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Bluter

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 29. September 2004

Video Wie BAYER AIDS nach Asien importierte

Im WDR Fernsehen läuft heute der Film „Tödlicher Ausverkauf - Wie AIDS nach Asien kam“ von Egmont R. Koch. Darin wird aufgezeigt, wie eine Tochterfirma des BAYER-Konzerns Blutkonserven nach Asien exportierte, obwohl diese mit HIV belastet waren und in den USA nicht mehr verkauft werden durften.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren kämpft seit den 80er Jahren für eine Entschädigung der Betroffenen und eine Bestrafung der verantwortlichen Manager. Im Folgenden dokumentieren wir Teile des Sende-Manuskripts.

„Tödlicher Ausverkauf“

San Francisco/Kalifornien war 1985 Schauplatz eines Medikamenten- Skandals, der selbst Contergan weit in den Schatten stellt. Erst heute, zwei Jahrzehnte später, legen geheime Firmenunterlagen das ganze Ausmaß offen; erst jetzt haben die Überlebenden eine Chance, gegen die Verantwortlichen vorzugehen.

Cutter Laboratories, eine hundertprozentige Tochterfirma des Pharmakonzerns Bayer AG, betrieb damals in ganz Amerika Blutspende-Stationen, um aus dem so gewonnenen Blutplasma Medikamente herzustellen. Als sich AIDS auszubreiten begann, gelangte das tödliche Virus sehr schnell auch in diese Medikamente.

Ein Montagmorgen, Anfang Mai 1985. Rushhour auf der Bay-Bridge. Ein Exportmanager von Cutter auf dem Weg zu seinemBüro. Er steht unter Druck. Seit Monaten schon. Seine Vorgesetzten verlangen, dass er die mit AIDS verseuchten Medikamente nach Asien verkauft.

Hongkong. Während der Tag in San Francisco gerade begonnen hat, neigt er sich in Asien bereits dem Ende zu. Im Stadtteil Wanchai hat Cutters Vertriebsfirma ihr Büro, im Caltex-House. Zu nächtlicher Stunde telefoniert Abteilungsleiter Raymond Ho mit dem Cutter-Headquarter. Er verlangt, dass die Patienten in Hongkong sofort das neue AIDS-sichere Produkt erhalten. Doch er wird abgewimmelt. Wieder einmal. Der Chinese ist empört, dass er nun schon seit Monaten Cutters „Koate“ in Hongkong verkaufen muss, obwohl dies fast sicher mit HIV-Viren verseucht ist.

In San Francisco diktiert der Exportmanager sofort nach dem Telefonat einen Vermerk:

„Am Montagmorgen, um 1.00 Uhr nachts Hongkong-Zeit, erhielt ich einen Anruf von Raymond Ho. Raymond war ungehalten...Einige Ärzte, die aus den Vereinigten Staaten nach Hongkong zurückgekehrt sind, behaupten, ...dass Cutter offenbar überschüssige Lagerbestände mit AIDS verseuchter, alter „Koate“-Präparate in die Entwicklungsländer verscherbelt... ...Es scheint, dass es keine Märkte mehr in Asien gibt, auf denen wir nennenswerte Mengen absetzen können.“

Rückblick: San Francisco, Juli 1983. Viele Amerikaner lassen sich in diesen Jahren regelmäßig Blutplasma abnehmen. Für wenige Dollar. Blutspenden gehört in den USA zum sozialen Netz. Ein bequemer Nebenjob für Geringverdiener, eine Überlebenschance für Arbeits- und Obdachlose. Das große Geld machen Pharmafirmen wie die Bayer-Tochter Cutter. Sie spalten das gelbe Blutplasma in seine Bestandteile, gewinnen daraus Medikamente. Die müssen sich Bluter-Kranke regelmäßig injizieren, weil ihrem Blut die natürliche Fähigkeit zur Gerinnung fehlt. Mit dem therapeutische Fortschritt für die Patienten ist der Bedarf an Rohstoff - gespendetem Blutplasma - erheblich gestiegen. Bluterkranke Kinder wie Jacky in Taipeh sollen davon profitieren. Dessen Mutter will ihm damals die teure medikamentöse Behandlung unbedingt ermöglichen. Obwohl zunächst keine Krankenkasse dafür aufkommt.

Im Herbst 1983 bricht in San Francisco, wo viele Spendestationen für Blutplasma in den Drogen- und Schwulenvierteln wie dem „Mission District“ angesiedelt sind, eine Katastrophe über die Blutindustrie herein: AIDS. Längst hat sich die tödliche Immunschwäche ihren Weg von infizierten Spendern zu den ahnungslosen Bluter-Patienten gebahnt. Als Monate später das HIV-Virus entdeckt wird, rechnet Cutter intern längst mit dem Schlimmsten: einer AIDS-Seuche unter Blutern in der ganzen Welt. Da Zehntausende von Einzelspenden vor der Weiterverarbeitung zu den Medikamenten zusammengeschüttet werden, können bereits einzelne HIV-Infizierte ganze Plasma-Bottiche verseuchen. Doch Cutter spielt auf Zeit. Wie die gesamte Branche. Thomas Drees war damals Präsident eines Konkurrenzunternehmens von Cutter. Er kehrte der Blut-Industrie den Rücken, weil sie die vorhersehbare Katastrophe herunterspielte, um ihre Umsätze nicht zu gefährden.

O-Ton Thomas C. Drees, ehemaliger Präsident „Alpha Therapeutics“:

„Wenn sie diesen Stoff in den Blutkreislauf des Patienten bringen, dieses Virus, das ihn auf zwanzig verschiedene, schreckliche Weisen umbringen kann, durch schlimme Hautveränderungen, durch ein kaputtes Immunsystem, Tuberkulose, Krebs, wie kann man da einfach behaupten, das sei kein Problem? Allen war klar, dieses Virus ist gefährlich! Es wird unsere Patienten umbringen. Und zu hoffen, alles werde vorübergehen, war verrückt!“

Bei Cutter vor den Toren von San Francisco vergeht nach der Entdeckung des AIDS-Virus im April 1984 ein geschlagenes halbes Jahr, ohne dass durchgreifende Maßnahmen gegen die Gefahren ergriffen werden. Dabei liegt längst die Behörden-Zulassung für eine neue Generation des Medikaments „Koate“ vor. Durch eine simple Erhitzung des Präparats können Viren abgetötet werden, wahrscheinlich auch die AIDS-Erreger. Dennoch zögert die Bayer-Tochter mit der Einführung des neuen, hitzebehandelten Produkts „Koate HT“.

Wissenschaftler im amerikanischen Seuchen-Zentrum „Centerfor Disease Control“ (CDC) in Atlanta entdecken im Oktober 1984 in unzähligen Proben des Bluter-Medikaments HIV-Viren - dank eines gerade entwickelten Testverfahrens. Nach Erhitzung der Präparate allerdings, so heißt es in einer Studie des CDC, die „in Zusammenarbeit mit Cutter“ vorgenommen worden sei, habe man hinterher „keine Viren mehr feststellen“ können. Ein eindeutiger Befund.

Im November 1984 tagt in San Francisco Cutters BCC-Komitee, in dem regelmäßig Vermarktungsstrategien festgelegt werden. Die Bayer-Tochter liefert zwar inzwischen das neue „Koate HT“ aus. Doch dann kommt es laut Protokoll zu einem folgenschweren Beschluss:

„Wir haben übermäßige Bestände des alten Produkts auf Lager. Es muß deshalb geprüft werden, ob mehr von diesem Produkt verkauft werden kann.“

Hongkong, November 1984. Zwei Wochen, nachdem Cutters Entscheidungsgremium beschlossen hat, die Lagerbestände der alten AIDS-verseuchten Medikamente nicht zu vernichten, sondern zu verkaufen, geht bei der Vertriebsfirma im Caltex House ein Fernschreiben aus San Francisco ein. Herzlichen Dank „für Ihr Interesse an dem hitzebehandelten Präparat“, heißt es da. Allerdings könne Hongkong das neue „Koate HT“ vorläufig nicht bekommen. Sorry... „..we must use up stocks...“

...„Wir müssen Lagerbestände aufbrauchen...“

Thomas Drees, der ehemalige Boss in der Blutindustrie, kann kaum glauben, was er in Cutters Telex liest. O-Ton Thomas C. Drees:

„Die Cutter-Verantwortlichen suchten offensichtlich einen Weg, die nicht-hitzebehandelten Präparate loszuwerden. Das ist unglaublich. Sie verkauften dieses Zeug nach Hongkong, als sei es gut genug für die Chinesen. Das ist schrecklich! Es gibt dafür keine Rechtfertigung! Man kann nicht sagen, weil wir feste Lieferverträge auf der Basis des billigeren, alten Präparats haben und jetzt das neue Produkt teurer wird, müssen wir euch leider Gift liefern!“

Interne Dokumente, die beweisen, dass Cutter-Verantwortliche damals entschieden, die mit HIV-Viren verseuchten Präparate zu verkaufen statt sie zu vernichten, sind erst vor kurzer Zeit entdeckt worden. O-Ton Lexi J. Hazam, Rechtsanwältin:

„Sie versteckten ihre Akten, verhinderten damit, dass die Geschichte aufgedeckt wird. Die kamen erst unlängst im Rahmen eines Prozesses ans Licht. Wir arbeiteten die Dokumente durch und stellten fest, dass Cutter das alte Präparat sogar eine Zeitlang weiter produzierte, obwohl sie

längst eine Zulassung für das neue besaßen. Der Grund: Sie hatten „fixed-price contracts“, Festpreise für das alte Produkt verabredet und wollten davon profitieren.“

Seit März 1984 laufen bei Cutter zwei Produktionen parallel: die des hitzebehandelten und dadurch AIDS-sicheren „Koate HT“ und die des nicht-erhitzten, gefährlichen Präparats. Dessen Herstellung wird zwar Ende 1984 gestoppt. Doch nur die Patienten in den USA und in Europa kommen in den Genuss des neuen Produkts. Die gefährlichen Chargen gehen nach Asien.

Intern erhalten sie eine spezielle Nummer: „659“. Die Cutter-Verantwortlichen setzen darauf, dass sich das tödliche Risiko ihres Medikaments „Koate“ noch nicht bis zu den Kunden in Fernost herumgesprochen hat.

San Francisco, Februar 1985. Inzwischen gibt es bei Cutter Lieferschwierigkeiten mit dem neuen „Koate HT“, wegen eines Großauftrags aus Kanada. Einer der Vertriebsleute verweist auf die in Hongkong und Taiwan sehr niedrigen Erlöse. Es sei deshalb zweckmäßig, Kanada zu beliefern und dafür die Umstellung in Asien weiter hinauszuzögern. Für Fernost bleibe von Mai bis Juli nur das alte, nicht-erhitzte Medikament. Eine erhebliche Menge sei man dort bereits losgeworden. Die Verkaufsabteilung werde versuchen, mehr abzusetzen.

„Das BCC-Komitee wird die Sache genau im Auge behalten und......nur dann verlangen, Präparate abzuschreiben, wenn alle anderen Optionen geklärt wurden.“

O-Ton Lexi J. Hazam, Rechtsanwältin:

„Sie bewerteten ihren Profit höher als die Gesundheit und das Leben ihrer Patienten!“

Laut Protokoll waren informiert: Jack Ryan, Präsident. Er lehnt jeden Kommentar ab.

Willi Ewald, deutscher Verkaufsmanager: kein Kommentar!

Karl Fischer, deutscher Abteilungsleiter: kein Kommentar!

Pete DeHart, Vertriebsmanager: kein Kommentar!

Wilhelm Schaeffler, deutscher Vorstand: kein Kommentar!

Merrill Boyce, Assistent des Vorstands...

Merrill Boyce ist nach mehr als einem Dutzend Absagen der erste ehemalige Cutter-Manager, der zu einem Interview bereit ist - auf dem Balkon seines Hauses, mit Blick auf San Francisco.

O-Ton Merrill T. Boyce, ehemaliger Cutter-Manager:

„Ich erinnere mich nicht an eine solche Diskussion, unsichere Präparate irgendwo hin abzuschieben. Ich erinnere mich, dass wir Medikamente zurückgerufen haben. Die Leute unseres damaligen Komitees halte ich für absolut integer. Hinter ihrer Entscheidung muss die Annahme gestanden haben, dass die Produkte sicher sind, unabhängig davon, ob sie erhitzt waren oder nicht.“

Ein Kloster, 30 Kilometer außerhalb von Taipeh. Yuan Tsai kommt regelmäßig hierher, um das Grab seines Sohnes Honda zu besuchen, und um im Tempel für dessen Seele zu beten. Yuan und seine Familie leben nach den Regeln strenggläubiger Buddhisten.

Honda Tsai war, als er 1996 an AIDS starb, ein bekannter Künstler in Taiwan. Nach der Diagnose, dass er sich als Bluter durch verseuchte Medikamente von Cutter aus Kalifornien infiziert hatte, zog sich Honda in sich zurück, wurde depressiv. Dieses Selbstbildnis entstand kurz vor seinem Tod.

Hongkong, Mai 1985. Seit einem halben Jahr werden die Patienten inzwischen mit Medikamenten versorgt, die wegen der AIDS-Verseuchung in Europa und in den Vereinigten Staaten längst verboten sind.

Cutters Vertriebsfirma im Caltex House ist empört. Deren Chef wurde bereits ins Gesundheitsministerium von Hongkong zitiert, musste sich fragen lassen, ob die Chinesen in den Augen der Amerikaner Menschen zweiter Klasse seien. Doch wieder geht ein abwiegelndes Fernschreiben aus San Francisco ein:

„...be assured...it is the same fine product we have supplied for years...“

...„Seien Sie versichert, es ist dasselbe feine Produkt, das wir seit Jahren liefern...“

O-Ton Thomas C. Drees:

„Ich erinnere mich, dieses Fernschreiben in den Cutter- Dokumenten gelesen zu haben, in dem es heißt, wir haben zwar nichts von dem neuen, erhitzten Produkt für euch übrig, aber wir haben dieses immer noch blendende Präparat, das so sicher ist. Ich bin überrascht, dass die Vertriebsfirma in Hongkong so dumm war, das Argument immer wieder zu akzeptieren, über dieses angeblich so gute alte Präparat, das die Patienten umbringen würde.“

Im Mai 1985 eskaliert der Streit zwischen Hongkong und San Francisco. Inzwischen hat sich Cutters Exportpolitik herumgesprochen. Patienten gehen auf die Barrikaden, Ärzte sind empört, Journalisten beginnen mit Recherchen. Cutters Exportmanager hält das in einem Vermerk fest.

O-Ton Diktat:

„Die Kontroverse könnte zu Schlagzeilen auf der Titelseite der South China Morning Post führen... Reporter verlangen Auskunft, warum Hongkongs Patienten nicht das hitzebehandelte Produkt bekommen...Noch halten sich die Ärzte die feindliche Presse mit Verzögerungstaktiken vom Hals...“

O-Ton Merrill T. Boyce, ehemaliger Cutter-Manager:

„Haben Sie den Vermerk?“

Autor: „Ja!“

„Kann ich ihn sehen?“

O-Ton Diktat: „Wir haben den Universitäts-Ärzten... 350 Flaschen des neuen, hitzebehandelten „Koates“ besorgt... ... für jene Patienten, die am lautesten jammern.“

O-Ton Merrill T. Boyce/ehemaliger Cutter-Manager:

„Ich denke, dass so eine Entscheidung komplexer ist als das, was Sie da herauslesen. Allerdings, sollte sich herausstellen, dass wir damals schon mit absoluter Sicherheit wussten, dass die alten Präparate infektiös waren, dann wäre es tatsächlich eine schlechte Entscheidung gewesen.“

Taipeh, Juli 1985, wieder zwei Monate später. Während der Vertrieb des nicht-hitzebehandelten „Koate“ in Hongkong zwischenzeitlich wegen drohender Presse-Veröffentlichungen gestoppt wurde, erhalten die bluterkranken Kinder in Taiwan weiterhin das alte Produkt. Im fernen San Francisco sind die Lager immer noch voll.

Auch in Cutters Vertriebsfirma in Taipeh herrscht Alarmstimmung. Sie kontrolliert 80 Prozent des taiwanesischen Marktes. Auf der Insel sind die ersten HIV-Infektionen überhaupt diagnostiziert worden. Ausgerechnet bei Blutern! Bei ihren Kunden! Wurde AIDS durch „Koate“ nach Taiwan eingeschleppt?

Bei Cutter vor den Toren von San Francisco macht man sich mehr Sorgen um die Verkaufszahlen: „Die asiatischen Ärzte sind vorsichtig geworden... „Koate“-Umsätze in Taiwan sind im Keller. Wir werden hitzebehandeltes „Koate“ brauchen, um Umsätze zurück zu gewinnen“

O-Ton Wun-Fu, Medikamenten-Opfer:

„Wir hatten direkten Kontakt mit dem Importeur, der uns die Medikamente verkaufte, die dann im Krankenhaus von den Ärzten gespritzt wurden. Wir hätten sicherlich eine Zeitlang anders behandelt werden können. Aber uns hat damals niemand gewarnt, weder die Firma, noch die Ärzte.“

Wun-Fu lebt seit 20 Jahren mit der Infektion, aber erst seit einem Jahr ist AIDS bei ihm massiv ausgebrochen. Von den damals infizierten Blutern in Taiwan sind inzwischen mehr als zwei Drittel gestorben.

Zwanzig Jahre nach Cutters Entscheidung, AIDS-verseuchte Medikamente nach Asien zu verkaufen, sieht sich John Hink erstmals mit den Opfern konfrontiert.

O-Ton John H. Hink, ehemaliger Cutter-Manager:

„Es tut mir Leid, dass das passiert ist! Aber ich denke auch, dass ich nicht in der Lage bin, zu erklären, dass Entscheidungen, die damals getroffen wurden, an denen ich beteiligt gewesen sein mag oder auch nicht....

...nicht alle Entscheidungen haben sich inzwischen als richtig herausgestellt. Keiner von uns ist unfehlbar!....Die Art, wie Sie Fragen stellen, gibt dem Ganzen sicherlich einen Anstrich, wie: Verdammt, hätten wir das Zeug damals weggeschmissen, hätten diese Menschen wahrscheinlich nicht die Krankheit bekommen...“

Tokio, August 1985, wieder ein Monat später. Auch in Japan geht der Verkauf der verseuchten Präparate weiter. Cutter Japan hat noch riesige Bestände auf Lager. Dabei würde die Arzneimittelbehörde in Tokio dem neuen, AIDS-sicheren Produkt lieber heute als morgen eine Zulassung erteilen.

O-Ton Diktat:

„Wenn die Zulassung noch im August kommt, werden wir...potentiell nicht mehr verkäufliche Präparate...auf Lager haben. ...Cutter Japan könnte versuchen,...die Zulassung des neuen Produkts hinauszuzögern...“

O-Ton Thomas C. Drees: „Klar versuchten sie, das hinauszuzögern, denn so konnten sie hoffen, wir werden das alte Zeug los, das wir noch haben!‘“

O-Ton John H. Hink, ehemaliger Cutter-Manager:

„Ich weiß...ich war nicht...Ich bin sicher, dass ich damals in diesen Vermerk der Geschäftsleitung nicht eingeweiht wurde! Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich das höre! Was ich gemacht hätte, wenn ich damals davon erfahren hätte? ...Ich vermute, ich hätte gesagt, das ist ihre Angelegenheit, nicht meine.“

O-Ton Merrill T. Boyce, ehemaliger Cutter-Manager:

„Sie sprechen von Schuld, aber ich frage mich, ob eine Firma Schuld haben kann. Sicherlich gibt es eine Verantwortung für Entscheidungen, die getroffen wurden und dafür, dass es unzulässige Entscheidungen waren. Und diese Verantwortung muß die Firma tragen.“

Autor: „Wäre es, nach 20 Jahren, nicht auch eine Pflicht für die damals verantwortlichen Personen, um Verzeihung zu bitten?“

Merrill T. Boyce: „Ich denke...sicherlich...also...dieser Weg ist oft schwer zu beschreiten, ... aber wenn es das ist, was die Opfer und ihre Familien erwarten...Alles was zu tun ist, um ihre ünsche zu befriedigen, sollte wahrscheinlich getan werden.“

O-Ton Jacky:

„Ich denke, sie sollten sich auch entschuldigen. Und bestraft werden! Andererseits: Wenn sie ins Gefängnis gehen, werde ich dadurch auch nicht wieder gesund.“

O-Ton Menn:

„Die Pharmafirma muss vor Gericht gestellt werden! Sie hat das Medikament verkauft, obwohl sie wusste, dass es mit AIDS verseucht ist. Nur wegen des Profits! Das ist doch Mord!“

O-Ton Wun-Fu:

„Natürlich müssen wir vor Gericht kämpfen, damit die ganze Wahrheit ans Licht kommt. Das dauert natürlich. Und ich frage mich, ob sie vielleicht auf eine „biologische Lösung“ spekulieren, also dass ich den Tag vielleicht gar nicht mehr erleben werde.“

O-Ton Charles A. Kozak, Rechtsanwalt:

„Wir haben in den Dokumenten sehen können, dass Bayer gleich zu Anfang der AIDS-Katastrophe jemanden herüberschickte, um die Strategie festzulegen. Und die entschieden dann, dass, obwohl wahrscheinlich innerhalb von ein, zwei Jahren 5.000 Bluter an AIDS erkranken würden, Cutter die Präparate weiter vermarkten solle.“

Auf dem ehemaligen Cutter-Gelände produziert die Bayer AG heute gentechnologische Medikamente. Die Deutschen in der Cutter Führungsetage wussten damals genau, was sie taten. Das belegt ein internes Fernschreiben des Headquarters in San Francisco. Im November 1984, zur selben Zeit, als die Exportabteilung Hongkong wissen ließ,...

„...we must use up stocks“

...“Wir müssen die Lagerbestände des alten Präparats aufbrauchen...“

...warnte der deutsche Vertriebsmanager Willi Ewald einen australischen Kunden vor eben diesem Produkt...

„...angesichts der Gefahren, die nicht-erhitzte Präparate für Bluter bedeuten könnten.“

Jede weitere Verwendung, so Hinks Kollege Ewald...

„...cannot be justified“

...„kann nicht gerechtfertigt werden!“

O-Ton John H. Hink, ehemaliger Cutter-Manager:

„Als die Umstellung kam auf das neue, erhitzte Produkt und der Boss eine Entscheidung verlangte, was mit den Lagerbeständen des alten Produkts gemacht werden soll, wurde entschieden, anstatt sie wegzuschmeissen, wollen wir sie lieber in andere Länder verkaufen...

...Und das führte dann zum Verlust von Menschenleben und zu Gesundheitsschäden.

..Ich denke, ich habe Fehler gemacht...ich denke, ich hätte Dinge besser machen können...und, ich denke, unter diesen Umständen, wenn man die Folgen sieht, bin ich froh, jetzt darüber reden zu können.“

Bis Ende 1985 wurden durch den „tödlichen Ausverkauf“ mehrere hundert Patienten in Asien mit AIDS infiziert. Die genaue Zahl der Opfer ist nicht bekannt, ebenso wenig die Zahl der Überlebenden. Cutter erzielte etwa vier Millionen Dollar aus dem Export der verseuchten Präparate.

Die Bayer AG lehnt jede Stellungnahme zu den konkreten Vorwürfen dieses Filmes ab. Das Unternehmen teilt lediglich mit, man empfinde „größtes Mitgefühl“ mit den Opfern, bestreite aber „jegliches Fehlverhalten bei der Herstellung und Vermarktung dieser Produkte“.

Hinweis: Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar, insbesondere darf er weder vervielfältigt, verbreitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden.

Wirtschaftswoche

CBG Redaktion

12. August 2003

Bayer droht neue Klage in den USA

Dem Leverkusener Chemie- und Pharmakonzern Bayer steht im Zusammenhang mit Blutermedikamenten in den USA möglicherweise eine Klage ins Haus.

Das „Wall Street Journal Europe“ berichtete am Montag, Anwälte, die sieben Bürger aus Taiwan repräsentierten, hätten bei einem kalifornischen Gericht Klage gegen die US-Tochter von Bayer und weitere Unternehmen wegen angeblich mit dem HIV-Virus verseuchter Gerinnungsmedikamente für so genannte Bluterkranke in den achtziger Jahren eingereicht. Zahlreiche Menschen sollen damals in Folge der Behandlung mit solchen Mittel an Aids erkrankt sein. Ein Bayer-Sprecher sagte dazu: „Bayer hat bislang noch nichts erhalten, aber nach Eingang werden wir die Anschuldigungen überprüfen und uns entschieden verteidigen.“

Nach Angaben der Zeitung wurde in den USA 1984 ein für Bluterkranke dringend benötigtes Gerinnungspräparat genehmigt, welches zur Abtötung von HIV-Viren hitzevorbehandelt wird. Laut Klage sollen Bayer und andere Firmen aber noch mehr als ein Jahr danach eine unbehandelte Form des Mittels in Taiwan und anderen Märkten weiter verkauft haben, hieß es in dem Zeitungsartikel. Neben Bayer richte sich die Klage auch gegen Baxter Healthcare, Armour Pharmaceutical Co, Alpha Therapeutic sowie die Tochter Aventis Behring des französisch- deutschen Aventis-Konzerns.

Die Zeitung berichtete, 53 Personen in Taiwan seien an Aids erkrankt, nachdem sie das unbehandelte Blutmedikament „Faktor VIII“ verabreicht bekommen hätten. Das Mittel wird zur Behandlung der Bluterkrankheit eingesetzt - eine angeborene Störung der Blutgerinnung. In den USA waren 1997 nach der Einrichtung eines Fonds durch mehrere Pharmafirmen für geschädigte Bluterpatienten bereits Klagen von mehr als 6000 Geschädigten beigelegt worden. Insgesamt hatten die Firmen 600 Mill. Dollar gezahlt, der Anteil von Bayer betrug damals früheren Firmenangaben zufolge schon 290 Mill. Dollar.

aus der „Wirtschaftswoche“

[Kirchentag] Coordination gegen BAYER-Gefahren auf ökumen. Kirchentag in Berlin

CBG Redaktion

Sa. 31. Mai, 15 Uhr: Veranstaltung mit Klaus Werner (Autor „Schwarzbuch Markenfirmen“)

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) präsentiert ihre Arbeit auf dem ökumenischen Kirchentag in Berlin. Das Motto des gemeinsam mit der Solidarischen Kirche konzipierten Stands lautet: „Der Globalisierung der Konzerne widerstehen - Kritik am Beispiel BAYER“.

Auf dem Stand werden zwei Themen dargestellt:

1. Vergiftungen mit BAYER-Pestiziden in philippinischen Bananen- Plantagen. Hintergrund: der Konzern ist zweitgrößter Hersteller von Agrogiften und verantwortlich für die Vergiftung zehntausender Landarbeiter in aller Welt

2. BAYER und der Bürgerkrieg in Zentralafrika. Die Tochterfirma H.C. Starck hat über Jahre hinweg das Mineral Coltan aus dem Osten des Kongo bezogen und hierdurch Millionenbeträge in die mörderische Kriegswirtschaft im Kongo gepumpt. Zum Thema Coltan findet auf dem Stand der Coordination am Samstag, den 31.5. um 15 Uhr eine Informationsveranstaltung statt. Referent ist Klaus Werner, Autor des Bestsellers „Schwarzbuch Markenfirmen“.

Die CBG fordert einen Verkaufs-Stopp hochgefährlicher Pestizide und ein überprüfbares Ende von Coltan-Importen aus dem Kongo, solange diese den Kriegsparteien dienen. Für beide Forderungen werden auf dem Kirchentag Unterschriften gesammelt.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren dokumentiert seit 25 Jahren Gefahren und Mißstände, die von dem Chemie- und Pharmamulti BAYER ausgehen: Holzschutzmittel, gefährliche Pestizide, unbrauchbare Medikamente, risikoreiche Produktionsbedingungen in Entwicklungs-
ländern, die IG Farben-Geschichte, aidsverseuchte Bluterpräparate, Einflussnahme auf Politik und Gesellschaft, Gentechnik, Emissionen in Luft und Wasser, etc. In der CBG haben sich Betroffene, Anwohner, Journalisten und Wissenschaftler zusammengeschlossen, um dem mächtigen Konzern Paroli zu bieten.
Sie finden uns vom 28. - 31. Mai in der:
Messe Berlin, Halle 3.2., Stand F 27

UN

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 31.08.2002

Der Ausverkauf der Vereinten Nationen

Hintergründe zum Umweltgipfel von Johannesburg

„Die Einstellung der Vereinten Nationen gegenüber dem Privatsektor hat sich in den vergangenen Jahren radikal verändert. Kooperation kommt heute vor Konfrontation.“ Mit diesen Worten wirbt Kofi Annan, General-
sekretär der UN, für den „Global Compact“, einem Abkommen zwischen ursprünglich 44 multinationalen Konzernen und den Vereinten Nationen. Aus Deutschland dabei: die Chemie-Konzerne BASF, Aventis und Bayer, die Autobauer BMW und DaimlerChrysler sowie die Deutsche Bank.

In dem vor zwei Jahren unterzeichneten Compact bekennen sich die Unternehmen zu neun Grundsätzen aus den Bereichen Umweltschutz, Arbeitssicherheit und Einhaltung der Menschenrechte. Die Prinzipien basieren auf der Erklärung der Menschenrechte von 1949, dem Weltsozialgipfel von 1995 und dem Umweltgipfel von Rio 1992. Außerdem verpflichten sich die Konzerne, Musterprojekte zu initiieren und somit ihr Engagement zu belegen. Um den Fortschritt im Rahmen der Kooperation zu dokumentieren, will die UN geprüfte Fallbeispiele veröffentlichen, die der Öffentlichkeit zur Begutachtung freistehen.

Zweifelhafte Partnerschaften

Die Bekanntgabe der Vereinbarung, der sich mittlerweile mehrere hundert Firmen angeschlossen haben, erfolgte nach einjährigen Verhandlungen von Kofi Annan mit der International Chamber of Commerce (ICC), der weltweit größten Lobbyorganisation multi-
nationaler Unternehmen. Die ICC vertritt weltweit rund 7000 Firmen, wird jedoch von rund 50 Großkonzernen dominiert. In den Verhandlungen mit der UN setzte der Lobbyverband eine unternehmerfreundliche Formulierung der „Prinzipien“ des Compact sowie - vor allem - deren völlige Unverbindlichkeit durch.

Mit der ICC suchte sich Annan ausgerechnet diejenige Organisation aus, die sich in der Vergangenheit am vehementesten gegen internationale Umwelt-Abkommen gewehrt hat. Sowohl die Formulierung des Kyoto-Protokolls zur Senkung des CO2-Ausstoßes wie auch die Biodiversitäts-Konvention, das Protokoll von Montreal zum Schutz der Ozonschicht und die Basel-Konvention gegen Giftmüllhandel wurden von der ICC als unpraktikabel und wirtschaftsfeindlich gegeißelt und durch anhaltenden Druck auf die Politik abgeschwächt.

Lobbypolitik von Rio ....

Erstmals wurden die Konzerne bei der Vorbereitung des Umweltgipfels von Rio 1992 als gleichberechtigte Partner internationaler Institutionen behandelt. Das 160 Konzerne umfassende World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) war maßgeblich bei der Erstellung der Tagesordnung und des Abschlussdokumentes beteiligt. So setzte sich die neoliberale Sichtweise durch, nach der freie Märkte und Wirtschaftswachstum eine Voraussetzung von Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung sind und nach der die Industrie ein solches Wachstum nur garantieren könne, wenn sie ohne bindende Rahmen-
bedingungen arbeiten kann. Stattdessen werden seit Rio „freiwillige Selbstverpflichtungen“ propagiert, bei deren Nicht-Einhaltung jedoch keine Konsequenzen drohen.

Kein Zufall war es, dass ebenfalls 1992 die UN Kommission zu Transnationalen Konzernen (UNCTC) ersatzlos geschlossen wurde. Die UNCTC war die einzige UN-Organisation, die seit den 70er Jahren die Aktivitäten der Multis überwachte. Der Versuch der UNCTC, weltweit bindende Regeln für Arbeitssicherheit, Einhaltung von Gesetzen und Umweltschutz aufzustellen, war der Industrie ein ständiger Dorn im Auge.

.... bis Johannesburg

1995 bildeten ICC und WBCSD gemeinsam, speziell für die Vorberei-
tung des Gipfels in Johannesburg, einen weiterer Lobbyverband: die Business Action for Sustainable Development (BASD) mit dem blumigen Motto „People, Planet, Prosperity“ (Menschen, Planet, Wohlstand). Geleitet wird die BASD ausgerechnet von Sir Mark Moody Stuart, zuvor Chef des Ölkonzerns Shell, der seit Jahren Ziel zahlreicher Kampagnen von Umweltschützern und Menschenrechtlern ist. Stuart hat als Shell-Boss die Versenkung der Ölplattform Brent Spar sowie das Engagement in Nigeria, das zur tragischen Exekution von Ken Saro-
Wiwa führte, zu verantworten. Die Rolle des BASD in Johannesburg beschreibt Stuart siegessicher: „Wir möchten auf dem Umweltgipfel eine konstruktive Rolle spielen. Die Industrie ist Teil der Lösung bei der Schaffung einer nachhaltigen Entwicklung“.

Bindende Regeln ausgehebelt

Weder WBCSD noch BASD stellen Mindestanforderungen bei der Aufnahme neuer Mitglieder. So finden sich im WBCSD, dem „grünen Gewissen“ der Industrie, Ölfirmen wie BP, StatOil, TotalFinaElf und ChevronTexaco, die Autobauer DaimlerChrysler, Nissan, Ford und General Motors, Chemie-Konzerne wie Dow, DuPont, BASF, ICI und Aventis sowie Gentech-Anbieter wie Monsanto, PowerGen und Bayer. Zu den Unterstützern des BASD gehören neben dem Weltverband der Chemischen Industrie und dem Bund der Deutschen Industrie auch das Europäische Atomforum und die World Nuclear Association.

Hauptaktivität des BASD sind die anekdotenhafte Veröffentlichung von „Musterprojekten“ einzelner Firmen, darunter mehrere Atomenergie-
Projekte sowie ein Gas-Pipeline-Projekt. Schon Anfang 2002 protzte BASD-Chef Stuart, dass der Verband „sehr enge Verbindungen zu den Vereinten Nationen aufgebaut hat, um die Ideen der Wirtschaft für die Struktur des Gipfels einzubringen“. Offenbar mit Erfolg: Hieß es im Januar im Entwurf für das Abschlussdokument noch „ein multinationales Abkommen, das die Verantwortlichkeiten von Unternehmen benennt, soll auf den Weg gebracht werden“, so finden sich im letzten Entwurf vor Beginn des Gipfels wolkige Formulierungen wie „Förderung der Verantwortung der Wirtschaft im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung“. Bindende Regeln bezüglich der Einhaltung von Menschenrechten oder dem Umweltschutz sind in dem Entwurf nicht mehr enthalten.

Kofi Annan: Büttel der Konzerne

Der Global Compact stellt den vorläufigen Höhepunkt der „Kooperation“ von Vereinten Nationen und multinationalen Unternehmen dar. Nach Angaben der UN haben mittlerweile mehrere hundert Konzerne den Vertrag unterschrieben - allerdings werden bislang nur 81 Unternehmen öffentlich genannt, darunter so illustre Namen wie Shell, BP, Novartis, Nokia, Nike, ABB und Deutsche Bank.

Annan wirbt um weitere Mitglieder, indem er sich unumwunden zum Anwalt einer konzerngesteuerten Globalisierung macht: „Sowohl die Vereinten Nationen als auch die Wirtschaft dienen einem höheren Zweck: dem Schutz der Menschheit.„ Das Abkommen werde einen Dialog zwischen der Industrie und „anderen sozialen Gruppen“ ermöglichen, so dass “Unternehmen, die sich zu den Prinzipien des Global Compact bekennen, dem Druck der Zivilgesellschaft viel besser begegnen können.“

Fehlende Kontrolle

Bei der Auswahl der Partner aus der Wirtschaft legen die UN keine noch so tiefe Messlatte an: alle Unternehmen – vom Hersteller von Atomkraft-
werken bis hin zu Ölkonzernen - werden akzeptiert. Informationen unabhängiger Beobachter über das Verhalten der Firmen holen die UN nicht ein. Nach der Unterzeichnung durch das jeweilige Unternehmen erfolgt keinerlei Überprüfung der Einhaltung der Prinzipien oder der „Musterprojekte“ – sämtliche Übereinkünfte sind „non-binding“, also unverbindlich.

Die Firmen nutzen die publicity-trächtige Verbindung mit der wichtigsten internationalen Organisation weidlich: fast alle beteiligten Unternehmen rühmen ihr vorbildliches Engagement im Rahmen des Abkommens auf ihren homepages und in eigens veröffentlichten Broschüren. In den Geschäftsberichten von DaimlerChrysler und Bayer wird sogar eine Rede von Kofi Annan als Grußwort abgedruckt - mit Foto und UN-Logo.

Kritik wird lauter

Seit Anfang des Jahres wird die Kritik am Schmusekurs der UN mit der Wirtschaft lauter. Zahlreiche Gruppen kritisieren, dass profitorientierte Konzerne ihre eigenen Regeln aufstellen, anstatt durch die Legislative zu verbindlichen Standards gezwungen zu werden. Der internationale Umweltverband Friends of the Earth beklagt eine „schleichende Übernahme der Vereinten Nationen durch die Privatwirtschaft“ und befürchtet, dass „auf Freiwilligkeit beruhende Abkommen die Verab-
schiedung bindender Regeln verzögern“ und damit mehr Schaden anrichten als Gutes tun.

In der Allianz für eine wirtschaftsunabhängige UN haben sich zwanzig Umwelt-, Gesundheits- und Entwicklungs-Organisationen aus allen Teilen der Welt zusammen geschlossen. Der Verband kritisiert die Einflussnahme der Konzerne als undemokratisch und befürchtet eine Gefährdung des Ansehens und der Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen - mit weitreichenden Konsequenzen für die zahlreichen Missionen der UN.

In einem gemeinsamen Brief an Kofi Annan fordert die Allianz die UN auf, keine Partnerschaften mit Unternehmen einzugehen. Der Unter-
schied zwischen gemeinnützigen und demokratisch legitimierten Institutionen auf der einen und profitorientierten Konzernen auf der anderen Seite dürfe nicht verwischt werden. Die UN müsse ein Forum einrichten, das Bewertungen der „Musterprojekte“ entgegennimmt, Verstöße gegen die Prinzipien des Compact untersucht und lernunwillige Firmen ausschließt. Die teilnehmenden Unternehmen müssten alle Ziele und Konventionen der UN und ihrer Tochterorganisationen aktiv unterstützen - andernfalls könnten sich Firmen gleichzeitig im Licht der UN sonnen und deren Ziele, z.B. das Kyoto Abkommen gegen die Erderwärmung, hintertreiben.

Erste Widerstände in der UN

Die bisherigen Veröffentlichungen über die Anstrengungen der Unternehmen zeigen, dass es auch innerhalb der UN Bedenken gegen die Zusammenarbeit gibt. Auf einem „Learning Forum“ 15 Monate nach Inkrafttreten des Abkommens äußerten UN-Offizielle, dass „keines der eingebrachten Musterprojekte die Kriterien eines Fallbeispiels im Rahmen des Global Compact erfüllt“. Auch zwei Jahre nach Unter-
zeichnung des Vertrags findet sich auf der website der UN keine anerkannte Fallstudie. Die zahlreichen vorgestellten Projekte werden unverbindlich als „Beispiele des Engagements der Wirtschaft“ geführt.

Kritiker fragen, wie die Öffentlichkeit die Fortschritte des Compact begutachten soll, wenn selbst die angeblichen Musterfirmen zwei Jahre nach Unterzeichnung der Vereinbarung kein einziges Beispiel für nachhaltiges Verhalten anführen können. Sogar die unternehmerfreund-
liche New York Times kritisierte, dass „der Global Compact den größten und reichsten Unternehmen erlaubt, sich in eine blaue UN-Flagge zu hüllen, ohne irgendetwas Neues dafür zu tun“.

Fallbeispiel Bayer AG

Um die fehlende Bereitschaft der Unternehmen aufzuzeigen, wirkliche Schritte in Richtung eines sozial und ökologisch verantwortungsbewuss-
ten Handelns zu gehen, sollen nun exemplarisch die Referenzprojekte der Bayer AG untersucht werden. Der Leverkusener Chemie-, Pharma- und Gentechnik-Riese, der jährlich rund 28 Milliarden Euro umsetzt und dessen Imperium rund 240 Tochterfirmen umfasst, gehört zu den Erstunterzeichnern des Global Compact. Auf seiner homepage befindet sich ein eigener Bereich, der umfangreich über die Kooperation mit der UN informiert. Neben einem leicht verfremdeten Logo der Vereinten Nationen findet sich das Bekenntnis „Die Global Compact Prinzipien decken sich mit den unternehmenspolitischen Prinzipien von Bayer. Unsere technische und wirtschaftliche Kompetenz ist für uns mit der Verantwortung verbunden, zum Wohle des Menschen zu arbeiten und unseren Beitrag für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung zu leisten.“

In der Realität hatten in der fast 140jährigen Bayer-Geschichte Profite stets Vorrang gegenüber Umweltschutz und sozialen Werten: Zu Beginn des letzten Jahrhunderts vermarktete der Konzern aggressiv das „Hustenmittel“ Heroin, obwohl die drohenden Heroin-Abhängigkeiten längst bekannt waren. Im ersten Weltkrieg erfand die Firma Chemische Kampstoffe und setzte sich vehement für deren Verwendung ein. Im Rahmen der IG Farben war der Konzern tief in das Dritte Reich verstrickt und war für Menschenversuche, den Tod Tausender Zwangsarbeiter und die Plünderung der eroberten Gebiete verantwortlich. In den 80er Jahren wurden Tausende Bluter durch Bayer-Produkte mit HIV infiziert - der Konzern hatte trotz Kenntnis des Ansteckungsrisikos auf Testverfahren verzichtet und noch Jahre nach Auftreten der ersten Infektionen alte Chargen verkauft. Aktuelle Skandale umfassen die jahrelang bekannten Nebenwirkungen von Lipobay, denen mindestens 100 Patienten zum Opfer fielen, sowie die umstrittenen Versuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen.

Global Compact Projekte von Bayer

Bayer ist Mitglied hunderter einflussreicher Lobbygruppen - neben der oben genannten ICC und dem WBCSD sind die wichtigsten der European Table of Industrialists, der Trans-Atlantic Business Dialogue, die Global Crop Protection Federation und EuropaBio. Um das Engagement im Rahmen des Compact zu belegen, dokumentiert Bayer auf seiner homepage vier Projekte:

1. finanzielle Unterstützung für die brasilianische Abrinq-Stiftung, die gegen Kinderarbeit kämpft;
2. Medikamenten-Spende an die Weltgesundheitsorganisation WHO im Rahmen eines Programms gegen die Schlafkrankheit;
3. Anstrengungen gegen die Ausbreitung von Antibiotika-
Resistenzen;
4. Trainingsprogramme für brasilianische Bauern und Landarbeiter.

Außerdem spendete Bayer Medikamente nach den Erdbeben in Indien und El Salvador und spendete nach dem 11. September eine Million Dollar an amerikanische Hilfsorganisationen.

Die genaue Bewertung der Spenden an die WHO, an die Abrinq-Stiftung sowie nach den genannten Naturkatastrophen fällt schwer, da Bayer die Höhe der Aufwendungen nicht veröffentlicht. Im Geschäftsbericht des Unternehmens wird jedoch keine Spende erwähnt, die höher als 1 Million Euro ist.

Es ist instruktiv, diese Summen mit den von Bayer gezahlten bzw. nicht gezahlten Steuern zu vergleichen: Lagen die weltweiten Unternehmens-
Steuern von Bayer im Jahr 2000 noch bei rund 1,15 Milliarden Euro, so wurden diese im vergangenen Jahr um fast 90% reduziert: gerade noch 150 Millionen Euro überwies der Konzern an Bund und Länder. Allein das Land NRW musste 250 Millionen Euro abschreiben.

Zu verdanken hatte Bayer dieses Steuer-Geschenk einem alten Bekannten: Heribert Zitzelsberger. Bevor Hans Eichel ihn als Staatssekretär mit der Unternehmenssteuer-„Reform“ betraute, war er Leiter der Steuer-Abteilung bei Bayer. „Keinem der Berliner Großkopfeten hat die deutsche Groß-Industrie so viel Wohltaten zu verdanken wie Heribert Zitzelsberger“, kommentierte die Berliner Zeitung.

Sämtliche wohltätigen Gaben von Bayer machen also maximal einige Prozent der eingesparten Steuern aus. Die Öffentlichkeit wäre mit angemessenen Steuern, über die sie frei verfügen könnte, weit besser bedient als mit einzelnen, willkürlich verteilten Spenden.

Initiative „Agrovida“

Bayer ist weltweit der zweitgrößte Pestizidhersteller. Im Bereich der hochgefährlichen Insektizide, mit denen sich jährlich zehntausende Landarbeiter tödlich vergiften, ist der Leverkusener Konzern die Nummer eins. 1995 versprach das Unternehmen, innerhalb von fünf Jahren alle Pestizide der Gefahrenklasse 1 („extrem gefährlich“) vom Markt zu nehmen. Bis heute wurde dieses Versprechen allerdings nicht umgesetzt.

Um „die Risiken für Mensch und Umwelt zu minimieren“, startete Bayer in Südbrasilien die Initiative „Agrovida“. Im Rahmen des Programms sollen „mehrere tausend Menschen“ in den sicheren Umgang mit Pflanzenschutzmitteln eingeführt werden. Die Firma selbst gibt zu, dass „das Training vielleicht nur ein erster Schritt“ sein könne.

Abgesehen davon, dass nur eine Einführung in den Organischen Landbau eine wirklich nachhaltige Maßnahme gewesen wäre: einige tausend Personen zu schulen, mag sinnvoll sein oder auch nicht, es ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Millionen Landarbeiter in Ländern des Südens hochtoxische Bayer-Produkte verwenden, ohne jemals eine Schulung erhalten zu haben und ohne über angemessene Schutzkleidung zu verfügen.

Nach Angaben der UN treten jährlich mehr als 10 Millionen Pestizid-
Vergiftungen auf. Ein von der UN-Abteilung FAO initiierter Kodex zum Verkauf von Agrogiften wurde von Bayer zwar unterschrieben, wird jedoch von der Firma täglich verletzt: laut Kodex sollen Pestizide der Gefahrenklasse 1 nur an „trainierte und zertifizierte Personen“ verkauft werden, die einen Ganzkörperschutz tragen. Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt werden, sollen die Mittel laut Kodex vom Markt genommen werden. Zahlreiche Recherchen von Journalisten und Umweltverbänden belegen jedoch, dass sämtliche Bayer-Produkte an jedermann verkauft werden und von Landarbeitern ohne Kenntnis der Gefahren und ohne Schutz verwendet werden.

Die im Rahmen des Global Compact vorgestellte Initiative muss also als Augenwischerei bezeichnet werden. Ein verantwortungsbewusstes Handeln wäre nur durch eine Einhaltung des FAO-Kodex und einen Verkaufs-Stopp der risikoreichsten Wirkstoffe zu erreichen.

Antibiotika und resistente Bakterien

Nach Angaben der WHO gehören Antibiotikaresistenzen zu den größten medizinischen Problemen des 21. Jahrhunderts. Längst besiegt geglaubte Krankheiten breiten sich wieder aus, da resistente Keime mit herkömmlichen Antibiotika nicht mehr bekämpft werden können. Einer der Hauptgründe für die Ausbreitung von Resistenzen ist der massen-
hafte Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht. In der EU landen mehr als die Hälfte aller Antibiotika im Tierstall - es entstehen resistente Bakterienstämme, etwa von Salmonellen, die über die Nahrungskette in den menschlichen Körper gelangen und unbehandelbare Infektionen auslösen können.

Bayer gehört weltweit zu den größten Herstellern von Antibiotika und ist zudem drittgrößter Hersteller von Veterinärprodukten. Die Substanz-
klasse der Fluoquinolone vermarktet der Konzern sowohl für Menschen („Ciprobay“) als auch für Tiere („Baytril“). In Deutschland ist Baytril seit 1995 zugelassen und wird in großem Umfang zur Behandlung von Schweinen verwendet, als Fütterungsarznei wurde das Präparat nach Protesten wieder vom Markt genommen. In den USA wird das Präparat an Hühner, Truthähne und Rinder verfüttert.

Das Unternehmen hat die Initiative „Libra“ gestartet, in derem Rahmen „Ärzte, Patienten und Entscheidungsträger“ über die Gefahren von Resistenzen informiert werden, um „den unsachgemäßen Einsatz von Antibiotika einzuschränken“. Blumig heißt es auf der Bayer-website: „Libra ist das lateinische Wort für Waage. Sie symbolisiert die Ausgewogenheit der Antibiotika-Therapie.“ Und weiter: „Nur so kann die Wirksamkeit dieser Arzneimittel zum Schutze der Bevölkerung erhalten bleiben. Damit passt das Bayer-Engagement in idealer Weise zum Global Compact und seinen Zielen.“

In der Realität trägt aber gerade der massenhafte Verkauf von Baytril zur Entstehung von Resistenzen bei: Nach Erkenntnis der US-Gesundheits-
behörde Food and Drug Administration (FDA) entstehen allein durch die Verfütterung von Fluoquinolonen an Hühner resistente Keime, mit denen jährlich mehr als 5.000 Amerikaner infiziert werden. Nach Angaben der FDA sind Fluoquinolone eine „wichtige Ursache“ für Infektionen mit Campylobacter Bakterien. Bis zu 80% der verkauften Hühner enthalten zum Teil resistente Campylobacter-Bakterien.

Die Behörde ersuchte daher die beiden Hersteller, Abbott und Bayer, das Präparat vom Markt zu nehmen. Während Abbott direkt reagierte, legte das deutsche Unternehmen Beschwerde ein. In den USA bildete sich daraufhin eine Koalition von Ärzteverbänden und Umweltorgani-
sationen, um ein Einlenken von Bayer zu erreichen. Vertreter der Initiative befürchten, dass im Laufe des mehrjährigen Beschwerde-
verfahren die Zahl der Resistenzen stark ansteigt und Fluoquinolone unbrauchbar geworden sind.

Kritische Anfragen von Journalisten oder engagierten Privatpersonen beantwortet Bayer seit vergangenem Jahr routinemäßig mit einem Verweis auf den Global Compact und den darin enthaltenen Anstrengungen. Es bleibt der Zivilgesellschaft überlassen, diese Aktivitäten als Ablenkungsmanöver zu enttarnen.

AIDS

CBG Redaktion

23. November 2000

Entschädigung AIDS-kranker Bluter:

Bayer AG soll Stiftung finanzieren

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert das Unternehmen Bayer auf, die Rentenzahlungen an HIV-infizierte Bluter vollständig zu übernehmen. Die im Jahr 1995 eingerichtete Stiftung für die Opfer von verseuchten Blutkonserven steht vor dem Aus, da ihr Grundkapital größtenteils aufgebraucht ist. Bayer war als Weltmarktführer für Faktor VIII-Präparate verantwortlich für die HIV-Infektion Tausender Bluter.
Hubert Ostendorf von der CBG: „Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags hat eindeutig bestätigt, dass die Aids-Gefahr für Bluter frühzeitig bekannt war. Lediglich aus Kostengründen wurden die bestehenden Sicherungsverfahren damals nicht eingesetzt - Tausende von Blutern mussten dieses Versäumnis mit ihrem Leben bezahlen.“ Obwohl Mitarbeiter von Bayer intern bereits 1983 vor einer „gigantischen Epidemie“ warnten, weigerte sich das Unternehmen lange, entsprechende Tests und eine Hitze-Behandlung der Gerinnungspräparate einzuführen. Als diese Verfahren in den USA obligatorisch wurden, setzte Bayer die unbehandelten Produkte weiter in Japan und Lateinamerika ab. Ostendorf fordert daher neben der Übernahme der Rentenzahlungen durch die Bayer AG auch eine strafrechtliche Verfolgung der verantwortlichen Manager.
Während der Leverkusener Konzern allen japanischen Opfern auf Druck der dortigen Regierung 630.000 Mark Entschädigung, eine monatliche Rente und alle Behandlungskosten bezahlt, wurde in Deutschland lediglich eine Stiftung gegründet, die eine Minimalrente garantiert. Die Kosten dafür trägt zum größten Teil die Allgemeinheit - Bayer beteiligte sich lediglich mit 18 Millionen Mark. Der Leverkusener Konzern setzt jährlich fast eine Milliarde Mark mit Faktorpräparaten um, die Behandlung eines einzigen Patienten kann jährlich 300.000 Mark verschlingen.

USA

CBG Redaktion

18. Oktober 2000

Amerikanische Bluter stoppen Kooperation mit Pharmakonzern Bayer

Medikamente nur für Reiche?

Die amerikanische National Hemophilia Foundation (NHF), die die Interessen von 14.000 Blutern in den USA vertritt, beendet mit sofortiger Wirkung jegliche Zusammenarbeit mit dem Pharmaunternehmen Bayer. Alle Spenden des Leverkusener Konzerns an die Stiftung wurden zurück überwiesen, eine Delegation von Bayer zum anstehenden Jahrestag der NHF wurde ausgeladen.
„In Zukunft entscheidet die teuerste Versicherung darüber, wer eine Behandlung erhält“, protestiert Mark Skinner, Präsident der NHF, „für Bayer scheint die Profitrate wichtiger zu sein als die Hilfe für schwerkranke Menschen.“ Hintergrund des Zerwürfnisses: Bayer zieht das Medikament Kogenate FS aus dem freien Handel zurück. In Zukunft soll das Blutfaktor-Präparat nur noch an Direktabnehmer verkauft werden, die dem Unternehmen Alter, Krankheitsgeschichte und die Art ihrer Krankenversicherung mitteilen müssen. Bayer ist Alleinanbieter für diese Art von Gerinnungsfaktoren, die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem.
Die NHF kritisiert in einem Offenen Brief an Bayer den Besitz vertraulicher Patientendaten durch das Unternehmen und die Risiken für Notfall-Patienten, die in Krankenhäusern keine Blutgerinnungsmittel mehr erhalten können. Die Stiftung befürchtet zudem höhere Preise aufgrund der Monopolstellung des Anbieters - schon heute geben Hämophile jährlich bis zu 150.000 US$ für ihre Behandlung aus. Besonders ältere Betroffene, die auf die staatlichen Programme Medicare und Medicaid angewiesen sind, könnten in Zukunft leer ausgehen.
Jan Hamilton, Vorsitzende der zweiten großen Bluter-Vereinigung Hemophilia Federation of America: „Niemand von uns vertraut Bayer“. In den 80er Jahren hatte sich die große Mehrheit der amerikanischen Hämophilen mit Hepatitis C infiziert. 40% der Patienten wurden außerdem mit HIV angesteckt, obwohl Experten jahrelang auf die Risiken hingewiesen hatten. Schon damals war Bayer Weltmarktführer für Blutprodukte.

Archiv

CBG Redaktion

24. August 2000

Trotz Verpflichtung im neuen Stiftungsvertrag:

Bayer AG verweigert Zugang zu Konzern-Archiv

Die Leverkusener Bayer AG verweigert Kritikern des Unternehmens den Zugang zum Werksarchiv, in dem sich umfangreiches Material aus der Zeit des Dritten Reiches befindet. Mitarbeiter der Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. (CBG) wollen dort Unterlagen einsehen, die die „Arisierung“ eines jüdischen Friedhofs in Krefeld betreffen. Außerdem sollen Briefwechsel zwischen dem Leverkusener Bayer-Werk und dem KZ Auschwitz, in dem im Auftrag der IG Farben Menschenversuche durchgeführt wurden, eingesehen werden. Erst im vergangenen Jahr hatte die Bayer AG das Archiv der skandalträchtigen IG Farben AG in Liquidation übernommen.
Im Gegensatz zu anderen Firmen beauftragte Bayer bislang keine unabhängigen Historiker mit der Niederschrift einer Konzerngeschichte. Nun antwortete das Unternehmen: „...ergibt sich keine Verpflichtung, Ihrem Antrag nachzukommen. Wir möchten Sie bitten, von weiterer Korrespondenz in dieser Angelegenheit abzusehen.“
In den Vertrag der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, die die Entschädigung ehemaliger Sklavenarbeiter regelt, wurde auf Drängen amerikanischer Anwälte die Öffnung der Werksarchive festgeschrieben. In der Vergangenheit war Journalisten und Unternehmenskritikern der Zutritt meist verweigert worden.
Die CBG begleitet das Unternehmen Bayer seit über zwanzig Jahren und ist Herausgeber des Buches „IG Farben - Von Anilin bis Zwangsarbeit“. Im Juni organisierte der Verein eine Demonstration in Uerdingen, um an den zerstörten jüdischen Friedhof zu erinnern. Auf dem Gelände des Friedhofs befindet sich heute der Eingang zum Bayer-Werk Uerdingen, ein Hinweisschild oder ein Denkmal sucht man vergeblich.

Hepatitis

CBG Redaktion

Eine Anhörung im Bundestag bestätigt unsere Sichtweise, wonach Bayer & Co. für die Hepatitis-Infizierung Tausender Bluter mitverantwortlich sind. Der Vorsitzende des Bundestags-Untersuchungsausschusses Horst Schmidbauer schätzt, dass etwa 80 Prozent der Infektionen hätten vermieden werden können. Die Pharmaindustrie muss daher zu einer Entschädigung gezwungen werden (siehe auch: „Infektionen wurden billigend in Kauf genommen“).

Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, 13. März 2013

Experten dringen auf Entschädigung der durch Blutprodukte mit HCV infizierten Bluterkrankten

Berlin: (hib/TVW) Der Gesundheitsausschuss hat in einem Expertengespräch über die Situation der durch Blut und Blutprodukte mit Hepatitis C (HCV) infizierten an Hämophilie Erkrankten (Bluterkrankte) beraten. Dafür standen ihm zwei Fachleute als Gesprächspartner zur Verfügung. Das Thema ist im Herbst 2012 Gegenstand zweier Kleiner Anfragen der Fraktion Die Linke (17/10708 und 17/11311) gewesen. Die Linken wollten von der Bundesregierung erfahren, welche Maßnahmen dem Bundesgesundheitsamt (BGA) seit Anfang der achtziger Jahre zur Verfügung gestanden haben, um das Risiko von Blutern, sich durch Blutprodukte mit Hepatitis C zu infizieren, zu minimieren. Nach Angaben der Bundesregierung ist es in den 1970er und 1980er Jahren in Deutschland durch verseuchte Blutprodukte zu einer nicht genau bekannten Zahl von Hepatitis C-Infektionen bei sogenannten Hämophilen gekommen. Diese seien aufgrund ihrer Erkrankung regelmäßig auf die Gabe von Blutplasmaprodukten angewiesen. In ihren Antworten (17/10910 und 17/11934) auf die Kleinen Anfragen der Fraktion Die Linke (17/10708) erklärt die Bundesregierung, dass den Staat keine Verantwortung für diese Infektionen treffe.
Für Horst Schmidbauer, ehemaliger Bundestagsabgeordneter, früheres Mitglied des Gesundheitsausschusses und seit 2000 Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen, steht zunächst fest: „Den mit HCV infizierten bluterkrankten Menschen ist ohne eigenes Verschulden durch die Einnahme von Medikamenten ein schwerer gesundheitlicher Schaden zugefügt worden.“ Schmidbauer schätzt, dass etwa 80 Prozent der HCV-Infektionen bei Bluterkrankten hätten vermieden werden können, wenn bei der Verwendung von Blutprodukten die in den 1970er und 1980er geltenden Richtlinien streng eingehalten worden wären. Viele Betroffene hätten zwar grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Entschädigung. Dieser könne aber nicht geltend gemacht werde, weil kein Nachweis möglich sei, welches Blutprodukt beziehungsweise welcher Hersteller den Schaden verursacht habe. Um die Schuldfrage zu umschiffen, sei eine humanitäre Hilfe erforderlich. „Für diese Menschen muss es eine Opferentschädigung geben“, forderte der ehemalige Abgeordnete.
Schmidbauer berichtete ferner über die Ergebnisse des im Jahre 1993 vom Bundestag eingerichteten Untersuchungsausschusses „HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte“, dem er selbst angehört hatte. Die Untersuchungen hätten ergeben, dass viele mit dem HIV-Virus infizierte Bluterkrankte gleichzeitig mit HCV infiziert gewesen seien. Damals habe man aber die Entschädigung der HIV-Infizierten für vordringlich gehalten. Mit dem HIV-Hilfegesetz (HIVHG) vom 24. Juli 1995 wurde die Stiftung Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen gegründet, die monatliche Leistungen an HIV-Infizierte und AIDS-Erkrankte zahlt.
Werner Kalnins, Vorsitzender der Deutschen Hämophiliegesellschaft (DHG), schätzt, dass in Deutschland etwa 3.000 mit HCV infizierte Hämophile leben. Von den ursprünglich etwa 4.500 Betroffenen seien mittlerweile 1.500 verstorben. Ferner hätten drei große einschlägige wissenschaftliche Studien ergeben, dass weit mehr als die Hälfte aller an Hämophilie Erkrankten mit dem Virus infiziert sei. Nach Auskunft Kalnins‘ erhalten zwar etwa 400 Betroffene Leistungen der Stiftung Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen, die übrigen seien aber auf normale Sozialleistungen wie Sozialhilfe oder Renten angewiesen. Da ihre Erwerbsbiographie durch die Erkrankung meist erheblich verkürzt werde, hätten sie in der Mehrzahl auch entsprechend verminderte Rentenansprüche.
Nach Auskunft von Schmidbauer ist es dem Untersuchungsausschuss wegen der gebotenen Eile seinerzeit nicht möglich gewesen, auch die HCV-Problematik mit aufzuarbeiten. Mittlerweile würden aber mehr Hämophile an einer HCV-Infektion als an einer HIV-Infektion versterben. „Man muss daher schnell zu einer Entschädigungslösung kommen, die auch den HCV-Infizierten noch Hilfe zukommen lässt“, sagte Schmidbauer. In fast allen anderen Industrieländern gebe es für die Gruppe der HCV-infizierten Hämophilen mittlerweile eine solche Lösung. Außerdem sollten nach Auffassung Schmidbauers die in der ehemaligen DDR durch Blutprodukte mit HCV infizierten Frauen in die Entschädigung einbezogen werden. Auch Kalnins vertritt die Auffassung, „dass die Betroffenen aus der ehemaligen DDR ebenfalls entschädigt werden sollten“.

[Patente] Presse-Information CBG vom 08.03.21

CBG Redaktion

CBG unterstützt die Forderungen Indiens und Südafrikas

Patente für Corona-Impfstoffe freigeben!

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) begrüßt die Initiative Indiens und Südafrikas, bei der Welthandelsorganisation (WTO) auf eine zeitweise Aufhebung der Patente für Impfstoffe und Arzneien gegen Covid-19 zu dringen, um auf diese Weise auch die Versorgung ärmerer Länder mit Vakzinen sicherzustellen. Am 10. und 11. März steht der entsprechende Antrag auf der Tagesordnung des „Rates für handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums“ (TRIPS-Rat).

Deutschland und die anderen westlichen Industrie-Nationen lehnen den Vorschlag ab. Der südafrikanische WTO-Bevollmächtigte Mustaqueem De Gama kritisiert das scharf und wirft der Koalition der Unwilligen Doppelzüngigkeit vor: „Viele der opponierenden WTO-Mitglieder haben die Entwicklungsländer unter dem der Druck der Pharma-Industrie mehr als zwei Jahrzehnte lang davon abgehalten, TRIPS-Flexibilitäten in ihrem nationalen Recht zu verankern und diese Flexibilitäten zur Förderung des Zugangs zu nutzen. Jetzt aber behaupten sie steif und fest, dass solche Flexibilitäten in ausreichendem Maß existieren.“ Überdies hält er den Staaten „Impf-Nationalismus“ vor. „50 Prozent der bis zum 22. Februar injizierten 200 Millionen Impfdosen verabreichten die USA, Großbritannien und die EU“, so De Gama.

In seinen Ausführungen berief er sich auch auf den UN-Generalsekretär António Guterres, der Mitte Februar in seiner Rede vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mehr Verteilungsgerechtigkeit bei den zur Verfügung stehenden Vakzinen angemahnt hatte. „Der Fortschritt bei den Impfungen vollzieht sich in ungleichmäßiger und unfairer Weise“, hatte er konstatiert. Seine Kollegin Direktorin Winnie Byanyima vom AIDS-Programm der UN tritt vehement dafür ein, die Impfstoffe zu einem öffentlichen Gut zu erklären. „Wir sollten nicht wiederholen, was bei der AIDS-Krise in der Welt geschehen ist. Wir haben zehn Jahre verloren und Millionen HIV-Positive sind gestorben, weil wir auf Zugeständnisse der Pharma-Industrie gewartet haben“, erklärt sie.

Bislang tragen über 60 Länder den Vorstoß Südafrikas und Indiens mit. Fraktionsübergreifend stellten sich zudem mehr als 80 Mitglieder des Europa-Parlaments hinter den Antrag. Auch der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus, zählt zu den Unterstützern. Susan Bergner, bei der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ für globale Gesundheitsfragen zuständig, spricht sich ebenfalls dafür aus: „Die Länder des globalen Südens müssen dringend Produktionskapazitäten für Impfstoffe aufbauen können. Da würde eine zeitweise Aussetzung der Patentrechte der Pharma-Konzerne helfen.“

Bislang reichen die Produktionskapazitäten nicht aus. Immer wieder brechen die Pillen-Riesen die Liefer-Vereinbarungen. CUREVAC, das seinen mRNA-Impfstoff gemeinsam mit BAYER auf den Markt bringen will, stieß schon bei der Vorbereitung der Fertigung auf Schwierigkeiten. „Es gab einen Riesenansturm auf die Ausrüstung“, klagte der Unternehmensleiter Hans-Werner Haas bei einer Anhörung im Europa-Parlament.

Die Verträge, welche die EU mit den Impfstoff-Herstellern geschlossen hat, sehen zwar die Möglichkeit der Weitergabe an bedürftige Staaten vor, zuvor müssen die Firmen allerdings ihr Einverständnis geben. Und besonders beim CUREVAC-Produkt lauern dem FDP-Politiker Andrew Ullmann zufolge im Kleingedruckten Probleme mit den Zustimmungsklauseln. Dadurch könne es zu gefährlichen Verzögerungen kommen, warnt er laut Tagesspiegel.

Das COVAX-Programm der WHO zur weltweiten Impfstoff-Distribution bleibt bisher weit hinter den Erwartungen zurück. Und die freiwilligen Vereinbarungen, welche BAYER, NOVARTIS, PFIZER & Co. mit der „Bill & Miranda Gates Foundation“ geschlossen haben, tragen bisher keine Früchte. Trotzdem wehrt sich die Industrie vehement gegen eine Suspendierung des Patentrechts auf Zeit. „Es muss dabei bleiben, dass die Unternehmen Eigentümer ihrer Entwicklungen bleiben“, dekretiert Han Steutel, Präsident des von BAYER gegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“. „Die meisten der bisher gegen Corona zugelassenen Impfstoffe entstammen gar nicht den Laboren von Big Pharma, sondern denen von Universitäten oder kleiner Start-Ups. BAYER & Co. wollen nur ihre Profite sichern. Dazu nehmen sie auch eine Ausweitung der Gesundheitskrise mit vielen unnötigen Opfern in Kauf“, hält CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann abschließend fest.

Pressekontakt:
Jan Pehrke 0211/30 58 49

[Gegenantrag Pharma] BAYER Hauptversammlung

CBG Redaktion

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat heute Gegenanträge zu gefährlichen Pharmaprodukten zur BAYER-Hauptversammlung am 26. April in Köln eingereicht. Die Gegenanträge werden auch auf der website des Konzerns veröffentlicht.

Gegenantrag zu TOP 2: Der Vorstand wird nicht entlastet

Der BAYER-Konzern ist für eine Vielzahl von ökologischen und sozialen Problemen verantwortlich. Der Vorstand trägt hierfür die Verantwortung, weswegen ihm die Entlastung zu verweigern ist. Es folgt eine Auswahl aktueller Problemfälle.

Lipobay:
Mehrfach wurde BAYER im vergangenen Geschäftsjahr zu Entschädigungszahlungen an Lipobay-Opfer verurteilt, u.a. in Argentinien und Italien. Die Gerichte stellten eindeutig ein schuldhaftes Verhalten des Konzerns fest. So belegen firmeninterne Dokumente, dass das BAYER-Management die schweren Gesundheitsschäden der Patienten billigend in Kauf nahm und sogar Warnungen aus dem eigenen Haus missachtete.
Die Entscheidungen der Gerichte sind eine große Genugtuung für die Opfer in aller Welt. Trotzdem weigert sich der Konzern, seine Schuld anzuerkennen und alle Betroffenen fair zu entschädigen.

Blutprodukte:
Im vergangenen Geschäftsjahr ist der Bluter Todd Smith im Alter von 50 Jahren gestorben. Todd Smith hatte sich in den 80er Jahren durch Blutprodukte von BAYER mit HIV und Hepatitis C infiziert. Seine Infektionen wären vermeidbar gewesen, wenn der Konzern rechtzeitig die damals verfügbaren Tests und Inaktivierungs-Verfahren eingesetzt hätte.
BAYER war zu diesem Zeitpunkt Weltmarktführer für Blutprodukte. Nach dem Verbot unbehandelter Blutprodukte in den USA und Europa hatte das Unternehmen die übriggebliebenen Chargen nach Lateinamerika und Asien exportiert, wo es zu weiteren Infektionen kam. Bis heute weigert sich BAYER, eine dauerhafte Stiftungslösung zu finanzieren, die den Betroffenen ein würdiges Leben ermöglichen würde. Stattdessen werden die Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt.

Xarelto:
An der Sicherheit des neuen Gerinnungshemmers Xarelto, den BAYER mit aller Macht in den Markt drücken will, gibt es erhebliche Zweifel. So zeigen Daten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), die die Coordination gegen BAYER-Gefahren auf Anfrage erhielt, dass allein im vorigen Jahr nach der Einnahme von Xarelto 58 tödliche Verläufe und 750 schwere Nebenwirkungen auftraten.
In den USA verzögert sich die Zulassung des Präparats zur Nachbehandlung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie. Wegen des hohen Blutungsrisikos forderte die Gesundheitsbehörde FDA von BAYER jüngst weitere Daten zu den Risiken von Xarelto an. Bereits im Februar 2012 hatte die FDA moniert, dass BAYER in den eingereichten Unterlagen drei Todesfälle nicht dokumentiert hatte.
Schon bei den Genehmigungsprozessen zu den Indikationen „Thrombose-Prophylaxe bei Hüft- und Kniegelenkoperationen“ und „Schlaganfall- und Embolie-Prophylaxe bei Patienten mit Vorhofflimmern“ hatte es in den Vereinigten Staaten Probleme gegeben. Die Aufsichtsbehörden warfen BAYER unter anderem vor, die Proband/innen, die in der Vergleichsgruppe das Präparat Warfarin einnahmen (verwandt mit Marcumar), nicht richtig eingestellt zu haben.
Fachleute raten von der Verwendung von Xarelto ab. Sie plädieren dafür, weiter an dem bewährten Präparat Marcumar festzuhalten. So stellt die Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft fest: „Insgesamt ergibt sich aus Sicht der AkdÄ für Patienten in Deutschland, die zur Prophylaxe kardioembolischer Erkrankungen bei Vorhofflimmern mit Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon gut zu behandeln sind, kein Vorteil aus einer Therapie mit Dabigatran oder Rivaroxaban (Xarelto). Ihr Einsatz sollte sich auf Patienten beschränken, für die Vitamin-K-Antagonisten keine Therapie-Option sind.“
Neben dem Preis – es ist 15-mal billiger als Xarelto – spricht für Marcumar vor allem, dass es zu ihm im Gegensatz zu Xarelto ein Gegenmittel gibt, das gegebenenfalls schwere Blutungen stoppen kann.
Es darf nicht sein, dass BAYER nur aus Profit-Gründen ein Medikament in den Markt drückt, an dessen Sicherheit es erhebliche Zweifel gibt. Der Konzern sollte aus den Pharma-Skandalen mit LIPOBAY, TRASYLOL und YASMIN gelernt haben. Präparate, die gegenüber älteren Mitteln keinen Vorteil bieten, sollten grundsätzlich nicht zugelassen werden.

Pestizide:
Die drei größten Pestizid-Konzerne BASF, BAYER und SYNGENTA, die fast die Hälfte des Pestizid-Weltmarkts kontrollieren, vermarkten jeweils mehr als fünfzig hochgefährliche Wirkstoffe, die unter anderem Krebs auslösen, Nervenschäden und Unfruchtbarkeit verursachen, das Hormonsystem schädigen oder die Biodiversität gefährden können. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt die Zahl der jährlichen Pestizidvergiftungen auf 3 bis 25 Millionen. Rund 99% aller Pestizid-Vergiftungen treten in den Ländern des Südens auf.

Hauptversammlung

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 15. März 2005

zur heutigen Bilanzpressekonferenz der BAYER AG:

Kritische Aktionäre reichen Gegenanträge ein

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren reicht zeitgleich zur heutigen Bilanzpressekonferenz der BAYER AG Gegenanträge zur Hauptversammlung des Konzerns ein. Das Unternehmen missachtet demnach den Schutz der Umwelt und schädigt mit seinen Produkten Tausende Personen. „Der Vorstand trägt hierfür die Verantwortung, weshalb ihm die Entlastung verweigert werden muss“, heißt es in dem Antrag.

Im vergangenen Geschäftsjahr war der Konzern erneut für eine Reihe von Skandalen verantwortlich:

* Preisabsprachen mit Konkurrenz-Unternehmen;
* Verkauf hochgefährlicher Pestizide in Entwicklungsländer;
* Kinderarbeit bei indischen Zulieferern;
* Störfälle, bei denen regelmäßig giftige Chemikalien austragen;
* Gefährdung von Patienten durch den Verkauf unwirksamer oder gefährlicher Pharmazeutika.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren macht seit 20 Jahren auf die Schattenseiten der Konzernpolitik von BAYER aufmerksam und wird die Gegenanträge in der Hauptversammlung am 29. April erläutern. Im Folgenden dokumentieren wir den Antrag im vollen Wortlaut:

An die BAYER AG
51368 Leverkusen

Gegenanträge zur BAYER-Hauptversammlung am 29. April 2005

Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit zeigen wir an, dass wir zu den Punkten 2 bis 6 der Tagesordnung den Vorschlägen des Vorstands und des Aufsichtsrats widersprechen und die anderen Aktionäre veranlassen werden, für die folgenden Gegenanträge zu stimmen. Um Mitteilung dieser Gegenanträge sowie der nachstehenden Begründungen gemäß §§ 125, 126 AktG dürfen wir bitten.

Gegenantrag zu TOP 2: Der Vorstand wird nicht entlastet
Begründung: Der BAYER-Konzern verursachte im vergangenen Geschäftsjahr eine Vielzahl von Missständen. Der Vorstand trägt hierfür die Verantwortung, weshalb ihm die Entlastung verweigert werden muss.
Es folgt eine Auswahl aktueller Problemfälle:

* BAYER tätigt regelmäßig Preisabsprachen mit der Konkurrenz und wurde dabei allein im vergangenen Jahr vier Mal erwischt. Im Sommer musste der Konzern 66 Millionen Dollar Strafe zahlen - BAYER hatte sich gegenüber US-Behörden schuldig bekannt, mit anderen Herstellern die Preise für Kunststoff-Zusätze abgesprochen zu haben. Im Herbst erhielt BAYER erneut eine hohe Strafe, diesmal 33 Mio Dollar wegen eines Kartells mit mehreren Polyester-Produzenten. Kurz darauf musste der Konzern illegale Absprachen beim Verkauf von Kautschuk-Chemikalien einräumen und 4,7 Mio Dollar Strafe zahlen. In Portugal wurde BAYER wegen Preisabsprachen beim Verkauf von Diabetes-Tests verurteilt. Illegale Kartelle sind bei BAYER seit vielen Jahren an der Tagesordnung. Diese Praxis wird vom Vorstand augenscheinlich gedeckt.

* Die von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) im Jahr 2003 veröffentlichte Studie „Kinderarbeit im indischen Baumwollanbau“ enthüllte, wie internationale Saatgut-Konzerne von Kinderarbeit profitieren. Zulieferer der indischen BAYER-Tochter ProAgro beschäftigten demnach mehr als 2.000 Kinder zwischen sechs und 14 Jahren. Sprecher von BAYER bekannten sich nach Veröffentlichung der Studie zu ihrer Verantwortung und versprachen Abhilfe. Neue Untersuchungen zeigen aber, dass sich die Situation bei ProAgro kaum gebessert hat: auch im vergangenen Jahr arbeiteten rund 1.650 Kinder für Zulieferer der Firma. Dies ist unvereinbar mit den Standards der ILO, der OECD und der UNO.

* Seit den 20er Jahren finanziert BAYER Politiker - seinerzeit bekannt als das „System Duisberg“. Zahlreiche Mitarbeiter des Konzerns wurden Abgeordnete und sogar Minister. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren nahm die aktuelle Diskussion zum Anlass, einen Offenen Brief an das Unternehmen zu senden. Darin fragten wir nicht nur, welche Abgeordnete ein Gehalt oder Zuwendungen vom BAYER-Konzern bezogen haben, sondern auch, in welche staatliche Einrichtungen (Behörden, Forschungseinrichtungen, Universitäten) Mitarbeiter des Unternehmens abgestellt wurden. Der Konzern bleibt bis heute eine Antwort schuldig. Generell beantwortet BAYER nur solche Fragen, die dem Unternehmen genehm sind - ein klarer Widerspruch zur Kampagne „Chemie im Dialog“.

* In der Umgebung des mittlerweile von der LANXESS AG betriebenen Werks Durban/Südafrika wurden hochgefährliche Chromverbindungen im Grundwasser gefunden. Den Anwohnern wurde dringend empfohlen, das Wasser aus angrenzenden Brunnen weder zum Kochen noch zum Trinken zu verwenden. LANXESS streitet die Verantwortung nicht ab, behauptet aber, seit 1991 kein Chrom mehr herzustellen; die Verunreinigung wäre von Altlasten ausgegangen. BAYER hatte die Firma Chrome Chemicals in Durban 1968 übernommen. Wegen mangelhafter Sicherheits-Einrichtungen erlitt ein Drittel der Belegschaft bleibende Gesundheitsschäden. Mindestens acht Arbeiter starben an Lungenkrebs, zwei weitere an Tuberkulose. Selbst die Apartheids-Regierung hatte 1976 in einem Bericht Sicherheitsmängel und Gesundheitsprobleme der Belegschaft moniert. Nach Protesten südafrikanischer Gewerkschaften sowie der Coordination gegen BAYER-Gefahren, die zu umfangreichen Medienberichten führten, schloss BAYER 1991 die Chrom-Produktion und entließ einen Großteil der Beschäftigten. Eine Kompensation der betroffenen Arbeiter sowie der Hinterbliebenen unterblieb. Die Vergiftung des Grundwassers zeigt, dass BAYER zudem versäumt hat, in den vergangenen 14 Jahren eine Dekontamination des Geländes vorzunehmen.

* Ein US-Gericht hat BAYER im vergangenen Jahr zu 400.000 Dollar Schadensersatz verurteilt. Der 33-jährige Miguel Valverde hatte vor sechs Jahren einen Schlaganfall erlitten, nachdem er drei Tage das Erkältungsmittel Alka-Seltzer Plus eingenommen hatte. Die Geschworenen stellten fest, dass BAYER ein „mangelhaftes, gefährliches Pharmaprodukt“ vertrieben hatte, obwohl ungefährliche Alternativprodukte verfügbar waren. Alka Seltzer Plus enthielt bis zum Jahr 2000 den Inhaltsstoff Phenylpropanolamin (PPA), der das Risiko eines Schlaganfalls um das Anderthalb- bis Dreifache steigen lässt. BAYER kannte die Risiken von PPA seit Jahrzehnten. Die Pharma-Industrie hielt jedoch ihre eigenen Studien zurück, um die Umsätze PPA-haltiger Medikamente von mehreren Hundert Millionen Dollar pro Jahr nicht zu gefährden. Schlimmer noch: Unter Führung von BAYER legten die Hersteller Gegengutachten vor und drohten mit Klagen, um ein Verbot seitens der US-Gesundheitsbehörde zu verzögern. Hunderte Menschen mussten diese Strategie mit dem Leben bezahlen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert zusätzlich eine strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen bei BAYER und anderen Unternehmen.

* Rund 40 Millionen Amerikaner befolgen die sogenannte „Atkins-Diät“, die den Verzehr von Fleisch, Eiern und fetthaltigen Nahrungsmitteln uneingeschränkt erlaubt, die Aufnahme von Brot, Reis, Obst und Gemüse hingegen stark einschränkt. Ernährungswissenschaftler warnen eindringlich vor Mangelerscheinungen, Verdauungsprobleme und Kreislauferkrankungen. Trotzdem versucht die Pharma-Industrie, von der „Mode-Diät“ zu profitieren. Der BAYER-Konzern brachte speziell zur Ergänzung der Atkins-Diät den Vitamin-Cocktail CarbSmart auf den Markt und machte hiermit mehrere Millionen Dollar Umsatz. Den Verantwortlichen bei BAYER sollte bekannt sein, dass die Atkins-Diät gesundheitsschädlich ist und dass Vitaminpräparate niemals eine ausgewogene Ernährung ersetzen können. Wieder einmal zeigt sich, dass der Pharma-Industrie die Gesundheit der Bevölkerung herzlich egal ist - solange die Umsätze stimmen.

Gegenantrag zu TOP 3: Der Aufsichtsrat wird nicht entlastet
Begründung: Der Aufsichtsrat kommt seiner Kontrollfunktion nur ungenügend nach und soll daher nicht entlastet werden. Es folgen Beispiele einer umweltfeindlichen Konzernpolitik, die vom Aufsichtsrat mitgetragen werden:

* Beinahe täglich kommt es in BAYER-Werken zu gefährlichen Unfällen - auch eine Folge der fortschreitenden Ausdünnung der Belegschaft. Eine kleine Auswahl von Ereignissen im zweiten Halbjahr 2004: Im Werk Addyston (USA), das seit 2005 von LANXESS betrieben wird, traten allein neun Mal giftige Chemikalien aus. Am 23.11.04 kam es im Brunsbütteler BAYER-Werk zu einer Explosion, fünf Beschäftigte mussten im Krankenhaus behandelt werden. Am 29.9.04 trat im Uerdinger BAYER-Werk Aktivkohle aus, acht MitarbeiterInnen kamen ins Krankenhaus. Ebenfalls in Uerdingen traten am 11. Dezember 400 Kilo der giftigen Adipin-Säure aus. Am 3. November stiegen im Dormagener Werk nach einem Stromausfall Chlor und Nitrose-Gas auf, ein 15-jähriger Junge atmete giftiges Chlor ein und kam ins Krankenhaus. Da die Chlorgas-Wolke in Richtung Bahngleise trieb, musste die Feuerwehr den angrenzenden Zug-Verkehr sperren. Am 26.8.04 kam es im Werk von GE BAYER SILICONES zu einem Zwischenfall: bei Reparatur-Arbeiten an einem Kesselwagen schlug dieser Leck, giftige Salzsäure-Dämpfe stiegen auf.

* Die Umweltbehörde im kanadischen Bundesstaat Ontario unterzog rund dreißig Werke im Chemiegürtel von Sarnia einer gründlichen Prüfung. In den vergangenen Jahren hatte die Wasserversorgung der umliegenden Gemeinden mehrmals wegen Lecks und Störfällen unterbrochen werden müssen. Zwanzig Fabriken, darunter vier von BAYER, erhielten im vergangenen Jahr Abmahnungen. Die Verweise wurden erteilt wegen fehlender Betriebsgenehmigungen, ungenügender Deklaration von Giftmüll und nicht-genehmigtem Umbau von Anlagen. Die Umweltministerin von Ontario übte scharfe Kritik am Verhalten der Chemie-Industrie.

* Im südindischen Baumwollgürtel kommt es weiterhin zu einer hohen Zahl von tödlichen Vergiftungen durch BAYER-Pestizide. BAYER dominiert den indischen Pestizidmarkt und lässt große Mengen von in Europa nicht mehr zulassenen Agrogiften wie Monocrothopos von Subunternehmern produzieren. Aufgrund fehlender Sicherheitsstandards sind Unfälle an der Tagesordnung, das Grundwasser ganzer Landstriche ist verseucht.

* In mehreren BAYER-Fabriken soll aus Kostengründen die Werks-Feuerwehr abgeschafft werden, u.a. in Wuppertal und Wolfenbüttel. Im Notfall vergeht mehr Zeit, bis Hilfe von außerhalb eintrifft. Die Sicherheit der Belegschaft wird aus Profitgründen aufs Spiel gesetzt.

* Der Umweltverband Friends of the Earth hat in den vergangenen Jahren mehrere Studien zu Risiken von Pestiziden gesammelt. Größtenteils handelt es sich um Untersuchungen von BAYER zu dem Agrogift Glufosinat. Als BAYER davon Wind bekam, wollte der Konzern eine Veröffentlichung der legal erhaltenen Studien gerichtlich untersagen. Nach dem Willen des Konzerns sollte Friends of the Earth nicht einmal den Titel der Studien oder die Adresse, wo die Untersuchungen angefordert werden können, nennen dürfen. Dies ist nicht der erste Fall, in dem der Konzern die Arbeit von Umweltschützern juristisch angreift. Gerichtlich konnte BAYER seine Forderungen jedoch nicht durchsetzen.

* Im vergangenen Jahr tauchten bislang unbekannte Firmen- Unterlagen auf, die belegen, dass BAYER tausende asiatischer Bluter mit seinem Gerinnungspräparat KOATE bewusst dem HIV-Risiko aussetzte. In den achtziger Jahren hatte die BAYER- Tochter Cutter nicht hitze-behandelte und daher mit einem hohen AIDS-Risiko behaftete Chargen des Blutplasma-Produkts nach Asien geliefert - in den USA war der Verkauf zu diesem Zeitpunkt bereits verboten worden. Trotzdem weigert sich das Unternehmen, die Betroffenen angemessen zu entschädigen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert strafrechtliche Konsequenzen für die verantwortlichen BAYER-Manager.

Gegenantrag zu TOP 4: Wir schlagen vor, Axel Köhler Schnura, Diplom Kaufmann, Düsseldorf als Vertreter der Anteilseigner in den Aufsichtsrat zu wählen.
Begründung: Axel Köhler-Schnura kontrolliert den BAYER-Konzern seit mehr als 25 Jahren. Er ist Gründer der Coordination gegen BAYER- Gefahren e.V., Postfach 15 04 18, 40081 Düsseldorf, Telefon: 0211-333 911, und hat zahlreiche Verstöße des Konzerns gegen Menschenrechte und Umweltschutzauflagen publik gemacht. Somit ist er prädestiniert für eine gründliche, von Profitinteressen unabhängige Kontrolle des Vorstands der BAYER AG.

Gegenantrag zu TOP 5: § 12 Abs. 1 der Satzung (Vergütung des Aufsichtsrats) wird aufgehoben und wie folgt neu gefasst: „Jedes Mitglied des Aufsichtsrats erhält neben dem Ersatz seiner Auslagen eine jährliche feste Vergütung von 5.000 Euro. Eine darüber hinausgehende variable Vergütung erfolgt nicht.“

Gegenantrag zu TOP 6: §14 und §15 der Satzung bleiben unverändert
Begründung: Durch die geplante Änderung der Satzung wird die Teilnahme an der Hauptversammlung erschwert. Hierdurch würde die Kontrolle von Vorstand und Aufsichtsrat weiter behindert werden.

Für den Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN e.V.
Axel Köhler-Schnura
Philipp Mimkes

[Philipp Frisch] Hauptversammlung 2014

CBG Redaktion

Philipp Frisch (Ärzte ohne Grenzen) kritisiert Konzern-Chef Dekkers und fordert Umdenken bei Forschung und Entwicklung

Am 29. April fand in Köln die Hauptversammlung des Pharmakonzerns Bayer statt. Auch Philipp Frisch, Koordinator der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland, nahm teil und sprach. Anlässlich der von Konzern-Chef Marijn Dekkers zum Jahreswechsel gemachten Äußerung, Bayer habe das Krebsmittel Nexavar „nicht für den indischen Markt entwickelt, sondern für Patienten im Westen, die es sich leisten können“ forderte Frisch ein grundsätzliches Umdenken und eine neue Prioritätensetzung in der globalen Gesundheitspolitik:

„Dekkers‘ Zitat fasst alles zusammen, was heute im globalen Gesundheitsbereich falsch läuft: Medikamente nur für Reiche, Forschung soll durch Monopolversprechen und Patente angereizt werden. Dabei wissen wir längst, dass das nicht funktioniert. Und auch, dass es nicht so sein muss. Längst gibt es alternative Forschungsanreize wie Prämien, öffentliche Forschung und Produktentwicklungspartnerschaften, die ganz ohne Patentmonopole auskommen.
Doch über Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit entscheidet heute noch immer millionenfach das Portemonnaie. Medikamente sind oft entweder unerschwinglich teuer - oder es gibt erst gar keine wirksame und sichere Therapie.

Das heutige Patentsystem versagt auf ganzer Linie
Unsere Mitarbeiter behandeln weltweit in mehr als 60 Ländern jährlich 285.000 HIV/Aids-Patienten mit antiretroviralen Medikamenten, über 30.000 Tuberkulose-Fälle sowie 1,6 Millionen Malaria-Patienten. Für Pharmaunternehmen sind diese Menschen als Abnehmer nicht interessant, daher findet für sie auch kaum Forschung statt.
Das heutige Patentsystem versagt auf ganzer Linie. Private Konzerne forschen primär nicht an den Krankheiten, die das größte Leid verursachen, sondern an denen, die den größten Gewinn versprechen. Von den 2000 bis 2011 neu zugelassenen 336 Wirkstoffen waren nur 4 wirksam gegen vernachlässigte Krankheiten – und das obwohl weltweit bis zu einer Milliarde Menschen an diesen leiden. Außerdem sorgen Marktmonopole, die Unternehmen durch Patente gewinnen, dafür, dass lebensnotwendige Medikamente für Millionen von Menschen unerschwinglich sind.
Wir brauchen endlich eine andere Prioritätensetzung in der Gesundheitspolitik. Im Rahmen der Weltgesundheitsorganisation wird schon seit Jahren über innovative Anreizmechanismen gesprochen, die ganz ohne Patentmonopole auskommen. Nicht zuletzt die Lobbymacht der Pharmaunternehmen und die Interessen der reichen Industrieländer, in denen diese ihren Sitz haben, verhindern bislang aber mutige Schritte.“

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CBG Redaktion

wissenschaftlich-humanitäres komitee (whk)
Mehringdamm 61
10961 Berlin
www.whk.de

Pressemitteilung vom 2. März 2005

Pharma-Gigant BAYER: AIDS-Leichen im Keller

Konzern will „AIDS bekämpfen“ und wirbt mit Homopaar „for a better Life“/ whk: Unternehmen trägt Mitschuld an tausendfachem AIDS-Tod

Mit einem Schwulenpaar wirbt der BAYER-Konzern derzeit in halbseitigen Tageszeitungsinseraten für seine Diagnosemethode zur Resistenzbestimmung bei HIV. Hierzu erklärt das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk):

Offenbar hocherfreut über profitverheißende Meldungen zu medikamentenresistenten HIV-Virenstämmen schaltet der weltweit agierende BAYER-Konzern derzeit - unter anderem in der Tageszeitung Die Welt vom 1. März - halbseitige Werbeanzeigen mit einem aneinandergeschmiegten Männerpaar. Unter dem Slogan „Diagnostik verbessern - AIDS bekämpfen“ verspricht der Konzern dabei unter anderem „Science for a better life“.

Vollständig heißt es im Anzeigetext: „AIDS ist weiterhin weltweit auf dem Vormarsch. Alle sechs Sekunden infiziert sich ein Mensch mit HIV. Alle zehn Sekunden stirbt ein Mensch an AIDS. Weltweit gibt es bereits 42 Millionen infizierte Menschen. HIV ist ein tückisches Virus, da es immer neue Formen annimmt und deshalb schnell gegen Medikamente resistent wird. Daher hat BAYER Health Care eine neue Diagnostik entwickelt - eine Methode zur HIV-Resistenzbestimmung. Ein wichtiger Schritt, um Patienten gezielter und individueller helfen zu können.“

Für das whk sind diese Äußerungen blanker Hohn. Es ist allgemein bekannt, daß sich BAYER aus der Erforschung wirksamer Medikamente gegen HIV und AIDS weitgehend zurückgezogen hat. Wenn der Konzern nun schwulen Männern, die in den westlichen Industriestaaten nach wie vor am meisten von AIDS betroffen sind, ausgerechnet die Methode der Resistenzbestimmung nun als wichtigen Schritt gezielter und individueller „Hilfe“ verkaufen will, ist das mehr als zynisch.

Vor dem Hintergrund des von BAYER-Medikamenten verursachten weltweiten AIDS-Skandals bekommt die Anzeige sogar den Charakter einer regelrechten Desinformationskampagne. Es sei daran erinnert, daß mit HIV- und Hepatitis-C-Viren verseuchte Medikamente der hundertprozentigen BAYER-Tochter CUTTER seit Beginn der 80er Jahre Tausende von Menschen mit der Bluter-Krankheit das Leben gekostet haben. Anstatt seine verseuchten Medikamente im Sondermüll zu entsorgen, hatte das BAYER-Unternehmen sie seinerzeit massenweise zur Medikation nach Asien, Südamerika und Europa verhökert. In einzelne asiatische Länder wurde AIDS nachweislich erst durch BAYER-Medikamente eingeschleppt, die Krankheit war dort vorher nicht aufgetreten. Während sich damals Firmenmanager in Japan bei den AIDS-Opfern und deren Angehörigen entschuldigen mußten, warten die meisten von BAYER verursachten AIDS-Opfer bis heute vergeblich auf Entschädigung.

Es ist längst erwiesen, daß BAYER um die Gefährlichkeit seiner verseuchten Produkte wußte und die hochinfektiösen Medikament aus reiner Profitgier an ahnungslose Abnehmer verkaufte. Entsprechende Dokumente waren am 27. September 2004 unter anderem in der WDR-Sendung „Tödlicher Ausverkauf“ zu sehen. Auch das in Deutschland ansässige konzernkritische Netzwerk „Coordination gegen BAYER-Gefahren“ (CBG) und die New York Times haben bereits mehrfach über Hintergründe berichtet. Das whk erinnert daran, daß BAYER-Produkte zahlreiche Bluter auch in Deutschland und Frankreich mit HIV infizierten. In Frankreich war es deswegen Mitte der 80er Jahre sogar zu einer Regierungskrise gekommen. Gesundheitsminister Laurent Fabius mußte seinerzeit zurücktreten, zwei Beamte des Gesundheitsamtes wanderten sogar in den Knast. In Deutschland hat sich BAYER bislang weder bei seinen Opfern entschuldigt, noch sind BAYER-Manager je juristisch zur Rechenschaft gezogen worden.

Das Sündenregister von BAYER ist bekanntlich viel länger. Weil BAYER immer wieder die Gefährlichkeit seiner nicht nur von Pharma-Produkten wie dem Cholesterin-Senker Lipobay verschwieg, war der Global Player in den Jahren 2001 und 2004 bereits zwei Mal auf Liste der „zehn übelsten Unternehmen“ des von dem US-Bürgerrechtler Ralph Nader herausgegebenen Magazins Multinational Monitor BAYER gelandet. Demnach hatte der Chemie-Riese das US-Gesundheitsprogramm „MedicAid“, das die Arzneiversorgung von sozial Schwachen organisiert, durch fingierte Rechnungen um Millionen-Summen betrogen. Nach Angaben der CBG verzögerte die US-Gesundheitsbehörde im Jahr 2003 wegen möglicher Gesundheitsgefährdungen die Zulassung der Potenzpille Levitra, die BAYER in den USA zusammen mit dem ebenfalls im Bereich AIDS und HIV aktiven Unternehmen GlaxoSmithKline vermartet. Und Entschädigungsklagen jüdischer KZ-Opfer, die durch BAYER-Präparate in Birkenau und Auschwitz unfruchtbar gemacht worden waren, hat das Unternehmen immer wieder abgeschmettert.

In dem vor zwei Jahren erschienenen „Schwarzbuch der Markenfirmen“ bescheinigen dessen Verfasser dem Konzern unumwunden, BAYER bleibe „unangefochten“ an der Spitze der „bösen Konzerne“ und dies „nicht nur weil BAYER in allen Geschäftsfeldern - Chemie, Pharmazie, Agrobusiness und Rohstoffgewinnung - eine destruktive Phantasie an den Tag legt, was die Mißachtung ethischer Prinzipien betrifft“, sondern auch, „weil BAYERs Kommunikationspolitik offenbar im 19. Jahrhundert stecken geblieben ist. Da wird vertuscht, daß einem die Haare zu Berge stehen.“ (www.markenfirmen.com)

Das whk fordert nunmehr die kommerzielle Szenepresse dringend auf, ihren letzten Rest an Glaubwürdigkeit nicht durch die Annahme potentieller Anzeigenaufträge des BAYER-Konzerns mutwillig zu verspielen. Die verlogene und im Kern homophobe BAYER-Werbung gehört nicht in die Blätter schwuler Emanzipation. Ärzte und medizinisches Personal sollten prüfen, ob sie bei der Diagnose und Behandlung von HIV-Infizierten auf gleichartige Produkte anderer Firmen zurückgreifen können.

Das whk ruft die Szene zu Protesten gegen die Werbekampagne auf.
Rückfragen: 0162/6673642 (Dirk Ruder)

[Generika] Generika schützen!

CBG Redaktion

Ein wichtiges Urteil aus Indien: das Patentamt hat entschieden, dass die Firma Natco ein Medikament von BAYER produzieren darf und hierfür Patentgebühren zahlt. BAYER hatte das Präparat zum Vielfachen eines indischen Jahreslohns verkauft und somit rund 98% der Betroffenen von einer Behandlung ausgeschlossen.
Indien ist weltweit der wichtigste Lieferant günstiger Pharmazeutika, weswegen das Urteil auch für andere Länder von großer Bedeutung ist.

=> alle Informationen zur Kampagne der Coordination

16. März 2012, junge Welt

»Bayer erhält sechs Prozent der Nettoerlöse«

Keine Enteignung: Indien läßt Herstellung von Krebsmedikament gegen Willen des Patentinhabers Bayer zu. Gespräch mit Philipp Frisch

Philipp Frisch ist Referent der Medikamentenkampagne der deutschen Sektion der Organisation »Ärzte ohne Grenzen«

Der Pharmariese Bayer muß auf Geheiß des indischen Patentamtes hinnehmen, daß sein geschütztes Krebsmedikament Nexavar künftig auf dem Weg einer Zwangslizenz vom Generikahersteller Natco produziert werden kann. Warum ist das für Ihre Organisation eine »wegweisende Entscheidung«?
Das ist die erste Zwangslizenz für ein patentiertes Medikament, die in Indien erlassen wurde. Damit hat das Bayer-Monopol auf ein für viele Menschen lebensnotwendiges Präparat faktisch ein Ende. Das ist ein Präzedenzfall, von dem wir hoffen, daß er auch in anderen Bereichen Schule macht – gerade im Hinblick auf die Behandlung von HIV/AIDS.

In den Medien ist vielfach von »Enteignung« die Rede. Trifft es das wirklich?
Nein. Zunächst einmal tritt Bayer sein Patent nicht ab, dieses läuft bis 2020 weiter. Natco hat für die nächsten acht Jahre lediglich eine Lizenz erhalten, das Medikament als Generikum zu erzeugen und in Indien zu vertreiben. Dafür erhält Bayer Lizenzgebühren von sechs Prozent der Nettoerlöse. Es handelt sich also um keine Enteignung, sondern um eine nicht-freiwillige Lizenz, für die Bayer finanziell entschädigt wird. Bislang hat nur eine verschwindend geringe Zahl an Bedürftigen Zugang zu dem Medikament – auch und gerade wegen des exorbitanten Preises.

Bayers Originalpräparat kostet 5500 Dollar im Monat. Natco will nur rund 175 Dollar für die Behandlung mit dem Nachahmerprodukt verlangen. Ist das noch ein lohnendes Geschäft?
Auch Natco ist kein Non-Profit-Unternehmen, und natürlich ist auch in diesem Preis eine Gewinnspanne einkalkuliert. Das wirft allerdings die Frage auf, wie es sein kann, daß Bayer für denselben Wirkstoff über 30mal mehr kassieren konnte.

Die Pharmalobby begründet das mit den angeblich immensen Forschungskosten …
Die Forschungskosten in den Budgets der allermeisten Pharmaunternehmen sind bei weitem nicht so hoch, wie gerne behauptet wird. Teilweise wird mehr Geld in die Werbung für ein Medikament gesteckt. Bayer hat bei den Verhandlungen um Nexavar selbst damit argumentiert, 16 Prozent des Gesamtumsatzes in Forschung und Entwicklung zu investieren. Das ist sehr viel weniger, als man die Öffentlichkeit glauben machen will.

Wird Bayer also für übermäßige Profitgier abgestraft?
Laut indischem Patentamt hat es Bayer in der Tat versäumt, das Medikament zu einem erschwinglichen Preis anzubieten. In Indien ist nur ein Prozent der Bevölkerung in der Lage, Nexavar zu bezahlen. Dazu kommt, daß es nicht im ganzen Land, sondern nur in Ballungszentren verfügbar ist. Das Patentamt hat mit seiner Entscheidung deutlich gemacht, daß der Zugang zu innovativen Medikamenten das Recht aller Menschen ist. Es müssen Regelungen gefunden werden, die dieses Recht schützen.

Zeigt der Fall nicht auch, daß das Patentsystem auf den Prüfstand gehört?
In der Tat. Das patentbasierte Anreizsystem funktioniert in vielen Fällen nicht, wenn es um Krankheiten – auch weit verbreitete – in ärmeren Ländern geht. Obwohl der Bedarf sehr hoch ist, wird kaum oder gar nicht geforscht, weil sich die Betroffenen teure Medikamente nicht leisten können. Es ist eine solche Notsituation, auf die sich jetzt auch das indische Patentamt berufen hat. Wo es um den Schutz der öffentlichen Gesundheit geht, muß Profitinteressen Einhalt geboten werden. Im übrigen entspricht das Mittel der Zwangslizenz den Vorgaben des internationalen Handelsrechts, wie es im TRIPS-Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum oder der DOHA-Deklaration zur Entwicklungsfinanzierung steht.

Wie stehen die Chancen, daß der Fall Schule macht?
Wir hoffen jetzt, daß weitere Generikahersteller ermutigt werden, sich um Zwangslizenzen zu bemühen. Gerade in Indien gibt es eine starke Generika-Industrie, vor allem im Bereich HIV/AIDS. Eine Therapie, die vor zehn Jahren noch 10000 Dollar pro Patient und Jahr verschlungen hat, kostet heute noch 61 Dollar. Das Problem ist nur, daß sich das auf Medikamente bezieht, die vor 2005 in Indien produziert wurden. Alle neueren unterliegen inzwischen dem Patentschutz und sind daher viel teurer. Gerade deshalb knüpfen wir so große Hoffnungen an die jüngste Entscheidung. Interview: Ralf Wurzbacher

Ärzte ohne Grenzen begrüßt erste Zwangslizenz für ein Medikament in Indien

Patentbehörde entscheidet in Präzedenzfall gegen Pharmaunternehmen Bayer

Neu Delhi/Berlin, 12.03.2012 -- Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen begrüßt die wegweisende Entscheidung des indischen Patentamts, erstmals einem Generikahersteller eine Zwangslizenz für ein patentiertes Medikament zuzusprechen. Diese Entscheidung beendet faktisch das Monopol des Pharmaunternehmens Bayer auf das Krebsmedikament Sorafenib Tosylate in Indien. Das Patentamt begründete die Entscheidung damit, dass Bayer es versäumt habe, den Preis für das Medikament auf eine für Patienten bezahlbaren Höhe herabzusetzen und es in ausreichender Menge in Indien zur Verfügung zu stellen.

„Wir haben diesen Fall sehr genau beobachtet, weil als Folge des Patentschutzes auch neuere HIV/Aids-Medikamente in Indien für viele Menschen unerschwinglich sind“, sagt Dr. Tido von Schön-Angerer, Leiter der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen. „Diese Entscheidung stellt einen Präzedenzfall dar, der uns Hoffnung macht: Sie zeigt, dass neuere Medikamente, die unter Patentschutz stehen, trotzdem von Generika-Produzenten zu einem Bruchteil des Originalpreises hergestellt werden können, wenn gleichzeitig Lizenzgebühren an den Originalhersteller gezahlt werden. Auf diese Weise wird der Patentinhaber entschädigt, während gleichzeitig sichergestellt ist, dass die Preise durch Konkurrenzdruck insgesamt sinken.“

Die Konkurrenz durch Generikahersteller kann ein deutliches Absinken der Preise bewirken – im Fall von Sorafenib Tosylate sinken die Behandlungskosten voraussichtlich von mehr als 5.500 US-Dollar pro Monat auf ungefähr 175 US-Dollar – um fast 97 Prozent.

„Mit dieser Entscheidung hat das Patentamt in Indien klar gemacht, das Patentmonopole kein Freifahrtschein für überhöhte Preise sind“, sagt Philipp Frisch von der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Berlin. „Die Patienten haben ein Recht auf den Zugang zu innovativen Medikamenten. Er darf nicht durch hohe Monopolpreise eingeschränkt werden. In der heutigen Zeit, in der Pharmafirmen ihre lukrativen Monopole auf Kosten von Patienten in ärmeren Ländern mit allen Mitteln verteidigen, stellt diese Entscheidung einen wichtigen Meilenstein im Interesse der Patienten dar.“

„Nun sollten sich auch weitere Generikahersteller um Zwangslizenzen, beispielsweise auf HIV/Aids-Medikamente bemühen, wenn sie keine angemessenen freiwilligen Lizenzen bekommen können“, erklärt von Schön-Angerer.

Das indische Patentamt hat dem Generikahersteller Natco eine Zwangslizenz zur Produktion von Sorafenib Tosylate für die nächsten acht Jahre zugesprochen – gegen die Zahlung einer Lizenzgebühr in Höhe von sechs Prozent der Verkaufserlöse. Der Beschluss kann unter folgendem Link heruntergeladen werden:
http://www.ipindia.nic.in/ipoNew/compulsory_License_12032012.pdf.

Zwangslizenzen sind im internationalen Handelsrecht verankert. Sie ermöglichen Staaten, bestehende Patente teilweise zu umgehen, um die öffentliche Gesundheit zu schützen – etwa wenn durch zu hohe Preise der Zugang von Patienten zu Medikamenten beeinträchtigt wird. Die Hersteller werden im Gegenzug zur Zahlung einer Lizenzgebühr an den Patentinhaber verpflichtet.

16. März 2012, die tageszeitung

Patentstreit um Krebsmedikament

Bayer verliert in Indien

In Indien ist das Krebsmedikament Nexavar für viele unbezahlbar. Der Pharmakonzern Bayer muss sein Patentrezept jetzt preisgeben. Das Beispiel könnte Schule machen.von Susann Schädlich
Ein Urteil in Indien sorgt innerhalb der internationalen Pharmaindustrie für Aufruhr. Das indische Patentamt hat am Dienstag eine Zwangslizenz für ein Generikum des Krebsmittels Nexavar erteilt, auf das der deutsche Pharmariese Bayer Patent hält. Künftig wird der indischen Hersteller Natco Pharma das Produkt zu einem erschwinglicherem Preis anbieten. Bayer erhält als Entschädigung eine Lizenzgebühr von 6 Prozent des Umsatzes.
Natco hat sich verpflichtet, das Nachahmepräperat für nicht mehr als 187 Dollar monatlich auf dem indischen Markt zu verkaufen. Derzeit kostet das Original von Bayer gegen Leber- und Nierenkrebs etwa 5.500 Dollar. Jährlich macht der Leverkusener Pharmakonzern mit Nexavar einen Umsatz von etwa 725 Millionen Dollar weltweit. Damit gilt das viertwichtigste Medikament des Unternehmens als Kassenschlager.
Etwa 70 Prozent der weltweit eingesetzten Generika stammen aus Indien. Allein 80 Prozent der Nachahmerpräparate zur Behandlung von HIV und Aids werden dort hergestellt. Auf Grundlage dieses Urteils könnten nun auch neuere Aids- und HIV-Medikamente für ärmere Patienten erschwinglich werden. Indien gilt als eines der Länder jenseits des südlichen Afrikas mit der am stärksten wachsenden Aidsrate. 6 Millionen Infizierte und Erkrankte können sich aufgrund fehlender Medikamente nicht richtig behandeln lassen.
„Diese Entscheidung hat gezeigt, dass Patentmonopole kein Freifahrtsschein für überhöhte Preise sind“, erklärte Philipp Frisch von Ärzte ohne Grenzen. Bayer habe nicht nur versäumt, das Medikament zu einen angemessenen Preis sondern auch in ausreichender Menge auch in ländlichen Gegenden bereitzustellen. „Wir hoffen nun, dass das Urteil zum Präzedenzfall wird, damit sich auch weitere Generikahersteller um Zwangslizenzen bemühen“, so Frisch weiter.

Blankoscheck für Zwangslizenzen
Der deutsche Pharmaverband ((VFA) kritisiert indes die Entscheidung des indischen Patentamtes. “Das indische Patentrecht bietet faktisch keinen Schutz für ausländische Medikamentenhersteller mehr“, sagte Rolf Hömke, Wissenschaftsexperte der VFA. Laut der Formulierungen könne für Präparate aus dem Ausland eine Zwangslizenz auferlegt werden, sofern sich ein Teil der Gesellschaft das Medikament nicht leisten könne. Dies sei letztendlich der Blankoscheck, Zwangslizenzen auf jede beliebige Arznei zu erteilen.
Zusätzlich sei das indische Gesundheitssystem nicht in der Lage, alle Bevölkerungsschichten zu erreichen. „Es gibt in Indien Generika nahezu aller HIV-Medikamente zu kaufen, aber nur 26 Prozent der Betroffenen werden tatsächlich behandelt“, so Hömke. Schuld daran sei die schlechte medizinische Infrastruktur.

Verhandlungen mit Indien
„Dass die medizinische Versorgung in Indien nicht derart ausgereift ist wie die Deutsche, ist doch kein Argument dafür, Krebsmedikamente zu überhöhten Preisen anzubieten,“ konterte Ärzte-ohne-Grenzen-Sprecher Frisch. Auch rechtlich sei die Lage eindeutig: Das Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des Geistigen Eigentums (TRIPS) der Welthandelsorganisation regele eindeutig, dass Länder in bestimmten Notlagen Zwangslizenzen erteilen dürften.
Derzeit verhandelt die EU mit Indien über ein Freihandelsabkommen, dass die Position der Generikahersteller immens schwächen könnte. Ausländische Unternehmen dürften dann die indische Regierung vor Schiedsgerichten verklagen, wenn profitmindernde politische Entscheidungen getroffen werden - auch wenn sie dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienen. Bis zum Herbst dieses Jahres soll das Abkommen unter Dach und Fach sein.
Bayer will nun Beschwerde gegen das Nexavar-Urteil einlegen. „Wir werden unser Patent mit allen Mitteln verteidigen“; erklärte Sabina Cosimano, Sprecherin von Bayer Health-Care. Warum der Konzern keine freiwillige Lizenz für Nexavar vergeben und damit selbst für eine günstigere Variante auf den indischen Markt sorgen wollte, erläuterte Cosimano nicht. Sie verwies auf ein Patientenzugangsprogramm in Indien, bei dem ausgewählte Patienten das Bayerpräperat günstiger angeboten bekämen. „Wenn diese Patienten die Kosten der Behandlung selbst tragen, erhalten sie Nexavar für zehn Folgemonate kostenfrei“, teilte die Sprecherin mit. Die Frage wieviele Teilnehmer das Programm in Indien einschließt, konnte Cosimano jedoch nicht beantworten.

[Duogynon] Hauptversammlung 2016

CBG Redaktion

Rede Bayer Hauptversammlung 2016
Andre Sommer zu Duogynon

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Andre Sommer und ich spreche zum Thema Duogynon, ein ehemaliger hormoneller Schwangerschaftstest von Schering. Wahrscheinlich kam es dadurch zu zahlreichen Abgängen in der Frühschwangerschaft, viele Kinder starben kurz nach der Geburt oder leben bis heute mit schweren Missbildungen.

Die Inhalte meiner Rede basieren auf internen Unterlagen von Schering. Diese Unterlagen müssen Bayer bekannt sein.

Schon Ende der 60er Jahre bemerkte Schering in Tierversuchen, dass dieses Medikament gefährlich war. So meldeten die eigenen Wissenschaftler ernsthafte Auffälligkeiten bei Tierversuchen. Was sagen Sie zu diesen Ergebnissen? Das muss Sie doch erschrecken.

Ein anerkannter Experte beriet Schering. Er sagte, dass man schon Ende der 60er Jahre Studien an Affen hätte machen sollen, da man da schon die embryonalen Effekte an Kaninchen und Ratten kannte. Es gäbe keinen Zweifel, dass Schering schuldig sei und zu wenig getan hätte, insbesondere nach dem Verdacht des teratogenen Potentials. Die einzige Chance in einem Prozess sei die Kausalitätsfrage, also ob Schering genug Zweifel säen könne! Dies verfolgt Bayer bis heute bzw. heutzutage verlässt sich Bayer auf die Verjährung und gewinnt so leider die Prozesse.

Scherings Strategie war es damals, dass man das Medikament in den verschiedenen Ländern nur vom Markt nahm, wenn die Gesundheitsbehörden in den Ländern Druck machten. So verkaufte Schering das Produkt noch mehr als zehn Jahre nach den beängstigenden Ergebnissen der eigenen Tierversuche weiter.

Auch die deutschen Behörden schauten lange nur zu. Sie wussten, dass die Umsatzzahlen über die Jahre hinweg fast gleich hoch blieben, auch nach Streichung der oralen Version als Schwangerschaftstest. Die Mitarbeiter des BGA bezeichneten sich selbst als Advokaten von Schering.

In einem offiziellen Schreiben des Ministeriums wird über die ursprüngliche dritte Indikation von Duogynon gesprochen. Dies sei die Unterbrechung einer frühen Schwangerschaft, also praktisch ein Abortmittel. Wussten Sie von dieser Indikation?

Ein Mitarbeiter der englischen Gesundheitsbehörde traf sich auf den Bermudas mit Schering. Er entschuldigte sich bei Schering für seine letzte Studie, denn da stellte er einen Zusammenhang mit Missbildungen und der Medikamenteneinnahme fest. Er wolle nun die Gesundheitsbehörde verlassen, da er nun Hunderte von Anfragen zu der Studie und dem Thema hat. Er habe sein gesamtes Material, auf dem seine Untersuchung basierte, vernichtet bzw. unkenntlich gemacht, womit es unmöglich sei, die in die Untersuchung aufgenommen Fälle zurückzuverfolgen. Dies habe er anscheinend gemacht um zu verhindern, dass individuelle Ansprüche mit diesem Material gestützt werden könnten. So stellt man sich unabhängige Behörden vor.

Bayer spricht immer von unabhängigen Wissenschaftlern die keinen Zusammenhang zwischen Duogynon und Missbildungen feststellen konnten. Einer dieser unabhängigen Wissenschaftler sandte seine Studie vor Veröffentlichung bei Schering ein und fragte bei Schering nach Änderungswünschen:
- „Haben Sie wichtige Vorschläge für Textänderungen?“
- „Falls größere, gravierendere Passagen geändert werden müssten, könnte ich evtl. auch das Manuskript vom Verlag zurückerbitten bevor es in Druck geht.“

Dieser Report wurde an fast alle anfragenden Ärzte usw. versandt. Man sandte diesen Bericht, obwohl man wusste wie er zustande kam, auch an das Bundesgesundheitsamt. Sieht so für den Bayerkonzern unabhängige Wissenschaft aus? Ist das die gängige Art?

Es gab zahlreiche Anfragen von Ärzten bzw. Betroffenen an Schering. Viele bekamen diesen Report als Antwort zugesandt. Es war dem Konzern klar, dass es sich nicht um Einzelfälle handeln konnte, denn es waren zu viele Anfragen. Warum hat Schering so lange nichts gemacht? Löste die Vielzahl von Anfragen keinen Alarm aus? Wie konnte man tatenlos zusehen?

Einem anderen Wissenschaftler bietet man ganz offen an, seine Forschungen zu finanzieren, falls das Ministerium dies nicht mehr tun würde. Auch er schrieb Berichte für Schering. Dazu passt, dass sich vor einigen Jahren ein Mann bei uns gemeldet hatte. Er gab sich als ehemaliger Schering Mitarbeiter aus. Er behauptete damals persönlich im Namen von Schering Mediziner bestochen zu haben. Diese Mediziner hätten dann Tierversuche „geschönigt“ und damals so um die 50.000 DM erhalten. Er würde nur nicht öffentlich aussagen, weil er um seine Betriebsrente fürchtet. Stimmt es, dass Sie den Mann in Berlin nach Berlin nun zitiert haben? Stimmt es, dass Sie wissen wollten ob er in England vorgeladen wird? Ich hoffe er wird vorgeladen.

Auch heute ist der Bayerkonzern ganz eng mit Wissenschaftlern “verbunden”. Die BfARM Studie über Duogynon wurde von einem Forschungsleiter mitverfasst, der zeitgleich Zuwendungen von BayerScheringHealthcare bekam. Das bedarf keiner weiteren Erläuterung.

Schering England warnte damals die Zentrale in Berlin jahrelang, aber nichts geschah. Die englischen Behörden berichteten Schering von neuen Erkenntnissen. Sie sprachen von einem Missbildungsrisiko von 5:1 nach der Einnahme von hormonellen Schwangerschaftstests. Das löste in England Entsetzen aus.

Vorsichtshalber ließ Schering auch zahlreiche englische Abgeordnete “beurteilen”. Ein Urteil über einen Abgeordneten, der heute noch im engl. Parlament sitzt, lautete:
“ein führender linker Flügelspieler, unnachgiebig, sehr klug, ein gewaltiger Gegner vollkommen unbestechlich…“
Unbestechlich…. Warum dieser Vermerk? Waren die anderen Abgeordneten alle bestechlich? Wollte Schering bestechen?

Die englischen Scheringanwälte damals waren nicht so begeistert von der Sachlage. Sie sagten: „Sollten die internen Dokumente jemals in die Hände von Klägern geraten, wäre dies pures Dynamit“. Die Anwälte waren sich damals schon sicher: „Wir müssen akzeptieren, dass wir fahrlässig gehandelt haben...“
Es wurde z.B. intern auch ernsthaft diskutiert eine 500 Pfund Entschädigung an ein behindertes Opfer in England zu zahlen. Alleine der Tagungsraum damals kostete 300 Pfund pro Tag. Kann man ein solches Verhalten glauben?

Schauen Sie sich die Dokumente im Landesarchiv in Berlin an. Dort lagern mehr als 7.000 Seiten interner Papiere. Alle Journalisten können das Archiv betreten. Bilden Sie sich ihr eigenes Urteil.

Die Scheringleitung wollte im Falle eines Strafverfahrens genauso gut organisiert sein, wie das bei Chemie Grünenthal (dem Conterganhersteller) der Fall war.... Deswegen lautete eine Anweisung: „...von sofort an werden alle Berichte, Notizen und mündlichen Äußerungen zum Fall Duogynon daraufhin zu überprüfen sein, ob sie.... so abgefasst sind, dass sie nicht zu für uns nachteiligen Missdeutungen im Falle eines Strafverfahrens führen können...“
Dazu passt es, dass Schering sich mit Grünenthalvertretern bzw. Grünenthalanwälten traf. Die Angst ging um. Die Angst vor einem zweiten Fall Contergan. Im Vorstand wurde auch der Conterganeinstellungsbeschluss diskutiert. Vereinfacht dargestellt ging es den Herren darum wann Schering hätte handeln müssen? Wann ist die Grenze einer verantwortungsbewussten Handlungsweise erreicht? Reichen da alarmierende Tierversuche im eigenen Haus nicht längst aus? Halten Sie die Grenze nicht für überschritten?

Schering wusste auch längst über die Problematik der Aborte, also des Schwangerschaftsabbruches mit diesem Medikament Bescheid. Dazu hieß es damals nur, dass dies kein neuer Tatbestand sei. Es war also völlig klar. Ein Medikament, dass eine Schwangerschaft beenden kann, wird als Schwangerschaftstest eingesetzt. Unglaublich? Nicht für Schering.

Bis heute ist es mir ein Rätsel, dass das damalige Ermittlungsverfahren eingestellt wurde. Die Taten der Vergangenheit werden Sie nun aber einholen. In England findet der Untersuchungsausschuss statt und dort kommt alles auf den Tisch. Es wird nun auch wieder das Parlament eingeschaltet. Sie werden sich auf viel negative Presse einstellen müssen und zwar schon sehr bald.

Der Name Duogynon wird vielleicht für immer als der „vergessene Fall Contergan“ in Erinnerung bleiben und Bayer bleibt in Erinnerung als der Hersteller, der sich niemals dafür verantwortlich zeigte. Zahlen Sie den Opfern, die Hilfe im täglichen Leben benötigen, unverzüglich eine Entschädigung und entschuldigen Sie sich für die Fehler von Schering. Wann stellen Sie sich endlich Gesprächen und zeigen Charakter?

Ihr Verhalten ist eine Schande für die deutsche Industrie.
Wir fordern den Vorstand und den Aufsichtsrat auf nun endlich auf die Betroffenen zuzugehen und für einen Abschluss des Falles zu sorgen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit
Andre Sommer

[Argentinien] Gestohlene Kinder

CBG Redaktion

Babys gefolterter Frauen während der Militärdiktatur in Argentinien geraubt / deutsche Konzerne beteiligt / Ermittlungen laufen

23. Dez 2010 -- Das düsterste Kapitel der argentinischen Militärdiktatur (1976-83) ist der Babyraub von Regimegegnern, an dem nicht nur die Generäle sondern auch Großindustrielle beteiligt waren. Dies ist Gegenstand von Untersuchungen der argentinischen Justiz. Neben der Firma Daimler AG soll auch die Bayer AG verwickelt sein. Gegen ihre Manager wird ermittelt.

Insgesamt 500 Babys sollen in den Folterzentren der Militärs geboren worden sein. Ihre Mütter waren schwanger, als sie verhaftet wurden. Anfangs nahmen die Soldaten keine Rücksicht auf ihren Zustand und folterten trotzdem. So sollen acht Föten noch im Mutterleib getötet worden sein, bis am Ende auch die Mutter dem „DF“, destino final, zum Opfer fiel, das heißt, ermordet wurde. Nicht am Mord der gefangenen Frauen nahmen die Priester Anstoß, die in den Folterzentren wie in der Armeekaserne Campo de Mayo ein und aus gingen und versuchten, die „Subversiven“ zu Geständnissen zu bewegen. Sie störten sich nur am Tod des ungeborenen Lebens. Das war nach ihrer christlichen Auffassung „unschuldig“. Sie setzten durch, daß bei den verschleppten Frauen die Geburt künstlich eingeleitet und erst nach der Niederkunft die Mutter gefoltert werden durfte.

Von den 500 Babys, heute erwachsene Männer und Frauen, konnte bisher in hundert Fällen die wahre Identität ermittelt werden. Meist haben sie sich von sich aus an die staatliche Kommission CONADI gewandt, um im Hospital Durán, das die Genbank beherbergt, einen Gentest durchführen zu lassen. In anderen Fällen hatten die „Großmütter von der Plaza de Mayo“ zum Teil jahrelang nach ihren Enkelkindern geforscht – so etwa Elsa Pavón, eine der Gründerinnen. Sie fand ihr Enkelkind Paula in den Händen des ehemaligen Kommissars Ruben Lavallén, den Mercedes Benz Argentina (MBA) zu seinem Sicherheitschef auserkoren hatte. Diesen Fall klärte die Justiz Anfang der achtziger Jahre auf. Ein Gentest bewies, daß Lavallén nicht der leibliche Vater Paulas ist, wie es die Geburtsurkunde auswies. Er saß dafür zwei Jahre im Gefängnis. Die Verfahren bezüglich der drei ebenfalls als leibliche Kinder eingetragenen Jungen in der Familie des langjährigen Produktionschef von MBA, Juan Ronaldo Tasselkraut, treten auf der Stelle, die Richter wagen es nicht, einen Gentest anzuordnen. Und der 5. Fall des Mercedes-Verkaufschefs B. ist ebenfalls nicht aufgeklärt. Die unter fragwürdigen Bedingungen adoptierte junge Frau hatte freiwillig einem Gentest unterworfen. Das Ergebnis war negativ. Allerdings liegen in der Genbank Durán nur noch knapp 100 Proben – während noch 400 einst geraubte Kinder gesucht werden.

Es gab Listen, in die sich Adoptionswillige eintragen konnten, haben die „Großmütter von der Plaza de Mayo“ herausgefunden. Offensichtlich war diese „Ware“ besonders im Kreise der Großindustrie begehrt. Die Verteilung oblag in vielen Fällen der katholischen „Movimiento Familiar Cristiano“ (MFC). Deren Adoptionslisten sind inzwischen beschlagnahmt worden.

In Campo de Mayo war eine parallele Wöchnerinnenstation eingerichtet worden, in der die Gefangenen untergebracht wurden. Die in Campo de Mayo Geborenen wurden über MFC verteilt, haben Zeugen bekundet. „Die Schwangeren waren nackt, mit einer schwarzen Augenbinde“, so eine Krankenschwester, die dort Dienst hatte, „der Pfarrer kam sehr oft, um mit ihnen und den Ärzten zu sprechen“. Wie die Ermittlungen ergeben haben, waren die Verhältnisse prekär, es fehlte an Geräten und Medikamenten. Die Brutkästen hatte laut der vereidigten Aussage des MBA-Justiziars der Autobauer „gespendet“. Hat auch die Firma Bayer gespendet? Sie sagt auf Anfrage, daß sie „keine Spenden geleistet habe, soweit es nach rund 30 Jahren nachvollzogen werden kann“.

Fakt ist, daß im Juni 1976, also nur wenige Wochen nach dem Militärputsch, bei MFC ein Antrag von Lambert Courth und seiner britischen Ehefrau Susan eingeht. Das Ehepaar ist zu diesem Zeitpunkt vier Jahre verheiratet und kinderlos. Ein Attest über Sterilität liegt bei. Da taucht plötzlich ein Baby auf, so als wäre es vom Himmel gefallen. Laut der MFC-Akten erscheint am 28. Oktober 1976 eine Frau, die angibt, Großmutter eines Babys zu sein, das sie mit sich führt. Das Neugeborene sei ein Frühchen, sieben Monate alt und gerade zwei Kilogramm schwer. Ihre Tochter könne das Baby nicht behalten und wolle es zur Adoption freigeben, so die Frau, die sich weigerte, ihre Personalien anzugeben. Die MFC-Leiterin, Delfina Linck, gab dem Findelkind den Namen „Tomas“ und leitete das Adoptionsverfahren ein.

Wie „Tomas“ in den Besitz der Familie Courth gelangt ist, ist der Akte nicht zu entnehmen. Vielleicht hat Delfina Lincks Ehemann Jorge Luis Linck nachgeholfen, der als Rechtsanwalt die Interessen von Lambert Courth vertrat. Ungewöhnlich ist nicht nur das anonyme Auftauchen des Babys – die Kinder von Mittellosen werden fast ausnahmslos in öffentlichen Hospitälern zur Welt gebracht und erhalten dort in den Fällen, daß sie sofort zur Adoption freigegeben werden, einen provisorischen Namen und eine Personennummer. Noch verdächtiger ist, daß vier Monate später der Familienrichter zwei Ärzte den Jungen untersuchen läßt, einen Kardiologen und einen Allgemeinmediziner. Ist Tomas krank? Hat er vielleicht Schäden als Ungeborener erlitten, im Leib seiner Mutter? Auf jeden Fall wird das Kind der Familie Courth übergeben. Daß die Adoption nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, belegt in den Augen der argentinischen Ermittler der Umstand, daß die Adoptiveltern keine unbefrististete Aufenthaltsgenehmigung hatten, wie die vorgelegte Bescheinigung der Firma Bayer ausdrücklich auswies. Das aber war schon damals Voraussetzung für Adoptionen, um internationalen Kinderhandel zu unterbinden. Worin die „Ausnahme“, so ein Vermerk des Jugendamtes vom 16. Februar 1977, bestanden hat, steht ebenfalls in den Sternen.

Im Juni 77 will sich die Sozialarbeiterin des Familiengerichtes davon überzeugen, daß es dem kleinen Tomas, bis dahin noch in Pflege, in seiner neuen Umgebung gut geht. Aber sie klingelt vergeblich an der Haustür der Courths, und Nachbarn verraten ihr, daß die Familie nach Deutschland zurückgegangen sei. Wie sie ohne gültige Adoptionspapiere mit dem Baby das Land verlassen konnte, ist unklar. Und spätestens ins diesem Moment hätte das Adoptionsverfahren negativ beschieden werden müssen. Trotzdem urteilt im Dezember 77 ein Richter positiv über die Adoption von Tomas durch die Courths, wie ein Schreiben ihres Rechtsanwalts Linck bestätigt.

Tomas wächst in England auf. Sein Adoptivvater Lambert Courth war jahrelang in führender Stellung bei Bayer tätig, zuletzt als „Integrationsbeauftragter“. Inzwischen befindet er sich im Ruhestand. Die Firma Bayer verweigert genaue Angaben zu ihrem Manager. Die Adoption gehöre zum „Privatleben der Mitarbeiter“ – und dazu äußere man sich „prinzipiell“ nicht. Mit dem „Movimiento Familiar Cristiano“ und Rechtsanwalt Linck will das Unternehmen während der Diktatur keine Geschäftsbeziehungen unterhalten haben, behauptet es. Aber mein Antrag auf Zugang zum Firmenarchiv wurde nicht beantwortet.

Auch Lambert Courth verweigert die Aussage. „Es war eine legale Adoption“, meinte er kurz angebunden. Daß gegen ihn ermittelt wird, scheint ihn nicht weiter zu kümmern. Er darf sich auf die Unterstützung der deutschen Bundesregierung verlassen – so wie schon der Mercedes-Manager Tasselkraut, bei dem die Berliner Justiz wegen angeblicher Verjährung die Eröffnung eines Verfahrens abgelehnt hatte. Daß der ilegale und systematische Kinderraub nach internationaler Rechtsprechung als „Verbrechen gegen die Menschheit“ gilt, das nicht verjährt, hat die Staatsanwaltschaft nicht gestört.

Als die argentinischen Richter die Deutsche Botschaft um Mithilfe bei der Suche nach Lambert Courth baten, erhielten sie im Juni 2009 die Antwort: „Die Botschaft hat sich mit der Bayer AG in Verbindung gesetzt, konnte aber den Aufenthaltsort der gesuchten Personen nicht ausfindig machen. Die Bundesrepublik verfügt über kein zentrales Melderegister, und die deutschen Datenschutzgesetze sind sehr streng und sehen keinen Rechtsanspruch über das Erlangen eines Wohnortes vor. Felix Schwarz. Konsul.“ von Gaby Weber/Buenos Aires

Interview mit Gaby Weber

Du hast den Fall Daimler recherchiert. Wie bist du auf Bayer gekommen?

Gw: In der argentinischen Gesellschaft war das Thema des Kinderraubes durch die Militärs schon immer ein besonders sensibler Punkt. Es war sogar von den Amnestiegesetzen ausgenommen, die viele Jahre lang die Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzungen ausschlossen. Wegen des Kindesraubs saßen General Videla und Konsorten im Gefängnis. Es wurde also immer ermittelt, allerdings auf indivivuellen Antrag, das heißt, ein direkt Betroffener mußte eine Anzeige erstatten. Das hat sich geändert, und in dem Mega-Verfahren „systematischer Babyraub“ wird eine Art Rasterfahnung durchgeführt. So wurden die kompletten Adoptionsakten des Movimiento Familiar Cristiano beschlagnahmt und ausgewertet.

Was fiel den Richtern beim Adoptionsfall Courth auf?

Gw: Ich habe selbst die Akten durchgesehen und bin auf mehrere Fälle gestoßen, wo Manager deutscher Großfirmen mit Nazi-Hintergrund unter verdächtigen Umständen Kinder erhielten. Die Deutsche Botschaft hat leider ihre Mithilfe verweigert. Deshalb habe ich in Deutschland und England recherchiert - was den argentinischen Behörden untersagt ist. Jetzt haben sie aufgrund meiner Recherchen ein Amtshilfeverfahren eingeleitet. Ziel ist es, die Umstände der Adoption aufzuklären und die Schuldigen zu bestrafen. Es wäre natürlich sinnvoll, wenn sich Thomas einem Gentest unterzieht. Der Abgleich mit den Proben im Hospital Durán muß richterlich angeordnet werden.

Nun kann man sich auch fragen, ob man Thomas damit einen Gefallen tut.

Gw: Thomas ist mit Sicherheit ein Opfer. Möglicherweise hat er Schlimmes erlebt und ist krank, nicht nur an seiner Seele sondern auch am Leib. Bis heute wird ihm seine Identität vorenthalten. Natürlich hat er ein Recht, sich auszusuchen, mit wem er lebt und Beziehungen unterhält. Aber es gibt auch das Recht der biologischen Familie zu wissen, was passiert ist. Vielleicht sucht ja jemand nach Thomas. Meine Recherchen haben mich zu einem konkreten Fall einer Frau geführt, die damals in Tucumán hochschwanger verhaftet wurde, und Indizien weisen darauf hin, daß es sich bei Thomas um ihr Kind handeln könnte. Die Frau ist tot, aber ihr bereits geborener Sohn sucht bis heute nach seinem kleinen Bruder. Er ist Nebenkläger im Verfahren gegen Lambert Courth. Und es gibt das Recht der Gesellschaft auf Wahrheit. So setzt sich in der internationalen Rechtsprechung dieses „Recht auf Wahrheit“ bei den sog. Verbrechen gegen die Menschheit immer mehr durch. Die Richter akzeptieren zum Beispiel meine Beweisanträge, obwohl ich gar nicht direkt betroffen bin, weil ich nicht nach einem eigenen Familienmitglied suche.

War diese Adoption – selbst wenn Bestechungsgelder geflossen sind und Seilschaften im Spiel waren – aber nicht im Sinne des Kindeswohls?

Gw: Das ist immer das Argument der internationalen Kinderhändler. Aber erstens hätte man die Babys an die Großeltern oder Tanten übergeben könne. Zweitens gibt es auch in argentinischen Jugendämtern lange Listen von Adoptionswilligen aus der Mittelschicht, die gut für ein Waisenkind sorgen können. Da sind keine Ausländer mit Scheckheft gefragt. Und drittens geht es hier wahrscheinlich um den Fall eines Kindes von linken Regimegegnern. Erst läßt man die Eltern als „Terroristen“ foltern und ermorden, und dann eignet man sich deren Leibesfrucht an, um ihr den eigenen ideologischen Stempel aufzudrücken. Das Baby kann sich nicht wehren. Das ist ein pures Machtspiel.

Aber die Adoptiveltern haben doch in den über 30 Jahren den Jungen liebgewonnen?

Gw: Wahrscheinlich. Aber die Liebe geht wohl nicht soweit, daß sie ihm bei der Wiederherstellung seiner eigenen Identität helfen. Daß Babys gestohlen worden sind, ist der Weltöffentlichkeit spätestens seit 1983, dem Ende der Diktatur, bekannt. Es hat Fälle gegeben, wo Adoptiveltern von sich aus Kontakt mit den Großmüttern vom Maiplatz Kontakt aufgenommen und sich von sich aus einem Gentest unterwerfen wollten. In den Fällen, in denen sich der Verdacht bestätigt hat, hat das Verhältnis zu den Adoptiveltern nicht gelitten. So kann man Probleme lösen, wenn man auch anderen Menschen Rechte einräumt. Aber Lambert Courth hat auf meine Anfrage sehr aggressiv reagiert, unter dem Motto: was mir einfallen würde, mich in sein Leben einzumischen. Von Zweifeln oder Fürsorge habe ich nichts gemerkt. Aber wahrscheinlich versucht er ganz einfach, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Gegen ihn wird ermittelt.

Wie geht es jetzt weiter?

Gw: Der Antrag auf internationale Amtshilfe geht jetzt raus. Das dauert eine Weile. Was mich wundert ist die zynische Haltung sowohl der Deutschen Botschaft in Buenos Aires als auch der Bayer AG. Sie scheinen sich im Recht zu fühlen und merken nicht, wie sehr dieses Thema nach so vielen Jahren der argentinischen Gesellschaft immer noch unter die Haut geht.

Klage Südafrika

CBG Redaktion

5. März 2001

Wegen Patent-Klage des Konzerns gegen Südafrika:

USA: Demonstranten blockieren BAYER-Werk

Aids-Aktivisten blockieren heute ein Werk des Pharmakonzerns BAYER im kalifornischen Berkeley. Zu der Demonstration ruft die Selbsthilfe- Gruppe Act Up auf. Das Leverkusener Unternehmen beteiligt sich an einer Klage gegen Südafrika, mit der verhindert werden soll, dass das afrikanische Land in Eigenregie preisgünstige Aids-Medikamente herstellt oder importiert. Die Demonstranten werfen dem Konzern „medizinische Apartheid“ vor und fordern die Freigabe preisgünstiger Behandlungsmethoden.

Der Prozess im südafrikanischen Pretoria beginnt heute, insgesamt beteiligen sich daran 42 Pharmaunternehmen. Steven Lewis, ehemaliger kanadischer Botschafter bei den Vereinten Nationen, bezeichnet das Vorgehen der Konzerne als „Massenmord“.

Maudelle Shirek, stellvertretender Bürgermeister von Berkeley, unterstützt die Blockade: „Das indische Pharma-Unternehmen Cipla bietet eine moderne Aids-Behandlung für 350 Dollar jährlich an. Westliche Konzerne verlangen für die selben Medikamente 11.000 Dollar - den obszönen Profit zu Lasten der Kranken kann jeder selbst ausrechnen.“ Shirek nimmt an der Sitzblockade vor dem Bayer-Werk persönlich teil. „Das Verhalten von BAYER ist verabscheuenswert. Wir fordern ein sofortiges Ende des Prozesses.“

1997 hatte Nelson Mandela den Medicines Control Act unterzeichnet, der es Südafrika erlaubt, in medizinischen Notfällen preisgünstige Generika herzustellen, ohne Patentgebühren abzuführen. Obwohl diese Praxis auch in Europa und den USA bis in die 70er-Jahre üblich war, um eine medizinische Versorgung der Bevölkerung sicher zu stellen, legten die Unternehmen sofort Klage ein.

Gegenwärtig können sich wegen der hohen Kosten nur 0,2% der über 4 Millionen Aids-Infizierten in Südafrika eine umfassende Behandlung leisten. 400.000 Südafrikaner starben allein in den vergangenen vier Jahren an der Krankheit.

Proteste finden heute auch in Hamburg gegen die Firma Boehringer statt.

[Strack] Rede Guido Strack

CBG Redaktion

Köln, 14. Mai 2009
Whistleblowing bei Bayer

Ein Bericht von der Hauptversammlung der Bayer AG
am 12.5.2009 in den Messehallen Düsseldorf

1. Rede des Vorsitzenden des Whistleblower-Netzwerk e.V., Guido Strack

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Guido Strack. Ich bin Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins Whistleblower-Netzwerk e.V. aus Köln der sich für Whistleblower, also für Menschen einsetzt, die auf Miss-stände in ihren Unternehmen hinweisen, damit diese frühzeitig abgestellt werden können. Lei-der ernten Whislteblowe heut zu tage statt Lob und Anerkennung in vielen Betrieben immer noch Mobbing und ihnen droht der Jobverlust

Bevor ich dem Vorstand ein paar Fragen zum Thema Whistleblowing stelle, möchte ich mich zunächst mit einigen Fragen an Sie liebe Mit-Aktionärinnen und Mit-Aktionäre wen-den:

Glauben Sie eigentlich, dass sich unsere Firma an Recht und Gesetz hält, überall, in in Deutschland in Europa und in der Welt?

Glauben Sie, dass der Vorstand uns darüber aufklären würde wenn dies – und sei es auch nur irgendwo in einer Ecke des großen Bayer-Imperiums - nicht der Fall wäre?

Glauben Sie dass der Aufsichtsrat dies auch dann feststellen würde, wenn der Vorstand ihm derartige Informationen vorenthalten würde?

Und, glauben Sie, dass uns hier und heute reiner Wein auch dann eingeschenkt wird, wenn die wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen die Herren auf dem Podium erheblich belasten würde – sei es einzelne, sei es mehrere?

Nur zu gerne würde ich alle diese Fragen aus vollem Herzen bejahen und mit der Vorlage von Informationsmaterial aller Art, inklusive schöner Worte in der Corporate Compliance Policy tut der Vorstand einiges dafür insoweit Vertrauen zu schaffen.

Aber was würde wohl geschehen, wenn hier und heute im Backoffice ein Mitarbeiter aufbegehrt und gegenüber seinen Vorgesetzten feststellt, dass eine Antwort auf eine der bereits gestellten Fragen geschönt oder gar bewusst falsch abgegeben werden soll oder wurde. An wen könnte er sich dann wenden? Ließe man es zu, dass er hier ans Rednerpult tritt und uns alle über sei-ne Sicht der Dinge informiert? Ich jeden falls würde mir dies wünschen.

Ich sprach eben von Vertrauen, aber ist dieses Vertrauen wirklich angebracht angesichts der diesbezüglichen Bilanz von Bayer?

Ist nicht vielmehr davon auszugehen, dass sich jener Mitarbeiter im Backoffice wenn er tatsäch-lich den Versuch unternehmen würde um uns als Eigentümer darüber zu informieren was im Unternehmen wirklich passiert sich schon morgen nach einem neuen Job umsehen müsste? Davon, dass diese unausgesprochene Wahrheit allen Mitarbeitern bekannt ist und dass die meisten genau deshalb schweigen.

Bayer hat eine lange unrühmliche Tradition im Hinblick auf Gesetzesverstöße, Missstän-de und die Gefährdung von Kundeninteressen und über einen schlechten Umgang mit Whistleblowern.

Mit Alfredo Pequito tritt hier heute ein solcher Whistleblower auf und berichtet uns allen über einen Teil jener Wirklichkeiten die uns der Vorstand auch diesmal wahrscheinlich wieder ver-schweigen wird. Wirklichkeiten von denen wir nur dank Whistleblowern und auch dank ihrer Unterstützung durch die Coordination gegen Bayer Gefahren überhaupt wissen.

Erinnern möchte ich hier auch an den Bayer Mitarbeiter George Couto. Er deckte auf, dass Bayer die US-Regierung betrog indem der staatlichen Gesundheitsversorgung zustehende Ra-batte nicht gewährt wurden. 2003 musste Bayer schließlich aufgrund eines in den USA und in Deutschland leider nicht bestehenden Whistleblowerschutz-Gesetzes des false claims acts 255,6 Millionen Dollar, die bis dahin höchste je verhängte Strafsumme einem Betrugsverfahren zahlen.

Dabei hätte BAYER damals eigentlich schon gewarnt sein können, denn bereits zwei Jahre zuvor zahlte man 14,1 Millionen Dollar in einem anderen Betrugsfall zu Lasten der US-Gesundheitsvorsorge, der ebenfalls durch einen Whistleblower ans Tageslicht gekommen war.

Ich möchte gerne herausfinden was der Vorstand aus diesen und anderen Fällen gelernt hat und was in unserem Unternehmen heute anders laufen würde, wie heute sichergestellt ist, dass Whistleblower heutzutage frühzeitig auf Missstände, Gefahren und Risiken auch für unsere Ak-tionärsinteressen hinweisen und wie mit diesen Hinweisen umgegangen wird.

Vor diesem Hintergrund habe ich folgende Fragen, sowohl zu einzelnen Fällen, die durch die Medien gegangen sind, als auch genereller Art:

Ist der Whistleblower bekannt der auf die von Bayer zunächst nicht veröffentlichten Daten zur Gefährlichkeit von Trasylol hinwies? Was ist mit ihm geschehen bzw. was würde geschehen wenn sein Name bekannt würde?

Unterhält Bayer noch vertragliche Beziehungen zu Alexander Walker einem Professor in Har-vard der an der Trasylol-Studie beteiligt war oder ist dieser mittlerweile eine „persona non grata“ in unserem Konzern?

Wie ging Bayer mit der ehemaligen Marketing-Expertin Susan Blankett um, die zunächst intern immer wieder erfolglos versuchte auf die Gefahren von LIPOBAY hinzuweisen bis sie schließ-lich einen Prozess gegen unser Unternehmen anstrengte? Wie ist diesbezüglich der aktuelle Sachstand? Welche Maßnahmen wurden ergriffen um zu verhindern, dass derartiges wieder passieren kann?

Der Herr von Greenpeace hat eben über das Image unseres Unternehmens gesprochen. Am 19.4.2009, also vor weniger als einem Monat, fand sich in einem der best besuchtesten deut-schen Politik-Blogs unter der Überschrift „“Bayer Mord wegen des Profits!“ ein Link zum Film „Tödlicher Ausverkauf“ von Egmond R. Koch, in welchem behauptet wurde, dass die US-Tochter Cutter auch dann noch ungereinigte Blutkonserven an Bluter in Asien und in Entwick-lungsländern aus Lagerbeständen abverkaufte als ihr die damit verbundenen Gefahren bereits bekannt waren. Trifft dies zu?
Wieviele Menschen sind hierdurch mit AIDS infiziert worden bzw. zu Tode gekommen? Sind diesbezüglich noch Rechtsstreite anhängig? Um welche Beträge geht es dabei? Was wurde aus dem chinesischen Hongkong Vertriebsmann von Cutter, einem Herrn Raymond Ho der sich als Whistleblower frühzeitig intern über diese Vertriebspraxis beschwerte? Ist er noch bei Cutter bzw. Bayer beschäftigt und wenn nein, warum nicht mehr? Gab es in diesem Fall andere Whistleblower und was geschah mit Ihnen? Was wurde aus Willi Ewald der in anderen Fällen zeitgleich vor der Verwendung des Produkts warnte, den Verkauf an Entwicklungsländer und Asien aber wohl nicht stoppte. John H. Hink ein ehemaliger Cutter-Manager sagt in diesem Film sinngemäß: „Statt die Produkte wegzuschmeißen wurde entschieden diese in anderen Ländern zu verkaufen wodurch Menschen zu Schaden kamen. Ich habe Fehler gemacht und bin froh jetzt darüber reden zu können.“ Wäre Bayer bereit diesen und andere Ex-Manager die Fehler bereuen heute für Compliance Schulungen anzuwerben und einzusetzen um Mitarbeitern dras-tisch und anschaulich zu vermitteln, wie man es nicht und wie man es besser machen sollte?

Wie viel Geld hat Bayer in den letzten 10 Jahren im Rahmen von Fällen die nach US-Bundes oder Staaten false claims acts anhängig gemacht wurden gezahlt? Sei es im Vergleichswege oder nach Verurteilungen und welche weiteren Kosten, z.B. für Rechtsanwälten sind dem Un-ternehmen dadurch insgesamt entstanden?

Können Sie uns bitte nähere Information über den Stand des im Berichtszeitraum, nämlich am 24.4.2008 in Newark New Jersey geöffneten false claims Verfahrens gegen BAYER geben, bei dem ein Whistleblower dem Unternehmen und seinen Töchtern vorwirft über einen Zeitraum von drei Jahren vor der Rücknahme von BAYCOL vom Markt illegale und betrügerische Marke-ting-Praktiken inklusive Schmiergeldzahlungen –Sie erinnern sich ja noch an das was ich eben zum false claims act gesagt habe – angewandt zu haben? Welche Strafzahlung könnten hier auf das Unternehmen schlimmstenfalls zukommen, wenn dieser Klage stattgegeben werden würde? Wie vielen anderen false claims act Verfahren sind derzeit in den USA auf Bundes oder Staatenebene anhängig? Worum geht es dabei jeweils und wie hoch wären in jenen Verfahren die jeweils maximal zu befürchtenden Schadensersatzzahlungen? Dazu muss man wissen, dass Bayer seit zwei Jahren nicht mehr in Amerika gelistet ist, also auch nicht mehr den SEC-Regeln unterliegt und es den 20-F Bericht nicht mehr gibt, in dem solche Informationen früher auch aufgeführt hätten werden müssen. Also haben wir nicht unbedingt ein Mehr an Transpa-renz in den letzten Jahren.

Abschließend noch ein paar generellere Fragen:

Teilen Sie die Einschätzung einer globalen Umfrage von Price Waterhouse aus dem letzten Jahr, der zu Folge Whistleblower-Vorbringen in mehr Fällen für die Feststellung von internen Betrugsfällen verantwortlich war als Audits, Interne Compliance und behördliche Kontrolle zu-sammen?

Gab es in den letzten drei Jahren Kündigungen von Bayer-Mitarbeitern, oder von Mitarbeitern von Tochterunternehmen an denen Bayer mehrheitlich beteiligt ist, wegen des Verrats von Be-triebs- und Geschäftsgeheimnissen oder wegen Loyalitätspflichtverletzungen in denen sich jene Mitarbeiter zuvor oder danach mit Hinweisen auf Missstände oder mit Vorwürfen in Bezug auf Gesetzesverstöße an Behörden oder an die Öffentlichkeit gewandt hatten? Wenn ja wie viele und welche Vorwürfe wurden dem Unternehmen dabei gemacht?

Wie würde ein Bayer-Mitarbeiter behandelt, der sich an die Öffentlichkeit wendet und Beweise vorlegen könnte dass Bayer z.B. für das derzeit an vielen Stellen zu beobachtende Massenbie-nensterben mit-verantwortlich ist?

Im Bayer Compliance Programm heißt es „. Alle Mitarbeiter sind verpflichtet, Verletzungen die-ses Compliance-Programms unverzüglich mitzuteilen.“ Wieviele solche Meldungen gab es 2008? Was waren die Folgen? Ist jemals einem Mitarbeiter die Nichterfüllung der Mitteilungs-pflicht vorgeworfen worden? Ist jemals ein Mitarbeiter hierfür sanktioniert worden? Oder steht dies alles nur auf dem Papier und abgestraft werden diejenigen, die unbequeme Meldungen machen?

Hat Bayer irgendwelche früheren Whistleblower rehabilitiert bzw, ihnen die Wiedereinstellung z.B. als Berater in Compliance-Angelegenheiten angeboten oder wäre der Vorstand hierzu als glaubwürdigen Einstieg in eine Neuorientierung bereit?

Wenn der Vorstand an Veränderungen und Vertrauen schaffender Transparenz hinsichtlich seiner Whistleblower-Politik interessiert ist, warum dann wurde die Umfrage mit welcher Whistleblower-Netzwerk und der Dachverband kritischer Aktionäre sich bereits Ende letzten Jahres an Sie gewandt hatten, bisher von Ihnen, anders als von vielen anderen DAX-Unternehmen, überhaupt nicht beantwortet?

Sind Sie bereit über Verbesserungen Ihrer derzeitigen Whistleblower-Policy nachzudenken und hierzu mit unserem Verein oder mit anderen anerkannten Experten mit dem Ziel einer best-practice zusammen zu arbeiten?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

2. Fragen von Antje Kleine-Wisskot zum Thema Whistleblowing

Unmittelbar im Anschluss, stellte Antje Kleine-Wiskott vom Dachverband kritischer Akti-onärinnen und Aktionäre in ihrer Rede noch folgende Fragen im Zusammenhang mit dem Thema Whistleblowing:

Gibt es in unserem Unternehmen spezielle Regelungen für Whistleblowing bzw. zum Whistleblowerschutz? In wieweit genügt deren Ausgestaltung international anerkannter „Best Practice„ wie sie sich z.B. im Code of practice „Whistlelbowing arrangements“ (PAS 1998:2008) der British Standards Institution widerspiegelt?

Wie ist sichergestellt, dass Hinweisen von Whistleblowern auf Risiken, Missstände und Geset-zesverstöße aller Art in unserem Unternehmen auch dann umfassend und bis zur Abhilfe nach-gegangen wird, wenn es dabei um den Schutz von langfristigen Aktionärsinteressen oder öf-fentlichen Interessen geht und hierbei ein Interessenskonflikt mit den kurzfristigen Interessen der aktuellen Unternehmensleitung besteht?

Erläutern Sie bitte die gegenwärtige Informationspolitik unseres Unternehmens bezüglich tat-sächlich vorkommender Fälle von Whistleblowing.
Wir begreifen Whistleblowing als ein wichtiges Element der Risikovorsorge und Compliance. Ist in unserem Unternehmen die Informationspolitik intern und extern ausreichend, um bei poten-ziellen Whistleblowern und auch bei Aktionären, die diese Anschauung teilen, eine tragfähige Vertrauensbasis herzustellen?

Sie schreiben in Ihrem Geschäftsbericht: „Alle Bayer-Mitarbeiter sind verpflichtet, Verletzungen der Compliance-Policy unverzüglich mitzuteilen. Die Anzeigen können auch anonym erfolgen; dazu sind in allen Ländern spezielle Hotlines eingerichtet, die ganz überwiegend zu von uns beauftragten spezialisierten Rechtsanwaltskanzleien führen.“ Was heißt an dieser Stelle „ganz überwiegend“ ganz genau? Wer sind diese Anwälte? In welcher Beziehung stehen sie ansons-ten zum Unternehmen? Was genau sind ihre Aufgaben? Gehören dazu auch unternehmensbe-ratende Tätigkeiten oder gar Ermittlungen gegen Whistleblower wie sie derzeit über Bahn-Ombudsleute berichtet werden? Könnten Sie sich vor diesem Hintergrund eine Einbeziehung wirklich Unabhängiger vorstellen?

3. Beantwortung der Fragen von Guido Strack durch den Vorstandsvorsitzenden der Bayer AG Werner Wenning:

Unser Bestreben ist es unsere Aktionäre offen und umfassend über alle wesentlichen Entwick-lungen in unserem Haus zu informieren. Nichts anderes gilt für de unternehmensinterne Dis-kussion. Ein offener, ehrlicher und direkter Dialog gehört zu unserer Unternehmenskultur und zu unseren Werten.

Herr Strack, sie haben ferner eine Reihe von hypothetischen Fragen zu unserem Backoffice gestellt. Diese Konstruktionen gehen jedoch an den realen Gegebenheiten vorbei. Sie werden verstehen, dass ich auf hypothetische Fragen auch keine faktischen Antworten geben kann.

Wenn wir uns an den realen Gegebenheiten orientieren, dann lassen sie mich an dieser Stelle unmissverständlich sagen: gesetzmäßiges und verantwortungsbewusstes Handeln ist für jeden Mitarbeiter verbindlich. Verstöße gegen Gesetze werden von uns nicht geduldet. Unser umfas-sendes Compliance-Programm beinhaltet u.a. ein striktes Verbot von Korruption und wettbe-werbswidrigem Verhalten, die Schaffung fairer und respektvoller Arbeitsbedingungen und ein klares Bekenntnis zum Schutz geistigen Eigentums.

Dies ist für uns ein Kernthema. Unseren Mitarbeitern wurde deshalb dieses Programm, fast überall verbunden mit persönlichen Gesprächen, als Broschüre ausgehändigt. Parallel dazu starteten wir eine Kommunikationskampagne, die das Bewusstsein für Compliance weiter schärft. Unter dem Titel Compliance W.I.N.S. werden weltweit u.a. Plakate an den Standorten ausgehängt, Präsentationsmaterial für Teambesprechungen und Mitarbeiterversammlungen bereit gestellt und Artikel in den internen Publikationen veröffentlicht. Informationen zu Compli-ance sind zudem über das Intranet für Mitarbeiter zugänglich, ebenso wie die Kontaktdaten aller Compliance-Officers und die Telefonnummern der lokalen Compliance-Hotlines, die inzwischen in 66 Ländern, in denen Bayer-Gesellschaften ansässig sind, bereitgestellt werden. Um Regel-verstöße aufdecken zu können, unterliegen Bayer Mitarbeiter einer Meldepflicht für mutmaßli-che Compliance-Verstöße. Gemeldete Vorfälle werden untersucht. Bei Bedarf ergreifen wir Maßnahmen. Dies beantwortet auch ihre Frage, Herr Strack, wie Mitarbeiter im Backoffice e-ventuelle Compliance Fälle melden können und wie bei uns mit diesen Hinweisen umgegangen wird.

Sie sprechen auch Compliance Verstöße in den USA und daraus resultierende Strafzahlungen an. Diese Sachverhalte liegen zum Teil weit zurück in der Vergangenheit. Wir haben in den vergangenen Jahren unser Compliance Programm und auch unsere Compliance Organisation erheblich ausgebaut und weiter verschärft. Wir sind deshalb davon überzeugt, dass Compliance bei Bayer heute ein fester Bestandteil unserer Geschäftsprozesse ist.

Herr Strack, sie haben eine im Zusammenhang mit Trayslol beauftragte Studie erwähnt. Deren vorläufige Daten von Bayer erst kurz nach der Sitzung eines Advisory Committees der amerika-nischen FDA im Herbst 2006 eingereicht wurden. Ihre Unterstellung, dass es einen Whistleblo-wer gab, der diese Daten öffentlich machte, ist unzutreffend. Bayer selbst hat die Daten der FDA bekannt gemacht. Sie sprachen außerdem Herrn Professor Alex Walker an. Er hat diese Studie für uns im Jahre 2007 fortgeführt und beendet.

Sie sprachen eine Klage an, die von einer ehemaligen Bayer Mitarbeiterin im vergangenen Jahr in den USA im Zusammenhang mit Baycol gegen Bayer erhoben wurde. Die in dieser Klage erhobenen Vorwürfe waren zum allergrößten Teil bereits Gegenstand der zahlreichen Klagen die zum Marktrückzug von Baycol/Lipobay in den USA erhoben worden sind. Wir weisen diese Vorwürfe entschieden zurück. Bayer hat in den USA bisher alle sechs Prozesse gewonnen. Die von der ehemaligen Bayer Mitarbeiterin eingereichte neue Klage ist nun zuständigkeitshalber an das Bundesgericht in Minnesota verwiesen worden, welches auch in den anderen bundes-gerichtlichen Baycol-Verfahren für die prozessuale Koordinierung zuständig ist.

Herr Strack, sie haben sich ausführlich nach dem Stand von false claims act Verfahren in den USA erkundigt. Derzeit sind uns keine Klagen bekannt, in denen von Behörden Verletzungen des false claims act durch uns behauptet wurden.

Sie haben, Herr Strack, eine Reihe von Fragen zu den HIV verunreinigten Blutprodukten und im Zusammenhang der damit anhängigen Rechtsstreitigkeiten gestellt. Im Zusammenhang mit Bluterpräparaten, die während der 80iger Jahre hergestellt wurden, betont Bayer nochmals, dass alle mit der Herstellung und Vermarktung biologischer Produkte befassten Unternehmen größtes Mitgefühl empfinden wegen der Folgen von HIV und AIDS für die Blutererkrankten. Die Tragik, ist der Umstand dass das Virus gerade durch die Therapien übertragen wurde, die das Leben von Bluterpatienten entscheidend verbessern können. Dies geschah zu einem Zeitpunkt als man nicht wusste und auch nicht wissen konnte, dass das Virus in die Blutprodukte gelangt war. Bayer bestreitet Fehlverhalten bei der Herstellung und Vermarktung dieser Produkte. Grundlage für die Entscheidungen von Cutter Laboratories waren die seinerzeit vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und der damalige Stand der Technik. Man kann diese Ent-scheidungen nicht mit dem Wissen und den technischen Möglichkeiten beurteilen die es Jahre später verfügbar wurden. Gegen Bayer sind in den USA und in anderen Ländern zahlreiche Klagen anhängig die sich auf Schadensersatz für außerhalb der USA lebende Kläger richten, die durch von Bayer verkaufte Blutplasma-Produkte mit HIV oder Hepatitis-C Virus infiziert wor-den sein sollen. Die Klagen sind der Höhe nach nicht näher beziffert.

Herr Strack, sie fragten, ob wir bereit sind, mit ihrem Verein zusammen zu arbeiten. Ich habe gerade bereits auf unser umfassendes Compliance Programm hingewiesen. Wir haben dies zusammen mit Experten einer spezialisierten externen Kanzlei erarbeitet. Insofern sehen wir keinen weiteren Handlungsbedarf.

Herr Strack, sie fragten nach unserer Einschätzung einer Studie von Price-Waterhouse-Coopers zu Whistleblower-Fällen. Bitte haben sie Verständnis dafür, dass ich Ergebnisse von allgemeinen Erhebungen anderer Unternehmen weder validieren noch kommentieren kann.

Sie haben nach Zahlungen gefragt, die Bayer in den letzten Jahren wegen angeblicher Verlet-zungen des false claims acts in den USA geleistet hat. Wir haben in den letzten Jahren ein Ver-fahren hierzu verglichen ohne eine solche Verletzung einzugestehen. Wir haben in diesem Ver-gleich 97,5 Mio US-$ an die Behörde gezahlt. Die Anwaltskosten liegen im niedrigen einstelli-gen Millionenbereich. Darüber hinaus gibt es keine weiteren Klagen, in denen Behörden Verlet-zungen des false claims acts durch uns behaupten.

Sie fragten nach Kündigungen von Mitarbeitern im Zusammenhang mit der Meldung von Compliance Verstößen. Auch hierzu enthält unser aktuelles Compliance Programm eine klare Aussage: Kein Mitarbeiter darf auf Grund einer gutgläubigen Anzeigeerstattung auf irgendeine Weise benachteiligt werden. Dementsprechend sind uns auch keine derartigen Fälle bekannt.

Herr Strack, sie fragten nach der Anzahl von Anzeigen unter unserem Compliance Programm im Laufe des Jahres 2008. Die genaue Zahl der weltweiten Fälle liegt uns nicht vor. Die Grö-ßenordnung dürfte zwischen 50 und 100 liegen. Ich kann ihnen aber versichern, dass wir sämt-lichen Anzeigen nachgehen. Teilweise erwiesen sich diese Meldungen als nicht zutreffend. Da wo zutreffend hat dies zu arbeitsrechtlichen Schritten bis hin zur Trennung von Mitarbeitern ge-führt. Sie fragten nach der Wiedereinstellung von Whistleblowern bei Bayer. Dies würde vor-aussetzen, dass wir uns von Whistleblowern getrennt hätten. Dies ist aber nicht der Fall. Kein Mitarbeiter wird bei uns auf Grund einer gutgläubigen Anzeige von Compliance Verstößen auf irgendeine Weise benachteiligt und schon gar nicht gekündigt.

Herr Strack, sie hatten das Thema Bienensterben und Bayer angesprochen. Herr Strack, selbstverständlich gehen wir Hinweisen die zu einer Verbesserung der Sicherheit unserer Pro-dukte führen können im eigenen Interesse nach. Ich möchte allerdings festhalten: Unsere Pro-dukte sind, bei sachgerechter Anwendung, sicher für den Landwirt, die Umwelt und den Verbraucher. Die Wissenschaftler sind sich einig, dass es eine Vielzahl von Gründen für die in bestimmten Regionen beobachteten Bienenverluste gibt. Dazu zählen u.a. extreme Umweltein-flüsse und Bienenkranheiten wie die Varoa-Milbe. Die Bienengesundheit hat für Bayer hohe Priorität. Daher unterstützt das Unternehmen Wissenschaftler und Behörden bei der Aufklärung.

4. Herr Wenning zu den Fragen von Antje Kleine-Wisskot

Zu den Fragen von Antje Kleine-Wisskot aus dem Bereich Whistleblowing führte Herr Wennig anschließend noch sinngemäß aus:

- dass auch anonyme Meldungen an externe Rechtsanwalts-Kanzleien möglich sind,
- dass keinerlei Benachteiligungen von Whistleblowern stattfinden und
- dass er auch keinen Widerspruch zwischen kurz- und langfristigen Interessen sähe; vielmehr sei eine uneingeschränkte Compliance Politik nötig und werde von Bayer auch angewandt.

5. Zweite Wortmeldung von Guido Strack

In einer zweiten Wortmeldung versuchte Guido Strack später noch Antworten auf die zunächst unbeantworteten Fragen zu bekommen und stellte zugleich auch einige Nach-fragen zu den Äußerungen von Herrn Wennig.

Sehr geehrter Herr Wennig,

leider haben sie nur einen Teil der von mir und Frau Kleine Wisskot aufgeworfenen Fragen zum Thema Whistleblowing beantwortet. Außerdem ergeben sich aus ihren Äußerungen auch Nach-fragen, weshalb ich mich nunmehr zu acht Punkten nochmals äußern möchte:

Vorab möchte ich aber auch feststellen, dass ich die auf dem Papier bestehende Grundaussa-ge ihrer Compliance-Policy „keinerlei Nachteile für Whistleblower“ ausdrücklich begrüße. Mei-nes Erachtens fehlt aber die Transparenz und hierzu haben sie meine spezifischen Fragen auch nicht ausreichend beantwortet. Transparenz wäre aber nötig um Vertrauen aufzubauen und die Kultur des Schweigens zu überwinden.

Erstens: Sie sprachen von externen Anwaltskanzleien. Wir hatten auch nach Namen gefragt. Können sie diese bitte, wenn schon nicht für die gesamte Welt, dann wenigsten für Deutschland benennen? Wenn sie von externen Kanzleien sprechen, kann ich daraus schließen, dass sie grundsätzlich der Meinung sind, dass es einen unabhängigen Ansprechpartner für Whistleblo-wer geben sollte? Zugleich möchte ich dann aber hinterfragen, wie extern und unabhängig die von ihnen konkret eingeschalteten Kanzleien sind. Habe ich sie richtig verstanden, dass die Kanzleien das Unternehmen beim Aufbau des Systems beraten haben und dass sie auch in Bereichen jenseits der Compliance mit diesen Zusammenarbeiten? Teilen sie meine Einschät-zung, dass eine solche Kanzlei dann nicht mehr wirklich unabhängig sein kann? Außerdem hät-te ich gerne nähere Informationen darüber, was die Anwaltskanzleien genau machen? Nehmen sie nur die Anzeigen auf oder sind sie auch in die Aufklärung der Sachverhalte eingebunden? Gibt es Rückmeldungen an die Whistleblower und haben diese Gelegenheit zu Ermittlungs-nachfragen und/oder dazu zu Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen?
Außerdem interessiert es mich zu erfahren, welche Rechte die Anwaltskanzlei hat. Erschöpfen sich diese in der Einbindung in einen internen Prozess oder haben die Kanzleien, im Sinne von unabhängigen Organen der Rechtspflege, auch die Möglichkeit Behörden einzuschalten wenn sie der Auffassung sind, dass Gesetzesverstöße seitens von Bayer oder von Mitarbeitern vor-liegen?
Teilen sie meine Auffassung, dass mehr Transparenz mehr Vertrauen schaffen kann? Sind sie bereit die nähere Ausgestaltung ihres Umgangs mit Whistleblower-Hinweisen und zur Rolle der Rechtsanwaltskanzleien sowie die mit jenen geschlossenen Verträge – und hier geht es nicht um finanzielle Regelungen – öffentlich zu machen?

Zweitens: Es wurde gefragt, wie die interne und externe Kommunikationspolitik zu konkreten Whistleblower- bzw. Compliance Meldungen aussieht. Hierzu gab es leider keine Antwort. Ich will daher kurz verdeutlichen, was mit jener Frage gemeint war: Die Lufthansa Technik z.B. ver-öffentlicht intern in einem Tracing System, also einer Übersicht anonymisiert sämtliche Whistleblower Meldungen, deren jeweils aktuellen Sach- und Bearbeitungsstand, bis hin zu Untersuchungsergebnissen und follow-up. Damit ist gewährleistet, dass ein transparentes Ver-fahren entsteht und Mitarbeiter begründetes Vertrauen gewinnen und aus Fehlverhalten lernen können. Siemens macht die Zahlen zur Nutzung seiner Whistleblower-Hotlines zumindest in Form von nach Sachgruppen untergliederten statistischen Daten sogar der Öffentlichkeit quar-talsmäßig zugänglich. In beiden Fällen und auch in anderen uns bekannten Unternehmen ist die Nutzung der Hotlines außerdem wesentlich größer als die von ihnen genannten groben Zah-len. Sehen sie hier einen Zusammenhang? Können auch sie bitte die von ihnen genannten Fallzahlen weiter aufschlüsseln? Ging es hierbei um Korruption, andere Gesetzesverstöße oder auch um Fragen unzureichender Risikoabschätzungen hinsichtlich der Gefährlichkeit von Bayer Produkten? Ist der letztere Bereich überhaupt vom Compliance Programm umfasst?

Drittens: Eine andere Frage, zu der sie nicht Stellung genommen haben war jene nach dem Vergleich ihres Compliance Systems mit dem BSI Standard PAS 1998:2008. Dieser Standard enthält am Ende eine Checklist mit konkreten Punkten und ich würde gerne wissen, in wie weit ihr Compliance System jedem dieser Punkte genügt. So wird z.B. neben einem Meldekanal auch eine davon und vom Unternehmen unabhängige Beratungsmöglichkeit gefordert. Gewähr-leisten sie diese? Wichtig für gute Whistleblower-Systeme ist anerkannter Weise auch eine Vorbild Funktion und die transparente Belobigung von Whistleblowern die über eine bloße Nichtdiskriminierung hinaus gehen muss. Was tun sie insoweit? Können sie bitte auch noch etwas dazu sagen, ob die Compliance Hotline auf Mitabeiter begrenzt ist oder ob sie z.B. auch von Vertragspartnern, Lieferanten oder Kunden genutzt werden kann wie sich dies in anderen Unternehmen bewehrt hat?
Viertens: Ich hatte sie gefragt, ob es bisher bei Bayer einen Fall gab, in dem ein Mitarbeiter we-gen der Nichtmeldung von Compliance Informationen, also für Nicht-Whistleblowing sanktioniert wurde, denn dies wäre ja eigentlich eine Folge der von ihnen statuierten Meldepflicht. Hierzu hatte ich keine Antwort erhalten.

Fünftens: Sie haben trotz aller Defizite einen zumindest auf dem Papier bestehenden Compli-ance Standard beschrieben der über jenen des Deutschen Corporate Governance Kodex hi-nausgeht. Daher meine Frage: Werden sie sich dafür einsetzen zumindest jenen Standard auch im Deutschen Corporate Governance Kodex verbindlich festzuschreiben? Wird Bayer die Be-deutung von Whistleblowing auch dadurch anerkennen, dass sich der Konzern für eine gesetz-liche Schutzregelung für Whistleblower einsetzt. Im letzten Sommer ist der Vorschlag für einen neune § 612a BGB ja noch am Widerstand von CDU/CSU und der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände gescheitert. Wird sich Bayer gegen diese Haltung der BdA stel-len?

Sechstens: Eine weitere Nachfrage bezieht sich auf die false claims act Fälle. Hier hatten sie erwähnt, dass Bayer im letzten Jahr eine Zahlung vom 97,5 Mio US-$ geleistet hat. Dabei hatte ich den Eindruck, dass es sich hierbei nicht um den von mir erwähnten Fall aus Newark iZm. Baycol handelte – der jetzt wohl in Minnesota anhängig ist. Daher die Nachfrage: Worum ging es bei der Zahlung von 97,5 Mio US-$? Wieso zahlt Bayer mal eben 100 Millionen, wenn doch wie sie sagen „keine Rechtsverstöße anerkannt“ wurden? Sehen sie in diesem verweigerten Bekenntnis zu eigenen früheren Rechtsverstößen nicht einen Widerspruch zu dem von ihnen mehrmals abgegebenen Bekenntnis zur Rechtstreue? Setzt Rechtstreue und verantwortliches Handeln nicht auch klare Fehlereingeständnisse voraus? Wir alle machen Fehler. Wie kann dies von den Mitarbeitern verlangt werden, wenn die Firma hier nicht mit Vorbildfunktion voran-geht? Außerdem nochmals meine Frage von eben: Wieviel wurde in den letzten 10 Jahren im Rahmen von false claims act Verfahren sei es über Verurteilungen oder Vergleiche inklusive Kosten insgesamt gezahlt? Ich komme hier auf ca. 370 Milllionen US-$, sie sprachen aber nur von 97,5 Mio US-$ plus Anwaltskosten.

Siebtens: Abschließend erlauben sie mir noch eine Anmerkung zur Frage des Dialogs. Sie ha-ben heute mehrfach betont, dass sie diesen für wichtig halten. Zugleich aber mein konkretes Angebot in einem solchen Dialog mit uns, dem Whistleblower-Netzwerk e.V. einzusteigen aber verweigert. Gibt es einen Grund für diese offensichtliche Abweichung von ihrem Grundprinzip und wenn ja , warum haben sie dann nicht wenigstens meine konkrete Frage nach den Grün-den für die Nichtbeantwortung der ihnen bereits im Dezember 2008 zugesandten Umfrage be-antwortet?

Achtens und dies ist eine ganz persönliche Anmerkung zum Schluss: „Claiming science for a better life without caring for risks“ so scheint mir nach allem hier heute gehörten der wahre Leit-spruch von Bayer zu lauten. Bei Produkteinführungen wahren sie bestenfalls noch die nach gesetzlichen Vorgaben nötigen Anforderungen vom Stand der Technik, allerdings stets unter dem Gesichtspunkt der Kostenminimierung. Dann versuchen sie das meiste aus dem Produkt herauszuholen, notfalls auch jenseits der geprüften Bereiche. Wenn dann ein Schaden bei Drit-ten auftritt wird er solange wie möglich geleugnet und entsprechende Medien- und Politikbear-beitung betrieben. Lässt er sich nicht mehr leugnen, leugnet man die eigene Verantwortung und zahlt notfalls, „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ an diejenigen wenigen Hartnäckigen, die bis hierhin durchgehalten haben. Nachhaltige Unternehmenspolitik sieht für mich anders aus.

6. Replik Wennig

Ganz am Ende der Hauptversammlung erfolgte dann nochmals eine sehr kurze Replik von Herrn Wenning die in etwa wie folgt zusammengefasst werden kann:

Die für Deutschland beauftragte externe Anwaltskanzlei ist die Kanzlei Heuking, Kühn, Lüer und Wojek in Köln.

Compliance steht für Bayer nicht neben dem Geschäft sondern ist voll integriert. Jeder Mitarbei-ter ist zur Compliance verpflichtet und kann sich an Vorgesetzte, spezielle Compliance Beauf-tragte oder eben auch über die Hotline anonym an externe Anwaltskanzleien wenden. Im letzte-ren Fall bekommt er eine Fallnummer über die jederzeit Rückfragen zu Stand und Ergebnissen der Untersuchungen bei den Anwälten möglich sind. Die Untersuchungen werden von der Compliance Abteilung koordiniert und wo nötig unter Einbeziehung anderer Abteilungen (z.B. Rechtsabteilung oder Fachabteilungen) durchgeführt. In Einzelfällen werden auch externe Stel-len und Behörden eingebunden. Die Unabhängigkeit ist demnach in ausreichender Form ge-währleistet.

Sie sprachen von einer Kultur des Schweigens bei Bayer – dies ist falsch, das Gegenteil ist rich-tig.

Unser umfassendes Compliance Programm spricht insgesamt 10 Bereiche an darunter neben Gesetzesverstößen auch Nachhaltigkeit, Umwelt und Gesundheit. Wir haben dieses Programm selbst entwickelt, weiter ausgebaut und genau auf unser Unternehmen zugeschnitten. Daher ist es nachrangig ob es BSI-konform ist. Jedes Unternehmen sollte hier selbst entscheiden, was das Beste ist.

Die erwähnten 97,5, Mio US-$ sind nicht im Zusammenhang mit Baycol, sondern von Bayer Healtcare LLC im Zusammenhang mit einem Streit um die Marketingmethoden bei Diabetes Care in den Jahren 1998 bis 2003 gezahlt worden. Konkret ist es um den Vertrieb von Blutzu-ckermessgeräten. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ist hierzu im November 2008 ein Ver-gleich mit dem US-Justiztministerium und ein Corporate Integrity Agreement geschlossen wer-den. Weitere Zahlungen in false claims act Sachverhalten gab es in den letzten 10 Jahren nicht.

7. Persönliches Fazit von Guido Strack:

Aufschlussreich und erschöpfend war es schon die Bayer Hauptversammlung 2009 mitzuerle-ben. Aufschlussreich vor allem im Hinblick auf die von Herrn Wenning beim Thema Whistleblo-wing aber auch bei vielen anderen kritischen Fragen an den Tag gelegte professionelle Igno-ranz von Kritik. Mit zur Schau getragener Selbstsicherheit und ohne Anflug von Zweifeln wurden da Bedenken zu vergangenen und aktuellen Bayer-Produkten und -Vorhaben locker vom Tisch gewischt. Und mit gleicher Sicherheit wird auch an dem bedrohlichen Pipeline Projekt festgehal-ten. Wen kümmern da schon die Massenproteste bei der betroffenen Bevölkerung – Bayer je-denfalls nicht.

Eine „Kultur des Schweigens“ herrsche bei Bayer nicht, sagte Vorstandsvorsitzender Wenning. Aber die extrem niedrige Zahl von 50 – 100 Whistleblower-Meldungen weltweit in 2008 beweist etwas anderes.

Eine Fehlerkultur die eigene Fehler einräumt und für diese Verantwortung übernimmt ist nicht erkennbar. Alle Entscheidungen liegen allein in der Hand des Vorstandes, ohne jegliche externe Kontrolle. Praktisch ist es da auch, dass der Aufsichtsrat dem ehemaligen Vorstandsvorsitzen-den untersteht.

Der Schutz von Whistleblowern vor Benachteiligungen wird zwar behauptet. In konkreten Fäl-len, wie etwa dem des Portugiesen Alfrede Pequito, droht man dann aber doch lieber mit allen verfügbaren rechtlichen Keulen und hat diese in der Vergangenheit auch reichlich zum Einsatz gebracht.

Dialogbereitschaft wird zwar formal postuliert, bei konkreten Angeboten aber verneint. Das gilt hinsichtlich der Coordination gegen Bayer Gefahren, die es immer wieder wagt Bayer auf seine wirklichen Probleme hinzuweisen, ebenso wie gegenüber dem Whistleblower-Netzwerk. Da wundert es dann auch kaum noch, dass Internationale best practice Standards zu Whistleblo-wing die selbstherrlichen Herren bei Bayer ebenfalls nicht interessieren.

All dies spricht mehr für ein „Augen zu und durch“ als für ein Interesse daran mittels Förderung von Whistleblowing eigene Probleme und Risken frühzeitig erkennen und bekämpfen zu wollen, mag auf dem Papier der Compliance Policy stehen was will.

Mal abwarten wann Herr Wenning & Co. von den Folgen ihrer eigentlichen Agenda eingeholt werden – es bleibt nur zu hoffen, dass dabei nicht noch wesentlich mehr Menschen zu Bayer-Opfern werden.

HIV

CBG Redaktion

Pharma-Brief der BUKO Pharma-Kampagne, Nr. 6, August 2013

Blutige Geschichte

Dokumente zu HIV-Infektionen durch Cutter-Produkte

Zu Beginn der 1980er Jahre wurde AIDS erstmals beschrieben. Relativ schnell wurde klar, dass die Krankheit auch durch Blutprodukte übertragen wird. Die Bayer-Tochter Cutter versuchte zunächst, die Risiken zu verharmlosen. Trotz Kenntnis der verheerenden Folgen verkaufte sie vor allem in Entwicklungsländern den unsicheren Gerinnungsfaktor weiter. Jetzt – 30 Jahre später – sind eindeutige Belege endlich öffentlich zugänglich.

Insgesamt 58 Dokumente stellte das Drug Industry Document Archive (DIDA) der University of California ins Netz. Sie stammen aus 2008 erhobenen Sammelklagen von HIV-infizierten Bluterkranken gegen Cutter und andere Firmen in den USA. Die Kläger kamen aus Asien, Europa und den USA.
Menschen, die eine angeborene Störung der Blutgerinnung haben, sind oft lebenslang auf Arzneimittel aus Blutplasma (Faktor VIII oder IX) angewiesen.

Pharma-Kampagne warnte früh
Produkte aus menschlichem Blutplasma spielen in der Medizin eine wichtige Rolle. Kommerzielle Sammelsysteme und der internationale Handel mit Blut rückten jedoch erst angesichts des HIV-Risikos ins öffentliche Interesse. Dazu trug auch die Pharma-Kampagne bei. War doch der Blut-Handel eines der ersten Themen, mit dem sie sich intensiv auseinandersetzte. Dabei ging es auch um die unrühmliche Rolle von Cutter. Die Firma betrieb z. B. Plasma-Sammelstationen an der US-Grenze zu Mexiko und lockte so arme MexikanerInnen an. Viele Stationen in den USA befanden sich in Gebieten, wo Menschen unterhalb der Armutsgrenze lebten. Nicht nur die Ausnutzung von Notlagen kritisierte die Pharma-Kampagne, sie wies auch auf die gesundheitlichen Gefahren für die BlutplasmaspenderInnen und EmpfängerInnen von Blutprodukten hin. Gefordert wurde ein nicht-kommerzielles Sammelsystem, um die Risiken zu minimieren.(1)

Risiken waren bekannt
Das kommerzielle Sammeln von Blutplasma war nicht erst seit HIV/AIDS problematisch. Schon Jahre zuvor war deutlich geworden, dass Hepatitis B durch Blutprodukte übertragen werden kann und deshalb Spender, bei denen diese Erkrankung häufig ist, möglichst ausgeschlossen werden sollten.
Das kümmerte Cutter offensichtlich recht wenig. In den Gerichtsunterlagen findet sich ein Brief des Managers des Oakland Plasma Center, der seinem Vorgesetzten über eine Inspektion berichtete. Die Behörden beanstandeten, dass ehemalige Drogenabhängige spenden durften. Der Manager schrieb, das sei nach den Regeln von Cutter zulässig und außerdem bedeute ein Ausschluss, dass man viele SpenderInnen verlieren würde.(2)
Relativ früh war der Übertragungsweg von HIV erkannt. Es lag nahe, dass Maßnahmen, die eine Hepatitis B-Übertragung bei Gerinnungsfaktoren verhinderten, auch gegen HIV helfen würden.
Bereits im Januar 1982 schrieb J. Hjorth in einem internen Cutter-Memo: „Ein Hepatitis-sicherer Faktor IX der Behringwerke befindet sich in klinischen Studien in New York und Dr. Lou Aledort vom Mt. Sinai (Krankenhaus) stellt fest, dass es unethisch wäre, sobald dieses Produkt zugelassen ist, PatientInnen noch eine andere Therapie zu geben.“(3) Allerdings stand bei Cutter nicht die Sorge um die Sicherheit der Kranken im Vordergrund. Denn es heißt weiter: „Ich gebe diese Information weiter, weil wir offensichtlich harten Wettbewerb zu befürchten hätten, wenn Hyland und Behringwerke uns mit Faktor VIII und Faktor IX zu weit voraus wären. Ich wäre sehr an ihrer Einschätzung interessiert, wann wir frühestens Produkte haben, die mit diesen beiden Produkten konkurrieren können.“
Cutter hatte die Entwicklung verschlafen. Ein Jahr später, im Januar 1983, drängte Cutter Mitarbeiter M. Mazen mit Blick auf AIDS, sich mit der Zulassung von sicheren Gerinnungsfaktoren zu beeilen. „Auch ohne harte Daten ist es sicher logisch, dass ein hitzebehandeltes Produkt, ohne die klinische Wirksamkeit zu opfern, potenziell sicherer ist als ein unbehandeltes.“(4)

Beschwichtigen statt handeln
Im Mai 1983 veröffentlichte Cutter in den USA eine neue Ausgabe seiner PatientInnenzeitschrift Echo für Bluterkranke. Einziges Thema: AIDS. „Wir von Cutter möchten Sie wissen lassen, dass ihr Wohlergehen unsere erste Sorge ist. Wir tun alles was möglich ist, (...) Vorsichtsmaßnahmen umzusetzen, mit dem Ziel, das Risiko für Personen mit Hämophilie zu minimieren.“ (5)
Im Oktober 1983 wird bekannt, dass ein regelmäßiger Cutter-Blutspender an AIDS gestorben ist. Auch in der deutschen Bayer-Zentrale ist man beunruhigt. Der Cutter Öffentlichkeitsarbeiter versucht zu beruhigen.(6) Man habe angekündigt, alle Produkte, die Blut von dem Spender enthielten, zurückzurufen. Seines Wissens seien keine Produkte nach Deutschland geliefert worden. Außerdem werde die PR-Agentur Hill-Knowlton eingeschaltet.

Wenns ums Geld geht ...
1983 kursierte bei Cutter ein ausführliches Memo, das die Risiken von AIDS und die Sicherheit von Cutter-Produkten thematisierte und offensichtlich der Außenverteidigung dienen sollte. Allerdings steht dort auch, dass bisher alle Bluterkranken, bei denen ein „AIDS-ähnliches Syndrom“ diagnostiziert wurde, Gerinnungsfaktoren erhalten hatten.(7)
Ende 1983 hatte Cutter endlich ein hitzebehandeltes Produkt am Markt. Doch die Einführung verlief nur schleppend und das alte Produkt wurde weiter verkauft. Während in den Industrieländern – wegen des öffentlichen Drucks die Umstellung langsam voranging, sah das im Fernen Osten ganz anders aus. Cutters Marketingplan für die Region spricht da Bände. Während der Verkauf in Neuseeland wegen AIDS zusammenbrach, wurde in Asien munter das alte Produkt weiterverkauft. Begründung: „AIDS ist in Asien noch kein großes Thema. Vielleicht weil der Region so viele andere Gesundheitsgefahren größere Sorgen bereiten. Das Hepatitis-Risiko amerikanischer Konzentrate ist keine so große Sorge in einer Region, wo Hepatitis B so prävalent ist.“ „Wenn wir Bedarf für das hitzebehandelte Produkt im Fernen Osten sehen, werden wir rasch handeln. Andernfalls werden wir versuchen weiterhin die Märkte mit billigem Standard Koate und Knyne zu dominieren.“(8) Es ging nur ums Geld. Denn bereits 1984 hatte Cutter im Marketingplan festgestellt, ein Umtausch in sichere Produkte in Asien würde zwei Millionen US$ Verlust bedeuten, das mache man nicht.(9)

Komplizen der Industrie
Nicht nur die Hersteller von Blutprodukten handelten verantwortungslos. Auch die Aufsichtsbehörde FDA in den USA versagte. Das geht aus einem Cutter-Memo über ein Gespräch mit der FDA am 21. Dezember 1982 hervor. Damals war der Behörde die mangelnde Kontrolle Cutters, auf gesunde Spender zu achten, wohl doch zu viel geworden. Thema waren die Blutbanken an der mexikanischen Grenze und eine Sammelstelle mit einem hohen Anteil homosexueller Spender (die die höchste Rate von AIDS-Erkankungen aufwiesen). Dr. Donahue von der FDA verlangte von Cutter, wenigstens keine Spenden von Gefängnisinsassen mehr zu Gerinnungsfaktor zu verarbeiten. Dabei ging es ihm nach Ansicht von Cutter weniger darum, die Empfänger zu schützen als etwas gegen das in der Öffentlichkeit „gefühlte Risiko“ zu unternehmen.(10) Donahue bat um einen Brief von Cutter als „Munition“ gegen weitere verpflichtende Kontrollmaßnahmen durch die FDA. Auch solle Cutter unbedingt zu einem öffentlichen Treffen der staatlichen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) kommen, da dort „die Demographie bezahlter Spender diskutiert“ würde.
Ein Treffen der Blutgerinnungsfaktor-Industrie mit der FDA im Mai 1985 zeigt, dass die Komplizenschaft mit den Herstellern anhielt. Damals hatten schon alle Firmen Produkte auf dem Markt, die Virus-inaktiviert waren. Dennoch waren die alten Produkte noch zugelassen. Dr. Harry Meyer forderte die Hersteller auf, freiwillig auf die Vermarktung dieser Produkte zu verzichten. S.J. Ojala von Cutter fasste die Diskussion so zusammen: „(Meyer) erklärte, obwohl die FDA die Zulassungen für ungültig erklären könnte, wolle er keine Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass die FDA diesen Zustand so lange geduldet hatte. Er wolle die Sache lautlos (Unterstreichung im Original) erledigen, ohne den Kongress, die medizinische Fachwelt und die Öffentlichkeit zu alarmieren.“(11)
Auch in Deutschland hatte die Aufsicht über die Industrie kläglich versagt. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages befasste sich ausführlich mit den Schwächen im System.(12) Wie berechtigt die Forderungen der Pharma-Kampagne damals waren, zeigen die Erfahrungen aus Belgien und Norwegen. Dort wurden die Bluterkranken mit Gerinnungsfaktor versorgt, der aus freiwilligen Spenden aus dem eigenen Land stammte. Außerdem wurden nicht Tausende von Spenden zusammengekippt. So waren 1985/86 in Belgien 5,9% und in Norwegen 6,3% der Bluterkranken HIV-positiv, in Deutschland dagegen 47,4%.(13)
Autor: Jörg Schaaber

Fußnoten:
1 BUKO Pharma-Kampagne (1982) Das Blut der Armen – Medikamente für die Reichen?
2 Ichikawa D (1981) Letter to R. Barden 19 May. Cutter Laboratories. Oakland Plasma Center. http:dida.library.ucsf.edu/pdf/zeu13j10
3 Hjorth J (1982) Cutter memo to M. Sternberg 27 January http:
dida.library.ucsf.edu/pdf/hgu13j10
4 Mazen M (1983) Chimp testing of hepatitis-safe Koate. Cutter memo to M M Sternberg. 4 Jan.
5 Cutter (1983) Foreword. Echo Vol 4, No. 1, May http:dida.library.ucsf.edu/pdf/lgu13j10
6 Modersbach RJ (1983) Cutter Memo an W Schmidt 31 Oct. www.baumhedlundlaw.com/hemophilia/exhibits/Exhibit-26-FNC.pdf
7 Ashworth JN (1983) Letter to B. Dyos 1 June http:
dida.library.ucsf.edu/pdf/igu13j10
8 Cutter (o.J.) 1985 Far East Region. Preliminary marketing plan. http:dida.library.ucsf.edu/pdf/kfu13j10
9 Cutter (o.J.) 1984 budget Far East. http:
dida.library.ucsf.edu/pdf/hfu13j10
10 Ojala (1982) Cutter memo: More AIDS and FDA. 21 Dec http:dida.library.ucsf.edu/pdf/weu13j10
11 Ojala SJ (1985) Cutter memo: Non-Heat Treat License. 30 May http:
dida.library.ucsf.edu/pdf/ofu13j10
12 Deutscher Bundestag (1994) Zweite Beschlußempfehlung und Schlußbericht des 3. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes. Drucksache 12/8591
13 Deutscher Bundestag (1994) aaO., S. 106

[HV-Reden] Redebeiträge HV 2017

CBG Redaktion

Kritische Redebeiträge in der Hauptversammlung der BAYER AG am 28. April 2017:

=> Markus Arbenz (IFOAM):
MONSANTO-Übernahme und Nachhaltigkeit

=> Gottfried Arnold (Kinderarzt):
Hormon-ähnliche Chemikalien/Kohlenmonoxid-Pipeline

=> Adrian Bepp (Friends of the Earth):
Monsanto

=> Peter Clausing (Pestizid Aktions-Netzwerk):
Monsanto

=> Dieter Donner (Pressekoordinator der Stopp-Bayer-CO-Pipeline-Initiativen):
CO-Pipeline

=> Thomas Gabel (Robin Blood):
HIV durch Blutprodukte

=> Verena Glass (brasilianische Kampagne gegen Agrar-Gifte):
Pestizid-Gefahren

=> Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen):
Monsanto

=> Dr. Beate Kirk (Apothekerin): Mirena

=> Christoph Koch (Deutscher Berufs- und Erwerbsimkerbund):
Bienensterben

=> René Lehnherr (MONSANTO-Tribunal):
Die Folgen des Tribunal-Votums für BAYER

=> Jan Pehrke (CBG):
MONSANTO-Übernahme

=> Christian Russau (Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre):
Doppelte Standards in Brasilien

=> Sarah Schneider (MISEREOR):
Monsanto/Doppelte Pestizid-Standards

=> Annette Seehaus-Arnold (Kreisverband Imker Rhön-Grabfeld):
Bienensterben

=> Michael Slaby (Mellifera):
Monsanto/Bienensterben

=> Susanne Smolka (Pestizid Aktions-Netzwerk):
Pestizide und hormon-ähnliche Substanzen