale brachte gleich die frohe Kunde mit, dass die Regierungskoalition 400 Millionen Euro „vor allem für Vorhaben zur Förderung der Familienplanung und Frauengesundheit“ bereitstellen will. Internationale Geld-Töpfe kann das Unternehmen ebenfalls anzapfen: Die UN bestellte jüngst Pillen für 25 Millionen Dollar beim Pharma-Riesen (Ticker 4/10).

Deutschland-Stipendium mit BAYER
Die PolitikerInnen flankierten die Einführung von Studien-Gebühren mit der Versicherung, gemeinsam mit der Wirtschaft Modelle zur Studien-Förderung zu entwickeln. Löhnen dürfen die Studierenden zwar mittlerweile, wenn auch einige Bundesländer das Bezahlsystem wieder abgeschafft haben, aber mit dem Studier-Sponsoring hapert es noch gewaltig. So kommen an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität gerade einmal 70 von 42.790 Immatrikulierten in den Genuss des so genannten Deutschlandstipendiums. Mit dieser Private-Public-Partnership zwischen Bundesforschungsministerium und Wirtschaftsunternehmen wollte Ministerin Annette Schavan eine „neue Ära der Stipendienkultur“ begründen, viel mehr als eine PR-Maßnahme für die ihre Portokasse öffnenden Konzerne sprang allerdings nicht dabei heraus. Mit gerade einmal 9.000 Euro engagiert sich BAYER in München. Eine „subventionierte Werbekampagne“ nennt das Webportal telepolis das Deutschland-Stipendium deshalb.

Neue „Pro Industrie“-Kampagne
Die massenhafte Kritik an Großprojekten wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und Kohlekraftwerken hat den Leverkusener Multi dazu bewogen, eine Gegen-Kampagne zu starten. Der Konzern gehört zu den Mitinitiatoren der „Knechtstedener Erklärung“, die dem schlechten Image von BAYER & Co. im Raum Neuss/Dormagen entgegentreten will. „Die Akzeptanz in der Bevölkerung für unsere Industrie zu stärken und auszubauen, stellt das gemeinsame Ziel aller Beteiligten dar, damit unser Wohlstand auch in Zukunft erhalten werden kann“, heißt es in dem Papier.

TIERE & ARZNEIEN

Bakterien im Fleisch
Die in der Massentierhaltung massenhaft verwendeten Antibiotika von BAYER & Co. lassen immer mehr Krankheitserreger immun gegen die Mittel werden. Darum breiten sich Bakterien-Stämme im Fleisch stark aus. In den USA fanden ForscherInnen Ableger des Staphylococcus aureus in fast der Hälfte aller Proben. In Holland stießen WissenschaftlerInnen in 40 Prozent der Ställe auf Infektionsträger. Besonders in Schweinen siedelten sie sich gerne an; 80 Prozent der Tiere beherbergten Keime. Auslauf fanden diese dann allzu oft im Organismus von LandwirtInnen und Stallpersonal. Aber auch über die Nahrungskette können sie in den menschlichen Körper gelangen. Und es fällt immer schwerer, Staphylococcus & Co. dort unschädlich zu machen, denn die Antibiotika-Wirkstoffe aus der Human-Medizin haben für sie schon in den Tierfabriken ihren Schrecken verloren.

BAYCOX für Schafe
Die Behörden haben BAYCOX, BAYERs Mittel zur Therapie der von Parasiten ausgelösten Krankheit Kokzidiose, jetzt auch zur Behandlung von Schafen zugelassen. Laut Aussage des Konzerns genügt das Schlucken einer einzigen Dosis, „um die Kokzidiose erfolgreich zu bekämpfen und wirtschaftliche Schäden zu beschränken“.

Forschung an Altem
Forschung bei BAYER hat nicht unbedingt den Zweck, Neues zu entwickeln. Wenn der Ablauf der Patent-Laufzeit von Arzneien und damit Konkurrenz von Nachahmer-Präparaten droht, bemüht sich der Leverkusener Multi stets mit großem Aufwand, kleine Veränderungen in der Rezeptur oder der Verabreichungsform vorzunehmen, um erneut den lukrativen Schutz des geistigen Eigentums reklamieren zu können. „Schon heute geben wir rund ein Drittel unseres Forschungs- und Entwicklungsbudgets dafür aus, unser bestehendes Sortiment zu verteidigen“, sagt BAYERs Tiergesundheitschef Thomas Steffens.

DRUGS & PILLS

Todesfälle durch CIPROBAY
BAYERs Antibiotikum CIPROBAY mit dem Wirkstoff Moxifloxacin, der zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, kann tödlich wirken. Die US-Gesundheitsbehörde FDA registrierte in den letzten zehn Jahren 1.000 Sterbefälle und 14.000 schwere Nebenwirkungen durch Arzneien aus dieser Medikamenten-Gruppe. Ihr englisches Pendant weist von Januar 2000 bis März 2011 46 Tode aus. Am häufigsten treten Gesundheitsschäden im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen auf. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen. Darüber hinaus sind CIPROBAY & Co. für Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und andere Organ-Schädigungen verantwortlich. In den USA musste der Leverkusener Multi deshalb bereits im Jahr 2008 Warnhinweise auf den Packungen anbringen.

Neue Studien bestätigen YASMIN-Risiko
Gleich zwei neue Studien aus Neuseeland und den USA haben BAYERs Verhütungsmittel YASMIN und anderen drospirenon-haltigen Pillen ein erhöhtes Thrombose-Risiko bescheinigt und damit die Ergebnisse älterer Untersuchungen bestätigt. Bis um den Faktor drei steigt unter YASMIN im Vergleich zu älteren Präparaten die Wahrscheinlichkeit, sich einen Venen-Verschluss zuzuziehen, so die WissenschaftlerInnen, die nur die Daten von Frauen ohne Vorerkrankungen und Belastungsfaktoren wie Übergewicht ausgewertet haben. Der Leverkusener Multi bescheinigt ihrer Arbeit trotzdem „bedeutende Mängel“.

Neuer YASMIN-Beipackzettel
Alles, was vom YASMIN-Skandal mit seinen über 190 Toten allein in den USA übrig bleibt, ist ein neuer Beipackzettel. Nachdem das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfARM) von BAYER verlangt hatte, in den Packungsbeilagen auf eine erhöhte Thrombose-Gefahr hinzuweisen, was der Pharma-Riese nach Informationen der SELBSTHILFEGRUPPE DROSPIRENON-GESCHÄDIGTER immer noch nicht umgesetzt hat, erhob nun auch die „Europäische Arzneimittelagentur“ (EMA) eine entsprechende Forderung. Die Auswertung zweier neuer Studien zu den Risiken und Nebenwirkungen (s. o.) von YASMIN & Co. hatte die Behörde dazu veranlasst.

XARELTO verursacht Blutungen
BAYERs ganze Hoffnungen in der Pharma-Sparte ruhen auf dem Medikament XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban), das bisher EU-weit zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zugelassen ist. Wenn das Mittel zusätzlich noch Genehmigungen als allgemeines Therapeutikum gegen Venen-Thrombosen und als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe bekommt, dann rechnet der Leverkusener Multi mit einem jährlichen Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro. Die Testergebnisse eröffnen allerdings keine allzu rosigen Zukunftsaussichten. Im Vergleich zur Thrombose-Standardmedikation schnitt das Mittel in puncto „Wirksamkeit“ nicht besser ab. Weniger Nebenwirkungen hatte es auch nicht. Einziger Vorteil: XARELTO „hat das Potenzial, für den Patienten angenehmer zu sein“ (O-Ton BAYER), weil es als Tablette verfügbar ist und nicht gespritzt werden muss. Schlaganfälle vermied das Präparat ebenfalls nicht häufiger als das Mittel der Wahl Warfarin, was dem BOEHRINGER-Konkurrenzprodukt PRADAXA sehr wohl gelang. Bei Hospital-PatientInnen mit internistischen Erkrankungen verursachte die Arznei mehr Blutungen als die Vergleichssubstanz Enoxaparin, weshalb der Pharma-Riese selbst einräumen musste: „kein konsistent positives Nutzen-Risiko-Profil“. Das Unternehmen will sich aber noch einmal über die Studien-Daten der KrankenhäuslerInnen beugen und die PatientInnen-Gruppen herausfiltern, bei denen XARELTO gut anschlug - um daraus doch noch einen neuen Absatzmarkt zu generieren.

Erica Mann leitet „Consumer Care“
Die Südafrikanerin Erica L. Mann leitet künftig BAYERs Gesundheitssparte „Consumer Care“, die Abteilung für rezeptfreie Medikamente. Mann kann sowohl auf einen Studienabschluss in Chemie als auch auf ein Diplom in Marketing-Management verweisen - eine Traumkombination für den Multi. Auch ihr Engagement bei Lobby-Organisationen wie dem südafrikanischen Verband der Pharma-Hersteller PMA oder dem „Internationalen Verband der Babynahrungs-Produzenten“ dürfte sie für höhere Aufgaben beim Pillen-Riesen empfohlen haben.

USA: GADOVIST-Zulassung erhalten
Der Leverkusener Multi hat für sein Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST eine Zulassung in den USA erhalten. MedizinerInnen dürfen das Präparat künftig bei Magnetresonanz-Tomographien des zentralen Nervensystems einsetzen, obwohl die Anwendung mit Risiken behaftet ist. GADOVIST enthält nämlich - wie auch das andere BAYER-Kontrastmittel MAGNEVIST - Gadolinium, das bei Nierenkranken ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge auslösen kann. Mit 230 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen (Stand: 1.2.11) sieht der Pharma-Riese sich deshalb konfrontiert. Auch die Aufsichtsbehörden haben das Gefährdungspotenzial bereits erkannt. So hat die Europäische Arzneimittel-Agentur EMEA jüngst strengere Auflagen für den Gebrauch solcher Medizinprodukte erlassen.

Pharma-Paradies Bundesrepublik
Während eine kleine Packung ASPIRIN in Griechenland nicht einmal einen Euro kostet, müssen VerbraucherInnen hierzulande dafür mehr als fünf Euro zahlen. „Der Hersteller BAYER orientiert sich an dem, was der Verbraucher bereit ist, dafür auszugeben - und schöpft natürlich das Maximum ab“, kritisiert der Gesundheitsökonom Gerd Glaeske die Preis-Politik des Pharma-Riesen, die sich nicht bloß auf seine Schmerzmittel beschränkt.

BAYERs Gesundheitsreform-Kosten
Noch immer erreicht kaum ein Wirtschaftszweig die Traum-Renditen der Pharma-Branche. Aber weltweit wird die Luft ein bisschen dünner, weil immer mehr Regierungen die Extra-Profite etwas beschneiden. Auf der Hauptversammlung im April 2011 bezifferte BAYER-Chef Marijn Dekkers die Verluste durch solche Maßnahmen im abgelaufenen Geschäftsjahr hierzulande auf 11 Millionen Euro und weltweit auf 165 Millionen. Für das laufende Jahr rechnet er mit Einbußen von 30 bzw. 300 Millionen Euro.

BAYER entwickelt Fett-Spritze
Der Leverkusener Multi will ein neues Lifestyle-Präparat auf den Markt bringen. Seine Tochtergesellschaft INTENDIS hat mit dem Unternehmen KYTHERA einen Vertrag zur Entwicklung einer Substanz geschlossen, die - unter die Haut gespritzt - kleinere Fettpolster auflösen soll.

Forschungskosten hochgerechnet
800 Millionen Dollar kostet die Entwicklung eines neuen Medikamentes laut Angaben der Pharma-Riesen. Diese Zahl, die das industrie-nahe „Tufts Center for the Study of Drug Development“ ermittelte, rechtfertigt nach Ansicht von BAYER & Co. die in der Branche üblichen hohen Umsatz-Renditen. Sie hat nur einen Schönheitsfehler: Sie stimmt nicht. Die US-ForscherInnen Rebecca Warburton und Donald Light haben einmal nachgerechnet und kommen nur auf 43,4 Millionen Dollar - eine um das 18fache niedrigere Summe. Das Tufts Center hat nämlich nur den eher seltenen Fall einer von der Grundlagen-Forschung bis zur Zulassung komplett von Big Pharma allein bewältigten Entwicklung zugrunde gelegt, mit einer viel zu hohen Zahl von Medikamenten-TesterInnen operiert und zu viele Test-Flops eingepreist. Und dann addierte das Institut auf den ermittelten Wert als „fiktive Kapitalkosten“ auch noch das hinzu, was die eingesetzten Millionen eingebracht hätten, wenn die Konzerne sie an der Börse investiert hätten statt in Arzneien.

Mehr Pharma-Kooperationen
Entgegen vollmundiger Bekundungen zur Stellung der Forschung im Unternehmen will BAYER-Chef Marijn Dekkers vermehrt Leistungen von außen zukaufen. „Wir wollen uns stärker als Partner für Pharma-Firmen positionieren, die ein Präparat in der späten Phase der klinischen Entwicklungen haben“, sagte er der Zeitschrift Capital.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Endosulfan-Verbot in Argentinien?
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen, besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan auch in anderen Ländern nicht mehr zu vertreiben. Im vorletzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09), nicht ohne jedoch noch einmal einen aggressiven Schlussverkauf zu veranstalten (siehe auch SWB 1/11). Jetzt aber scheinen die Stunden des Ultragifts endgültig gezählt. Die „Stockholmer Konvention“ hat sich nach harten Verhandlungen dazu durchgerungen, seinen 133 Mitgliedsstaaten eine Beschlussvorlage für einen weltweiten Bann vorzulegen. Und Argentinien hat bereits reagiert: Das Parlament muss sich mit einem Verbotsantrag beschäftigen.

Pestizide greifen Gehirn an
In einer Langzeitstudie haben französische WissenschaftlerInnen die Auswirkungen der Pestizide von BAYER & Co. auf neuronale Prozesse untersucht. Das Ergebnis ist schockierend: Bei dem Teil der 614 ProbandInnen, der über einen längeren Zeitraum hinweg Agro-Giften ausgesetzt war, ließen Gedächtnis- und Konzentrationsfähigkeit deutlich stärker nach als bei den in gesünderer Umgebung arbeitenden VersuchsteilnehmerInnen. „Frappierend“ nannte die Forscherin Isabelle Baldi diesen Befund.

EU lässt Carbendazim wieder zu
Im Jahr 2009 hatte die Europäische Union eine strengere Pestizid-Verordnung verabschiedet. Ab dem 14.6.11 sollten mit Glufosinat, Carbendazim, Mancozeb, Tebuconazole, Bifenthrin und Thiacloprid unter anderem sechs Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit keine Zulassung mehr erhalten. Für Carbendazim, das der Leverkusener Multi unter dem Produktnamen DEROSAL vermarktet, macht Brüssel jetzt jedoch eine Ausnahme. Kurz vor Ablauf der Frist gewährte die EU-Kommission dem Ackergift eine Zulassungsverlängerung. Es gäbe „annehmbare Anwendungen“, erklärte sie und berief sich dabei ausgerechnet auf Studien der Agro-Riesen sowie auf eine Expertise der von Industrie-VertreterInnen durchsetzten „Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (siehe auch TICKER 2/11).

GENE & KLONE

USA: BAYER kontrolliert sich selbst
In den USA dürfen BAYER & Co. die Umweltverträglichkeitsprüfungen für ihre Genpflanzen künftig selber durchführen. Das Landwirtschaftsministerium hat das zunächst auf zwei Jahre befristete Pilot-Projekt gestartet, weil es die Selbstkontrolle für „schneller, effizienter und kostengünstiger“ hält. Nur gar keine Tests wären noch ökonomischer.

Bt im menschlichen Körper
BAYER & Co. haben in viele ihrer Pflanzen-Arten mittels gentechnischer Verfahren den Bacillus thuringiensis (Bt) eingeschleust, um Schadinsekten abzutöten. Das Gift bleibt jedoch nicht in den Laborfrüchten. So wiesen ForscherInnen Rückstände im menschlichen Körper und sogar im Leib von Ungeborenen nach. Die Behauptung der Industrie, der Bazillus würde durch die Magensäfte zersetzt, entpuppte sich damit als Mär.

Genreis-Kooperation mit BASF
Der Genreis-Skandal von 2006 - damals tauchte eine nicht zugelassene Art weltweit in Supermarkt-Packungen von UNCLE BEN & Co. auf - hält BAYER nicht davon ab, weiterhin auf dieses Produkt zu setzen. Ende 2010 gab er eine Kooperation mit BASF bekannt. Die beiden Konzerne wollen aus BAYERs hybrider, also nicht für die Wiederaussaat geeigneter Sorte ARIZE und ertragssteigernden Genen made by BASF eine neue Reis-Pflanze kreieren.

Kooperation mit DUPONT
Schadinsekten gewöhnen sich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen. Deshalb gehen BAYER & Co. nach der Devise „Doppelt hält besser“ immer mehr dazu über, ihre Sorten gleich gegen mehrere Agrochemikalien immun zu machen und gewähren sich gegenseitig Zugriff auf ihre Technologien. Nach Lizenzabkommen mit MONSANTO, SYNGENTA und DOW AGRO SCIENCES hat der Agro-Riese nun schon den zweiten Vertrag mit DUPONT geschlossen. Nach dieser Vereinbarung kann der zu PIONEER HI-BRED gehörende Konzern künftig BAYERs gegen das Herbizid Glufosinat resistente LIBERTY-LINK-Kreation nutzen und der Leverkusener Multi im Gegenzug bestimmte Raps-Zuchten von DUPONT.

Kooperation mit SYNGENTA
Nicht nur Schadinsekten (s. o.), sondern auch Unkräuter gewöhnen sich immer schneller an das Pestizid-Einerlei, mit dem die LandwirtInnen ihre Genpflanzen bearbeiten müssen. Darum strebt der Leverkusener Multi auf diesem Gebiet ebenfalls Kooperationen an. So will er mit SYNGENTA eine Soja-Art entwickeln, die gleichzeitig gegen die BAYER-Herbizide BALANCE (Wirkstoff: Isoxaflutole) und LAUDIS (Wirkstoffe: Isoxadifen-ethyl und Tembotrione) sowie gegen das SYNGENTA-Mittel CALLISTO immun ist. Mit dem neuen Präparat rechnen sich die beiden Agro-Riesen nun Chancen bei LandwirtInnen aus, „die zunehmend mit Problemen durch resistentes Unkraut konfrontiert sind“.

Gen-Baumwolle nicht zugelassen
Die AgrarministerInnen der Europäischen Union konnten sich nicht darauf verständigen, BAYERs gegen das Anti-Unkrautmittel Glyphosate resistenter Gentech-Baumwolle „GHB 614“ eine Import-Genehmigung zu erteilen. Eine endgültige Entscheidung fällt nun die EU-Kommission.

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft HORNBECK
Der Leverkusener Multi hat das US-amerikanische Saatgut-Unternehmen HORNBECK erworben. Der Konzern stärkt damit nach eigener Aussage vor allem das Geschäft mit Soja-Bohnen weiter, denn HORNBECK hatte für diese Ackerfrucht ein eigenes Zuchtprogramm entwickelt.

Neues Saatgut-Labor in Singapur
Der Leverkusener Multi baut sein Saatgut-Geschäft kontinuierlich aus (s. o.). Im Zuge dieser Strategie hat er jetzt in Singapur ein neues Saatgut-Forschungslabor eröffnet. In dem 20 Millionen Euro teuren Bau will der Konzern an neuen Sorten basteln, die Schadinsekten sowie anderem Unbill besser trotzen, einen höheren Nährwert haben und sich leichter lagern und verarbeiten lassen.

WASSER, BODEN & LUFT

Genpflanzen-Gift im Wasser
Haben die LandwirtInnen ihre Mais-Felder abgeerntet, so landen viele Reste wie Stängel, Blätter oder Kolben in den Flüssen. Handelt es sich dabei um Gen-Mais, der mit dem Gift des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückt ist, wie etwa BAYERs Sorte T25, dann kommt dabei auf die Gewässer viel Unbill zu. US-WissenschaftlerInnen untersuchten Wasser in der Nähe der Mais-Äcker und wiesen in 23 Prozent aller Proben die Bt-Substanz nach.

CO2 als Rohstoff?
Im Februar 2011 nahm BAYER eine Pilotanlage in Betrieb, die den Einsatz von Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung erprobt. Der Pharma-Riese feiert dieses gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ betriebene Projekt „Dream Production“ als eine Großaktion zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10). Als der BAYER-Manager Peter Vanacker in einem Interview gefragt wurde, wieviel CO2 die „Dream Production“ dem Recycling denn zuführe, gab er sich dann auch kleinlaut: „Genaue Zahlen möchten wir nicht veröffentlichen“.

Neue Abwasser-Behandlungsanlage
Die größere Auslastung des Bergkamener BAYER-Werkes seit 2004 hat auch das Volumen der Produktionsrückstände erhöht. Das machte den Ausbau der Abwasser-Behandlungsanlage unvermeidlich. Nach Angaben des Konzerns wäscht sie so rein, dass das Unternehmen das Wasser anschließend direkt in die Lippe einleiten kann. Auch vor Lecks sollen die Becken durch die Verwendung massiverer Werkstoffe wie Beton und mehr Kontrollmöglichkeiten besser geschützt sein.

Quecksilber-Ausstoß: 11,5 kg
Seit einiger Zeit führt der Leverkusener Multi in seinen Nachhaltigkeitsberichten den Quecksilber-Ausstoß nicht mehr an und macht nur noch Angaben zu den Schwermetall-Emissionen insgesamt. Auf der Hauptversammlung im April 2011 nach den konkreten Zahlen gefragt, gab BAYER-Chef Marijn Dekkers die Menge des in die Gewässer eingeleiteten Ultragiftes mit 11,5 Kilogramm an.

PCB is coming home
BAYER gehörte lange zu den Hauptherstellern von Polychlorierten Biphenylen (PCB), einer Krebs erregenden Chlorverbindung. Erst 1983 hat der Konzern die Produktion des Ultragiftes eingestellt, das unter anderem als Weichmacher in Kunststoffen, Kühlmittel und Isoliermaterial Verwendung fand. Aber die gesundheitsschädlichen Folgen der Chemikalie machen sich immer noch bemerkbar. So ergab eine Untersuchung von Beschäftigten der Dortmunder Entsorgungsfirma ENVIO eine hochgradige PCB-Kontamination. 95 Prozent der Belegschaft wiesen Konzentrationen im Blut auf, die bis zum 25.000fachen über dem zulässigen Grenzwert lagen. Das ENVIO-PCB landete schließlich wieder beim Absender - in den Verbrennungsöfen des Leverkusener Multis, wie BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Hauptversammlung im April 2011 der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN bestätigte.

BAYER will mehr Müll verheizen
Der mehrheitlich BAYER gehörende Chemie„park“-Betreiber CURRENTA möchte am Standort Krefeld die Preise für die Energie-Gewinnung senken und plant deshalb, 16.000 Tonnen Müll anstelle von Steinkohle zu verheizen. Was das Unternehmen als Recycling-Maßnahme zur Schonung der Umwelt verkauft, erweckt den Zorn der städtischen Grünen. „Die von CURRENTA großmundig propagierte Linie, mit der Erhöhung der Müllverbrennung werde die Energie-Erzeugung im Unternehmen umweltfreundlicher, entbehrt bei genauem Hinsehen jeder Grundlage“, kritisiert der Ratsherr Rolf Rundmund angesichts des erhöhten Schadstoff-Ausstoßes durch die Reste-Verwertung.

Altlast in Newburgh
Von den 1950er bis 1970er Jahren lud die STAUFFER CHEMICAL COMPANY auf einer städtischen Deponie nahe Newburgh Fässer mit Polychlorierten Biphenylen, Chrom, Blei und anderen Giftstoffen ab. Lange schon halten viele Behältnisse den Chemikalien nicht mehr stand. Durch Lecks gelangten die Substanzen in den Boden. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA wies BAYER und DUPONT als Nachfolger von STAUFFER an, die Müllhalde zu sanieren. Anderthalb Jahre werden die Arbeiten mindestens in Anspruch nehmen.

NANO & CO.

Nano-Kooperation mit HYPERION
Nano-Teilchen können eine asbest-ähnliche Wirkung entfalten, zu den Zellkernen vordringen oder die Blut/Hirn-Schranke überwinden. Trotz dieser Risiken und Nebenwirkungen setzt der Leverkusener Multi auf die Technologie und geht auf internationaler Ebene Kooperationen ein, um seine BAYTUBES-Röhrchen auf den Weltmarkt zu bringen. So hat der Global Player eine Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Unternehmen HYPERION vereinbart. Da große Industrie-Zweige wie die Fahrzeug- und Flugzeug-Branche sich zu BAYERs Leidwesen den neuen Materialien gegenüber noch wenig aufgeschlossen zeigen (Ticker 2/11), will der Konzern mit seinem US-amerikanischen Partner nun künftig selber Produkte auf Basis von Nano-Röhrchen entwickeln, um mit den Prototypen das Geschäft anzukurbeln.

Nano-Teilchen töten Wasserflöhe
Immer mehr Alltagsprodukte enthalten Nano-Partikel, also mikroskopisch kleine Stoff-Komponenten. So befinden sich in Sonnenmilch Nano-Teilchen aus Titandioxid. Und diese Winzlinge können Mikro-Organismen schaden, deren Entwicklungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Das haben ForscherInnen des Institutes für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau festgestellt. Sie gaben die Sonnenmilch ins Wasser und beobachteten, wie Wasserflöhe darauf reagieren. Das Ergebnis: „90 Prozent der Tiere starben“, so Studienleiter Ralf Schulz. Das Titandioxid setzte sich auf der Chinin-Hülle der Flöhe fest und verhinderte ihre Häutung. Welche Wirkung die in den Naturkreislauf eingespeisten Kleinstteilchen von BAYER & Co. auf andere Lebenwesen und Pflanzen haben, vermochten die WissenschaftlerInnen nicht zu sagen. „Hier besteht noch ein enormer Forschungsbedarf“, meint Schulz.

CO & CO.



Gericht stoppt CO-Pipeline
Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hat am 25. Mai 2011 die Inbetriebnahme von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline wegen ihrer mangelnden Erdbeben-Sicherheit untersagt. Es erklärte den Planfeststellungsbeschluss zu der zwischen Dormagen und Krefeld verlaufenden Kohlenmonoxid-Pipeline für „rechtswidrig und vorerst nicht vollziehbar“. Die Anti-Pipeline-Initiativen werteten das Urteil als „Etappen-Sieg“. Am Ziel wähnen sie sich aber noch nicht. Die JuristInnen haben nämlich die Rechtmäßigkeit der Enteignungen entlang des Streckenverlaufes bestätigt, welche die staatlichen Stellen mit den höheren, dem Allgemeinwohl dienenden Zwecken des Leitungsverbundes begründet hatten. Zudem haben sie den Streckenverlauf trotz bestehender Alternativen abgesegnet und sich auch nicht an den teilweise schon rostenden Bau-Teilen gestört. Darum wollen die Anwohner, die gegen ihre Zwangsenteignung geklagt hatten, das Urteil nicht akzeptieren und in Berufung gehen.

PLASTE & ELASTE

Unsichere BMS-Zukunft
Obwohl BAYER-Chef Marijn Dekkers sich bei seinem Amtsantritt zur Kunststoff-Abteilung BAYER MATERIAL SCIENCE bekannt hatte, bleiben selbst führende ManagerInnen skeptisch. „Ich glaube nicht, dass ich meine Rente noch unter dem Namen BAYER beziehe“, vertraute eine führende BMS-Kraft der Financial Times Deutschland schon im letzten Herbst an. Dabei hatte Dekkers da noch gar keine Zweifel an seiner Treue zu „Plaste & Elaste“ aufkommen lassen. „Wenn aber für eine sehr große Akquisition ein bedeutender Geldbetrag aufgebracht werden muss, so wären wir bei dieser extremen Option bereit, eine Sparte zu veräußern“ - dieses Statement gab der Vorstandsvorsitzende erst ein paar Monate später ab.

Öl-Kosten steigen
Erdöl stellt für die Chemie-Konzerne die mit Abstand wichtigste Rohstoff-Quelle dar. Der Leverkusener Multi braucht das „Schwarze Gold“ vor allem für seine Kunststoff-Produktion. Die zunehmende Knappheit der Ressource und die Entwicklungen in Nordafrika haben zu einem kräftigen Preisanstieg geführt, dessen Folgen der Pharma-Riese genau beziffern kann: Steigen die Kosten für einen Barrel Öl um zehn Dollar, so schlägt das beim Global Player mit einer Mehrbelastung von 200 Millionen Euro zu Buche.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Berufskrankheiten 2010: 13 Fälle
Seit langem macht der Leverkusener Multi in seinen Nachhaltigkeitsberichten keine Angaben mehr zu den von den Berufsgenossenschaften anerkannten Berufskrankheiten. Die letzten Informationen dazu stammen aus dem Jahr 2000. Damals waren es 130 Erkrankungen, die meisten von Asbest oder Lärm-Exposition ausgelöst. Auf der Hauptversammlung im April 2011 nach den aktuellen Zahlen gefragt, führte BAYER-Chef Marijn Dekkers drei Fälle in der Bundesrepublik und zehn im Rest der Welt an. So wenige dürften es jedoch kaum sein.

STANDORTE & PRODUKTION

Weniger Geld für Sport und Kultur
Im Zuge seines im November 2010 beschlossenen Rationalisierungsprogramms, das 4.500 Arbeitsplätze vernichtet (siehe auch SWB 2/11), will BAYER nach Informationen der Gewerkschaft IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE auch sein Sport- und Kultursponsoring reduzieren.

BAYER investiert in Wuppertal
Der Leverkusener Multi investiert 2011 in seinen Standort Wuppertal 95 Millionen Euro. Das Geld fließt in neue Forschungs- und Produktionsanlagen, ein Blockheizkraft-Werk und den Ausbau bereits existierender Fertigungsstätten. Die teuerste Einzelinvestition stellt mit einem Volumen von 35 Millionen Euro die Errichtung des Technikums „Zellbiologie“ dar, in dem der Pharma-Multi biologische Wirkstoffe für klinische Tests herstellen will.

BAYER baut in Dormagen
Der Chemie-Multi errichtet in Dormagen ein Technikum zur Erprobung neuer Verfahrensweisen bei der Produktion der Kunststoffe Toluylendiisocyanat (TDI) und Diphenylmethandiisocyanate (MDI). Alternativen zur ultra-gefährlichen Basis-Substanz Phosgen (siehe AKTION & KRITIK) sucht der Leverkusener Multi allerdings nicht.

Leverkusen in Finanznot
Im Frühjahr verkündete BAYER den größten Umsatz in der Firmen-Geschichte. An der Stadt Leverkusen geht dieser Geldregen allerdings vorbei. Sie muss einen Gewerbesteuer-Rückgang von über zehn Millionen Euro auf 72 Millionen Euro hinnehmen und sieht sich zu einem umfassenden Sparprogramm gezwungen.

Kooperation mit Duisburger Hafen
BAYERs Chemie-„Park“ in Uerdingen und die Duisburger Hafengesellschaft DUISPORT haben eine Zusammenarbeit vereinbart. Der Leverkusener Multi will künftig 50 Prozent der Kapazität des Container-Terminals nutzen, den DUISPORT in Hohenbudberg baut, und so mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern.

Neue Anlage in Ankleshwar
BAYER hat im indischen Ankleshwar eine neue Fertigungsstätte zur Produktion von Polyisocyanaten in Betrieb genommen, die als Basismaterial zur Herstellung von Lacken, Kleb- und Dichtstoffen dienen. Mit mehr als 5.000 Anlagen gehört die Stadt zu den größten Chemie-Clustern in ganz Asien. Das indische „Central Pollution Control Board“ stuft Ankleshwar deshalb als giftigste Region des ganzen Landes ein. Der Leverkusener Multi trägt nicht wenig dazu bei. Er betreibt an dem Ort nämlich auch noch sieben Pestizid-Fabriken. In einer von ihnen brach im letzten Jahr ein Feuer aus, was einen Ingenieur das Leben kostete (Ticker 2/10). Welches Sicherheitsrisiko diese Produktion darstellt, war schon vorher bekannt. So hatte das Umweltministerium der Region Gujarat bereits seit längerem eine Stilllegung gefordert.

IMPERIUM & WELTMACHT

Hilken neuer CURRENTA-Leiter
Günter Hilken hat von Klaus Schäfer die Leitung des Chemie„park“-Betreibers CURRENTA übernommen, der in Besitz des Leverkusener Multis und seiner Chemie-Abspaltung LANXESS ist.

BAYER übernimmt HORNBECK
BAYER hat das US-amerikanische Saatgut-Unternehmen HORNBECK gekauft (siehe auch PFLANZEN & SAATEN).

Chinas Fünfjahresplan lockt
China will mit seinem neuen Fünfjahresplan den Lebensstandard seiner Bevölkerung weiter anheben, um sozialen Unruhen vorzubeugen. Der Staat hat sich unter anderem die Erhöhung der Mindestlöhne, die Angleichung der Unterschiede zwischen Stadt und Land sowie Investitionen in den Umweltschutz vorgenommen. Und der Leverkusener Multi findet Gefallen an dieser Planwirtschaft. „Ob beim Ausbau der Infrastruktur oder der umweltfreundlichen Energie-Versorgung - BAYER hat die passenden Angebote“, frohlockt China-Chef Michael König.

ÖKONOMIE & PROFIT

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Steuerlast sinkt kontinuierlich
BAYER zahlt immer weniger Abgaben. Beliefen sich die Ertragssteuern zwischen 1997 und 2000 noch auf rund eine Milliarde Euro, so zahlte der Konzern für das Geschäftsjahr 2009 bloß noch 511 Millionen Euro und für 2010 gar nur noch 411 Millionen Euro. Dazwischen lag der Wechsel von BA

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2011 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Kritik an Nano-Grenzwerten
Nano-Partikel, wie sie bei der Produktion von BAYERs Nanotubes anfallen, können über die Atemwege in den menschlichen Organismus gelangen und dort einen ähnlichen Schaden anrichten wie früher Asbest-Fasern. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und der BUND haben deshalb den beim Konzern geltenden Grenzwert von 0,05 mg pro Kubikmeter Raumluft als zu hoch kritisiert. Dabei erfuhren die Verbände Unterstützung vom renommierten Arbeitsmediziner Prof. Dr. Rainer Frentzel-Beyme. „Der von der Firma BAYER empfohlene Grenzwert ist angesichts des Fehlens epidemiologischer Daten als völlig willkürlich anzusehen. Die vom NRW-Umweltministerium vorgelegte Empfehlung ist daher als realitätsfern und industriefreundlich abzulehnen“, erklärte Frentzel-Beyme.

Windeler will andere Arznei-Studien
Der neue Leiter des „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG), Jürgen Windeler, hat sich gegen die gängige Methode, bei Arznei-Tests die neuen Mittel mit Placebos zu vergleichen, gewandt. Nach Ansicht Windelers müssten sich die Innovationen von BAYER & Co. vielmehr der Konkurrenz der bisher etablierten Pillen stellen. „Wenn es Standard-Methoden gibt, ist es sinnvoll, ein neues Verfahren gegen die Standard-Methode zu untersuchen, sich für den Zusatznutzen zu interessieren. Da tun sich natürlich Anbieter schwer, wenn es bei diesen Standard-Therapien um unmittelbare Konkurrenz-Produkte einer anderen Firma geht“, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt. Von den unlängst eingeführten Nutzenbewertungen für Medikamente verlangte er, wirklich belastbare Fakten über die Verbesserung der Lebensqualität und das Sinken der Sterblichkeitsrate zu liefern, statt den Wirksamkeitsnachweis einfach nur über Laborwerte zu führen. Auch die bei BAYER sehr beliebten Anwendungsuntersuchungen dürften nicht in die Beurteilung einfließen. Diese Beobachtungsstudien, bei denen die Pharma-Multis ÄrztInnen Geld für das Ausfüllen eines kleinen Fragebogens bezahlen, das in Wirklichkeit als Prämie für Neuverordnungen des Medikaments dient, hält Windeler für reine Werbeveranstaltungen. „Anwendungsbeobachtungen sind Marketing und für die Nutzenbewertung nicht brauchbar“, so der IQWIG-Chef.

BUKO kritisiert BAYER-Werbung
Der Pharma-Brief Spezial „Schöne neue Pharmawelt“ der BUKO PHARMA-KAMPAGNE widmet sich den kruden Marketing-Methoden der Pillen-Multis und kritisiert in diesem Zusammenhang auch BAYERs Testosteronpillen-Reklame. Die Website www.testosteron.de wirbt dem BUKO zufolge bei Männern ab 40 für Hormon-Präparate als Allheilmittel gegen nachlassende Libido, Müdigkeit und Unkonzentriertheit, obwohl die Wirksamkeit nicht belegt und die Langzeitrisiken nicht systematisch erforscht sind. Die Seite www.get-back-on-track.com betreibt der Leverkusener Multi dagegen nicht mehr. Ob das an der Kritik der Zeitschrift Gute Pillen - schlechte Pillen lag oder am Einschreiten der Aufsichtsbehörden, vermochten die Pharma-KritikerInnen nicht zu sagen, nur dass der Konzern unter der Adresse www.devultaenlajugada.com (Zurück ins Spiel) Lateinamerikanern in den besten Jahren immer noch mit ähnlichen Methoden einzureden versucht, an Testosteron-Mangel zu leiden. Wie unverantwortlich ein solches Vorgehen ist, zeigte sich vor kurzem in den USA. Dort mussten WissenschaftlerInnen eine Testosteron-Studie abbrechen, weil Probanden Herz/Kreislauf-Probleme bekommen hatten und eine Testperson sogar an einem Herzinfarkt gestorben war (SWB 1/11).

Verlängerte Werkbank Bitterfeld
Der Leverkusener Multi hält seine Bitterfelder, Jenaer und Weimarer Werke für einen Teil der blühenden Pharma-Landschaft in den neuen Bundesländern. Für Karl-Heinz Paqué, Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Magdeburg, stellt die Niederlassung aber nur eine verlängerte Werkbank BAYERs dar, von der keine Innovationskraft ausgeht. „Natürlich sind viele Industrie-Ansiedlungen zunächst einmal nicht mehr als moderne Produktionsstätten für Standardisiertes. Der BAYER-Konzern lässt im Osten ASPIRIN herstellen. An neuen Pharma-Produkten geforscht wird aber in Leverkusen“, mit diesen Worten kritisierte der Forscher die nicht nur vom Pharma-Riesen praktizierte ost-westliche Arbeitsteilung.

Tierversuch statt Tiermodell
Eine Leserbrief-Schreiberin kritisierte den verharmlosenden Ausdruck „Tiermodell“, mit dem der Leverkusener Multi Tierversuche umschreibt. „Die weitaus unpassendere Wortwahl liegt in dem Begriff ‚Tiermodelle‘, der in der Aussage des Pharma-Konzerns BAYER zitiert wird - BAYER vermeidet es eindeutig, die Forschungen als das zu bezeichnen, was sie sind, nämlich Tierversuche“, heißt es in der Zuschrift an die Braunschweiger Zeitung.

NABU-Kritik an Bienenmonitoring
Im Jahr 2004 startete ein Projekt zur Untersuchung des Bienensterbens, getragen zur einen Hälfte von BAYER und anderen Pestizid-Herstellern und zur anderen von Bundeswirtschaftsministerium, Bieneninstituten und ImkerInnen-Verbänden. Bei der Zusammensetzung der Beteiligten wenig überraschend, stellte der 2011 erschienene Abschlussbericht des „Deutschen Bienenmonitorings“ die Varroa-Milbe als Hauptursache der Dezimierung der Völker dar und nicht etwa Agrochemikalien. Dazu waren allerdings einige wissenschaftliche Verrenkungen nötig, wie die Umweltinitiativen NABU und BUND kritisieren. „Das gegenwärtig in der Bundesrepublik durchgeführte Bienenmonitoring ist nicht in der Lage, die wahren Ursachen des Bienensterbens aufzudecken. Zu wenige Bienenvölker wurden für die Untersuchungen ausgewählt, die Anwendung von Pestiziden auf den anliegenden Feldern wird erst gar nicht untersucht und die statistischen Methoden sind wissenschaftlich zweifelhaft. Das ist schlechte Wissenschaft“, so NABU-Vizepräsident Christian Unselt.

KAPITAL & ARBEIT

Sparprogramm: neue Details
BAYER hat neue Details der im November 2010 annoncierten Rationalisierungsmaßnahme bekannt gegeben, die 4.500 Beschäftigte ihre Jobs kostet (siehe auch SWB 2/11). Unter den 700 Stellen-Streichungen in der bundesrepublikanischen Pharma-Sparte hat die SCHERING-Belegschaft am meisten zu leiden. Sie muss die Vernichtung von 500 Arbeitsplätzen verkraften. BAYERs US-amerikanische Pillen-Sparte steht ebenfalls vor gravierenden Einschnitten. So stehen bei MEDRAD, der Tochterfirma für Medizinprodukte, 60 bis 70 Jobs zur Disposition. Zudem plant der Multi an der Ostküste ein neues Pharma-Zentrum, was die Existenz der anderen sechs Standorte in der Region bedroht. Der US-Ableger von BAYER CROPSCIENCE entsorgt derweil 300 Arbeitsplätze und schreckt dabei nicht einmal vor Werksschließungen zurück. Unter anderem macht er die Pestizid-Anlage in Woodbine (Georgia) dicht.

CGZP keine Gewerkschaft
Der Leverkusener Multi beschäftigt hunderte von LeiharbeiterInnen. Teilweise arbeiteten diese nach dem von der „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ (CGZP) abgeschlossenen Tarifvertrag zu einem Gotteslohn von 5,20 Euro brutto (SWB 4/08). Der DEUTSCHE GEWERKSCHAFTSBUND hält diese Gewerkschaft mangels Masse organisierter LeiharbeiterInnen allerdings für nicht tariffähig und zog vor Gericht. Anfang Januar 2011 gaben die RichterInnen dem DGB Recht und erkannten der CGZP den Gewerkschaftsstatus ab. Die CGZP-LeiharbeiterInnen bei BAYER haben deshalb ab sofort Anspruch auf Bezahlung nach dem normalen Chemie-Tarif. Die Verleihfirmen müssen derweil Sozialbeiträge nachzahlen, und sollte es einige Unternehmen inzwischen nicht mehr geben, steht der Pharma-Riese als Entleiher in der Pflicht.

Nur noch 904 Lehrlinge
Die Zahl der beim Global Player eine Lehre beginnenden Jugendlichen ist in den letzten 20 Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Gab es 1990 in den Werken der BAYER AG noch 1.600 Neue, so reduzierte der Konzern ihre Anzahl bis 2010 auf 930. Zudem sind ein Drittel nur Lehrlinge zweiter Klasse: 152 Personen nehmen an dem Starthilfe-Programm teil, das nur auf eine künftige Lehre vorbereitet, und 156 bildet der Leverkusener Multi über Bedarf und damit ohne Berufsaussichten beim Unternehmen im Rahmen der „Ausbildungsinitiative Rheinland“ aus. Der Pharma-Riese hingegen vermag in den Zahlen keinen Abwärtstrend zu erkennen: „Bei BAYER bleibt die Zahl der Ausbildungsplätze auf einem konstant hohen Niveau“.

Ja zu Beistandskassen-Kürzungen
Die Mitglieder-Versammlung der BAYER-Beistandskasse hat den 2007 irregulär gefassten Kürzungsbeschlüssen (Ticker 2/10) - an der Sitzung hatten nur 26 der 90.000 Versicherten teilgenommen - nachträglich zugestimmt. Der Vorstand darf jetzt ganz legal die Gewinnzuschläge streichen und stattdessen ein Bonus-Sterbegeld ausschütten, was die bisher durchschnittlich ausgezahlte Summe von 6.000 Euro um bis zu 2.000 Euro reduzieren kann. 504 Anwesende akzeptierten die Begründung des Vorstandes, die schwindenden Einnahmen wegen der Überalterung der Mitglieder würden eine andere Lösung nicht zulassen; 57 stimmten gegen den Vorschlag.

Neuer Betriebskindergarten
Nicht nur in Monheim (Ticker 1/10), sondern auch in Leverkusen errichtet der Chemie-Multi eine neue Betreuungseinrichtung für Kinder. Sinn der Übung ist „Mitarbeiter an das Unternehmens zu binden. Und wir wollen bei potenziellen Bewerbern punkten“, wie Personalchef Richard Pott erläutert, der dann auch höchstselbst dem Kindergarten vorstehen wird. Als Betreiber fungiert, wie seit 1999 bei allen BAYER-Kindergärten, das „Deutsche Rote Kreuz“, womit der Konzern sich das Zahlen des Chemie-Tarifs erspart. Trotzdem droht das Haus eine BAYER-Brutstätte zu werden. Im „Haus der kleinen Forscher“ sollen die Kleinen schon einmal fleißig experimentieren, und für die Globalisierung werden sie ebenfalls schon frühzeitig fit gemacht: Zweimal pro Woche bekommen sie Englisch-Unterricht. Das Angebot an Plätzen steigt durch den Bau im Carl-Duisberg-Park kaum, denn gleichzeitig schließen die Horte am Kurtekottenweg und an der Carl-Rumpff-Straße. Zudem fällt damit auch ein Betreuungsangebot für GrundschülerInnen weg.

Keine Jobs für Bachelors
Die Studienreform mit ihren Bachelor- und Master-Abschlüssen geht nicht zuletzt auf Forderungen der Industrie zurück. Mit einer „Bachelor-Welcome-Erklärung“ verpflichteten BAYER und andere Konzerne sich deshalb, auch für die entsprechenden Arbeitsplätze zu sorgen. Nach einer Untersuchung der Universität des Saarlandes haben sie das jedoch nicht getan. Gerade einmal sechs Prozent der Stellenangebote für Bachelors entsprechen den Erwartungen, welche die Firmen geweckt haben. „Der unmittelbare Karrierestart als Bachelor bleibt ebenso ein Traum, wie das Versprechen der Unternehmen unerfüllt bleibt, einen gezielten Direkteinstieg als Willkommensgeschenk für Bachelors anzubieten“, kritisiert Studien-Leiter Christian Scholz.

ERSTE & DRITTE WELT

Indien: 462 Arzneitest-Tote
Die Pharma-Multis verlegen immer mehr Medikamentenversuche in arme Länder. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Zu einem der beliebtesten Staaten für dieses Geschäft hat sich mittlerweile Indien entwickelt. BAYER lässt dort unter anderem das Multiple-Sklerose-Medikament BETAFERON, die Hautgeschwür-Arznei IMPAVIDO sowie vier Krebs-Präparate großflächig erproben. Wie lebensgefährlich die Arbeit der Versuchskaninchen ist, machen Zahlen des indischen Gesundheitsministeriums deutlich: Allein im ersten Halbjahr 2010 starben 462 Personen bei den Arznei-Tests. Die Regierung, welche die Entwicklung des Landes zu einem Versuchslabor für Big Pharma bislang nach Kräften gefördert hat, kündigte zwar strengere Auflagen an, Gesetzeskraft haben die entsprechenden Regelungen aber bisher nicht erlangt. Die Aufsichtsbehörde DCGI hat jedoch die Modalitäten der Arznei-Erprobungen geändert. So müssen die Unternehmen, welche im Auftrag von BAYER & Co. Pillen testen, für eventuelle Zwischenfälle nun auch selber die Verantwortung übernehmen.

Biopirat BAYER
„Unser Plan: Weltweit als Spezialist für natürliche Inhaltsstoffe aus tropischen Pflanzen zu gelten, die in Arzneien, Kosmetika und Beauty-Produkten Anwendung finden“ - diese Unternehmensphilosophie verkündet die französische BAYER-Tochter SERDEX auf ihrer Homepage (siehe auch SWB 2/11). Um den Plan zu erfüllen, hat die Firma bereits 2.000 Tropen-Pflanzen gesammelt, analysiert und ihrer Substanz-Bibliothek zugeführt. Als „das Resultat vieler Jahre Forschungsarbeit in Ostafrika und besonders Madagaskar“ bezeichnet der Betrieb seine „Ethno-Botanik“-Kollektion stolz. Bei seinen Expeditionen hat SERDEX unter anderem aus dem asiatischen Wassernabel, der Vernonia-Pflanze und chinesischem Ginseng lukrative Vorprodukte gemacht, mit denen sie unter anderem die Kosmetik- und Gesundheitsindustrie beliefert.

POLITIK & EINFLUSS

Lascheres Pestizid-Gesetz?
Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner beabsichtigt, die Zulassungsbedingungen für Pestizide in der Bundesrepublik aufzuweichen. Sie plant in einem Gesetz-Entwurf, Agro-Chemikalien den Zugang zu einem vereinfachten Verfahren zu gewähren, wenn diese in einem anderen EU-Land bereits genehmigt sind. Zudem will die CSU-Politikerin dem Bundesumweltamt das Vetorecht nehmen, von dem die Behörde bislang nicht wenig Gebrauch gemacht hat. Im Jahr 2010 hatte diese bei 32 von 150 Anträgen, die das Aigner-Mininsterium bereits durchgewinkt hatte, massive Einwände geltend gemacht und bestimmte Anwendungen abgelehnt. Florian Schöne vom NATURSCHUTZBUND DEUTSCHLAND kritisiert das Vorhaben deshalb scharf: „Die Gefahr ist, dass in Zukunft das hohe deutsche Verbraucherschutz-Niveau ganz erheblich verwässert wird, indem Altwirkstoffe aus anderen Mitgliedsstaaten, die also in hohem Maße toxisch oder krebserregend oder anderweitig gefährlich sind, plötzlich auch auf dem deutschen Markt zugelassen werden“.

Gegenwind für Remmel
Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte bei ihrem Amtsantritt 2010 unter anderem ein Klimaschutz-Gesetz angekündigt - angesichts eines NRW-Anteiles an den bundesweiten Kohlendioxid-Emissionen von 33 Prozent eine überfällige Maßnahme. Nach einem ersten Entwurf nimmt sich Rot-Grün vor, den CO2-Ausstoß im Land bis 2020 um 25 Prozent und bis 2050 um 80 bis 90 Prozent zu senken. Ein Klimaschutzplan soll regeln, wieviel jede Branche noch emittieren darf und auch als Maßstab für die Bewilligung neuer Anlagen dienen. Sofort nach Bekanntwerden der Pläne brach ein Sturm der Entrüstung los. Der grüne Umweltminister Johannes Remmel wurde als „Klima-Taliban“ tituliert, und BAYER & Co. sahen einmal mehr den Industrie-Standort NRW in Gefahr. Das blieb nicht ohne Wirkung. Die SPD erklärte umgehend, dem Umweltministerium keinen Einfluss auf Genehmigungsverfahren gestatten zu wollen. „Es wird ein abgestimmtes Vorgehen gegen diesen Vorstoß geben“, verlautete aus dem Wirtschaftsministerium.

Wirtschaftsrat gegen Windkraft & Co.
Der Wirtschaftsrat der CDU, bei dem Wolfgang Große Entrup genauso wie bei BAYER für die Umweltpolitik zuständig ist, hat Studien kritisiert, welche die Komplett-Umstellung der bundesdeutschen Stromversorgung auf regenerative Energien bis zum Jahr 2050 für möglich halten. Die damit angeblich verbundenen hohen Kosten seien ein „massiver Wettbewerbsnachteil“ für die Wirtschaft, warnte der Rat und sprach sich einmal mehr für Kohle und Kernkraft als Alternativen aus.

Yzer abgesägt
BAYER & Co. haben ihre Chef-Lobbyistin vor die Tür gesetzt. Die frühere BAYER-Angestellte Cornelia Yzer verlässt den vom Leverkusener Multi mitgegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller (VFA) zum 1. Juni 2011. Die Pharma-Riesen werfen ihrer Interessensvertreterin vor, ihre Interessen nicht genügend in das „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ (AMNOG) eingebracht zu haben. Ein Einfrieren der Arznei-Preise auf dem Stand von August 2009 bis zum Jahr 2013, eine Erhöhung des Krankenkassen-Rabattes für neue Medikamente von sechs auf 16 Prozent, ein Ende des Preisfindung nach Gutsherren-Art und eine Kosten/Nutzen-Bewertung für Medikamente - das alles hätte nach Ansicht der Unternehmen nicht sein müssen. „Yzer hat einen Fehler nach dem anderen gemacht. Es war unvorstellbar, dass sie das AMNOG überlebt“, zitiert Spiegel Online einen Insider.

EFSA in ILSI-Hand
Von der Unterwanderung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA durch VertreterInnen des „International Life Science Institute“ (ILSI), das unter anderem BAYER, MONSANTO und COCA COLA finanzieren, sickern immer mehr Details durch. Neben der inzwischen zurückgetretenen Verwaltungsratschefin Diána Bánáti standen oder stehen immer noch das Verwaltungsratsmitglied Milan Kovac, Raymon Boobis von der Pestizid-Abteilung, Harry Kuiper von der Gentechnik-Abteilung, Gijs Kleter aus dem Prüfungsausschuss und Laurence Castle aus dem Bisphenol-A-Gremium mit dem ILSI in Verbindung. Und zu allem Übel leisten andere Industrie-Verbände den ILSIlerInnen noch Gesellschaft. So saß auch Susan Barlow vom Europäischen Chemie-Verband CEFIC mit Castle in der Bisphenol-Runde, die verharmlosende Risiko-Analysen veröffentlichte.

Aquino bei BAYER
Im Rahmen seiner Greenwashing-Aktivitäten kooperiert der Leverkusener Multi auch mit der UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen. So führt er beispielsweise gemeinsam mit der UNEP Wettbewerbe durch und prämiert Umweltideen. Auf den Philippinen zeichnete der Konzern ein Umweltradio und ein mobiles Puppentheater, das ökologische Themen auf die Bühnenbretter bringt, aus. Und zur Feier des Tages erschien sogar der philippinische Präsident Benigno S. Aquino III.

Svenja Schulze bei BAYER
In ihrer kurzen Amtszeit hat es die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze schon auf drei Begegnungen mit BAYER-Managern gebracht. Bei der Dortmunder Nano-Konferenz traf sie auf Raul Pires (siehe NANO & CO.). Anfang Oktober 2010 besichtigte die SPD-Politikerin die Bauarbeiten zum Forschungszentrum INVITE, das der Leverkusener Multi mit der Technischen Universität Dortmund und mit freundlicher Unterstützung des Konjunkturpaketes II errichtet. Und im Februar 2011 nahm sie an der feierlichen Inbetriebnahme einer Pilotanlage teil, die ein Kohlendioxid-Recycling im Rahmen der Kunststoff-Fertigung erprobt. Der Pharma-Riese feiert dieses gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ betriebene Projekt „Dream Production“ als eine Großaktion zur Rettung des Klimas. Allerdings kann die Plaste-Produktion nicht einmal einen Bruchteil der acht Millionen Tonnen CO2 aufnehmen, die der Konzern jährlich ausstößt. Deshalb beurteilt die Fachwelt solche Vorstöße auch skeptisch. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10).

Löhrmann bei BAYER
Mitte Februar 2011 besuchte die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann den Leverkusener Multi. Die Grünen-Politikerin wohnte einer Qualifizierungsrunde für die Chemie-Olympiade bei und zeigte sich angetan. „In einer Welt, in der Wissen immer mehr eine zentrale Ressource darstellt, verdienen Leistungen, wie die heute von den Schülerinnen und Schülern gezeigten, ein ganz großes Lob. Ich freue mich sehr darüber, dass die BAYER-Stiftung hier so vorbildlich aktiv ist und die Jugendlichen fördert“, erklärte Löhrmann.

„Unternehmenspreis 2010“ für BAYER
Das Land Nordrhein-Westfalen findet nichts dabei, wenn SchülerInnen Chemie in den Laboren der BAYER AG lernen. Im Gegenteil: 2007 rief es sogar die Aktion „Wir wollen: Wirtschaft für Schule in NRW“ ins Leben. In deren Rahmen verleiht die jeweilige Landesregierung alljährlich einen Unternehmenspreis. 2010 erhielt ihn der Leverkusener Multi für sein „besonders innovatives und überregionales Engagement“. „Der intensive Kontakt zu Unternehmen in der Region“ ist für die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann sogar ein wichtiger Bestandteil der Bildungsgerechtigkeit.

Kein Lobbyregister
Die Initiative LOBBYCONTROL hatte in den Petitionsausschuss des Bundestages den Vorschlag zur Einführung eines LobbyistInnen-Registers eingebracht. Die Gruppe wollte so ein kleine Bresche in den Lobby-Dschungel schlagen. Aber obwohl mehr als 8.700 Menschen die Forderung unterstützen und die EU eine solche Liste bereits eingeführt hat, lehnte die Bundesregierung das Begehr ab. Die EmissärInnen von BAYER & Co. dürfen ihrer Einflussarbeit also weiterhin ganz ungestört nachgehen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Kampagne gegen MIC-GegnerInnen
Nach dem Störfall im Werk Institute, bei dem im August 2008 zwei Beschäftigte starben, hatte BAYER die PR-Firma ANN GREEN COMMUNICATIONS mit dem medialen Krisen-Management beauftragt. Ein Teil der Strategie des Unternehmens bestand dann darin, langjährige KritikerInnen der Produktion von Methylisocyanat (MIC) wie die Bürgerinitiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC oder den Journalisten Ken Ward von der Lokalzeitung The Charleston Gazette zu diskreditieren. „Wir sollten versuchen, die PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC zu marginalisieren und als irrelevant erscheinen zu lassen. Dies sollte gerade in der aktuell schwierigen ökonomischen Situation möglich sein, in der Arbeitsplätze so viel zählen“, heißt es in einem Strategie-Papier, das auch Maßnahmen gegen The Charleston Gazette vorsah. Als der Leverkusener Multi sich zu einem baldigen MIC-Produktionsstopp bereit erklären musste und sich mit - letztlich erfolgreichen (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) - Forderungen zu einem sofortigen Ende der Fertigung konfrontiert sah, lief die Schmutzkampagne nach dem Drehbuch der PR-Fachleute auf Hochtouren an. Ken Ward etwa wurde persönlich dafür angegriffen, „verantwortlich für Entlassungen“ zu sein. Zudem ließ der Konzern in großen Zeitungsanzeigen die Belegschaft sprechen und Klage führen, dass in „ökonomisch schweren Zeiten eine kleine Gruppe lautstarker Anwohner“ Stimmungsmache gegen MIC betreibe. An einem Autokorso zum Erhalt der Produktion nahmen jedoch nur ein paar Dutzend Menschen teil.

SCHERING heißt jetzt BAYER
Als der Leverkusener Multi im Jahr 2006 das Berliner Pharma-Unternehmen SCHERING schluckte, ließ er den Namen unangetastet, um die Beschäftigten nicht mit „Herr im Haus“-Gesten zu düpieren. Die Sparte firmierte fortan unter „BAYER SCHERING PHARMA“. Unter dem neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers ist für solche Sentimentalitäten kein Platz mehr. Er läutete das endgültige Ende der Ära SCHERING an, um das Auftreten des Konzerns zu vereinheitlichen: „Wir haben unser Portfolio gründlich analysiert und dabei festgestellt, dass die Vielfalt der Marken im BAYER-Konzern zu einer Verwässerung der Dachmarke geführt hat“.

BAYER ehrt Medizin-Journalisten
Die Prozesse der Opfer von SCHERINGs Schwangerschaftstest DUOGYNON und die Leiden der Geschädigten von BAYERs Verhütungsmittel YASMIN fanden eine breite Medien-Resonanz. Aber es gibt auch noch Medizin-BerichterstatterInnen, die nicht über die Pharma-GAUs der Pillen-Multis informieren. Für sie hat der Leverkusener Multi den Europäischen Journalistenpreis ins Leben gerufen. Die letzten Auszeichnungen erhielten Martin Thür für einen TV-Beitrag über Doping und Hellmuth Nordwig für eine Hörfunk-Sendung zum Thema „Medikamenten-Fälschungen“.

BAYER schreibt an Rundfunkrat
Dem Leverkusener Multi berichtete der WDR-Hörfunk zu kritisch über „50 Jahre Pille“ im Allgemeinen und das BAYER-Verhütungsmittel YASMIN im Besonderen. Folglich setzte er gleich einen an den Rundfunkrat und den Hörfunk-Direktor adressierten Beschwerde-Brief auf.

Testosteron-Beratungsmobil
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen. Zu diesem Behufe schickt BAYER jetzt ein Testosteron-Beratungsmobil auf Reisen. Mit an Bord: Der eingekaufte „Experte“ Dr. Falk Ochsendorf, ein Dermatologe mit Zusatzausbildung in Männerheilkunde. Und Ochsendorf sagt, wofür der Konzern ihn bezahlt. Der Mediziner will sogar von einer lebensverlängernden Wirkung von NEBIDO und TESTOGEL wissen. Von Nebenwirkungen wie Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen oder Brust-Wachstum schweigt er hingegen.

Web 2.0 als Werbe-Plattform
Der Leverkusener Multi war 2010 Gastgeber der Konferenz „Digital Pharma Europe“ und demonstrierte damit sein verstärktes Interesse am Web 2.0 als Werbe-Plattform. „Social Media bietet die Chance eines direkten Dialogs und echter Interaktion. Web 2.0 eröffnet einen Zugangskanal zu Ärzten, medizinischen Fachkräften und Patienten, sofern wir mit ihnen in ein direktes Gespräch eintreten können, um uns als vertrauenswürdiger und offener Partner zu etablieren“, schwärmte der BAYER-Manager Andreas Fibig im Blatt Healthcare Marketing über die neuen Möglichkeiten im Netz.

LandwirtInnen bei BAYER
Um die Beziehungen zu seinen Pestizid-KundInnen zu pflegen, lädt der Leverkusener Multi auch immer wieder LandwirtInnen zu Betriebsbesichtungen ein. So besuchte im letzten Sommer eine BäuerInnen-Vereinigung aus Westfalen den BAYER-Standort Monheim.

Fahrradtour für JournalistInnen
Der breite Widerstand gegen die Kohlenmonoxid-Pipeline und das auf dem Krefelder BAYER-Gelände geplante Kohlekraftwerk haben den Chemie-Multi alarmiert. Nun versucht er die Skepsis gegenüber seinen neuen Projekten abzubauen und startet eine Medien-Offensive. So lud er im Sommer 2010 mehr als 30 JournalistInnen zu einer Besichtigungstour ein. Chemie„park“-Leiter Ernst Grigat führte durch das Leverkusener Werksgelände und demonstrierte den ReporterInnen, wieviel Augenmerk der Konzern doch auf die Sicherheit legt. Luftmesswagen, ein üppig ausgestatteter „Gerätewagen Gefahrgut“, den Ernstfall testende Explosionssimulierer, Sprengräume zur exakten Analyse gefährlicher chemischer Stoffe und Gütertransport-Kontrollen - all das durften die ReporterInnen in Augenschein nehmen. Und die Überzeugungsarbeit fruchtete. „Die Sicherheit steht über allem“, überschrieb der Leverkusener Anzeiger seinen Artikel zum Thema. Die lange Unfallliste 2010 mit ihren Verletzten und Schadstoff-Austritten spricht da eine andere Sprache.

Hormon-Kampagne lanciert
Anfang März 2011 kündigte eine australische Supermarkt-Kette an, künftig kein Fleisch von Rindern mehr zu verkaufen, welche ihre HalterInnen mit Wachstumshormonen behandelt haben. Bald darauf erschien in der Tageszeitung eine ganzseitige Anzeige, auf der 35 WissenschaftlerInnen dieses Vorgehen als „schlecht für die Umwelt, schlecht für die Menschen und schlecht für die Tiere“ kritisierten. Aus eigenen Stücken taten sie das jedoch nicht. „Animal Health Alliance“, der Industrie-Verband von BAYER & Co., bezahlte die Kampagne.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern intern immer unsozialer wird, Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“. 2010 gab es unter anderem Geld für Heimkinder in Uruguay, die Renovierung eines Schulgebäudes in Guatemala, Führungen durch das Römerlager in Oberaden, Armenspeisungen in Frankreich, Hausaufgabenhilfe in Wiesdorf, Lebensmittel-Herstellung in Togo, die „Leverkusener Tafel“, eine Physik AG in Leverkusen, ein Aufklärungsprojekt der Türkischen Jugend in Dormagen und die „Stiftung gegen Gewalt an Schulen“. Darüber hinaus soll der ASPIRIN-Sozialpreis das Bild vom barmherzigen Samariter BAYER in die Welt tragen. 2010 hat der Leverkusener Multi die Auszeichnung an das „Trauerhaus“ verliehen, das Kinder betreut, die Mutter oder Vater verloren haben.

BAYER fördert Schulen
Der Leverkusener Multi fördert Schulen über die „BAYER Science & Education Foundation“, denn dieses Stiftungsmodell erlaubt nebenher auch noch Steuer-Ersparnisse. Bei der Sponsoring-Maßnahme bilden die naturwissenschaftlichen Bereiche einen Schwerpunkt, „denn ein Land, das wie Deutschland über keine reichen Bodenschätze verfügt, ist in seiner wirtschaftlichen Entwicklung vordringlich auf die geistige Kreativität angewiesen“, so BAYERs Oberkommunikator Michael Schade zur nicht gerade uneigennützigen Motivation der Bildungsoffensive des Unternehmens. Im Jahr 2010 verteilte der Konzern den Etat von 500.000 Euro unter anderem auf das Albert-Einstein-Gymnasium in Rumeln, das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld, die Kölner Gemeinschaftsgrundschule An den Kaulen, ein Biotechnologie-Projekt am Gymnasium Brunsbüttel, eine Gesamtschule in Wuppertal und eine Grundschule in Babelsberg. Darüber hinaus vergab die Foundation Stipendien.

Betriebsame SchülerInnen-Labore
Vier SchülerInnen-Labore unterhält der Leverkusener Multi mittlerweile. „Wir wollen jungen Menschen die Faszination Naturwissenschaften frühzeitig näher bringen“, erklärt BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke den Sinn der Übung. Weniger Faszinierendes wie etwa die Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnologie steht daher nicht auf dem Lehrplan. Stattdessen untersuchen die ElevInnen das Erbgut von Raps, entwickeln ein Computermaus-Gehäuse, wohnen der Produktion von Agro-Sprit bei oder experimentieren mit Bakterien.

„Duales Lernen“
Die Konzerne erobern mehr und mehr die Klassenräume. So haben BAYER & Co. in Berlin mit dem Senat einen Ausbildungsvertrag geschlossen. Er sieht vor, die städtische Wirtschaft eng an die vor der Berufswahl stehenden SchülerInnen heranzuführen. Praktika und Betriebserkundungen sollen ein „Duales Lernen“ ermöglichen und den Unternehmen passgenaue Lehrlinge liefern. „Es ist richtig, die Wirtschaft mit den Schulen im Bereich der Berufsorientierung eng zu vernetzen. Davon erhoffen wir uns, dass mehr Schüler als heute die Schule ausbildungsreif verlassen“, sagte Christoph von Knobelsdorff von der Industrie- und Handelskammer zum Sinn der Übung.

TIERE & ARZNEIEN

Trennung von Veterinär-Sparte?
Der neue BAYER-Chef Marijn Dekkers kennt kein Pardon. Erst kündigte er die Vernichtung von 4.500 Arbeitsplätzen an, dann stellte er die Zukunft der Kunststoff-Sparte in Frage und jetzt ist auch die Veterinär-Abteilung dran. Hier stelle sich die Frage, ob das BAYER-Geschäft mit einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro nach der Fusionswelle unter den Konkurrenten nicht zu klein sei, so Dekkers‘ Worte laut Associated Press. Eine Entscheidung in der Sache kündigte der Holländer bis spätestens März 2012 an.

Schlechte Noten für Flohmittel
Ökotest hat BAYERs Antiflohmittel für Hunde und Katzen schlecht bewertet, weil sie Nervengifte enthalten. ADVANTAGE, ADVOCATE und das BOLFO-Zeckenhalsband erhielten ein „ausreichend“; BOLFO-Puder, -Spray und -Shampoo bekamen die Note „mangelhaft“.

Kau-Tabletten für Tiere
BAYER hat von der US-amerikanischen Firma PIEDMONT PHARMACEUTICALS die Lizenz für ein Verfahren erworben, das es ermöglicht, Arzneimittel für Tiere in Form von Kau-Tabletten zu entwickeln.

Milben-Mittel gekauft
Die BAYER-Insektizide PONCHO und GAUCHO mit dem Wirkstoff Imidacloprid haben Millionen Bienen den Tod gebracht. Der Leverkusener Multi streitet das jedoch ab und macht stattdessen die Varoa-Milbe verantwortlich. Jetzt will der Konzern mit dieser Diagnose auch noch Geld verdienen: Er kaufte von dem britischen Unternehmen EXOSECT ein Produkt, das gegen die Insekten-Art vorgeht.

DRUGS & PILLS

Tod durch YASMINELLE
BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Produktfamilie bringen immer mehr Menschen den Tod. Anfang Februar 2011 starb eine Österreicherin an den Folgen einer Embolie. Obwohl sie den Blutgefäß-Verschluss in einem Krankenhaus erlitt, konnten die ÄrztInnen sie nicht retten. Wie viele andere junge Frauen hatte die 21-Jährige sich YASMINELLE verschreiben lassen, um ihr Gewicht zu reduzieren. Allein in den USA verloren in den letzten Jahren mindestens 140 Frauen durch YASMIN und 50 durch YAZ ihr Leben.

Neue YAZ-Version
BAYERs Verhütungsmittel der YASMIN-Produktfamilie sehen sich wachsender Konkurrenz durch Nachahmer-Produkte gegenüber. Also entwickelt der Leverkusener Multi leicht abgeänderte Versionen, um länger von den patent-geschützten Höchstpreisen profitieren zu können. YAZ mit Vitamin B ist bereits zugelassen; für eine Version, die es erlaubt, die Regelblutungen zu steuern und die Zahl der Menstruationstage zu reduzieren, hat der Konzern gerade einen Genehmigungsantrag gestellt. Eines bleibt jedoch immer gleich: Das im Vergleich zu Pillen früherer Generationen erhöhte Thromboembolie-Risiko, das allein in den USA bislang zu 190 Toten geführt hat.

Hoffnungen auf XARELTO
BAYERs ganze Hoffnungen in der Pharma-Sparte ruhen auf dem Medikament XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban), das bisher EU-weit zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zugelassen ist. Wenn das Mittel zusätzlich noch Genehmigungen als allgemeines Therapeutikum gegen Venen-Thrombosen und als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe bekommt, dann rechnet der Leverkusener Multi mit einem jährlichen Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro. Nach Ansicht von Finanz-AnalystInnen spiegelt sich diese Erwartung schon im Aktien-Kurs wider und macht 10 bis 20 Prozent des Börsenwertes aus. Die Testergebnisse eröffnen allerdings keine allzu rosigen Zukunftsaussichten. Im Vergleich zur Thrombose-Standardmedikation schnitt das Mittel in puncto „Wirksamkeit“ nicht besser ab. Weniger Nebenwirkungen hatte es auch nicht. Einziger Vorteil: XARELTO „hat das Potenzial, für den Patienten angenehmer zu sein“ (O-Ton BAYER), weil es als Tablette verfügbar ist und nicht gespritzt werden muss. Schlaganfälle vermied das Präparat ebenfalls nicht häufiger als das Mittel der Wahl Warfarin, was dem BOEHRINGER-Konkurrenzprodukt PRADAXA sehr wohl gelang. Die deutlichsten Unterschiede zeigten sich im Preis. Warfarin kostet in den USA 25 Cent, XARELTO will BAYER hingegen für sechs Dollar pro Tablette auf den Markt bringen. Die Zulassungsanträge hat der Global Player im Januar 2011 bei der europäischen Arzneimittelbehörde gestellt. Die USA hingegen tun sich einstweilen noch mit dem XARELTO-Einsatz bei OPs schwer. Die zuständigen Stellen zögern mit der Zusage, weil von der Arznei ein erhöhtes Risiko für Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden ausgeht und seine Langzeitwirkung nicht geklärt ist.

Neue MAGNEVIST-Auflagen
Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMEA hat neue Auflagen für den Gebrauch von Gadolinium-haltigen Röntgen-Kontrastmitteln wie BAYERs MAGNEVIST erlassen. Da die Medizinprodukte bei Nierenkranken eine Fibrose auslösen können, ein mitunter lebensbedrohliches unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, müssen die MedizinerInnen vor der Anwendung von MAGNEVIST & Co. nun bei ihren PatientInnen die Nierenfunktionen überprüfen. Darüber hinaus riet die EMEA zu einer möglichst niedrigen Dosierung und untersagte, die Untersuchung binnen einer Woche zu wiederholen. Zuvor hatte bereits die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA ähnliche Anweisungen gegeben, denn auch in den Vereinigten Staaten häuften sich die Meldungen über Zwischenfälle. Allein der Leverkusener Multi sieht sich bereits mit über 300 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen konfrontiert.

USA: GADOVIST-Zulassung beantragt
BAYER hat für sein Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST eine Zulassung in den USA beantragt. Das für die Magnetresonanz-Tomographie des zentralen Nervensystems bestimmte Produkt enthält wie MAGNEVIST Gadolinium und dürfte deshalb auch dasselbe Risiko-Profil haben: Es kann bei Nierenkranken zu einem unkontrollierten Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge führen (s. o.).

ASPIRIN gegen Krebs?
Nach der Untersuchung eines Forscherteams um Peter M. Rothwell von der Universität Oxford vermindert die Einnahme des ASPIRIN-Wirkstoffes Acetylsalicylsäure das Krebsrisiko. Wer das Präparat fünf Jahre lang täglich schluckte, reduzierte das Sterberisiko um 21 Prozent, so der Wissenschaftler. Er hatte allerdings ein ganz anderes Studien-Ziel. Rothwell wollte den Einfluss des „Tausendsassas“ auf Herz/Kreislauferkrankungen ermitteln, weshalb der Mediziner nicht auf Daten zum individuellen Krebsrisiko der PatientInnen zurückgreifen konnte. Zudem reicht eine Nachbeobachtungsphase von vier Jahren nicht aus, um eine Tumor-Gefährdung auszuschließen, wie andere ÄrztInnen kritisierten. Darüber hinaus sprechen die Resultate aus dem Untersuchungsschwerpunkt gegen seine Empfehlung, ASPIRIN zu Präventionszwecken einzusetzen. So sehr nämlich die Krebs-Gefahr sank, so sehr stieg die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Der Nebenwirkung „Blutungen“ sind die ÄrztInnen sicherheitshalber erst gar nicht nachgegangen. Auch bestätigen andere Studien den Befund von Rothwell nicht. Weder die „Nurses‘ Health Study“ noch die „Iowa Women’s Health Study“ oder die Untersuchung der „American Cancer Society“ bestätigen die Oxforder Ergebnisse. Das nährt den Verdacht, dass Rothwells Beziehungen zu BAYER seine Objektivität beeinflusst haben, führt der Professor für den Leverkusener Multi doch gerade eine andere ASPIRIN-Forschungsarbeit durch. Und sein Teamkollege Tom W. Meade erhielt ebenfalls schon Schecks vom Pharma-Riesen.

Zulassung für Marijuana-Spray
In Großbritannien hat BAYER die Zulassung für das Marijuana-Spray SATIVEX erhalten, dessen Vertriebsrechte der Konzern vom Hersteller GW PHARMAZEUTICALS erworben hatte. Das für Multiple-Sklerose-PatientInnen bestimmte Mittel soll Begleiterscheinungen der Krankheit wie Spastiken, Inkontinenz und Schmerzen lindern.

Fünf Pillen in zehn Jahren
In den letzten zehn Jahren schafften es gerade mal fünf neue Medikamenten-Entwicklungen von BAYER in die US-amerikanischen Apotheken, obwohl der Konzern für Forschung & Entwicklung in dieser Dekade 16,8 Milliarden Dollar ausgab.

Wehrmedizin an Kölner Uni
Die Kölner Universität, mit deren medizinischer Fakultät BAYER im Jahr 2008 eine Zusammenarbeit vereinbart hat, betreibt auch Wehrmedizin. Zu diesem Zweck arbeitet die Hochschule mit zwei Einrichtungen der Bundeswehr zusammen, dem „Institut für Pharmakologie und Toxikologie“ und dem „Institut für Mikrobiologie“. Diese Institutionen testen unter anderem die Auswirkungen von biologischen und chemischen Waffen wie Milzbrand-Erregern und Senfgas und entwickeln Behandlungsmethoden. Die Studierenden der Universität kritisieren diese Kooperation und sprechen sich für die Aufnahme einer Zivilklausel in die Grundordnung der Bildungseinrichtung aus, die Forschung zu militärischen Zwecken untersagt.

Comeback für die Männer-Pille?
Im Jahr 2002 stellte BAYER die Forschung an der Pille für den Mann ein, welche die Weltgesundheitsorganisation WHO mit über einer Million Dollar gesponsert hatte. Weil der Konzern der Einrichtung etwas schuldig war, überließ er ihr aber das haus-eigene Testosteron-Präparat NEBIDO für Versuchsreihen, nicht ohne sich dafür die Zusicherung auszubedingen, Einblick in die Studien-Unterlagen nehmen zu können. Im Erfolgsfall wäre der Pharma-Riese damit wieder am Drücker. Auch an der Universität Münster laufen entsprechende Tests mit dem BAYER-Mittel, das der Konzern bisher als Therapeutikum gegen die selbst erfundene Krankheit „Testosteron-Mangel“ vermarktet und das zahlreiche Nebenwirkungen hat. Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen und Brust-Wachstum gehören dazu.

Griechenland zahlt mit Anleihen
Das überschuldete Griechenland kann seit geraumer Zeit die Arznei-Rechnungen seiner Krankenhäuser nicht mehr begleichen. Der Leverkusener Multi beklagt Außenstände im zweistelligen Millionen-Bereich, weshalb BAYERs einstiger Pillen-Chef Arthur Higgens in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des europäischen Pharma-Verbandes EFPIA in der Vergangenheit bereits Gespräche mit der griechischen Regierung führte. Jetzt zeichnet sich eine Lösung ab. Der Staat wies seine Spitäler an, die Rechnungen mit zinslosen Anleihen zu begleichen. Für die Pillen-Riesen bedeutet das ein Verlust-Geschäft: Sie müssen durchschnittlich ein Fünftel ihrer Forderungen abschreiben.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Bienensterben: UN alarmiert
Die UN hat im März 2011 einen alarmierenden Bericht über die Globalisierung des Bienensterbens vorgelegt, das bis nach Asien und Afrika reicht. Weil „von den 100 Nutzpflanzen, die 90 Prozent der Nahrungsmittel weltweit beisteuern, mehr als 70 durch Bienen bestäubt werden“, wie der Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Achim Steiner, ausführt, bedroht das Verschwinden der Populationen mittlerweile auch die Ernährungssicherheit. Neben zerstörten Lebensräumen und Viren macht die UN für das beängstigende Phänomen vor allem Pestizide verantwortlich - und namentlich die von BAYER. „Verschiedene Studien haben die Giftigkeit von Chemikalien wie Imidacloprid (Wirkstoff von BAYERs GAUCHO), Clothianidin (Wirkstoff von BAYERs PONCHO), Thiamethoxam und verwandten Inhaltsstoffen für Tiere nachgewiesen“, heißt es in dem Report.

Aus für Methylisocyanat (MIC)
Anfang des Jahres konnte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einmal die Früchte ihrer Arbeit ernten: Am 11. Januar 2011 gab der Leverkusener Multi bekannt, am US-Standort Institute die Produktion und Lagerung des Bhopal-Stoffes Methylisocyanat (MIC) und des Giftgases Phosgen einstellen zu wollen (siehe auch SWB 2/11). Eine entsprechende Forderung hatte die CBG nicht nur auf den BAYER-Hauptversammlungen immer wieder erhoben. Noch kurz vor der schrecklichen Explosion im August 2008, bei der zwei Arbeiter ihr Leben verloren und beinahe ein MIC-Behälter in die Luft geflogen wäre, hatte die Coordination vor den Sicherheitsrisiken der Anlage gewarnt. Als „unbegründet“ wies das Unternehmen das zurück. Es musste erst der Ernstfall eintreten, um den Global Player mit anderthalb Jahren Verzögerung zur Vernunft zu bringen. Aber es bleibt noch etwas zu tun, denn BAYER will die Fertigung nicht gleich beenden. Die CBG, die während der Kampagne immer eng mit der vor Ort tätigen Initiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC (PCMIC) kooperierte, unterstützt deshalb den Versuch der US-amerikanischen AktivistInnen, vor Gericht einen sofortigen MIC-Herstellungsstopp zu erreichen. Am 25. Februar 2011 erzielten sie einen ersten juristischen Erfolg. Ein Richter untersagte dem Leverkusener Multi vorläufig, die gefährliche Chemikalie noch 18 Monate weiterzuproduzieren. Und drei Wochen später verkündete BAYER das endgültige Ende von MIC.

Weltweites Aus für Endosulfan?
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen, besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan auch in anderen Ländern nicht mehr zu vertreiben. Im vorletzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09), nicht ohne jedoch noch einmal einen aggressiven Schlussverkauf zu veranstalten (siehe auch SWB 1/11). Jetzt aber scheinen die Stunden des Ultragifts endgültig gezählt. Die „Stockholmer Konvention“ hat sich nach harten Verhandlungen dazu durchgerungen, seinen 133 Mitgliedsstaaten eine Beschlussvorlage für ein weltweites Verbot vorzulegen.

Pestizide gefährden Artenvielfalt
Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) kritisiert die Gefährdung der Artenvielfalt durch Pestizide. Die Agro-Chemikalien wirken nämlich nicht nur gegen die so genannten Zielorganismen, sondern gegen so gut wie alles, was kreucht, fleucht oder wächst. In der konventionellen Landwirtschaft haben die Gifte nur noch Erbarmen mit zwei bis neun „Ackerbegleit-Pflanzen“, und das Verschwinden der übrigen hat wiederum Auswirkungen auf die Fauna. Carbofuran, dessen Produktionsstopp der Leverkusener Multi vor anderthalb Jahren angekündigt hat, tötete sogar schon Adler. Und gelangen Wirkstoffe wie das auch in BAYER-Mitteln enthaltene Glyphosat in Gewässer, so ändert das ihre mikrobiologische Zusammensetzung und nimmt damit Lebewesen ihre Futterquellen. Als Konsequenz aus diesem Anschlag auf die Biodiversität fordert PAN unter anderem mehr Ökoanbau, Pufferzonen zu Gewässern und strengere Zulassungsbedingungen.

GAUCHO auf Ross-Kastanien
Das BAYER-Insektizid GAUCHO mit dem Wirkstoff Imidacloprid hat Millionen Bienen den Tod gebracht. Trotzdem kam Imidacloprid nach einer langen Kontroverse in der Stadt Bonn zum Einsatz, um gegen die Rosskastanien anfallende Miniermotte vorzugehen. Und dann wirkte das Pestizid noch nicht einmal.

BBKA beendet Kooperation
Obwohl die BAYER-Pestizide GAUCHO und PONCHO sowie andere Agro-Chemikalien den Tod von Millionen Bienen verursachten, hat der britische ImkerInnenverband „British Beekeepers Association“ (BBKA) ihnen das Prädikat „bienenfreundlich“ verliehen. Für diesen Persilschein zahlten ihm die Konzerne 17.500 Pfund. Auf Druck seiner Mitglieder, die den Verlust unzähliger Völker durch GAUCHO & Co. zu beklagen haben, musste der Verband die lukrative Kooperation im Herbst 2010 allerdings beenden.

PONCHO-Verbot gefordert
Als BAYER in den USA eine Erweiterung der Zulassung für sein Pestizid PONCHO beantragte, führte die US-Umweltbehörde EPA eigene Tests durch. Die Ergebnisse unterschieden sich markant von denen der Studien, die der Leverkusener Multi zur Erlangung der Genehmigung vorgelegt hatte. Daraufhin guckten sich die ForscherInnen die BAYER-Untersuchung noch einmal genauer an und entdeckten frappierende Mängel. Vor allem der Teil, mit dem der Konzern dem Mittel das Etikett „bienenverträglich“ verschaffen wollte, verstieß gegen wissenschaftliche Standards. Die EPA-ExpertInnen hielten dagegen fest: „Toxizitätsstudien mit Honigbienen zeigen, dass Clothianidin hoch toxisch ist“. Im letzten Herbst gelangte das Dokument mit dem harschen Urteil in die Öffentlichkeit, und sofort forderten das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), BEYOND PESTICIDES und mehrere ImkerInnen-Verbände ein PONCHO-Verbot, wie es in der Bundesrepublik und einigen anderen europäischen Ländern für die Ausbringung auf bestimmten Kulturpflanzen bereits gilt.

Mit TEMIC gegen Löwen
In Afrika vergiften Wilderer Raubtiere und Raubvögel unter anderem mit dem BAYER-Pestizid TEMIC und tragen so zum Aussterben der Arten bei.

TEMIC vergiftet 14 Menschen
Im US-amerikanischen Lee County kamen 13 Jäger und ein 11-jähriger Junge ins Krankenhaus, weil sie nach einem Kontakt mit dem BAYER-Pestizid TEMIC (Wirkstoff: Aldicarb) an Vergiftungserscheinungen litten. Ihr Gesundheitszustand stabilisierte sich bald, aber vier ihrer Hunde starben durch die Agrochemikalie, die der Leverkusener Multi wegen seiner Gefährlichkeit nur noch bis 2014 vermarkten will.

Vogelsterben durch GAUCHO & Co.
Insektizide wie BAYERs GAUCHO, das zur Gruppe der Neonicotinoide gehört, töten nicht nur Schadinsekten und Bienen. Sie sorgen auch für eine Dezimierung der Vogelbestände: Unmittelbar, indem die Pestizide Amsel, Fink und Star vergiften, und mittelbar, indem sie ihnen die Insekten als Nahrungsgrundlage rauben. So nahm in Großbritannien die Population der Haussperlinge seit 1977 um 68 Prozent ab. Die Anzahl der Schwalben sank seit 1994 um 41 Prozent und die der Stare um 26 Prozent. Der holländische Toxikologe Henk Tennekes tritt deshalb für ein Verbot von GAUCHO & Co. ein. „Neonicotinoide wirken wie Krebs verursachende Chemikalien, für die es keine die Sicherheit garantierenden Grenzwerte geben kann“, so der Wissenschaftler.

Missbildungen durch Glyphosat
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der hauptsächlich in MONSANTOs ROUND UP, aber auch in BAYER-Mitteln enthalten ist, hat bei Neugeborenen in Argentinien, die in der Nähe von Soja-Feldern zur Welt kamen, zu Missbildungen geführt. Daraufhin untersuchten WissenschaftlerInnen die Wirkungsweise und fanden heraus, dass die Agro-Chemikalie schon bei Konzentrationen von zwei Milligramm pro Kilogramm Nahrungsmittel Schäden verursachen kann. In der EU liegt der Soja-Grenzwert bei 20 Milligramm pro Kilogramm.

Neues Reis-Fungizid
In Japan hat BAYER die Zulassung für das Fungizid ROUTINE (Wirkstoff: Isotianil) erhalten, das für einen Einsatz im Reis-Anbau bestimmt ist.

Verringerung des Sortiments
Der Leverkusener Multi führt 98 Pestizide in seinem Sortiment und kündigte an, diese Zahl zu verringern. 21 Agrochemikalien will BAYER in den nächsten vier Jahren ausmustern - sei es durch die Einstellung der Produktion oder durch Verkauf - und sieben neue Mittel auf den Markt bringen.

Verkauf von Ultra-Giften
Im Rahmen der Verkleinerung seines Pestizid-Sortiments (s. o.) entledigt sich der Leverkusener Multi seiner beiden Ultra-Gifte NEMACUR und MOCAP. Besonders NEMACUR war in der Vergangenheit für zahlreiche Vergiftungen verantwortlich. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte diesen Schritt. „BAYER hätte die Produktion längst einstellen müssen, statt diese Ultra-Gifte jetzt noch profitabel zu verramschen“, heißt es in der Presse-Erklärung der CBG zum Thema.

GENE & KLONE

Mehr Gentech im Futter
Bislang durften Futtermittel-Importe in die EU-Länder keinerlei Spuren von Gentech-Pflanzen aufweisen. Ende Februar 2011 hat die Europäische Union die Regelung allerdings gekippt und einen Höchstwert von 0,1 Prozent festgelegt. Sogar innerhalb des Staatenbundes noch nicht einmal zugelassene Sorten dürfen nun die Grenzen passieren. Brüssel beugte sich damit dem Druck der Landwirtschaftsverbände und Agro-Multis. Diese malten ein Horror-Szenario mit Versorgungsengpässen und Preissteigerungen aus, falls die EU nicht „Ja“ zu „ein bisschen Gentech“ im Tierfutter sagt. Obwohl die LobbyistInnen Beweise dafür schuldig blieben, konnten sie sich durchsetzen. „Die heutige Entscheidung verstößt einmal mehr gegen das Vorsorge-Prinzip. Gen-Pflanzen, die nicht für den menschlichen Verzehr getestet wurden, haben nichts in unserer Nahrungsmittelkette zu suchen“, kritisierte Stephanie Töwe von GREENPEACE die Entscheidung.

EVOGENE sucht nach Weizen-Genen
Der Leverkusener Multi hat für 12 Millionen Dollar 5,5 Prozent des israelischen Biotech-Unternehmens EVOGENE erworben. Zudem beauftragte der Konzern EVOGENE mit der Suche nach Genen, die für Weizen bessere Erträge, ein besseres Wachstum oder eine erhöhte Widerstandsfähigkeit versprechen. Nach entsprechendem Reis-Erbgut fahnden die Israelis für BAYER schon seit längerem.

Keine Gentechnik in NRW
Das Land Nordrhein-Westfalen, Stammsitz des Leverkusener Multis, gehört seit diesem Jahr zu dem Netzwerk europäischer Regionen, die auf Gentechnik verzichten. Der Düsseldorfer Landtag stimmte im Januar 2011 einem entsprechenden Antrag der SPD zu.

Nutzlose Genom-Entschlüsselung
Vor zehn Jahren gelang die Entschlüsselung des menschlichen Genoms, und die ForscherInnen weckten große Erwartungen hinsichtlich des damit verbundenen medizinischen Fortschritts. Diese haben sich allerdings nicht erfüllt. „Daten, überall Daten, aber kein einziges Produkt“, beklagt sich etwa ein Unternehmenssprecher. Auch für den damaligen Projektleiter und heutigen Chef des US-amerikanischen „National Institute of Health“, Francis S. Collins, hatte die Kartographierung des Erbguts bislang keinen direkten Einfluss auf die Gesundheit der meisten Menschen, weshalb Harold Varmus, der Direktor des Nationalen Krebsforschungsinstituts der USA, schlicht resümiert: „Das Genom fördert die Wissenschaft, nicht die Medizin“.

PFLANZEN, SAATEN & DÜNGER

BAYER experimentiert mit Düngern
BAYER CROPSCIENCE testet neuen Dünger. Der Konzern experimentiert derzeit in Voiswinkel nahe Bergisch-Gladbach mit unterschiedlichen Kali/Phosphat-Kombinationen.

NUNHEMS wächst und wächst
BAYERs Saatgut-Tochter NUNHEMS expandiert beständig. Nachdem sie im US-amerikanischen Parma für 15 Millionen Dollar ihr Werk ausbaute und im spanischen Cartagena ein Forschungszentrum eröffnete, erweitert das Unternehmen nun auch seine Kapazitäten in Monheim. Die Labore wachsen um das Dreifache, um DNA-Analysen, zellbiologischen Experimenten und der molekularen Züchtung, die auf Erbgut-Untersuchungen, nicht aber auf Gen-Transfers basiert, mehr Platz zu bieten.

WASSER, BODEN & LUFT

Wassercent wieder da
Der Durst von BAYER ist enorm. Allein am Standort Leverkusen verbraucht der Multi jährlich 130 Millionen Kubikmeter. Um diese Gelüste ein wenig zu zügeln, hatte die rot-grüne Landesregierung 2004 den Wassercent eingeführt. Die Konzerne liefen Sturm gegen diese Regelung, weshalb Schwarz-Gelb sie nach dem Machtwechsel 2005 zum Auslaufmodell machte. Die Neuauflage von Rot-Grün revidierte das jedoch wieder und erhöhte die Abgabe sogar noch leicht. Erwartungsgemäß empörte sich BAYER zugleich über diese „vollkommen unnötige Sonderlast“ und nannte sie eine Gefahr für den Industriestandort NRW und die internationale Wettbewerbsfähigkeit.

MAGNEVIST im Berliner Grundwasser
Gadolinium-haltige Röntgen-Kontrastmittel wie BAYERs MAGNEVIST (siehe auch DRUGS & PILLS) fanden sich im Berliner Grundwasser wieder. Das Medizinprodukt kann bei Nierenkranken eine Fibrose auslösen, ein mitunter lebensbedrohliches unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, weshalb europäische und US-amerikanische Aufsichtsbehörden unlängst strengere Auflagen für die Anwendung erlassen haben.

Deponie-Sicherung in Rheinberg
Noch voraussichtlich bis Ende 2012 wird die Sicherung der Deponie Rheinberg dauern, in der 40.000 Tonnen Rückstände aus der von BAYER bis 2002 betriebenen Titandioxid-Produktion schlummern. ArbeiterInnen ziehen in die Giftmüll-Halde eine Tonschicht ein und verlegen ein Drainage-System, um eine Verunreinigung des Grundwassers zu verhindern. Zum Abschluss decken sie das Chemie-Grab mit riesigen Gewebe-Planen ab. Anschließend soll dann Gras über die ganze Sache wachsen. Eine wirkliche Sanierung der Deponie mit einer Entfernung des verseuchten Erdreiches kam aus Kostengründen nicht in Betracht, und auf die Idee, vom Leverkusener Multi eine Kostenbeteiligung zu verlangen, verfielen die verantwortlichen PolitikerInnen nicht. Ähnliche Maßnahmen zur Mumifizierung von Konzern-Altlasten waren jüngst auch in Wuppertal und in Wolfenbüttel erfolgt.

Gas statt Kohle?
Der Stadtwerkeverbund TRIANEL überprüft seine umstrittenen Pläne, auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld ein Kohlekraftwerk mit einem Kohlendioxid-Ausstoß von jährlich ca. 4,4 Millionen Tonnen zu errichten. Stattdessen diskutiert er den Bau eines Gas/Dampf-Kraftwerks. Dabei spielen allerdings nicht nur ökologische Erwägungen wie die bessere Energie-Effizienz dieser Alternative und ihre Möglichkeit, flexibler auf die stark schwankenden Einspeisungen regenerativ erzeugten Stroms zu reagieren, eine Rolle, sondern auch die Verlängerung der AKW-Laufzeiten. Die dadurch zusätzlich auf den Markt kommenden Strommengen machen die Dreckschleudern nämlich unnötig und den Betrieb unwirtschaftlich. Sollte die Bundesregierung ihre Atompolitik infolge der Ereignisse in Japan allerdings grundlegend ändern, ständen die Aktien für ein Kohlekraftwerk wieder besser.

Mehr Müllverbrennung
Im Jahr 2009 hat der Leverkusener Multi 914.000 Tonnen Abfall produziert. Aber in seinen Müllverbrennungsanlagen entsorgt der Konzern nicht nur eigene Hinterlassenschaften. Der Pharma-Riese ist vor einiger Zeit auch in das lukrative Geschäft mit dem Müll eingestiegen und übernimmt Fremdaufträge. Für das alles reichen die vorhandenen Öfen nicht mehr aus. Deshalb will der Global Player die Kapazität seiner Leverkusener Anlage erweitern und hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Infolgedessen darf sich die Stadt bald wohl über noch mehr Feinstaub, Schwefeldioxid, Hydrogenchlorid, Chlorwasserstoff, Stickoxide, Fluorkohlenwasserstoffe, Cadmium, Thallium und Quecksilber in Wasser, Boden und Luft freuen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BPA in Babyflaschen verboten
BAYER ist einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, die unter anderem in Baby-Flaschen und Konservendosen Verwendung findet und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe SWB 4/10). Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die seit Jahren für ein Verbot der Substanz eintritt, konnte nun einen Erfolg erringen: Zum 1. März 2011 untersagte die EU Bisphenol A in Babyflaschen. Die CBG fordert nun weitere Schritte: „Bisphenol A muss endlich aus allen Produkten des täglichen Bedarfs verschwinden. Hormonaktive Substanzen haben in Produkten wie Trinkflaschen, Spielzeug und Konservendosen nichts verloren! Die Leugnung der Risiken durch die Hersteller darf nicht zur weiteren Gefährdung der Verbraucherinnen und Verbraucher führen“, so Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination.

PCB-Nachwirkungen
BAYER gehörte lange zu den Hauptherstellern von Polychlorierten Biphenylen (PCB), einer Krebs erregenden Chlorverbindung. Erst 1983 hat der Konzern die Produktion des Ultragiftes eingestellt, das unter anderem als Weichmacher in Kunststoffen, Kühlmittel und Isoliermaterial Verwendung fand. Aber die gesundheitsschädlichen Folgen der Chemikalie machen sich immer noch bemerkbar. So ergab eine Untersuchung von Beschäftigten der Dortmunder Entsorgungsfirma ENVIO eine hochgradige PCB-Kontamination. 95 Prozent der Belegschaft wiesen Konzentrationen im Blut auf, die bis zum 25.000fachen über dem zulässigen Grenzwert lagen. Und der ENVIO-Konzern, der das PCB-belastete Material zurück zum Absender brachte und in BAYER-Verbrennungsöfen entsorgte, ist kein Einzelfall. Auch bei REMONDIS, der Firma RICHTER sowie bei der Entsorgungsgesellschaft des Regionalverbandes Ruhrgebiet ergaben Überprüfungen unzulässig hohe PCB-Werte.

Erste REACH-Etappe absolviert
Verhindern konnten BAYER & Co. die Ende 2006 verabschiedete, REACH genannte Chemikalien-Richtlinie der EU nicht, die Unternehmen erreichten jedoch wichtige Aufweichungen. So müssen die Konzerne nicht alle ihre Chemikalien auf gesundheitsgefährdende Wirkungen hin untersuchen, sondern nur noch 30.000. Der Leverkusener Multi hat jetzt die erste Auflage von REACH erfüllt und für seine 125 Stoffe, deren Jahresproduktion über 1.000 Tonnen liegt, Unterlagen erstellt.

Phosgen-Produktion steigt
BAYER will am Standort Brunsbüttel mehr Polyurethan-Kunststoff herstellen und plant deshalb eine Kapazitätserweiterung des Werkes. Mit der Erhöhung des Produktionsvolumens steigt auch die Menge des für den Fertigungsprozess benötigten Phosgens, eines der gefährlichsten Giftgase überhaupt. Es gibt zwar bereits Möglichkeiten, Polyurethane ohne Phosgen zu fabrizieren, aber der Leverkusener Multi ignoriert diese Alternativen. Darum kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN das Vorhaben des Unternehmens. „Wir fordern den Konzern auf, die technisch machbare Produktion von Polyurethan ohne Phosgen zur Serienreife zu bringen. Vorher sollten keine neuen Anlagen genehmigt werden, denn bei einer Lebensdauer der Anlagen von 30-35 Jahren würde diese gefährliche Produktionsweise sonst für Jahrzehnte festgeschrieben!“

NANO & CO.

50 Millionen für die Nano-Technik
Nordrhein-Westfalen fördert die Nano-Technologie trotz ihrer Risiken massiv. Darum gehört das Bundesland neben der Wirtschaftsförderung Dortmund und „NanoMikro + Werkstoffe.NRW“ auch zu den Mitveranstaltern der „Nano-Konferenz“, die nun bereits zum dritten Mal in Dortmund stattfand. Über die dort von NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze in Aussicht gestellten Fördermittel von 50 Millionen Euro bis 2050 dürfte sich BAYERs Tagungsteilnehmer Raul Pires sehr gefreut haben.

Nano-Absatz stockt
Der Leverkusener Multi klagt über den mangelnden Absatz seiner CNT-Röhrchen aus Nano-Material namens BAYTUBES. Um die Zukunft der Zukunftstechnologie scheint es also nicht allzu gut bestellt zu sein. Hatte bereits die Bezirksregierung auf eine Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zur kommerziellen Nutzung erklärt, BAYER hätte noch keinen entsprechenden Antrag gestellt, weil „der Markt CNT-Material mit anderen Eigenschaften benötigt“, so bestätigt nun auch der Konzern selber die Schwierigkeiten. „Die klassischen Anwender wie Fahrzeug- oder Flugzeug-Industrie sind sehr konservativ, was neue Materialien betrifft“, klagte der Manager Raul Pires. Deshalb hat das Unternehmen einen Strategie-Wechsel vorgenommen: Es will künftig nicht bloß das Nano-Pulver, sondern gleich ganze Komponenten zur Weiterverarbeitung anbieten.

BAYER forscht an Nano-Pille
BAYER forscht gemeinsam mit der Aachener „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule“ an einer Nano-Verhütungspille. Die WissenschaftlerInnen wollen ein Hormon-Depot im Körper anlegen, das sich in einer Nano-Gelschicht befindet und den Wirkstoff regelmäßig abgibt.

Nano-Poren zum Kühlen
Der Leverkusener Multi will von den skandalträchtigen Produktions- und Vertriebsmethoden der Nahrungsmittel-Industrie profitieren. „Da der Weg von Lebensmitteln zum Verbraucher immer länger wird“, entwickelt BAYER einen Hartschaum aus Kunststoff, dessen Dämmleistung Nano-Poren verbessern sollen.

Nano-Kooperation mit TOYOTA
Nano-Teilchen können eine asbest-ähnliche Wirkung entfalten, zu den Zellkernen vordringen oder die Blut/Hirn-Schranke überwinden. Trotz dieser Risiken und Nebenwirkungen setzt der Leverkusener Multi auf die Technologie und organisiert den weltweiten Vertrieb seiner Produkte. So vermarktet das japanische Unternehmen TOYOTA BAYERs Nano-Röhrchen mit dem Produktnamen „BAYTUBES“ im asiatischen Raum.

AGRO & SPRIT

Agro-Sprit aus Holz und Stroh?
Der Leverkusener Multi forscht gemeinsam mit der Universität Gießen, dem Unternehmen EVONIC und der Fraunhofer-Gesellschaft daran, aus Stroh und Holz Agro-Sprit zu gewinnen. Zu diesem Zweck soll Ende 2012 in Sachsen-Anhalt eine Cellulose-Raffinerie entstehen.

Mehr Öl im Raps
Der Agrosprit-Boom nimmt immer mehr Ackerflächen in Anspruch und verdrängt so die Kulturpflanzen von den Feldern, weshalb die Preise für Nahrungsmittel steigen. Daran stört sich der Leverkusener Multi jedoch nicht. Er stellt sich stattdessen auf den Markt ein und kreiert Pflanzen, die sich besonders gut im Tank machen. So entwickelt er gemeinsam mit dem chinesischen „Oil Crops Research Institute“ eine Raps-Sorte, die viel Öl enthält. Im Zuckerrohr-Bereich läuft ein entsprechendes Projekt mit dem brasilianischen „Zentrum für Zuckerrohr-Technologie“. Und bereits im Angebot hat der Multi den öl-reichen Gentech-Raps INVIGOR.

CO & CO.

Wieder Erdabsenkungen
Immer wieder kommt es entlang der Trasse von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline zu Erdabsenkungen. In Erkrath und rund um Ratingen bildeten sich teilweise 80cm tiefe Krater. Der Bauherr WINGAS nennt die während der Bauarbeiten ausgehobene und wieder verfüllte Erde als Ursache für die Löcher, weil der Boden durch diesen Prozess an Festigkeit verliere. Der Leverkusener Multi hält das erneute Desaster für „einen normalen Vorgang beim Pipeline-Bau“ und „unbedenklich“. Die Bezirksregierung hingegen hat eine Untersuchung der Vorgänge angekündigt, um mögliche Sicherheitsrisiken für den Betrieb der Giftgas-Leitung aufzuspüren.

Mangelhafte Abdichtungen
Entlang der Strecke von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline ragt an der Bundesstraße 8 nahe des Landhauses Milser eine Messstation völlig ungeschützt aus dem Erdreich. Nach Ansicht von Erich Hennen, Sprecher der Duisburger BÜRGERINITIATIVE CONTRA PIPELINE, kann es dadurch zu Rost- oder anderen Korrosionsschäden kommen. Die mangelhafte Abdichtung der Enden des die Pipeline umgebenden Mantelrohres an gleicher Stelle kritisiert Hennen ebenfalls und fordert aus Sicherheitsgründen einen Aushub der Rohrleitung vom Landhaus bis zur Haltestelle Kesselberg.

Signalstörungen
Ein „klares Signal für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen“ wollten CDU und FDP Mitte November 2010 im Düsseldorfer Landtag hören. In ihrem Antrag forderten sie ein Bekenntnis zum Dattelner Kohlekraftwerk und zu BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline ein. Aber das bekamen sie nicht nur von SPD, Grünen und Linkspartei nicht, auch vier Mettmanner Abgeordnete aus den eigenen Reihen blieben stumm.

CO-Verhandlung im Mai
Vom 23. bis zum 27. Mai 2011 verhandelt das Düsseldorfer Verwaltungsgericht

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2011 Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Jahrestagung 2010
Am 13. November 2010 fand die gut besuchte Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) statt. Sie widmete sich dieses Mal dem Thema „Störfall-Risiken der chemischen Industrie - Pipelines, Kohlekraftwerke und Phosgen-Produktion“. Das Eröffnungsreferat hielt der pensionierte Chemie-Lehrer Dr. Walther Enßlin. Unter dem Titel „Geballte Risiken: Die Chemie-Industrie in NRW“ sprach er über die umwelt- und gesundheitsschädigende Herstellung von Chlor und Kunststoffen, gefährliche Endprodukte wie Bisphenol A und längst entwickelte schonendere Verfahren, die BAYER & Co. jedoch aus Profitgründen nicht anwenden. Anschließend gab CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes einen Überblick über die Geschichte der Störfälle beim Leverkusener Multi, vom GAU während der Sprengstoff-Produktion 1917 mit zehn Toten bis zu den Desastern der Gegenwart. Die Gefahren der nahen Zukunft, die der Konzern durch die Kohlenmonoxid-Pipeline heraufbeschwören will, standen nach der Mittagspause im Mittelpunkt. Rainer Kalbe von der Bürgerinitiative STOPP CO-PIPELINE präsentierte eine umfassende Liste aller „Risiken und Nebenwirkungen“ der Giftgas-Röhre und stellte dar, wie der Pharma-Riese schon durch Pfusch am Bau den Grundstein dafür legt. Im Anschluss daran beschrieb der Kinderarzt Dr. Gottfried Arnold, der eine MedizinerInnen-Initiative gegen die Rohrleitung ins Leben gerufen hatte, die tückische Wirkung des Gases. Farb- und geruchslos, schaltet es den Organismus im Katastrophen-Fall binnen Sekunden aus, wogegen weder BAYER noch die Feuerwehren oder die Notfall-Kliniken gewappnet sind. Was ein Besucher während der Diskussion bemerkte, kann als Resümée der Veranstaltung gelten. Er habe heute noch „viel Niederschmetternderes“ über BAYER erfahren als das, was er bereits im Zusammenhang mit der CO-Pipeline lernen musste, sagte er. Und eben dies, die aktuelle Auseinandersetzung um die Giftgas-Röhre in den Kontext der allgemeinen „BAYER-Gefahren“ zu stellen und so den Blick auf einen Systemfehler profit-orientierter Produktion zu eröffnen, war es, was der CBG bei der Konzeption der Jahrestagung vorgeschwebt hatte.

Erfolgreiche Endosulfan-Kampagne
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen, besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan auch in anderen Ländern nicht mehr zu vertreiben. Im letzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09). Aber vorher gab es noch einmal einen Schlussverkauf. Das Unternehmen warf alle Restbestände auf den Markt, was zu hohen Belastungen führte (siehe auch SWB 1/11). Besonders hart traf es brasilianische Bio-LandwirtInnen. Ihre Soja-Ernte wies so große Endosulfan-Rückstände auf, dass sie unverkäuflich ist. Daraufhin initiierte die schweizer Fairtrade-Organisation GEBANA eine Kampagne, welche die CBG nach Kräften unterstützte. Und der öffentliche Druck führte schließlich auch zu einem Teil-Erfolg. Während andere Hersteller das Mittel immer noch verkaufen, hat BAYER das Endosulfan-Pestizid THIODAN in dem Land mit sofortiger Wirkung vom Markt genommen und die Restbestände sogar selbst bei der lokalen Kooperative abgeholt.

Kraftwerkserörterungstermin

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Nicht nur gegen das Kohlekraftwerk, das in BAYERs Krefelder Chemie-„Park“ geplant ist, haben Initiativen mit Einwändungen protestiert, sondern auch gegen die auf dem Brunsbütteler Werksgelände projektierte Dreckschleuder. Bei einem Erörterungstermin, der prüfte, ob das Vorhaben den Bestimmungen zum Immissionsschutz und zum Wasserrecht genügt, präsentierten die KraftwerksgegnerInnen eine lange Mängelliste. So befürchten sie neben dem großen Lärm vor allem eine Belastung der Elbe durch das Kühlwasser. 30.000 Liter Wasser saugt das Kraftwerk pro Sekunde ein, inklusive der darin schwimmenden Fische, die dadurch ihren Tod finden. Es gibt zwar Fischscheuch-Anlagen, aber für die speziellen Verhältnisse in Brunsbüttel hat die beauftragte Firma noch nie eine gebaut. Wie wenig solche Vorrichtungen manchmal nützen, zeigt das nahe gelegene Atomkraftwerk. Trotz elektronischer Impulsgeber zum Verscheuchen der Fische sammeln sich jährlich bis zu 160 Tonnen verendeter Tiere in dem AKW an. Auch die Wiedereinleitung des aufgeheizten Kühlwassers bereitet Probleme, weil die Erwärmung vielen Flußbewohnern das Leben schwer macht. Die vorgelegten Unterlagen zur Ausbreitung der warmen Brühe gaben darüber allerdings wenig Aufschluss. Sie stammten nämlich aus einem früheren Genehmigungsverfahren des Betreibers GETEC, wie die UmweltschützerInnen aufdeckten, die auch eine Klage gegen den Bau vorbereiten.

Kraftwerkserörterungstermin

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Gegen das von TRIANEL auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld geplante Kohlekraftwerk gibt es erheblichen Widerstand. So haben wegen des Kohlendioxid-Ausstoßes von jährlich ca. 4,4 Millionen Tonnen und der zu erwartenden Belastungen von Mensch und Umwelt mit Feinstaub, Schwermetallen und Radioaktivität über 22.000 Privatpersonen, Nachbarstädte und Initiativen Einspruch gegen das Projekt erhoben. Auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zählt dazu. Bei dem einwöchigen Erörterungsverfahren gelang es dem Betreiber nicht, die Einwände zu zerstreuen. „Keiner der in unserer 355-seitigen schriftlichen Stellungnahme vorgebrachten Kritikpunkte konnte seitens TRIANEL entkräftet oder gar ausgeräumt werden“, stellte etwa Dirk Jansen vom BUND fest und forderte das Unternehmen deshalb auf, den Genehmigungsantrag zurückzuziehen.

DUOGYNON-Anfrage in England
Der hormonelle Schwangerschaftstest PRIMODOS der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Die Opfer des ebenfalls unter dem Namen DUOGYNON vermarkteten Produkts fordern den Konzern seit längerem auf, Entschädigungen zu zahlen und bereiten sogar Klagen vor (siehe auch SWB 4/10). Und wie vor kurzem in der Bundesrepublik (Ticker 4/10) kam es jetzt auch in England zu einer parlamentarischen Anfrage in Sachen „DUOGYNON“.

Andere OECD-Leitsätze gefordert
Die OECD hat sich Leitsätze gegeben, in denen sich der Verbund aus 31 großen Industrieländern zu sozialen und ökologischen Standards bekennt. Wenn ein Unternehmen gegen diese Regeln verstößt, muss es mit einer Klage bei den nationalen Kontaktstellen rechnen. Ernste Konsequenzen hat so ein Verfahren jedoch fast nie. So lehnte die bundesdeutsche Kontaktstelle die beiden Beschwerden gegen BAYER, welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Initiativen eingereicht hatte, ab. Weder den Handel der ehemaligen BAYER-Tochter HC STARCK mit Bodenschätzen aus Bürgerkriegsgebieten noch BAYER CROPSCIENCEs Duldung von Kinderarbeit in der Lieferkette fand sie sanktionswürdig. Nicht nur aus diesem Grund fordern GERMAN WATCH und MISEREOR jetzt eine Überarbeitung der Leitsätze. Die beiden Nichtregierungsorganisation verlangen wirkliche Bestrafungen. Insbesondere kritisieren sie die bundesdeutsche Kontaktstelle für ihren nicht nur im Fall „BAYER CROPSCIENCE“ gezeigten Unwillen, das Agieren der festen Zulieferer der Multis ebenfalls als „gerichtsrelevant“ zu betrachten, womit sie ein einfaches Outsourcing der Ausbeutung erleichtert. Auch sonst fällt die Einrichtung immer wieder durch unternehmensfreundliche Entscheidungen auf. Keine andere Kontaktstelle lehnt Eingaben so häufig ab wie die bundesrepublikanische - nicht umsonst ist sie bei der Auslandsinvestitionen-Abteilung des Wirtschaftsministeriums angesiedelt. Darum treten die beiden Gruppen für eine umfassende Strukturreform ein.

Frauen-Protest gegen MIRENA
Mehr als jede zehnte Anwenderin von BAYERs Hormon-Spirale MIRENA leidet unter schweren Nebenwirkungen wie Depressionen, Zyklusstörungen, Gewichtszunahme, Eierstock-Zysten, Unterleibsentzündungen, Schwindel, Übelkeit, starker Haarwuchs, Akne, Hautkrankheiten und Kopfschmerzen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Zudem besteht der Verdacht auf Erhöhung des Brustkrebs-Risikos. Eine nicht eben kleine Schadensbilanz, über welche der Leverkusener Multi allerdings den Mantel des Schweigens hüllt. In den USA haben sich deshalb mehr als 1.700 Frauen an die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA gewandt und eine bessere Aufklärung über das Gefahren-Potenzial des Mittels gefordert, das allein in der Bundesrepublik rund eine Million Frauen nutzen.

Belegschaft demonstriert in Brüssel
An der Demonstration europäischer Belegschaften gegen Sozialabbau und Sparmaßnahmen, die Ende September 2010 in Brüssel stattfand, beteiligten sich auch Beschäftigte des Antwerpener BAYER-Werkes. Mit dem Transparent „Für unsere Rechte kämpfen“ zogen sie durch die Straßen der belgischen Hauptstadt.

Kritik an Einmalzahlungen
Bei den Tarif-Verhandlungen gehen die Konzerne immer mehr dazu über, Einmalzahlungen zu vereinbaren. So gab es beim letzten Chemie-Abschluss überhaupt keine prozentuale Entgelt-Erhöhung mehr, sondern lediglich Pauschalbeträge - 550 Euro für Normalbeschäftigte und 611 bis 715 Euro für SchichtarbeiterInnen. Die Hans-Böckler-Stiftung des DEUTSCHEN GEWERKSCHAFTSBUNDES kritisierte diese Praxis jetzt. Nach einer Modellrechnung des Wissenschaftlers Dr. Reinhard Bispinck führt das Instrument zu realen Einkommensverlusten. Wenn ein Beschäftigter mit einem Gehalt von 2.000 Euro brutto statt einer 2-prozentigen Lohnerhöhung 480 Euro erhält, so steht er damit im ersten Jahr noch gut da, im zweiten allerdings verschlechtert sich seine Situation schon und anschließend geht es dann ganz steil bergab. Zudem kämen die Chef-Etagen mit den Pauschalen „ihrem Ziel von stärker variablen und rückholbaren Einkommenssteigerungen“ näher, monierte Bispinck.

Uni Köln: Ministerin handelt nicht
Vor zwei Jahren vereinbarte BAYER mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. „Sie ist die weitreichendste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“, jubilierte Innovationsminister Andreas Pinkwart damals. Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und anderen Initiativen machte das eher Angst. Die Gruppen befürchteten eine Ausrichtung der Pharma-Forschung nach Profit-Vorgaben, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten sie eine Offenlegung des Vertrages und bekamen dafür auch die Unterstützung des nordrhein-westfälischen Datenschutzbeauftragten, welcher der Hochschule kein Recht auf Geheimhaltung zuerkennen wollte. Die Universität blieb jedoch bei ihrer Verweigerungshaltung, die auch die neue Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) nicht aufzuheben gedachte. Eine Durchsetzung des vom Datenschützer bescheinigten „Informationszugangsanspruchs“ könne nicht erzwungen werden, antwortete die Politikerin der CBG und empfahl, „noch einmal auf die Universität zuzugehen, um ein Verfahren zu vermeiden“. Aber genau das lässt sich jetzt nicht mehr vermeiden.

Hochschulräte in der Kritik
In den Hochschulräten als neuen Aufsichtsgremien der Universitäten sitzen zu einem Drittel VertreterInnen von Unternehmen. Der Leverkusener Multi darf da natürlich nicht fehlen. So ist BAYER-Vorstand Richard Pott im Hochschulrat der Universität Köln vertreten, mit der BAYER auch eine umfassende Forschungskooperation unterhält (SWB 2/09). Diese Konstellation entspricht nicht gerade dem, was Rolf Breuer, ehemaliger Chef der DEUTSCHEN BANK und heutiger Hochschulrat an der Frankfurter Goethe-Universität, von dem Gremium fordert: „Der Hochschulrat muss neutral sein“. Auch sonst stößt der wachsende Einfluss von Konzernen auf die Bildungseinrichtungen zunehmend auf Kritik. Die Heinz-Nixdorf-Stiftung etwa mahnt eine „Kontrolle der Kontrolleure“ an. Die Studierenden-Vertretungen beklagen die Besetzungen der Posten nach Gutsherrenart ohne demokratische Legitimation, und die SPD-Politikerin Annette Fugmann-Heesing stört sich an den Berufungen auf Lebenszeit und tritt für die Möglichkeit von Abwahlen ein.

Kritik an Wenning-Artikel
In der Financial Times Deutschland hatte BAYER-Chef Werner Wenning kurz vor seiner Verabschiedung mal wieder das Klagelied über die bundesdeutsche Energie-Politik angestimmt, die angeblich wegen ihrer ökologischen Ausrichtung zu unerträglich hohen Strompreisen und anderen Belastungen für die Industrie führe. Dafür handelte er sich im Internet einige bissige Kommentare ein. „Aus hohen Strompreisen für Privathaushalte kann noch lange keine ungebührliche Belastung der deutschen Industrie abgelesen werden. Die von Wenning genannten Steuern entsprächen in ihrer Höhe noch längst nicht den gesamten externen Kosten der konventionellen Stromerzeugung. Diese externen Kosten tauchen zwar nicht im Strompreis auf, das heißt jedoch nicht. dass sie nicht bezahlt werden müssen. Die Renovierungskosten von Asse trägt der Steuerzahler, die Bergschäden im Ruhrgebiet die Eigenheimbesitzer, die Gesundheitsschäden die Bevölkerung in den Uran- und Ölförderländern etc.“, schrieb ein Leser. Und ein weiterer riet Wenning: „Die Deutsche Industrie hatte lange genug Zeit, sich auf neue Zeiten einzustellen. Sie hat es nur nicht ernsthaft versucht, dafür sollten Sie sich schämen und schnell umdenken, statt durch diese peinliche Kampagne für Atomkraft zu kämpfen“.

Resolution gegen Genreis verabschiedet
Im Jahr 2006 war gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo eine Zulassung vorlag. Damit verursachte der Leverkusener Multi den größten Gen-Gau der Nuller-Jahre. Trotzdem hat der Multi seinen Antrag auf eine Importzulassung von Genreis der Sorte „LL62“ bei der EU noch nicht zurückgezogen. Genau dazu hat ihn jetzt eine von GREENPEACE in Italien organisierte Konferenz aufgefordert.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER streicht 4.500 Stellen
„Ich will für BAYER noch mehr Investition und weniger Administration. Wir können noch schneller und schlanker werden“, sagte der neue BAYER-Chef Marijn Dekkers bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für das dritte Quartal trotz einer Umsatzsteigerung von 16,1 Prozent auf 8,6 Milliarden. Über die Konsequenzen war er sich noch nicht im Klaren: „Ob dadurch wirklich Arbeitsplätze betroffen sind, kann ich jetzt noch nicht sagen“. Zwei Wochen später wusste er es. Da kündigte der Leverkusener Multi den Abbau von 4.500 Stellen an den alten Standorten und den Aufbau von 2.500 in den Schwellenländern an. Allein 1.700 Jobs fallen in der Bundesrepublik weg. Bei der IT-Abteilung BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) stehen 900 Arbeitsplätze zur Disposition. Von der Maßnahme betroffen sind 490 Festangestellte und 406 Arbeitskräfte mit Werks- oder Zeitarbeitsverträgen. Einen Teil der Jobs dürfte der Multi nach Indien verlagern, wo die BBS bereits einen Ableger mit 300 bis 400 Beschäftigten unterhält - laut BBS-Sprecher Oliver Günther die „verlängerte Werkbank“. Mit diesem Sparprogramm für die Service-Gesellschaften bricht der Konzern die 2007 im Tarifvertrag gemachten Zusagen zur Arbeitsplatz-Sicherung, welche die Belegschaftsangehörigen damals mit einem Lohnverzicht in Höhe von 3,3 Prozent teuer erkauft hatten. Bei BAYER HEALTH CARE streicht der Konzern 700 Stellen, bei BAYER CROPSCIENCE 300. Die Kunststoff-Sparte, um die es immer wieder Verkaufsgerüchte gibt, bleibt dagegen weitgehend verschont. Der Betriebsrat kritisierte das Sparprogramm zwar, ändert aber seinen sozialpartnerschaftlichen Kurs nicht und bietet Hilfe bei der Abwicklung an. „Das ist ein erheblicher Personalabbau mit einschneidenden Veränderungen. Wir Arbeitnehmer-Vertreter werden nun intensive Gespräche mit der Unternehmensleitung führen, um die Notwendigkeit, den Umfang, mögliche Alternativen und die Umsetzung der geplanten Veränderungen zu beraten, damit sozialverträgliche Lösungen gefunden werden können“, sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Thomas de Win. Die nordrhein-westfälische Landesregierung will den Kahlschlag hingegen nicht so einfach hinnehmen. Angesichts von 5,5 Millionen Euro, die BAYER im Zuge der Wirtschaftskrise aus dem Konjunktur-Paket erhalten hat, verlangte NRW-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) von BAYER, Verantwortung für die Beschäftigten zu übernehmen. Diese Mittel hätten nichts mit der Krisen-Bewältigung zu tun gehabt, kommentierte Konzern-Sprecher Günter Forneck laut Süddeutscher Zeitung die Vorwürfe. Zu dem von Voigtsberger vorgeschlagenen Spitzentreffen erklärte der Global Player sich jedoch bereit: „Es wäre ein Novum, wenn wir ein Gesprächsangebot der Politik nicht annähmen“.

Arbeitsplatzvernichtung in Berkeley
BAYER vernichtet am US-amerikanischen Standort Berkeley 39 Arbeitsplätze; dabei verlieren zum überwiegenden Teil GewerkschaftlerInnen ihren Job (siehe auch SWB 1/11). Donal Mahon von der INTERNATIONAL LONGSHORE AND WAREHOUSE UNION (ILWU) kritisierte die Maßnahme scharf: „BAYER hatte im vergangenen Jahr zugesichert, etwaige Entlassungen 45 Tage vorher anzukündigen. Tatsächlich waren es jetzt nur zwei Tage, und es waren doppelt so viele Entlassungen, wie zuvor besprochen. Für den Fall, dass wir ein Schiedsgericht einschalten, hat uns das Unternehmen den Abbau weiterer Arbeitsplätze angedroht“. Aber die ILWU ließ sich nicht einschüchtern und organisierte eine Protest-Aktion, an der 150 Belegschaftsangehörige teilnahmen.

Sprachlehrer prekär beschäftigt
In SWB 4/09 klagten zwei Sprachlehrer über die schlechte Bezahlung und die miesen Arbeitsbedingungen bei BAYER. Daran hat sich offensichtlich nichts geändert. Erneut erreichten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN Informationen über unter dem Branchen-Durchschnitt liegende, seit Jahre nicht angehobene Honorare und erst nach sechs Wochen bezahlte Rechnungen.

MCKINSEY bei BAYER CROPSCIENCE
BAYERs Landwirtschaftssparte machte 2009 einen Umsatz von 6,5 Milliarden Euro. In diesem Jahr allerdings ist laut Konzern „ein erheblicher Rückgang zu erwarten“. Deshalb schickte er den Beschäftigten die UnternehmensberaterInnen von MCKINSEY ins Haus. Ob diese sich mit der von BAYER-Chef Marijn Dekkers angekündigten Vernichtung von 300 Arbeitsplätzen in der Sparte zufriedengeben, wird die nahe Zukunft zeigen.

Zühlke neuer Betriebsratsvorsitzender
Thomas de Win hat angekündigt, sein Amt als Betriebsratsvorsitzender des Leverkusener BAYER-Werkes niederzugelegen, um sich mehr auf seine Aufgaben als Gesamtbetriebsratschef konzentrieren zu können, wie er gegenüber der Presse erklärte. Seine Position übernimmt Oliver Zühlke.

318 Männer in Elternzeit
Der Leverkusener Multi macht es anscheinend Männern, die Elternzeit nehmen wollen, nicht mehr so schwer wie früher. Noch vor vier Jahren beschied das Unternehmen einem Beschäftigten, der einen entsprechenden Antrag stellte, er bräuchte anschließend gar nicht mehr wiederzukommen (Ticker 2/06). Der Mann blieb trotzdem bei seinem Entschluss und versuchte nach Ablauf der Zeit beim Konzern als Teilzeitler sein Glück. Das verwehrte ihm allerdings die Personalabteilung. Vollzeit oder gar nicht - vor diese Alternative stellte ihn der Pharma-Riese. Inzwischen machen nach Unternehmensangaben 318 Belegschaftsangehörige von dem Angebot Gebrauch. Allerdings beträgt die Auszeit von Vätern in den Betrieben nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung oft nur zwei Monate.

Betriebsausflug nach Taipei
BAYERs Pharma-Abteilung veranstaltet alljährlich für Beschäftigte einer Region eine Konferenz, um die interne Konkurrenz durch Auszeichnungen anzuheizen und die Belegschaft auf neue Aufgaben einzuschwören. Dieses Mal waren die 2.700 chinesischen Betriebsangehörigen dran. Ende Januar 2010 zog der Leverkusener Multi sie für eine Woche im taiwanesischen Taipei zusammen.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYER‘S TONIC mit Warnhinweis
In den Ländern des Südens sind die Menschen oftmals nicht in der Lage, sich ÄrztInnen zu leisten. Die Pharma-Riesen haben sich darauf eingestellt und bieten Arzneien mit einem so umfassenden wie diffusen Wirkprofil an. So bewirbt der Leverkusener Multi BAYER‘S TONIC als Stärkungsmittel. Wie allerdings eine Mischung aus Leber-Extrakt, Hefe, Natriumphosphat und Alkohol stärken soll, bleibt BAYERs Geheimnis. Offenbar sind hingegen die Gefahren. So kann die Einnahme des Tonikums wegen seines Alkohol-Gehaltes bei kleinen Kindern zu Leberzirrhosen führen. Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE forderte deshalb vom Konzern, einen entsprechenden Warnhinweis auf der Flasche anzubringen. Aber erst nach einem zähen Ringen erklärte sich das Unternehmen dazu bereit.

Kinderarbeit-Kampagne erfolgreich
Seit mehr als sieben Jahren kämpft die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gegen Kinderarbeit bei den Zulieferern von BAYERs indischer Saatgut-Tochter PROAGRO. Bis zu 2.000 Minderjährige arbeiteten dem Unternehmen schon zu. Dank der Kampagne sank die Zahl bis 2007 auf 300. Ein neuer Bericht für die abgelaufene Pflanz-Saison konstatiert nun wiederum einen erheblichen Rückgang der Zahlen. Nach Einschätzung der CBG-Kooperationspartner vor Ort war dieser Erfolg nur durch Druck von außen zu erreichen. In Indien war das Problem seit langem bekannt, aber erst die Schlagzeilen in der Bundesrepublik und den USA brachten BAYER zum Einlenken, so die AktivistInnen. Die erfolgreiche Zusammenarbeit von Gruppen aus vier Ländern bezeichneten sie als ein gelungenes Beispiel einer „Globalisierung von unten“. Davon will der Agro-Multi natürlich nichts wissen. Er behauptet, die Reduzierung der Kinderarbeit „ohne jeglichen öffentlichen Druck“ vorgenommen zu haben.

POLITIK & EINFLUSS

Gesundheits„reform“ noch kränker
Erwartungsgemäß gelang es BAYER & Co., bei der Gesundheits„reform“ von CDU und FDP bis zu ihrer endgültigen Verabschiedung noch einige „Nachbesserungen“ zu erreichen. So kommt jetzt zu dem beschleunigten Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung von Gesundheitsleistungen noch eine weitere Aufweichung der Kriterien für die neu eingeführte Kosten/Nutzen-Bewertung von Arzneien dazu. „Der Beschluss über die Nutzen-Bewertung darf nicht der Feststellung der Zulassungsbehörde widersprechen“, formulierte die Kanzlei CLIFFORD CHANCE, die der von BAYER gegründete „Verband der Forschenden Pharma-Hersteller“ (VFA) angeheuert hatte. Der Gesetzgeber übernahm den Text fast wortwörtlich. Die zuständigen Stellen dürften den „medizinischen Nutzen eines Arzneimittels nicht abweichend von der Beurteilung der Zulassungsbehörde bewerten“, variierte die Regierungskoalition die Vorlage. Zudem setzten die Pharma-Riesen eine Umkehr der Beweislast durch. Hatten sie ursprünglich den Nachweis eines Nutzens zu dokumentieren, so müssen die Behörden jetzt Belege für die „Unzweckmäßigkeit“ einer Arznei erbringen, was in der Praxis auf einige Schwierigkeiten stößt. Darüber hinaus sind Medikamente für seltene Krankheiten von dieser Prozedur befreit, wobei praktischerweise auch Mittel gegen so seltene Krankheiten wie Krebs unter einen solchen Exoten-Status fallen, wenn sie ein bestimmtes Umsatzvolumen nicht überschreiten. Und schließlich beschnitten die Pillen-Konzerne noch die Macht der Krankenkassen bei den Verhandlungen zu den Rabattverträgen. „Man hat den Eindruck, dass Lobbyverbände viel erreicht haben“, lautet deshalb das Fazit von Wolf-Dieter Ludwig, dem Vorsitzenden der „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“.

BAYER finanziert Obama-GegnerInnen
Bei den jüngsten Wahlen zum US-Kongress investierte BAYER 108.100 Dollar an Wahlkampf-Spenden in republikanische und demokratische KandidatInnen, die den Klimawandel in Abrede stellen oder sich gegen Barack Obamas Klimaschutz-Politik aussprechen (siehe auch SWB 1/11). Und der Konzern erreichte sein Ziel. Die Mehrheitsverhältnisse änderten sich, womit der „American Clean Energy and Security Act“ des US-Präsidenten vorerst auf dem Müllhaufen der Geschichte landete.

Lobbyismus als Dienstleistung
In wichtigen Hauptstädten wie Berlin, Brüssel, Washington und Peking unterhält der Leverkusener Multi mittlerweile so genannte Verbindungsbüros. „Wir bei BAYER verstehen uns als Bestandteil der Gesellschaft und sehen es daher als unsere Pflicht, uns in die gesetzgeberischen Entscheidungsprozesse einzubringen“, sagte der einstige Vorstandsvorsitzende Werner Wenning zur Begründung. Und die oberste Einbringerin in Berlin, Patricia Solaro, betrachtet sich nicht als schnöde Lobbyistin; ihrem Verständnis nach hat sie eine Service-Funktion. „Wir sind Dienstleister für die Politiker, das bedeutet, wir müssen komplexe Sachverhalte aus den Bereichen ‚Pharma‘, ‚Gesundheit‘ und ‚Chemie‘ verständlich darstellen“. Im Moment gibt die Dame den Abgeordneten Nachhilfe in „steuerlicher Forschungsförderung“ (s. u.), „Bildungsförderung“ und „Ordnungspolitik“.

LobbyistInnen bei der EFSA
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA, die unter anderem für die Zulassung von Gen-Pflanzen zuständig ist, steht seit langem in dem Ruf, allzu industrie-freundlich zu sein. Das bestätigte sich im Herbst 2010 noch einmal. Da kam nämlich heraus, dass die EFSA-Verwaltungsratschefin Diána Bánáti auch für das „International Life Science Institute“ (ILSI) tätig ist, das - finanziert unter anderem von BAYER, MONSANTO und COCA COLA - regelmäßig Entlastungsstudien zu Gen- und Nanotechnik sowie zu anderen umstrittenen Praktiken anfertigt. Der bekannte Gentechnik-Gegner und EU-Parlamentarier José Bové forderte die Behörde nach Bekanntwerden des Skandals auf, alle in der Amtszeit von Bánáti gefällten Genehmigungsentscheidungen zu widerrufen. Bánáti blieb nichts anderes übrig, als ihre ILSI-Ämter niederzulegen. Aber der Einfluss des Instituts auf die EFSA besteht trotzdem fort. Es ist im Verwaltungsrat noch durch Milan Kovac vertreten, in der Pestizid-Abteilung durch Raymon Boobis und im Bisphenol-A-Gremium durch Laurence Castle.

Merkel bei BAYER
Während ihrer USA-Reise im April 2010 besuchte Angela Merkel auch die BAYER-Niederlassung im kalifornischen Berkeley. Mit dem Pharma-Vorstand Wolfgang Plischke besichtigte sie die Anlagen zur Produktion des Blutpräparates KOGENATE und zeigte sich laut Konzern-Postille direkt „ebenso wie ihre Delegation sehr beeindruckt von den Hightech-Herstellungsverfahren“. Aber solche „Innovationen“ kommen nach Ansicht des Unternehmens nicht von ungefähr. „Hierbei spielen gute Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle“, erläuterte Plischke der Bundeskanzlerin und führte als Beispiel die von der US-Regierung eingeräumten Steuer-Vorteile für Forschungsaufwändungen an, für die sich der Multi auch hierzulande mit aller Kraft einsetzt. In Berkeley selber spricht der Multi freilich nicht von guten Rahmenbedingungen. Da macht er anderswo bessere aus und setzt die Stadt damit unter Druck (siehe auch SWB 1/11)

Thailändischer Minister bei BAYER
Ende Juli 2010 besuchte der thailändische Industrieminister Chaiwuti Bannawat die BAYER-Zentrale in Leverkusen. Er besichtigte die Sicherheitszentrale und das Entsorgungszentrum Bürrig. Zudem traf er mit Günter Hilgen zusammen, dem Hauptverantwortlichen für das weltweite Polycarbonat-Geschäft des Multis. Bei dem Gespräch dürfte es auch um die Lage im Industriegebiet Map Ta Phut gegangen sein, wo der Konzern eine Anlage betreibt. Wegen der starken Umweltbelastung hatte ein Gericht dort Ende 2009 einen Baustopp für 70 Produktionsstätten, darunter zwei von BAYER, verhängt. Die Regierung lockerte ihn jedoch sukzessive, bis im Oktober 2010 auf der Roten Liste nur noch zwei Projekte übrig blieben.

FDP-Politikerin besucht CURRENTA
Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Ulrike Flach hat CURRENTA, das Gemeinschaftsunternehmen von BAYER und seiner Chemie-Abspaltung LANXESS, einen Besuch abgestattet und dabei dem Chemie„park“-Betreiber liberalen Beistand versichert. „Um die Zukunft unserer Chempark-Standorte zu sichern, sind stabile politische Rahmenbedingungen ebenso unabdingbar wie faire Wettbewerbsbedingungen“, so Flach.

Voigtsberger bei BAYER
Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) gratulierte BAYER zum 50. Geburtstag des Bergkamener Werkes und sprach auf dem Jubiläumsempfang ein Grußwort.

Wirtschaftsrat vs. Klimaschutz
Der Wirtschaftsrat der Christdemokraten, bei dem der BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup das Umweltressort betreut, hat im Vorfeld des CDU-Parteitages im November 2010 neben massiven Kürzungen im Sozialbereich auch eine Revision der Klima-Politik angemahnt. „Die industrielle Basis darf durch steigende Stromkosten sowie Mehrfachbelastungen bei der Ökosteuer und im Emissionshandel nicht zerstört werden“, hält der Rat fest. Angesichts eines angeblich marginalen Anteils der Bundesrepublik am klima-zerstörenden Kohlendioxid-Ausstoß möchte er den Ausbau der Erneuerbaren Energien stoppen. Zudem bekennen sich Große Entrup & Co. zu der Verlängerung der AKW-Laufzeiten und fordern ganz allgemein einen Paradigmenwechsel: „Die Wirtschaftlichkeit des Energiesystems muss wieder oberste Priorität haben“.

VCI-Wahlkampfspenden: 170.000 Euro
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) hat von 2002 bis 2010 Wahlkampf-Spenden in Höhe von 170.000 Euro geleistet. Dabei ging der Lobby-Club von BAYER & Co. selektiv vor und bedachte nur CDU und FDP; die Christdemokraten erhielten 100.000 Euro und die Liberalen 70.000 Euro.

PROPAGANDA & MEDIEN

Beschwerde beim Kölner Stadtanzeiger
Im letzten Jahr hatte ein Journalist die Aktivitäten der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN während der BAYER-Hauptsammlung für das Video-Portal des Kölner Stadtanzeigers gefilmt. Das passte dem Leverkusener Multi nicht. Er schrieb einen Beschwerde-Brief an die Chefredaktion. Die Zeitung ließ sich aber ebenso wenig einschüchtern wie der Filmemacher, der dem Konzern antwortete, er suche sich seine Themen immer noch selber aus.

BAYER sponsert Weltverhütungstag
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur Freude des Leverkusener Multis erfreut sich diese Ansicht auch heute noch großer Beliebtheit, die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. Um die Geschäftsaussichten für YASMIN & Co. noch ein wenig zu verbessern, beteiligt er sich auch 2010 wieder am Weltverhütungstag. Dieses Mal legt die Reklame-Veranstaltung den Schwerpunkt auf ungewollte Schwangerschaften von Jugendlichen infolge ihrer Sexualpraktiken. „Der am häufigsten genannte Grund für ungeschützten Geschlechtsverkehr ist die fehlende Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln“, hält die „Deutsche Stiftung Weltbevölkerung“ zum von ihr mitausgerichteten Weltverhütungstag fest und rührt damit die Werbetrommel für einen ihrer Hauptsponsoren. BAYER hat die Stiftung im Jahr 2009 nämlich mit einer Spende von über 10.000 Euro bedacht.

BAYER spendet an „Die Arche“
BAYERs BEPANTHEN-Kinderförderung unterstützt seit längerem das Kinder- und Jugendwerk „Die Arche“, das dem evangelikalen Verband „Deutsche Evangelische Allianz“ angehört, und investiert damit in das SozialarbeiterInnen-Image des Konzerns. Dieses Jahr dachte sich der Leverkusener Multi allerdings eine besonders lukrative Win/Win-Situation aus. Er vermittelte seinen KundInnen die Illusion, beim Kauf von BEPANTHEN Gutes zu tun und honorierte die Rückgabe einer leeren und den Erwerb einer neuen Packung der Wundsalbe mit einem Euro für „Die Arche“. 45.000 Euro kamen so zusammen.

BAYERs Standort-Kampagne
Der Pharma-Riese spielt seinem Stammsitz Leverkusen seit längerer Zeit übel mit. Das Werk schrumpft und schrumpft und damit auch die Zahl der Arbeitsplätze, die Gewerbesteuer fließt nur noch spärlich und die vielbeschworene BAYER-Familie wird dysfunktionaler und dysfunktionaler. Deshalb hatte der Multi im letzten Jahr unter dem Motto „Leverkusen und BAYER. Ein starkes Team“ eine Image-Kampagne mit Anzeigen, lokaler Internet-Seite und mehreren Wettbewerben begonnen. Einer von ihnen forderte SchülerInnen auf, sich zu „Leverkusen begeistert“ etwas einfallen zu lassen. 60 Kinder und Jugendliche fühlten sich angesprochen und fertigten Arbeiten an, die das Unternehmen dann der Öffentlichkeit präsentierte. Auch die Kooperation mit der Rheinischen Post läuft weiter. Nach einem Leverkusen-Quiz veranstaltete der Global Player mit seinem „Medienpartner“ im Juni eine Stadtrallye für Schulklassen; als Hauptgewinn winkte eine Unterrichtsstunde mit Armin Maiwald von Der Sendung mit der Maus.

BAYER zeigt Ausstellung
Der Leverkusener Multi kooperiert mit dem UN-Umweltprogramm UNEP, um seine jährlich acht Millionen Tonnen CO2-Ausstoß und andere Missetaten vergessen zu lassen. Eine Frucht dieses Greenwashings stellt ein Kinder-Malwettwerb zum Thema „Klimawandel“ dar. Die prämierten Arbeiten präsentierte der Multi während des Junis 2010 in der Hagener Stadtsparkasse.

Klima-Preis an Peter Lemke
BAYER hat im Geschäftsjahr 2009 die Wenigkeit von acht Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft geblasen und fühlt sich trotzdem berufen, Klima-Preise zu verleihen. Den diesjährigen „BAYER Climate Award“ erhielt Peter Lemke vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut für seine Forschungen zu den Auswirkungen der Erderwärmung auf die Polkappen.

TIERE & VERSUCHE

Kontrollierter Versuchstier-Anbau
171.251 Versuchstiere fanden 2009 den Weg in die BAYER-Labore, davon über 1.000 Hunde, Katzen und Affen. Dabei betont der Konzern aber, wie sorgsam er seine Kandidaten aussucht. So kommen die Hunde nur von speziellen, streng kontrollierten ZüchterInnen. Und wenn sie die Tests überleben, verschenkt der Leverkusener Multi sie sogar. Da kann man ja fast schon von Tierliebe sprechen!

Tierquälereien bei PLRS
Nach Recherchen der Tierrechtsorganisation PETA kommt es beim US-amerikanischen Tierversuchsunternehmen PROFESSIONAL LABORATORY AND RESEARCH SERVICES (PLRS), bei dem BAYER Floh- und Zeckenmittel wie ADVANTAGE testen lässt, zu Tierquälereien in großem Ausmaß. Die Beschäftigten zerren Kaninchen an Ohren, reißen Hundewelpen an der Kehle hoch und schleudern Katzen in ihre Käfige. Eine tierärztliche Versorgung findet ebenfalls nicht statt. „Das Leben der Tiere bei PLRS ist ein Alptraum. Kein Hunde- oder Katzenhalter kann akzeptieren, dass Hunde und Katzen so schrecklich gequält werden. Die Verantwortlichen in den Pharma-Konzernen müssen unverzüglich reagieren“, fordert Christine Esch von PETA deshalb.

DRUGS & PILLS

Noch mehr YAZ & Co.
Trotz zahlreicher Todesfälle und starker Nebenwirkungen setzt BAYER weiter auf Kontrazeptiva aus der YASMIN-Familie. Weil für die Präparate der Patentschutz ausläuft, entwickelt der Leverkusener Multi fieberhaft Varianten mit geringfügigen Abweichungen. So hat er in den USA für BEYAZ die Zulassung erhalten, das zusätzlich zu den YAZ-Wirkstoffen noch Vitamin B enthält, um einer angeblichen Unterversorgung bei späteren Schwangerschaften und daraus resultierenden Geburtsfehlern vorzubeugen.

VALETTEs Thrombose-Risiko
BAYER hat eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die das Thromboembolie-Risiko des Verhütungsmittels VALETTE im Vergleich zu demjenigen von Levonorgestrel-haltigen Pillen bestimmen sollte. Wenn es weniger als doppelt so viel Thromboembolie-Fälle unter dem Dienogest-haltigen VALETTE wie unter den anderen Mitteln gibt, dann wollte das Studien-Design von einer „Nichtunterlegenheit“ sprechen. Dieses Kriterium erreichte das Kontrazeptivum mit einem Wert von 1,8 knapp. Das industrie-unabhängige arznei-telegramm beurteilt das Ergebnis deshalb skeptisch. „Die Unbedenklichkeit der Dienogest-haltigen Kombination ist unseres Erachtens dennoch nicht belegt: Der obere Wert des Vertrauensbereichs von 1,8 bedeutet, dass das Risiko venöser thromboembolischer Ereignisse unter Dienogest bis zu 80 % höher sein kann als unter Levonorgestrel – für die Annahme von Nichtunterlegenheit inakzeptabel hoch“, schreibt das Fachorgan. Zudem zieht es die Seriösität des mit der Studie beauftragten ZEG Berlin in Zweifel, da ein ehemaliger SCHERING-Beschäftigter dieses leitet und es regelmäßig durch für die Pharma-Riesen günstige Bewertungen auffällt. „Solange unabhängige Studien fehlen, raten wir von Dienogest-haltigen Kontrazeptiva ab“, lautet aus diesem Grund das Resümee des arznei-telegramms.

LEVITRA als Schmelztablette
BAYERs Potenzpille gibt es jetzt auch als Schmelztablette. Im Juni 2010 haben die US-amerikanischen Behörden die neue Version namens STAXYN zugelassen. Aber auch ein zarter Schmelz kann nicht verhindern, dass das Mittel zahlreiche Nebenwirkungen hat. Temporärer Gedächtnisverlust, zeitweilige oder dauerhafte Hörschäden, Sehstörungen bis zum Sehverlust, Schwindel, Höhenangst, Kopfschmerzen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome sowie Gesichtsrötungen zählen dazu.

LEVITRA mit Pfefferminz-Geschmack
Damit die Potenz-Pille LEVITRA auch nach Lifestyle-Präparat schmeckt und nicht mehr nach Arznei, hat der Leverkusener Multi sie mit einem Pfefferminz-Aroma aus seinem reichhaltigen Chemiebaukasten versehen. Die Risiken und Nebenwirkungen bleiben allerdings bestehen. Temporärer Gedächtnisverlust, zeitweilige oder dauerhafte Hörschäden, Sehstörungen bis zum Sehverlust, Schwindel, Höhenangst, Kopfschmerzen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome und Gesichtsrötungen zählen dazu.

ALPHARADIN bei Prostata-Krebs?
BAYER erprobt gerade in der dritten und letzten Test-Phase ein neues Präparat zur Behandlung von Prostata-Krebs. Wie andere zur Zeit noch getestete Präparate (siehe GENE & KLONE) und das bereits auf dem Markt befindliche NEXAVAR ist der Einsatz von ALPHARADIN jedoch nur bei PatientInnen vorgesehen, bei denen andere Therapien versagt haben. Erst wenn bei dem Prostata-Kranken eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben, sollen die MedizinerInnen später einmal das von RadiologInnen entwickelte ALPHARADIN verschreiben dürfen, um mittels Alpha-Strahlen das Tumor-Wachstum zu hemmen.

Herzinfarkt durch NEBIDO & Co.
Vor einiger Zeit hat BAYER die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um für Testosteron-Präparate wie NEBIDO und TESTOGEL das neue Geschäftsfeld „Männergesundheit“ zu etablieren. Eine neue Untersuchung, aus den USA warnt jedoch vor den Mitteln. Die WissenschaftlerInnen mussten die Studie sogar abbrechen, weil es unter den ProbandInnen der Testosterongruppe vermehrt zu kardiovaskulären Ereignissen, darunter ein tödlicher Herzinfarkt, gekommen war (siehe SWB 1/11).

Kein MAGNEVIST für Nierenkranke
BAYERs Röntgen-Kontrastmittel MAGNEVIST enthält das chemische Element Gadolinium, das bei vielen Nierenkranken eine Fibrose auslöst. In Einzelfällen führte dieses unkontrollierte Wachstum des Bindegewebes sogar zum Tod der PatientInnen. Deshalb sieht sich der Leverkusener Multi bereits mit über 300 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen konfrontiert. Die US-Gesundheitsbehörde FDA sah sich zu einer Reaktion gezwungen. Sie untersagte die Verwendung von MAGNEVIST bei Personen mit Nierenstörungen.

Arznei gegen Makula-Degeneration?
BAYER entwickelt eine Arznei gegen die Makula-Degeneration. Bei dieser Krankheit bilden sich am Auge Gefäß-Wucherungen, die auf die Netzhaut drücken und zur Erblindung führen können. Mit dem neuen Wirkstoff „VEGF Trap Eye“ will der Leverkusener Multi das Wachstum des Gewebes hemmen. Auch bei der speziellen Art der Makula-Degeneration, wie sie manche DiabetikerInnen erleiden, soll das Mittel zum Einsatz kommen.

BAYER unterstützt Parkinson-Verband
BAYER gehört zu den 16 Pharma-Unternehmen, welche die „Deutsche Parkinson-Vereinigung“ sponsern. Damit erschließt sich der Leverkusener Multi schon mal den KundInnenkreis für die Parkinson-Arzneien, an denen er gerade forscht.

Pillen-Preise: plus 4,8 Prozent
Und immer wieder steigen die Pillen-Preise. 2009 haben die Krankenkassen 32,4 Milliarden Euro für Arzneien aufwenden müssen - 4,8 Prozent mehr als 2008. In anderen europäischen Ländern liegen die Kosten längst nicht so hoch. So zahlen Frauen in der Bundesrepublik für BAYERs umstrittenes Verhütungsmittel YASMIN (siehe auch RECHT & UNBILLIG) pro Dreimonatspackung 39,40 Euro, in England aber nur 16,80 Euro. ASPIRIN schlägt hierzulande mit 20 Cent pro Tablette zu Buche, in Russland mit 15, in der Tschechoslowakei mit 14, in Griechenland mit 3 und in England mit 2 Cent. „Preissubventionen von 9,4 Milliarden Euro für die Pharma-Industrie sind weder ökonomisch noch gesundheitspolitisch vertretbar“, kommentierte der Heidelberger Pharmakologe Ulrich Schwabe die Preis-Unterschiede.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Pestizide in Strauchbeeren
GREENPEACE hat die Pestizid-Belastung von Strauchbeeren untersucht. Während die Ackergift-Rückstände in Himbeeren zurückgingen, nahmen sie in Johannisbeeren zu. Agrochemikalien made by BAYER fanden sich in beiden Beeren-Arten. In Himbeeren wiesen die ForscherInnen Tebuconazole (Produktname: FOLICUR) und Thiacloprid (CALIPSO, PROTEUS) nach, die beide wegen ihrer Gefährlichkeit EU-weit keine neue Zulassung mehr erhalten, und in Johannisbeeren mit Tolylfluanid (EUPAREN) zusätzlich noch ein weiteres Auslaufmodell sowie Trifloxystrobin (NATIVO, CORONET). Dabei überschritt zwar kein einziger der 20 aufgespürten Wirkstoffe die zulässigen Höchstwerte, aber die Masse macht‘s. „Es ist ein gängiger Trick: Um die gesetzlichen Grenzwerte für die einzelnen Pestizide einzuhalten, spritzen die Produzenten ihr Obst mit einem Cocktail aus vielen verschiedenen Pestiziden“, kritisierte der GREENPEACE-Experte Manfred Santen.

K-OBIOL für Getreidelager
Nicht nur auf den Feldern kommt Weizen, Gerste & Co. mit Pestiziden in Berührung, sondern auch bei der Lagerung. So bietet BAYER für die Getreide-Kammern das Insektizid K-OBIOL mit den Wirkstoffen Deltamethrin und Piperonylbutoxid an. „Dies ist das einzige in Deutschland zugelassene Produkt für die Spritz-Applikation in Leerräumen“, wirbt der Konzern und preist den Effekt der Agro-Chemikalie auf Getreidemotten, Getreidekapuziner, Kornkäfer und Reismehlkäfer.

Pestizid-Gefahr: Keine Besserung
BAYER & Co. betonen bei jeder Gelegenheit die Unbedenklichkeit ihrer Pestizide und legen dar, mit wieviel Mühe sie gerade in Ländern des Südens über die richtige Handhabung ihrer Produkte informieren, um etwaige Gesundheitsschädigungen zu vermeiden. Der neue Bericht „Communities in peril“, den das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) herausgegeben hat, kann jedoch keine Erfolge verzeichnen: Nach wie vor kommt es zu zahllosen Vergiftungen. „Die Ergebnisse des Monitoring wiederlegen die von den Pestizid-Herstellern gemachten Aussagen zur „sicheren Anwendung‘ von Pestiziden. Die Daten zeigen, dass die Pestizid-Anwendungsbedingungen in den Ländern des globalen Südens dazu führen, dass Menschen regelmäßig Schaden erleiden“, konstatierte Dr. Abou Thiam von der afrikanischen PAN-Sektion.

GENE & KLONE

Bald mehr Zulassungen?
Die EU will es künftig ihren Mitgliedsstaaten überlassen, Genpflanzen zu genehmigen. Und Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) plant, den Stab gleich weiterzugeben und die einzelnen Bundesländer entscheiden zu lassen. Sie weiß nämlich um die zahlreichen Gentech-GegnerInnen in ihrer bayerischen Heimat und möchte ihre StammwählerInnen nicht vergraulen. BeobachterInnen rechnen durch die neuen Regelungen mit mehr Zulassungen für die Laborfrüchte.

Neue Stammzell-Fabrik
In Nordrhein-Westfalen entsteht mit staatlichen Subventionen eine Fabrik zur Produktion von „Induzierten Pluripotenten Stammzellen“ (IPS). Diese Stammzellen, die hauptsächlich zur Erprobung von Medikamenten dienen sollen, erzeugen ForscherInnen durch eine „Rückprogrammierung“ normaler Körperzellen, sie gewinnen sie also nicht durch das Abtöten von Embryos. Für den Bau der Anlage ist BAYER TECHNOLOGY SERVICES zuständig. Betreiben wird sie die LIFE AND BRAIN GmbH des an der Universität Bonn lehrenden, berühmt-berüchtigten Genforschers Dr. Oliver Brüstle. Da der Leverkusener Multi selber Patente auf die Herstellung von IPS hält, dürfte eine spätere Zusammenarbeit auch auf medizinischem Gebiet nicht ausgeschlossen sein.

Kooperation mit ONCOMED
BAYER will die Forschungen von ONCOMED zu Krebs-Stammzellen nutzen und hat eine Kooperation mit dem kanadischen Unternehmen vereinbart. Die Partner planen, gemeinsam einen Stoff zu entwickeln, der die Arbeit von Krebs-Stammzellen hemmt und so Tumorzellen am Wachstum hindert. Theorie und Praxis liegen allerdings oft ziemlich weit auseinander. So gelingt es BAYERs ebenfalls in den Organismus von Krebszellen eingreifendes Krebsmittel NEXAVAR gerade einmal, das Leben der PatientInnen um zwei, drei Monate zu verlängern (SWB 4/10).

Regorafenib bei Darmkrebs?
BAYER testet ein neues Darmkrebs-Mittel. Die Substanz Regorafenib, welche die Blutzufuhr von Tumorzellen unterbinden und so ihr Wachstum hemmen soll, befindet sich in der dritten und letzten Phase der Klinischen Versuche. Er ist allerdings nur für einen Einsatz bei PatientInnen vorgesehen, bei denen die Standard-Therapien versagt haben und dürfte auch nicht lebensverlängernder wirken als das Konzern-Produkt NEXAVAR (s. o.).

Kein T25-Mais in Europa
Kurz nachdem ein brasilianisches Gericht die Anbau-Genehmigung für BAYERs Genmais „T25“ aus Sicherheitsgründen zurückgezogen hatte (siehe RECHT & UNBILLIG), erklärte das Unternehmen den Verzicht darauf, die Sorte in Europa zu vertreiben. Unter anderem begründete der Leverkusener Multi diesen Schritt damit, keine Genehmigung für die Ausbringung des in Kombination mit „T25“ vermarkteten Ultragifts Glufosinat auf Mais-Feldern zu haben.

Mehr Gentech, mehr Schadinsekten
Da hat die Gentechnik mal wieder ein Eigentor geschossen: Die mit dem giftigen Bacillus thuringiensis (Bt) bestückten Mais-Arten von MONSANTO, BAYER und anderen Anbietern haben in den USA die Bestände des Baumwollkapselbohrers empfindlich dezimiert und dadurch seinem Fraßkonkurrenten, dem Westlichen Bohnenschneider, zu neuer Blüte verholfen, was wiederum die Maispflanzen-Blüte empfindlich stört. Aber die Agro-Riesen wissen Abhilfe: Sie raten zu vermehrtem Insektizid-Einsatz oder zum Kauf von neuen, gleich mit mehreren Bt-Sorten bestückten Laborfrüchten.

Indien: Bt-Baumwolle lohnt nicht
Während in den USA die mit dem giftigen Bacillus thuringiensis (Bt) ausgestatteten Genpflanzen von MONSANTO, BAYER & Co. die Populationen des Baumwollkapselbohrers empfindlich treffen (s. o.), breiten sich in Indien erste Resistenz-Reaktionen unter den Insekten aus. Darum müssen die LandwirtInnen zusätzlich Pestizide einsetzen. Nach einer Studie von GREENPEACE greifen die InderInnen dabei mit am häufigsten zu Monocrotophos, einem Wirkstoff, den BAYER nach eigenen Angaben eigentlich wegen seiner Gefährlichkeit schon länger aus dem Angebot gestrichen haben will. Aber nicht nur wegen der Zusatz-Ausgaben für Agro-Chemikalien lohnt sich für die FarmerInnen der Anbau von Bt-Baumwolle nicht. Der Untersuchung zufolge müssen sie auch empfindlich mehr für das Saatgut bezahlen, ohne einen im Vergleich zu Bio-Bauern und -bäuerinnen höheren Ernte-Ertrag zu haben. Überdies können ihre Gen-Pflanzen nicht so gut Trockenheitsperioden trotzen wie die Bio-Produkte ihrer KollegInnen. Deshalb lautet das Fazit von GREENPEACE: „Zusammenfassend machen die Ergebnisse der Untersuchung deutlich, dass Bt-Baumwolle ein erhebliches finanzielles Risiko bedeutet für von Armut betroffene Kleinbauern, die Regenfeld-Anbau betreiben. Auf der anderen Seite stellt Bio-Baumwolle offensichtlich eine Option zur Reduzierung von Armut und der Verbesserung von Lebensbedingungen in ländlichen Gebieten dar.“

Kooperation mit DOW CHEMICAL
Schadinsekten gewöhnen sich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen (s. o.). Deshalb gehen BAYER & Co. nach der Devise „Doppelt hält besser“ immer mehr dazu über, ihre Sorten gleich gegen mehrere Agrochemikalien immun zu machen und gewähren sich gegenseitig Zugriff auf ihre Technologien. Nach Lizenzabkommen mit MONSANTO, DUPONT und SYNGENTA hat der Leverkusener Multi jetzt einen Vertrag mit DOW AGRO SCIENCES geschlossen. Nach dieser Vereinbarung kann der Agro-Riese die DOW-Erfindung WIDESTRIKE nutzen, während das US-Unternehmen die Verfügungsrechte über die BAYER-Entwicklung GLYTOL erhält, die Genpflanzen resistent gegen das Herbizid Glyphosat macht.

Glyphosat schädigt Bodenorganismen
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, den BAYER & Co. im Kombi-Pack mit ihren gegen diese Substanz immun gemachten Genpflanzen verkaufen, kann Bodenorganismen schädigen. Das ergab eine wissenschaftliche Untersuchung, die das European Journal of Agronomy im Oktober 2009 veröffentlichte. So tötet die Substanz Bakterien ab, die den Boden mit Stickstoff versorgen und auf diese Weise zum guten Gedeihen der Ackerfrüchte beitragen.

PFLANZEN & SAATEN

Patente auf konventionelle Pflanzen
Nicht nur auf gen-manipulierte Ackerfrüchte, sondern auch auf mittels konventioneller Verfahren gezüchtete erheben die Konzerne Patentansprüche. 1.260 Mal hat das Europäische Patentamt diese bis Dezember 2009 schon anerkannt. BAYER bekam unter anderem ein Schutzrecht auf eine herbizid-resistente Mais-Art zugesprochen und will gerade Methoden zur Züchtung von Pflanzen zur Agrodiesel-Produktion als geistiges Eigentum schützen lassen.

WASSER, BODEN & LUFT

Bisphenol A belastet den Rhein
BAYER ist einer der größter Hersteller der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, die unter anderem in Baby-Flaschen und Konservendosen Verwendung findet und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe SWB 4/10). Zu allem Unglück verunreinigt die Substanz laut Bewirtschaftungsbericht des NRW-Umweltministeriums auch den Rhein, wobei die Konzentration an mehreren Messstellen sogar die Orientierungswerte - Grenzwerte gibt es für den Stoff nicht - überschritten hat.

Nordsee ist Mordsee
Etwa 6.000 Giftgas-Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg liegen zweieinhalb Seemeilen vor Helgoland in der Nordsee (Ticker 4/09). Bestückt sind sie mit dem Kampfstoff Tabun, den Gerhard Schrader 1936 im Wuppertaler BAYER-Werk entwickelt hatte. Anfang des Jahres entschied die schleswig-holsteinische Landesregierung, die 90 Tonnen schweren Geschosse auf dem Meeresgrund zu lassen, weil sie bei einer Bergung zu explodieren drohen. Die PolitikerInnen wollen jetzt lediglich das Verlegen von Leitungen durch das Areal verhindern und „die Marine bitten, ihre Übungen in diesem Gebiet einzuschränken“. Den UmweltschützerInnen des Waterkant-Magazins reicht das nicht. „Nur ein generelles Verbot aller Aktivitäten mit Bezug zum Meeresgrund, rechtskräftig verankert und von Überwachung begleitet, kann Risiken ausschließen“, heißt es in dem Blatt.

Sanierung mit Nebenwirkungen
Bis zum Jahr 2003 betrieb BAYER im englischen Hauxton nahe Cambridge ein Werk. Bei der Schließung hinterließ der Konzern in Boden und Grundwasser jede Menge Altlasten. Trotzdem sollen auf dem Gelände Wohnhäuser entstehen. Auf politischen Druck hin hat sich der Investor auch zu Sanierungsmaßnahmen durchringen können. Im Frühjahr haben die Arbeiten begonnen, bei denen die im Erdreich schlummernden Schadstoffe allerdings zu neuem Leben erwachten. Sie verströmten einen üblen Geruch, der krank machte. Einer Untersuchung der Initiative HAUXAIR zufolge klagten mehr als die Hälfte der 402 AnwohnerInnen über Atemprobleme, Kopf- und Halsschmerzen sowie andere Gesundheitsstörungen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Bisphenol in Kassenbons
Bislang fand sich die Industrie-Chemikalie Bisphenol A hauptsächlich in Lebensmittel-Verpackungen wie Konservendosen und Babyflaschen wieder. Jetzt spürten ForscherInnen diese Substanz, zu deren größten Herstellern BAYER zählt, auch in Kassenbons auf. Da der Stoff zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann, hat der REWE-Konzern bereits angekündigt, in Zukunft anderes Thermopapier für die Ausdrucke zu verwenden.

Bisphenol: EFSA tut nichts
Immer mehr Länder untersagen die Verwendung der gefährlichen Chemikalie Bisphenol A (s. o.), zu deren größten Herstellern BAYER zählt, in Babyflaschen und anderen Lebensmittel-Behältnissen. Die Bundesregierung wollte eine Stellungnahme der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA abwarten, ehe sie eine Entscheidung trifft. Im Herbst veröffentlichte die Behörde nun ihre Einschätzung und gab Entwarnung. Damit blieb sie ihrem industrie-freundlichen Ruf wieder einmal treu, für den im Bisphenol-A-Gremium besonders der für das von BAYER & Co. finanzierte „International Life Science Institute“ tätige Laurence Castle gesorgt haben dürfte (siehe auch POLITIK & EINFLUSS). Zum Glück scheint auch die EU ihrer eigenen Institution nicht recht über den Weg zu trauen. So kündigte der VerbraucherInnenschutz-Kommissar John Dalli trotz des EFSA-Gutachtens einen Vorstoß zum Verbot von Bisphenol in Babyflaschen an.

CO & CO.

Kein CO mehr übrig
Der Leverkusener Multi hat den Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline stets damit begründet, das am Standort Dormagen im Überfluss vorhandene Gas ins mit CO unterversorgte Krefeld leiten zu wollen. Diese Argumentation ist jetzt hinfällig geworden, denn das in Dormagen vorhandene Kohlenmonoxid wird nicht ausreichen, um dort den Bedarf des 2014 in Betrieb gehenden neuen Kunststoff-Werkes decken zu können. Deshalb will BAYER sogar eine neue CO-Anlage bauen. An der Verbundleitung hält der Konzern aber trotzdem fest: „Nur eine Vernetzung gewährleistet die Versorgungssicherheit“.

Röttgens Jein zur Pipeline
Im September 2010 ging Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) auf Distanz zur BAYER-Pipeline. „Jenseits des rechtlichen Aspektes ist meine Meinung, dass so, wie das Projekt begonnen wurde - mit einer Vernachlässigung der Sicherheit - es keine Zukunft hat“, sagte er auf einer Regionalkonferenz im Zuge seines Landesparteivorsitzenden-Wahlkampfs. Als „geprägt von Nachbesserungen und Fehlern“ kritisierte er die Bauarbeiten und ließ auch ökonomische Gründe für die Giftgas-Leitung nicht gelten. „Besorgnissen und Fragen vor Ort kann man nicht mit dem pauschalen Argument ‚Wirtschaftsstandort‘ begegnen“, so der Politiker. Nach seiner erfolgreichen Wahl zum Landeschef der NRW-CDU hörte sich das alles aber schon wieder etwas anders an. „Ich bin nicht gegen die Pipeline, aber ich bin davon überzeugt, dass man die Bürger ernst nehmen muss und sich nicht einfach auf getroffene Entscheidungen berufen kann“, stellte er in der Rheinischen Post klar.

Erneuter Bomben-Fund
Nur 16 Meter von der Pipeline-Trasse entfernt stießen Straßenbau-Arbeiter unmittelbar unter der Erdoberfläche auf eine noch scharfe Fünf-Zentner-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Es war nicht der erste Fund dieser Art: Zwei Granaten, zwei 10-Zentner-Blindgänger, Bombenreste und ein Maschinengewehr wurden entlang der Strecke bereits zu Tage gefördert. Da die Kampfmittel normalerweise vier bis fünf Meter tief im Boden liegen, hegen Mitglieder der Anti-Pipeline-Bürgerinitiativen den Verdacht, dass die Bombe während der Arbeiten an der Kohlenmonoxid-Leitung auf die Schippe eines Baggers geriet und unbemerkt „umgebettet“ wurde. Eigentlich hätte die Firma WINGAS die Bombe bereits bei ihrer Suche nach explosivem Material finden müssen, die sie erst auf Druck der Bezirksregierung durchgeführt hatte. Aber die verwendeten Luftbild-Aufnahmen reichten dafür offensichtlich nicht aus. Deshalb forderten die Pipeline-GegnerInnen unverzüglich: „Unter der gesamten Trasse muss sondiert werden. Sonst haben wir keine Garantie dafür, dass dort nicht noch Kampfmittel liegen“.

Erneute Mängel
Wieder einmal Pfusch am Pipeline-Bau: An drei Stellen ist die Isolierung der Rohrleitung beschädigt, so dass kein Rostschutz mehr besteht. An zwei weiteren Abschnitten überprüft der Leverkusener Multi noch entsprechende Verdachtsmomente. „Bei den entdeckten Fehlstellen handelt es sich um kleine Schäden an der Isolierung. Die können bei aller Einbau-Sorgfalt vorkommen“, versucht BAYERs Pipeline-Beauftragter Werner Breuer die Sache zu verharmlosen. Aber die unter neuer Leitung stehende Bezirksregierung spielte da nicht mit, verhängte einen Baustopp und sandte dem Pharma-Riesen einen Katalog mit 25 Fragen zu den erneuten Pannen zu.

Neues Pipeline-Verfahren
BAYER ist beim Bau der umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline, welche die Standorte Dormagen und Krefeld miteinander verbinden soll, in 66 Fällen von den Planvorgaben abgewichen (Ticker 1/09). Der Leverkusener Multi verwendete zur Abschirmung der Rohre nur eine 60cm breite Geogrid-Matte statt einer 80cm langen, verlegte mancherorts nur 5,6mm starke Rohre statt solche mit einer Wandstärke von 6,3mm und änderte auch den Trassenverlauf. Damit hat der Leverkusener Multi nach Meinung des grünen Umweltministers Johannes Remmel und der - ebenfalls grünen - neuen Regierungspräsidentin Anne Lütkes neue Tatsachen geschaffen, die einer neuen Genehmigung bedürfen. Deshalb bereiten sie ein Planänderungsverfahren mit Bürgerbeteiligung vor. Dieses kann zwar nicht das dem Bau zugrunde liegende Planfeststellungsverfahren für null und nichtig erklären, aber doch für nochmalige Verzögerungen sorgen. Trotzdem gibt der Konzern sich demonstrativ gelassen: „Wir sind von der Ankündigung des Ministers nicht überrascht und begrüßen das Verfahren. Das gibt uns die Möglichkeit, Planungsanpassungen wie etwa die punktuelle Verlegung von Trassen zu erklären“.

Voigtsberger für Pipeline
Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger bekannte sich auf einer Veranstaltung der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE zu BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline. „Die CO-Pipeline ist notwendig“, konstatierte der Politiker. Und um das allen klar zu machen, schlug er ein Schlichtungsverfahren nach Stuttgarter Vorbild vor. Aber an einem Demokratie-Spiel mit vorher festgelegtem Ende wollen sich die Bürgerinitiativen nicht beteiligen. Auch die Grünen reagierten ablehnend auf den Vorstoß, der schließlich auch zu einem Streit innerhalb der rot-grünen Koalition führte. Nach Informationen der Rheinischen Post sprach Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ein Machtwort und kritisierte Voigtsberger intern für seine nicht dem Koalitionsvertrag entsprechenden Äußerungen.

NANO & CO.

Beschichtungen aus Nano-Silber
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. Für die Risiken und Nebenwirkungen dieser „Zukunftstechnologie“ fühlt sich allerdings niemand verantwortlich. Dabei gibt es immer mehr alarmierende Hinweise. So können Nano-Stoffe nach einer Untersuchung der Universität Edinburgh das Gewebe angreifen und ähnlich wie in der Vergangenheit Asbest Entzündungen auslösen. Trotzdem produziert BAYER seine Nano-Röhrchen namens BAYTUBES munter weiter. Sie finden mittlerweile in Duftkapseln, Folien, Flüsterschotter, Eishockeyschlägern, Windrad-Flügeln, Akkus und Farbstoffen zur medizinischen Diagnostik Verwendung. Zudem entwickelt der Multi zur Zeit auch eine antibakterielle Beschichtung aus Nano-Silber für Medizin-Produkte wie Katheder und Schläuche.

Keine kommerzielle Nano-Produktion?
Im Monatsabstand vermeldet BAYER neue Anwendungsmöglichkeiten für seine Nano-Produkte. So finden die CNT-Röhrchen, denen Studie asbest-ähnliche Wirkungen bescheinigen, dem Konzern zufolge mittlerweile in Duftkapseln, Folien, Flüsterschotter, Eishockeyschlägern, Kathedern, Schläuchen, Windrad-Flügeln, Akkus und Farbstoffen zur medizinischen Diagnostik Verwendung. Die entsprechende Anlage in Leverkusen müsste nach der Schließung der Produktion in Laufenberg also auf Hochbetrieb laufen. Allerdings handelt es sich dabei nur um ein Technikum, das kein Genehmigungsverfahren durchlaufen hat und deshalb eigentlich auch keine zum Verkauf bestimmten Waren herstellen dürfte. Um den Sachverhalt aufzuklären, richtete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN eine Anfrage an die Bezirksregierung. Demnach scheinen die Geschäfte mit den CNT-Röhrchen entgegen den vollmundigen Aussagen des Unternehmens nur im Nano-Maßstab zu laufen - falls der Multi keine „Irreführung der Behörden“ betreibt. „Anfragen bei potenziellen Kunden haben inzwischen gezeigt, dass der Markt CNT-Material mit anderen Eigenschaften benötigt“, antwortete die Bezirksregierung. „Wegen der unzureichenden Nachfrage auf dem Markt“ habe BAYER nicht beantragt, Teile der Produktion zu verkaufen.

PLASTE & ELASTE

SABIC will Kunststoff-Sparte
Ende September 2010 hatte BAYER-Sprecher Hans-Bernd Schmitz dementiert, dass der Leverkusener Multi sich von seiner Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) trennen wolle. „Wer soll BMS kaufen“, fragte er rhetorisch und schloss namentlich den saudisch-arabischen Mitwerber SABIC als Abnehmer aus. Just der bekundete aber einen Monat später ernsthaftes Interesse. „Wenn BAYER auf uns zukäme, würden wir uns das durchaus anschauen“, bekannte SABIC-Chef Mohamed Al-Mady in der Zeit. Trotz des derzeitigen Bekenntnisses des neuen BAYER-Chefs Marijn Dekkers zu Plaste und Elaste dürften die Trennungsgerüchte um BMS also vorerst nicht verstummen.

Kunststoffpreise heben an
BAYER profitiert von steigenden Kunststoff-Preisen. So mussten die AbnehmerInnen für Polycarbonate in jüngster Zeit Aufschläge von 25 Prozent in Kauf nehmen und erwarten einen noch kräftigeren Anstieg. Wilfried Haese von BAYER MATERIAL SCIENCE erklärt das mit der höheren Nachfrage, der empfindlichen Baisse von 2007-2009 und einem geringeren Produktionsvolumen für bestimmte Anwendungen wegen der Krise der Musikindustrie. Seine Kunden wie etwa CD-Produzenten sprechen dagegen von einer „nicht nachvollziehbaren Verknappung am Markt“ und befürchten ein forciertes Presswerke-Sterben.

China größter Absatzmarkt
Das Reich der Mitte ist zum größten Abnehmer für die Kunststoff-Produkte des Leverkusener Multis aufgestiegen und hat damit die USA abgelöst. Im ersten Quartal des Jahres machte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) ein Drittel seines 2,2-Milliarden-Umsatzes mit chinesischen Unternehmen. Aus diesem Grund will der Konzern seine Kapazitäten für Polyurethan & Co. in Asien um 200.000 auf 650.000 Tonnen im Jahr ausweiten. Auch seine Forschung verlegt er mehr und mehr in die Region. So hat das Unternehmen kürzlich ein Entwicklungszentrum in Singapur eröffnet, das BMS-Chef Patrick Thomas als „das Herz unserer Innovationsanstrengungen“ bezeichnete.

Autoscheiben-Kooperation
Zur Herstellung von Autoscheiben aus dem Kunststoff Polycarbonat hat BAYER mit den japanischen Firmen MITSUBISHI HEAVY INDUSTRIES und KYOWA eine Kooperation vereinbart.

STANDORTE & PRODUKTION

Neues Zentrum in Berlin
BAYER plant in Berlin ein neues Zentrum für Diagnose-Verfahren auf Basis der molekularen Bildgebung. Dafür rechnet der Leverkusener Multi mit einer großzügigen Förderung durch die SteuerzahlerInnen. Einen entsprechenden Antrag beim Bund hat der Konzern bereits gestellt, und auch die Stadt Berlin signalisierte schon Unterstützungsbereitschaft. „Wir haben gemeinsam viel vor. Wir wollen endlich einmal in der Gesundheitsforschung einen Spitzencluster-Wettbewerb gewinnen“, sagte die Berliner Wissenschaftsstaatssekretärin Almuth Nehring-Venus auf einer vom Pharma-Multi gemeinsam mit der städtischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft „Berlin Partners“ ausgerichteten Veranstaltung.

Umzug nach San Francisco
Der Leverkusener Multi schließt seine Forschungseinrichtung in Richmond und zieht nach San Francisco um. „Der Standort Mission Bay in San Francisco ist bekannt als Nährboden für Innovationen in den USA. Daher wollen wir unsere Wissenschaftler inmitten dieses Forschungsmilieus ansiedeln“, sagte BAYER-SCHERING-Manager Andreas Busch zur Begründung. Gedeihen sollen dort vor allem neue biologische Wirkstoffe

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2010 Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Protest-Lauf von PRIMODOS-Opfern
Der hormonelle Schwangerschaftstest PRIMODOS der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Die Opfer des auch unter dem Namen DUOGYNON vermarkteten Produkts fordern den Konzern auf seinen Hauptversammlungen regelmäßig auf, Entschädigungen zu zahlen, aber der Leverkusener Multi weigert sich konsequent. In England nutzen die Geschädigten deshalb einen vom Pharma-Riesen gesponsorten 10-km-Langstreckenlauf, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Sie liefen mit, verteilten Flugblätter und hielten entlang der Strecke Pappen mit Aufschriften wie „Warum wurden wir als Versuchskaninchen benutzt?“ hoch. Zudem setzten sie den Schlusspunkt des Sport-Events. Der Aktivist Karl Murphy kam nämlich nach knapp zwei Stunden als Letzter ins Ziel. Zu dieser Zeit wollten die VeranstalterInnen eigentlich längst die Siegerehrung durchgeführt haben, aber nach Protesten der ZuschauerInnen mussten sie noch ein geschlagenes Stündchen auf Murphy warten.

Anfrage wg. DUOGYNON/PRIMODOS
Grüne Bundestagsabgeordnete haben in Kooperation mit der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und Geschädigten des Schwangerschaftstest PRIMODOS (s. o.) eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Diese hielt sich jedoch bedeckt. Die Regierungskoalition wusste nichts über die Verschreibungshäufigkeit und die Zahl der Geschädigten. Das aus dem Jahr 1980 stammende Urteil, die PRIMODOS-Opfer nicht zu entschädigen, mochte sie nicht kommentieren. Auch sahen sich CDU und FDP nicht in der Lage, Auskünfte über die Fakten-Grundlage der im Jahr 1975 getroffenen Entscheidung zu geben, PRIMODOS trotz bedenklichen Sicherheitsprofils nicht die Zulassung als Schwangerschaftstest zu entziehen.

Datenschützer für Offenlegung
Vor zwei Jahren vereinbarte BAYER mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. „Sie ist die weitreichendste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“, jubilierte Innovationsminister Andreas Pinkwart damals. Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und anderen Initiativen machte das eher Angst. Die Gruppen befürchteten eine Ausrichtung der Pharma-Forschung nach Profit-Vorgaben, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten sie eine Offenlegung des Vertrages. Das verweigerte die Universität aber mit Verweis auf das Forschungs- und Geschäftsgeheimnis. Die CBG schaltete daraufhin den nordrhein-westfälische Landesbeauftragten für Datenschutz ein, der das Begehr der Gruppen prüfte und für rechtmäßig erklärte. „Auf der Grundlage der mir vorliegenden Erkenntnisse gehe ich (...) von einem Informationszugangsanspruch aus“, heißt es in dem Schreiben. Die Kölner Hochschule nahm das jedoch nicht zum Anlass, ihre Position zu revidieren und blieb bei ihrer Verweigerungshaltung: „Der Rechtsansicht des Landesbeauftragten wird nicht gefolgt“. Unterdessen hat die CBG sich an die nordrhein-westfälische Forschungsministerin Svenja Schulze (SPD) gewandt und sie aufgefordert, „der Rechtsansicht der Landesbeauftragten“ Geltung zu verschaffen.

22.233 KraftwerksgegnerInnen
Im Frühjahr hatte TRIANEL offiziell den Genehmigungsantrag für das auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld geplante Kohlekraftwerk gestellt. Weil die Anlage auf einen Kohlendioxid-Ausstoß von jährlich ca. 4,4 Millionen Tonnen kommt und die Umwelt darüber hinaus mit Feinstaub, Schwermetallen und Radioaktivität belastet, erhoben über 22.000 Privatpersonen, Nachbarstädte und Initiativen, darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, bei der Bezirksregierung Einspruch gegen das Projekt.

Einspruch gegen Antwerpener Kraftwerk
Gegen das vom Energie-Riesen E.ON auf dem Antwerpener Werksgelände von BAYER geplante Kohlekraftwerk haben GREENPEACE, der WWF und der niederländische Umweltverband BBLV wegen des zu erwartenden Ausstoßes von Kohlendioxid und anderen Stoffen offiziell Einspruch eingelegt.

Offener Brief wg. CO-Pipeline
Aus Protest gegen die von BAYER zwischen Dormagen und Krefeld geplante Kohlenmonoxid-Pipeline haben Kinder- und JugendmedizinerInnen aus der Region jetzt schon ihren zweiten Offenen Brief geschrieben, adressiert an BAYER, den Ministerpräsidenten, den Landtag und die Bezirksregierung. Bis auf eine Ausnahme unterzeichnete die komplette Innung, denn die ÄrztInnen sehen im Fall einer Leckage keine Rettungsmöglichkeiten. Gerade einmal zwei Sauerstoff-Überdruckkammern für die Behandlung von Vergifteten gebe es in ganz Nordrhein-Westfalen, kritisierten sie. Auch an dem Gefahrenabwehrplan ließen die Unterzeichner kein gutes Haar. „Es gibt nur eine einzige Prävention, und die ist, dass die Pipeline nicht in Betrieb gehen darf, so Dr. Martin Terhardt. BAYER hingegen blieb unbeeindruckt. Das Schreiben enthalte „mehrere längst widerlegte Behauptungen“, meinte der Konzern und schwelgte weiter in Pipeline-Poesie: „Für die CO-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen wurde ein Sicherheitskonzept entwickelt, das die bisherigen Standards und gesetzlichen Regelungen übertrifft. Im normalen Leitungsbetrieb ist ein Austreten von CO auszuschließen“.

Feuerwehr kritisiert CO-Pipeline
Die Feuerwehren in der Region sind nach Ansicht des Kreisbrandmeisters Friedrich-Ernst Martin nicht auf einen Pipeline-Unfall vorbereitet. So schaffen es ihre Spezialgeräte nur, die Feuerwehrleute 45 Minuten mit Sauerstoff versorgen. „Das ist viel zu wenig Zeit, um Menschenleben in einem großen Wohnhaus retten zu können“, so Martin. Auch an Spezialfahrzeugen, die es erlauben, direkt zum Ort des Gasaustritts vorzudringen, fehlt es seiner Meinung nach - und an Personal sowieso.

Steinbrück kritisiert CO-Pipeline
Der den Wahlkreis Mettmann im Bundestag vertretende Peer Steinbrück (SPD) hat BAYER scharf für die Unregelmäßigkeiten beim Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline kritisiert. „Wer eine gültige Planfeststellung so oft ändert oder jedenfalls nicht so erfüllt, wie er müsste, ist entweder verrückt oder allzu couragiert“, konstatierte der Ex-Finanzminister.

Quecksilber-Anfrage
BAYER gehört zu den letzten Konzernen, die ihre Chlor-Produktion so umstellen, dass dabei kein giftiges Quecksilber mehr anfällt (SWB 3/09). Was aber geschieht mit den Rückständen, immerhin mehrere 100 Tonnen? Das wollte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN von der Bezirksregierung wissen. Diese „dankt für Ihre kritischen und nachvollziehbaren Fragen“ und „versichert, dass diese im Rahmen der behördlichen Anlagen-Überwachung angemessene Berücksichtigung finden werden“. Antworten konnte die Bezirksregierung jedoch nicht geben. Wo das Quecksilber einmal landet, vermochte sie nicht zu sagen, da der Umbau noch bevorstehe. Immerhin ist Versorge für die Gesundheit der Beschäftigten getroffen: Sie müssen sich regelmäßigen Quecksilber-Tests unterziehen.

UN übt Konzern-Kritik
Die Vereinten Nationen werfen den großen Konzernen der Welt schwere Versäumnisse beim Umweltschutz vor. Allein die 3.000 wichtigsten Unternehmen sollen Umweltschäden von jährlich knapp zwei Billionen Euro verursachen; das Artensterben sei 100-mal schneller als es die Evolution vorgibt, so die UN. „Der Raubbau an der Natur durch die Wirtschaft setzt sich seit Jahren ungebremst fort. Das natürliche Kapital der Welt wird im großen Stil vernichtet“, konstatierte Achim Steiner, Leiter des UN-Umweltprogramms UNEP, in der Süddeutschen Zeitung und kritisierte: „In vielen Konzernen gilt noch immer die Devise: Natürliche Ressourcen sind unerschöpflich. Dabei müssen wir längst schmerzhaft spüren, dass das nicht mehr stimmt“. Steiner verlangte ein Einpreisen dieser negativen Ökobilanz in die Geschäftsbilanzen und forderte die Politik zum Umdenken auf. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN forderte allerdings auch ihn zum Umdenken auf, da seine Organisation mit einem der größten Übeltäter zusammenarbeitet. „Wir begrüßen die unmissverständlichen Aussagen von Achim Steiner zur mangelnden Verantwortung multinationaler Unternehmen. Die UNEP muss hieraus Konsequenzen ziehen und endlich die unselige Kooperation mit dem BAYER-Konzern beenden. BAYER als einer der größten Hersteller von Pestiziden und gentechnisch verändertem Saatgut gehört zu den Verursachern des Artensterbens“, heißt es in der Presseerklärung der CBG.

Persilschein für PONCHO & Co.
Pestizide gefährden das Leben von Bienen massiv. So hat BAYERs Saatgut-Beize PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin vor zwei Jahren ein Massensterben verursacht, weshalb in vielen Ländern Verbote erfolgten und hierzulande die Zulassung für Mais-Kulturen einstweilen ruht. Die Bundestagsfraktion der GRÜNEN hat diese „Risiken und Nebenwirkungen“ zum Anlass für eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung genommen. Die Partei wollte wissen, welche Maßnahmen CDU und FDP zum Schutz der Tiere vor BAYERs PONCHO und ELADO sowie anderen Ackergiften schon ergriffen haben und welche sie in Zukunft noch planen. Für eine spezielle Überwachung dieser Produkte sah die schwarz-gelbe Koalition jedoch keinen Anlass. Nach der Risiko-Bewertung der Mittel durch die Aufsichtsbehörde würden keine „Anhaltspunkte für eine Schädigung von Bienenvölkern vorliegen“, antworteten Merkel & Co.

Protest gegen Pestizid-Ausbringungen
Nicht nur die massive Ausweitung des Soja-Anbaus in Südamerika führt zu einer entsprechenden Ausweitung des Pestizid-Gebrauchs. Auch die Umstellung auf das Direktsaat-Verfahren, für das die LandwirtInnen den Boden nicht mehr umpflügen müssen, sorgt für mehr Agrochemie auf den Feldern - und damit auch für mehr Gesundheitsschädigungen. Viele Wirkstoffe, die auch Bestandteile von BAYER-Mitteln sind, haben daran einen Anteil, so etwa das in GLYPHOS und USTINEX G enthaltene Glyphosat. Im argentinischen San Jorge etwa häufen sich die Asthma- und Krebsfälle. Zudem leiden immer mehr Männer unter Unfruchtbarkeit. Viviana Peralta wollte das nicht länger hinnehmen. Sie startete eine Unterschriften-Kampagne, zog vor Gericht und erreichte einen Teilerfolg. Die RichterInnen untersagten eine großräumige Ausbringung der Ackergifte und ordneten die Einrichtung einer Schutzzone an.

Boykott des Runden Tisches
Beim „Runden Tisch zur Pflanzen-Genetik“, den Forschungsministerin Annette Schavan deckt, haben KritikerInnen nicht viel zu sagen. Da die Initiativen nicht länger als Feigenblatt dienen wollten, haben sie nach dem letzten Treffen im September 2009 einen neun Punkte umfassenden Anforderungskatalog zur Sicherheit der Risikotechnologie formuliert, an dem die Bundesregierung sich orientieren sollte. Diese war jedoch nicht dazu bereit, ernsthaft über eine systematische Erfassung der gesundheitlichen Risiken von Genpflanzen, die Untersuchung von Wechselwirkungen der Laborfrüchte mit Pestiziden und eine Standardisierung der Zulassungstests zu diskutieren. Deshalb sagten die im DEUTSCHEN NATURSCHUTZRING organisierten Verbände ihre Teilnahme am „Runden Tisch“ vom Juli 2010 ab.

Mediziner kritisiert Industrie-Einfluss
Der Hannoveraner Medizin-Professor Dr. med. Arnold Ganser hat bitter das Fehlen einer von Big Pharma unabhängigen Arzneimittel-Forschung beklagt. „Durch die Hürden der Gesetzgebung, die durch Druck von seiten der Industrie durchgedrückt worden ist, sind heutzutage Arzneimittel-Studien ohne Unterstützung der Pharma-Industrie kaum mehr möglich. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die zur Zulassung führenden und von der Pharma-Industrie üppig mit Geld unterstützten klinischen Studien nicht unbedingt das Optimum der therapeutischen Wirkung, sondern eher das Optimum des finanziellen Gewinns zum Ziel haben“, schreibt er in einem Leserbrief an die Faz. Im Interesse der „Gesundheit der Bürger“ fordert er deshalb die Politik auf, aktiv zu werden und den Einfluss von BAYER & Co. zu begrenzen.

KAPITAL & ARBEIT

Tarifverträge für 56 %
Nur bei 56 Prozent aller BAYER-Belegschaftsangehörigen ist ihr Entgelt durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen gesichert. Für Beschäftigte in Europa beträgt die Quote 88 Prozent, in Lateinamerika/Afrika/Nahost 42 Prozent, in der Asien/Pazifik-Region 18 Prozent und in Nordamerika 14 Prozent.

PRONOVA schluckt DER PARTNER
Mitte 2007 schloss sich BAYERs Betriebskrankenkasse mit der FORTISNOVA BKK zur PRONOVA BKK zusammen. Seither schluckt sie kleinere Kassen. So verleibte die PRONOVA sich bereits FORD & RHEINLAND und GOETZE & PARTNER ein. Und im April 2010 folgte schließlich DER PARTNER. Mit nunmehr 660.000 Versicherten gehört BAYERs ehemalige Versorgungseinrichtung mittlerweile zu den 25 größten Krankenkassen der Bundesrepublik.

Wenning verdient 3,57 Millionen
Im Krisenjahr 2009 hat BAYER-Chef Werner Wenning mit 3,57 Millionen Euro 90.000 Euro weniger verdient als 2008.

Vorstandsvergütung nicht populär
Den BAYER-AktionärInnen sind die hohen Bezüge des Vorstands nicht ganz geheuer. Während die Hauptversammlungen der anderen 29 Dax-Unternehmen die Gehälter der Chef-Etagen mit Zustimmungsraten von bis zu 99,93 Prozent absegneten, votierten beim Leverkusener Multi lediglich 95,25 Prozent für die Millionen-Gagen. Nur sieben Konzerne erzielten noch schlechtere Ergebnisse.

Pharma-Umstrukturierungen
Wirtschaftskreise üben seit längerem Kritik an der angeblich immer noch nicht abgeschlossenen Integration des 2006 gekauften Pharma-Riesen SCHERING in den BAYER-Konzern und machen „Doppelstrukturen und überflüssige Hierarchie-Ebenen“ aus. Das veranlasste den Leverkusener Multi jetzt zu Umstrukturierungen. So hat er bei BAYER SCHERING PHARMA die Geschäftsfelder Spezialmedizin und Diagnostik sowie Frauengesundheit und Allgemeinmedizin zusammengelegt. Die neue Abteilung „BAYER Medical Care“ soll vor allem den Absatz von Blutzucker-Messgeräten befördern, bei denen BAYERs Marktanteile massiv eingebrochen waren. Mit „Innovationen“ wie dem DIDGET (siehe PROPAGANDA & MEDIEN), computer-kompatiblen Apparaturen und Technologie-Partnerschaften bei Diagnostika-Neuentwicklungen will das Unternehmen verlorenes Terrain zurückerobern. Zudem hat der Global Player als neue Pharma-Führungsebene ein „Executive Committee“ eingeführt, das vor allem im angelsächsischen Raum verbreitet ist. „Es trifft die wichtigsten Entscheidungen, braucht aber anders als der Vorstand nicht dem Aufsichtsrat Rede und Antwort stehen“, benennt die Financial Times Deutschland die „Vorteile“. Die Zeitung gibt sich damit allerdings nicht zufrieden und erwartet vom neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers eine umfassende Neu-Organisation der Sparte.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYER & Co. bei Niebel
Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel betrachtet das Ministerium nicht länger als „Weltsozialamt“, sondern als Wirtschaftsförderungsamt. Deshalb hat er im März den „Bundesverband der Deutschen Industrie“ zu einem Roundtable-Gespräch eingeladen. „Dies ist der Beginn eines fortlaufenden Dialogs mit der Wirtschaft“, erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp und ließ keinen Zweifel daran, dass sie BAYER & Co. für die wahren EntwicklungshelferInnen hält. „Das Know-How deutscher Unternehmen wird in vielen Entwicklungsländern dringend gebraucht“, so Kopp. Auch der „Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft“ durfte bei Niebel schon vorsprechen. Der „Verband entwicklungspolitischer deutscher Nichtregierungsorganisationen“ kritisierte diesen Politikwechsel. Er verlangte, sich auf die Grundbedürfnisse der Menschen in den armen Ländern nach einer ausreichenden Gesundheits- und Nahrungsmittelversorgung zu konzentrieren statt auf die Grundbedürfnisse der bundesdeutschen Wirtschaft.

Neues Lateinamerika-Konzept
Die schwarz-gelbe Koalition hat ein neues Lateinamerika-Konzept erstellt, das ganz auf die Bedürfnisse von BAYER & Co. zugeschnitten ist. „Die Bundesregierung unterstützt die deutsche Wirtschaft bei der Erschließung des Potenzials Lateinamerikas. Sie misst der Beteiligung der Wirtschaft bei der Auswahl und Definition der Maßnahmen eine zentrale Rolle zu“, heißt es in dem Text.

Proteste gegen „Maiz Solidario“
Das Entwicklungshilfe-Programm „Maiz Solidario“ will Millionen Kleinbauern und -bäuerinnen der Chiapas-Region in den Genuss der industriellen Landwirtschaft bringen. Aber diese können auf Ackergifte und auf hybrides, also nicht für die Wiederaussaat geeignetes Saatgut sowie auf Genpflanzen gut verzichten. Deshalb protestieren sie gegen den Anschluss an den Agro-Weltmarkt mit all seinen negativen Folgen für die Nahrungssouveränität, die Gesundheit und die Umwelt.

Millionengeschäft mit der UNFPA
In seinem Nachhaltigkeitsbericht verbucht der Leverkusener Multi seine Kooperation mit dem „UN Population Fund“ (UNFPA) als zivilgesellschaftliches Engagement. Die Zusammenarbeit dient aber ausschließlich dem Zweck, neue Absatzmöglichkeiten für seine Kontrazeptiva zu finden. Die UN handelt nämlich immer noch nach der vom ehemaligen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson formulierten Devise „Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“ und verteilt unter den Armen der Welt Verhütungsmittel en masse. Deshalb hatte der seit 2006 zu BAYER gehörende SCHERING-Konzern schon früh entsprechende Kontakte geknüpft (SWB 4/06). Diese zahlen sich auch heute noch aus. Bei empfängnisverhütenden Mitteln steht der Pharma-Riese an der Spitze der UNFPA-Lieferliste; für 25 Millionen Dollar kauften die Vereinten Nationen 2009 in Leverkusen ein.

8.000 asiatische Versuchskaninchen
Der Leverkusener Multi verlegt immer mehr Medikamentenversuche in arme Länder. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Allein in Asien setzen sich zur Zeit 8.000 Personen den Risiken und Nebenwirkungen von neuen BAYER-Arzneien aus.

POLITIK & EINFLUSS

Pott Kölner Hochschulrats-Vorsitzender
Der Leverkusener Multi hat mit der Kölner Universität im Jahr 2008 eine umfangreiche Forschungskooperation im Medizin-Sektor vereinbart, über deren genaue Modalitäten sowohl Hochschule als auch BAYER jede Auskunft verweigern (siehe AKTION & KRITIK). Die fürsorgliche Belagerung der Bildungseinrichtung durch den Multi spiegelt sich auch auf der Verwaltungsebene wider. So hat der Konzern-Manager Richard Pott den Vorsitz des Hochschulrats übernommen.

Konzerne starten Energie-Kampagne
Auf großflächigen Anzeigen haben BAYER-Chef Werner Wenning, EON-Vorstand Johannes Teyssen, Josef Ackermann von der DEUTSCHEN BANK und über 30 andere Manager die Energiepolitik der Bundesregierung angegriffen. Sie kritisierten geplante Maßnahmen wie die Brennelemente-Steuer und die Streichung der Ökosteuer-Ausnahmeregelungen für energie-intensive Branchen wie die Chemie und verlangten ein Bekenntnis zu Atom- und Kohlekraftwerken. „Damit die Preise für alle bezahlbar bleiben, können wir bis auf Weiteres nicht auf kostengünstige Kohle und Kernenergie verzichten“, schreiben die Bosse. Hauptsache billig, meinen sie also und nennen das „Mut zum Realismus“. Bei Zuwiderhandlungen drohen die Millionäre wieder einmal mit Unbill für den Standort Deutschland. Ursprünglich drohte auch Michael Vassiliadis von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE mit. Aber dann fehlte sein Konterfei doch, wofür es unterschiedliche Erklärungen gibt. Laut Süddeutscher Zeitung hat der RWE-Vorstandsvorsitzende Jürgen Großmann den Gewerkschaftler ohne dessen Wissen zum Bundesgenossen gemacht und vom verdutzten ArbeiterInnen-Vertreter kurz vor Toresschluss eine Absage erhalten. Nach Informationen der Rheinischen Post hingegen zog Vassiliadis seine Unterschrift erst zurück, nachdem VERDI-Chef Frank Bsirske seine Teilnahme verweigert hatte, da der IG BCEler inner-gewerkschaftlichen Twist vermeiden wollte. Auch unter den Konzernen selber herrscht nicht immer solch eine traute Eintracht. So haben große Stromkunden wie BAYER wegen der hohen Abgabe-Preise immer wieder mit den Strom-Anbietern gehadert und sogar Anspruch auf Teile des Extra-Profites von 66 bis 84 Milliarden Euro erhoben, den die AKW-Laufzeitverlängerung RWE & Co. in die Kassen spült (Ticker 2-3/10).

BAYER & Co. gegen Finanzmarkt-Reformen
Auch BAYER nutzt die umstrittenen Instrumente, die der Finanzmarkt bietet. So hat der Konzern Geld in Derivaten angelegt, die eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber sind. Der Leverkusener Multi weist dabei das Motiv „Spekulation“ weit von sich. „Derivate Finanzinstrumente werden dabei fast ausschließlich zur Absicherung von gebuchten und geplanten Transaktion abgeschlossen“, heißt es im Geschäftsbericht. Aber die Interessen der SpekulantInnen sind auch die Interessen BAYERs. Darum hat der Leverkusener Multi in Tateinheit mit BMW, DAIMLER, ROLLS ROYCE und anderen Unternehmen an die EU appelliert, den Derivate-Markt nicht zu regulieren. Die Konzerne rechnen damit, im Falle einer solchen Reform nicht mehr so schnell an Finanzierungsmöglichkeiten zu kommen wie ihre US-amerikanische Konkurrenz und befürchten Wettbewerbsnachteile. In ihrer Eingabe sprechen sie allerdings nicht nur pro domo, sondern haben das große Ganze im Blick und entwerfen ein Horrorszenario. „Statt die nächste Krise zu verhindern, könnten sie die nächste Krise auslösen“, mit diesen Worten warnen BAYER & Co. die EU-Kommission vor strengeren Finanzcasino-Spielregeln.

Aus für Ökosteuer-Ausnahmen?
Die strom-intensivsten Branchen wie z. B. die Chemie-Industrie müssen relativ gesehen am wenigsten Ökosteuer zahlen. Nach erfolgreichen Interventionen von BAYER & Co. hatte die rot-grüne Koalition ihnen 1999 bei der Verabschiedung des Gesetzes großzügige Ausnahmeregelungen eingeräumt, die den Konzerne bis zu neun Milliarden Euro ersparen. Diese Subventionen will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble jetzt um 2,5 Milliarden abbauen, was einen Sturm der Entrüstung auslöste. „Was da im Bundesfinanzministerium geplant wird, ist ein Anschlag auf Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze dieser Branchen“, sagte nicht etwa BAYER-Chef Werner Wenning, sondern Michael Vassiliades von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE. Aber selbstverständlich kritisierten auch Chemie-Bosse das „Gesetz zur Reduzierung der Subventionen der ökologischen Steuerreform“. Von „Gift für den Aufschwung“ sprachen sie - und werden sicherlich auch erhört werden.

CDU-Wirtschaftsrat für Sozialkürzungen
Der Wirtschaftsrat der CDU, bei dem Wolfgang Große Entrup genauso wie bei BAYER für die Umweltpolitik zuständig ist, hat massive Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich gefordert. Im Etat von Ursula von der Leyen sieht er ein Einsparpotenzial von 40 Milliarden Euro. Das Budget ihres Kollegen Philipp Rösler will das Gremium durch eine forciertere Abwicklung des paritätisch von Beschäftigten und Unternehmern finanzierten Krankenversicherungssystems und die Ausklammerung der Zahnbehandlungskosten aus dem Erstattungskatalog der Krankenkassen entlasten.

Obamas Klimaschutz-Politik scheitert
Barack Obama trat mit einer ehrgeizigen Klima-Politik an. So wollte er die US-amerikanischen Kohlendioxid-Emissionen gegenüber 2005 um 17 Prozent reduzieren und einen den Ausstoß senkenden Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten einführen. Aber BAYER & Co. liefen Sturm gegen die angeblich gerade in Krisenzeiten kontraproduktive „Klima-Steuer“ und setzten sich durch. Erst änderten die DemokratInnen ihren Gesetzes-Entwurf, strichen die Passagen über Kohlendioxid-Obergrenzen und den Emissionshandel, dann gaben sie das Projekt im Juli 2010 schließlich ganz auf. „Wir wissen, dass wir nicht genug Stimmen haben“, so Harry Reid, der Fraktionsvorsitzende der DemokratInnen im Senat, zur Begründung.

BDI gegen EU-Klimaschutzpläne
8,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid hat BAYER im Geschäftsjahr 2009 produziert. Um den Klimawandel nicht werter zu befördern, müsste der Konzern seinen Ausstoß drastisch reduzieren. Das jedoch lehnt er ab. In Tateinheit mit den anderen im „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) organisierten Unternehmen sprach sich der Leverkusener Multi gegen Pläne europäischer UmweltministerInnen aus, die Treibhausgas-Emissionen innerhalb der EU bis zum Jahr 2020 nicht mehr nur um 20 Prozent, sondern um 30 Prozent zu senken. „In Zeiten, in denen ganze Branchen schwerer zu kämpfen haben denn je zuvor, gefährdet jede zusätzliche Belastung den Aufschwung“, ließ der BDI verlauten.

BDI für Steuerentlastungspläne
Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) hat sich mit dem Steuerrecht befasst und nicht weniger als 170 Vereinfachungsvorschläge eruiert. Selbstverständlich geht es dabei überhaupt nicht um eine Senkung der Abgabe-Lasten, sondern nur um eine „Reduzierung unnötiger Bürokratie“. Als zu bürokratisch empfinden BAYER & Co. etwa die Steuern auf Verlagerungen von Betriebsteilen ins Ausland und das mit Steuer-Paradiesen wie Singapur vereinbarte Anrechnungsverfahren, das die dortigen Sätze auf das bundesdeutsche Niveau hebt (siehe auch RECHT & UNBILLIG).

BAYER spendet an UN
Mit BAYER, DAIMLER/CHRYSLER, SHELL und 47 anderen Global Playern unterzeichnete UN-Generalsekretär Kofi Annan Ende Juli 2000 in New York den „Global Compact“, eine unverbindliche Vereinbarung zur Umsetzung internationaler Menschenrechts-, Sozial- und Umweltstandards (Ticker 4/00). Im Gegenzug berechtigt die Unterschrift BAYER & Co., mit dem UN-Emblem für Konzern-Produkte zu werben. Das lassen die Unternehmen sich auch etwas kosten. 1,7 Millionen Dollar spendeten sie im Jahr 2009 dem „Global Compact“ für seine diversen Projekt. BAYER fand sich in der Gruppe der Konzerne, die 1.000 bis 5.000 Dollar gaben. Solch einen Wohltäter möchte die UN nicht verlieren. Während sie bereits 1.300 Firmen wegen Verstoßes gegen den Werte-Kanon ausschloss, weigert sie sich bisher standhaft, einer Forderung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nachzugeben und dem Leverkusener Multi wegen des Störfalls in Institute und dem nachfolgenden desaströsen Katastrophen-Management die Rote Karte zu zeigen (Ticker 1/10).

Lobbyismus als Dienstleistung
In wichtigen Hauptstädten wie Berlin, Brüssel, Washington und Peking unterhält der Leverkusener Multi mittlerweile so genannte Verbindungsbüros. „Wir bei BAYER verstehen uns als Bestandteil der Gesellschaft und sehen es daher als unsere Pflicht, uns in die gesetzgeberischen Entscheidungsprozesse einzubringen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning zur Begründung. Und seine oberste Einbringerin in Berlin, Patricia Solaro, betrachtet sich nicht als schnöde Lobbyistin; ihrem Verständnis nach hat sie eine Service-Funktion. „Wir sind Dienstleister für die Politiker, das bedeutet, wir müssen komplexe Sachverhalte aus den Bereichen ‚Pharma‘, ‚Gesundheit‘ und ‚Chemie‘ verständlich darstellen“. Im Moment gibt die Dame den Abgeordneten Nachhilfe in „steuerlicher Forschungsförderung“ (s. u.), „Bildungsförderung“ und „Ordnungspolitik“.

BAYERs Beitrag
„Mit dem BAYER-Politikbrief ‚Beitrag‘ bringen wir unsere Expertise in die politische Debatte in Deutschland ein“, so charakterisiert der Leverkusener Multi Sinn und Zweck seiner neuen Publikation, die sich an „politische Entscheider auf Bundes- und Landesebene sowie Wissenschaft, Wirtschaft und Medien“ wendet. Die neueste Ausgabe ist dem derzeitigen politischen Lieblingsthema des Konzerns, der steuerlichen Absetzbarkeit von Forschungsaufwendungen, gewidmet. BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke zeigt den PolitikerInnen dort auch gleich, wie es gehen kann, und „entwirft eine steuerliche Förderung für Deutschland“. Um seinen Worten Gehör zu verschaffen, hat der Konzern sich prominenten Beistandes versichert. Jürgen Mlynek von der Helmholtz-Gesellschaft, der österreichische Finanzminister Josef Pröll und Christof Ernst und Friedrich Heinemann vom „Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung“ unterstützten BAYERs dreistes Subventionsbegehr.

BAYERs Lobby-Akademie
2009 hat BAYER in Kooperation mit dem „European Training Institute“ die „Brussels Academy“ gegründet. Die Einrichtung hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Schulungskursen Lobby-Techniken zu vermitteln. Zudem will sie „die Lücke zwischen Unternehmen und der Zivilgesellschaft“ schließen und baut zu diesem Zweck Beziehungen mit Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und VerbraucherInnen-Organisationen auf. Der WORLD WILDLIFE FUND (WWF) ist dem Leverkusener Multi schon ins Netz gegangen und bereitet für den „Civil Society Council“ eine Diskussionsrunde zum Thema „Wissenschaft und Regulierungen“ vor.

Bund gründet Rohstoffagentur
Die Versorgung mit Öl und anderen zur Neige gehenden Rohstoffen bereitet BAYER & Co. zunehmend Sorge, weshalb ihr Druck auf die Politik zunimmt, die Ressourcen-Versorgung sicherzustellen (SWB 1/10). Um dies besser gewährleisten zu können, hat die Bundesregierung im Juni 2010 die „Deutsche Rohstoffagentur“ gegründet.

Tajani besucht BAYER
Der EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie, Antonio Tajani von Berlusconis rechtspopulistischem „Haus der Freiheiten“, besuchte im März 2010 den BAYER-Stammsitz Leverkusen. „BAYER macht in der Unternehmensphilosophie und in den Produkten ein starkes Engagement für Innovation und Nachhaltigkeit deutlich“, zeigte sich der Politiker beeindruckt. In Begleitung des alten BAYER-Bekannten Herbert Reul (CDU), der dem EU-Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie vorsitzt, erörterte Tajani mit Vorständler Wolfgang Plischke und anderen Managern Brüssels neue Industriepolitik-Strategie „Europa 2020“ sowie BAYERs Lieblingsthemen „Patentschutz“ und „Steuererleichterungen für Forschungsleistungen“.

Shouwen Wang besucht Chemie„park“
Im letzten Jahr haben die BAYER-Chemie„parks“ in Leverkusen, Dormagen und Krefeld ein Kooperationsabkommen mit einem chinesischen Pendant, dem „Nanjing Chemical Industry Park“ geschlossen und einen Informationsaustausch, gemeinsame Weiterbildungsaktivitäten sowie eine Überlassung von Beschäftigten vereinbart. Im Rahmen dieses „Joint Ventures“ besuchte der Nanjinger Bürgermeister Shouwen Wang im April 2010 mit zehn chinesischen Managern den Leverkusener Chemie„park“. Gastgeschenke wie Ansiedlungsversprechen chinesischer Betriebe hatte er allerdings nicht im Gepäck.

Schmitt im Dormagener Stadtrat
Bernhard Schmitt ist nicht nur der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von CURRENTA, dem Gemeinschaftsunternehmen von BAYER und seiner Chemie-Abspaltung LANXESS, er gehört auch dem Dormagener Stadtrat an und sitzt dort der SPD-Fraktion vor.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER sponsert Kindertheater-Projekt
Im Rahmen des „social sponsoring“ arbeitet der Leverkusener Multi seit längerem mit dem Kinderhilfswerk „Die Arche“ zusammen, das der evangelikalen „Deutschen Evangelischen Allianz“ angehört. Als neuestes Projekt fördert BAYER ein Theater-Angebot für 100 Kinder.

Biodiesel-PR in rumänischer Zeitung
Nicht nur die Sindelfinger Zeitung hat einen PR-Text von DAIMLER, der ein gemeinsam mit BAYER durchgeführtes Biodiesel-Projekt in den höchsten Tönen lobt, ohne Verweis auf die Quelle abgedruckt und ihm dadurch journalistische Weihen verliehen, was der Publikation dank der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN eine Rüge des Presserates einbrachte (SWB 2-3/10). Auch das rumänische Blatt Curierul National hat sich für diese Schleichwerbung hergegeben.

500 Millionen Pfund für Pillenwerbung
Für Pillenwerbung in Europa, Asien und Lateinamerika gibt BAYER jährlich 500 Millionen Pfund aus. Die USA einbezogen, dürfte noch einmal ein erkleckliches Sümmchen dazukommen. Dort ist nämlich Reklame für verschreibungspflichtige Medikamente erlaubt.

BAYER VITAL stockt Werbeetat auf
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat im letzten Jahr nach Angaben des Fachmagazins Horizont 51,9 Millionen Euro für Reklame ausgegeben, fast 8,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Nur KLOSTERFRAU und BOEHRINGER INGELHEIM investierten mehr. TV-Werbung und Anzeigen in Publikumszeitschriften schlucken dabei den Löwen-Anteil des Etats. Immer größere Summen fließen jedoch ins Internet. Der Leverkusener Multi platziert fleißig Banner im Umfeld von Gesundheitswebseiten und sorgt dafür, dass GOOGLE vornehmlich BAYER findet. „Suchmaschinen-Marketing“ heißt das im Fachjargon.

Spielend den Blutzucker messen
BAYER will junge DiabetikerInnen mit dem Blutzucker-Messgerät DIDGET zur regelmäßigen Blutkontrolle anregen. Zu diesem Zweck enthält es ein extra für diese Altersgruppe unter den Blutzucker-Kranken entwickeltes Spiel, das NINTENDO-kompatibel ist und für gute Werte und regelmäßige Blutzucker-Checks Bonus-Punkte vergibt.

Ferien bei BAYER
Wenn das keine Alternative zu Sommer, Sonne & Strand ist: „Pünktlich zum Ferien-Start öffnet BAYER CROPSCIENCE für jugendliche Naturwissenschaftsfans sein Schülerlabor „Baylab Plants“, vermeldet die Rheinische Post. Und es haben sich wirklich ein paar Sonnen-AllergikerInnen gefunden, die es auch sonst nicht so mit der Natur haben und meinen, ihr auf die Sprünge helfen zu müssen, indem sie am Erbgut von Pflanzen herumdoktorn und etwa versuchen, Raps zu „verbessern“, damit er als Biokraftstoff besser in die Tanks passt. Über die Risiken und Nebenwirkungen des Agro-Sprits wie die Gefährdung der Ernährungssicherheit durch das Verdrängen von Anbaufläche für Nahrungsmittel-Grundstoffe erfuhren die SchülerInnen während ihrer „Betriebsferien“ natürlich nichts.

TIERE & ARZNEIEN

USA schränken Antibiotika-Gaben ein
BAYERs Geschäft mit dem Tier-Antibiotikum BAYTRIL (Wirkstoff: Fluorchinolon) läuft prächtig. Die ZüchterInnen verabreichen es ihrem Vieh nämlich nicht nur im Krankheitsfall, sondern routinemäßig zur Mast. Die massenhafte Gabe von Antibiotika in der Massentierhaltung birgt allerdings große Gefahren, denn Krankheitskeime können Resistenzen gegen die Mittel ausbilden und - wenn sie in den Nahrungskreislauf gelangen - z. B. schwere Magen/Darm-Infektionen auslösen, gegen die Human-Antibiotika auf Fluorchinolon-Basis wie BAYERs CIPROBAY dann machtlos sind. Aus diesem Grund hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde jetzt die Empfehlung ausgesprochen, BAYTRIL & Co. nur noch bei Gesundheitsschädigungen zu verabreichen.

DRUGS & PILLS

140 YASMIN-Tote
Nach Recherchen des schweizer TV-Magazins 10vor10 hat BAYERs Antibaby-Pille YASMIN in den USA den Tod von 140 Frauen verursacht; YAZ ist für weitere 50 Sterbefälle verantwortlich. 10.000 Spontanmeldungen über unerwünschte Nebenwirkungen von Kontrazeptiva gingen bei der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA binnen der letzten zehn Jahre ein. In der Bundesrepublik starben alleine im letzten Jahr fünf Personen an den Nebenwirkungen von BAYERs Verhütungsmitteln. Für die Pharma-Riesen ist das kein Grund zur Beunruhigung. Spontanmeldungen hätten keine Aussagekraft, wenn es um das Risiko eines Medikamentes ginge, wiegelten die Pillen-Produzenten gegenüber 10vor10 ab und hielten weiter am positiven Nutzen/Risiko-Profil ihrer Produkte fest.

YAZ gegen Regelschmerzen
Ungeachtet der schweren Nebenwirkungen von YASMIN und YAZ (s. o.) sucht BAYER neue Anwendungsmöglichkeiten für die Pillen, da ihr Patent ausgelaufen ist und Nachahmer-Präparate auf den Markt drängen. So hat der Leverkusener Multi in Japan eine Zulassung für YAZ als Mittel zur Behandlung von Regelschmerzen erhalten.

Krebs durch KINZAL?
BAYERs KINZAL (Wirkstoff: Telmisartan) und andere Bluthochdruck-Medikamente aus der Gruppe der Angiotensin-Antagonisten können das Krebsrisiko erhöhen. Das ergab eine Studien-Auswertung der „Case Western Reserve University“ unter Leitung von Ilke Sipahi. Bei ProbandInnen, die Angiotensin-Antagonisten einnahmen, bildeten sich deutlich mehr Tumore heraus als bei Testpersonen, die Betablocker, ACE-Hemmer oder Placebos schluckten. „Als beunruhigend und provokativ“, bezeichnete der Kardiologe Steven Nissen von der „Cleveland Clinic“ die Ergebnisse. Er vermutet, dass diese „Nebenwirkung“ schon in den Klinischen Prüfungen auftrat und fordert BAYER & Co. auf, die entsprechenden Unterlagen öffentlich zu machen.

Gelenk-Probleme durch ADALAT
Blutdruck-Senker aus der Gruppe der Kalzium-Antagonisten wie die BAYER-Mittel ADALAT und BAYMYCARD führen zu Wasserablagerungen und können so - trotz parallel eingenommener Entwässerungsmittel - Arthrosen in den Gelenken verschlimmern und die Herausbildung von offenen Stellen im Knöchelbereich befördern.

XARELTO bei Thrombosen?
Während die US-Behörden immer noch zögern, dem BAYER-Medikament XARELTO die Genehmigung zu erteilen, weil von ihm ein erhöhtes Risiko für Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden ausgeht und seine Langzeitwirkung nicht geklärt ist, gab die EU bereits 2009 grünes Licht. Sie ließ die Arznei mit dem Wirkstoff Rivaroxaban zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zu. Das reicht dem Leverkusener Multi jedoch nicht. Er möchte das Mittel nur allzu gerne als allgemeines Thrombose-Therapeutikum einsetzen und führt auch entsprechende Versuche durch. Im August vermeldete der Konzern einen durchschlagenden Erfolg, woraufhin der Unternehmenswert an den Börse gleich um zwei Milliarden Euro auf 40 Milliarden Euro stieg. Bei Licht besehen bleibt von dem blendenden Resultat allerdings nicht viel übrig, denn die Latte hing nicht sehr hoch. Die Studie war laut BAYER nämlich nur darauf ausgelegt, „bei mehr als 3.400 teilnehmenden Patienten nachzuweisen, dass Rivaroxaban der Vergleichsmedikation nicht unterlegen ist“. Dieses Klassenziel hat XARELTO erreicht, weshalb auf die Krankenkassen in Kürze wieder ein klassisches „Me too“-Produkt zukommen dürfte.

Kein ASPIRIN bei Hautkrebs
Nach einer Studie des australischen „Queensland Institute of Medical Research“ von 2006 senkt BAYERs ASPIRIN die Gefahr, an Hautkrebs zu erkranken. Eine neue Untersuchung, welche die Fachzeitschrift Archives of Dermatology veröffentlichte, bestätigte diesen Befund allerdings nicht. Sie konnte keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme von ASPIRIN und einem verminderten Hautkrebs-Risiko erkennen.

Starke VIADUR-Nebenwirkungen
Mehrere Studien haben gefährliche Nebenwirkungen von BAYERs VIADUR und anderen Medikamenten zur Prostatakrebs-Behandlung festgestellt, die mittels Hormonen für eine Schrumpfung der Prostata-Drüse sorgen. Den WissenschaftlerInnen zufolge führten diese Arzneien zu Todesfällen, Herzinfarkten, Schlaganfällen oder Diabetes. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA kündigte daraufhin genauere Untersuchungen an.

Warnung vor Testosteron-Pillen
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen, obwohl die Testosteron-Werte von Männern ab 40 nur um ein bis zwei Prozent pro Jahr sinken. Das englische Fachmagazin Drug and Therapeutics Bulletin hat MedizinerInnen jetzt eindringlich davor gewarnt, sich in die Werbe-Maßnahmen einbinden zu lassen. Wegen Nebenwirkungen wie Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen oder Brust-Wachstum riet die Publikation zu äußerster Vorsicht beim Verschreiben der Mittel.

BAYER & Co. bezahlen ÄrztInnen
Nach einer Umfrage der Universität Mainz unter ÄrztInnen erhielt im Jahr 2007 jeder zweite der Befragten Zahlungen von der Pharma-Industrie. BAYER & Co. honorierten vor allem die als Wissenschaft getarnten Anwendungsbeobachtungen von Medikamenten, die nur dem Zweck dienen, die PatientInnen auf das getestete Präparat umzustellen. Aber auch für BeraterInnen-Tätigkeiten, Vorträge oder Aufsätze in Fachzeitschriften investierten die Konzerne Geld.

Russland reguliert Pharma-Markt
BAYER ist die Nummer fünf auf dem russischen Pharma-Markt. In Zukunft dürfte der Rubel aber nicht mehr so rollen. Die Regierung will nämlich die Preise regulieren und dabei den einheimischen Pillen-Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen. Den Global Playern bleibt also nur, künftig vor Ort zu produzieren oder aber Allianzen mit russischen Firmen einzugehen.

Chinas Pharma-Markt wächst
China eifert den USA nach und integriert mehr Menschen in das Krankenversicherungssystem. Dem Leverkusener Multi wachsen so 200 Millionen neue KundInnen zu, die der Konzern binnen der nächsten fünf Jahre mit 20 neuen Arzneien begrüßen will. Der Chef von BAYERs chinesischer Pharma-Sparte, Chris Lee, rechnet mit einem Pillen-Markt, dessen Volumen sich von heute bis zum Jahr 2020 fast um das Zehnfache auf 220 Milliarden Dollar vergrößern wird.

Indiens Pharma-Markt wächst
Der Leverkusener Multi rechnet mit stark wachsenden Pillen-Umsätzen in Indien. Bei Steigerungsraten von jährlich 14 Prozent prognostiziert der Konzern für 2012 ein Markt-Volumen von 82 Milliarden Dollar (2007: 42 Milliarden). Darum hält er nach günstigen Zukäufen Ausschau und verdreifacht die Zahl seiner Pharma-ReferentInnen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Endgültiges Aus für Tolylfluanid
Vor drei Jahren hatte das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) die Zulassung für BAYERs Pestizid-Wirkstoff Tolylfluanid ausgesetzt, den der Agro-Riese unter den Produkt-Namen EUPAREN M WG, FOLICUR EM und MELODY MULTI vermarktet (Ticker 2/07), da die Substanz bei der Trinkwasser-Aufbereitung ultragiftige Stoffe bilden kann. Benutzen die Wasserwerke bei der Reinigung nämlich Ozon, so kann es mit einem Abbauprodukt von Tolylfluanid reagieren und auf diesem Weg das gesundheitsgefährdende Nitrosamin produzieren. Diese Sachlage bewog die EU jetzt, die Agro-Chemikalie ganz zu verbieten.

Aldicarb raus aus USA
Das BAYER-Pestizid Aldicarb, vermarktet unter dem Namen TEMIK, gehört als Organophosphat zur Gefahrenklasse 1a - und damit zur höchsten. Die EU hat das Ackergift deshalb schon im Jahr 2007 aus dem Verkehr gezogen, wogegen der Leverkusener Multi sich mit Händen und Füßen gewehrt hatte. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA sieht jetzt ebenfalls Handlungsbedarf, weil die Agro-Chemikalie die Lebensmittel-Sicherheit gefährdet. Sie gewährte dem Agro-Riesen jedoch noch eine Gnadenfrist bis Ende 2014.

Alt-Pestizide in Nepal
In den vergangenen Jahrzehnten haben die Agro-Multis - gefördert von „Entwicklungshilfe“-Programmen - „Drittweltländer“ großzügig mit Ackergiften versorgt. Die Folge: Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation der UN lagern dort über eine halbe Million Tonnen Alt-Pestizide, schlecht gesichert in lecken Behältern, zerrissenen Tüten und geplatzten Säcken. Altlasten made by BAYER sind nach GREENPEACE-Angaben in rund 20 Ländern vertreten. Unter anderem auch in Nepal. Vor neun Jahren begann die Umweltorganisation dort, Bestände zu sichern (SWB 4/01). Methyl Parathion, Solbar und Quecksilberchlorid aus den Werken des Leverkusener Multis verpackten die Umweltschützer zusammen mit Ackergiften anderer Firmen transportfertig in Spezialfässer. Aber immer noch ticken in dem Land chemische Zeitbomben. Im Moment setzt gerade die Asien-Sektion des PESTIZID-AKTIONS-NETZWERKs (PAN) die Arbeit von GREENPEACE fort und füllt Agro-Chemikalien von BAYER & Co. in dickwandige Behältnisse um.

Weniger Pestizide verkauft
Im Jahr 2009 schlug die Wirtschaftskrise auch auf den Pestizid-Markt durch, der um ca. zehn Prozent auf 37,7 Milliarden Dollar schrumpfte. Die Erlöse von BAYER CROPSCIENCE vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen gingen deshalb um 5,9 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro zurück.

GAUCHO & Co. noch gefährlicher
Eine Untersuchung des niederländischen Toxikologen Dr. Henk Tennekes stellt den beiden Pestizid-Wirkstoffen Imidacloprid (enthalten in BAYERs GAUCHO) und Thiacloprid (Produktname: PROTEUS) ein noch schlechteres Gesundheitszeugnis aus als frühere Studien. „Das Risiko von Pestiziden wie Imidacloprid und Thiacloprid wird wahrscheinlich enorm unterschätzt, besonders für Wasserlebewesen und Bodenorganismen. Die bislang gültigen Grenzwerte wurden weitgehend aus Kurzzeit-Tests abgeleitet. Würde man Langzeit-Versuche durchführen, könnten schon bei wesentlich geringeren Konzentrationen verheerende Schäden auftreten. Damit kann erklärt werden, wieso schon geringe Mengen Imidacloprid längerfristig Bienensterben verursachen können“, so der Wissenschaftler. Der Wissenschaftler zeigte sich äußerst besorgt über die hohen Ackergift-Konzentrationen in Oberflächen-Gewässern. So ergaben Messungen der niederländischen Umweltbehörde Imidacloprid-Belastungen weit oberhalb des EU-Grenzwertes für Trinkwasser von 0,1 µg/l pro Liter (µg/l): Bis zu 320 Mikrogramm pro Liter wiesen die BeamtInnen nach.

BAYER kritisiert Pestizid-Gesetz
Im Jahr 2009 hat die EU eine strengere Pestizid-Verordnung verabschiedet. Nach der neuen Regelung erhalten mit Glufosinat, Carbendazim, Mancozeb, Tebuconazole, Bifenthrin und Thiacloprid sechs Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, keine Zulassung mehr. Der Leverkusener Multi ist darüber not amused. Er wirft der Europäischen Union eine „Überinterpretation des Vorsorge-Prinzips“ vor und sieht die Produktivität der Landwirtschaft wegen angeblichen Giftmangels schwinden.

Krebs durch BAYGON
In der Chiapas-Region hat die indigene Bevölkerung 2004 BAYERs Agrochemikalie BAYGON (Wirkstoff: Lindan) dazu benutzt, um die Kopfläuse ihrer Kinder zu behandeln, was zu einer deutlich gestiegenen Krebsrate geführt hat.

Bauernsterben durch Endosulfan
Jahrelang hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan auch in anderen Ländern nicht mehr zu vertreiben. Im letzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09). Aber vorher gab es noch einmal eine Überdosis Chemie. Das Unternehmen warf alle Restbestände auf den Markt, was zu hohen Belastungen führte. Besonders hart traf es brasilianische Bio-LandwirtInnen. Ihre Soja-Ernte weist so große Endosulfan-Rückstände auf, dass sie unverkäuflich ist. 300 Bauern und Bäuerinnen droht deshalb die Pleite.

Moskito-Netze mit Deltamethrin
BAYER hat Moskito-Netze entwickelt, in deren Fasern der Pestizid-Wirkstoff Deltamethrin eingearbeitet ist. Das soll die Mücken, die Malaria übertragen, unschädlich machen. Allerdings bergen die „Life-Nets“ mit ihrem nicht abgeschirmten textilen Gift-Reservoir auch selber Gesundheitsgefahren, besonders für Kinder.

Pyrethroide im Blut
Eine neue US-amerikanische Untersuchung stellte eine hohe Belastung der Bevölkerung durch Insektizide auf Pyrethroid-Basis fest. So fanden sich in 70 Prozent der Urin-Proben Spuren von Mitteln wie BAYERs BAYTHROID oder BULLDOCK; bei Kindern waren die Konzentrationen besonders hoch. Welche Gesundheitsgefahr von den Stoffen ausgeht, legte 2008 eine Studie der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA dar (Ticker 3/08). Die Expertise machte die Pyrethroide für 20 Todesfälle und 22.500 zum Teil schwerwiegende Vergiftungen zwischen 1997 und 2007 verantwortlich.

ADHS durch Pestizide?
Eine neue Untersuchung von Maryse F. Bouchard und anderen ForscherInnen hat einen Zusammenhang zwischen erhöhter Pestizid-Belastung und der Anfälligkeit für die Aufmerksamkeitsdefizit-Störung ADHS festgestellt. So erhöht sich für Kinder mit auffälligen Agrochemie-Konzentrationen im Urin die Gefahr, an ADHS zu erkranken, um mehr als 50 Prozent.

Chlorpyrifos-Belastungen in Ägypten
Pestizide sind Nervengifte und können deshalb neurologische Gesundheitsschäden verursachen. Solche weisen nach einer neuen Untersuchung Beschäftigte im ägyptischen Baumwollanbau auf. Die ForscherInnen führten das auf den Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos zurück, der auch in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER enthalten ist. Die Chlorpyrifos-Werte der LandarbeiterInnen überschritten die Hintergrund-Belastung der US-Bevölkerung um das 1.300fache.

GENE & KLONE

LIBERTY ist überall
BAYERs genmanipulierter Raps LIBERTY LINK, der gegen das Unkrautmittel Glufusinat immun ist, hat sich in den USA weitflächig ausgekreuzt. An Straßenrändern weitab von den Gentech-Feldern untersuchten ForscherInnen 406 wild wachsende Rapspflanzen, und in nicht weniger als 347 von ihnen stießen sie auf Resistenzen gegen Glufosinat und/oder MONSANTOs Glyphosat. Vor solch einer unkontrollierten Ausbreitung hatten Gentechnik-GegnerInnen immer wieder gewarnt, aber Wirtschaft und Politik blieben tatenlos.

Kein Genreis in Brasilien
Im Jahr 2006 war gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo eine Zulassung vorlag. Damit verursachte der Leverkusener Multi den größten Gen-Gau der Nuller-Jahre. Trotzdem hält er unverdrossen an seinem Labor-Reis fest. In Brasilien musste der Konzern sich jetzt aber dem Widerstand von LandwirtInnen, VerbraucherInnen und UmweltschützerInnen beugen: Er zog wegen der „Notwendigkeit, den Dialog mit den Hauptbeteiligten der Reis-Produktionslinie in Brasilien zu erweitern“ den Genehmigungsantrag für die gegen das hochgefährliche Herbizid Glufosinat (Produktname: LIBERTY) resistente Sorte „LL62“ vorerst zurück.

Abkommen mit SYNGENTA
Der Leverkusener Multi kann seine Baumwoll-Pflanzen bald mit neuen Genen bestücken. Er hat von SYNGENTA eine Lizenz zur Nutzung zweier Proteine erworben, die gegen den Baumwollkapselbohrer und die Tabakknospen-Eule wirken sollen.

Mehr Schadinsekten durch Bt-Pflanzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis ein, um Schadinsekten zur Strecke zu bringen. Nach einer Langzeit-Studie chinesischer WissenschaftlerInnen sieht die Bilanz allerdings nicht so gut aus. Die ForscherInnen untersuchten Felder mit Bt-Baumwolle und stellten zwar eine abnehmende Zahl von Maiszünslern fest, dafür aber eine Zunahme von Weichwanzen und anderen Organismen.

Gen-Versuche im Müritzkreis
Im Müritzkreis, wo jetzt Freisetzungsversuche mit der BASF-Kartoffel AMFLORA stattfinden, haben nach Informationen der BI MÜRITZREGION - GENTECHNIKFREI WissenschaftlerInnen in der Vergangenheit auch gentechnisch manipulierte Raps- und Kartoffelsorten von BAYER getestet.

Kein NEXAVAR bei Lungenkrebs
BAYERs extrem teure und das Leben von Nieren- und Leberkrebs-PatientInnen nur minimal verlängernde Gentech-Arznei NEXAVAR (siehe auch SWB 4/10) scheitert bei immer mehr Versuchen, das Anwendungsspektrum zu erweitern. Nach negativ verlaufenden Tests bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs kam jetzt auch das Aus bei Lungenkrebs.

WASSER, BODEN & LUFT

Pestizide belasten Gewässer
Dem Bewirtschaftungsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für seine Gewässer zufolge belasten Pestizide die Flüsse immer noch massiv. Zahlreiche Pestizid-Wirkstoffe, die auch in BAYER-Ackergiften enthalten und teilweise gar nicht mehr zugelassen sind, verletzten die Umweltqualitätsnorm. So überschritten die Werte für Endosulfan, Diuron, Dichlorprop, Fenthion, MCPA, Mecoprop, Diazinon und Glyphosat mehrmals im Jahr das Limit. Diese Belastungssituation entspricht nicht den Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Deshalb will die Politik auch auf Zeit spielen und die Umsetzung verzögern. „Viele Maßnahmenträger haben bei genereller Zustimmung zu den Bewirtschaftungszielen Finanzierungs - und Planungsvorbehalte vorgetragen“, heißt es in dem noch von Umweltminister Eckhard Uhlenberg verantworteten Bericht, weshalb „Fristverlängerungen vorgesehen sind“.

Bisphenol A belastet den Rhein
BAYER ist einer der größter Hersteller der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, die unter anderem in Baby-Flaschen und Konservendosen Verwendung findet und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe SWB 4/10). Zu allem Unglück verunreinigt die Substanz laut Bewirtschaftungsbericht des NRW-Umweltministeriums auch den Rhein, wobei die Konzentration an mehreren Messstellen sogar die Orientierungswerte - Grenzwerte gibt es für den Stoff nicht - überschritten hat.

Jede Menge Kohle
Bei der Strom-Gewinnung setzt BAYER immer noch sehr stark auf die klima-schädliche Kohlekraft. An der Gesamtsumme der erzeugten Energie von 48.124 Terajoule hatte die Steinzeit-Technologie 2009 mit 17.000 Terajoule hinter Erdgas mit 29.400 Terajoule den größten Anteil.

8,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid
Trotz markanter Produktionsdrosselungen infolge der Wirtschaftskrise hat BAYER 2009 den Kohlendioxid-Ausstoß kaum minimieren können. Er betrug 8,1 Millionen Tonnen und sank damit gegenüber dem Vorjahr nur um 0,56 Millionen Tonnen. Mit 4,83 Millionen Tonnen hatte BAYER MATERIAL SCIENCE den größten Anteil daran.

Antwerpen: Anhörung wg. Kraftwerk
Der Energie-Riese E.ON will auf dem Antwerpener Werksgelände von BAYER das größte Kohlekraftwerk der Benelux-Staaten errichten. Der Rat der Stadt hatte sich wegen der Emission klimaschädlicher Gase und gesundheitsgefährdender Stoffe allerdings gegen das Mammutprojekt ausgesprochen. Darum kam es jetzt zu einer Anhörung. Dabei hat E.ON zwar angeboten, den avisierten CO2-Ausstoß in Höhe von sechs Millionen Tonnen etwas zu drosseln, das Projekt aber für unabdingbar erklärt, weil sonst das BAYER-Werk in seinem Bestand gefährdet wäre. Eine solche Horrorvision entwarf Konzern-Chef Werner Wenning auf der letzten Hauptversammlung im April 2010 nicht. Seiner Ansicht nach fällt das Bau-Vorhaben von E.ON nicht in seinen Zuständigkeitsbereich. Zudem deutete das Unternehmen an, zur Not auch mit einem umweltfreundlichen Gas/Dampf-Kraftwerk leben zu können.

Kraftwerk: Dachau beteiligt sich nicht
Hinter TRIANEL, dem Bauherrn des auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld geplanten Kohlekraftwerkes, stehen 47 Stadtwerke aus der Bundesrepublik, der Schweiz und Österreich. Im Falle des am Standort des Global Players anvisierten Projektes allerdings nicht so ganz. In Dachau hat ein Bürgerentscheid sich nämlich gegen die Beteiligung der örtlichen Stadtwerke an dem Bau ausgesprochen, woraufhin diese den Vertrag mit TRIANEL kündigten.

Modernes Kraftwerk in Leverkusen
Auch am BAYER-Standort Leverkusen stand kurz die Errichtung eines Kohlekraftwerks zur Diskussion. Der Multi hat sich jedoch eines Besseren belehren lassen und baut jetzt ein umweltschonendes Gas/Dampf-Kraftwerk. Warum nicht gleich so, und warum nicht auch woanders?

BAYER produziert mehr FCKW
2009 stieg bei BAYER die Produktion von FCKW und anderen ozon-abbauenden Stoffen um zwei Prozent auf 17,5 Tonnen. Abermals trägt die Hauptverantwortung dafür das Werk im indischen Vapi. Dessen bereits 2008 angekündigte Modernisierung will der Leverkusener Multi nun stufenweise durchführen und bis 2015 beendet haben.

Weniger Stickstoffoxid-Emissionen
Im Jahr 2009 hat BAYER mit 3,5 Tonnen 400 Kilogramm weniger Stickstoffoxid in die Luft geblasen als im Vorjahr. Die Werte für Kohlenmonoxid gingen um 300 Kilogramm auf 1,4 Tonnen zurück und die für Schwefeloxide um 400 Kilogramm auf 2,8 Tonnen. Die Feinstaub-Emissionen verharrten dagegen unverändert bei 200 Kilogramm.

Wasser-Belastung konstant hoch
Nur „konjunkturell bedingt“ sank dem Leverkusener Multi zufolge die Wasser-Belastung durch seine Werke im Jahr 2009 etwas. Diese leiteten 726 Tonnen anorganischer Salze in die Flüsse ein (2008: 812 Tonnen), 1,35 Tonnen Kohlenstoff (2008: 1,59 Tonnen), 740 Kilogramm Phosphor (2008: 780 Kilogramm), 640 Kilogramm Stickstoff (2008: 670 Kilogramm) und neun Kilogramm Schwermetall (2008: 10,4 Kilogramm).

Weniger, aber gefährlicherer Abfall
Im Jahr 2009 hat der Leverkusener Multi 914.000 Tonnen Abfall produziert, 163.000 Tonnen weniger als 2008. Dafür stieg aber der Anteil gefährlicher Hinterlassenschaften von 365.000 auf 375.000 Tonnen. Das Ziel, die Menge der gesundheitsschädlichen Rückstände auf 2,5 Prozent pro Tonne Verkaufsprodukt zu senken, hat der Leverkusener Multi damit verfehlt. Er macht dafür den 2006 erfolgten Erwerb von SCHERING, die ausgeweitete Pestizid-Produktion sowie - paradoxerweise - den Mengenrückgang bei der Kunststoff-Herstellung verantwortlich, der laut BAYER „das Verhältnis von gefährlichem Abfall zur Produktionsmenge weiter verschlechtert hat“.

CO & CO.

Kontroverse um Alarmplan
Das „Worst Case Scenario“ des Leverkusener Multis für einen Pipeline-Unfall stößt auf große Kritik (Ticker 2/3-10). René Schubert von der Ratinger Feuerwehr etwa prangerte die mangelhafte Ausstattung der Schieberstationen an, so habe das Unternehmen aus Kostengründen auf die Installation von Windmessern verzichtet, weshalb die Feuerwehr bei einem GAU auf den Wetterdienst angewiesen sei. Zudem kalkulierten die Hochrechnungen zum möglichen Umfang eines Gas-Austrittes extreme Wetterlagen nicht ein, so Schubert. Dieses monierte auch der Kreis Mettmann. Zudem sahen die Verantwortlichen nicht ein, warum von einem Zwischenfall zunächst BAYER und dann erst die betroffenen Regionen erfahren sollen. Den Regierungspräsident Jürgen Büssow störten die Bedenken nicht weiter. Er erklärte die Arbeit an dem Gefahrenabwehrplan kurzerhand für beendet. Nur eine Abstimmung der Landkreise mit der Bezirksregierung sei zu seiner Absegnung erforderlich, nicht aber ihre Zustimmung, stellte Büssow klar. Erst nach massiven Protesten an seiner gutsherrlichen Art bequemte er sich dazu, den Mettmanner Landrat Thomas Hendele noch einmal zu einem Meinungsaustausch zu treffen.

Vassiliadis für CO-Pipeline
Michael Vassiliadis, Chef der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE, hat sich die Argumente BAYERs in Sachen „Kohlenmonoxid-Pipeline“ zu Eigen gemacht und warnt vor einem Scheitern des Projektes. „Das würde die Attraktivität des Standortes deutlich verringern. Zug um Zug würden Produktionsanlagen unter Druck geraten und irgendwann verlagert“, drohte er in einem Interview mit der Rheinischen Post.

Treffen mit BAYER ohne Ergebnis
Anfang Juni 2010 haben sich VertreterInnen von Anti-Pipeline-Initiativen mit Emissären von BAYER getroffen. Zu einem konkreten Ergebnis führten die Gespräche allerdings nicht. „In den grundsätzlichen Fragen und in der Bewertung von Alternativen konnte keine Annäherung erreicht werden“, erklärte der Leverkusener Multi nach dem Meeting.

NANO & CO.

Bezirksregierung antwortet
BAYER betreibt in Leverkusen und in Laufenburg Versuchsanlagen zur Fertigung von Nano-Kohlenstoffröhrchen. Die Winzlinge können ungeahnte Folgen für Mensch, Tier und Umwelt haben. So gibt es beispielsweise Hinweise auf eine asbest-ähnliche Wirkung. Trotzdem haben die Verantwortlichen die Fertigungsstätten mit der Begründung, es handele sich nur um Test-Betriebe, in vereinfachten Verfahren ohne Umweltverträglichkeitsprüfungen genehmigt. Ein bereits abgeschlossener Liefervertrag mit der HIRTENBERGER PROSAFE SAFETY TECHNOLOGY GmbH und Aussagen von BAYER wie „Durch die Inbetriebnahme der weltgrößten Pilotanlage für BAYTUBES mit einer Kapazität von 200 Jahrestonnen kommt BAYER MATERIAL SCIENCE der großen Nachfrage einen erheblichen Schritt entgegen“, wecken allerdings Zweifel am Status der Fabriken. Und die Antwort der Kölner Bezirksregierung auf eine entsprechende Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) vermochte diese auch nicht auszuräumen. Die Behörde schrieb zum Laufenburger Werk nämlich: „Nach Mitteilungen des Regierungspräsidiums Freiburg und der Fa. HC STARCK werden die in der CNT-Versuchsanlage seit 2007 bis heute hergestellten Carbon-Nanotubes (...) für Anwendungstests an Dritte veräußert“.

USA genehmigen BAYTUBES
Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA hat BAYER eine Genehmigung zur Vermarktung seiner Nano-Röhrchen mit dem Produktnamen BAYTUBES (s.o.) erteilt, obwohl von den Winzlingen erhebliche Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen können.

BAYTUBES in Flugzeugen
Obwohl BAYER seine BAYTUBES noch gar nicht vermarkten darf (s.o.), häufen sich die Meldungen über Geschäftsabschlüsse. So wurde der Leverkusener Multi mit SOLAR IMPULSE handelseinig und rüstet den Akku eines per Sonnenenergie betriebenen Flugzeugs mit Nano-Röhrchen aus.

PLASTE & ELASTE

Kunststoff in Sonnencremes
Auf der Suche nach neuen Vermarktungsmöglichkeiten für seine Kunststoffe hat der Leverkusener Multi Sonnencremes entdeckt. Ein bisschen Plaste in die Tube, und schon erhöht sich der Sonnenschutzfaktor - das wollen BAYER-ForscherInnen im Labor herausgefunden haben. Darüber hinaus plant der Konzern mit seinen Polyurethanen auch die Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups zu verstärken und Haaren mehr Halt zu verleihen (Ticker 1/09). Die Kunststoff-Nebenwirkungen wie Krebs, Allergien oder Schädigungen der Atmungsorgane stören bei diesem Business-Plan nicht.

IMPERIUM & WELTMARKT

Peterson folgt auf Berschauer
Die seit 2005 beim Leverkusener Multi beschäftigte US-Amerikanerin Sandra E. Peterson übernimmt den BAYER-CROPSCIENCE-Vorsitz von Friedrich Berschauer, der in Ruhestand geht. Mit den bundesdeutschen Verhältnissen ist Peterson trotz ihrer Herkunft bestens vertraut. Die ehemalige Unternehmensberaterin von MCKINSEY machte ihren College-Abschluss mit einer Untersuchung über die bundesdeutsche Chemie-Industrie und arbeitete im Rahmen eines Stipendiums der Robert-Bosch-Stiftung 1984/85 beim „Bundesverband der Deutschen Industrie“ und im Bundesfinanzministerium.

Reinhardt folgt auf Higgins
Der NOVARTIS-Manager Jörg Reinhardt übernimmt den BAYER-HEALTHCARE-Vorsitz von Arthur Higgins, der sich Hoffnungen auf den Posten des Vorstandsvorsitzenden gemacht hatte und nach der Nominierung von Marijn Dekkers kündigte.

Weintritt folgt auf Stegmüller
Volker Weintritt wird neuer Leiter des Brunsbütteler BAYER-Werkes. Sein Vorgänger Roland Stegmüller wechselt nach China und übernimmt den Chefposten der Shanghaier Niederlassung.

BTS-Regionalbüro in Singapur
BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS), die hauptsächlich für den Anlagenbau zuständige BAYER-Sparte, richtet seit einiger Zeit rund um den Globus Regionalbüros ein. So entstanden neue Repräsentanzen in Mumbai und Singapur, weitere will BTS schon bald in Brasilien und Russland eröffnen.

Kooperation mit EQUITY
Beim Leverkusener Multi haben die Störfälle im letzten Jahr markant zugenommen (s. u.). Mit der haus-eigenen BAYKBIS-Software zur Inspektion von Industrie-Anlagen kann es also nicht allzu weit her sein. Sie ist offensichtlich nicht in ausreichendem Maße fähig, Schwachpunkte zu identifizieren. Trotzdem vermarktet der Konzern die Technologie großflächig und versucht Kunden aus der Öl-, Pharma-, Chemie oder Gasbranche zu gewinnen. Im März hat er nun ein Kooperationsabkommen mit einem anderen Hersteller von solchen Programmen unterzeichnet, der EQUITY ENGINEERING GROUP. Deren „API RBI-Software ist der industrielle Standard im Bereich Anlagen-Risikomanagement“, heißt es in der entsprechenden Pressemeldung. Jetzt wollen BAYER und EQUITY die beiden Systeme kombinieren und damit auch die Anforderungen an risiko-basierte Inspektionen (RBI) erfüllen, die das „American Petroleum Institute“ 1993 für Sicherheitschecks von Anlagen der Öl- und Chemie-Industrie formuliert hat. Das Institut dürfte seine Ansprüche allerdings noch einmal überprüfen, denn offensichtlich haben sie nicht ausgereicht, um die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko zu verhindern.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Mehr Störfälle
Die Zahl der Störfälle bei BAYER hat 2009 markant zugenommen. Der Nachhaltigkeitsbericht listet für das Jahr mehr Unfälle auf, als bisher bekannt wurden und verzeichnet 13 „Umweltereignisse“, bei denen es zu einem Austritt gefährlicher Substanzen kam. Im Vorjahr waren es „nur“ neun.

Phosgen-Austritt in Dormagen
Im Dormagener Werk trat nicht bloß am 27.11.09, sondern bereits am 14.1.09 Phosgen aus. Um zu verhindern, dass die hochgiftige Chemikalie an die Luft gerät, musste der Leverkusener Multi eine Dampfwand aus - ebenfalls gesundheitsschädlichem - Ammoniak aufziehen.

LKW-Unfall in Kanada
Am 12.3.09 verunglückt in Kanada ein mit BAYER-Pestiziden b

[Ticker] STICHWORT BAYER 01 2010 Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Proteste wg. DYSTAR-Insolvenz
Den aus der BAYER-Familie verstoßenen Firmen blüht zumeist ein schweres Schicksal. AGFA, DYNEVO und TANATEX warten immer wieder mit harten Einschnitten für die Beschäftigten auf, und der Farbstoffproduzent DYSTAR musste im letzten Jahr sogar Insolvenz anmelden. Es gibt mit dem chinesischen Unternehmen HUBAI CHUYAN und dem indischen Konzern KIRI DYES zwar zwei Kauf-Interessenten, aber die Verhandlungen gestalten sich unter anderem wegen der hohen Pacht, die DYSTAR für ihre Gebäude an die BAYER-Abspaltung LANXESS zu zahlen hat, schwierig. Auf dem Internetforum des Leverkusener Anzeigers werfen LeserInnen BAYER unterlassene Hilfeleistung vor. „Ja, es ist soweit, die nächste Firma ist durch Inkompetenz und blauäugiges Denken in den Ruin getrieben worden. Und wer rührt sich nicht und bietet Hilfe an? Jawohl, unsere ehemalige Mutter, die BAYER AG“, schreibt ein „John Jay“ und bezeichnet die letzten beiden Vorstandsvorsitzenden, Manfred Schneider und Werner Wenning, als „Totengräber der BAYER-Familie“.

Proteste wg. MIRENA
Zu den unerwünschten Arznei-Effekten von BAYERs Hormonspirale MIRENA zählen unter anderem Brustkrebs, Herz/Kreislauf-Krankheiten, Bauchhöhlen-Schwangerschaften, Zysten, Zyklusstörungen und Zwischenblutungen. In den USA haben MIRENA-Opfer deshalb eine Unterschriften-Kampagne durchgeführt und eine Liste mit 1.500 Unterzeichnerinnen an die US-Gesundheitsbehörde FDA gesandt, um Maßnahmen einzufordern. Auch in der Bundesrepublik steht das Verhütungsmittel zunehmend in der Kritik. So finden sich auf der Webseite www.hormonspirale-forum.de zahlreiche Berichte über Risiken und Nebenwirkungen.

Neonicotinoid-Verbot gefordert
BAYERs zur Gruppe der Neonicotinoide gehörende Saatgutbehandlungsmittel PONCHO und GAUCHO haben bereits Millionen Bienen den Tod gebracht. Deshalb erließen viele Länder Anwendungsbeschränkungen. Dem französischen Imker-Verband „Fédération Française des Apiculteurs Professionels“ gehen diese jedoch nicht weit genug. Er fordert ein Komplett-Verbot aller Neonicotinoide.

PAN fordert Chlorpyrifos-Stopp
Pestizide sind für Neugeborene in besonderem Maße schädlich, weil ihr Abwehrsystem erst noch heranreift. Normalerweise ist dieser Prozess mit zwei Jahren abgeschlossen. Nach einer Studie der Berkeley-Universität gibt es jedoch auch Kinder, die noch im Alter von sieben Jahren nicht über eine ausreichende Menge des Entgiftungsenzyms Paraoxonase 1 verfügen. Kommen diese mit der Agrochemikalie Chlorpyrifos in Kontakt, die unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER enthalten ist, so steigt ihr Vergiftungsrisiko gegenüber den Altersgenossen mit voll entwickelter Immunabwehr um das 50-164fache. Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) fordert deshalb ein Verbot von Chlorpyrifos.

CBG: Stopp für Klasse-1-Pestizide!
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat eine neue Kampagne gestartet, um den Leverkusener Multi dazu zu veranlassen, endlich seine Zusage zu erfüllen und alle Pestizide der Gefahrenklasse 1 vom Markt zu nehmen. Bereits im Geschäftsbericht des Jahres 1995 hatte der Agro-Riese nämlich angekündigt: „Mit einem Drei-Punkte-Programm haben wir uns hinsichtlich Forschung, Entwicklung und Vertrieb der Pflanzenschutz-Produkte klare Ziele für die kommenden fünf Jahre gesetzt. So werden wir die eingesetzte Produktmenge je Anwendung noch weiter reduzieren und Produkte der WHO-Toxizitätsklasse 1 schrittweise durch Präparate mit geringerer Giftigkeit ersetzen“. Dieses Versprechen hat der Konzern nicht gehalten. Er stellte zwar die Produktion von Parathion, Monocrotophos, Oxydemeton-methyl und Endosulfan ein, vertreibt aber bis heute Thiodicarb, Disulfoton, Triazophos, Fenamiphos und Methamidophos. „Durch die Einstellung des Verkaufs aller Wirkstoffe der obersten Gefahrenklasse ließe sich die Zahl der Vergiftungen signifikant verringern“, so begründete Philipp Mimkes vom CBG-Vorstand die Forderungen.

Mahnwache gegen Kohlekraftwerk
Gegen den geplanten, aber noch nicht endgültig genehmigten Bau eines Kohlekraftwerkes auf dem Gelände des Krefelder Chemie‚parks‘ von BAYER erhebt sich entschiedener Widerstand. Die GegnerInnen des Projektes weisen nicht nur auf den Kohlendioxid-Ausstoß von jährlich ca. 4,4 Millionen Tonnen hin, sondern auch auf die Belastungen durch Feinstaub, Schwermetalle und Radioaktivität. Um dem Protest zu begegnen, hat TRIANEL als Bauherr des Kraftwerks in der Stadt ein Informationsbüro eingerichtet. Bei der Eröffnung erhielt es gleich unliebsamen Besuch. Die Initiative KEIN STEINKOHLEKRAFTWERK IN KREFELD UERDINGEN! hielt vor den Türen eine Mahnwache ab und bekam dabei prominente Unterstützung durch die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn.

AOK kritisiert Gesundheitspolitik
Die neue Bundesregierung macht Gesundheitspolitik ganz im Sinne von BAYER & Co.. So gestattet sie Big Pharma trotz gegenteiliger Ankündigungen weiterhin, die Preise für neue Pillen selber festzulegen und kündigt eine Deregulierung des Arzneimittelmarktes an (siehe SWB 4/09). Dieses Vorgehen stellt die Krankenkassen vor massive Probleme. Die AOK erwägt bereits Zusatzbeiträge und übt Kritik an CDU und FDP. „Ausgerechnet die Koalition, die mehr Wettbewerb fordert, schont Pharma-Hersteller und betreibt Klientelpolitik“, protestierte Winfried Jacobs, Chef der AOK Rheinland/Hamburg.

Wollheim-Uni macht weiter
Im Jahr 2001 ging das Frankfurter IG-FARBEN-Haus in den Besitz der „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ über. Seit dieser Zeit traten Studierende und Lehrende dafür ein, die mahnende Erinnerung an den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern wachzuhalten, indem die Hochschule den ehemaligen IG-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim ehrt. Die Leitung wehrte sich aber erfolgreich dagegen, einen Platz auf dem Gelände nach dem Mann zu benennen, der durch seinen 1951 begonnenen Musterprozess Entschädigungszahlungen für die SklavenarbeiterInnen ermöglichte. Stattdessen errichtete sie mit dem „Norbert Wollheim Memorial“ eine Gedenkstätte für ihn (siehe SWB 1/09). Im Zuge des Bildungsstreiks jedoch knüpften Studierende an die alte Idee an. Sie besetzten das Casino-Gebäude und benannten die Alma Mater symbolisch in „Norbert Wollheim Universität“ um. Die Hochschulleitung ließ das Casino räumen, aber die StudentInnen machen weiter und halten unter dem Namen „Norbert Wollheim Universität“ regelmäßig Workshops ab.

Beschwerde in Endlosschleife
1999 hatten sich BAYER und andere Multis am Rande des Davoser Weltwirtschaftsforums im „Global Compact“ dazu bekannt, soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einzuhalten. Nach Meinung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) verstieß der Leverkusener Multi mit der Beinah-Katastrophe in Institute und dem nachfolgenden Katastrophen-Management aber gegen die Regularien des an die UN angebundenen Industrie-Zusammenschlusses. Deshalb forderte die Coordination den Ausschluss. Der „Global Compact“ legte dar, dass er über keinerlei Mandat verfügt, die Einhaltung seiner Prinzipien zu kontrollieren und gegebenenfalls Sanktionen auszusprechen. Nur einen Dialog moderieren könne er. Diesen Job sollte die bundesdeutsche Dependance übernehmen. Trotz Einspruches von Seiten der CBG machte die New Yorker Direktion jetzt bereits zum zweiten Mal diesen Vorschlag - vergeblich. Die Coordination besteht weiterhin darauf, den Fall statuten-gemäß im Leitungsgremium zu verhandeln.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER ändert Vorstandsvergütung
Im Jahr 2009 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zur ManagerInnen-Vergütung, um die schlimmsten Exzesse einer an kurzfristigen Gewinnen orientierten Wirtschaft zu unterbinden. In der Folge musste auch der Leverkusener Multi ein neues System zur Honorierung seiner Vorstände einführen. Viel ändert sich jedoch nicht.
Immer noch machen die fixen Bezüge nur 30 Prozent des Gehaltes aus, der Rest ist erfolgsabhängig. Die Basis für die Berechnung dieses Erfolges bleibt der Aktien-Kurs, nur der Berechnungszeitraum ändert sich. Er umfasst eine längere Periode der Unternehmensentwicklung, weshalb BAYER sich dafür selbst das Prädikat „Nachhaltigkeit“ verleiht.

108.400 BAYER-Beschäftigte
Im Geschäftsjahr 2009 hatte der Leverkusener Multi 108.400 Belegschaftsangehörige und damit 200 weniger als 2008.

Kaum Frauen in Führungspositionen
Der Anteil von Frauen in Führungspositionen ist bei BAYER gering. Er beläuft sich auf 5,5 Prozent.

BAYER gemeindet JENAPHARM ein
Bisher haben sowohl BAYER VITAL als auch JENAPHARM das Segment „Frauengesundheit“ bei BAYER abgedeckt. Nun plant der Leverkusener Multi eine Umstrukturierung. JENAPHARM soll stärker unter das Dach von BAYER VITAL rücken und nur noch Verhütungsmittel und Präparate für Schwangere selbst vermarkten. Mit dem Umbau gehen Arbeitsplätze in den Bereichen „Marketing“, „klinische Forschung“, „Außendienst“ und „Geschäftsentwicklung“ verloren.

Arbeitsplatzvernichtung in Krefeld
BAYERs 200 Millionen schweres Konzept zur Zukunftssicherung des Standortes Krefeld sichert nicht die Zukunft aller Beschäftigten, denn es ist mit der Vernichtung von 80 Arbeitsplätzen verbunden. Zudem stehen die Investitionen unter dem Vorbehalt von Betriebsgenehmigungen für die Kohlenmonoxid-Pipeline und für das im Chemie-„Park“ geplante Kohlekraftwerk (siehe auch Ticker 4/09).

BMS: Dekkers hält sich bedeckt
Der designierte BAYER-Chef Marijn Dekkers hält sich in Sachen „Zukunft der Kunststoff-Sparte“ bedeckt. „Für Aussagen ist es viel zu früh“, sagte der Holländer der Rheinischen Post. BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) sei „sehr wettbewerbsfähig“, habe aber stärker als der Pharma-Bereich unter konjunkturellen Schwankungen zu leiden, so der Zwischenstand von Dekkers‘ Analyse.

IG BCE will Personenwahlen
Im Vorfeld der im März 2010 stattfindenden Betriebsratswahlen bei BAYER gibt es einen Konflikt zwischen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und den oppositionellen Gewerkschaftsgruppen BASIS BETRIEBSRÄTE, BELEGSCHAFTSTEAM und KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT. Die IG BCE plädiert für eine Personenwahl, bei der die alternativen Gruppen ihre Kenntlichkeit verlieren würden, was auch Sinn der Übung ist. „Wir brauchen in der Opposition keine Opposition“, meint Gesamtbetriebsratsvize Oliver Zühlke. BELEGSCHAFTSTEAM & Co. teilen diese Ansicht jedoch nicht und lehnten den IG-BCE-Vorschlag ab.

Dialogreihe mit der IG BCE
Co-Management, wie es leibt und lebt: BAYER hat gemeinsam mit dem Betriebsrat und der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE eine Dialogreihe zum Thema „Chemie ist Zukunft“ veranstaltet, um etwas für die Zukunft umstrittener Projekte wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und dem Kohlekraftwerk in Krefeld zu tun. Und es blieb nicht bei dem einen Schulterschluss. Am Ende herrschte Dreieinigkeit, denn auch eingeladene Vertreter der Landesregierung erteilten die Absolution. „Die erstaunlichen Leistungen der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen sind ein Beispiel dafür, welche Kompetenz sie bei der Lösung von Problemen besitzt“, lobte Dirk Meyer vom „Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie“ in einem Monolog-Beitrag.

LANXESS rationalisiert
Zu den aus der BAYER-Familie verstoßenen Firmen mit einem schweren Schicksal zählt auch LANXESS, ehemals Teil der Chemie-Sparte des Leverkusener Multis. Im Zuge der Wirtschaftskrise verordnet sich das Unternehmen eine Schrumpfkur. Der Konzern hat das 360 Millionen Euro schwere Einspar-Programm „Challenge 09-12“ eingeführt, das viele Arbeitsplätze kosten dürfte.

Neuer Betriebskindergarten
Der Leverkusener Multi baut in Monheim eine neue Betreuungseinrichtung für Kinder, um seine Attraktion für Spitzenkräfte zu erhöhen. „Betriebskindergärten sind ein echter Standortfaktor geworden“, meint BAYER-CROPSCIENCE-Sprecher Utz Klages. Als sie das noch nicht waren, hat der Konzern alles dafür getan, sich die Krippen möglichst wenig kosten zu lassen. So hat er 1999 die vier Leverkusener Betriebskindergärten der Trägerschaft des Roten Kreuzes übergeben (Ticker 2/99) und dadurch jährlich ca. eine halbe Million Euro gespart. Die nicht mehr nach Chemie-Tarif bezahlten PädagogInnen mussten hingegen Einkommensverluste von bis zu 1.250 Euro monatlich hinnehmen.

Schneider mächtigster Aufsichtsrat
Der ehemalige BAYER-Boss Manfred Schneider ist mit Aufsichtsratschefsesseln beim Leverkusener Multi, bei RWE und LINDE sowie mit einfachen Mandaten bei DAIMLER und TUI der mächtigste bundesdeutsche Konzern-Kontrolleur. Sein Salär von 998.910 Euro kommt dem eines vollbeschäftigten Top-Managers dann auch ziemlich nahe, wie die „Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz“ konstatierte.

Wenning muss draußen bleiben
Bisher wechselten nicht nur bei BAYER scheidende Vorstandsvorsitzende routinemäßig in den Chefsessel des Aufsichtsrats. Diesen Altersruhesitz kann Werner Wenning jedoch nicht mehr beziehen - das im letzten Jahr verabschiedete Gesetz zur ManagerInnen-Vergütung macht‘s unmöglich. Wenning ist darüber sehr ungehalten, dass die Große Koalition Insider nicht mehr mit Kontrollaufgaben betrauen mochte und grollte in einem Interview: „Wieso sollte es schaden, wenn man etwas vom Geschäft versteht?“.

Beistandskassen-Versammlung unrechtmäßig
Die BAYER-Beistandskasse hatte 2007 Einschnitte beim Sterbegeld, das durchschnittlich ca. 6.000 Euro beträgt, vorgenommen (Ticker 3/08). Die Abschläge können bis zu 2.000 Euro - also ein Drittel der Summe - betragen. Die Mitgliederversammlung fällte diese Entscheidung faktisch ohne die Mitglieder, denn der Vorstand setzte diese nicht über den brisanten Tagesordnungspunkt in Kenntnis. So nahmen nur 26 Personen an der einstündigen Sitzung teil, die für die rund 90.000 Versicherten den Gewinnzuschlag in Höhe von 25 Prozent strich. Deshalb fochten einige Kassen-Angehörige den Beschluss an. Im Februar 2010 bekamen sie nun endgültig Recht zugesprochen. Weil die Beistandskasse nicht ordnungsgemäß zu der Versammlung eingeladen hatte, erklärte das Landgericht Köln die Beschlüsse von damals für ungültig. Jetzt prüft die Sterbekasse, ob sie die Mitglieder wieder über die Kürzungen abstimmen lassen muss.

Sieg für DYSTAR-Beschäftigten
21 DYSTAR-Beschäftigte hatten im letzten Jahr per Aufhebungsvertrag eingewilligt, gegen Zahlung einer Abfindung in eine Transfergesellschaft zu wechseln. Dann meldete die ehemalige BAYER-Tochter (siehe auch AKTION & KRITIK) Insolvenz an. Während ihre Ex-KollegInnen wenigstens noch Konkurs-Ausfallgeld erhielten, gingen die 21 komplett leer aus. Einer von ihnen klagte dagegen und bekam vom Opladener Arbeitsgericht auch Recht zugesprochen.

ERSTE & DRITTE WELT

Indien als Arzneitest-Ressource
„Auch als Ressource wird Indien für die Pharma-Sparte interessant: Sie lässt dort bereits sechs neue Medikamente testen“, vermeldete die Financial Times Deutschland einmal über BAYERs Engagement in dem Staat. Ein Entwicklungsland als Ressource, das charakterisiert die gängige Praxis bei den Arznei-Prüfungen ganz gut. BAYER & Co. haben in den westlichen Staaten nämlich zunehmend Schwierigkeiten, noch genügend risiko-bereite ProbandInnen für ihre Neuschöpfungen zu finden und profitieren in vielfacher Hinsicht vom Outsourcing. Sie gelangen leichter und für viel weniger Geld an Versuchspersonen, die dann auch noch weniger Fragen stellen, weil sie oftmals die Verträge gar nicht lesen können und einfach ihren ÄrztInnen vertrauen. Zudem gibt es nicht so strenge Vorschriften für die Durchführung der Erprobungen wie beispielsweise in der Bundesrepublik. „Als Indiens Vorteil“ stellt das die in Mumbai ansässige IGATE CLINICAL RESEARCH INTERNATIONAL heraus, die Tests aller Art anbietet. Also insgesamt glänzende Aussichten für BAYER.

EU betreibt Patent-Politik
Seit die Verhandlungsrunden der Welthandelsorganisation WTO zur weiteren Liberalisierung des Welthandels gescheitert sind, betreibt die EU eine eigene Marktöffnungspolitik im Dienste von BAYER & Co. Beim Thema „Patente“ geht sie dabei sogar noch über das berühmt-berüchtigte TRIPS-Abkommen der WTO hinaus. Wie zuvor schon in den Verhandlungen mit Kolumbien (Ticker 2/09) drängt die Europäische Union auch bei den Gesprächen mit Indien auf eine Verlängerung der Patentlaufzeiten für Medikamente von 20 auf 25 Jahre. Zudem will sie die Daten von Arzneitests unter Verschluss halten. Mit all dem unterstützt die EU das Ansinnen von Big Pharma, Indiens Pillen-Industrie zu schwächen, deren preiswerte Nachahmer-Medikamente dem Land den Ruf einer „Apotheke der Dritten Welt“ eingebracht haben. Der Leverkusener Multi hatte im letzten Jahr sogar einen Prozess gegen den Hersteller CIPLA und die Genehmigungsbehörde geführt, um die Zulassung einer Generika-Version seines Krebsmittels NEXAVAR zu verhindern, was allerdings scheiterte (SWB 3/09).

BAYER spendet LAMPIT
BAYER stellt der Weltgesundheitsorganisation WHO 400.000 LAMPIT-Tabletten zur Verfügung, die in Kombination mit Eflornithin-Präparaten zur Behandlung der Schlafkrankheit zum Einsatz kommen. „Im Rahmen seines sozialen Engagements will BAYER einen weiteren wichtigen Beitrag im Kampf gegen Tropenkrankheiten leisten“, mit diesen Worten begründet der Konzern die Reaktivierung seines Medikamentes, dessen Produktion er 1997 schon eingestellt hatte, weil die besonders in Südamerika verbreitete Infektionskrankheit Chagas als Anwendungsgebiet nicht mehr genug Profit versprach. Das Handelsblatt spricht bei solchen milden Gaben mit Blick auf den Image-Gewinn allerdings von „wohl kalkulierter Großzügigkeit“, und für Hilfsorganisationen wie ÄRZTE OHNE GRENZEN können sie dringend notwendige strukturelle Reformen wie eine Verbilligung der Arzneien für Länder der „Dritten Welt“ nicht ersetzen.

KONZERN & VERGANGENHEIT

BAYER 04 als Wende-Profiteur
BAYERs Werksfußball-Club hatte die DDR bereits in den 80er Jahren als Spieler-Reservoir entdeckt. Wie aus Stasi-Unterlagen hervorgeht, beobachtete er mit Hilfe des in die Bundesrepublik geflohenen Trainers Jörg Berger DDR-Kicker bei Auswärtsspielen und verleitete geeignete Kandidaten wie Falko Götz oder Dirk Schlegel zur Republikflucht (Ticker 3/00). Und im Herbst 1989 angelte sich der Verein postwendend Heiko Scholz, Andreas Thom und Ulf Kirsten. BAYER Leverkusen hätte auch gerne Matthias Sammer verpflichtet, aber da war der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl vor. Er fürchtete, die rücksichtslos betriebene Schnäppchenjagd könnte dem Image des Multis - und der Wende - schaden. Deshalb meldete er Bedenken an, und Manager Reiner Calmund verzichtete auf weitere Zukäufe aus Ost-Beständen.

POLITIK & EINFLUSS

Standort-Verlegung leicht gemacht
Das bundesdeutsche Unternehmenssteuerrecht begünstigte lange die Verlegung von Standorten ins Ausland. So konnten BAYER & Co. die Kosten für so genannte Funktionsverlagerungen hierzulande von der Steuer absetzen und zudem noch von den günstigeren Produktionsbedingungen in den fernen Ländern profitieren. Die Große Koalition hat diese paradiesischen Zustände allerdings etwas unparadiesischer gestaltet und auf die Extra-Profite fiskalisch zugegriffen. „Damit fließen auch ausländische Standortvorteile, etwa geringere Lohnkosten jenseits der Grenzen, in die Bewertung des Gewinnpotenzials ein, die dann letztendlich zu einer Besteuerung dieser ausländischen Standortvorteile hierzulande führen“, echauffierte sich der Steuerexperte Axel Eigelshoven von der Unternehmensberatung DELOITTE, derweil BAYER, DAIMLER, BOSCH und andere Unternehmen einen Protestbrief an den damaligen Finanzminister Peer Steinbrück schrieben. Die neue CDU/FDP-Regierung hat die Signale erhört und bereitet nun ein Gesetz vor, das alles wieder auf Anfang gestellt, wie bereits im Koalitionsvertrag angekündigt.

Strippenzieher BAYER
„Keiner zieht mehr Strippen in der Republik als die alte BAYER-Crew“, stellt die Zeit fest. „Ob Gerhard Schröder zur Rotweinrunde ins Kanzleramt lud oder Nachfolgerin Angela Merkel dort mit Managern diskutiert - der amtierende BAYER-Chef Werner Wenning war und ist immer dabei. Und sein Vorgänger Manfred Schneider wurde in den vergangenen Jahren mehrfach zum mächtigsten deutschen Aufsichtsrat gekürt“ schreibt das Wochenblatt in einem Artikel über den neuen Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers.

Chinas Vize Xi Jinping bei BAYER
Im letzten Jahr war China das Gastland der Frankfurter Buchmesse. Bevor Chinas stellvertretender Staatspräsident Xi Jinping zu dieser Veranstaltung anreiste, machte er einen Zwischenstopp in Berlin, um das Pharma-Werk des Leverkusener Multis zu besuchen. BAYER-SCHERING-Chef Andreas Fibig gratulierte artig zum 60. Jahrestag der Volksrepublik und schwadronierte über die großen Herausforderungen, vor denen das Land stehe: Klima- und Umweltschutz, nachhaltige Entwicklung und Gesundheitsversorgung. Für all dies bietet sich der Konzern nämlich als Problemlöser an. Mit dem Slogan „BAYER Solutions for China‘s Needs“ macht das Unternehmen im Reich der Mitte Reklame, und im Bereich „Gesundheit“ hat dies schon gefruchtet. Dort nimmt der Pillen-Riese mit einem Jahres-Umsatz von 1,89 Milliarden Euro die Spitzenposition ein.

Wenning VCI-Vize
Im Herbst 2009 wählte die Mitgliederversammlung des „Verbandes der Chemischen Industrie“ BAYER-Chef Werner Wenning gemeinsam mit Jürgen Hambrecht (BASF) erneut zum Vize-Präsidenten.

Wenning erhält NRW-Innovationspreis
Das Land Nordrhein-Westfalen unterhält beste Beziehungen zum Leverkusener Multi. Es schmiedete mit ihm und anderen Unternehmen einen Pakt, um der angeblich wachstumshemmenden Distanz zwischen Wirtschaft und Politik entgegenzuarbeiten (Ticker 4/09), und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers schaut auch gerne mal persönlich beim Konzern vorbei. Damit nicht genug, ergießt sich über das Unternehmen nun auch noch eine Flut von Ehrungen. So verlieh das Bundesland dem BAYER-Wissenschaftler Friedrich-Karl Bruder für die Entwicklung eines per Holographie beschreibbaren Kunststoff-Films den „Innovationspreis 2009“ und überreichte dem BAYER-Chef Werner Wenning einen ebensolchen für sein Lebenswerk. „Kein anderes Unternehmen in Nordrhein-Westfalen investiert so viel in seine Innovationsfähigkeit“, schwärmte „Innovationsminister“ Andreas Pinkwart (FDP) in seiner Laudatio und wurde dann persönlich: „Werner Wenning ist stets mehr Sein als Schein. Äußerlich bescheiden, im Unternehmen hohe Ansprüche setzend, hat er BAYER nach schwierigen Zeiten in seinem Kernbestand nicht nur gerettet, sondern dem Unternehmen auch neue Perspektiven in einer globalen Ökonomie erschlossen“. Da versteht es sich von selbst, dass Pinkwart dem großen Vorsitzenden seine Mithilfe bei dem Unterfangen zusicherte, einen Teil von BAYERs Forschungsausgaben von der Steuer absetzen zu können.

Wenning gegen Regulierungen
Auch BAYER nutzt die umstrittenen Instrumente, die der Finanzmarkt so bietet. So hat der Konzern Geld in Derivaten angelegt, die eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber sind. Der Leverkusener Multi weist dabei das Motiv „Spekulation“ weit von sich. „Derivate Finanzinstrumente werden dabei fast ausschließlich zur Absicherung von gebuchten und geplanten Transaktion abgeschlossen“, heißt es im Geschäftsbericht. Aber die Interessen der SpekulantInnen sind auch die Interessen BAYERs. So hat sich der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning dagegen ausgesprochen, diesen Markt strenger zu regulieren. „Ich hoffe sehr, dass die EU die Lösung nicht allein in standardisierten Produkten sieht“, sagte er in einem Interview mit der Börsen-Zeitung. Auch gegen die Anforderung, bestimmte Derivate künftig mit Eigenkapital zu unterlegen, wendete er sich, weil sich dieses ungünstig auf das Investitionsvolumen der Unternehmen auswirken könnte.

USA: Klima-Politik nach BAYER-Gusto
Barack Obama trat mit einer ehrgeizigen Klima-Politik an. So wollte er die US-amerikanischen Kohlendioxid-Emissionen gegenüber 2005 um 17 Prozent reduzieren und einen den Ausstoß senkenden Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten einführen. Aber BAYER & Co. liefen Sturm gegen die angeblich gerade in Krisenzeiten kontraproduktive „Klima-Steuer“ und setzten sich durch. In einem neuen Senatsentwurf gibt es für Industriebetriebe keine Kohlendioxid-Obergrenzen mehr und auch der Emissionshandel taucht in dem Dokument nicht mehr auf.

Zoll als Patentschützer
BAYER & Co. spannen den Zoll ein, um missliebigen Produzenten von Nachahmer-Präparaten das Leben schwer zu machen. So haben GrenzbeamtInnen wegen angeblicher Patentverletzungen unlängst sogar eine Lieferung indischer Generika beschlagnahmt, die gar nicht für den europäischen, sondern für den südamerikanischen Markt bestimmt war. Die Entwicklungshilfe-Organisation OXFAM kritisierte das Vorgehen, weil es die Versorgung armer Menschen mit lebensnotwendigen Arzneien gefährdet und obendrein gegen WTO-Recht verstößt. Aber die Europäische Union will seine ZöllnerInnen künftig noch stärker in die Konzern-Pflicht nehmen. Ihr Richtlinien-Vorschlag zur Bekämpfung von Medikamentenfälschungen ist so breit angelegt, dass auch ganz legalen Einfuhren von preisgünstigen Pillen Schwierigkeiten drohen.

Uhlenberg lobt BAYERs Gewässerschutz
Im Februar 2010 hat BAYER im Wuppertaler Werk eine Pilotanlage zur Klärung von Abwässern in Betrieb genommen, die nach dem Ozonolyse-Verfahren arbeitet und durch die Einwirkung von Ozon doppelte Kohlenstoff-Verbindungen knacken kann. Diese Investition war bitter nötig, denn der Leverkusener Multi leitete 2008 68,4 Millionen Kubikmeter Abwässer in die Flüsse. Der nordrhein-westfälische Umweltminister Eckhart Uhlenberg verkaufte die Maßnahme allerdings als umweltpolitische Großtat und Bestätigung der Politik der Landesregierung, den Schulterschluss mit den Konzernen im „Dialog Wirtschaft und Umwelt“ zu suchen.

Kirche kooperiert mit Konzernen
Die „Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung“ (GKKE) hat mit dem von BAYER gegründeten „Verband der Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) ein Papier zur „Gesundheit in Entwicklungsländern“ veröffentlicht. Das Dokument segnet dabei devot das ab, was sich die Pharma-Multis so unter Entwicklungspolitik vorstellen. Förderprogramme sollen die armen Staaten in die Lage versetzen, Big Pharma Lizenzen zur Produktion von Nachahmer-Arzneien abzukaufen, wo es eigentlich gälte, die Patentgesetze aufzuheben. Und die von BAYER & Co. sträflich vernachlässigte Tropenmedizin braucht dem Dokument zufolge ebenfalls öffentliche Gelder für ihr Comeback: Die Konzerne hätten gerne im Vorhinein Abnahme-Garantien für ihre Pillen. Bei Marktversagen den Staat fragen - mit dieser „Lehre“ aus der Finanzkrise möchte die K. u. K.-Koalition auch gerne die „Dritte Welt“ kurieren.

Bürokratie-Kosten im Promille-Bereich
BAYER & Co. klagen immer wieder über die hohen Kosten, die ihnen durch Informationspflichten gegenüber Brüssel und Berlin entstehen. Dabei sind diese verschwindend gering. Bei der europäischen Chemie-Industrie liegen die Ausgaben, gemessen an der Brutto-Wertschöpfung von 46,4 Milliarden Euro im Jahr, mit 40 Millionen im Promille-Bereich. In Wirklichkeit geht es den Multis bei der Chemikalien-Verordnung und anderen Richtlinien denn auch gar nicht ums Geld, obwohl sich die Konzerne über die Ankündigung der Bundesrepublik freuen dürften, die Aufwändungen der Unternehmen für Auskünfte um 25 Prozent zu senken. Sie wollen sich bei der Produktion ihrer gefährlichen Güter nur möglichst wenig über die Schulter gucken lassen.

BAYER Gläubiger von Griechenland
Das überschuldete Griechenland kann die Arznei-Rechnungen seiner Krankenhäuser nicht begleichen. Der Europäische Pharma-Verband EFPIA, dessen Vorsitz derzeit BAYERs Pillen-Chef Arthur Higgins inne hat, schaltete deshalb die Europäische Kommission ein und führte Gespräche mit der griechischen Regierung. Diese zeigte sich offenbar reumütig. „BAYER begrüßt die jüngsten Äußerungen der neuen Regierung in Griechenland, eine konstruktive Lösung für die inakzeptablen Außenstände der Krankenhäuser zu finden“, meldete jedenfalls das Handelsblatt.

BAYERs Sozialarbeit
Bei der Auftaktveranstaltung der nordrhein-westfälischen Landesregierung zum „Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“ konnte der Leverkusener Multi sich wieder einmal als Sozialarbeiter in Szene setzen. An der abschließenden Podiumsdiskussion zum Thema „Kinderarmut“ nahm nämlich Oliver Aue von BAYERs „BEPANTHEN-Kinderförderung“ teil. Die anderen DiskutantInnen konnten allerdings auch nicht mehr Kompetenzen nachweisen. Neben Aue saßen unter anderem noch Bernd Siggelkow von dem - zufällig von der „BEPANTHEN-Kinderförderung“ gesponsorten - evangelikalen Kinderhilfswerk „Arche“ und Christoph Biermann von der Sendung mit der Maus. Mit Politik hat Armut offenbar nichts mehr zu tun.

PROPAGANDA & MEDIEN

Die etwas andere Klima-Bilanz
Nach den Worten von BAYERs oberstem Öffentlichkeitsarbeiter Michael Schade „wird Nachhaltigkeit zunehmend zu einem Wettbewerbsfaktor“. Wegen der gestiegenen Nachfrage besonders von Seiten der Investmentfonds haben die Konzerne eine neue Methode ausgeheckt, um ihre negative Klimabilanz etwas aufzuhübschen. Sie stellen dem Negativposten „Kohlendioxid-Emissionen“ einfach gegenüber, was die so klimaschädlich hergestellten Produkte angeblich so alles tun, um die Erderwärmung aufzuhalten. Bei der Studie, welche die „Klima-ExpertInnen“ von der Unternehmensberatung MCKINSEY für den internationalen Chemie-Verband ICCA durchgeführt haben, kommt da so einiges zusammen. Den Energie-Verbrauch senkende Dämmstoffe, Niedrigtemperatur-Waschmittel und Leuchtmittel sowie den Flächenverbrauch einschränkende Hochleistungspestizide präsentieren sie in ihrer Gegenrechnung. Und siehe da: Unterm Strich steht die Chemie-Industrie mit 5,2 Milliarden Tonnen CO2 im Plus. Die Ratingagentur OEKOM, welche die Aussagen der Konzerne zu ihren Umweltschutz-Maßnahmen genauer prüft, hält dieses Verfahren nicht für legitim. Besonders die Bilanztricks von BAYER und BASF fielen OEKOM auf. So kritisierte der Analyst Oliver Rüdel, dass die beiden Unternehmen „die Lösungen, die die chemischen Produkte potenziell zum Schutz des Klimas leisten, stärker kommunizieren als den eigenen negativen Beitrag“. Etwas anderes kommunizieren die Global Player ebenfalls recht stark: ihre Rolle als CO2-Verbraucher. BAYER etwa verweist auf Kohlendioxid als ASPIRIN-Rohstoff und schmückt sich mit weiteren CO2-Forschungen etwa im Dämmstoff-Bereich. Seinen Kohlendioxid-Ausstoß, der 2008 7,57 Millionen Tonnen betrug, dürfte der Leverkusener Multi auf diese Weise jedoch nicht so leicht reduzieren. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“.

Auszeichnung für Klima-Bericht
Das von 475 Finanzinvestoren getragene „Carbon Disclosure Project“ (CDP) lässt die nicht gerade als Klima-ExpertInnen geltenden WirtschaftsprüferInnen von PRICEWATERHOUSE COOPERS eine Bewertung der Konzernberichte über Kohlendioxid-Emissionen vornehmen und verlieh BAYER im letzten Jahr eine Auszeichnung als auskunftsfreudigstes Unternehmen. Was der Leverkusener Multi da an Daten übermittelte, war allerdings alles andere als glanzvoll. So stößt er jährlich 7,57 Millionen Tonnen CO2 aus. Deshalb plant die CDP für die Zukunft auch eine Bewertung der Klima-Realpolitik, was die zukünftigen Chancen des Pharma-Riesen schmälern dürfte. Einstweilen geraten diese beiden Dinge bei den Medien aber noch gerne durcheinander. Das Umweltmag@zin beispielsweise schrieb BAYER die Ehre zu, „die Auszeichnung als weltweit bestes Unternehmen im Klimaschutz“ erhalten zu haben.

Plischke verleiht Umweltpreis
Aller Umwelt-Sündenfälle des Leverkusener Multis zum Trotz gehört Forschungsvorstand Wolfgang Plischke der Jury des „Deutschen Umweltpreises“ an.

Manuel Andrack wandert für BAYER
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen, obwohl Bluthochdruck, Ödeme, Herzkrankheiten, Blutverdickung, Leberschäden und Wachstum der Prostata zu den Nebenwirkungen zählen. Dabei hilft dem Pharma-Riesen jetzt auch der durch die Harald-Schmidt-Show bekannt gewordene nunmehrige Wandervogel Manuel Andrack. Er hält seinen Kopf für BAYERs Werbe-Broschüre „Wandern für die Männergesundheit“ hin und gibt der Zielgruppe zudem Strecken-Tipps.

Zukunftspreis für XARELTO
Bundespräsident Horst Köhler hat BAYER für die Entwicklung des Medikamentes XARELTO den „Deutschen Zukunftspreis“ verliehen. „Sie haben ein neuartiges Medikament entwickelt, das sich durch einen effizienten Wirkmechanismus auszeichnet und das von den Patienten in Tablettenform eingenommen werden kann“, lobte Köhler. Der Rest der Welt ist hingegen von dem bisher nur zur Verhinderung von Blutgerinnseln bei schweren Knie- und Hüft-OPs zugelassenen Gerinnungshemmer nicht überzeugt, für den der Leverkusener Multis auch das - weit größere - Anwendungsgebiet „Thrombosen“ anvisiert. So hat sich die Zulassung in den USA verzögert. Die Gesundheitsbehörde FDA forderte vom Leverkusener Multi wegen des erhöhten Risikos von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie ungeklärter Langzeitwirkung erst noch einmal weitere Unterlagen an (Ticker 3/09).

QLAIRA- die grüne Pille?
Nicht genug damit, dass der Leverkusener Multi auch sein neuestes Verhütungsmittel QLAIRA (Wirkstoffe Estradiol und Dienogest) wieder als Lifestyle-Präparat bewirbt, das angeblich Gewichtszunahmen verhindert. Er setzt zudem auf die ökologische Karte und preist die Pille als Teil eines „grünen Lebenswegs“ an, weil es sich bei einem der Inhaltsstoffe angeblich um ein „natürliches Östrogen“ handelt. Als reinen „Marketing-Gag“ tat das das pharma-kritische arznei-telegramm ab. Über die Risiken und Nebenwirkungen von QLAIRA wie Thrombosen, die bei dem Kontrazeptivum YASMIN bereits zu Todesfällen geführt haben (SWB 3/09), weiß der Pharma-Riese hingegen nichts. Das könnte „nur in großen epidemiologischen Studien geklärt werden“, heißt es in einer Fach-Information.

850 Millionen für Pillen-Werbung
BAYER gibt jährlich 850 Millionen Dollar für Pillen-Werbung aus.

Immer mehr SchülerInnen-Labore
Im Februar 2010 hat der Leverkusener Multi in Anwesenheit des Ministerialdirektors Reinhard Aldejohann vom nordrhein-westfälischen Bildungsministerium sein viertes SchülerInnen-Labor in Betrieb genommen. „Wir wollen jungen Menschen die Faszination Naturwissenschaften frühzeitig näher bringen“, erklärt BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke den Sinn der Übung. Weniger Faszinierendes wie etwa die Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnologie wird daher kaum auf dem Lehrplan stehen.

500.000 Euro für Schulen
Um die Lust an Naturwissenschaften im Allgemeinen und die von BAYER betriebenen im Besonderen zu wecken, fördert der Leverkusener Multi den Unterricht in diesen Fächern steuersparend über seine Stiftung „BAYER SCIENCE & EDUCATION“. Diese schüttet jährlich ca. 500.000 Euro an Bildungseinrichtungen im Umkreis der Standorte aus. 84 Schulen in 43 Städten bekamen seit 2007 Geld vom Konzern. Im Jahr 2009 gingen Schecks unter anderem an das Otto-Hahn-Gymnasium in Bergisch-Gladbach, die Hauptschule St. Nikolaus in Kalkar, die Tannenberg-Grundschule in Seeheim, die Albert-Schweitzer-Realschule in Krefeld und das Lise-Meitner-Gynasium in Leverkusen.

BAYER im Web 2.0
Seit geraumer Zeit hat der Leverkusener Multi das Web 2.0 entdeckt. Er twittert, ist bei Facebook aktiv und betreibt einen Kanal auf YouTube. Auf allzuviel Resonanz stieß das bisher allerdings nicht. Während ADIDAS, DEUTSCHE TELEKOM und BMW im Web 2.0 ein Millionen-Publikum erreichen, dümpeln die „sozialen Kontakte“ BAYERs einer Untersuchung der Agentur VIEWPARTNER zufolge bei knapp über 8.000 herum.

TIERE & ARZNEIEN

BAYER Nr. 1 bei Tier-Arzneien
Der Leverkusener Multi ist in der Bundesrepublik mit einem Umsatz von 963 Millionen Euro Branchenführer bei Veterinär-Produkten. Und das Geschäft boomt: Da immer mehr Menschen auf den Fleisch-Geschmack kommen, nimmt die Massentierhaltung zu - und damit steigt auch der Arznei-Bedarf. Der Tiergesundheitsmarkt verzeichnete 2008 weltweit ein Wachstum von sieben Prozent, während der Humanmedizin-Markt nur um 1,9 Prozent zulegte.

Nebenwirkungen bei PROFENDER
Seit dem Jahr 2008 bietet BAYER das Entwurmungsmittel PROFENDER nicht mehr nur für Katzen, sondern auch für Hunde an. Die Anwendung erfordert jedoch viel Sorgfalt. So dürfen die HundehalterInnen ihren Tieren das Präparat nicht gemeinsam mit den Mahlzeiten verabreichen, weil sonst die doppelte Menge des Wirkstoffes Emodepsid ins Blut übergeht. Der Leverkusener Multi weist nur im Kleingedruckten des Beipackzettels auf diese Gefahr hin, weshalb es häufig zu Überdosierungen kommt. Die Vierbeiner beginnen zu zittern, leiden unter Krampfanfällen und können ihre Bewegungen nicht mehr kontrollieren.

DRUGS & PILLS

Pharma-Sparte wird wichtiger
BAYERs Pharma-Sparte, die ihr Geschäftsvolumen in den ersten neun Monaten des Jahres 2009 um 4,9 Prozent ausweiten konnte, trägt zum Gesamtumsatz des Konzerns mehr als 50 Prozent bei und zum Gewinn vor Steuern sogar 80 Prozent. Diese Entwicklung lässt für die Zukunft der Kunststoff-Abteilung nichts Gutes erahnen.

MIRENA gegen Blutungen
Der Leverkusener Multi preist seine Kontrazeptiva gerne auch als Mittel zur Behandlung von Gesundheitsstörungen an. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat ihm dazu jetzt noch mehr Möglichkeiten eingeräumt. Sie ließ die Hormonspirale MIRENA (Wirkstoff: Levonorgestrel) 2009 als Präparat zur Eindämmung starker Monatsblutungen zu, obwohl der Katalog der Risiken und Nebenwirkungen es in sich hat. Zu den unerwünschten Arznei-Effekten des Pessars zählen nämlich unter anderem Brustkrebs, Herz/Kreislauf-Krankheiten, Bauchhöhlen-Schwangerschaften, Zysten, Zyklusstörungen und Zwischenblutungen.

ASPIRIN beugt Herzinfarkten nicht vor
Eine neue schottische Studie untersuchte die Herzinfarkt-vorbeugende Wirkung von ASPIRIN. Die Hälfte der 3.350 ProbantInnen mit einem erhöhten Risiko erhielt BAYERs „Tausendsassa“, die andere Hälfte ein Placebo. Nach acht Jahren werteten die WissenschaftlerInnen die Daten aus. Das im Journal of the American Heart Association publizierte Ergebnis war negativ: Aus der ASPIRIN-Gruppe erlitten 181 TeilnehmerInnen einen Herzinfarkt und aus der Placebo-Gruppe 176.

ASPIRIN schwächt die Immun-Abwehr
Nach einer neuen, im Fachblatt Journal of Immunology veröffentlichten Studie blockieren ASPIRIN und andere Schmerzmittel ein für die Immun-Abwehr wichtiges Enzym. Das senkt auch die Erfolgsaussichten von Grippeschutz-Impfungen, weshalb die ForscherInnen dazu raten, die Mittel unmittelbar davor und danach abzusetzen.

ASPIRIN verschlimmert Schweinegrippe
Nach Forschungen der Medizinerin Dr. Karen M. Starko hat ASPIRIN 1918 die katastrophalen Effekte der Spanischen Grippe, der über 50 Millionen Menschen zum Opfer fielen, eher verstärkt als vermindert und bei nicht wenigen PatientInnen zu totalem Organ-Versagen geführt. Auch bei der Schweinegrippe haben fiebersenkende Mittel wie die BAYER-Präparate ALEVE und ASPIRIN eine unheilvolle Rolle gespielt, weil sie die Immunabwehr schwächen (s. o.). Die Wissenschaftlerin R. Hama empfahl deshalb im British Medical Journal: „Nach heutiger Forschungslage sollten Grippe-PatientInnen keine Fiebersenker erhalten“. Die japanische Regierung reagierte bereits im Jahr 2000 und untersagte die Verwendung von ASPIRIN, IBUPROFEN & Co. bei grippe-kranken Kindern. Folge-Leiden wie - nicht selten tödliche - Enzephalopathien (Hirn-Erkrankungen) traten danach deutlich weniger häufig auf.

Rezeptpflicht für ASPIRIN
ASPIRIN und andere Schmerzmittel haben zahlreiche Nebenwirkungen wie vermehrter Kopfschmerz, Schleimhaut-Reizungen, Magengeschwüre und Magenbluten, die nicht selten tödlich verlaufen. Nach einer 1999 veröffentlichten Studie der „Boston University School of Medicine“ sterben nach der Einnahme von ASPIRIN & Co. jährlich 16.500 US-BürgerInnen an Blutungen im Magenbereich. Wegen dieses Risiko-Profils hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ jetzt empfohlen, es anderen EU-Ländern gleichzutun und eine Verschreibungspflicht für Großpackungen von Präparaten mit dem Wirkstoft Acetylsalicylsäure einzuführen. Eine entsprechende Regelung für die Substanz Paracetamol ist bereits in Kraft. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN begrüßt diese Entscheidung, fordert in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler jedoch eine Ausweitung der Vorschrift auf alle Darreichungsformen und zudem ein Werbeverbot. Der Leverkusener Multi versucht hingegen, das Schlimmste zu verhindern. „Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Begrenzung, aber wir haben etwas gegen die Stigmatisierung einer ganzen Arzneistoffklasse“, lässt der Konzern wissen und mobilisiert ApothekerInnen und Kundinnen, um künftig auch noch 60er-Packungen ohne Rezept verkaufen zu können.

Zu wenig Antibiotika
Allein in der Europäischen Union sterben jährlich 25.000 Menschen an Krankheiten, weil deren Erreger gegen die herkömmlichen Antibiotika immun geworden sind. Deshalb zählt die Weltgesundheitsorganisation WHO die Antibiotika-Resistenzen zu den größten Gefahren für die öffentliche Gesundheit. Trotzdem entwickeln BAYER & Co. kaum Alternativ-Wirkstoffe. Da MedizinerInnen neue Mittel für besonders schwierige Fälle zurückzuhalten haben und die Präparate ohnehin bloß für ein paar Tage verschreiben, lässt sich nach Meinung der Konzerne zu wenig Geld mit dieser Medikamentengruppe verdienen (siehe auch Ticker 4/09). Um die Misere zu beheben, wollen die USA und die EU Big Pharma nun mit finanziellen Anreizen in die Forschungslabore locken.

Kein neues KOGENATE
Das gentechnisch hergestellte Bluterpräparat KOGENATE ist eines der umsatzstärksten Pharma-Produkte BAYERs. Deshalb wollte der Leverkusener Multi auch schon einmal für die Zeit vorsorgen, da er es nicht mehr so hochpreisig vermarkten kann, weil der Patentschutz abläuft. Also begann der Konzern 2006, eine länger wirksame Version zu testen, die eine Woche vorhält. Diese erwies sich jedoch als nicht so effektiv wie das Original, weshalb das Unternehmen die klinische Erprobung abbrechen musste. Bereits kurz nach Bekanntgabe der Nachricht sank der Aktienkurs um zwei Prozent.

BAYER stockt Werbeetat auf
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat im letzten Jahr seinen Werbeetat um fast 25 Prozent aufgestockt. 41,8 Millionen Euro gibt die Sparte nun für Reklame in bundesdeutschen Medien aus, mehr investiert nur noch der KLOSTERFRAU-Konzern.

Kein Geld mehr für Blutprodukte-Opfer
Weltweit infizierten sich in den 80er Jahren Tausende Bluter durch HIV-verseuchte Blutprodukte von BAYER & Co. mit dem AIDS-Erreger. Sie wurden Opfer der Profitgier der Konzerne, denn diese hatten sich aus Kostengründen lange Zeit geweigert, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Krankheitskeime vorzunehmen. Während sich die Unternehmen deshalb in vielen Ländern mit Klagen konfrontiert sahen (siehe RECHT & UNBILLIG), hatten sie in der Bundesrepublik keine juristische Konsequenzen zu befürchten. Sie mussten sich lediglich gemeinsam mit Bund, Ländern und dem Roten Kreuz an einer Stiftung zur finanziellen Unterstützung von AIDS-kranken Blutern beteiligen. Das Vermögen der Einrichtung ist jetzt aufgebraucht, und sie benötigt 70 Millionen Euro zur Fortsetzung ihrer Arbeit. Aber während die anderen Träger erneut beträchtliche Summen zugesichert haben, wollen BAYER & Co. lediglich zwei Millionen Euro jährlich bereitstellen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte gegen dieses Verhalten. „Als Hauptverantwortlicher des Skandals um HIV-verseuchte Blutprodukte darf sich die Firma BAYER nicht aus der Verantwortung stehlen! Den Opfern muss ein würdiges Leben ermöglicht werden. Die Kosten hierfür muss der Verursacher tragen, nicht die Allgemeinheit“, heißt es in der Presseerklärung der CBG.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Clothianidin-Versuch abgebrochen
Im Jahr 2008 hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Allerdings drängt der Leverkusener Multi auf eine Wiederzulassung und meinte auch, dafür im baden-württembergischen Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) einen Verbündeten gefunden zu haben. Dessen Ministerium kündigte nämlich einen Großversuch mit einem technisch leicht veränderten Clothianidin-Beizmittel an, um dessen nunmehrige Ungefährlichkeit zu demonstrieren. ImkerInnen protestierten allerdings gegen das Vorhaben, über das die Landesregierung sie nicht informiert hatte. „Es macht keinen Sinn, wenn sich nicht alle ergebnis-offen an einen Tisch setzen“, so die BienenzüchterInnen. Hauk bließ das Projekt daraufhin vorerst ab.

Aus für MOVENTO und ULTOR
In den USA ist seit Mitte Januar 2010 der Verkauf des Pestizid-Wirkstoffes Spirotetramat, der in den BAYER-Mitteln MOVENTO und ULTOR enthalten ist, gerichtlich verboten. Die RichterInnen gaben damit dem Umweltverband NATURAL RESOURCES DEFENSE COUNCIL (NRDC) Recht, der eine Klage eingereicht hatte, weil die Risiken für Bienen bei der Genehmigung des in der Bundesrepubik bislang nicht zugelassenen Wirkstoffs nicht berücksichtigt worden waren (siehe auch SWB 1/10).

Pestizide in Lebensmitteln
Im Jahr 2009 oblag es zum ersten Mal der EU-Lebensmittelbehörde EFSA, für 2007 aus allen Mitgliedsländern die Daten über die Belastung von Lebensmitteln mit Agrochemikalien zusammenzutragen. Die EFSA ist dabei ihrem Ruf als industrie-freundliche Institution mal wieder gerecht geworden. Listeten die früheren Berichte neben den Grenzwert-Überschreitungen auch die sich noch im Bereich des Erlaubten befindlichen Konzentrationen auf, so versteckt die Neuausgabe die Zahlen im Anhang. Aber auch so bleiben die Werte beunruhigend genug. So überschritten vier Prozent der Proben die vorgeschriebenen Rückstandshöchstmengen. Und es dürften noch mehr sein: Einige Staaten wie z. B. Bulgarien suchten nämlich nur nach 14 Pestiziden. Unter denjenigen Ackergiften, die zwar nicht in den roten Bereich kamen, dafür aber in den orangenen eindrangen, ab dem für die VerbraucherInnen ein Gesundheitsrisiko besteht, befanden sich mit Methomyl, Thiodicarb und Methamidophos drei auch von BAYER benutzte Wirksubstanzen.

GENE & KLONE

Kooperation mit COMPUGEN
Das israelische Biotech-Unternehmen COMPUGEN entschlüsselt das Erbgut von Tumor-Zellen und verkauft dieses Wissen an Pharma-Firmen, welche die Informationen nutzen, um speziell auf diese Angriffspunkte zugeschnittene Medikamente zu entwickeln. Im Herbst 2009 hat COMPUGEN mit BAYER ein entsprechendes Geschäft vereinbart.

BAYER kauft Antikörper-Lizenz
Anfang 2009 hatte BAYER von dem US-amerikanischen Unternehmen MICROMET für 4,5 Millionen Euro eine Option auf einen Antikörper erworben. Nach Abschluss der präklinischen Entwicklungsphase löste der Leverkusener Multi diese ein und kaufte das Gentech-Protein, das zur Behandlung von Krebs, Entzündungen und Autoimmun-Erkrankungen dienen soll.

BETAFERON-Zulassung in China
Der Leverkusener Multi hat für das gentechnisch hergestellte Multiple-Sklerose-Präparat BETAFERON in China eine Zulassung erhalten.

MONSANTOS Leid, BAYERs Freud?
Nicht nur in den USA haben Gen-Pflanzen aus MONSANTOs ROUND-UP-Produktlinie eine marktbeherrschende Stellung inne. Mittlerweile haben sich die Unkräuter jedoch auf das gemeinsam mit den Ackerfrüchten verkaufte Herbizid Glyphosate eingestellt und vermehren sich auf den Feldern wieder kräftig. Die Folge: Die FarmerInnen müssen zusätzlich noch weitere Pestizide ausbringen. Der Leverkusener Multi hofft jetzt davon zu profitieren, dass im Falle „ROUND UP“ „die Natur zurückschlägt“, wie BAYER-Forscher Hermann Stübler sich ausdrückt. Der Agro-Riese spekuliert auf eine erhöhte Nachfrage nach Produkten aus seiner LIBERTY-LINK-Serie - aber über kurz oder lang dürfte die Natur auch diesen Gentech-Saaten trotzen.

Dürreresistenz-Deal mit FUTURAGENE
BAYER hat von dem britischen Unternehmen FUTURAGENE die Rechte an einem gentechnischen Verfahren erworben, das Baumwoll-Pflanzen angeblich hilft, widrigen Aufzuchtsbedingungen wie Trockenheit zu trotzen. Eine ähnliche Lizenz hatte der Agro-Riese vor Monaten bereits von PERFORMANCE PLANTS erworben.

PFLANZEN & SAATEN

Ausbau des Saatgut-Geschäfts
BAYERs Landwirtschaftssparte will ihr Saatgut-Angebot ausweiten, weil die Geschäftsaussichten in diesem Segment besser sind als im Ackergift-Bereich. Der Leverkusener Multi kündigte an, seine bisher auf Raps, Baumwolle, Reis und Gemüse beschränkte Produktpalette zu erweitern und in Zukunft knapp die Hälfte des Saaten-Marktes abzudecken.

WASSER, BODEN & LUFT

Auen schwermetall-belastet
10,4 Tonnen Schwermetalle leitete BAYER im Jahr 2008 in die Gewässer. Bei Hochwasser lagern sich diese auch in den Auen der Flüsse ab, weshalb die Schadstoffgehalte der Böden rund um Wupper und Rhein nach Auskunft des „Ingenieurbüros Feldwisch“ stark erhöht sind. Besonders die Werte für Chrom und Quecksilber, die der Leverkusener Multi in seinen Nachhaltigkeitsberichten seit einiger Zeit nicht mehr einzeln ausweist, geben Anlass zur Besorgnis. Darum hat die Stadt Leverkusen das Ingenieurbüro jetzt mit einer genaueren Untersuchung beauftragt.

EU fördert CO2-Abscheidung
BAYER & Co. setzen große Hoffnungen auf die neuen Technologien zur Abscheidung und Lagerung des klima-schädlichen Kohlendioxids, kurz CCS genannt. Diese würden es den Konzernen nämlich erlauben, ihren Strom weiterhin von Kohle- und Müllkraftwerken zu beziehen. UmweltschützerInnen befürchten dagegen ebensolche Zwischenfälle mit austretendem Material wie im Atommüll-Endlager Asse. Mit eigenen Investitionen in die Forschung halten sich die meisten Unternehmen jedoch zurück. Das finanzielle Engagement überlassen sie gerne anderen wie zum Beispiel der Europäischen Union, die im Dezember 2009 sechs Projekte mit insgesamt einer Milliarde Euro förderte.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

REACH: 817 Stoffe vorregistriert
BAYER & Co. haben sich lange gegen das REACH genannte Chemikaliengesetz der EU gewehrt, das den Konzernen vorschreibt, Angaben zur Gefährlichkeit ihrer Substanzen zu machen. Verhindern konnten die Unternehmen es schlussendlich nicht, sie erreichten jedoch eine Lockerung der Vorschriften. Seit Juli 2007 ist REACH nun in Kraft, und die Multis beginnen, ihre Bestände durchzugehen. BAYER hat bis zum Jahresende 2009 817 Stoffe bei der Chemikalien-Agentur ECHA vorregistrieren lassen. Mit dieser freiwilligen Leistung kommt der Agro-Riese in den Genuss von Übergangsfristen bis zu acht Jahren, ehe er vollständige Sicherheitsprofile für seinen Chemie-Baukasten abliefern muss.

CO & CO.

Bereits vier Bomben gefunden
Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte der Firma WINGAS als Bauherr von BAYERs umstrittener Kohlenmonoxid-Pipeline vorgeschrieben, den Boden vor Beginn der Verlegungsarbeiten mit Detektoren nach Fliegerbomben und anderen Kampfmitteln zu durchsuchen. Das Unternehmen kam dieser Aufforderung jedoch nur unvollständig nach, obwohl es schon bei der oberflächigen Untersuchung auf zwei Brandbomben gestoßen war. So begann die Überprüfung erst Ende 2009 - und förderte Bedenkliches zu Tage. Nicht weniger als 268 Mal schlugen die Suchgeräte bisher aus. Zumeist handelte es sich dabei um Metallschrott. Aber einige Verdachtsfälle bestätigten sich auch. So stießen die ArbeiterInnen bereits auf zwei Granaten und zwei 10-Zentner-Blindgänger.

Gericht bestellt neue Gutachter
In der Niederrheinische Bucht gibt es nach Aussage des Diplom-Physikers Klaus Lehmann vom „Geologischen Dienst NRW“ eine „moderate Erdbeben-Gefährlichkeit“. Die letzte größere Erderschütterung hatte eine Stärke von 5,9. Sie ging vom niederländischen Roermond aus und war bis Krefeld spürbar. Im Damenbecken des Schwimmbades entstanden Risse, weshalb die Stadt die Badeanstalt schloss. Deshalb muss BAYERs von Dormagen nach Krefeld verlaufende Kohlenmonoxid-Pipeline auch absolut erdbebensicher sein. Das hätte der vom Düsseldorfer Verwaltungsgericht bestellte Gutachter wohl auch bestätigt, denn sein Lehrstuhl war in Sachen „Erdbeben“ bereits für BAYER tätig. Diese „Nebentätigkeit“ brachte den Wissenschaftler allerdings in den Ruch der Befangenheit, weshalb er den Job bei der Justiz verlor.

IG-BCE-Chef für Pipeline
Der neue Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE), Michael Vassiliadis, hat sich für die umstrittene Kohlenmonoxid-Leitung ausgesprochen und sich dabei BAYERs Horrorszenario „Arbeitsplatzverluste“ zu Eigen gemacht. „Wenn die Pipeline nicht kommt, hat der Standort Krefeld ein großes Problem“, so Vassiliadis. Den Widerstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und zahlreicher anderer Initiativen gegen das Röhren-Werk nannte er „fundamentalistisch und nicht an Lösungen orientiert“ und sah Handlungsbedarf: „Auch die Politik ist gefordert, die Beteiligungsrechte der Polit-Profi-Verbände zu begrenzen“. Gesamtbetriebsratsvorsitzender Thomas de Win hat ebenfalls kein Verständnis dafür, „wenn durch eine Mischung durch Angstmache und Populismus wichtige industrielle Infrastruktur-Projekte verzögert, gefährdet oder gänzlich in Frage gestellt werden“ und warnt davor, die CO-Pipeline zum Landtagswahl-Thema zu machen.

CO: Es geht auch anders
In China baut der Leverkusener Multi keine Pipelines für seinen Kohlenmonoxid-Bedarf. Er hat vielmehr mit AIR LIQUIDE einen Vertrag abgeschlossen, dem gemäß das Unternehmen das Gas vor Ort auf dem Gelände des Shanghaier Chemie-‚parks‘ produziert.

NANO & CO.

Einfaches Baurecht für Nano-Anlagen
Im Januar 2010 hat BAYER in Leverkusen die weltgrößte Fertigungsstätte zur Produktion von Nano-Kohlenstoffröhrchen, den so genannten BAYTUBES, in Betrieb genommen. Da die Winzlinge ungeahnte Folgen für Mensch, Tier und Umwelt haben können - es gibt beispielsweise Hinweise auf eine asbest-ähnliche Wirkung der Nano-Röhrchen - hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bei der Bezirksregierung eine Anfrage zu den Umständen der Genehmigung gestellt. Die CBG wollte wissen, wieviel die Pilotanlage emitieren darf, wo die Obergrenze für die maximale Schadstoff-Konzentration am Arbeitsplatz liegt und wie es bei einen Störfall mit dem Katastrophenschutz aussieht. Die Antwort überraschte: All diese Fragen haben bei der Entscheidung der Behörden keinerlei Rolle gespielt, weil eine Nano-Produktion weder der Immissionsschutz- noch der Störfall-Verordnung unterliegt und daher das einfache Baurecht gilt. Eine von der Coordination erbetene Stellungnahme des Bundesumweltministerium zu dieser Sachlage steht bisher noch aus. BAYER versichert derweil, alles zur Risiko-Vorsorge getan zu haben. „Das Thema wurde bei uns sehr früh angegangen. Und sehr viel weiter als verlangt“, sagen die Konzern-Manager Péter Krüger und Raul Pires und verweisen beispielhaft auf die komplett abgekapselte Verpackung der lieferfertigen Nano-Teile.

CHEMIE & WAFFEN

Ali Hassan al Madschid hingerichtet
Bei der Entwicklung chemischer Kampfstoffe haben BAYER-Forscher eine bedeutende Rolle gespielt. Fritz Haber entwickelte während des Ersten Weltkrieges das Senfgas, 1936 synthetisierte Gerhard Schrader Sarin und das von US-WissenschaftlerInnen zusammengebraute Giftgas VX basierte auf einem Patent des Leverkusener Multis. Diese tödlichen Stoffe befinden sich immer noch in den Waffenarsenalen vieler Armeen. Zuletzt verwendete sie Saddam Hussein 1987 und 1988 bei seinen Attacken auf kurdische Dörfer. Seinen auch „Chemie-Ali“ genannten willigen Vollstrecker Ali Hassan al Madschid hatte ein irakisches Gericht bereits im Jahr 2007 zum Tode verurteilt, die Hinrichtung fand aber erst im Januar 2010 statt.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Institute-Werksleiter muss gehen
Am 28. August 2008 hatte eine Explosion am BAYER-Standort Institute zwei Menschenleben gefordert. Hätte ein durch die Luft gewirbelter, tonnen-schwerer Rückstandsbehälter die Tanks mit der Bhopal-Chemikalie Methyl Isocyanat (MIC) getroffen, hätte sich die größte Chemie-Katastrophe der Geschichte ereignen können. Im Anschluss erklärte sich der Leverkusener Multi nach langem Hin- und Her dann bereit, die auf dem Werksgelände bereitgehaltenen MIC-Kapazitäten um 80 Prozent zu verringern - was der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nicht weit genug geht - und zog jetzt auch personelle Konsequenzen. Der Konzern entließ den Werksleiter und richtete eine Doppelspitze ein. Dabei ist einer der beiden Manager fortan nur noch für Sicherheit und Planung zuständig, „um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen“, wie das Unternehmen erklärte.

STANDORTE & PRODUKTION

Gewerbesteuer: BAYER & Co. sparen
Die im so genannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz zusammengefassten Maßnahmen ersparen BAYER & Co. Abgaben in Höhe von ca. 2,4 Milliarden Euro. Zu zahlen haben für dieses Steuergeschenk hauptsächlich die Städte und Kommunen. Allein die Ausfälle bei der Gewerbesteuer beziffert der „Deutsche Städtetag“ auf 900 Millionen Euro jährlich.

ÖKONOMIE & PROFIT

Neuer Großaktionär BLACKROCK
Der US-Vermögensverwalter BLACKROCK ist neuer Großaktionär bei BAYER geworden. Er hält 5 Prozent der Anteile. Den größten Batzen am Kapital des Leverkusener Multis besitzt mit 20 Prozent die US-amerikanische CAPITAL GROUP.

Wenning: „US-Konsum muss anspringen“
Der Leverkusener Multi will aus der Wirtschaftskrise nichts lernen und genau da wieder anfangen, wo das Fiasko seinen Ausgang nahm. „So lange das Konsum-Verhalten in den USA nicht wirklich wieder anzieht, ist kein sich selbst tragender Aufschwung in Sicht“, konstatierte BAYER-Chef Werner Wenning in der Börsen-Zeitung. Genau dieses von China mit dem Kauf von US-Staatsanleihen getragene Konsum-Verhalten, das „einen pazifischen Defizit-Kreislauf“ (Robert Kurz) in Gang setzte, hat nämlich die Schulden-Kultur geschaffen, die Immobilienblasen warf und damit den Finanz-Crash heraufbeschwor.

BAYER senkt die Schulden
Der Leverkusener Multi betreibt Schulden-Abbau und hat sein Defizit, das durch die SCHERING-Übernahme auf 17,5 Milliarden Euro angewachsen war, zum neuen Jahr auf zehn Milliarden Euro reduziert. Und prompt ist der Konzern wieder in Kauflaune. „Wenn sich am Markt sinnvolle Ergänzungen ergeben, werden wir uns das anschauen“, kündigte BAYER-Chef Werner Wenning an.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Salzsäure tritt aus
Im Bergkamener BAYER-Werk kam es am 26.2.10 zu einem Zwischenfall. Aus einem Transport-Behälter mit Produktionsrückständen trat Salzsäure aus, und es bildete sich eine Giftwolke. Ein Beschäftigter, der die Dämpfe eingeatmet hatte, musste zur Untersuchung ins Krankenhaus, konnte es jedoch noch am selben Tag wieder verlassen.

Brand bei BAYER
Am 7.1.10 kam es auf dem Gelände des Leverkusener Multis zu einem Brand. In der Nähe der Müllverbrennungsanlage gelagerte Klebstoffreste, Spraydosen und Lösungsmittel hatten Feuer gefangen. Es entstand eine große Rauchwolke. Die Polizei forderte die AnwohnerInnen auf, die Fenster zu schließen und sperrte die A 59. Anschließend legte sich Ruß über Rheindorf, weshalb die Stadt davor warnen musste, mit den schwarzen Partikeln in Kontakt zu kommen.

RECHT & UNBILLIG

Patentstreit: BAYER verliert
Das indische Pharma-Unternehmen CIPLA hat eine Nachahmer-Version von BAYERs Krebsmedikament NEXAVAR produziert. Um es unmittelbar nach dem Ablauf des Leverkusener Patents auf den Markt bringen zu können, stellte es schon einmal einen Antrag auf Zulassung. Diese wollte der bundesdeutsche Pillen-Riese allerdings verhindern, da er auch nach dem Ablauf der Schutzrechte noch Monopol-Gewinne einzustreichen gedachte. Also klagte der Konzern gegen CIPLA und die Genehmigungsbehörde, was ein Novum in der Justiz-Geschichte darstellte (SWB 3/09). Niemals vorher hatte ein Unternehmen mit Verweis auf angeblich verletzte Patentrechte in ein Zulassungsverfahren eingegriffen und so versucht, die Versorgung armer Menschen mit preisgünstigen Arzneien zu verhindern. Darum erkannten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), das indische PEOPLES HEALTH MOVEMENT, die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE und andere Initiativen sofort die gesundheitspolitische Dimension des Vorstoßes und protestierten vehement. Mit Erfolg: Im August 2009 verlor BAYER den Prozess in erster Instanz, und im Februar 2010 auch in zweiter.

Immer mehr MAGNEVIST-Klagen
BAYERs Kontrastmittel MAGNEVIST hat bei vielen Nierenkranken eine Fibrose, ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, ausgelöst, das zu komplettem Organversagen führen kann. Immer mehr Opfer oder deren Angehörige gehen deshalb gegen den Konzern vor. Während die Zahl der Klagen im Februar 2009 bei 241 lag, sieht sich das Unternehmen ein Jahr später bereits mit 310 konfrontiert.

Immer mehr TRASYLOL-Klagen
Im November 2007 musste BAYER das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen; nur für einige wenige Anwendungsbereiche gilt das Verbot nicht. Derweil nehmen die Schadensersatz-Ansprüche immer weiter zu. Gab es bis zum Februar 2009 470 Klagen, so stieg ihre Zahl bis zum Februar 2010 auf 1.600. Und dazu kommen noch drei Sammelklagen aus Kanada.

1.100 YASMIN-Klagen
BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Produktfamilie können neben anderen Gesundheitsstörungen auch Lungenembolien verursachen, die manchmal sogar tödlich verlaufen (siehe SWB 4/09). Immer mehr Geschädigte oder deren Angehörige ziehen deshalb vor Gericht. Allein in den USA beläuft sich die Zahl der Schadensersatz-Klagen auf ca. 1.100; in Kanada sieht sich der Leverkusener Multi mit zwei Sammelklagen konfrontiert. Und das dürfte noch nicht alles sein. „Mit zusätzlichen Verfahren ist zu rechnen“, heißt es im neuesten Geschäftsbericht.

Einigung mit Blutprodukte-Opfern?
Weltweit infizierten sich in den 80er Jahren Tausende Bluter durch Blutprodukte von BAYER & Co. mit AIDS oder Hepatitis C. Sie wurden Opfer der Profitgier der Konzerne, denn diese hatten sich aus Kostengründen lange Zeit geweigert, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Krankheitskeime vorzunehmen. Aus diesem Grund sehen sich die Unternehmen in den USA immer noch mit zahllosen Prozessen konfrontiert. Mit einer Gruppe von KlägerInnen steht jetzt laut BAYER-Geschäftsbericht eine Einigung unmittelbar bevor.

BAYER klagt wg. YASMIN
Der Leverkusener Multi verklagt routinemäßig Pharma-Hersteller, die nach Ablauf der Patentfrist Nachahmer-Produkte von BAYER-Pillen auf den Markt bringen wollen, wegen Patentverletzung, um sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe zu halten. Jetzt traf es die Unternehmen SANDOZ und WATSON LABORATORIES, die eine Nachahmer-Version des gefährlichen Verhütungsmittels YASMIN (s. o.) vermarkten wollen.

BAYER klagt wg. CIPRO
Besonders indischen Unternehmen, die für Nachahmer-Produkte von BAYER-Medikamenten Zulassungen beantragen, macht der Leverkusener Multi das Leben schwer, um auch nach Ablauf der Patente für die Arzneien noch möglichst lange Monopol-Profite einstreichen zu können. Im letzten Jahr verklagte das Unternehmen den Hersteller CIPLA wegen einer angeblichen Patent-Verletzung (s.o.), und im Februar 2010 leitete der Pharma-Riese in den USA rechtliche Schritte gegen die Firma LUPIN ein, die bei den Behörden einen Genehmigungsantrag für eine Generika-Version des Antibiotikums CIPRO eingereicht hatte.

BAYER verklagt wg. CIPRO
1997 hatte BAYER einen Patentstreit mit dem Pharma-Unternehmen BARR beigelegt. Gegen die Zahlung von 400 Millionen Dollar willigte BARR ein, dem Leverkusener Multi vorerst nicht mit einer CIPROBAY-Nachahmervers

[Ticker 4 2009] STICHWORT BAYER 04/2009 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Jahrestagung 2009
Am 7. November 2009 fand die Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Thema „Haste mal ‘ne Billion? - Konzerne, Kapitalismus und die Krise“ statt. Zum Auftakt sprach Professor Rainer Roth vom RHEIN-MAIN-BÜNDNIS GEGEN SOZIALABBAU UND BILLIGLÖHNE über die Ursache der Krise. Das Problem einer lukrativen Kapitalverwertung hat seiner Ansicht nach zu Überproduktion und „Nachfrage-Doping“ mittels Verschuldung geführt und den Wirtschaftsorganismus schließlich kollabieren lassen. „Entwarnung“ konnte Roth deshalb noch lange nicht geben. Pedram Shahyar vom ATTAC-Koordinierungskreis arbeitete die Frage auf, warum die Linke nicht stärker von der Krise profitiert hat. Die „Globalisierung“ der Neoliberalismus-Kritik, das Vertrauen auf das Krisenmanagement der Eliten, die Rückkehr des Korporatismus von Gewerkschaften und Unternehmen, eine zu flache Krisen-Interpretation und eine Fixierung der Betroffenen auf ihr eigenes Schicksal im Zuge drohenden Job-Verlustes nannte er als Gründe. Im Anschluss daran machte Shahyar Vorschläge für eine neue linke Krisen-Politik. „Verstärkte Suche nach Alternativen“, „Deglobalisierung“, „Eigentumsfrage“ und „Gesundschrumpfung der Wirtschaft“ lauteten hier die Stichwörter. Jan Pehrke (CBG) schließlich zeichnete den Verlauf der Krise am Beispiel BAYER nach und konnte so den im Laufe des Tages erörterten, manchmal recht komplexen wirtschaftlichen Zusammenhängen Anschaulichkeit verleihen. Fast 50 TeilnehmerInnen lockte die Veranstaltung an - so viele BesucherInnen hatte eine Jahrestagung der CBG bisher noch nie. Offensichtlich bestand ein großes Interesse daran, ein Jahr nach Ausbruch der Krise eine erste Bestandsaufnahme vorzunehmen und über die Perspektiven antikapitalistischer Interventionen zu diskutieren.

Antwerpener Beschäftigte protestieren
Der Leverkusener Multi erpresst die Belegschaft des Antwerpener Werks und droht mit einer Schließung, falls die Beschäftigten nicht einer Lohnkürzung zustimmen (siehe KAPITAL & ARBEIT). Diese wollen sich darauf jedoch nicht einlassen. Deshalb nahmen die AntwerpenerInnen nicht nur an einer Großdemonstration in Brüssel teil, die unter Druck stehende Belegschaften vieler belgischer Werke zusammenführte, sondern ergriffen dort auch das Wort. Levi Sollie, der Vertrauensmann der Gewerkschaft Algemeen Belgisch Vakverbond (ABVV), sprach auf der Kundgebung über die Situation am belgischen BAYER-Standort.

Klima-Protest vor BAYER-Zentrale
Zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Kopenhagen hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) am 7. Dezember 2009 gemeinsam mit Vertretern vom NIEDERRHEINISCHEN UMWELTSCHUTZVEREIN und von der Linkspartei eine Mahnwache vor der Leverkusener BAYER-Zentrale abgehalten, um auf die Klima-Sünden des Konzerns hinzuweisen. So leitet der Pharma-Riese jährlich bis zu acht Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre und trägt auf diese Weise zum Treibhauseffekt bei. Und von einem Umdenken ist bei dem Unternehmen nichts zu spüren. Es setzt weiter auf klimaschädigende Müll- und Steinkohlekraftwerke. Darum wollte die CBG BAYER auch einen Offenen Brief übergeben, der zu einer Energie-Wende aufruft, aber dazu kam es nicht. Der Multi verweigerte die Annahme.

CEFIC für Klima-Negativpreis nominiert
LOBBYCONTROL hat den „Verband der Europäischen Chemischen Industrie“ (CEFIC) für den Negativpreis „Angry Mermaid Award“ nominiert. Die Initiative hält den Verband für würdig, die in Anspielung auf die Kopenhagener Klimakonferenz „Die aufgebrachte Meerjungfrau“ getaufte Auszeichnung zu erhalten, weil er sich durch besonders destruktive Lobbyarbeit gegen Klimaschutz-Maßnahmen hervortat. So gelang es der CEFIC LOBBYCONTROL zufolge etwa, der chemischen Industrie kostenträchtige Folgen des Handels mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten zu ersparen, weshalb Investitionen in ökologischere Verfahren unterblieben. Aber schlussendlich musste sich die CEFIC dem noch schlimmeren Finger MONSANTO geschlagen geben.

Pipeline-Protest vor Ständehaus
Am 23. November 2009 war BAYER-Chef Werner Wenning Stargast des Düsseldorfer Ständehaus-Treffs in den Räumen der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Aber der von Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo moderierte Plausch mit dem Konzern-Lenker vor Promis wie Gabriele Henkel, Heiner Kamps, Rudi Altig und Heide Rosendahl konnte nicht ungestört ablaufen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Gegner der vom Leverkusener Multi geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline hielten nämlich eine Mahnwache vor dem Gebäude ab. Die Veranstalter taten dabei alles, den Protest zu erschweren. Als Tagesmieter des Ständehauses reklamierten sie das Hausrecht für sich und drängten die AktivistInnen mit Hilfe von Polizei und privatem Sicherheitsdienst an den äußersten Rand der Auffahrt, um Wenning & Co. den Abend nicht allzu sehr zu verderben. Di Lorenzo kam beim Talk jedoch nicht darum herum, die Sache aufzugreifen. „Wenning ging offensiv mit dem Thema um“, vermeldete die Rheinische Post anschließend, „Er ist fest von der absoluten Sicherheit der Leitung überzeugt, aber er weiß auch, dass keiner ausschließen kann, dass irgendein Unfall passiert“.

PRIMODOS-Anfrage
In den 50er Jahren hatte die jetzige BAYER-Tochter SCHERING den Schwangerschaftstest PRIMODOS (auch DUOGYNON) auf den Markt gebracht, der bei Neugeborenen zu Herzfehlern, Fehlbildungen an Händen und Füßen sowie zu Gaumenspalten führte. Auf der diesjährigen Hauptversammlung des Leverkusener Multis haben die Opfer des Hormon-Präparates eine Entschädigung gefordert; zudem sind Klagen in Vorbereitung (siehe RECHT & UNBILLIG). Im Juli hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) dem Gesundheitsministerium zum Fall „PRIMODOS“ einen Brief geschrieben. Die CBG wollte wissen, warum die Betroffenen bis heute keine Unterstützung erhalten und welche Unterlagen im Archiv noch zu dem Pharma-GAU existieren. Zudem fragte die Coordination, ob es bezüglich der Entschädigungsfrage Kontakte zum Pharma-Riesen und zu den Behörden in Großbritannien gibt, wo das Thema ebenfalls auf der Tagesordnung steht. Darüber hinaus erbat sie eine Stellungnahme zur Weigerung des Global Players, die Geschädigten abzufinden. Diese mochte das Gesundheitsministerium in seiner Antwort nicht abgeben. Es habe in der Sache weder Verbindung zu BAYER noch zur britischen Regierung aufgenommen und hätte auch keine Akten zu dem Fall mehr, hieß es in dem Schreiben weiter. „Zu Ihrer Frage, warum die Betroffenen keine Unterstützung erhalten haben, lassen sich daher nur Vermutungen aufgrund von nicht validen Informationen anstellen. Es scheint damals aber wohl eine gewisse Unsicherheit in der Kausalitätsbewertung zwischen den aufgetretenen Missbildungen und der Verabreichung des entsprechenden Medikamentes gegeben zu haben“, so das Ministerium.

Die „Global Compact“-Beschwerde
1999 haben sich BAYER und andere Multis am Rande des Davoser Weltwirtschaftsforums im „Global Compact“ dazu bekannt, soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einzuhalten. Nach Meinung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat der Leverkusener Multi mit der Beinah-Katastrophe in Institute und seiner Reaktion darauf gegen die Regularien des an die UN angebundenen Industrie-Zusammenschlusses verstoßen. Der Konzern hatte im Vorfeld lange bekannte Sicherheitsmängel nicht behoben, defekte Detektoren nicht repariert und Warnsysteme deaktiviert. Nach der Explosion informierte er zudem die Öffentlichkeit unter Berufung auf die Antiterror-Gesetze nur spärlich (siehe SWB 2/09). Die CBG hat die UN deshalb in einem Offenen Brief aufgefordert, den Agro-Riesen aus dem „Global Compact“ auszuschließen. Die Antwort traf umgehend ein. Der „Global Compact“ legte dar, dass er über keinerlei Mandat verfügt, die Einhaltung seiner Prinzipien zu kontrollieren und gegebenenfalls Sanktionen auszusprechen. Nur einen Dialog moderieren könne er. Das tat er dann auch, indem er BAYER zu einer Stellungnahme aufforderte. Nach einigem Briefverkehr mit dem Leverkusener Multi und der CBG teilte die Organisation mit, sie habe die Beschwerde nun an die bundesdeutsche Dependance weiterverwiesen. Die Coordination erklärte sich damit nicht einverstanden. Sie dringt darauf, den Fall statutengemäß im Leitungsgremium zu verhandeln, und legte Protest ein.

180.000 Unterschriften gegen LL62
Im Jahr 2006 hat BAYERs Genreis LL601 für den größten Gen-GAU der Nuller-Jahre gesorgt: Trotz fehlender Zulassung tauchte er in den handelsüblichen Supermarkt-Sorten auf. Das hält den Leverkusener Multi jedoch nicht davon ab, weiter auf die Risiko-Technologie zu setzen. So liegt der EU bereits seit längerem ein Antrag zur Importgenehmigung von LL62-Reis vor. GREENPEACE hat dagegen mobil gemacht und der EU-Gesundheitskommissarin Anroulla Vassiliou, die demnächst das Bildungsressort übernimmt, im Oktober 2009 180.000 Unterschriften gegen eine Einfuhr-Lizenz übergeben.

Kritik an Beobachtungsstudien
Die „Kassenärztliche Bundesvereinigung“ (KBV) hat die Beobachtungsstudien angeprangert, mittels derer BAYER & Co. ihre Medikamente in Arztpraxen testen lassen. Aus wissenschaftlicher Sicht sind diese Anwendungsuntersuchungen, bei denen die ÄrztInnen nur einen kleinen Fragebogen ausfüllen müssen, kaum ergiebig, moniert die KBV, aus finanzieller Sicht allerdings schon - sowohl für die Konzerne als auch für die DoktorInnen. In Wahrheit verfolgen die Expertisen nämlich den Zweck, die PatientInnen auf das getestete Präparat - zumeist ein neues und deshalb besonders teures - umzustellen, und genau dafür zahlen die Unternehmen dann auch bis zu 1.000 Euro. Als „Fangprämien“ bezeichnete Leonard Hansen von der „Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein“ deshalb die Honorare, und der KBV-Vorstand Carl-Heinz Müller lässt keinen Zweifel an den Motiven von Big Pharma: „Das Ziel einer schnelleren Umsatzsteigerung ist sicher nicht von der Hand zu weisen“. Der Leverkusener Multi verfolgte dieses Ziel unter anderem mit Beobachtungsstudien zu BETAFERON. Kritik an dieser Praxis wies der Konzern immer wieder zurück. So verteidigte BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke das Vorgehen der Pillen-Produzenten im Jahr 2008 mit den Worten: „Ich halte Anwendungsbeobachtungen allerdings für sinnvoll, da sie uns Langzeitdaten über die Wirkung von Medikamenten in die Hand geben, die wir aus den Zulassungsstudien nicht bekommen“.

Mediziner kritisiert Krebsmedikamente
Im Pharma-Geschäft versprechen Krebs-Arzneien die höchsten Gewinne. ExpertInnen erwarten für die nächsten Jahre einen 66 Milliarden Dollar schweren Absatzmarkt. Mit den Heilsversprechen der Pillenriesen - BAYER etwa preist NEXAVAR als einen „Meilenstein im Kampf gegen Krebs“ an - ist es nach Ansicht des Krebs-Spezialisten W.-D. Ludwig allerdings nicht so weit her. Nach Meinung des Mediziners, der an der HELIOS-Klinik in Berlin-Buch arbeitet und den Vorsitz der „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ innehat, sorgt vor allem eine kreative Gestaltung der klinischen Tests für den guten Leumund der Mittel. So bestimmen die Untersuchungen als Ziel der Therapie nicht etwa das Überleben der PatientInnen und dauern auch gar nicht so lange, um den Gesundheitszustand der ProbandInnen über einen angemessenen Zeitraum hinweg verfolgen zu können. Ihnen reicht es als positiver Befund aus, wenn sich das Leiden erst einmal nicht verschlimmert oder der Körper überhaupt in irgendeiner Weise auf den Pharma-Stoff anspricht, was noch überhaupt nichts über eine Beeinflussung des Krankheitsverlaufs aussagt. Da es noch kaum wirksame Krebs-Arzneien gibt, müssen die Konzerne zudem keine großen Vergleichsstudien finanzieren. Das alles erleichtert „erfolgreiche Erprobungen“ natürlich ungemein. Ludwig forderte als Konsequenz aus dieser Art von Studien mehr unabhängige Arzneimittel-Untersuchungen.

Einspruch gegen BVL-Bescheid
Im letzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hegte den Verdacht, dass der Agro-Riese diese „Nebenwirkung“ bei den Genehmigungsbehörden heruntergespielt hat und verlangte in einem Offenen Brief an das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) die Herausgabe der Zulassungsunterlagen. Die Behörde gab dem Begehr zwar trotz BAYER-Widerstand statt, erlaubte jedoch nur eine kurze Einsichtnahme bei einem Lokaltermin. Dagegen legte die CBG Widerspruch ein, weil so zu wenig Zeit für die Überprüfung der Dokumente bleibt.

Frankfurter Uni umbenannt
Im Jahr 2001 ging das Frankfurter IG-FARBEN-Haus in den Besitz der „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ über. Seit dieser Zeit traten Studierende und Lehrende dafür ein, die mahnende Erinnerung an den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern wachzuhalten, indem die Hochschule den ehemaligen IG-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim ehrt. Die Leitung wehrte sich aber erfolgreich dagegen, einen Platz auf dem Gelände nach dem Mann zu benennen, der durch seinen 1951 begonnenen Musterprozess Entschädigungszahlungen für die SklavenarbeiterInnen ermöglichte. Stattdessen errichtete sie mit dem „Norbert Wollheim Memorial“ eine Gedenkstätte für ihn (siehe SWB 1/09). Im Zuge des Bildungsstreiks jedoch knüpften Studierende an die alte Idee an. Sie besetzten das Casino-Gebäude und benannten die Alma Mater symbolisch in „Norbert Wollheim Universität“ um.

Kritik an EU-Pharmapolitik
Die EU betrachtet Medikamente nicht als Bestandteil des Gesundheitswesens, sondern als Wirtschaftsgut. Deshalb untersteht das Arzneimittelrecht ebenso wie die für Pillen-Zulassungen zuständige „Europäische Arzneimittelbehörde“ dem Industrie- und nicht dem Gesundheitskommissar. An dieser Politik hat jetzt der gesundheitspolitische Sprecher der Europäischen Volkspartei, der Christdemokrat Peter Liese, scharfe Kritik geübt.

KAPITAL & ARBEIT

Neue Standortsicherungsvereinbarung
BAYER hat mit dem Gesamtbetriebsrat eine neue Standortsicherungsvereinbarung abgeschlossen (siehe auch STANDORTE & PRODUKTION). Wie schon bei dem Vorgänger-Vertrag ließ sich der Leverkusener Multi das Zugeständnis, fünf Jahre auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, teuer abkaufen. So müssen die Beschäftigten jetzt ihre Arbeitszeit noch stärker den Konjunktur-Schwankungen anpassen und sogar Ortswechsel in Kauf nehmen. Bei der Sparte BAYER TECHNOLOGY SERVICES haben sie zudem eine Stunde länger zu arbeiten, ohne dafür mehr Lohn zu bekommen. „Zu bemerken ist, dass in vielen Punkten wieder einer zeitlich begrenzten Zusage des Arbeitgebers dauerhaft abgegebene Besitzstände der ArbeitnehmerInnen gegenüberstehen“, kommentieren die KOLLEGEN UND KOLLEGINNEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk, das Ergebnis der Verhandlungen.

Kürzerarbeit wieder aufgehoben
Im Zuge der Wirtschaftskrise hatte BAYER in der Kunststoff-Sparte die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich um 6,7 Prozent gekürzt und weitere Maßnahmen durchgeführt, was dem Leverkusener Multi Kosten in zweistelliger Millionenhöhe ersparte. Anfang November 2009 hat der Konzern die Kürzerarbeit-Regelung wieder aufgehoben - „eine derzeit verbesserte Auftragslage“ bewog das Unternehmen zu diesem Schritt.

Antwerpen: BAYER droht mit Schließung
Am Standort Antwerpen erpresst BAYER die Belegschaft. Der Leverkusener Multi droht mit einem Aus für die Kunststoff-Produktion, wenn die Beschäftigten nicht auf zehn Prozent ihres Lohn verzichten. Die beiden Gewerkschaften Algemeen Belgisch Vakverbond (ABVV) und ACV Energie-Chemie wollen das nicht mitmachen. „Die Vertrauensleute im Antwerpener Werk werden keiner sozialen Demontage zustimmen, wir werden weder zu Lohnsenkungen noch zu Arbeitszeitverlängerungen ‚Ja‘ sagen“, kündigt ABVV-Vertrauensmann Levi Sollie an und verweist auf den 190-Millionen-Euro-Gewinn der Niederlassung. Einer Standort-Konkurrenz mit Krefeld verweigert sich die Gewerkschaft ebenfalls: „Auch werden wir nicht zulassen, dass wir gegen die Kollegen im BAYER-Werk Uerdingen ausgespielt werden“. Der Pharma-Riese musste die staatliche Schiedskommission anrufen, weil es mit den Belegschaftsvertretern zu keiner Einigung kam. Eine Entscheidung des Gremiums steht noch aus.

Gerüchte über BMS-Verkauf
Im November 2009 tauchten Gerüchte über einen von BAYER beabsichtigten Verkauf der Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) auf. Die INTERNATIONAL PETROLIUM INVESTMENT COMPANY (IPIC) mit Sitz in Abu Dhabi hatte Verhandlungen mit dem Pharma-Riesen bestätigt. Der Leverkusener Multi hielt sich dagegen bedeckt: „Marktgerüchte kommentieren wir grundsätzlich nicht“. Wenig später dementierte IPIC-Direktor Khadem Al Qubaisi die von dem Informationsdienst Chemical Industry News & Intelligence in Umlauf gebrachte Meldung. Es sei bei den Gesprächen mit BAYER nicht um einen Verkauf, sondern um ein geplantes Joint Venture in Abu Dhabi gegangen. Wie dem auch sei - Wirtschafts- und Finanzkreise machen jedenfalls weiter Verkaufsdruck. So schrieb beispielsweise das Handelsblatt unlängst angesichts wieder etwas besserer BMS-Geschäftszahlen: „Der Pharma- und Chemiekonzern kann sich wieder über seine Kunststoffe freuen. Zeit, an einen Verkauf zu denken“.

USA: BAYER gegen Gewerkschaftsgesetz
In den Vereinigten Staaten versucht der Leverkusener Multi mit aller Macht, die Gewerkschaften aus dem Konzern herauszuhalten. Immer wenn sich irgendwo die Gründung einer Beschäftigten-Vertretung anzubahnen droht, trommelt das Unternehmen die Belegschaft zusammen und warnt vor Arbeitsplatzvernichtungen, sollten sich im Werk Betriebsgruppen bilden. Folglich gibt es nur an drei von 50 BAYER-Standorten in den USA Gewerkschaften. Die Regierung Obama hat sich jetzt vorgenommen, den Organisationen den Rücken zu stärken und sie besser vor Repressionen zu schützen. Aber BAYER & Co. investieren Millionen, um das Gesetzesvorhaben zu verhindern.

IG BCE für Unternehmenssteuerreform
Der neue IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis will den industriefreundlichen Kurs seines Vorgängers Hubertus Schmoldt fortsetzen (siehe auch SWB 4/09) und demonstrierte dies auch gleich eindrucksvoll, indem er sich von dem DGB-Vorschlag distanzierte, in Zeiten der Krise den Übergang zwischen Arbeitslosengeld und Hartz IV finanziell weicher zu gestalten. Er überraschte auf dem Chemiegewerkschaftskongress in Hannover allerdings mit einer Forderung zur Reform der Unternehmensbesteuerung. So verlangte Vassiliadis, die Höhe der Körperschaftssteuer nach der Eigenkapitalrendite zu bemessen und so besonders rücksichtslose Profit-Jäger abzustrafen. „Wenn eine extreme Rendite nur mit einer sehr aggressiven Strategie erreicht werden kann, erst dann beginnt ein höherer Steuersatz“, so sein Vorschlag. Zudem möchte der Gewerkschaftler die Krisenverursacher stärker zur Verantwortung ziehen und machte sich für eine KurzarbeiterInnen-Abgabe des Bankensektors stark.

Merkel lobt die IG BCE
Bundeskanzlerin Angela Merkel trat auf dem Bundeskongress der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) auf und konnte gar nicht mehr aufhören, die Verdienste der Gewerkschaft um das Co-Management zu rühmen. Laut Frankfurter Rundschau gelang es der Politikerin, die IG BCE „innerhalb einer halben Stunde gefühlte 30 Mal zu loben und sich abwechselnd ‚herzlich‘, ‚freundlich‘ oder ‚besonders‘ zu bedanken“. In puncto Gentechnik standen ihr Vassiliadis & Co. sogar näher als die CDU-GenossInnen. Die „Zukunftsgewandtheit“ der GewerkschaftlerInnen stände auch den eigenen Parteikreisen gut zu Gesicht, vermerkte Merkel.

Betriebskrankenkassen-Fusionitis
Mitte 2007 schloss sich BAYERs Betriebskrankenkasse mit der FORTISNOVA BKK zur PRONOVA BKK zusammen. Zum Jahreswechsel fusioniert diese wiederum mit den Kassen FORD & RHEINLAND und GOETZE & PARTNER, „um unsere Position im Gesundheitsmarkt langfristig zu stärken“, wie aus der Zentrale verlautete. Name, Filialnetz und MitarbeiterInnen-Zahl bleiben erhalten, und mit über 500.000 Versicherten zählt die PRONOVA BBK nunmehr zu den 30 größten Krankenkassen der Bundesrepublik. Besonders aggressive Verhandlungen mit BAYER um Arznei-Preise dürften von ihr jedoch nicht zu erwarten sein.

ERSTE & DRITTE WELT

Afrika kommt zu BAYER
Afrika nimmt für BAYER & Co. vor allem wegen seiner Rohstoff-Vorkommen, um die ein Wettlauf mit China entbrannt ist, eine immer größere Bedeutung ein. Aus diesem Grund versuchen die Konzerne eine African Connection aufzubauen, indem sie Kontakte zu späteren Eliten aufbauen. Diesem Behufe dient das Programm „Afrika kommt“, in dessen Rahmen BAYER und weitere Unternehmen junge Spitzenkräfte des Kontinents mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amtes in der Bundesrepublik „weiterqualifizieren“. Die Koordination übernimmt dabei die seit langem mit dem Leverkusener Multi verbundene Agentur „Inwent“. 1921 vom damaligen BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg gegründet, hörte sie lange auch auf seinen Namen. Erst im Jahr 2002 legte die Einrichtung die Bezeichnung „Carl-Duisberg-Gesellschaft“ ab.

Venezuela hebt BAYER-Patent auf
Patente auf Medikamente verschaffen den Herstellern Monopol-Gewinne und verhindern eine preisgünstige Arzneiversorgung, was vor allem in den Ländern der Dritten Welt verheerende Folgen hat. In Venezuela wollten Pillen-Produzenten deshalb eine Nachahmer-Version von BAYERs Antibiotikum-Wirkstoff Moxifloxacin auf den Markt bringen. Der Leverkusener Multi klagte, die venezolanische Behörde SAPI prüfte - und stieß auf Unregelmäßigkeiten in der Patentschrift. Deshalb hob sie den Schutz des geistigen Eigentums für Moxifloxacin auf. Das Handelsministerium unterstützte den Schritt und erklärte, dass „Aktionen wie die von BAYER sich gegen das Recht auf Gesundheit richten und auf die Errichtung eines Industrie-Monopols zielen, ohne auf die Bedürfnisse des Volkes Rücksicht zu nehmen“. Auch Ecuador hat Maßnahmen angekündigt, um die Verfügbarkeit von Medikamenten zu verbessern. Die Regierung will die Patente von 2.000 Präparaten für ungültig erklären.

IG FARBEN & HEUTE

100 Jahre Synthese-Kautschuk
Mit großen Artikeln feierte die Presse den hundertsten Geburtstag von Synthese-Kautschuk, das der BAYER-Forscher Fritz Hofmann entwickelt hatte. In den netten Ständchen fehlten allerdings Passagen darüber, welche wichtige Rolle dieser Stoff bei den Kriegsvorbereitungen der Nazis spielte. Er machte das Verbrecherregime nämlich unabhängig von Rohstoff-Importen aus dem Ausland und verschaffte den von BAYER mitgegründeten IG FARBEN so eine profitable Führungsposition bei den wirtschaftlichen Planungen zu den Waffengängen.

IG FARBEN an „Aktion T4“ beteiligt
Die vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN haben nicht nur das Zyklon B für die Vergasung der Juden im „Dritten Reich“ geliefert. Der Mörderkonzern hat auch für die „Aktion T4“ genannte Euthanasie, der mehr als 100.000 behinderte oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen, den passenden Rohstoff bereitgestellt: das heute wieder durch BAYERs umstrittenes Pipeline-Projekt ins Gerede gekommene Kohlenmonoxid.

IG FARBEN besaß Zeitungsanteile
Der von BAYER mitgegründete Mörderkonzern IG FARBEN war nicht auf wohlmeinende Presseberichte angewiesen - er hielt sich selbst eine Zeitung. 1929 erwarb das Unternehmen 35 Prozent der liberalen Frankfurter Zeitung und 1930 weitere 14 Prozent. Mit diesem Besitzerwechsel ging auch eine Veränderung des politischen Kurses einher. So musste unter anderem der bekannte Publizist Siegfried Kracauer gehen. Ob sich der Leverkusener Multi nach dem Krieg auch an der Neugründung des Blattes unter dem Namen Frankfurter Allgemeine Zeitung beteiligte, steht nicht fest.

  • KONZERN & VERGANGENHEIT

ASPIRIN und die Grippewelle von 1918
Im Jahr 1918 raffte die Spanische Grippe über 50 Millionen Menschen auf der Welt dahin. Nach Ansicht der Medizinerin Dr. Karen M. Starko könnten viele Sterbefälle jedoch nicht durch die Krankheit, sondern durch das Heilmittel ASPIRIN ausgelöst worden sein. BAYERs „Tausendsassa“ kam bei der Behandlung der Infizierten nämlich in einer doppelt so hohen Dosis wie heute zum Einsatz, und den Autopsien zufolge kommt der Virus als Todesursache oftmals nicht in Frage. So wiesen zahlreiche Tote kaum Lungenschädigungen auf. Deshalb konnten MedizinerInnen sich die große Mengen blutiger Flüssigkeit in den Atemorganen bisher nicht erklären - Starko aber schon: Blutungen sind eine bekannte Nebenwirkung von ASPIRIN.

POLITIK & EINFLUSS

Lobby-Register ohne CEFIC
Die CEFIC, der europäische Lobbyverband der Chemie-Unternehmen, hat 170 Beschäftigte und einen Etat von ca. 47 Millionen Euro. Die Organisation kann jedoch auch ganz bescheiden auftreten. Im neu geschaffenen Lobby-Register der EU bezifferte sie die jährlichen Kosten für ihr Antichambrieren auf schlappe 50.000 Euro. Die Umweltgruppe FRIENDS OF THE EARTH wollte daran nicht glauben und witterte eine Irreführung der Behörden. Die EU-Kommission rechnete nach und gab der Initiative Recht. Daraufhin flog die CEFIC aus dem Register. Aber seit dem Herbst 2009 ist der Verband wieder drin, weil er sich zu kapitalistischem Realismus entschlossen hatte: Der Lobbyclub korrigierte seine Zahlen um das 80-fache nach oben und fand sich mit vier Millionen Euro plötzlich auf Platz sechs der finanzkräftigsten Einflussnehmer wieder.

BAYER in Kopenhagen
Über zahlreiche Lobbyorganisationen hat BAYER in Kopenhagen substanzielle Beschlüsse zur Rettung des Klimas zu verhindern versucht. „Croplife“ bemühte sich, verbindliche Auflagen zur Kohlendioxid-Reduzierung in der Landwirtschaft abzuwenden. Der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) erklärte: „Wir sind nicht mehr länger das Problem, wir sind Teil der Lösung“ und lud unter dem Titel „Business for Climate Protection“ zu einer Podiumsdiskussion, an der auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen teilnahm. „3C - Combat Climate Change“ betrieb derweil Werbung für die Kohlendioxid-Abspaltung - und damit für Kohlekraftwerke; das „International Chamber of Commerce“ und das „World Business Council for Sustainable Development“ unterstützten „3C“ dabei nach Kräften. Das tat auch „Business Europe“. Zudem hatte der Verband bereits im Oktober eine Konferenz zum Thema „Zwischen der Wirtschafts- und der Klimakrise - ist Kopenhagen der Ausweg?“ abgehalten, die unliebsamen Besuch von UmweltaktivistInnen erhielt. Darüber hinaus präsentierte „BusinessEurope“ EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso mit der „Copenhagen Scorecard“ eine Wunschliste in Sachen „Klimapolitik“. So sollte die Europäische Union Entwicklungsländer wie China in Dänemark zu verbindlichen Reduktionszielen drängen - und in heimischen Gefilden mehr auf „freiwillige Selbstverpflichtungen“ setzen.

„Croplife“ gegen US-Klimagesetze
„Croplife“, der US-amerikanische Verband von BAYER und anderen Agro-Multis, versucht, Obamas Klimaschutz-Agenda zu Fall zu bringen. Zu diesem Behufe hat die Organisation die Lobby-Agentur ALPINE GROUP engagiert, die in Washington über beste Kontakte verfügt.

Wenning beim Wirtschaftsgipfel
Die Kreditklemme gehört für den Leverkusener Multi zu den unangenehmsten Folgen der Wirtschaftskrise. „In der Größenordnung von zehn Milliarden Euro dürfte eine Akquisition für die meisten derzeit nicht mehr finanzierbar sein“, mit diesen Worten beklagte sich BAYER-Chef Werner Wenning in der Faz über die Beschränkung der Einkaufsmöglichkeiten. Deshalb drängte er bereits auf dem ersten Krisengipfel, zu dem Bundeskanzlerin Angela Merkel gerufen hatte, auf eine Lösung des Problems. Auch bei der trauten Runde, die sich am 2. Dezember 2009 im Kanzleramt diesem Thema widmete, saß Wenning wieder mit dabei, flankiert unter anderem von Josef Ackermann, Dieter Hundt vom Arbeitgeberverband und Michael Vassiliadis von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE.

BAYER unterzeichnet NRW-Pakt
Die nordrhein-westfälische Landesregierung tut alles dafür, BAYER & Co. in politische Entscheidungen einzubinden. So rief sie beispielsweise den „Dialog Wirtschaft und Umwelt“ ins Leben. Im November 2009 haben Rüttgers & Co. jetzt mit BAYER und anderen Unternehmen einen Pakt geschlossen, denn „die Distanz zwischen Wirtschaft und Politik verhindert Wachstum“. Diese Entfremdung - „Die Wirtschaft hat vielfach geglaubt, ohne die Politik auszukommen. Die Politik hat sich an einer Manager- und Unternehmerschelte beteiligt“ - wollen Bosse und CDU/FDP-Koalition mittels Spitzentreffen schnellstmöglich aufheben. Nicht zuletzt BAYERs umstrittenes Pipeline-Projekt dürfte die konzertierte Aktion nötig gemacht haben.

BAYER & Co. sponsern den Staat
Die Konzerne unterstützten die Regierungstätigkeit im großen Umfang finanziell. Das geht auch aus dem 3. Zweijahresbericht über Sponsoring-Leistungen hervor, den das „Bundesministerium des Inneren“ im Mai 2009 veröffentlichte. Geld- und Sachleistungen in einer Größenordnung von fast 80 Millionen Euro brachten die Unternehmen in den Jahren 2007 und 2008 auf. BAYER befand sich natürlich ebenfalls unter den „edlen Spendern“. Der Leverkusener Multi stiftete für das Sommerfest von Bundespräsident Horst Köhler Sachleistungen im Wert von 30.000 Euro. Für den Empfang zum „Tag der Deutschen Einheit“ machte der Konzern 33.170 Euro locker und für das Kunstprojekt „inform“ 50.000 Euro.

„World Environment Day“ in Pittsburgh
Als „Bluewashing“ kritisieren die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen die Strategie der Konzerne, sich durch Kooperationen mit den Vereinten Nationen ein gutes Image zu verschaffen. BAYER tut dies hauptsächlich durch ein Sponsoring der UNEP, des Umweltprogramms der UN. So richtete das Unternehmen 2007 in Leverkusen eine Konferenz mit 150 jungen UmweltschützerInnen aus aller Welt aus. Im Oktober 2009 gelang dem Multi erneut ein Coup. Er setzte für 2010 mit Pittsburgh den Standort seines US-amerikanischen Hauptquartiers als Gastgeber-Stadt des „World Environment Day“ durch. Dort hofft sich der Chemie-Riese dann wieder einmal als Öko-Engel präsentieren zu können.

BDI treibt Gesundheitspolitik
Im November 2009 präsentierte der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) sein „gesundheitswirtschaftliches Innovationskonzept“. Die Organisation sprach sich darin für eine Abkehr vom paritätisch finanzierten Gesundheitswesen aus und trat stattdessen für „transparente, lohnunabhängige Prämien“ ein. Zudem wiederholte sie die alte BAYER-Forderung nach einer steuerlichen Absetzbarkeit von Forschungskosten. Auch „zentralistische Eingriffe in die Preisbildung“ von Medikamenten verbat sich der BDI. Darüber hinaus sollten die Krankenkassen unbesehen die Kosten für jede neu auf den Markt kommende Arznei übernehmen. Natürlich durfte in dem Papier auch eine Kritik am „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ nicht fehlen, das Kosten/Nutzen-Analysen von Arzneimitteln durchführt und dabei nach Meinung von BAYER & Co. allzu oft zu negativen Ergebnisse kommt. Aber mit einer weiteren Loslösung vom Solidarprinzip hat das „gesundheitswirtschaftliche Innovationskonzept“ den Konzernen zufolge nichts zu tun, „ohne Wenn und Aber“ sprachen sie sich gegen eine Zwei-Klassen-Medizin aus.

Verheugen kämpft gegen Werbeverbot
Das Pillengeschäft könnte noch mehr Profite abwerfen, wenn die Hersteller für verschreibungspflichtige Medikamente werben dürften. Deshalb versuchen BAYER & Co. seit geraumer Zeit, das EU-Reklameverbot zu Fall zu bringen. Den Industrie-Kommissar der EU, Günter Verheugen, haben sie dafür als Bündnispartner gewonnen. Trotzdem liegt sein Gesetzesvorschlag vorerst auf Eis, weil viele ParlamentarierInnen eine Kosten-Explosion durch eine aggressive Reklame für teure Arzneien befürchten. Der SPD-Politiker versuchte daher kurz vor Ende seiner Amtszeit noch, Medikamenten-Fälschungen als Argument dafür anzuführen, den Pharma-Riesen mehr Raum für das zuzubilligen, was sie „Informationen“ nennen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Klima-Manager Wenning?
Aus unerfindlichen Gründen ließ der Berliner Tagesspiegel in seiner Reihe „Die Klima-Manager“ auch BAYER-Chef Werner Wenning zu Wort kommen. Der gibt sich zunächst reumütig: „Die Industrie ist Teil des Problems“, nimmt dann aber flugs für sich in Anspruch, zur Lösung beitragen zu können. Gemeint ist allerdings lediglich ein Klimakrisen-Management aus dem Ackergiftschrank des Multis. So können Wenning zufolge bestimmte Pestizide den Pflanzen helfen, mit den Folgen des Klimawandels wie etwa Trockenheit umzugehen. Eine „zweite grüne Revolution“ nennt der Vorstandsvorsitzende das unbescheiden. Alleine machen will er sie jedoch nicht. „Die öffentlichen Ausgaben für Agrarforschung und landwirtschaftliche Infrastruktur reichen dafür noch nicht aus“, meint er und fordert frech Subventionen.

BAYER sponsert Klima-SkeptikerInnen
Der Leverkusener Multi bläst jährlich 7,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft und setzt weiter auf klimaschädigende Kohle- und Müllkraftwerke. Darum hat er auch ein großes Interesse daran, das Problem „Klimawandel“ zu verharmlosen und unterstützt Denkfabriken, die diesen Job für das Kapital erledigen. So gehört der Konzern zu den Sponsoren des „Science Media Centers“ und des „Institute of Ideas“, das sich daneben auch gut auf Pro-Gentech-PR versteht.

Greenwashing zum G20-Gipfel
Der diesjährige G20-Gipfel der weltgrößten Industrieländer fand in Pittsburgh statt, dem Sitz von BAYERs US-amerikanischem Hauptquartier. Der Leverkusener Multi legte sich daher mächtig ins Zeug, um sich trotz seines jährlichen Kohlendioxid-Ausstoßes von 7,6 Millionen Tonnen als Umweltengel zu präsentieren und begrüßte die Staatenlenker mit großen „Welcome“-Bannern.

BAYER lädt zum Gynäkologie-Kongress
Der Leverkusener Multi hat mit QLAIRA ein neues Verhütungsmittel kreiert. Um dieses auch auf die Rezeptblöcke zu bringen, lud er 700 FrauenärztInnen ins Berliner Hotel Andel‘s zu dem Kongress „GynSights“ ein. Prof. Dr. Alfred O. Mueck und Dr. Anneliese Schwenkhagen gestalteten den Werbeblock für die Antibabypille, der nur von einigen Workshops zu gynäkologischen Themen unterbrochen wurde. Zu allem Übel firmiert das Ganze auch noch unter „Weiterbildungsmaßnahme“. „Diese Fortbildung haben wir bei der zuständigen Ärztekammer zur Zertifizierung eingereicht“ lässt BAYER die ÄrztInnen-Schar auf der Einladung wissen.

Werbekosten: vier Milliarden Dollar
Nach eigenen Angaben belaufen sich die jährlichen Marketing-Kosten von BAYER auf vier Milliarden Dollar. Allein in den USA investiert der Konzern 840 Millionen Dollar.

VI gibt TransGen-Trägerschaft auf
Die „Verbraucher Initiative“ (VI) ist mehr eine Konzern-Initiative. So hat sie sich ihr Gentechnik-Informationsportal TransGen von BAYER und anderen Gen-Giganten bezahlen lassen, was nicht ohne Einfluss auf die Berichterstattung blieb. Im November 2009 gab die VI nun endlich die Trägerschaft auf. Das Propaganda-Portal existiert jedoch weiterhin.

Standort-Kampagne in Leverkusen
BAYER spielt seinem Stammsitz Leverkusen seit längerer Zeit übel mit. Das Werk schrumpft und schrumpft und damit auch die Zahl der Arbeitsplätze, die Gewerbesteuer fließt nur noch spärlich und die vielbeschworene BAYER-Familie wird dysfunktionaler und dysfunktionaler. Was tun Konzerne in einem solchen Fall? Sie starten eine Image-Kampagne, die Eintracht beschwört. Und so heißt es nun: „Leverkusen und BAYER. Ein starkes Team“. Anzeigen beschwören den „Heimvorteil Leverkusen“, auf einer extra eingerichteten Internet-Seite betreibt der Multi Lokalpolitik und ein Fotowettbewerb zum Thema ist ebenfalls in Planung.

DRUGS & PILLS

Wieder eine YAZ-Tote
Im September 2009 erlitt eine 21-jährige Schweizerin nach der Einnahme von BAYERs Verhütungsmittel YAZ eine Lungenembolie und starb. Obwohl das Embolie-Risiko bei den Drospirenon-haltigen Kontrazeptiva wie YAZ um das 1,75fache höher liegt als bei den älteren Präparaten der 2. Generation, sah die zuständige Aufsichtsbehörde „Swissmedic“ auch nach dem neuerlichen tragischen Fall keine Veranlassung, die Pillen der YASMIN-Produktfamilie vom Markt zu nehmen. Das Heilmittel-Institut rät den MedizinerInnen lediglich zur Vorsicht. So sollen diese beim Verschreiben YASMIN & Co. auf die Gefahren aufmerksam machen; nur bei Frauen mit Hautleiden legte die Einrichtung den Einsatz der Mittel nahe. Zudem verlangt „Swissmedic“ eine Änderung des Beipackzettels - und mehr Folgen als eine andere Packungsbeilage dürfte der Pharma-GAU auch in der Bundesrepublik nicht haben.

Antibiotika nicht lukrativ
Antibiotika wie BAYERs CIPROBAY wirken gegen immer mehr Krankheitserreger nicht mehr. Das stört den Leverkusener Chemie-Multi aber kaum. Er gehört nicht zu den wenigen Pharma-Riesen, die nach Alternativen forschen. Antibiotika zählen nämlich nicht gerade zu den Kassenschlagern auf dem Pillen-Markt. Die MedizinerInnen verschreiben sie nur für wenige Tage, und neue Mittel haben die ÄrztInnen für besonders schwierige Fälle zurückzuhalten. „Medikamente, die Patienten über viele Jahre einnehmen müssen, sind viel lukrativer“, so Petra Gastmeier vom „Institut für Hygiene“ der Berliner Charité.

Senkt ASPIRIN das Darmkrebs-Risiko?
Nach einer neuen britischen Studie senkt ASPIRIN das Darmkrebs-Risiko. Die WissenschaftlerInnen warnen trotzdem vor einer vorbeugenden Einnahme des „Tausendsassas“, da er schwere Nebenwirkungen wie Magenbluten hat. Frühere Untersuchungen belegten einen Effekt von ASPIRIN nur auf eine bestimmte Art von Darm-Tumoren, weshalb die ForscherInnen ebenfalls von einer Gabe des Medikamentes zur Prophylaxe abrieten. Die einzige bisher durchgeführte Langzeitstudie sprach dem Mittel sogar jeden Nutzen bei der Darmkrebs-Prävention ab.

Keine Infarkt-Prävention mit ASPIRIN
BAYER vermarktet ASPIRIN mit großem Aufwand auch als Mittel zur Herzinfarkt-Prävention. Eine neue, im Drugs and Therapeutics Bulletin veröffentlichte Studie hat jetzt den Nutzen untersucht und kam zu einem negativen Ergebnis. Bei gesunden Menschen beugt der Tausendsassa einem Herzinfarkt nicht vor, während er das Risiko verdoppelt, innere Blutungen zu erleiden.

Brasilien: Kinder-ASPIRIN vom Markt
In Ländern der Dritten Welt vermarktet der Leverkusener Multi ASPIRIN als Allheilmittel und bietet es auch in einer Version für Kinder an, obwohl es gerade für Jüngere gravierende Risiken und Nebenwirkungen hat. So kann es bei Kindern mit Fiebererkrankungen das Reye-Syndrom auslösen, eine lebensbedrohliche Erkrankung der Leber und des Gehirns. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert BAYER deshalb seit Jahren auf, das Präparat vom Markt zu nehmen. Endlich hat der Konzern nun einen ersten Schritt gemacht und für Brasilien einen Verkaufsstopp verkündet.

FDA prüft MAGNEVIST
BAYERs Röntgen-Kontrastmittel MAGNEVIST hat bei vielen Nierenkranken eine nephrogene systemische Fibrose, ein lebensgefährliches unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, ausgelöst, weshalb den Gerichten bereits über 200 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen vorliegen (Ticker 2/09). Jetzt schreitet auch die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA ein. Ein Ausschuss beschäftigt sich mit den Risiken von MAGNEVIST und anderen Kontrastmitteln. Allzu viel Unbill hat der Leverkusener Multi jedoch nicht zu erwarten. Es dürfte mit einer Veränderung der Anwendungsempfehlungen getan sein.

Hormon-Therapie weiter geduldet
Für BAYER machen typische Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche eine Hormon-Therapie unausweichlich. Auch kosmetische Gründe lassen dem Konzern zufolge einen Pharma-Einsatz angeraten erscheinen: Sie machen angeblich die Haut straffer. Zudem nutzt das Unternehmen die Angst als Verkaufsargument. Angeblich beugen Hormone der Osteoporose vor und wirken präventiv gegen Demenz. Nach Untersuchungen ist das Gegenteil der Fall: Hormone steigern sogar das Risiko, an Demenz zu erkranken. „Ein riesiges, unkontrolliertes Experiment mit den Frauen“ nennt das arznei-telegramm deshalb das „Menopausen-Management“. Darüber hinaus schädigen Hormon-Therapien nach einer in der Fachzeitschrift Proceedings veröffentlichten Studie das Gehör. Und trotz all dieser Befunde rät die „Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe“ auch in ihren jüngst veröffentlichten Leitlinien noch immer nicht von den Produkten ab.

LEVITRA & Co. sprengen Rentenkassen
In Brasilien heiraten immer mehr Männer um bis zu 30 Jahre jüngere Frauen, was die Sozialkassen sprengt, weil es den Staat überfordert, mehr als 15 Jahre lang Witwen-Renten auszuzahlen. BeobachterInnen führen diese Änderung im Paarungsverhalten auf den massenhaften Konsum von VIAGRA, BAYERs LEVITRA und anderen Potenzmitteln zurück und sprechen vom „VIAGRA-Effekt“.

LEVITRA als Schmelztablette
BAYER machte mit der Potenzpille LEVITRA im Geschäftsjahr 2008 einen Umsatz von 341 Millionen Euro. Das reicht dem Leverkusener Multi offenbar nicht. Er plant nämlich, das Präparat auch als Schmerztablette auf den Markt zu bringen, weil zur Einnahme dann kein Wasser mehr nötig ist, und hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Sollten die Zulassungsbehörden ihn genehmigen, dann kommen bald wohl noch mehr Männer in den Genuss der zahlreichen Nebenwirkungen des Mittels. Temporärer Gedächtnisverlust, zeitweilige oder dauerhafte Hörschäden, Sehstörungen bis zum Sehverlust, Schwindel, Höhenangst, Kopfschmerzen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome sowie Gesichtsrötungen zählen dazu.

BAYER kauft Krebsmittel
Der Leverkusener Multi hat sich von dem norwegischen Pharma-Unternehmen ALGETA die Vermarktungsrechte an einem Krebs-Therapeutikum gesichert. Das sich momentan in der letzten Phase der klinischen Erprobung befindende Mittel soll angeblich Krebszellen mittels Alpha-Strahlung zerstören und dabei das gesunde Gewebe schonender behandeln als vergleichbare Produkte.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Bienensterben global
Im vorletzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Frankreich hat die Ausbringung von bestimmten Pestiziden wie dem vom Leverkusener Multi hergestellten GAUCHO bereits seit längerem streng reglementiert, während Italien das Mittel ganz verboten hat. In Staaten, die keine Maßnahmen getroffen haben, setzt sich indessen das Bienensterben fort. Aktuell haben ImkerInnen in Polen und Argentinien große Verluste zu beklagen.

Gepanschte Pestizide
In Brasilien hat der Leverkusener Multi seine Pestizide nach ganz eigenen Rezepten zusammengebraut und ohne Genehmigung gefährliche Mixturen angerührt (siehe auch SWB 4/09). Das stellte die brasilianische Gesundheitsbehörde „Agência Nacional de Vigilância Sanitária“ (Anvisa) bei einer Inspektion des BAYER-Werks in Belford Roxo fest. Sie ordnete daraufhin einen vorläufigen Verkaufs- und Produktions-Stopp für zwölf Ackergifte an. Auch mit einer Strafe in Höhe von 1,5 Millionen Real (rund 580.000 Euro) muss der Konzern rechnen.

Pestizide in Kräutern und Gewürzen
GREENPEACE hat Kräuter und Gewürze nach Pestizid-Rückständen untersucht und wies in einem Viertel der 37 Proben Spuren nach. Auch Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind, waren mit von der Partie. Unter anderem stießen die WissenschaftlerInnen auf Chlorpyrifos, Imidacloprid, Methomyl, Thiabendazol und das hierzulande längst verbotene Methamidophos.

OBERON schädigt Orchideen
In Neuseeland hat das BAYER-Pestizid OBERON die Ernten von Orchideen-ZüchterInnen zerstört (siehe auch SWB 4/09). Der Leverkusener Multi musste das Ackergift nach dem Flurschaden aus dem Verkehr ziehen; inzwischen hat er jedoch eine Wiederzulassung für Tomaten- und Paprika-Kulturen erreicht. Rund 20 Prozent der Erträge hat das Insektizid auf dem Gewissen; der Einnahme-Verlust für die ZüchterInnen beträgt vier Millionen neuseeländische Dollar. Der Konzern hat den Betroffenen eine Entschädigung angeboten, aber mehr als die Hälfte lehnte ab. Viele der Orchideen-PflanzerInnen mussten nach dem GAU nämlich ihr Geschäft aufgeben, weil es zu lange dauern würde, die Blumen wieder in derselben Art zu kultivieren. Der Züchter Paul Hulshof hat aus Protest gegen das Zerstörungswerk des Agro-Multis eine LKW-Ladung kaputter Orchideen vor der neuseeländischen BAYER-Zentrale in Glenfield ausgekippt.

Tomaten-Rückruf wg. VOLARE
In Italien hat sich BAYERs Antipilzmittel VOLARE (Inhaltsstoffe: Propamocarb-Hydrochlorid und Fluopicolid) auf Tomatenfeldern vorzeitig zersetzt und einen üblen Chlorgeruch verströmt. Die Behörden mussten deshalb eine große Tomaten-Rückrufaktion starten.

Soja-Boom treibt Pestizid-Verbrauch
Im brasilianischen Bundesstaat Matto Grosso hat sich die Soja-Anbaufläche von 1998 bis 2008 verdreifacht. Dementsprechend wächst der Pestizid-Verbrauch. Neben Paraquat und Duquat kommt dabei auch das in Europa seit langem verbotene Endosulfan zum Einsatz, das zur Produktpalette von BAYER gehörte. Nach Aussage des Universitätsprofessors Wanderlei Antonio Pignati haben die Ackergifte die Kranken-Raten massiv steigen lassen. Allein in Sorriso, „der Hauptstadt des Soja“, haben die Krebserkrankungen und Missbildungen seit dem Boom um das Fünffache zugenommen. Auch Lungenkrankheiten und Allergien treten vermehrt auf. Zu allem Unglück nutzen die Soja-Barone die Agro-Chemikalien sogar dazu, um Kleinbauern und -bäuerinnen zu vertreiben, indem sie die Dörfer regelrecht mit Endosulfan & Co. einnebeln.

Pestizide fördern Dengue-Fieber
In Südamerika breitet sich das Dengue-Fieber immer stärker aus. Die eigentlich seit den 50er Jahren als eingedämmt geltende Krankheit hat sich inzwischen zu einer regelrechten Epidemie entwickelt. In Bolivien starben 2009 bereits 20 Menschen, in Brasilien 38. In diesen beiden Ländern und Argentinien erkrankten bisher insgesamt 68.000 Menschen. Der Agronom Alberto Lapolla führt den Anstieg der Zahlen neben dem Klimawandel, welcher den Moskitos als Überträgern bessere Lebensbedingungen bietet, auf den mit der Ausweitung des Soja-Anbaus einhergehenden exzessiven Pestizid-Einsatz zurück. Agrochemikalien wie Glyphosat, das nicht nur in MONSANTOs ROUNDUP, sondern auch in den BAYER-Produkten GLYPHOS, KEEPER und USTINEX enthalten ist, vergiften Lapolla zufolge nämlich Fische, Frösche, Kröten und andere natürliche Feinde der Moskitos. „Wir können ohne Übertreibung feststellen, dass die Amphibien in den Sojaanbau-Gebieten der Vergangenheit angehören. Sie wurden von den Pestiziden vernichtet, die bei der Aussaat verwendet werden“, so Lapolla.

Pestizide erhöhen Parkinson-Risiko
Pestizide haben Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem, darum befördern sie viele Krankheiten. Besonders Menschen, die täglich mit Agrochemikalien umgehen, gefährden ihre Gesundheit. So erhöhen Ackergifte das Risiko, an Parkinson zu erkranken, beträchtlich. Permethrin, das unter anderem in BAYERs Insektenmittel COOPEX und der gegen Flöhe wirkenden Tier-Arznei ADVANTIX enthalten ist, lässt diese Gefahren um das Dreifache ansteigen. Das wies eine neue, in den Archives of Neurology veröffentlichte Studie nach.

Immer mehr Pestizide
BAYER & Co. produzieren immer mehr Pestizide. Die in der Bundesrepublik hergestellte Wirkstoff-Menge wuchs 2008 im Vergleich zum Vorjahr von 86.733 Tonnen auf 115.756 Tonnen - eine Erhöhung um 33,5 Prozent! Auch der Export nahm zu. Er stieg von 101.565 auf 108.931 Tonnen an.

GENE & KLONE

NEXAVAR bei Schilddrüsenkrebs?
Der Leverkusener Multi versucht unentwegt, das Anwendungsspektrum seiner zur Behandlung von fortgeschrittenem Nieren- und Leberkrebs zugelassenen Gentech-Arznei NEXAVAR zu erweitern. Für die Indikation „Schilddrüsenkrebs“ hat gerade die dritte und letzte Testphase begonnen. Entsprechende Versuche laufen auch zur Therapie von Brust- und fortgeschrittenem Lungenkrebs; bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs versagte das Medikament dagegen.

NEXAVAR wieder zu teuer
Nicht nur der Berliner Krebs-Spezialist W.-D. Ludwig beurteilt den Wert von neuen Krebsmedikamenten kritisch (siehe AKTION & KRITIK). Das britische Pendant zum bundesdeutschen „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“, die Sondergesundheitsbehörde NICE, kommt zum selben Ergebnis. Sie unterzog BAYERs zur Behandlung von Leberkrebs zugelassene Gentech-Arznei NEXAVAR einer Kosten/Nutzen-Analyse und stellte ein schlechtes Zeugnis aus. Deshalb ersetzen die Krankenkassen die Kosten nicht. Zuvor war die NICE schon zum Nierenkrebs-NEXAVAR nicht „nice“ gewesen.

Krebs-Antikörper erreicht Testphase
Das Biotech-Unternehmen MORPHOSYS entwickelt für BAYER einen Antikörper, der ein Molekül ausschalten soll, das eine Rolle bei Krebserkrankungen spielt. Inzwischen sind die Forschungen so weit gediehen, dass die erste Phase der klinischen Tests beginnen kann. Die Konkurrenz hat gegenüber dem Konzern allerdings einen Vorsprung. Der Antikörper des Unternehmens WILEX, der dasselbe Ziel anvisiert wie der des Leverkusener Multis, befindet sich bereits in der Endrunde der Erprobung.

Raps-Genom entschlüsselt
BAYER hat gemeinsam mit der „University of Queensland“, dem Pekinger Genomics-Institut und dem niederländischen Unternehmen KEYGENE das komplette Erbgut der Rapssorte Canola entschlüsselt. Der Leverkusener Multi will die Erkenntnisse zur Beschleunigung seiner Forschungs- und Zuchtprogramme nutzen. So hat der Konzern vor, den Ölgehalt der Pflanzen zu erhöhen. Solchermaßen angereicherter Raps eignet sich besonders gut als Rohstoff für die Agrosprit-Produktion, die immer mehr Ackerflächen in Anspruch nimmt und so die ausreichende Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln gefährdet.

BAYER kauft neue Gentechnik ein

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Der Leverkusener Multi hat vom US-Unternehmen CHROMATIN die Nutzungsrechte an einer Technologie erworben, die es erlaubt, mehrere Gene auf ein Chromosom zu übertragen. Der Konzern will dieses Verfahren unter anderem bei der Produktion seiner Baumwoll-Pflanzen nutzen.

BAYER kauft neue Gentechnik ein

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Der Leverkusener Multi hat das US-amerikanische Biotech-Unternehmen ATHENIX gekauft. Nach BAYER-Angaben verfügt ATHENIX über eine „umfangreiche Entwicklungsplattform von Pflanzen-Eigenschaften“ zur konventionellen Einzüchtung sowie „über die branchenweit größte Kollektion von so genannten Bt-Genen“, die das Ackerfrüchte-Erbgut mit dem für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis bestücken. Auch gegen Fadenwürmer hat die Firma etwas im Angebot. Zudem hat sie Lizenz-Abkommen mit Konzernen geschlossen, die jährlich 500 Millionen Euro einbringen.

Neues Baumwoll-Forschungszentrum
Baumwolle - gentechnisch manipuliert, konventionell oder mit eingezüchteten Sondereigenschaften - gehört zu den Kerngeschäften BAYERs. Deshalb hat der Agro-Multi jetzt auch im texanischen Lubbock ein neues Zentrum für Baumwollforschung und -züchtung in Betrieb genommen.

WASSER, BODEN & LUFT

PCB-Verbrennung: 15.000 Tonnen
Besonders wegen ihrer langen Halbwertzeit zählen Polychlorierte Biphenyle (PCB) zu den gefährlichsten Chemikalien überhaupt. Obwohl bereits seit 1985 verboten, ist die Substanz, zu deren Hauptanbietern BAYER gehörte, noch nicht aus dem Alltag verschwunden und überdauert beispielsweise als Isoliermaterial in Gebäuden. Und wenn etwa Sanierungsmaßnahmen anstehen, findet das PCB auch seinen Weg zurück zu BAYER und landet in den Sondermüll-Verbrennungsanlagen des Konzerns. Allein der Leverkusener Ofen schluckt jährlich 15.000 Tonnen - und spuckt angeblich kaum PCB-Rückstände aus.

Warnung vor Tabun
Etwa 6.000 Giftgas-Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg liegen zweieinhalb Seemeilen vor Helgoland in der Nordsee (Ticker 2/09). Bestückt sind sie mit dem Kampfstoff Tabun, den Gerhard Schrader 1936 im Leverkusener BAYER-Werk entwickelt hatte. Nach Einschätzung der schleswig-holsteinischen Katastrophenschutz-Behörde ist die Substanz durch Seewasser, Druck und Korrosion schon lange aus den Geschützen ins Meer entwichen. Das „Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrologie“ hat deshalb davor gewarnt, in dem Gebiet „grundnahe Fischerei“ zu betreiben. Eine Bergung oder andere Maßnahmen planen die zuständigen Institutionen derzeit nicht.

Wolfenbüttel: Bodensanierung beendet
Im letzten Jahr hat BAYER die Pestizid-Produktion am Standort Wolfenbüttel aufgegeben und ein verseuchtes Werksgelände hinterlassen. Nicht nur 325 Kilogramm Pestizide schlummern im Erdreich, sondern auch 3.000 Kilogramm Benzol sowie Lösungsmittel, Mineralöle und Schlacken. Für den größten Schadstoff-Eintrag hatte 1978 - damals betrieb SCHERING auf dem Gelände eine Chemie-Produktion - eine Explosion gesorgt, denn mit dem Löschwasser versickerte ein ganzer Chemie-Cocktail (Ticker 3/09). Die Sanierung des Grunds gestaltete sich schwierig. Im Laufe der Arbeiten entdeckten die Fachleute noch mehr Schadstoffe und erweiterten ihren Aktionsradius um 200 Quadratmeter. Im November 2009 hatten sie dann auf 1.200 Quadratmetern bis zu einer Tiefe von acht Metern Erde ausgehoben und beendeten ihre Tätigkeit. Die Reinigung des Grundwassers allerdings dürfte noch lange dauern. Der Geologe Jürgen Röhrs veranschlagt dafür 50 Jahre; BAYER will es hingegen in einer Dekade schaffen.

Antwerpen: Stadt gegen Kraftwerk
Der Energie-Riese E.ON will für BAYER am Standort Antwerpen ein Kohlekraftwerk mit einer Leistung von 1.100 Megawatt bauen. Die Stadt hat sich jetzt angesichts der zu erwartenden Kohlendioxid-Emissionen von ca. sechs Millionen Tonnen und des Schadstoff-Ausstoßes gegen das Projekt ausgesprochen. Ein Aus für die Dreckschleuder bedeutet dieses Votum jedoch nicht.

CO2: Darf‘s ein bisschen weniger sein?
7,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid hat BAYER im Jahr 2008 produziert. Nun hat der Konzern angekündigt, diese Menge bis zum Jahr 2013 um zehn Prozent reduzieren und die Emissionen mittels eines neuen Verfahrens zu Chlor-Herstellung weiter senken zu wollen. Klimawende sieht anders aus.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Bisphenol in Schnullern
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) wirkt hormon-ähnlich und kann deshalb die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen sowie Diabetes und Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern. Eine neue Studie, die der BUND gemeinsam mit GLOBAL 2000 in Auftrag gab, hat nun eine hohe Bisphenol-Konzentration in Schnullern festgestellt. 400 Mikrogramm pro Kilogramm wiesen die WissenschaftlerInnen nach.

Sexualstörungen durch Bisphenol
Das von BAYER massenhaft produzierte Bisphenol A kann nach einer von US-amerikanischen und chinesischen WissenschaftlerInnen gemeinsam durchgeführten Studie das Geschlechtsleben beeinträchtigen. Menschen, die an ihrem Arbeitsplatz mit der Chemikalie in Kontakt kamen, klagten den ForscherInnen zufolge deutlich häufiger über Ejakulationsstörungen, Erektionsprobleme und Unlustgefühle.

Phthalate stören Geschlechtsentwicklung
Phthalate und andere Weichmacher beeinträchtigen die Geschlechtsentwicklung. Da die von BAYER in großen Mengen hergestellten Stoffe hormon-ähnlich wirken, stören sie die Produktion von Testosteron. So beobachteten ForscherInnen bei Kindern zwischen drei und sechs Jahren, die im Mutterleib hohen Weichmacher-Konzentrationen ausgesetzt waren, ein markant unmännlicheres Spielverhalten als bei ihren unbelasteten Altersgenossen.

Modernisierung der Chlorproduktion?
BAYER gehört zu den letzten Chlor-Herstellern, die noch das veraltete Amalgam-Verfahren einsetzen, bei dem das hochgefährliche Schwermetall Quecksilber emittiert wird - mittelständische Betriebe haben ihre Anlagen längst umgerüstet. Nun hat der Chemie-Multi am Standort Krefeld endlich auch Modernisierungsmaßnahmen angekündigt. Allerdings stellte er diese erpresserisch unter Vorbehalt: Nur wenn es ein „Ja“ zur Kohlenmonoxid-Pipeline und zum Kohlekraftwerk gibt, will er die nötigen Investitionen vornehmen.

CO & CO.

Pipeline nicht erdbebensicher
In der Niederrheinische Bucht gibt es nach Aussage des Diplom-Physikers Klaus Lehmann vom „Geologischen Dienst NRW“ eine „moderate Erdbeben-Gefährlichkeit“. Die letzte größere Erderschütterung hatte eine Stärke von 5,9. Sie ging vom niederländischen Roermond aus und war bis Krefeld spürbar. Im Damenbecken des Schwimmbades entstanden Risse, weshalb die Stadt die Badeanstalt schloss. Deshalb muss BAYERs von Dormagen nach Krefeld verlaufende Kohlenmonoxid-Pipeline auch absolut erdbebensicher sein. Dies ist aber nach Einschätzung des „Geologischen Dienstes“ „bislang nicht ausreichend nachgewiesen“. Die Behörde hält in ihrem Gutachten zusätzliche Untersuchungen und Berechnungen für erforderlich, um beispielsweise Bodenrutschungen ausschließen zu können. BAYER weist die Kritik zurück: „Unsere Experten und der TÜV kommen zu anderen Schlussfolgerungen. Daran halten wir uns“.

CDUler fordern Pipeline-Stopp
Vier CDU-Landespolitiker haben in einem Offenen Brief an BAYER-Chef Werner Wenning einen Stopp der umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline gefordert. „Beenden Sie sofort das Projekt CO-Pipeline. Tödlich giftiges Gas wie CO muss am Entstehungsort verarbeitet werden - in keinem Fall gehört es in eine Leitung, die durch Wohngebiete, Schulgelände und Kindertagesstätten geführt wird“, heißt es in dem Schreiben. Wenning zeigte sich wenig beeindruckt. „Unsere Pipeline erfüllt den höchsten Sicherheitsstandard“, versicherte er wieder einmal. Der BAYER-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Thomas de Win sprang seinem Boss bei, sprach von „platten Vorwürfen“ und warf den PolitikerInnen vor, auf Kosten des Leverkusener Multis Wahlkampf betreiben zu wollen.

Uhlenberg übt Kritik
Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte der Firma WINGAS als Bauherr von BAYERs umstrittener Kohlenmonoxid-Pipeline vorgeschrieben, den Boden vor Beginn der Verlegungsarbeiten sorgfältig mit Detektoren nach Fliegerbomben und anderen Kampfmitteln zu durchsuchen. Das Unternehmen kam dieser Aufforderung jedoch nur unvollständig nach (Ticker 3/09). Deshalb geht nun auch der nordrhein-westfälische Umweltminister Eckard Uhlenberg auf Distanz zum Bau. Er habe das Vertrauen in WINGAS verloren, erklärte der CDU-Politiker vor dem Umweltausschuss des Landtages. Ein hoher Beamter des Innenministeriums warf der Firma sogar vor, die Landesregierung belogen zu haben.

Pipeline-Baustelle als Holzlager
In Solingen haben Waldarbeiter die Pipeline-Baustelle als Holzlager benutzt und direkt über der Leitung Pfähle in den Boden gerammt. Da die Pflöcke nicht weit genug in die Erde reichten, hätte keine Gefahr bestanden, die Rohre zu beschädigen, gab die Stadt umgehend Entwarnung. Die Bezirksregierung forderte BAYER zu einer Stellungsnahme auf. Diese gab der Leverkusener Multi auch ab, und Regierungspräsident Jürgen Büssow ließ es dabei bewenden.

Sicherheitsstandards gesenkt
Die Bezirksregierung hat erneut die Sicherheitsstandards von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline gesenkt. Sie hat die überirdischen Stationen, die bei einem Störfall für eine Absperrung der verschiedenen Leitungsabschnitte sorgen sollen, aus der Explosionsschutzzone gestrichen und damit den bisher 66 Änderungsbescheiden einen weiteren hinzugefügt. Ähnlichkeiten der jetzt gebauten Pipeline mit dem von der Bezirksregierung genehmigten Projekt sind nur noch rein zufällig. „Wieder wurde - ohne öffentliche Beteiligung - ein Standard verändert, der vorher zweieinhalb Jahre Gültigkeit besaß. Das ist keine Petitesse“, kritisierte Dieter Donner als Sprecher der Pipeline-GegnerInnen.

NANO & CO.

Nano-Warnungen vom Umweltbundesamt
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. Da sich diese durch eine besondere Festigkeit auszeichnen und weitere vorteilhafte Material-Eigenschaften besitzen, erwartet der Leverkusener Multi von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze. Deshalb errichtet er derzeit die weltgrößte Anlage nur Produktion von Nano-Kohlenstoffröhrchen, den so genannten BAYTUBES. Um mögliche Gesundheitsgefahren schert der Konzern sich nicht weiter - im Gegensatz zum Umweltbundesamt (UBA). Die Behörde hat eine Broschüre zur Nano-Technologie veröffentlicht, die wegen der dort aus der wissenschaftlichen Literatur zusammengestellten Risiken und Nebenwirkungen einigen Wirbel auslöste. So gibt es laut UBA Hinweise auf eine asbest-ähnliche Wirkung von Kohlenstoffröhrchen. Besonders für die Atemwege stellen die Winzlinge eine Bedrohung dar. Die Partikel können aber auch in Organe eindringen, die Blut/Hirn-Schranke überwinden oder zu den Zellkernen vorstoßen - mit bisher noch überhaupt nicht erforschten Folgen. Diese Material-Eigenschaften gefährden desgleichen Tiere und Ökosysteme. Wasserflöhe hat der Kontakt mit Nano-Stoffen nach Beobachtung von WissenschaftlerInnen schon dahingerafft, und für Wasser, Boden und Luft versprechen die Teilchen ebenfalls nichts Gutes. Nach dem unerwartet breiten Medien-Echo musste das Umweltbundesamt zurückrudern und Entwarnung geben. „Man darf nicht nur über die Risiken diskutieren, sondern auch über die Chancen“, meinte Autor Wolfgang Dubbert und stellte segensreiches Nano-Wirken auf den Gebieten des Umwelt- und Gesundheitsschutzes in Aussicht.

STANDORTE & PRODUKTION

Krefeld: Zusagen unter Vorbehalt
Im neuen Standortsicherungsvertrag (siehe auch KAPITAL & ARBEIT) hat BAYER dem Krefelder Werk Bestandschutz gewährt - allerdings unter Vorbehalt. Nur bei einem „Ja“ zur umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline und zum Kohlekraftwerk erklärt der Leverkusener Multi sich bereit, 200 Millionen Euro zu investieren und Auslastungsgarantien abzugeben.

Monheimer Substanz-Bibliothek erweitert
BAYER hat für ca. fünf Millionen Euro die Substanz-Bibliothek am Standort Monheim erweitert. In dem Hochregal-Lager „archiviert“ der Konzern 2,2 Millionen Chemie-Stoffe, die den Grundstock zur Entwicklung neuer Ackergifte bilden.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER kauft ATHENIX
Der Leverkusener Multi hat für knapp 250 Millionen Euro das US-amerikanische Biotech-Unternehmen ATHENIX gekauft (siehe auch GENE & KLONE).

Chemie„park“-Kooperation mit China
Die BAYER-Chemie„parks“ in Leverkusen, Dormagen und Krefeld haben ein Kooperationsabkommen mit einem chinesischen Pendant, dem „Nanjing Chemical Industry ‚Park‘“ geschlossen und einen Informationsaustausch, gemeinsame Weiterbildungsaktivitäten sowie eine Überlassung von Beschäftigten vereinbart. Einfädelt hatte den Deal Nordrhein-Westfalens landeseigene Wirtschaftsförderungsgesellschaft NRW.INVEST, weshalb die Verträge auch während der China-Reise von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers unterzeichnet wurden.

ÖKONOMIE & PROFIT

697 Patente angemeldet
Unaufhörlich treibt BAYER die Privatisierung von Wissen mittels Patentierungen voran. Im Jahr 2008 hat der Leverkusener Multi 697 entsprechende Anträge gestellt, die ihm profitträchtige Monopolstellungen sichern sollen.

BAYER & Co. dominieren Wirtschaft
Über drei Millionen umsatzpflichtige Firmen existieren in der Bundesrepublik. 99,7 Prozent davon sind kleine und mittlere Unternehmen, 0,3 Prozent Multis wie BAYER. Allerdings landen 62 Prozent des Umsatzes bei den Global Playern.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Phosgen-Austritt in Dormagen
Am 28.11.2009 trat im Dormagener BAYER-Werk aus einer Pilotanlage Phosgen aus, das extrem giftig ist und im Ersten Weltkrieg als Kampfgas zum Einsatz kam. Zum Schutz zog der Multi eine Dampfwand aus - ebenfalls gesundheitsschädlichem - Ammoniak auf.

Blausäure-Austritt in Institute
Die Pannenserie in Institute hält an. War es an dem US-amerikanischen BAYER-Standort im August letzten Jahres zu einer Explosion gekommen, in deren Folge zwei Beschäftigte starben, so ereignete sich am 24.10.09 ein erneuter Zwischenfall. Aus einer Destillieranlage traten rund sechs Kilogramm Blausäure aus, von der schon geringste Menge ausreichen, um tödlich zu wirken.

RECHT & UNBILLIG

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Genreis-GAU: BAYER muss zahlen
Im Jahr 2006 war gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt n