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Bluter

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 29. September 2004

Video Wie BAYER AIDS nach Asien importierte

Im WDR Fernsehen läuft heute der Film „Tödlicher Ausverkauf - Wie AIDS nach Asien kam“ von Egmont R. Koch. Darin wird aufgezeigt, wie eine Tochterfirma des BAYER-Konzerns Blutkonserven nach Asien exportierte, obwohl diese mit HIV belastet waren und in den USA nicht mehr verkauft werden durften.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren kämpft seit den 80er Jahren für eine Entschädigung der Betroffenen und eine Bestrafung der verantwortlichen Manager. Im Folgenden dokumentieren wir Teile des Sende-Manuskripts.

„Tödlicher Ausverkauf“

San Francisco/Kalifornien war 1985 Schauplatz eines Medikamenten- Skandals, der selbst Contergan weit in den Schatten stellt. Erst heute, zwei Jahrzehnte später, legen geheime Firmenunterlagen das ganze Ausmaß offen; erst jetzt haben die Überlebenden eine Chance, gegen die Verantwortlichen vorzugehen.

Cutter Laboratories, eine hundertprozentige Tochterfirma des Pharmakonzerns Bayer AG, betrieb damals in ganz Amerika Blutspende-Stationen, um aus dem so gewonnenen Blutplasma Medikamente herzustellen. Als sich AIDS auszubreiten begann, gelangte das tödliche Virus sehr schnell auch in diese Medikamente.

Ein Montagmorgen, Anfang Mai 1985. Rushhour auf der Bay-Bridge. Ein Exportmanager von Cutter auf dem Weg zu seinemBüro. Er steht unter Druck. Seit Monaten schon. Seine Vorgesetzten verlangen, dass er die mit AIDS verseuchten Medikamente nach Asien verkauft.

Hongkong. Während der Tag in San Francisco gerade begonnen hat, neigt er sich in Asien bereits dem Ende zu. Im Stadtteil Wanchai hat Cutters Vertriebsfirma ihr Büro, im Caltex-House. Zu nächtlicher Stunde telefoniert Abteilungsleiter Raymond Ho mit dem Cutter-Headquarter. Er verlangt, dass die Patienten in Hongkong sofort das neue AIDS-sichere Produkt erhalten. Doch er wird abgewimmelt. Wieder einmal. Der Chinese ist empört, dass er nun schon seit Monaten Cutters „Koate“ in Hongkong verkaufen muss, obwohl dies fast sicher mit HIV-Viren verseucht ist.

In San Francisco diktiert der Exportmanager sofort nach dem Telefonat einen Vermerk:

„Am Montagmorgen, um 1.00 Uhr nachts Hongkong-Zeit, erhielt ich einen Anruf von Raymond Ho. Raymond war ungehalten...Einige Ärzte, die aus den Vereinigten Staaten nach Hongkong zurückgekehrt sind, behaupten, ...dass Cutter offenbar überschüssige Lagerbestände mit AIDS verseuchter, alter „Koate“-Präparate in die Entwicklungsländer verscherbelt... ...Es scheint, dass es keine Märkte mehr in Asien gibt, auf denen wir nennenswerte Mengen absetzen können.“

Rückblick: San Francisco, Juli 1983. Viele Amerikaner lassen sich in diesen Jahren regelmäßig Blutplasma abnehmen. Für wenige Dollar. Blutspenden gehört in den USA zum sozialen Netz. Ein bequemer Nebenjob für Geringverdiener, eine Überlebenschance für Arbeits- und Obdachlose. Das große Geld machen Pharmafirmen wie die Bayer-Tochter Cutter. Sie spalten das gelbe Blutplasma in seine Bestandteile, gewinnen daraus Medikamente. Die müssen sich Bluter-Kranke regelmäßig injizieren, weil ihrem Blut die natürliche Fähigkeit zur Gerinnung fehlt. Mit dem therapeutische Fortschritt für die Patienten ist der Bedarf an Rohstoff - gespendetem Blutplasma - erheblich gestiegen. Bluterkranke Kinder wie Jacky in Taipeh sollen davon profitieren. Dessen Mutter will ihm damals die teure medikamentöse Behandlung unbedingt ermöglichen. Obwohl zunächst keine Krankenkasse dafür aufkommt.

Im Herbst 1983 bricht in San Francisco, wo viele Spendestationen für Blutplasma in den Drogen- und Schwulenvierteln wie dem „Mission District“ angesiedelt sind, eine Katastrophe über die Blutindustrie herein: AIDS. Längst hat sich die tödliche Immunschwäche ihren Weg von infizierten Spendern zu den ahnungslosen Bluter-Patienten gebahnt. Als Monate später das HIV-Virus entdeckt wird, rechnet Cutter intern längst mit dem Schlimmsten: einer AIDS-Seuche unter Blutern in der ganzen Welt. Da Zehntausende von Einzelspenden vor der Weiterverarbeitung zu den Medikamenten zusammengeschüttet werden, können bereits einzelne HIV-Infizierte ganze Plasma-Bottiche verseuchen. Doch Cutter spielt auf Zeit. Wie die gesamte Branche. Thomas Drees war damals Präsident eines Konkurrenzunternehmens von Cutter. Er kehrte der Blut-Industrie den Rücken, weil sie die vorhersehbare Katastrophe herunterspielte, um ihre Umsätze nicht zu gefährden.

O-Ton Thomas C. Drees, ehemaliger Präsident „Alpha Therapeutics“:

„Wenn sie diesen Stoff in den Blutkreislauf des Patienten bringen, dieses Virus, das ihn auf zwanzig verschiedene, schreckliche Weisen umbringen kann, durch schlimme Hautveränderungen, durch ein kaputtes Immunsystem, Tuberkulose, Krebs, wie kann man da einfach behaupten, das sei kein Problem? Allen war klar, dieses Virus ist gefährlich! Es wird unsere Patienten umbringen. Und zu hoffen, alles werde vorübergehen, war verrückt!“

Bei Cutter vor den Toren von San Francisco vergeht nach der Entdeckung des AIDS-Virus im April 1984 ein geschlagenes halbes Jahr, ohne dass durchgreifende Maßnahmen gegen die Gefahren ergriffen werden. Dabei liegt längst die Behörden-Zulassung für eine neue Generation des Medikaments „Koate“ vor. Durch eine simple Erhitzung des Präparats können Viren abgetötet werden, wahrscheinlich auch die AIDS-Erreger. Dennoch zögert die Bayer-Tochter mit der Einführung des neuen, hitzebehandelten Produkts „Koate HT“.

Wissenschaftler im amerikanischen Seuchen-Zentrum „Centerfor Disease Control“ (CDC) in Atlanta entdecken im Oktober 1984 in unzähligen Proben des Bluter-Medikaments HIV-Viren - dank eines gerade entwickelten Testverfahrens. Nach Erhitzung der Präparate allerdings, so heißt es in einer Studie des CDC, die „in Zusammenarbeit mit Cutter“ vorgenommen worden sei, habe man hinterher „keine Viren mehr feststellen“ können. Ein eindeutiger Befund.

Im November 1984 tagt in San Francisco Cutters BCC-Komitee, in dem regelmäßig Vermarktungsstrategien festgelegt werden. Die Bayer-Tochter liefert zwar inzwischen das neue „Koate HT“ aus. Doch dann kommt es laut Protokoll zu einem folgenschweren Beschluss:

„Wir haben übermäßige Bestände des alten Produkts auf Lager. Es muß deshalb geprüft werden, ob mehr von diesem Produkt verkauft werden kann.“

Hongkong, November 1984. Zwei Wochen, nachdem Cutters Entscheidungsgremium beschlossen hat, die Lagerbestände der alten AIDS-verseuchten Medikamente nicht zu vernichten, sondern zu verkaufen, geht bei der Vertriebsfirma im Caltex House ein Fernschreiben aus San Francisco ein. Herzlichen Dank „für Ihr Interesse an dem hitzebehandelten Präparat“, heißt es da. Allerdings könne Hongkong das neue „Koate HT“ vorläufig nicht bekommen. Sorry... „..we must use up stocks...“

...„Wir müssen Lagerbestände aufbrauchen...“

Thomas Drees, der ehemalige Boss in der Blutindustrie, kann kaum glauben, was er in Cutters Telex liest. O-Ton Thomas C. Drees:

„Die Cutter-Verantwortlichen suchten offensichtlich einen Weg, die nicht-hitzebehandelten Präparate loszuwerden. Das ist unglaublich. Sie verkauften dieses Zeug nach Hongkong, als sei es gut genug für die Chinesen. Das ist schrecklich! Es gibt dafür keine Rechtfertigung! Man kann nicht sagen, weil wir feste Lieferverträge auf der Basis des billigeren, alten Präparats haben und jetzt das neue Produkt teurer wird, müssen wir euch leider Gift liefern!“

Interne Dokumente, die beweisen, dass Cutter-Verantwortliche damals entschieden, die mit HIV-Viren verseuchten Präparate zu verkaufen statt sie zu vernichten, sind erst vor kurzer Zeit entdeckt worden. O-Ton Lexi J. Hazam, Rechtsanwältin:

„Sie versteckten ihre Akten, verhinderten damit, dass die Geschichte aufgedeckt wird. Die kamen erst unlängst im Rahmen eines Prozesses ans Licht. Wir arbeiteten die Dokumente durch und stellten fest, dass Cutter das alte Präparat sogar eine Zeitlang weiter produzierte, obwohl sie

längst eine Zulassung für das neue besaßen. Der Grund: Sie hatten „fixed-price contracts“, Festpreise für das alte Produkt verabredet und wollten davon profitieren.“

Seit März 1984 laufen bei Cutter zwei Produktionen parallel: die des hitzebehandelten und dadurch AIDS-sicheren „Koate HT“ und die des nicht-erhitzten, gefährlichen Präparats. Dessen Herstellung wird zwar Ende 1984 gestoppt. Doch nur die Patienten in den USA und in Europa kommen in den Genuss des neuen Produkts. Die gefährlichen Chargen gehen nach Asien.

Intern erhalten sie eine spezielle Nummer: „659“. Die Cutter-Verantwortlichen setzen darauf, dass sich das tödliche Risiko ihres Medikaments „Koate“ noch nicht bis zu den Kunden in Fernost herumgesprochen hat.

San Francisco, Februar 1985. Inzwischen gibt es bei Cutter Lieferschwierigkeiten mit dem neuen „Koate HT“, wegen eines Großauftrags aus Kanada. Einer der Vertriebsleute verweist auf die in Hongkong und Taiwan sehr niedrigen Erlöse. Es sei deshalb zweckmäßig, Kanada zu beliefern und dafür die Umstellung in Asien weiter hinauszuzögern. Für Fernost bleibe von Mai bis Juli nur das alte, nicht-erhitzte Medikament. Eine erhebliche Menge sei man dort bereits losgeworden. Die Verkaufsabteilung werde versuchen, mehr abzusetzen.

„Das BCC-Komitee wird die Sache genau im Auge behalten und......nur dann verlangen, Präparate abzuschreiben, wenn alle anderen Optionen geklärt wurden.“

O-Ton Lexi J. Hazam, Rechtsanwältin:

„Sie bewerteten ihren Profit höher als die Gesundheit und das Leben ihrer Patienten!“

Laut Protokoll waren informiert: Jack Ryan, Präsident. Er lehnt jeden Kommentar ab.

Willi Ewald, deutscher Verkaufsmanager: kein Kommentar!

Karl Fischer, deutscher Abteilungsleiter: kein Kommentar!

Pete DeHart, Vertriebsmanager: kein Kommentar!

Wilhelm Schaeffler, deutscher Vorstand: kein Kommentar!

Merrill Boyce, Assistent des Vorstands...

Merrill Boyce ist nach mehr als einem Dutzend Absagen der erste ehemalige Cutter-Manager, der zu einem Interview bereit ist - auf dem Balkon seines Hauses, mit Blick auf San Francisco.

O-Ton Merrill T. Boyce, ehemaliger Cutter-Manager:

„Ich erinnere mich nicht an eine solche Diskussion, unsichere Präparate irgendwo hin abzuschieben. Ich erinnere mich, dass wir Medikamente zurückgerufen haben. Die Leute unseres damaligen Komitees halte ich für absolut integer. Hinter ihrer Entscheidung muss die Annahme gestanden haben, dass die Produkte sicher sind, unabhängig davon, ob sie erhitzt waren oder nicht.“

Ein Kloster, 30 Kilometer außerhalb von Taipeh. Yuan Tsai kommt regelmäßig hierher, um das Grab seines Sohnes Honda zu besuchen, und um im Tempel für dessen Seele zu beten. Yuan und seine Familie leben nach den Regeln strenggläubiger Buddhisten.

Honda Tsai war, als er 1996 an AIDS starb, ein bekannter Künstler in Taiwan. Nach der Diagnose, dass er sich als Bluter durch verseuchte Medikamente von Cutter aus Kalifornien infiziert hatte, zog sich Honda in sich zurück, wurde depressiv. Dieses Selbstbildnis entstand kurz vor seinem Tod.

Hongkong, Mai 1985. Seit einem halben Jahr werden die Patienten inzwischen mit Medikamenten versorgt, die wegen der AIDS-Verseuchung in Europa und in den Vereinigten Staaten längst verboten sind.

Cutters Vertriebsfirma im Caltex House ist empört. Deren Chef wurde bereits ins Gesundheitsministerium von Hongkong zitiert, musste sich fragen lassen, ob die Chinesen in den Augen der Amerikaner Menschen zweiter Klasse seien. Doch wieder geht ein abwiegelndes Fernschreiben aus San Francisco ein:

„...be assured...it is the same fine product we have supplied for years...“

...„Seien Sie versichert, es ist dasselbe feine Produkt, das wir seit Jahren liefern...“

O-Ton Thomas C. Drees:

„Ich erinnere mich, dieses Fernschreiben in den Cutter- Dokumenten gelesen zu haben, in dem es heißt, wir haben zwar nichts von dem neuen, erhitzten Produkt für euch übrig, aber wir haben dieses immer noch blendende Präparat, das so sicher ist. Ich bin überrascht, dass die Vertriebsfirma in Hongkong so dumm war, das Argument immer wieder zu akzeptieren, über dieses angeblich so gute alte Präparat, das die Patienten umbringen würde.“

Im Mai 1985 eskaliert der Streit zwischen Hongkong und San Francisco. Inzwischen hat sich Cutters Exportpolitik herumgesprochen. Patienten gehen auf die Barrikaden, Ärzte sind empört, Journalisten beginnen mit Recherchen. Cutters Exportmanager hält das in einem Vermerk fest.

O-Ton Diktat:

„Die Kontroverse könnte zu Schlagzeilen auf der Titelseite der South China Morning Post führen... Reporter verlangen Auskunft, warum Hongkongs Patienten nicht das hitzebehandelte Produkt bekommen...Noch halten sich die Ärzte die feindliche Presse mit Verzögerungstaktiken vom Hals...“

O-Ton Merrill T. Boyce, ehemaliger Cutter-Manager:

„Haben Sie den Vermerk?“

Autor: „Ja!“

„Kann ich ihn sehen?“

O-Ton Diktat: „Wir haben den Universitäts-Ärzten... 350 Flaschen des neuen, hitzebehandelten „Koates“ besorgt... ... für jene Patienten, die am lautesten jammern.“

O-Ton Merrill T. Boyce/ehemaliger Cutter-Manager:

„Ich denke, dass so eine Entscheidung komplexer ist als das, was Sie da herauslesen. Allerdings, sollte sich herausstellen, dass wir damals schon mit absoluter Sicherheit wussten, dass die alten Präparate infektiös waren, dann wäre es tatsächlich eine schlechte Entscheidung gewesen.“

Taipeh, Juli 1985, wieder zwei Monate später. Während der Vertrieb des nicht-hitzebehandelten „Koate“ in Hongkong zwischenzeitlich wegen drohender Presse-Veröffentlichungen gestoppt wurde, erhalten die bluterkranken Kinder in Taiwan weiterhin das alte Produkt. Im fernen San Francisco sind die Lager immer noch voll.

Auch in Cutters Vertriebsfirma in Taipeh herrscht Alarmstimmung. Sie kontrolliert 80 Prozent des taiwanesischen Marktes. Auf der Insel sind die ersten HIV-Infektionen überhaupt diagnostiziert worden. Ausgerechnet bei Blutern! Bei ihren Kunden! Wurde AIDS durch „Koate“ nach Taiwan eingeschleppt?

Bei Cutter vor den Toren von San Francisco macht man sich mehr Sorgen um die Verkaufszahlen: „Die asiatischen Ärzte sind vorsichtig geworden... „Koate“-Umsätze in Taiwan sind im Keller. Wir werden hitzebehandeltes „Koate“ brauchen, um Umsätze zurück zu gewinnen“

O-Ton Wun-Fu, Medikamenten-Opfer:

„Wir hatten direkten Kontakt mit dem Importeur, der uns die Medikamente verkaufte, die dann im Krankenhaus von den Ärzten gespritzt wurden. Wir hätten sicherlich eine Zeitlang anders behandelt werden können. Aber uns hat damals niemand gewarnt, weder die Firma, noch die Ärzte.“

Wun-Fu lebt seit 20 Jahren mit der Infektion, aber erst seit einem Jahr ist AIDS bei ihm massiv ausgebrochen. Von den damals infizierten Blutern in Taiwan sind inzwischen mehr als zwei Drittel gestorben.

Zwanzig Jahre nach Cutters Entscheidung, AIDS-verseuchte Medikamente nach Asien zu verkaufen, sieht sich John Hink erstmals mit den Opfern konfrontiert.

O-Ton John H. Hink, ehemaliger Cutter-Manager:

„Es tut mir Leid, dass das passiert ist! Aber ich denke auch, dass ich nicht in der Lage bin, zu erklären, dass Entscheidungen, die damals getroffen wurden, an denen ich beteiligt gewesen sein mag oder auch nicht....

...nicht alle Entscheidungen haben sich inzwischen als richtig herausgestellt. Keiner von uns ist unfehlbar!....Die Art, wie Sie Fragen stellen, gibt dem Ganzen sicherlich einen Anstrich, wie: Verdammt, hätten wir das Zeug damals weggeschmissen, hätten diese Menschen wahrscheinlich nicht die Krankheit bekommen...“

Tokio, August 1985, wieder ein Monat später. Auch in Japan geht der Verkauf der verseuchten Präparate weiter. Cutter Japan hat noch riesige Bestände auf Lager. Dabei würde die Arzneimittelbehörde in Tokio dem neuen, AIDS-sicheren Produkt lieber heute als morgen eine Zulassung erteilen.

O-Ton Diktat:

„Wenn die Zulassung noch im August kommt, werden wir...potentiell nicht mehr verkäufliche Präparate...auf Lager haben. ...Cutter Japan könnte versuchen,...die Zulassung des neuen Produkts hinauszuzögern...“

O-Ton Thomas C. Drees: „Klar versuchten sie, das hinauszuzögern, denn so konnten sie hoffen, wir werden das alte Zeug los, das wir noch haben!‘“

O-Ton John H. Hink, ehemaliger Cutter-Manager:

„Ich weiß...ich war nicht...Ich bin sicher, dass ich damals in diesen Vermerk der Geschäftsleitung nicht eingeweiht wurde! Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich das höre! Was ich gemacht hätte, wenn ich damals davon erfahren hätte? ...Ich vermute, ich hätte gesagt, das ist ihre Angelegenheit, nicht meine.“

O-Ton Merrill T. Boyce, ehemaliger Cutter-Manager:

„Sie sprechen von Schuld, aber ich frage mich, ob eine Firma Schuld haben kann. Sicherlich gibt es eine Verantwortung für Entscheidungen, die getroffen wurden und dafür, dass es unzulässige Entscheidungen waren. Und diese Verantwortung muß die Firma tragen.“

Autor: „Wäre es, nach 20 Jahren, nicht auch eine Pflicht für die damals verantwortlichen Personen, um Verzeihung zu bitten?“

Merrill T. Boyce: „Ich denke...sicherlich...also...dieser Weg ist oft schwer zu beschreiten, ... aber wenn es das ist, was die Opfer und ihre Familien erwarten...Alles was zu tun ist, um ihre ünsche zu befriedigen, sollte wahrscheinlich getan werden.“

O-Ton Jacky:

„Ich denke, sie sollten sich auch entschuldigen. Und bestraft werden! Andererseits: Wenn sie ins Gefängnis gehen, werde ich dadurch auch nicht wieder gesund.“

O-Ton Menn:

„Die Pharmafirma muss vor Gericht gestellt werden! Sie hat das Medikament verkauft, obwohl sie wusste, dass es mit AIDS verseucht ist. Nur wegen des Profits! Das ist doch Mord!“

O-Ton Wun-Fu:

„Natürlich müssen wir vor Gericht kämpfen, damit die ganze Wahrheit ans Licht kommt. Das dauert natürlich. Und ich frage mich, ob sie vielleicht auf eine „biologische Lösung“ spekulieren, also dass ich den Tag vielleicht gar nicht mehr erleben werde.“

O-Ton Charles A. Kozak, Rechtsanwalt:

„Wir haben in den Dokumenten sehen können, dass Bayer gleich zu Anfang der AIDS-Katastrophe jemanden herüberschickte, um die Strategie festzulegen. Und die entschieden dann, dass, obwohl wahrscheinlich innerhalb von ein, zwei Jahren 5.000 Bluter an AIDS erkranken würden, Cutter die Präparate weiter vermarkten solle.“

Auf dem ehemaligen Cutter-Gelände produziert die Bayer AG heute gentechnologische Medikamente. Die Deutschen in der Cutter Führungsetage wussten damals genau, was sie taten. Das belegt ein internes Fernschreiben des Headquarters in San Francisco. Im November 1984, zur selben Zeit, als die Exportabteilung Hongkong wissen ließ,...

„...we must use up stocks“

...“Wir müssen die Lagerbestände des alten Präparats aufbrauchen...“

...warnte der deutsche Vertriebsmanager Willi Ewald einen australischen Kunden vor eben diesem Produkt...

„...angesichts der Gefahren, die nicht-erhitzte Präparate für Bluter bedeuten könnten.“

Jede weitere Verwendung, so Hinks Kollege Ewald...

„...cannot be justified“

...„kann nicht gerechtfertigt werden!“

O-Ton John H. Hink, ehemaliger Cutter-Manager:

„Als die Umstellung kam auf das neue, erhitzte Produkt und der Boss eine Entscheidung verlangte, was mit den Lagerbeständen des alten Produkts gemacht werden soll, wurde entschieden, anstatt sie wegzuschmeissen, wollen wir sie lieber in andere Länder verkaufen...

...Und das führte dann zum Verlust von Menschenleben und zu Gesundheitsschäden.

..Ich denke, ich habe Fehler gemacht...ich denke, ich hätte Dinge besser machen können...und, ich denke, unter diesen Umständen, wenn man die Folgen sieht, bin ich froh, jetzt darüber reden zu können.“

Bis Ende 1985 wurden durch den „tödlichen Ausverkauf“ mehrere hundert Patienten in Asien mit AIDS infiziert. Die genaue Zahl der Opfer ist nicht bekannt, ebenso wenig die Zahl der Überlebenden. Cutter erzielte etwa vier Millionen Dollar aus dem Export der verseuchten Präparate.

Die Bayer AG lehnt jede Stellungnahme zu den konkreten Vorwürfen dieses Filmes ab. Das Unternehmen teilt lediglich mit, man empfinde „größtes Mitgefühl“ mit den Opfern, bestreite aber „jegliches Fehlverhalten bei der Herstellung und Vermarktung dieser Produkte“.

Hinweis: Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar, insbesondere darf er weder vervielfältigt, verbreitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden.

Wirtschaftswoche

CBG Redaktion

12. August 2003

Bayer droht neue Klage in den USA

Dem Leverkusener Chemie- und Pharmakonzern Bayer steht im Zusammenhang mit Blutermedikamenten in den USA möglicherweise eine Klage ins Haus.

Das „Wall Street Journal Europe“ berichtete am Montag, Anwälte, die sieben Bürger aus Taiwan repräsentierten, hätten bei einem kalifornischen Gericht Klage gegen die US-Tochter von Bayer und weitere Unternehmen wegen angeblich mit dem HIV-Virus verseuchter Gerinnungsmedikamente für so genannte Bluterkranke in den achtziger Jahren eingereicht. Zahlreiche Menschen sollen damals in Folge der Behandlung mit solchen Mittel an Aids erkrankt sein. Ein Bayer-Sprecher sagte dazu: „Bayer hat bislang noch nichts erhalten, aber nach Eingang werden wir die Anschuldigungen überprüfen und uns entschieden verteidigen.“

Nach Angaben der Zeitung wurde in den USA 1984 ein für Bluterkranke dringend benötigtes Gerinnungspräparat genehmigt, welches zur Abtötung von HIV-Viren hitzevorbehandelt wird. Laut Klage sollen Bayer und andere Firmen aber noch mehr als ein Jahr danach eine unbehandelte Form des Mittels in Taiwan und anderen Märkten weiter verkauft haben, hieß es in dem Zeitungsartikel. Neben Bayer richte sich die Klage auch gegen Baxter Healthcare, Armour Pharmaceutical Co, Alpha Therapeutic sowie die Tochter Aventis Behring des französisch- deutschen Aventis-Konzerns.

Die Zeitung berichtete, 53 Personen in Taiwan seien an Aids erkrankt, nachdem sie das unbehandelte Blutmedikament „Faktor VIII“ verabreicht bekommen hätten. Das Mittel wird zur Behandlung der Bluterkrankheit eingesetzt - eine angeborene Störung der Blutgerinnung. In den USA waren 1997 nach der Einrichtung eines Fonds durch mehrere Pharmafirmen für geschädigte Bluterpatienten bereits Klagen von mehr als 6000 Geschädigten beigelegt worden. Insgesamt hatten die Firmen 600 Mill. Dollar gezahlt, der Anteil von Bayer betrug damals früheren Firmenangaben zufolge schon 290 Mill. Dollar.

aus der „Wirtschaftswoche“

[Kirchentag] Coordination gegen BAYER-Gefahren auf ökumen. Kirchentag in Berlin

CBG Redaktion

Sa. 31. Mai, 15 Uhr: Veranstaltung mit Klaus Werner (Autor „Schwarzbuch Markenfirmen“)

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) präsentiert ihre Arbeit auf dem ökumenischen Kirchentag in Berlin. Das Motto des gemeinsam mit der Solidarischen Kirche konzipierten Stands lautet: „Der Globalisierung der Konzerne widerstehen - Kritik am Beispiel BAYER“.

Auf dem Stand werden zwei Themen dargestellt:

1. Vergiftungen mit BAYER-Pestiziden in philippinischen Bananen- Plantagen. Hintergrund: der Konzern ist zweitgrößter Hersteller von Agrogiften und verantwortlich für die Vergiftung zehntausender Landarbeiter in aller Welt

2. BAYER und der Bürgerkrieg in Zentralafrika. Die Tochterfirma H.C. Starck hat über Jahre hinweg das Mineral Coltan aus dem Osten des Kongo bezogen und hierdurch Millionenbeträge in die mörderische Kriegswirtschaft im Kongo gepumpt. Zum Thema Coltan findet auf dem Stand der Coordination am Samstag, den 31.5. um 15 Uhr eine Informationsveranstaltung statt. Referent ist Klaus Werner, Autor des Bestsellers „Schwarzbuch Markenfirmen“.

Die CBG fordert einen Verkaufs-Stopp hochgefährlicher Pestizide und ein überprüfbares Ende von Coltan-Importen aus dem Kongo, solange diese den Kriegsparteien dienen. Für beide Forderungen werden auf dem Kirchentag Unterschriften gesammelt.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren dokumentiert seit 25 Jahren Gefahren und Mißstände, die von dem Chemie- und Pharmamulti BAYER ausgehen: Holzschutzmittel, gefährliche Pestizide, unbrauchbare Medikamente, risikoreiche Produktionsbedingungen in Entwicklungs-
ländern, die IG Farben-Geschichte, aidsverseuchte Bluterpräparate, Einflussnahme auf Politik und Gesellschaft, Gentechnik, Emissionen in Luft und Wasser, etc. In der CBG haben sich Betroffene, Anwohner, Journalisten und Wissenschaftler zusammengeschlossen, um dem mächtigen Konzern Paroli zu bieten.
Sie finden uns vom 28. - 31. Mai in der:
Messe Berlin, Halle 3.2., Stand F 27

UN

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 31.08.2002

Der Ausverkauf der Vereinten Nationen

Hintergründe zum Umweltgipfel von Johannesburg

„Die Einstellung der Vereinten Nationen gegenüber dem Privatsektor hat sich in den vergangenen Jahren radikal verändert. Kooperation kommt heute vor Konfrontation.“ Mit diesen Worten wirbt Kofi Annan, General-
sekretär der UN, für den „Global Compact“, einem Abkommen zwischen ursprünglich 44 multinationalen Konzernen und den Vereinten Nationen. Aus Deutschland dabei: die Chemie-Konzerne BASF, Aventis und Bayer, die Autobauer BMW und DaimlerChrysler sowie die Deutsche Bank.

In dem vor zwei Jahren unterzeichneten Compact bekennen sich die Unternehmen zu neun Grundsätzen aus den Bereichen Umweltschutz, Arbeitssicherheit und Einhaltung der Menschenrechte. Die Prinzipien basieren auf der Erklärung der Menschenrechte von 1949, dem Weltsozialgipfel von 1995 und dem Umweltgipfel von Rio 1992. Außerdem verpflichten sich die Konzerne, Musterprojekte zu initiieren und somit ihr Engagement zu belegen. Um den Fortschritt im Rahmen der Kooperation zu dokumentieren, will die UN geprüfte Fallbeispiele veröffentlichen, die der Öffentlichkeit zur Begutachtung freistehen.

Zweifelhafte Partnerschaften

Die Bekanntgabe der Vereinbarung, der sich mittlerweile mehrere hundert Firmen angeschlossen haben, erfolgte nach einjährigen Verhandlungen von Kofi Annan mit der International Chamber of Commerce (ICC), der weltweit größten Lobbyorganisation multi-
nationaler Unternehmen. Die ICC vertritt weltweit rund 7000 Firmen, wird jedoch von rund 50 Großkonzernen dominiert. In den Verhandlungen mit der UN setzte der Lobbyverband eine unternehmerfreundliche Formulierung der „Prinzipien“ des Compact sowie - vor allem - deren völlige Unverbindlichkeit durch.

Mit der ICC suchte sich Annan ausgerechnet diejenige Organisation aus, die sich in der Vergangenheit am vehementesten gegen internationale Umwelt-Abkommen gewehrt hat. Sowohl die Formulierung des Kyoto-Protokolls zur Senkung des CO2-Ausstoßes wie auch die Biodiversitäts-Konvention, das Protokoll von Montreal zum Schutz der Ozonschicht und die Basel-Konvention gegen Giftmüllhandel wurden von der ICC als unpraktikabel und wirtschaftsfeindlich gegeißelt und durch anhaltenden Druck auf die Politik abgeschwächt.

Lobbypolitik von Rio ....

Erstmals wurden die Konzerne bei der Vorbereitung des Umweltgipfels von Rio 1992 als gleichberechtigte Partner internationaler Institutionen behandelt. Das 160 Konzerne umfassende World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) war maßgeblich bei der Erstellung der Tagesordnung und des Abschlussdokumentes beteiligt. So setzte sich die neoliberale Sichtweise durch, nach der freie Märkte und Wirtschaftswachstum eine Voraussetzung von Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung sind und nach der die Industrie ein solches Wachstum nur garantieren könne, wenn sie ohne bindende Rahmen-
bedingungen arbeiten kann. Stattdessen werden seit Rio „freiwillige Selbstverpflichtungen“ propagiert, bei deren Nicht-Einhaltung jedoch keine Konsequenzen drohen.

Kein Zufall war es, dass ebenfalls 1992 die UN Kommission zu Transnationalen Konzernen (UNCTC) ersatzlos geschlossen wurde. Die UNCTC war die einzige UN-Organisation, die seit den 70er Jahren die Aktivitäten der Multis überwachte. Der Versuch der UNCTC, weltweit bindende Regeln für Arbeitssicherheit, Einhaltung von Gesetzen und Umweltschutz aufzustellen, war der Industrie ein ständiger Dorn im Auge.

.... bis Johannesburg

1995 bildeten ICC und WBCSD gemeinsam, speziell für die Vorberei-
tung des Gipfels in Johannesburg, einen weiterer Lobbyverband: die Business Action for Sustainable Development (BASD) mit dem blumigen Motto „People, Planet, Prosperity“ (Menschen, Planet, Wohlstand). Geleitet wird die BASD ausgerechnet von Sir Mark Moody Stuart, zuvor Chef des Ölkonzerns Shell, der seit Jahren Ziel zahlreicher Kampagnen von Umweltschützern und Menschenrechtlern ist. Stuart hat als Shell-Boss die Versenkung der Ölplattform Brent Spar sowie das Engagement in Nigeria, das zur tragischen Exekution von Ken Saro-
Wiwa führte, zu verantworten. Die Rolle des BASD in Johannesburg beschreibt Stuart siegessicher: „Wir möchten auf dem Umweltgipfel eine konstruktive Rolle spielen. Die Industrie ist Teil der Lösung bei der Schaffung einer nachhaltigen Entwicklung“.

Bindende Regeln ausgehebelt

Weder WBCSD noch BASD stellen Mindestanforderungen bei der Aufnahme neuer Mitglieder. So finden sich im WBCSD, dem „grünen Gewissen“ der Industrie, Ölfirmen wie BP, StatOil, TotalFinaElf und ChevronTexaco, die Autobauer DaimlerChrysler, Nissan, Ford und General Motors, Chemie-Konzerne wie Dow, DuPont, BASF, ICI und Aventis sowie Gentech-Anbieter wie Monsanto, PowerGen und Bayer. Zu den Unterstützern des BASD gehören neben dem Weltverband der Chemischen Industrie und dem Bund der Deutschen Industrie auch das Europäische Atomforum und die World Nuclear Association.

Hauptaktivität des BASD sind die anekdotenhafte Veröffentlichung von „Musterprojekten“ einzelner Firmen, darunter mehrere Atomenergie-
Projekte sowie ein Gas-Pipeline-Projekt. Schon Anfang 2002 protzte BASD-Chef Stuart, dass der Verband „sehr enge Verbindungen zu den Vereinten Nationen aufgebaut hat, um die Ideen der Wirtschaft für die Struktur des Gipfels einzubringen“. Offenbar mit Erfolg: Hieß es im Januar im Entwurf für das Abschlussdokument noch „ein multinationales Abkommen, das die Verantwortlichkeiten von Unternehmen benennt, soll auf den Weg gebracht werden“, so finden sich im letzten Entwurf vor Beginn des Gipfels wolkige Formulierungen wie „Förderung der Verantwortung der Wirtschaft im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung“. Bindende Regeln bezüglich der Einhaltung von Menschenrechten oder dem Umweltschutz sind in dem Entwurf nicht mehr enthalten.

Kofi Annan: Büttel der Konzerne

Der Global Compact stellt den vorläufigen Höhepunkt der „Kooperation“ von Vereinten Nationen und multinationalen Unternehmen dar. Nach Angaben der UN haben mittlerweile mehrere hundert Konzerne den Vertrag unterschrieben - allerdings werden bislang nur 81 Unternehmen öffentlich genannt, darunter so illustre Namen wie Shell, BP, Novartis, Nokia, Nike, ABB und Deutsche Bank.

Annan wirbt um weitere Mitglieder, indem er sich unumwunden zum Anwalt einer konzerngesteuerten Globalisierung macht: „Sowohl die Vereinten Nationen als auch die Wirtschaft dienen einem höheren Zweck: dem Schutz der Menschheit.„ Das Abkommen werde einen Dialog zwischen der Industrie und „anderen sozialen Gruppen“ ermöglichen, so dass “Unternehmen, die sich zu den Prinzipien des Global Compact bekennen, dem Druck der Zivilgesellschaft viel besser begegnen können.“

Fehlende Kontrolle

Bei der Auswahl der Partner aus der Wirtschaft legen die UN keine noch so tiefe Messlatte an: alle Unternehmen – vom Hersteller von Atomkraft-
werken bis hin zu Ölkonzernen - werden akzeptiert. Informationen unabhängiger Beobachter über das Verhalten der Firmen holen die UN nicht ein. Nach der Unterzeichnung durch das jeweilige Unternehmen erfolgt keinerlei Überprüfung der Einhaltung der Prinzipien oder der „Musterprojekte“ – sämtliche Übereinkünfte sind „non-binding“, also unverbindlich.

Die Firmen nutzen die publicity-trächtige Verbindung mit der wichtigsten internationalen Organisation weidlich: fast alle beteiligten Unternehmen rühmen ihr vorbildliches Engagement im Rahmen des Abkommens auf ihren homepages und in eigens veröffentlichten Broschüren. In den Geschäftsberichten von DaimlerChrysler und Bayer wird sogar eine Rede von Kofi Annan als Grußwort abgedruckt - mit Foto und UN-Logo.

Kritik wird lauter

Seit Anfang des Jahres wird die Kritik am Schmusekurs der UN mit der Wirtschaft lauter. Zahlreiche Gruppen kritisieren, dass profitorientierte Konzerne ihre eigenen Regeln aufstellen, anstatt durch die Legislative zu verbindlichen Standards gezwungen zu werden. Der internationale Umweltverband Friends of the Earth beklagt eine „schleichende Übernahme der Vereinten Nationen durch die Privatwirtschaft“ und befürchtet, dass „auf Freiwilligkeit beruhende Abkommen die Verab-
schiedung bindender Regeln verzögern“ und damit mehr Schaden anrichten als Gutes tun.

In der Allianz für eine wirtschaftsunabhängige UN haben sich zwanzig Umwelt-, Gesundheits- und Entwicklungs-Organisationen aus allen Teilen der Welt zusammen geschlossen. Der Verband kritisiert die Einflussnahme der Konzerne als undemokratisch und befürchtet eine Gefährdung des Ansehens und der Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen - mit weitreichenden Konsequenzen für die zahlreichen Missionen der UN.

In einem gemeinsamen Brief an Kofi Annan fordert die Allianz die UN auf, keine Partnerschaften mit Unternehmen einzugehen. Der Unter-
schied zwischen gemeinnützigen und demokratisch legitimierten Institutionen auf der einen und profitorientierten Konzernen auf der anderen Seite dürfe nicht verwischt werden. Die UN müsse ein Forum einrichten, das Bewertungen der „Musterprojekte“ entgegennimmt, Verstöße gegen die Prinzipien des Compact untersucht und lernunwillige Firmen ausschließt. Die teilnehmenden Unternehmen müssten alle Ziele und Konventionen der UN und ihrer Tochterorganisationen aktiv unterstützen - andernfalls könnten sich Firmen gleichzeitig im Licht der UN sonnen und deren Ziele, z.B. das Kyoto Abkommen gegen die Erderwärmung, hintertreiben.

Erste Widerstände in der UN

Die bisherigen Veröffentlichungen über die Anstrengungen der Unternehmen zeigen, dass es auch innerhalb der UN Bedenken gegen die Zusammenarbeit gibt. Auf einem „Learning Forum“ 15 Monate nach Inkrafttreten des Abkommens äußerten UN-Offizielle, dass „keines der eingebrachten Musterprojekte die Kriterien eines Fallbeispiels im Rahmen des Global Compact erfüllt“. Auch zwei Jahre nach Unter-
zeichnung des Vertrags findet sich auf der website der UN keine anerkannte Fallstudie. Die zahlreichen vorgestellten Projekte werden unverbindlich als „Beispiele des Engagements der Wirtschaft“ geführt.

Kritiker fragen, wie die Öffentlichkeit die Fortschritte des Compact begutachten soll, wenn selbst die angeblichen Musterfirmen zwei Jahre nach Unterzeichnung der Vereinbarung kein einziges Beispiel für nachhaltiges Verhalten anführen können. Sogar die unternehmerfreund-
liche New York Times kritisierte, dass „der Global Compact den größten und reichsten Unternehmen erlaubt, sich in eine blaue UN-Flagge zu hüllen, ohne irgendetwas Neues dafür zu tun“.

Fallbeispiel Bayer AG

Um die fehlende Bereitschaft der Unternehmen aufzuzeigen, wirkliche Schritte in Richtung eines sozial und ökologisch verantwortungsbewuss-
ten Handelns zu gehen, sollen nun exemplarisch die Referenzprojekte der Bayer AG untersucht werden. Der Leverkusener Chemie-, Pharma- und Gentechnik-Riese, der jährlich rund 28 Milliarden Euro umsetzt und dessen Imperium rund 240 Tochterfirmen umfasst, gehört zu den Erstunterzeichnern des Global Compact. Auf seiner homepage befindet sich ein eigener Bereich, der umfangreich über die Kooperation mit der UN informiert. Neben einem leicht verfremdeten Logo der Vereinten Nationen findet sich das Bekenntnis „Die Global Compact Prinzipien decken sich mit den unternehmenspolitischen Prinzipien von Bayer. Unsere technische und wirtschaftliche Kompetenz ist für uns mit der Verantwortung verbunden, zum Wohle des Menschen zu arbeiten und unseren Beitrag für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung zu leisten.“

In der Realität hatten in der fast 140jährigen Bayer-Geschichte Profite stets Vorrang gegenüber Umweltschutz und sozialen Werten: Zu Beginn des letzten Jahrhunderts vermarktete der Konzern aggressiv das „Hustenmittel“ Heroin, obwohl die drohenden Heroin-Abhängigkeiten längst bekannt waren. Im ersten Weltkrieg erfand die Firma Chemische Kampstoffe und setzte sich vehement für deren Verwendung ein. Im Rahmen der IG Farben war der Konzern tief in das Dritte Reich verstrickt und war für Menschenversuche, den Tod Tausender Zwangsarbeiter und die Plünderung der eroberten Gebiete verantwortlich. In den 80er Jahren wurden Tausende Bluter durch Bayer-Produkte mit HIV infiziert - der Konzern hatte trotz Kenntnis des Ansteckungsrisikos auf Testverfahren verzichtet und noch Jahre nach Auftreten der ersten Infektionen alte Chargen verkauft. Aktuelle Skandale umfassen die jahrelang bekannten Nebenwirkungen von Lipobay, denen mindestens 100 Patienten zum Opfer fielen, sowie die umstrittenen Versuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen.

Global Compact Projekte von Bayer

Bayer ist Mitglied hunderter einflussreicher Lobbygruppen - neben der oben genannten ICC und dem WBCSD sind die wichtigsten der European Table of Industrialists, der Trans-Atlantic Business Dialogue, die Global Crop Protection Federation und EuropaBio. Um das Engagement im Rahmen des Compact zu belegen, dokumentiert Bayer auf seiner homepage vier Projekte:

1. finanzielle Unterstützung für die brasilianische Abrinq-Stiftung, die gegen Kinderarbeit kämpft;
2. Medikamenten-Spende an die Weltgesundheitsorganisation WHO im Rahmen eines Programms gegen die Schlafkrankheit;
3. Anstrengungen gegen die Ausbreitung von Antibiotika-
Resistenzen;
4. Trainingsprogramme für brasilianische Bauern und Landarbeiter.

Außerdem spendete Bayer Medikamente nach den Erdbeben in Indien und El Salvador und spendete nach dem 11. September eine Million Dollar an amerikanische Hilfsorganisationen.

Die genaue Bewertung der Spenden an die WHO, an die Abrinq-Stiftung sowie nach den genannten Naturkatastrophen fällt schwer, da Bayer die Höhe der Aufwendungen nicht veröffentlicht. Im Geschäftsbericht des Unternehmens wird jedoch keine Spende erwähnt, die höher als 1 Million Euro ist.

Es ist instruktiv, diese Summen mit den von Bayer gezahlten bzw. nicht gezahlten Steuern zu vergleichen: Lagen die weltweiten Unternehmens-
Steuern von Bayer im Jahr 2000 noch bei rund 1,15 Milliarden Euro, so wurden diese im vergangenen Jahr um fast 90% reduziert: gerade noch 150 Millionen Euro überwies der Konzern an Bund und Länder. Allein das Land NRW musste 250 Millionen Euro abschreiben.

Zu verdanken hatte Bayer dieses Steuer-Geschenk einem alten Bekannten: Heribert Zitzelsberger. Bevor Hans Eichel ihn als Staatssekretär mit der Unternehmenssteuer-„Reform“ betraute, war er Leiter der Steuer-Abteilung bei Bayer. „Keinem der Berliner Großkopfeten hat die deutsche Groß-Industrie so viel Wohltaten zu verdanken wie Heribert Zitzelsberger“, kommentierte die Berliner Zeitung.

Sämtliche wohltätigen Gaben von Bayer machen also maximal einige Prozent der eingesparten Steuern aus. Die Öffentlichkeit wäre mit angemessenen Steuern, über die sie frei verfügen könnte, weit besser bedient als mit einzelnen, willkürlich verteilten Spenden.

Initiative „Agrovida“

Bayer ist weltweit der zweitgrößte Pestizidhersteller. Im Bereich der hochgefährlichen Insektizide, mit denen sich jährlich zehntausende Landarbeiter tödlich vergiften, ist der Leverkusener Konzern die Nummer eins. 1995 versprach das Unternehmen, innerhalb von fünf Jahren alle Pestizide der Gefahrenklasse 1 („extrem gefährlich“) vom Markt zu nehmen. Bis heute wurde dieses Versprechen allerdings nicht umgesetzt.

Um „die Risiken für Mensch und Umwelt zu minimieren“, startete Bayer in Südbrasilien die Initiative „Agrovida“. Im Rahmen des Programms sollen „mehrere tausend Menschen“ in den sicheren Umgang mit Pflanzenschutzmitteln eingeführt werden. Die Firma selbst gibt zu, dass „das Training vielleicht nur ein erster Schritt“ sein könne.

Abgesehen davon, dass nur eine Einführung in den Organischen Landbau eine wirklich nachhaltige Maßnahme gewesen wäre: einige tausend Personen zu schulen, mag sinnvoll sein oder auch nicht, es ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Millionen Landarbeiter in Ländern des Südens hochtoxische Bayer-Produkte verwenden, ohne jemals eine Schulung erhalten zu haben und ohne über angemessene Schutzkleidung zu verfügen.

Nach Angaben der UN treten jährlich mehr als 10 Millionen Pestizid-
Vergiftungen auf. Ein von der UN-Abteilung FAO initiierter Kodex zum Verkauf von Agrogiften wurde von Bayer zwar unterschrieben, wird jedoch von der Firma täglich verletzt: laut Kodex sollen Pestizide der Gefahrenklasse 1 nur an „trainierte und zertifizierte Personen“ verkauft werden, die einen Ganzkörperschutz tragen. Wenn diese Bedingungen nicht erfüllt werden, sollen die Mittel laut Kodex vom Markt genommen werden. Zahlreiche Recherchen von Journalisten und Umweltverbänden belegen jedoch, dass sämtliche Bayer-Produkte an jedermann verkauft werden und von Landarbeitern ohne Kenntnis der Gefahren und ohne Schutz verwendet werden.

Die im Rahmen des Global Compact vorgestellte Initiative muss also als Augenwischerei bezeichnet werden. Ein verantwortungsbewusstes Handeln wäre nur durch eine Einhaltung des FAO-Kodex und einen Verkaufs-Stopp der risikoreichsten Wirkstoffe zu erreichen.

Antibiotika und resistente Bakterien

Nach Angaben der WHO gehören Antibiotikaresistenzen zu den größten medizinischen Problemen des 21. Jahrhunderts. Längst besiegt geglaubte Krankheiten breiten sich wieder aus, da resistente Keime mit herkömmlichen Antibiotika nicht mehr bekämpft werden können. Einer der Hauptgründe für die Ausbreitung von Resistenzen ist der massen-
hafte Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht. In der EU landen mehr als die Hälfte aller Antibiotika im Tierstall - es entstehen resistente Bakterienstämme, etwa von Salmonellen, die über die Nahrungskette in den menschlichen Körper gelangen und unbehandelbare Infektionen auslösen können.

Bayer gehört weltweit zu den größten Herstellern von Antibiotika und ist zudem drittgrößter Hersteller von Veterinärprodukten. Die Substanz-
klasse der Fluoquinolone vermarktet der Konzern sowohl für Menschen („Ciprobay“) als auch für Tiere („Baytril“). In Deutschland ist Baytril seit 1995 zugelassen und wird in großem Umfang zur Behandlung von Schweinen verwendet, als Fütterungsarznei wurde das Präparat nach Protesten wieder vom Markt genommen. In den USA wird das Präparat an Hühner, Truthähne und Rinder verfüttert.

Das Unternehmen hat die Initiative „Libra“ gestartet, in derem Rahmen „Ärzte, Patienten und Entscheidungsträger“ über die Gefahren von Resistenzen informiert werden, um „den unsachgemäßen Einsatz von Antibiotika einzuschränken“. Blumig heißt es auf der Bayer-website: „Libra ist das lateinische Wort für Waage. Sie symbolisiert die Ausgewogenheit der Antibiotika-Therapie.“ Und weiter: „Nur so kann die Wirksamkeit dieser Arzneimittel zum Schutze der Bevölkerung erhalten bleiben. Damit passt das Bayer-Engagement in idealer Weise zum Global Compact und seinen Zielen.“

In der Realität trägt aber gerade der massenhafte Verkauf von Baytril zur Entstehung von Resistenzen bei: Nach Erkenntnis der US-Gesundheits-
behörde Food and Drug Administration (FDA) entstehen allein durch die Verfütterung von Fluoquinolonen an Hühner resistente Keime, mit denen jährlich mehr als 5.000 Amerikaner infiziert werden. Nach Angaben der FDA sind Fluoquinolone eine „wichtige Ursache“ für Infektionen mit Campylobacter Bakterien. Bis zu 80% der verkauften Hühner enthalten zum Teil resistente Campylobacter-Bakterien.

Die Behörde ersuchte daher die beiden Hersteller, Abbott und Bayer, das Präparat vom Markt zu nehmen. Während Abbott direkt reagierte, legte das deutsche Unternehmen Beschwerde ein. In den USA bildete sich daraufhin eine Koalition von Ärzteverbänden und Umweltorgani-
sationen, um ein Einlenken von Bayer zu erreichen. Vertreter der Initiative befürchten, dass im Laufe des mehrjährigen Beschwerde-
verfahren die Zahl der Resistenzen stark ansteigt und Fluoquinolone unbrauchbar geworden sind.

Kritische Anfragen von Journalisten oder engagierten Privatpersonen beantwortet Bayer seit vergangenem Jahr routinemäßig mit einem Verweis auf den Global Compact und den darin enthaltenen Anstrengungen. Es bleibt der Zivilgesellschaft überlassen, diese Aktivitäten als Ablenkungsmanöver zu enttarnen.

AIDS

CBG Redaktion

23. November 2000

Entschädigung AIDS-kranker Bluter:

Bayer AG soll Stiftung finanzieren

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert das Unternehmen Bayer auf, die Rentenzahlungen an HIV-infizierte Bluter vollständig zu übernehmen. Die im Jahr 1995 eingerichtete Stiftung für die Opfer von verseuchten Blutkonserven steht vor dem Aus, da ihr Grundkapital größtenteils aufgebraucht ist. Bayer war als Weltmarktführer für Faktor VIII-Präparate verantwortlich für die HIV-Infektion Tausender Bluter.
Hubert Ostendorf von der CBG: „Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags hat eindeutig bestätigt, dass die Aids-Gefahr für Bluter frühzeitig bekannt war. Lediglich aus Kostengründen wurden die bestehenden Sicherungsverfahren damals nicht eingesetzt - Tausende von Blutern mussten dieses Versäumnis mit ihrem Leben bezahlen.“ Obwohl Mitarbeiter von Bayer intern bereits 1983 vor einer „gigantischen Epidemie“ warnten, weigerte sich das Unternehmen lange, entsprechende Tests und eine Hitze-Behandlung der Gerinnungspräparate einzuführen. Als diese Verfahren in den USA obligatorisch wurden, setzte Bayer die unbehandelten Produkte weiter in Japan und Lateinamerika ab. Ostendorf fordert daher neben der Übernahme der Rentenzahlungen durch die Bayer AG auch eine strafrechtliche Verfolgung der verantwortlichen Manager.
Während der Leverkusener Konzern allen japanischen Opfern auf Druck der dortigen Regierung 630.000 Mark Entschädigung, eine monatliche Rente und alle Behandlungskosten bezahlt, wurde in Deutschland lediglich eine Stiftung gegründet, die eine Minimalrente garantiert. Die Kosten dafür trägt zum größten Teil die Allgemeinheit - Bayer beteiligte sich lediglich mit 18 Millionen Mark. Der Leverkusener Konzern setzt jährlich fast eine Milliarde Mark mit Faktorpräparaten um, die Behandlung eines einzigen Patienten kann jährlich 300.000 Mark verschlingen.

USA

CBG Redaktion

18. Oktober 2000

Amerikanische Bluter stoppen Kooperation mit Pharmakonzern Bayer

Medikamente nur für Reiche?

Die amerikanische National Hemophilia Foundation (NHF), die die Interessen von 14.000 Blutern in den USA vertritt, beendet mit sofortiger Wirkung jegliche Zusammenarbeit mit dem Pharmaunternehmen Bayer. Alle Spenden des Leverkusener Konzerns an die Stiftung wurden zurück überwiesen, eine Delegation von Bayer zum anstehenden Jahrestag der NHF wurde ausgeladen.
„In Zukunft entscheidet die teuerste Versicherung darüber, wer eine Behandlung erhält“, protestiert Mark Skinner, Präsident der NHF, „für Bayer scheint die Profitrate wichtiger zu sein als die Hilfe für schwerkranke Menschen.“ Hintergrund des Zerwürfnisses: Bayer zieht das Medikament Kogenate FS aus dem freien Handel zurück. In Zukunft soll das Blutfaktor-Präparat nur noch an Direktabnehmer verkauft werden, die dem Unternehmen Alter, Krankheitsgeschichte und die Art ihrer Krankenversicherung mitteilen müssen. Bayer ist Alleinanbieter für diese Art von Gerinnungsfaktoren, die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem.
Die NHF kritisiert in einem Offenen Brief an Bayer den Besitz vertraulicher Patientendaten durch das Unternehmen und die Risiken für Notfall-Patienten, die in Krankenhäusern keine Blutgerinnungsmittel mehr erhalten können. Die Stiftung befürchtet zudem höhere Preise aufgrund der Monopolstellung des Anbieters - schon heute geben Hämophile jährlich bis zu 150.000 US$ für ihre Behandlung aus. Besonders ältere Betroffene, die auf die staatlichen Programme Medicare und Medicaid angewiesen sind, könnten in Zukunft leer ausgehen.
Jan Hamilton, Vorsitzende der zweiten großen Bluter-Vereinigung Hemophilia Federation of America: „Niemand von uns vertraut Bayer“. In den 80er Jahren hatte sich die große Mehrheit der amerikanischen Hämophilen mit Hepatitis C infiziert. 40% der Patienten wurden außerdem mit HIV angesteckt, obwohl Experten jahrelang auf die Risiken hingewiesen hatten. Schon damals war Bayer Weltmarktführer für Blutprodukte.

Archiv

CBG Redaktion

24. August 2000

Trotz Verpflichtung im neuen Stiftungsvertrag:

Bayer AG verweigert Zugang zu Konzern-Archiv

Die Leverkusener Bayer AG verweigert Kritikern des Unternehmens den Zugang zum Werksarchiv, in dem sich umfangreiches Material aus der Zeit des Dritten Reiches befindet. Mitarbeiter der Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. (CBG) wollen dort Unterlagen einsehen, die die „Arisierung“ eines jüdischen Friedhofs in Krefeld betreffen. Außerdem sollen Briefwechsel zwischen dem Leverkusener Bayer-Werk und dem KZ Auschwitz, in dem im Auftrag der IG Farben Menschenversuche durchgeführt wurden, eingesehen werden. Erst im vergangenen Jahr hatte die Bayer AG das Archiv der skandalträchtigen IG Farben AG in Liquidation übernommen.
Im Gegensatz zu anderen Firmen beauftragte Bayer bislang keine unabhängigen Historiker mit der Niederschrift einer Konzerngeschichte. Nun antwortete das Unternehmen: „...ergibt sich keine Verpflichtung, Ihrem Antrag nachzukommen. Wir möchten Sie bitten, von weiterer Korrespondenz in dieser Angelegenheit abzusehen.“
In den Vertrag der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, die die Entschädigung ehemaliger Sklavenarbeiter regelt, wurde auf Drängen amerikanischer Anwälte die Öffnung der Werksarchive festgeschrieben. In der Vergangenheit war Journalisten und Unternehmenskritikern der Zutritt meist verweigert worden.
Die CBG begleitet das Unternehmen Bayer seit über zwanzig Jahren und ist Herausgeber des Buches „IG Farben - Von Anilin bis Zwangsarbeit“. Im Juni organisierte der Verein eine Demonstration in Uerdingen, um an den zerstörten jüdischen Friedhof zu erinnern. Auf dem Gelände des Friedhofs befindet sich heute der Eingang zum Bayer-Werk Uerdingen, ein Hinweisschild oder ein Denkmal sucht man vergeblich.

[Aktionsbericht] Hauptversammlung 2004

CBG Redaktion

Proteste bei BAYER-Hauptversammlung

Genfood & Kapital-Klone

Von Udo Hörster

Den Weg zur BAYER-Hauptversammlung in den Kölner Messehallen mussten sich die AktionärInnen durch das Straßen-Theater der BUNDjugend bahnen, die einen pantomimischen Tanz um das Goldene Kalb „Genfood“ aufführte. Alsdann begrüßte sie die traurige Gestalt eines jungen Managers im feinen Zwirn, buchstäblich an die Kette der Gentechnik gelegt. Unmittelbar vor dem Eingang in die heiligen Hallen des Profits erwartete die Aktien-HalterInnen schließlich ein Spalier von GenforscherInnen in steril-weißer Einheitskluft. Auf Bauchläden boten sie Gen-Mais feil, beworben mit dem Slogan „Leben - made by BAYER“. Parallel dazu verteilten sie Beipack-Zettel mit den Risiken und Nebenwirkungen. Vielleicht mochte deshalb keine/r herzhaft in die Zukunftstechnologie beißen.

Im Saal selber kleideten die ProtestlerInnen ihre Kritik an der grünen Gentechnik in Worte. „Ärzte warnen vor den Gefahren“, mahnte Geert Ritsema von FRIENDS OF THE EARTH EUROPE. Ein ganzes Bündel von Risiken zählte er auf: die Bedrohung der Artenvielfalt, mehr Umweltschäden durch erhöhte Pestizid-Ausbringungen und Einkreuzungen in Wild-Pflanzen. Als besonders schwerwiegend betrachtete er die Gefährdung der Sicherheit von Reis, Asiens Lebensmittel Nr. 1, durch BAYERs Herbizid-resistente Sorte LL 62. Neun von 15 Ländern der Europäischen Union teilten laut Ritsema diese Einschätzung: Sie erhoben Bedenken gegen die vom Leverkusener Chemie-Multi bei der EU beantragte Import-Genehmigung. Zuvor hatte Belgien schon gentechnisch verändertem Raps die Zulassung verweigert und Großbritannien Gen-Mais nur unter so hohen Sicherheitsauflagen genehmigt, dass BAYER die Risiken nicht tragen mochte und auf einen Anbau verzichtete. Als Resümee zitierte Geert Ritsema die Äußerung eines - politisch völlig unverdächtigen - Sprechers der DZ-BANK: „Genfood ist ungefähr so attraktiv wie die Atombombe“. Er forderte den Unternehmensvorstand aus diesem Grund auf, sich die Frage zu stellen: „Sollen wir Genfood gegen den Willen der meisten Europäer durchsetzen?“.

Aber nicht nur in Europa, auch in Südamerika stößt die „grüne Gentechnik“ auf breite Ablehnung, berichtete Lutz Weischer von der BUNDjugend. Gerade in den armen Ländern verfängt die PR-Strategie der Multis, gentechnisch veränderte Nutz-Pflanzen als Mittel gegen den Welthunger anzupreisen, nicht, weil sie der Realitätsprüfung nicht standhält. „Hunger ist ein Verteilungsproblem“, ergibt diese Weischer zufolge nämlich. Nicht Hochtechnologie, sondern Zugang zu Land und erschwinglichem Saatgut könnte die Lage der Menschen dort verbessern. Und da wirkt die Gentechnik nach Meinung des BUND- Aktivisten kontraproduktiv. Kapital-intensiv und deshalb auf große Anbau-Flächen angewiesen, befördert sie das Bauernsterben und treibt so nur noch mehr Menschen ins Elend. „Sind Sie bereit, auf diese Behauptung zu verzichten?“, fragte Lutz Weischer deshalb BAYER-Chef Werner Wenning.

Dazu war der Angesprochene nicht bereit. Allerdings musste er in seiner Antwort auf die Gegen-Redner die Akzeptanz-Probleme der grünen Gentechnik einräumen. In bemerkenswerter Offenheit nannte der Vorstandsvorsitzende auch die Gründe dafür. „Der Vorteil liegt bei den Anbietern“, gab er zu, weil die Technologie vor allem eine „effizientere Produktion“ erlaube. Die KonsumentInnen haben also selbst nach Meinung Wennings überhaupt nichts von den Labor-Kreationen - aber er arbeitet daran. Durch qualitätssteigernde Maßnahmen wie Erhöhung des Vitamin-Gehaltes will er einen „Nutzen für den Verbraucher“ schaffen und das Genfood popularisieren. Mit dem „Vitamin-A-Reis“ vermeinten die Agro-Multis schon einmal so einen massenwirksamen Superstar gefunden zu haben, dessen Karriere allerdings im Nirvana endete. Auf die von Ritsema und Weischer geäußerten Sicherheitsbedenken ging Werner Wenning mit keinem Wort ein - sie existierten für ihn schlicht nicht. Die Zulassungsverweigerungen beruhten ihm zufolge nicht auf „wissenschaftlichen Erkenntnissen“, sondern hatten ausschließlich „politische Gründe“.

Ähnlich dürftig fielen die Ausführungen des Vorstandsvorsitzenden zum Geschäftsgebahren der Konzern-Gesellschaft HC STARCK im Kongo aus. Friedhelm Meyer von der SOLIDARISCHEN KIRCHE IM RHEINLAND (SOKI) legte dar, wie die BAYER-Tochter dort durch den Aufkauf von Coltan-Erz zur Finanzierung des Bürgerkriegs beiträgt. Schon in seinen Bemerkungen zu den von der CBG eingereichten Gegen-Anträgen hatte Werner Wenning dies kategorisch bestritten: „HC STARCK hat die Rebellen zu keiner Zeit unterstützt“. Bei dem BAYER-Manager Thomas Porz, der 2003 auf dem ökomenischen Kirchentag an einer Diskussion zu dem Thema mit der Entwicklungshilfe-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul teilnahm, hörte sich das ganz anders an. Das Unternehmen habe Coltan bis 2001 ganz offen und ab dann „lediglich über einen Spot-Markt - also nicht direkt“ aus dem Kongo bezogen, zitierte ihn Meyer.

Der ehemalige Pfarrer, andere SOKI-MitstreiterInnen sowie CBGler haben auf dem gemeinsamen Kirchentagsstand noch ein zusätzliches Kapitel aus dem Sündenregister des Leverkusener Chemie-Multis aufgeschlagen: Die Gesundheitsgefährdungen durch Pestizide. Meyer machte auf Schätzungen der WHO aufmerksam, wonach jährlich bis zu 20.000 Menschen durch die Ackergifte sterben. Als aktuelles Beispiel nannte er die zahlreichen Vergiftungsfälle unter indischen Baumwoll- FarmerInnen durch BAYERs Monocrotophos und andere Agro- Chemikalien. Zu diesem traurigen Anlass erinnerte Friedhelm Meyer den Vorstand an ein auf der Hauptversammlung von 1995 abgegebenes Versprechen, bis zum Jahr 2000 alle Pestizide der höchsten Toxizitätsklasse durch solche geringerer Giftigkeit zu ersetzen. Davon wollte Wenning allerdings nichts mehr wissen. Seiner Ansicht nach hatte es sich dabei nur um eine unverbindliche Absichtserklärung gehandelt, zu der er sich immer noch ohne Risiko bekennen konnte: „Die Ziele bleiben bestehen“. Auch ansonsten sollten nur Worte helfen - Aufklärung und Schulungen der LandwirtInnen - konkrete Maßnahmen zur Senkung der Todesraten stellte der BAYER-Chef dagegen nicht in Aussicht.

Information und Diskussionen - das sah der Konzern-Chef auch als probates Mittel zur Abschaffung von Kinderarbeit bei den Zulieferern von BAYERs indischer Saatgut-Tochter PROAGRO an. Cornelia Heydenreich von GERMAN WATCH zeichnete der AktionärInnen- Versammlung ein plastisches Bild von den menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen 6 bis 14-Jährige - vor allem Mädchen - auf den Feldern Frondienste leisten, oft noch in Schuldknechtschaft. Eine Studie des indischen GRCS-Institutes hatte die Missstände ans Licht gebracht, die CBG veröffentlichte die deutsche Übersetzung. Dadurch geriet der BAYER-Konzern unter politischen Druck und musste handeln. PROAGRO übernahm die Verantwortung für die Kinderarbeit, was auch recht und billig ist, schließlich lassen die niedrigen Abnahme-Preise für das Saatgut den LandwirtInnen keine andere Möglichkeit als Minderjährige zu beschäftigen. Zudem trafen Konzern-ManagerInnen mit VertreterInnen der indischen Kinderrechtsinitiative MAMIDIPUDI VENKATARANGAIYA FOUNDATION (MV) zusammen und führten Gespräche mit anderen Agro-Multis. Jetzt allerdings gibt es nach Angaben von MV ein Rollback. PROAGRO wälzt die Verantwortung wieder auf die Saatbauern ab und gewährt der Initiative keinen Einblick in die angeblich Kinderarbeit ausschließenden neuen Verträge. Deshalb verlangte Heydenreich von Wenning, Klartext zu reden: „Wieviel Kinder sind bei Zulieferern von BAYER beschäftigt?“ und „Sind Sie bereit, höhere Preise zu zahlen?“

Darauf blieb der Große Vorsitzende die Antwort schuldig. Stattdessen verlegte er sich darauf, abzustreiten, dass BAYER selbst Kinder angestellt hätte - und entkräftete damit einen Vorwurf, den Cornelia Heydenreich gar nicht erhoben hatte - eine plumpe Ablenkungsstrategie.
Erwachsene Beschäftigte haben beim Pharma-Riesen auch nicht unbedingt ein besseres Los. Uwe Friedrich (CBG) lieferte dafür ein Fall-Beispiel aus den Philippinen. Der Ingenieur Juanito Facundo war Gewerkschaftsvorsitzender der EMPLOYEES UNION OF BAYER PHILIPPINES (EUBP). Er organisierte unter anderem Streiks und sagte in Arbeitsgerichtsprozessen zu Gunsten von Kollegen aus. BAYER versuchte diese Arbeit nach Kräften zu behindern. Sie unterstützte die kapital-freundlichere Konkurrenz-Gewerkschaft, hielt der EUBP Mitgliedsbeiträge vor und konsultierte sie nicht wie vorgeschrieben bei Entlassungen. Schließlich überreichte die Geschäftsführung Facundo und einer ebenso engagierten Kollegin sogar die fristlose Kündigung. Poltische Motive dafür stritt der BAYER-Vorsitzende vehement ab. „Im Rahmen einer Rationalisierung“ hätte der Gewerkschaftler gehen müssen, so Wenning. Seltsam nur, dass BAYER für den „Wegrationalisierten“ schon bald nach einem gleichwertigen Ersatz suchte ...

Auch an den bundesdeutschen Standorten gerät die Belegschaft zunehmend unter Druck. „In den Werken herrscht eine schlechte Stimmung“, schilderte Andrea Will von der DKP den ZuhörerInnen die Lage vor Ort, sogar Hochqualifizierte flüchteten vor dem immer größer werdenden Druck schon in die Frühpension. Angesichts dieser Vergeudung menschlicher Schöpfungskraft kritisierte Will den Vorstandsvorsitzenden: „BAYER ist nur so viel wert, wie die Mitarbeiter, die dort arbeiten - das ist ihnen nicht klar!“. Der Kragen platzte der Vorstandsriege, als Andrea Will für ihre Forderungen nach Sicherung der Arbeitsplätze und gerechter Entlohnung von den anwesenden ca. 6.000 AktionärInnen auch noch starken Applaus erhielt. Da brach der Widerspruch zwischen den GroßaktionärInnen, BankvertreterInnen und BAYER-Managern und der Masse der KleinaktionärInnen offen auf.

Axel Köhler-Schnura von der CBG beschäftigte sich in seiner Rede ebenfalls mit der Arbeitsplatz-Vernichtung, der erhöhten Arbeitsdichte, dem Abbau betrieblicher Sozialleistungen und den immer neuen Rationalisierungsmaßnahmen. Er warf dem Konzern vor, aufgrund seiner Macht weit über den Konzernrahmen hinaus für die gesellschaftliche Entwicklung zu sozialer Kälte und rücksichtsloser Profitorientierung verantwortlich zu sein. Der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Manfred Schneider wurde nicht umsonst erst unlängst von der Springerpresse zum „mächtigsten Mann Deutschlands“ erkoren, so das CBG- Vorstandsmitglied. Den im Aufsichtsrat sitzenden Vorsitzenden der IG BCE, Hubertus Schmoldt, forderte er auf, endlich konsequent Front zu machen gegen sozialen Kahlschlag, Arbeitsplatzvernichtung und Umweltzerstörung bei BAYER. Als „sozialen Krieg“ bezeichnete Köhler-Schnura BAYERs Unternehmenspolitik und erinnerte daran, welch hervorgehobene Rolle der Konzern beim in der Bundesrepublik tobenden Klassenkampf von oben spielt. Mit der Lancierung der „Standort-Debatte hat BAYER “die Erpressung der Öffentlichkeit bis zur Perfektion entwickelt„, so der CBGler. Und sich höchstpersönlich um die Umverteilung gekümmert: der Kopf der “Unternehmenssteuerreform„ im Hause Eichel war nämlich niemand anders als der ehemalige BAYER- Finanzchef Heribert Zitzelsberger. Sogar die seitdem vergeblich auf die Gewerbesteuer vom Konzern wartenden Bürgermeister an den Standorten hat das schon zu Demonstrationen auf die Straße getrieben, empörte sich Köhler-Schnura. “Von einer Steuervermeidungsstrategie kann nicht die Rede sein„, wies Werner Wenning in seiner Nicht-Antwort die Anschuldigungen Wills und Köhler-Schnuras zurück.

Je schamloser der Konzern seine Profit-Interessen zum Schaden der Beschäftigten und der Standorte verfolgt, desto vehementer entwirft er in der Öffentlichkeit das Bild einer verschworenen BAYER-Gemeinschaft. So ziert den Umschlag der Hauptversammlungsbroschüre ein Foto, das die versammelte Belegschaft des Werkes in Berkeley zeigt. In Einheitskluft, mit Einheitslächeln und mit einheitlich gen Himmel gereckten Armen präsentieren sie stolz die Früchte ihrer Arbeit. Hubert Ostendorf von der CBG gemahnte das an entsprechende propagandistische Kraftakte aus der Zeit des Nationalsozialismus. Noch ein anderer Fall demonstrierte für den Galeristen den beispiellos unsensiblen Umgang mit der Vergangenheit: Die Beteiligung am Bau des Holocaust-Mahnmals. “Ein Konzern, der von Zwangsarbeitern profitiert hat, profitiert jetzt vom Gedenken an die Opfer„, protestierte der CBGler.

Für diese Profite geht der Chemie-Multi immer noch über Leichen, so Ostendorf. In den 80er Jahren lieferte er nicht hitze-behandelte und deshalb mit hohem AIDS-Risiko behaftete Blut-Präparate nach Fernost, obwohl es zu diesem Zeitpunkt schon entsprechende Verfahren gab. Die Folge: hunderte Bluter starben. “Eine tragische Entwicklung„, nannte das Werner Wenning und wies den Vorwurf zurück, BAYER würde PatientInnen “bewußt Risiken aussetzen„. Die Präparate hätten “dem neuesten Stand der Technik„ entsprochen und seien nach den “besten wissenschaftlichen Erkenntnissen„ hergestellt, versicherte er wenig überzeugend.

Ein Teil einer solchen nach “dem neuesten Stand der Technik„ gebauten Anlage zur Produktion von TDA-Kunststoff explodierte Anfang des Jahres im texanischen Baytown. Kilometer-weit war der Knall zu hören, gab CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes den AktionärInnen einen Eindruck vom Ausmaß des Störfalls. Über den Unfall-Hergang schweigt der Pharma-Riese sich aus - “aus Wettbewerbsgründen„. Hinter den Kulissen jedoch entfaltete er eine fieberhafte Aktivität. SicherheitsexpertInnen aus bundesdeutschen Werken reisten an und betrieben Ursachen-Forschung. Die Panik hatte einen Grund, erläuterte Mimkes: BAYER hatte am Standort Dormagen nämlich gerade Europas größte TDA-Anlage in Betrieb genommen. “Die Prozesse sind grundsätzlich unterschiedlich„, beschwichtigte Wenning und sagte das, was BAYER-Chefs in solchen Fällen immer sagen: “Es bestand zu keinem Zeitpunkt Gefahr für die Bevölkerung„. Großzügig erklärte er sich trotzdem bereit, die “Sicherheitsstandards weiter zu verbessern„.

Wie BAYER im Gegenteil alles tut, um Sicherheitsstandards zu verwässern, legte der CBG-Geschäftsführer am Beispiel des Chemikalien-Gesetzes der EU dar. Die Kommission wollte dem Vorsorge-Prinzip Geltung verschaffen und den Chemie-Unternehmen zur Auflage machen, 70.000 niemals getestete chemische Substanzen erstmals auf ihre Gefährlichkeit hin zu untersuchen. Aber BAYER und die anderen betroffenen Konzerne gingen zum Extrem-Lobbying über, an dessen Ende vom ursprünglichen Entwurf nicht mehr viel übrig war. In den USA betrieben die Multis laut Mimkes Vorsorge gegen das Vorsorge-Prinzip, um entsprechende Regelungen schon im Vorfeld zu verhindern. Ihr Verband ACC engagierte die berühmt-berüchtigte PR-Agentur NICHOLS-DEZENHALL und gab eine Schmutz-Kampagne in Auftrag. Die “schmutzigen Hände„ dafür fand die Agentur unter anderem unter ehemaligen CIA- und FBI-AgentInnen. Und die dachten sich zahlreiche Undercover-Maßnahmen aus: Bespitzelung von Umwelt-AktivistInnen, Gründung von chemie-freundlichen Pseudo- Bürgerinitiativen und ebensolcher “unabhängiger„ Institute. “Das kann man nur als perfide bezeichnen„, kommentierte Philipp Mimkes. Für den Versammlungsleiter Manfred Schneider war das zu harter Tobak. Er forderte den CBGler auf, seine Rede abzubrechen. Der Geschäftsführer ließ sich jedoch nicht beirren und klärte das Auditorium weiter darüber auf, was bei BAYER wirklich hinter den hehren Bekenntnissen zum Umweltschutz à la “Responsible Care„ und “Sustainable Development„ steckt.

Mit seiner Intervention griff Aufsichtsratsvorsitzender Schneider zum gröbsten Mittel zur Abwehr von Kritik. Ansonsten begnügten sich er und Wenning damit, die Beiträge der kritischen AktionärInnen als “sachlich unzutreffend„, “bloße Behauptungen„, “jeder Grundlage entbehrend„, “Halbwahrheiten„ und “nicht nachvollziehbar„ abzuqualifizieren. Axel Köhler-Schnura hatte das alles schon aus den Vor-Mündern von Schneider und Wenning gehört, den Ex-Aufsichtsratschefs Hermann Josef Strenger und Herbert Grünewald . Er präsentierte dem Vorstand mit Verweis auf die wg. des LIPOBAY-Skandals nötig gewordenen Schadensersatz-Rückstellungen in Höhe von 300 Millionen Euro die Rechnung für diese Ignoranz: “Sie sehen, wie sich unsere Fakten im Laufe der Zeit wieder als millionen-schwere Verlust-Wahrheiten in die Berichte der Vorsitzenden einschleichen„.

Dazu sagten die Manager nichts. Nur wenn es um Zahlen ging, wurden Werner Wenning und Aufsichtsrat-Chef Manfred Schneider redseliger. Damit kennen sie sich aus und stellten es unter anderem dadurch unter Beweis, dass sie die Aufsichtsrats-Vergütungen im Zuge der Dividenden-Kürzung von 90 auf 50 Cent von dieser Richtgröße abkoppelten und an den Brutto-Cashflow banden - nicht umsonst sitzen schließlich Cash-Experten vom Schlage eines Josef “V„ Ackermann in dem Gremium.

Stimmen und Gegenstimmen
Mehr als 200.000 Aktien wurden der CBG und dem Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre bereits vor der Hauptversammlung übertragen. In den Abstimmungen stimmten bis zu 3 Millionen Aktien mit “Nein". Weitere ca. 1 Mio. Stimmen enthielten sich und sprachen sich so gegen den Vorstand aus. Das waren zwar nur einige wenige Prozent, also die Minderheit aller Aktien, aber klar die Mehrheit der anwesenden AktionärInnen. BAYER bleibt also auf Profitkurs, der Widerstand wurde jedoch mehr als deutlich.

[Aspirin] Leserbrief zum Artikel „Die Volkspille“

CBG Redaktion

Süddeutsche Zeitung vom 29. März 2011

Stefan Weber beschreibt in der Serie „Starke Marken“ die Historie von Aspirin und hangelt sich hierbei sorgsam entlang der Verlautbarungen und Anekdoten der Bayer AG. Die Kehrseiten der „Volkspille“ werden in dem halbseitigen Artikel mit gerade mal einem Satz erwähnt.

Aspirin ist unwidersprochen ein hochwirksames Medikament, das aber, anders als die Werbung suggeriert, mit schweren Nebenwirkungen einhergehen kann. Der Wirkstoff greift tief in den biochemischen Haushalt des Körpers ein und kann u.a. Blutungen im Magen-Darm-Trakt und Magengeschwüre verursachen. Trotzdem versucht die Bayer AG das Präparat als „Wunderpille“ zu vermarkten - zum Beispiel mit der website WonderDrug.com. Von den Gefahren findet sich in der Werbung kein Wort. Dabei sterben in den USA mehr Menschen an Aspirin-Nebenwirkungen als beispielsweise an HIV oder Verkehrsunfällen.

Auch die Werbekampagnen, mit denen Bayer schon Ende des 19. Jahrhunderts für das Präparat warb, werden in dem Artikel beschrieben. Stefan Weber zeigt sich auch hierbei ganz als langjähriger Haus- und Hof-Schreiber von Bayer: denn praktisch zeitgleich mit Aspirin brachte das Unternehmen damals das „verträgliche Hustenmittel“ (O-Ton Bayer) Heroin auf den Markt. Weltweit schaltete Bayer Anzeigen, die gleichzeitig für Aspirin und Heroin warben. Hierauf einzugehen hätte wohl aber zu viel Schatten auf die „Volkspille Aspirin“ geworfen.

Philipp Mimkes
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

Artikel Die Volkspille

[Rede Axel K.-Schn.] Hauptversammlung 2003

CBG Redaktion

Sehr geehrte Damen und Herren, guten Tag,

mein Name ist Axel Köhler-Schnura. Da ich heute mehrfach persönlich angesprochen wurde nur eine kurze Antwort: Dem Herr Betriebsrat aus Wuppertal empfehle ich, aus der Gewerkschaft in den Unternehmer-
verband zu wechseln, dann würde wenigstens das Etikett stimmen. Allerdings wäre auch dann das Gesetz für BAYER geltend und die Einleitungen müssten offengelegt werden. Weder Sie noch BAYER können Gesetze brechen. Und wenn BAYER das dennoch tut, dann ist es keine Agitation und Propaganda, sondern eine wichtige Information für die AktionärInnen, die BAYER-Belegschaften und auch die allgemeine Öffentlichkeit, wenn wir dies publizieren und kritisieren.

Ich stehe hier nicht zum ersten, sondern bereits zum 20. Male. Ich betone dieses Faktum deshalb, weil ich es als wirklich schockierend empfinde, miterleben zu müssen, wie, in welcher uneinsichtigen Art und Weise hier im Saal in den letzten 20 Jahren Fachleute, WissenschaftlerInnen, Betroffene, ja selbst Geschädigte und Opfer mißachtet werden. In nicht einem einzigen Fall war in den letzten 20 Jahren die Konzernleitung bereit, irgendeine Schuld anzuerkennen, eine Entschuldigung abzugeben oder auch nur ein klein wenig Einsicht zu zeigen. Egal, ob die Vorstandsvorsitzenden Grünewald, Strenger oder Schneider hießen, stets wurde behauptet, die Fakten und Darlegungen der KritikerInnen seien „haltlos“, hätten „keinerlei Grundlage“ etc.

Und leider musste ich heute feststellen, dass auch Herr Wenning dieser Linie folgt. In seinen Gegenreden zu unseren Kritiken betonten Sie zwar ununterbrochen das angeblich so hohe Verantwortungsbewußtsein des Konzerns, wiesen aber dennoch alle vorgebrachten Fakten als „Behauptungen“, „wissenschaftlich unhaltbar“ etc. zurück. Egal ob es um die Gefährdung von Millionen Menschen durch das hochgefährliche Phosgen in Krefeld-Uerdingen oder die getöteten Kinder in Peru oder die Klagen der norwegischen Regierung geht. Im Uerdingen, so meinten Sie, bestehen „gute Kontakte zu Politikern, die die hohen Sicherheits-
standards immer wieder loben“, im Falle der getöteten Kinder ist angeblich gar kein BAYER-Stoff beteiligt und im Fall von Norwegen ist die Nachweismethode wissenschaftlich nicht haltbar. Dabei polemisierten Sie - Gesetzesbrüche bleiben Gesetzesbrüche, auch wenn Sie etwas anders sehen - und blieben konkrete Antworten auf die konkreten Fragen schuldig.

Herr Wenning, so einfach geht es nicht. BAYER ist nicht nur eine Wirtschaftseinheit, sondern ein nicht unwesentlicher Teil des sozialen und ökologischen Gefüges. Deshalb spielt das Wirken des Konzerns in Ökologie und Gesellschaft eine Rolle - ob Ihnen das passt oder nicht. Und deshalb wird die Diskussion um gesellschaftliche Schuld und Verantwortung des Konzerns, um das Verhältnisses von Konzernprofit und gesellschaftlichen Schäden nicht abreißen.

Zumal sich auch immer wieder heraus stellt, dass unsere Vorwürfe eben doch zutreffen. Um nur einige wenige Beispiele dafür herauszugreifen, frage ich jetzt einfach mal:

War unsere Kritik hinsichtlich der BAYER-Holzgifte XYLAMON/XYLADECOR, mit dem Tausende von Menschen alleine in Deutschland vergiftet und hochgradig gesundheitlich geschädigt wurden, haltlos?

War unsere Kritik im Hinblick auf die Vernichtung Zehntausender Arbeitsplätze, auf die unglaubliche Erhöhung der Ausbeutungsrate, gemeinhin Produktivität genannt, auf den rasanten Abbau der sozialen Sicherheit unbegründet?

Ist unsere Kritik unbegründet, dass die Profite des Konzerns werden auf dem Rücken der Beschäftigten gemacht, ja aus ihnen herausgepresst werden?

Entbehrten unsere Vorwürfe hinsichtlich der Aidsverseuchten Bluter-Medikamente tatsächlich jeder Grundlage? Immerhin hat der Konzern bis dato mindestens eine Milliarde Euro an Entschädigungen bezahlen müssen.

War unsere Kritik hinsichtlich der Verwicklung des Konzerns in die Produktion chemischer Kampfstoffe unbegründet? In den 80er Jahren schrammte der Konzern nur mit großem Glück an Entschädigungsleistungen für AGENT ORANGE-geschädigte US-Soldaten vorbei und derzeit wird bereits wieder erwogen, Klagen gegen den Konzern zu erheben wegen der Lieferung des berüchtigten AGENT ORANGE Kampfstoffes an das südafrikanische Apartheidsregime.

Und LIPOBAY? Alles „haltlos“, „unbegründet“, „ohne jede Grundlage“? Die Toten und Geschädigten sprechen eine andere Sprache. Da hilft es übrigens auch nichts, wenn Herr Steinharter als Schoßhund der Konzernleitung in diesem Zusammenhang die Medien als „unseriös“ und die klagenden Juristen als „Anwaltsmafia“ abzuwerten versucht.
Und noch etwas - Sie haben zu Peru bereits zweimal gesprochen. Ihr Tremelo war zwar sehr eindrucksvoll, aber in der Sache zynisch. Unabhängig vom fehlenden Wahrheitsgehalt Ihrer Aussagen, ist die Sache doch die: Weshalb nimmt BAYER nicht in seiner nach Ihren Worten grenzenlosen Verantwortung endlich die Klasse-I-Stoffe vom Markt wie das seit Jahrzehnten von WHO und zahllosen anderen gefordert wird? Ihre Unglauwürdigkeit wird daran deutlich, dass der Konzern selbst in einer schwachen Stunde versprochen hat, sich von den hochgiftigen Klasse-I-Stoffen bis Ende 2000 zu trennen. Und nun? Inzwischen will BAYER nichts mehr von diesem Versprechen wissen.

Meine Damen und Herren, unsere Kritik ist keineswegs unbegründet, sondern im Gegenteil es wird immer wieder erschreckend deutlich, dass BAYER für seine Profite Menschenrechte, ökologische Prinzipien und auch die menschliche Gesundheit bis hin zum Tod schädigt.

Besonders pikant dabei wird es, wenn die Vorstände das Argument in den Mund nehmen, sie hielten sich streng an Recht und Gesetz. Wie, so frage ich, kann es denn dann kommen, dass Staatsanwaltschaften immer wieder Haussuchungen durchführen, dass ständig Ermittlungsverfahren anhängig sind, dass der Konzern mit einer Regelmäßigkeit, nach der man die Uhr stellen kann, zu Strafen in Höhe von Hunderten von Millionen Dollar und Euro verurteilt wird? Gerade in den letzten Tagen wieder in den USA. Da fällt doch dem Unbedarftesten auf, dass hier das Gerede von Recht und Gesetz, an das man sich halte, leeres Wort ist.

Doch meine Damen und Herren, zum Glück habe ich in den zurück-
liegenden Jahren auch immer wieder Aktionäre und Aktionärinnen erlebt, deren Gewissen sich regte, die unser Engagement würdigen, die uns unterstützen oder gar ihre BAYER-Aktien verkaufen. Diesen Aktionären und Aktionärinnen gebührt unser aller Dank, denn Sie sind das Gewissen des Konzerns. Ich kann jeden hier im Saal nur auffordern, es ihnen gleich zu tun. Grund gibt es angesichts der auch heute wieder vorgetragenen Fakten und Fälle mehr als genug! Falls Sie uns suchen, um Ihre Stimmrechte zu übertragen, wir sitzen hier vorne.

Bevor ich nun zu unseren Gegenanträgen komme, noch eine Nachfrage:

Herr Wenning, habe ich richtig gehört, 150.000 Tierversuche? Auf was bezieht sich diese Angabe? Sollte sich diese Zahl auf die AG beziehen, so bitte ich um die Zahl für den Konzern.

Zu unseren Gegenanträgen: Wie Sie alle - außer vielleicht Herr Kratz - gemerkt haben, werden diese nicht mehr publiziert, sie sind nur noch im Internet nachzulesen. Auch die Stellungnahme gibt es nur noch auf der Internetseite des BAYER-Konzerns. Keinesfalls ist die Internetpublikation gleichwertig mit der bisherigen Methode der Veröffentlichung. Die Gegenanträge erreichen nur noch einen Bruchteil der Aktionärinnen und Aktionäre. Damit stellt die Internetmethode eine Beschneidung der Informationsrechte der Aktionäre und Aktionärinnen dar, die durchaus Zensur genannt werden darf.

Im übrigen möchte ich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, wie BAYER es mit der Mündigkeit der Aktionäre und Aktionärinnen hält, wenn Sie den BesucherInnen dieser HV die Flugschriften, die sie vor dem Saal entgegengenommen haben, am Eingang wieder abgenommen haben und es erst massiven Protestes bedurfte, um diese unglaubliche Maßnahme zu stoppen?

Doch zurück zu unseren Gegenanträgen: Meine Damen und Herren, Sie haben mittlerweile von vielen Rednerinnen und Rednern Informationen bekommen, die zeigen, daß unsere Gegenanträge sehr wohl begründet sind. Zunächst zu zum Gewinn:

Ich beantrage die Kürzung der Dividende auf 0,10 Euro je Aktie. Die frei werdenden Gewinn-Milliarden sollen stattdessen verwendet werden

für die Zahlung von Wiedergutmachungen an die Opfer der Verbrechen von BAYER und des von BAYER mitbetriebenen IG FARBEN-Zusammenschlusses bzw. deren Angehörigen.

für den Erhalt und die Schaffung sicherer Arbeitsplätze und für die Zahlung sozial gerechter Löhne;

für einen Fonds zum angemessenen Ausgleich von Schäden, die infolge der Geschäftstätigkeit an Mensch, Tier und Umwelt eingetreten sind;

für den umfassenden ökologischen und sozialen Umbau des Konzerns ohne doppelte Standards.
Es sei wie stets angemerkt, daß wir durchaus auch den völligen Verzicht auf jede Dividendenausschüttung im Sinne der erläuterten Sozial-, Entschädigungs- und Ökologie-Dividende beantragen würden, wäre dies für uns Aktionäre überhaupt möglich.

Weiterhin stellen wir den Antrag, den Vorstand nicht zu entlasten.

Ebenso stellen wir den Antrag, den Aufsichtsrat nicht zu entlasten.

Wir begründen diese Nicht-Entlastungen damit, dass Vorstand und Aufsichtsrat seiner Verantwortung im dargelegten Sinne nicht gerecht wurde.

Ich stelle alle meine Anträge auch im Namen aller von uns vertretenen 143 AktionärInnen.

Meine Damen und Herren, bitte stimmen Sie mit uns bei den Abstimmungen im Interesse der Rechte der Kleinaktionäre und der Öffentlichkeit. Stimmen Sie grundsätzlich bei allen Anträgen mit „NEIN“.

Meine Damen und Herren, als Kleinaktionäre und Kleinaktionärinnen sind Sie weder Konzernprofiten noch Bankbilanzen verpflichtet. Sie sind in Ihrer Entscheidung frei. Stimmen Sie deshalb im Interesse von Aktionärsdemokratie, Ökologie und sozialen Rechten mit „Nein“. Die vielen Hunderttausend KleinaktionärInnen des Konzerns repräsentieren nur wenige Prozente des Kapitals, 90 und mehr Prozent werden von wenigen GroßaktionärInnen gehalten bzw. von Fonds und Banken vertreten. Aber stimmen Sie dennoch mit NEIN. Sie können mit Ihrem NEIN dem Vorstand zeigen, dass Sie ein Gewissen haben. Tun Sie es einfach.

Und noch eine Bitte: Sollten Sie die HV vorzeitig verlassen, aber dennoch mit uns stimmen wollen, so treten Sie mit uns in Kontakt. Sie finden uns hier vorne, von Ihnen aus gesehen links. Dort können Sie uns auch Ihre Stimmrechte übertragen, sollten Sie vorzeitig die Hauptversammlung verlassen.

Vielen Dank.

[Bluter] Hauptversammlung 2011

CBG Redaktion

Andreas Bemeleit, Robin Blood

Guten Tag, verehrte Damen und Herren,

Mein Name ist Bettina Schneider. Ich verlese eine Rede von Andreas Bemeleit, der aus gesundheitlichen Gründen nicht anreisen kann.

Mein Name ist Andreas Bemeleit, ich bin 49 Jahre alt und wäre da nicht diese alte Geschichte, dann würde nicht Frau Schneider hier stehen und meine Rede für mich vorlesen. Dann säße ich vielleicht neben Ihnen auf dem Stuhl. Ich bin Diplom-Informatiker und war in meinem Beruf sehr erfolgreich. Das ist mehr als 20 Jahre her.

Doch da ist die ungeklärte Geschichte. Ich möchte Sie Ihnen kurz erzählen:

In den 70er und 80er Jahren wurde ich, wie auch 4.500 weitere Bluter durch verunreinigte Blutpräparaten mit Hepatitis-C Viren infiziert. In den vergangenen Jahren sind viele von uns gestorben. Haupttodesursache bei infizierten Blutern ist Leberzirrhose bzw. Leberkrebs.

Wir Bluter hatten darauf vertraut, dass wir mit sicheren Medikamenten versorgt werden. Doch die Konzerne benutzten für die Herstellung der Gerinnungspräparate vor allem preiswertes Blut von Hochrisikogruppen wie Gefängnis-Insassen. Weltmarktführer war zu diesem Zeitpunkt die BAYER-Tochter Cutter.

Die einzige Behandlungsmöglichkeit der Hepatitis-C Infektion ist eine einjährige Interferontherapie. Diese Therapie hat schwerwiegende Nebenwirkungen und führt nur bei einem geringen Anteil der Betroffenen zu einer Heilung. Die letzte Möglichkeit ist eine Lebertransplantation mit ihren hohen Risiken.

Bis heute warte ich gemeinsam mit 3000 noch lebenden Blutern auf eine angemessene Entschädigungsregelung. 2009 gründete ich daher das Netzwerk Robin Blood. Das Netzwerk hat sich dem vorrangigen Ziel verschrieben, die durch HIV oder Hepatitis-C Infizierten zu unterstützen.

Die BAYER AG hat vor wenigen Monaten zusammen mit anderen Pharmaunternehmen einen kleinen Anteil der Infizierten aus 22 Ländern im Rahmen einer Sammelklage in den USA entschädigt. In der Presse war zu lesen, dass die Entschädigungssumme bei rund 50 Millionen Dollar lag.

Ich frage den Vorstand in diesem Zusammenhang:

Wie hoch war der Anteil, den BAYER geleistet hat? An wie viele Betroffene in wie vielen Ländern hat BAYER Zahlungen geleistet?

Warum wird diese Summe nicht im Geschäftsbericht für 2010 erwähnt?

Warum schließt diese wichtige Regelung den größten Teil der betroffenen Bluter in Deutschland aus ?

Für viele der Betroffenen ist es mittlerweile schwer oder unmöglich, sich und ihre Familien zu versorgen. Die Wenigsten von uns sind in der Lage, arbeiten zu gehen, Geld zu verdienen.

Die Sorgen und Ängste der Betroffenen betreffen grundlegende Lebensbereiche.
Im folgenden einige Worte von Infizierten:

„Die „HCV Infektion wurde bei mir am 1985 festgestellt und ich spüre, wie sich meine Lebensqualität ganz langsam aber sicher verschlechtert. Alles was ich mir wünsche, ist wenigstens halbwegs sorgenfrei und in Ruhe zu leben....“

Ein anderer Betroffener formuliert es mit diesen Worten: „Ich vergleiche meinen Körper gerne mit einem Akku. Es gab sehr oft Zeiten, in denen mein Akku nahezu ausgebrannt war. Und auch zur Zeit ist solch ein Zeitpunkt gekommen, an dem mein Akku sich dem Ende zuneigt. Ich brauche Ruhe und Frieden und einen klaren Kopf, um ihn wieder aufzuladen.“

Wir leben ein Leben mit ungewollter Krankheit, damit einhergehender Berufsunfähigkeit, und in großer Armut. Es bleibt uns die Aussicht auf frühzeitigen Tod infolge der Infektion. Der Weg bis zum Ende ist elend.

Ist sich der Vorstand bewusst, dass der Ausschluss von der Entschädigungszahlung für einen Großteil der infizierten Bluter folgendes bedeutet:

- Den Betroffenen droht Leberkrebs welcher eine Lebertransplantation notwendig macht.
- Sie sind aufgrund der schon seit mehr als 20 Jahren anhaltenden Erkrankung körperlich stark geschwächt.
- Sie sind nicht mehr in der Lage einen Beruf auszuüben, um sich und ihre Familien zu versorgen. Ohne eine gesicherte Entschädigungsregelung werden sie verarmen.

Die BAYER Tochter Cutter war damals der Hauptverursacher von Tausenden Hepatitis und AIDS-Erkrankungen. Warum will die BAYER AG dennoch, obwohl die monatlichen Zahlungen für die Betroffenen mit zunehmenden Alter überlebenswichtig werden, aus der langfristigen Finanzierung des HIV-Hilfe Fonds aussteigen ?

Bei Robin Blood haben sich infizierte Hämophile, Angehörige und Unterstützer zusammengeschlossen. 63 Menschen auch aus der Schweiz und Spanien haben sich mit ihrem Namen für die gerechte Entschädigung der mit HCV infizierten Hämophilen solidarisch erklärt. Ihnen gebührt unser Dank!

Uns geht es darum, die Menschen zu unterstützen, die durch defizitäre gesundheitliche Versorgung in diesen Zustand geraten sind. Unser Ziel ist es, gegen die profitorientierte Missachtung der Gesundheit der Anwender von Medikamenten angehen zu können.

Viele Geschädigte scheuen sich, öffentlich aufzutreten. Sie kommunizieren daher auf allen heute möglichen Wegen, über das Internet und soziale Netze, dass sie an Hepatitits-C und AIDS erkrankt sind. Sie nennen die Verursacher wie BAYER und mahnen eine Entschädigungsregelung an.

Liebe Aktionäre der Bayer AG, Sie haben immer gute Dividende erhalten. Ein kleiner Teil dieser Dividende wäre ein großer Schritt für uns, Frieden zu finden.

Wäre es für die Außenwirkung der BAYER AG nicht von Vorteil, sich als verantwortungsvolles Unternehmen darzustellen, indem eine für alle Beteiligten annehmbare Regelung vereinbart? Anstatt den Eindruck zu erwecken, sich aus der Verantwortung zu stehlen, indem sie auf den baldigen Tod der Betroffenen spekuliert? Ich appelliere an Ihr Gewissen, diese alte Geschichte zu klären und uns eine Zukunft in Würde zu geben.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit

USA

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 17. März ´99

USA: Leverkusener Unternehmen wegen Betrugs schuldig gesprochen

Bluter gewinnen Prozess gegen BAYER

Der Leverkusener BAYER-Konzern ist von den Geschworenen des Zivilgerichts in New Orleans/USA des Betrugs und der groben Fahrlässigkeit schuldig befunden worden. Die Jury sieht es als erwiesen an, dass das Unternehmen wissentlich Blutprodukte in Verkehr brachte, die mit dem Aids-Virus infiziert waren. Damit wurde der Klage von Eltern eines Betroffenen stattgegeben, der mittlerweile an Aids gestorben ist. Die Geschworenen sprachen ihnen eine Entschädigung von 35,3 Mio US$ zu.
Die Präparate wurden aus Kostengründen aus dem Blut von Risikospendern wie Gefängnisinsassen und Drogenabhängigen gewonnen-nach Meinung der Geschworenen eine grobe Fahrlässigkeit. Der Vorsitzende Richter bestätigte den Schuldspruch, setzte jedoch die Strafe wegen Verjährung aus. In einem zweiten Schritt muss nun geklärt werden, ob die Verjährung, wie in Betrugsfällen üblich, aufgehoben wird. Neben BAYER wurde auch das Unternehmen ALPHA THERAPEUTICS schuldig gesprochen.
Mehrere Tausend Bluter sind weltweit durch BAYER-Produkte fahrlässig mit HIV infiziert worden, ein Großteil ist mittlerweile gestorben. Todd Smith, amerikanischer Betroffener: „Die Aids-Gefahr für Bluter war frühzeitig bekannt, aus Kostengründen wurden aber damals die bestehenden Sicherungsverfahren nicht eingesetzt. Tausende von Blutern mußten dieses Versäumnis mit ihrem Leben bezahlen. Wir fordern eine Entschuldigung von BAYER und eine gerechte Entschädigung!“
Obwohl die Kontamination hätte vermieden werden können, weigern sich die beteiligten Konzerne bis heute, den Betroffenen eine angemessene finanzielle Entschädigung zu zahlen. In den USA erklärten sich die Unternehmen lediglich dazu bereit, den Infizierten eine Pauschale von 100.000 US$ zu bezahlen. Da diese Summe aber nicht einmal die Behandlungskosten deckt, zogen zahlreiche Betroffene vor Gericht. Ihren Klagen werden nun höhere Chancen eingeräumt. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert, daß gegen die Verantwortlichen bei BAYER auch strafrechtlich vorgegangen wird.

[Aktionsbericht] Hauptversammlung 2001

CBG Redaktion

BAYER-HV: Konzern-KritikerInnen belasten Vorstand

Dr. Schneiders gesammeltes Schweigen

Von Udo Hörster

Ein unerwartetes Bild bot sich den AktionärInnen, die am 27. April zur BAYER-Hauptversammlung in die Kölner Messehallen strömten: Zehn „Gen-LaborantInnen“ in steril-weißer Einheitskluft trugen Bauchläden vor sich her und offerierten darin „frisch geklonte“ Organe; eine US-ameri-
kanische Umweltgruppe machte mit einer riesigen Medikamenten- Flasche aus Plastik auf die Gefahren von Antibiotika-Gaben in den Tier-Fabriken aufmerksam; eine bolivianische Aktivistin prangerte auf einem Transparent die Menschen, Tiere und Umwelt belastenden BAYER-Pestizide an und eine Tierversuchsgegnerin sowie Mitglieder der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) verteilten Flugblätter. Ein Hauch von Seattle lag so in der Luft und wehte auch in den Hauptversammlungssaal hinein.

Diesen frischen Wind hätte der BAYER-Vorstandsvorsitzende Dr. Manfred Schneider am liebsten außen vor gehalten. Nur zu gerne hätte er ausschließlich über den von rund 27 Mrd. Euro auf rund 31 Mrd. Euro gestiegenen Umsatz gesprochen sowie über alles, was sich sonst noch mittels Zahlen-Kolonnen, Tabellen und Torten-Grafiken darstellen läßt. Aber das wussten die 12 Konzern-KritikerInnen mit ihren Reden zu verhindern. So erfuhren die AktionärInnen nicht nur etwas über die von Manfred Schneider in seiner Eröffnungsrede verkündete „herausragende Performance von H. C. STARCK im Tantalpulver-Geschäft“, sondern vom Pater Gregor Böckermann (AFRIKA-MISSIONÄRE - WEIßE VÄTER) auch etwas über das Blut, das an diesem so einträglichen Handel der BAYER-Tochter klebt. H. C. STARCK bezieht dieses Sondermetall nämlich unter anderem von den Kommandanten der Bürgerkriegsarmeen im Kongo, die mit den Erlösen aus dem Verkauf von Bodenschätzen den Unterhalt ihrer Truppen bestreiten. Böckermann zitierte aus einem gerade erschienenen UN-Bericht. Dieser bezeichnet Firmen wie H. C. STARCK wegen ihrer Geschäftspraktiken als „Motoren des Konfliktes“, der bislang 2,5 Mio. Todesopfer gefordert hat und ca. eine Million Menschen zu Flüchtlingen machte. Die BAYER-Tochter versucht die Vorwürfe zu dementieren, aber in einem entsprechenden Antwortschreiben an die Initiative RETTET DEN REGENWALD unterlief ihr dabei ein Lapsus. „H.C. STARCK bezieht seine Rohstoffe u.a. von etablierten Händlern“, hieß es darin, was laut Böckermann nur einen Schluss zulässt: also auch von nicht etablierten, zweifelhaften.

Wer vor solchem Kriegsgewinnlertum nicht zurückschreckt, der nimmt mit einer Klage wg. angeblicher Patentschutz-Verletzungen, die in Südafrika jahrelang die Versorgung von AIDS-PatientInnen mit erschwinglichen Kopien von patent-geschützten Medikamenten verhinderte, auch den Tod hunderttausender Menschen in Kauf. Natürlich interessierte Schneider der Ausgang der Auseinandersetzungen nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht. „Das Risiko für die Margen nimmt zu“, so sein knappes Resümee. Über den in den Verhandlungen erreichten Bestandschutz für die Patent-Regelungen zeigte sich der BAYER-Chef erfreut. So können BAYER & Co. erstmal weiterhin Wucherpreise für Medikamente nehmen. Und wer diese nicht zu zahlen vermag, für den bleiben milde Gaben: Wie Schneider stolz verkündete, hat BAYER der Weltgesundheitsorganisation WHO kürzlich Medikamente gegen die Schlafkrankheit gespendet. Darüber hinaus besaß er sogar noch die Unverfrorenheit, die afrikanischen PolitikerInnen zu ermahnen, sie sollten einmal „ihre Prioritäten überdenken“.

Kein Wunder also, dass dann auch die Opfer-Gruppe aus der blutigen Vergangenheit des Konzerns, die ZwangsarbeiterInnen, nicht mit Schneiders Anteilnahme rechnen konnten. Nicht einmal das Wort „Entschädigung“ nahm der Vorstandsvorsitzende in den Mund; er sprach stattdessen von „Ausgleich“. Und vergeblich appellierte Lothar Evers vom BUNDESVERBAND INFORMATION FÜR NS-VERFOLGTE an ihn, doch endlich die Auszahlung der ersten Entschädigungstranchen zu veranlassen, da täglich 500 ehemalige SklavenarbeiterInnen sterben, während die Fonds-Beiträge hohe Zinsen abwerfen. Als eine makabre Umkehrung der Rollen von Opfer und Täter bezeichnete es Evers, die Überlebenden und ihre Klagen als Rechtsunsicherheitsfaktoren hinzustellen und ihnen überdies abzuverlangen, in ermüdenden bürokratischen Prozeduren die Berechtigtheit ihrer Ansprüche nachzuweisen.

Die nicht auf Einladung der CBG sprechenden RednerInnen übten sich derweil in dem aussichtlosen Unterfangen, den BAYER-Vorsitzenden an Profit-Profitum noch zu übertreffen. Einer dieser Beflissenen sah beispielsweise durch den im Standortsicherungsvertrag zugestandenen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen den Shareholder Value in Gefahr. So herausgefordert, ließ der Große Vorsitzende sich nicht lumpen. Von 63.000 auf 40.000 habe man bei der BAYER AG die Belegschaft reduziert, noch dazu „ohne Komplikationen in der Öffent-
lichkeit“, brüstete er sich. Welche „Komplikationen“ dies innerbetrieblich nach sich zog, davon berichtete der Vertrauensmann eines BAYER- Werks, einer der wenigen nicht von der CBG gestellten kritischen Redner. Plastisch schilderte er die durch immer größere Hetze, den Wegfall von Pausen und die zu leistenden Überstunden sich verschlechternden Arbeitsbedingungen, die zudem das Risiko von Unfällen erhöhen. Wo das Geld hinfließe, das unten, in den Produktionsstätten, nicht ankomme, fragte er Schneider. Der fand die Frage deplatziert.
Mit noch größerer Ignoranz als in den vergangenen Jahren ging der BAYER-Chef über alle kritische Einwände zum Geschäftsgebaren des Multis hinweg. Durch die Einbrüche am neuen Markt und die kleinlauter werdenden Stimmen von InvestmentbankerInnen, die in der Vergangen-
heit immer wieder eine „Modernisierung“ des Konzerns gefordert hatten, vor Selbstbewusstsein fast platzend, tönte er feist: „Ich sehe Konserva-
tismus heute als Prädikat an“.

Es war an Axel Köhler-Schnura von der CBG, diese demonstrative Betriebsblindheit in ihre Schranken zu verweisen und Schneiders Rechenschieber-Horizont zu erweitern: „Wirtschaft und die Folgen gehören zusammen. Wer die Folgen nicht tragen will, der entzieht sich der Verantwortung“.

[Philipp Mimkes] Hauptversammlung 2015

CBG Redaktion

Philipp Mimkes, Hauptversammlung 27. Mai 2015

Liebe Aktionärinnen und Aktionäre,

mein Name ist Philipp Mimkes. Ich bin von Beruf Physiker und spreche für die Coordination gegen BAYER-Gefahren.

Ich habe einige Fragen zur Vergangenheit von BAYER und einige zur Zukunft. Beginnen wir chronologisch:

Vor genau 100 Jahren wurden erstmals chemische Kampfstoffe eingesetzt. Der Jahrestag war vor wenigen Wochen.
Im belgischen Ypern haben deutsche Truppen damals hunderte Tonnen Chlorgas abgelassen. Allein bei diesem Angriff gab es mehr als tausend Tote.

Die geistigen Väter deutscher Chemiewaffen waren Fritz Haber sowie Carl Duisberg, der damalige Generaldirektor von BAYER.

Unter Duisbergs Leitung wurden bei BAYER damals immer giftigere Kampfstoffe entwickelt, zunächst Phosgen und später das berüchtigte Senfgas. Duisberg beteiligte sich auch persönlich an den Versuchen, ganz hier in der Nähe, auf dem Truppenübungsplatz in Köln-Wahn.

In Briefen an die Oberste Heeresleitung forderte Carl Duisberg immer wieder den Einsatz der neuen Waffen. Ich zitiere: „Die einzig richtige Stelle aber ist die Front, an der man so etwas heute probieren kann (…). Ich kann deshalb nur noch einmal dringend empfehlen, die Gelegenheit dieses Krieges nicht vorübergehen zu lassen“.

Herr Dekkers: Sie haben noch vor zwei Jahren hier an dieser Stelle die „historischen Verdienste“ Duisbergs gerühmt.

Herr Dekkers: Vor wenigen Monaten wurde in Dortmund die dortige Carl-Duisberg-Straße umbenannt.
Die Entscheidung beruht auf einer Untersuchung von Historikern des Dortmunder Stadtarchivs. Hieraus darf ich kurz zitieren:
„Duisberg gehörte zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die illegale Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten. (…) Als Patriarch lehnte Duisberg bis zu seinem Tod Gewerkschaften entschieden ab.“ Auch Duisbergs Unterstützung des antisemitischen „Alldeutschen Verbands“ wird von den Historikern genannt.

Ebenfalls in diesem Jahr wurde in Lüdenscheid der dortige Duisbergweg umbenannt. Das dortige Stadtarchiv schreibt zur Begründung:
„Während des Ersten Weltkriegs wurde unter Duisbergs Vorsitz bei BAYER Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. In Leverkusen war das u.a. Phosgen, ein Gas, das besonders grausam wirkt“.
Aktuell gibt es auch in Frankfurt Bestrebungen, die dortige Duisbergstraße umzubenennen.

Meine Frage an den Vorstand lautet:
Welche Konsequenzen ziehen Sie aus diesen Straßen-Umbenennungen?
Wann will sich BAYER endlich von Kriegsverbrechern wie Carl Duisberg distanzieren?
Und wann von Fritz ter Mer? Zur Erinnerung: Fritz ter Mer wurde in Nürnberg als Kriegsverbrecher verurteilt und wurde später Aufsichtsrats-Chef von BAYER.
Wann distanzieren Sie sich von Gerhard Schrader, dem Erfinder von Giftgasen wie SARIN und TABUN?
Und wann von Kurt Hansen, einem Nazi der ersten Stunde, der nach dem Krieg Vorstandsvorsitzender von BAYER wurde? Bis heute ist ein Wissenschafts-Preis von BAYER nach Kurt Hansen benannt.

Herr Dekkers: Sie sind erst einige Jahre hier. Und nächstes Jahr sind Sie auch schon wieder weg.
Sie sind dem Korps-Geist bei BAYER nicht verpflichtet – anders vielleicht als Herr Wenning, der sein Leben lang hier gearbeitet hat.
Herr Dekkers, was hindert Sie eigentlich daran, sich ein für alle Mal von dieser Kriegsverbrecher-Riege loszusagen?

Ganz nebenbei: die Öffentlichkeit würde diesen überfälligen Schritt sicherlich honorieren.

Ich komme zu einem anderen Thema, dem Einsatz regenerativer Energien und Rohstoffe bei BAYER.

Im Geschäftsbericht auf Seite 109 lesen wir: „Der Einsatz nachwachsender Rohstoffe spielt bei Bayer noch eine untergeordnete Rolle.“

Im Geschäftsbericht vom Vorjahr hieß es: „Der Anteil erneuerbarer Energien lag konzernweit bei 0,7 %.“
Offenbar war Ihnen das selbst ein bisschen peinlich => denn in diesem Jahr fehlt eine entsprechende Angabe.

Hierzu gleich die erste Frage:
wie hoch war im Vorjahr bei der von BAYER selbst erzeugten Energie der regenerative Anteil?
Warum wurde diese Zahl im Geschäftsbericht gestrichen?

Unabhängig davon, ob es nun 0,7 oder 0,9% sind:
Offenbar werden hier bei BAYER entscheidende Weichen falsch gestellt!

Denn schon heute sind viele Rohstoffe knapp, oder können nur mit riesigem Aufwand gefördert werden.
Beispiele hierfür: Phosphor, Kupfer, Seltene Erden; natürlich auch Öl und Gas

Hier bei BAYER jedoch basiert Produktion noch immer zu >90% auf fossilen Rohstoffen
dementsprechend stagniert der CO2-Ausstoß bei mehr als 8 Mio Tonnen

Herr Dekkers:
Auch in Ihrer Amtszeit wurde eine Umstellung auf regenerative Energien verschlafen. Ebenso die Umstellung auf nachwachsende Rohstoffe + auf biologisch abbaubare Endprodukte.

Doch ob sie wollen oder nicht:
Parallel zur Energie-Wende wird es in absehbarer Zeit auch zu einer Chemie-Wende kommen. Ich frage mich, ob Bayer – und speziell die Kunststoff-Sparte, die Sie verkaufen wollen – hierauf vorbereitet sind.

Langfristig werden Sie diese Ressourcen-Verschleuderung sowieso nicht fortführen können. Zum einen wegen dem Klimaschutz. Zum anderen, weil schlichtweg die Rohstoffe schwinden.

Herr Dekkers: Sie setzen sich für Fracking ein.
Aber selbst durch Fracking, oder auch durch die Ausbeutung von Öl-Sanden können Sie den Wandel allenfalls ein paar Jahre verzögern.
Langfristig wird aber auch bei BAYER eine Abkehr von der Petrochemie nötig sein.

Und schon heute können ja Dämmstoffe, Polymere, Lacke, Textilfasern, Klebstoffe und vieles mehr aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Und zwar in derselben Qualität.

Daher meine Frage:
Wie sehen die Pläne bei Bayer für einen Umstieg auf nachwachsende Rohstoffe und auf regenerative Energien aus - in zehn oder auch in zwanzig Jahren?

Herr Dekkers, haben Sie da irgendeine Vision?
Sie können sich ja mal bei Ihrem Sitz-Nachbarn erkundigen. Herr Wenning kann Ihnen hautnah berichten, wie es sich anfühlt, wenn eine ganze Branche ins Taumeln gerät.

Denn Herr Wenning ist ja nicht nur hier bei BAYER, sondern auch bei E.On Aufsichtsrats-Vorsitzender. Also bei der Firma, die gerade hektisch versucht, ihr Geschäft mit Atom- und Kohlestrom los zu werden und deren schiere Existenz auf dem Spiel steht.

Mitleid ist an dieser Stelle natürlich fehl an Platz: Firmen wie RWE und E.On haben den Umstieg auf regenerative Energien schließlich eine Generation lang nach Kräften blockiert
und hierfür ist Herr Wenning mitverantwortlich.

=> letztlich waren die Geschäftsmodelle der Chemie-Industrie und der Energiewirtschaft in letzten 50 Jahren sehr ähnlich.
Beide basierten auf fossilen Stoffketten, die langfristig ausgedient haben.
Insofern wird die Entwicklung auch künftig parallel verlaufen.

Was hingegen macht Bayer, insbesondere die Kunststoff-Sparte?
Sie versuchen immer noch ein „business as usual“. Sie bauen neue Anlagen, z.B. im letzten Jahr die TDI-Anlage, die über Jahrzehnte hinweg enorme Ressourcen verbrauchen und deren Produkte auf natürlichem Weg nicht abbaubar sind.

Hierzu meine Frage:
Wie viel CO2 wird bei der Produktion von einer Tonne TDI emittiert (und zwar in der gesamten Produktionskette)? Wie viel bei MDI und Polycarbonat?
Unabhängige Schätzungen ergeben bis zu sechs Tonnen CO2 pro Tonne Endprodukt.
Warum finden sich diese wichtigen Informationen eigentlich nicht in den Antragsunterlagen?

Gipfel nicht-nachhaltiger Kunststoff-Produktion:
Die Herstellung von Mikroplastik (Markenname bei BAYER: Baycusan)
winzige Kunststoff-Kügelchen, die Kosmetika, Reinigungsmitteln und Shampoos beigefügt werden
Früher wurden hierfür einfach zerkleinerte Fruchtkerne eingesetzt.
Mikroplastik hingegen kann von Kläranlagen nicht aufgefangen werden und gelangt über die Flüsse in die Ozeane und trägt zum Problem des Plastikmülls bei.

Die Bundesregierung teilt unsere Bedenken. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage hieß es kürzlich:
„Die Bundesregierung kann Umweltbelastungen, ggf. auch irreversible, durch die in Kosmetikprodukten verwendeten Mikrokunststoffpartikel nicht ausschließen. Dem Vorsorgeprinzip folgend wirkt sie daher auf einen freiwilligen Ausstieg aus der Nutzung von Mikrokunststoffpartikeln in Kosmetikprodukten hin.“

Insgesamt landen jedes Jahr rund zwanzig Millionen Tonnen Kunststoff in den Weltmeeren.
Ein großer Teil wird von Mikroorganismen aufgenommen. Über den Fischfang geraten die Stoffe schließlich auch in die menschliche Nahrung.

Für dieses ökologische Desaster trägt BAYER eine Mitverantwortung.
Denn BAYER zählt zu den weltweit größten Herstellern von Kunststoffen wie TDI, MDI und Polycarbonat, die sämtlich biologisch nicht abbaubar sind.

Daher abschließend die Fragen:
=> Wie hoch lagen die Umsatzzahlen für Mikroplastik im vergangenen Jahr?
=> Wie groß war die produzierte Menge?
=> Unterstützt Bayer das Ziel der Bundesregierung, den Einsatz von Mikroplastik in Kosmetika zu beenden?
=> Was tut Bayer, um den Eintrag von Kunststoffen in Flüsse und Ozeane auszuschließen?
=> Wie will Bayer den Anteil regenerativer Energien erhöhen?
=> Welche Schritte sind vor dem Verkauf von Bayer MaterialScience geplant bezüglich einer Umrüstung auf nachwachsende Rohstoffe und auf biologisch abbaubare Produkte?

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

[Redebeiträge] Hauptversammlung 2001

CBG Redaktion

HV: Alle Fragen bleiben offen

Die Schadensbilanz 2000

Von Udo Hörster

Als erste Kritische Aktionärin trat Susanne Smolka vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) ans Mikrofon. Sie brachte die Risiken und Nebenwirkungen der BAYER-Ackergifte zur Sprache. Das Unkrautbe- kämpfungsmittel DIURON, führte Smolka aus, stellt nicht nur eine Belastung des Ökosystems dar, es verunreinigt das Trinkwasser auch in einem solchen Maße, dass die Wasserwirtschaft Millionen-Beträge in Reinigungsverfahren investieren muss. „Wie oft wir schon über DIURON gesprochen haben“, lamentierte Schneider daraufhin und brachte seinen Textbaustein „Es macht keinen Sinn, Detail-Diskussionen über Produkte und deren Eigenschaften zu führen“ in Anschlag. Bei der Frage, wann BAYER endlich das im Geschäftsbericht von 1995 gegebene Versprechen einlösen wolle, besonders giftige Agrochemikalien durch ungefährlichere zu ersetzen, zeigte der Vorstandsvorsitzende sich noch weniger auskunftsfreudig. BAYER würde nur geprüfte Produkte vertreiben, lautete seine Nicht-Antwort.

Einem anderen angeblich so sorgfältig geprüftem Pestizid-Produkt, FOLIDOL, widmete sich Tania Santivañez aus Bolivien. Die Chemikerin der La Pazer Universität Nuestra Señora verwies auf Langzeitstudien, nach denen FOLIDOL chronische Gesundheitsstörungen wie Nervenkrankheiten verursacht. Zudem kritisierte sie, dass sich unter den 44 in ihrem Land registrierten BAYER-Ackergiftwirkstoffen mit Methyl-Parathion, Ethyl-Parathion, Oxidemeton, O-Methyl, Carbofuran und anderen etliche befinden, die in anderen Staaten wegen ihrer extremen Giftigkeit längst nicht mehr im Handel sind.

Mit dem Antibiotikum BAYTRIL stand ein weiteres der ach so sicheren BAYER-Produkte im Mittelpunkt des Beitrages der US-Amerikanerin Dr. Corinna Horta. Seitdem der Wirkstoff Fluorochinolon in der Geflügelzucht verwendet wird, ist die Anzahl der gegen die Substanz resistenten Krankheitserreger erschreckend gestiegen, so die Aktivistin von ENVIRONMENT DEFENSE. Da die Keime über die Nahrungskette auch in den menschlichen Organismus gelangen und dort Krankheiten auslösen können, hat das angesehene Wissenschaftsmagazin Science der US-Gesundheitsbehörde FDA geraten, den Handel zu stoppen.

Die BeamtInnen nahmen Gespräche mit den Herstellern auf. Einige stoppten daraufhin den Vertrieb. Nicht aber BAYER. Mit dem fadenscheinigen Hinweis darauf, BAYTRIL werde nur therapeutisch, nicht aber prophylaktisch verwendet, stellte Manfred Schneider in seiner Antwort auf Dr. Horta klar, dass der Chemie-Multi das auch in Zukunft nicht zu tun gedenke.

Was es wirklich bedeutet, wenn BAYER ein Produkt prüft, darüber klärte der britische Arzt Dr. Steven Karren die AktionärInnen auf. Er war an Voruntersuchungen zu einem Arzneimitteltest mit dem Antibiotikum CIPROBAY beteiligt, für das der Chemie-Multi eine Zulassungserweiterung beantragen wollte. Es sollte vor schweren Operationen nicht mehr nur intravenös, sondern auch oral verabreicht werden können. Die Tests fielen aber negativ aus. Oral eingenommen, vormochte CIPROBAY die PatientInnen nach überstandener OP nicht mehr vor Infektionen zu schützen. Unter den 800 Test-Personen kam es sogar zu Todesfällen Der Konzern hat diese Ergebnisse der zuständigen Ethik-Kommission verschwiegen und vor der „Medicine Control Agency“ falsche Angaben gemacht. Ein Skandal, zu dem Manfred Schneider nichts zu sagen hatte. Dr. Karren reichte deshalb unmittelbar nach der Hauptversammlung eine Klage gegen BAYER ein.

Den Tod hunderttausender AIDS-Kranker in Südafrika nahm der BAYER-Konzern mit seiner Patentverletzungsklage billigend in Kauf: Wegen des schwebenden Verfahrens hatten die PatientInnen nicht die Möglichkeit, billige Kopien von patent-geschützten westlichen Kombinationstherapeutika zu erwerben. Ilka Schröder, für die Grünen im Europäischen Parlament sitzend, bestritt deshalb die Legitimation des Anspruchs auf „Schutz des geistigen Eigentums“. Da Wissen ein gesellschaftlich produzierter Reichtum ist, „erwirtschaftet“ durch Erziehungsleistungen, staatlich finanzierte Bildungsinstitutionen, öffentliche Forschungsgelder, frei zugängliche Datenbanken und wissenschaftliche Errungenschaften der Vergangenheit, hat seine Privatisierung zu Profit-Zwecken nach Schröders Ansicht keine Berechtigung.

Einen anderen Aspekt der Benachteiligung von Ländern der „Dritten Welt“ - die Ausnutzung der in diesen Staaten weniger strengen Umweltauflagen als Standort-Vorteil - thematisierte Henry Mathews.
Der Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen
und Aktionäre zitierte eine neue GREENPEACE- Studie, nach der das BAYER-Werk im brasilianischen Belford Roxo den Boden und den Fluss Sarapui mit Schwermetallen, Chlor-Chemikalien und Pestizid-Rückständen in immensen Konzentrationen belastet. Was seriöse ForscherInnen unter penibler Dokumentation ihrer Untersuchungsmethoden veröffentlichten, nannte der BAYER-Chef einfach „die von GREENPEACE in die Welt gesetzten Behauptungen“ und erachtete es nicht als nötig, weiter auf das Problem einzugehen.

Aber nicht nur in den so genannten Entwicklungsländern, auch in der Bundesrepublik stellen BAYER-Anlagen eine Gefährdung von Mensch und Umwelt dar. Hubert Ostendorf (CBG) kam noch einmal auf die Beinahe-Katastrophe von Wuppertal zu sprechen, wo im Juni 1999 durch die Explosion eines Kessels 2,7 Tonnen giftiger Chemikalien freigesetzt wurden und sich deshalb über 100 Menschen in ärztliche Behandlung begeben mussten. Einen unerhörten Vorgang nannte es Ostendorf, dass der anschließende Prozess mit einer Geldbuße in Höhe von 5.000 Mark für einen kleinen BAYER-Angestellten endete und alles weiter seinen gewohnt-gefährlichen Gang gehen kann.

Nach der Katastrophen-Bilanz seiner VorrednerInnen widmete Wolfgang Teuber (DKP) sich dem ganz alltäglichen Wahnsinn in den BAYER- Betrieben. Während die Vorstandsbezüge im letzten Jahr um rund 30 Prozent zunahmen, mussten die Beschäftigten in diesem Zeitraum Lohn- Einbußen, die Streichung von Sonderleistungen, Flexibilisierungsmaßnahmen und eine immer größere Arbeitshetze hinnehmen, kritisierte Teuber und erinnerte Vorstand und Aufsichtsrat an die im Grundgesetz festgeschriebene Sozialpflichtigkeit des Eigentums.

Erübrigt hätte sich in Zukunft wahrscheinlich die geballte Konzern-Kritik, wie sie dem Multi am 27. April entgegenschlug, wenn BAYER folgende Vorschläge des CBG-Geschäftsführers Philipp Mimkes zum Tagesordnungspunkt „Satzungsänderungen“ akzeptiert hätte: „BAYER vertreibt keine Güter, die für militärische Zwecke genutzt werden können“; „Ziel des Unternehmens ist der Umweltschutz“; „BAYER garantiert das Gewerkschaftsrecht“; „BAYER macht keine Geschäfte mit Ländern, die die Menschenrechte verletzen“; BAYER übernimmt Verantwortung für die Verbrechen der IG FARBEN". Zu schön, um wahr zu sein, wäre das gewesen. Deshalb verwiesen die Bosse diesen Entwurf einer wirklich verantwortlichen Unternehmenssatzung auch umgehend ins Reich der Märchen.

[Gegenanträge] Hauptversammlung 2014

CBG Redaktion

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat heute Gegenanträge zur BAYER-Hauptversammlung am 29. April in Köln eingereicht. Die Gegenanträge werden auch auf der website des Konzerns veröffentlicht.

Gegenantrag zu TOP 3: Der Aufsichtsrat wird nicht entlastet

Der Aufsichtsrat kommt seiner Kontrollfunktion ungenügend nach und soll daher nicht entlastet werden. Es folgen Beispiele einer verantwortungslosen Konzernpolitik, die vom Aufsichtsrat mitgetragen wird:

Bienensterben
Um die großflächigen Bienenvolksterben einzudämmen, hat die EU am 1. Dezember die Verwendung der von BAYER verkauften Pestizide Imidacloprid und Clothianidin weitgehend verboten. Die Wirkstoffe schädigen schon in geringsten Konzentrationen das Nervensystem von Insekten und können zu chronischen Vergiftungen führen. Der Rückgang der Bienen-Populationen gefährdet die Bestäubung wichtiger Kulturpflanzen und damit die Ernährungssicherheit. Auch Vögel sind betroffen, da sie wegen der rückläufigen Zahl wildlebender Insekten nicht genügend Nahrung finden.
Trotz des Nachweises der Schädlichkeit durch Dutzende unabhängiger Studien klagen BAYER und SYNGENTA gegen das EU-Verbot. Auch geht der Verkauf außerhalb der EU weiter. Einmal mehr ist für BAYER der kurzfristige Profit wichtiger als der Schutz von Flora und Fauna.

HIV-Infektion von Blutern
Der „Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband“ hat jüngst den Deutschen Hörfilmpreis an die ZDF-Produktion „Blutgeld“ vergeben. Einer der drei Hauptsponsoren war ausgerechnet die BAYER AG.
„Blutgeld“ erzählt die wahre Geschichte dreier Brüder, die durch Gerinnungspräparate mit HIV infiziert wurden. Hintergrund der Handlung: bis Mitte der 80er Jahre wurden tausende Bluter mit HIV und Hepatitis-C infiziert, hauptsächlich durch Produkte von BAYER. Firmeninterne Memos hatten die Gefahren für Bluter frühzeitig benannt, ohne dass das Unternehmen daraus Konsequenzen zog. Der Bundestag kam zu dem Ergebnis, dass die Mehrzahl der Infektionen hätte verhindert werden können, da Tests und Inaktivierungsverfahren rechtzeitig vorlagen. Aus Profitgründen widersetzte sich BAYER jedoch einer Umstellung der Produktion und der Vernichtung ungetesteter Präparate.
Bis heute verweigert BAYER den Opfern eine gerechte Entschädigung. Trotzdem konnten in harten Kämpfen Zahlungen von mehreren hundert Millionen Euro erzwungen werden. Das Sponsoring der Preisverleihung an „Blutgeld“ durch BAYER stellt eine Verhöhnung der infizierten Bluter dar. Die Opfer werden dazu missbraucht, dem Konzern mittels „mildtätiger Gaben“ ein menschliches Antlitz zu verleihen.

Gesundheitsschäden durch Bisphenol A
Die Zähne von rund 10% aller Kinder besitzen wegen unzureichender Mineralisation nicht genügend Festigkeit und zersetzen sich daher. Als Auslöser steht die Chemikalie Bisphenol A (BPA) in Verdacht. Im Tierversuch beeinträchtigt Bisphenol A die Mineralisation von Rattenzähnen.
BAYER ist einer der größten BPA-Produzenten weltweit. Die Chemikalie kommt u. a. in Plastik-Flaschen, Konservendosen und Lebensmittel-Verpackungen zum Einsatz. Dutzende von Studien bringen BPA mit Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Krebs, Diabetes und Herzerkrankungen in Verbindung. Dr. Norbert Krämer von der Gießener Poliklinik für Kinder-Zahnheilkunde rät daher, keine Trinkflaschen aus Plastik zu verwenden und auf Lebensmittel zu verzichten, deren Verpackung BPA enthält.
Bereits 2008 hatte Kanada Bisphenol A als „gefährliche Substanz“ deklariert und eine Verwendung in Babyflaschen untersagt. 2011 folgte das EU-Verbot in Babyflaschen. Einige EU-Länder verhängten zusätzliche Verbote für Lebensmittelverpackungen und Trinkflaschen. Trotzdem stellt BAYER den Verkauf von Bisphenol A für risikoreiche Anwendungen nicht ein.
Vor wenigen Wochen kündigte die EU an, den Grenzwert für die BPA-Aufnahme drastisch zu verschärfen. Die Obergrenze soll von 50 µg pro Kilogramm Körpergewicht auf 5 µg gesenkt werden. Dies reicht jedoch nicht aus. Hormonaktive Chemikalien müssen aus allen Produkten des täglichen Verbrauchs verschwinden. Zudem benötigen wir dringend eine Umkehrung der Beweislast: Chemikalien, die im Verdacht stehen, gesundheitsschädlich zu wirken, müssen verboten werden - es sei denn, die Produzenten können diesen Verdacht nachweislich entkräften. Sonst vergehen weiterhin Jahrzehnte zwischen den ersten Hinweisen auf eine Schädigung bis zum Verbot einer Substanz.

Asbest
Ein Arbeitsgericht im nordspanischen Mieres hat BAYER zu einer Entschädigung von 71.800 € an die Hinterbliebenen eines langjährigen Mitarbeiters verurteilt. Der Arbeiter war an den Folgen seiner jahrzehntelangen Asbest-Belastung im Werk Langreo (Asturien) gestorben. Nach Ansicht des Gerichts hatte BAYER die Risiken ignoriert und es versäumt, die Arbeiter angemessen zu schützen.
Insgesamt wurde rund ein Fünftel des weltweit verbrauchten Asbests in der Chemie-Industrie eingesetzt. Die Gefahr für Leib und Leben war BAYER über Jahrzehnte hinweg bekannt. Durch gekaufte Gutachten und Zuwendungen an das damals zuständige „Institut für Wasser-, Boden- und Luft-Hygiene“ konnte die Industrie das Verbot um etwa 25 Jahre verzögern. Tausende Arbeiter/innen bezahlen dies mit ihrem Leben.
Bis heute hat BAYER kein Nachsorge-Programm eingerichtet, das alle Betroffenen erfasst und ihnen medizinische Betreuung anbietet.

Hauptversammlung 1999

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 30. April ´99

auf der heutigen BAYER-Hauptversammlung:

Kritische Aktionäre attackieren Vorstand

Mit insgesamt zehn Redebeiträgen treten die KRITISCHEN BAYER-AKTIONÄRE in der heutigen Hauptversammlung des BAYER-Konzerns in Köln auf. Schwerpunkt der diesjährigen Kampagne ist die Pharmapolitik des Unternehmens, insbesondere die Kritik an dem „Jahrhundertprodukt“ ASPIRIN. Hubert Ostendorf vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „ASPIRIN JUNIOR tötet Kinder! In Lateinamerika wird ein Produkt vertrieben, das bei uns längst vom Markt ist. Das Unternehmen BAYER muß seiner Verantwortung gerecht werden und den Verkauf von ASPIRIN JUNIOR weltweit einstellen!“ Ostendorf betont, dass Azetylsalizylsäure keineswegs harmlos sei und fordert eine Rezeptpflicht für ASPIRIN, um den unsachgemäßen Gebrauch einzudämmen.

Die CBG organisiert seit 16 Jahren die Gegenaktionen auf der Aktionärsversammlung. In diesem Jahr vertritt sie über 160.000 Aktien mit einem Kurswert von über 10 Mio DM. Im Folgenden haben wir Auszüge aus den Reden zusammengefaßt. Auf Wunsch stellen wir Ihnen gerne die kompletten Texte zur Verfügung. Wenden Sie sich dafür bitte an die unten aufgeführte Adresse.

100 Jahre Aspirin
Die Ärztin Dr. Christine Fischer von der BUKO-Pharmakampagne konfrontiert den Vorstand mit seiner Verantwortung für die unverantwortliche Pharma-Werbung. „Aspirin“, so die Expertin, „wird wie ein Lebensmittel beworben. Die Patienten nehmen die ernsthaften und für einige Menschen sogar lebensbedrohlichen Nebenwirkungen gar nicht wahr.“ Neben den hinlänglich bekannten Nebenwirkungen, Blutungen in Magen und Darm, seien auch pseudoallergische Reaktionen festzustellen. Besonders schlimm sei das Reye-Syndrom, das bei Kindern nach der Einnahme von Aspirin beobachtet werden kann und das in 50 Prozent der Fällen tödlich verläuft. BAYER, so die Ärztin, müsse dringend deutlicher auf die Nebenwirkungen hinweisen, die Werbung verändern und ASPIRIN JUNIOR weltweit vom Markt nehmen.

Entschädigung von Zwangsarbeitern
Der Historiker Dr. David Rosenberg ist der einzige ausländische Gast auf der BAYER-Hauptversammlung. Er ist Mitglied der jüdischen Gemeinde von Pittsburgh/USA und setzt sich für ehemalige BAYER-Zwangsarbeiter ein. Diese hatten während des zweiten Weltkrieges in den verschiedenen BAYER-Werken arbeiten müssen, mindestens 30.000 waren dabei ums Leben gekommen. Andere Opfer wurden bei medizinischen Versuchen von BAYER-Ärzten auf grausamste Weise gefoltert und getötet. Von dem tausendfachen Leid will der Konzern heute nichts mehr wissen. Die Kernfrage des engagierten Fachmannes: „Existierte BAYER zwischen den Jahren 1925 und 1951?“ Die Antwort geben nach seinen Recherche die BAYER-eigenen Publikationen. „In den Meilensteinen, Ihrer im Jahre 1989 erschienenen Unternehmensgeschichte, beantworten Sie diese Frage eindeutig mit Ja“. Der Konzern müsse die Forderungen der überlebenden Zwangsarbeiter anerkennen und eine Entschuldigung aussprechen.

Pestizideinsatz in Brasilien
André Schösser stellt in seiner Rede einen aktuellen Skandal aus Brasilien in den Mittelpunkt. Dort gibt es erhebliche Probleme beim Einsatz des BAYER-Pestizids BAYSISTON. Immer wieder klagen Arbeiter nach der BAYSISTON-Anwendung über Übelkeit, Ekzeme auf der Haut, Atemprobleme und Vergiftungserscheinungen. Die Staatsamanwaltschaft ermittelt wegen zahlreicher Todesfälle. BAYER zieht sich seit Jahren auf den Standpunkt zurück, daß die Bauern die Pestizide falsch anwendeten. Atemschutzgeräte und passende Schutzanzüge seien eben unumgängliche Hilfsmittel. Doch die arme brasilianische Landbevölkerung kann sich diese teuren Schutzgeräte nicht leisten. So wird BAYSISTON zum unkalkulierbaren Risiko für die Arbeiter. „BAYER muß endlich die gefährlichen Pestizide vom Markt nehmen und die Opfer entschädigen“, fordert Schösser.

Weitere Redebeiträge:
Dr. Sigrid Müller: schwere Nebenwirkungen im Prüfverfahren des Alzheimer-Mittels Metrifonat
Heinz Stehr: Arbeitsplatzvernichtung bei BAYER
Hubert Ostendorf, CBG: Zusammenarbeit von BAYER mit kriminellen Detektiven
Axel Köhler-Schnura, CBG: Prozess aids-infizierter Bluter gegen BAYER
Philipp Mimkes, CBG: Arisierung eines jüdischen Friedhofs durch BAYER 1942
Uwe Friedrich, CBG: Vorstellung einer Studie zum Pestizideinsatz in Nepal

Hauptversammlung 1998

CBG Redaktion

Presseerklärung vom 24. März 1998

Millionenschweres Aktienpaket: Kritiker übergeben Erweiterung der Tagesordnung

Die Kritischen BAYER Aktionäre übergeben heute dem Vorstand des Leverkusener Chemiemultis Ergänzungen für die Tagesordnung der BAYER-Hauptversammlung am 30. April. Hierzu befähigt sie das umfangreiche Aktienpaket der Familie Nold, die ihre Stimmrechte den Kritikern zur Verfügung stellt, für eine Erweiterung der Tagesordnung werden Aktien im Nennwert von 1 Mio DM benötigt. Zu den einzelnen Punkten werden die Kritiker auf der Hauptversammlung ausführlich Stellung nehmen, auch ein Gast aus den USA wird sprechen. Die Kritiker stellen auch über 30 Gegenanträge. Im einzelnen wird gefordert, die BAYER-Satzung wie folgt zu erweitern:

1. „Die Gesellschaft leistet umfassende finanzielle Entschädigungen an alle Personen, die durch Geschäftsaktivitäten oder durch Produkte gesundheitlich geschädigt wurden. Eine rückwirkende Produkthaftung wird unbefristet übernommen. Bluter, die durch Faktor VIII-Präparate mit dem Aids-Virus infiziert wurden, werden weltweit auf der Basis des in Japan geschlossenen Vergleichs finanziell entschädigt.“

2. „Die Gesellschaft garantiert ihren Beschäftigten weltweit in allen Niederlassungen weitestgehende gewerkschaftliche Freiheit, insbesondere Organisations- und Versammlungsfreiheit, Kündigungsschutz für Belegschaftsvertreter und Mitspracherechte der Beschäftigten bei allen arbeitnehmerspezifischen Belangen. In Staaten, in denen sie diese Rechte nicht garantieren kann, unterhält sie keine Niederlassungen oder Beteiligungen.“

3. „Die Gesellschaft entwickelt und produziert keine Güter, die für militärische Zwecke verwendet werden können. Sie beliefert weder Armeen noch Rüstungskonzerne.“

4. „Die Gesellschaft verpflichtet sich dem Ziel der umfassenden Schadstoff- und Risikominimierung. Hierzu gehören der Einsatz chlorfreier Verfahren in der Polyurethan-Produktion, der sofortige Verzicht auf die Produktion von Pestiziden der WHO-Toxizitätsklassen Ia und Ib sowie der Verzicht auf gentechnische Forschung und gentechnisch hergestellte Produkte.“

5. „Die Gesellschaft anerkennt ihre Verantwortung für die IG Farben-Geschichte - insbesondere für das den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern sowie den Opfern von Menschenversuchen zugefügte Unrecht. Sie entschädigt die ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter bzw. die Hinterbliebenen auf Basis des vorenthaltenen Lohns zuzüglich entgangener Zinsen.“

[Nexavar] Generika schützen!

CBG Redaktion

4. März 2013; Ärzte ohne Grenzen

Bayer-Widerspruch gegen indische Zwangslizenz abgelehnt

Ärzte ohne Grenzen begrüßt Entscheidung für bezahlbare Medikamente

Das indische Intellectual Property Appellate Board (IPAB) hat den Widerspruch des Pharmakonzerns Bayer gegen eine Zwangslizenz für die Produktion des Krebsmedikamentes Nexavar abgelehnt. Ärzte ohne Grenzen begrüßt die am Montag bekannt gegebene Entscheidung des obersten indischen Patentprüfungsausschusses in Chennai.

„Die Entscheidung stärkt Zwangslizenzen als wichtiges Instrument zum Schutz der öffentlichen Gesundheit“, sagt Oliver Moldenhauer, Koordinator der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. „Wir fordern Bayer auf, die Entscheidung zu akzeptieren und nicht anzufechten. Patente machen lebenswichtige Medikamente für Patienten in armen Ländern oft unbezahlbar, während die Konkurrenz durch Generikahersteller schnell und nachhaltig für deutlich niedrigere Preise sorgt. Im konkreten Fall ging es mit Nexavar um ein Krebsmedikament. Jetzt kommt es darauf an, dass Indien und andere ärmere Länder das Instrument der Zwangslizenzen stärker einsetzen. Dann können bald auch neuere HIV/Aids-Medikamente von Generikaproduzenten zu einem Bruchteil des Originalpreises produziert werden.“
„Neuere HIV/Aids-Medikamente sind heute noch für viele Menschen, die sie bräuchten, unerschwinglich“, so Moldenhauer weiter. „Nicht zuletzt für diese Patienten ist die Entscheidung des IPAB eine großartige Nachricht. Zwangslizenzen sind ein im internationalen Handelsrecht verankerter Mechanismus, den Staaten nutzen können, um Wettbewerb zu ermöglichen und damit den Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten sicherzustellen.“
Das indische Patentamt hatte dem indischen Generikahersteller Natco im März 2012 eine Zwangslizenz zur Produktion des in Nexavar enthaltenen Wirkstoffes Sorafenib Tosylate für die nächsten acht Jahre zugesprochen, weil Bayer es versäumt hatte, sein Medikament in ausreichender Menge und zu einem erschwinglichen Preis in Indien anzubieten. Der Preis sank dadurch um 97 Prozent. Natco zahlt dafür eine Lizenzgebühr in Höhe von sechs Prozent der Verkaufserlöse. Damit wurde in Indien zum ersten Mal eine Zwangslizenz für ein patentiertes Medikament erlassen.
Indien ist einer der bedeutendsten Generikahersteller weltweit. Die „Apotheke der Armen“ versorgt sowohl zahlreiche Gesundheitsprogramme in armen Ländern als auch zahlreiche Organisationen mit kostengünstigen generischen Medikamenten. Mehr als 80 Prozent der Aidsmedikamente, mit denen Ärzte ohne Grenzen weltweit 220.000 Patienten in ärmeren Ländern behandelt, sind günstige Nachahmerpräparate aus Indien.
Derzeit steht noch eine weitere wegweisende Gerichtsentscheidung in Indien aus. Der Pharmakonzern Novartis klagt vor dem Obersten Gerichtshof, um eine Bestimmung des indischen Patentrechts zu ändern, die den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten sichert.

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[Philipp Mimkes] Hauptversammlung 2014

CBG Redaktion

Philipp Mimkes, Coordination gegen BAYER-Gefahren

Liebe Aktionärinnen und Aktionäre,

der SPIEGEL meldete letzte Woche, dass der Fonds für HIV-geschädigte Bluter erneut zur Neige geht. Hepatitis-infizierte Bluter, deren Gesundheitszustand oft noch schlechter ist, gehen bislang ganz leer aus.
BAYER hat in diesen Fonds mehrfach eingezahlt, jedoch in vollkommen unzureichender Weise.

Zur Erinnerung: in den 80er Jahren wurde rund die Hälfte aller Bluter mit HIV und Hepatitis C infiziert. Die meisten durch Produkte von BAYER. Mehr als 2/3 der Betroffenen starben bislang an den Folgen.

Ein Bundestags-Untersuchungsausschuss kam zu Ergebnis: Die Mehrzahl der Infektionen hätte verhindert werden können, da Tests und Sterilisierungsverfahren rechtzeitig vorlagen.
Aus Profitgründen widersetzte sich BAYER damals der Umstellung der Produktion und der Vernichtung ungetesteter Präparate.

Im Oktober lief im ZDF der eindrucksvolle Film „Blutgeld“. U. a. wird darin gezeigt, wie Hersteller von Plasmaprodukten die Gefahren ungetesteter Präparate kannten, den Verkauf jedoch fortsetzten. Der Regisseur hat im Interview deutlich gemacht, dass es sich bei der dargestellten Firma um Bayer handelt.

Der Film hat vor wenigen Wochen den „Deutschen Hörfilmpreis“ erhalten. Hauptsponsor der Preisverleihung war ausgerechnet die BAYER AG.

Herr Dekkers, mir fehlen dazu fast die Worte: der Film thematisiert das Leid Tausender Hämophiler, deren Sterben BAYER größtenteils hätte verhindern können. Und Sie nutzen ausgerechnet diese Veranstaltung für Ihr sogenanntes „Social Marketing“??
Ich möchte Sie fragen: ob Sie solche makabren Werbekampagnen künftig unterlassen möchten?

Statt die BAYER-Opfer dergestalt zu verhöhnen, sollten Sie sich endlich bei den Geschädigten und den Hinterbliebenen entschuldigen. Außerdem fordern wir von Ihnen, dass Sie die Behandlungskosten der Opfer vollständig übernehmen und alle Infizierten nach japanischem Vorbild entschädigen.
In Japan erhielten die infizierten Bluter von BAYER rund eine halbe Mio Euro, lebenslange Rente + offizielle Entschuldigung.
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Heute haben wir viele warme Worte zum Ausscheiden von Wolfgang Plischke aus dem Vorstand gehört. Damit der Abschied nicht zu rührselig ausfällt, möchte ich kurz an 2 Stationen aus der Karriere von Herrn Plischke erinnern:

Ich sprach eben davon, dass sich die japanische BAYER-Tochterfirma Bayer Yakuhin 1996 bei den Opfern von HIV-verseuchten Blutpräparaten entschuldigte.
Ich zitiere aus der damaligen Erklärung von BAYER: wir „fühlen uns für die Schäden der HIV-infizierten Bluterkranken tief verantwortlich” und wir „entschuldigen uns von Herzen, den Opfern sowohl physisch wie psychisch großen Schaden zugefügt zu haben.”

Und wie hieß nun der damalige Geschäftsführer von Bayer Yakuhin? Ganz richtig: Wolfgang Plischke

Gegenüber europäischen oder amerikanischen Opfern hat BAYER eine Entschuldigung hingegen stets abgelehnt. Ich kenne mehrere Infizierte persönlich und ich weiß, dass diese seit 30 Jahren auf eine solche Entschuldigung warten.

Herr Plischke: es würde von menschlicher Größe zeugen, wenn Sie Ihren heutigen Abschied dazu nutzen würden, für die Betroffenen hierzulande ähnliche Worte zu finden wie damals in Japan.

Bleiben wir noch kurz bei Herrn Plischke: nach seiner Station in Japan wurde er Leiter der US-amerikanischen Pharma-Sparte von BAYER. In den USA lagen BAYER ab 1999 zahlreiche Berichte über schwere Nebenwirkungen des Cholesterin-Senkers Lipobay vor. Insbesondere bewirkte Einnahme von Lipobay einen Muskelzerfall (sog. Rhabdomyolyse), die zu Nierenversagen führen kann. Hätte BAYER bereits nach dem Bekanntwerden der ersten Fälle gehandelt, wären über hundert Menschen am Leben geblieben.

BAYER verkaufte zu diesem Zeitpunkt Lipobay mit einer Konzentration von 0,3 mg pro Tablette. Obwohl die Nebenwirkungen schon mit dieser relativ niedrigen Konzentration weit gravierender waren als bei Konkurrenz-Präparaten, brachte Bayer in den USA zunächst Lipobay mit einer Konzentration von 0,4 mg und schließlich im Jahr 2000 sogar mit einer Dosis von 0,8 mg auf den Markt.

Sogar Wissenschaftler von BAYER warnten das Management wiederholt vor diesem Schritt. Die internen Papiere, die von US-Gerichten später veröffentlicht wurden, zeigen: der Geschäftsleitung unter Wolfgang Plischke waren diese Warnungen im Detail bekannt. Sie setzte sich jedoch bewusst darüber hinweg. Die Mehrzahl der Todesfälle erfolgte durch Tabletten dieser erhöhten Konzentration von 0,8 mg.

Der Ausgang dieses Skandals ist den meisten bekannt: im August 2001 wurde Lipobay vom Markt genommen; BAYER zahlte Entschädigungen von über einer Milliarde Euro. Das macht die Toten aber nicht wieder lebendig.

Insofern ist Lipobay eines von vielen Beispielen einer Vermarktung von Pharmazeutika, die notfalls über Leichen geht. Und einer der Protagonisten dieses Prinzips heißt Wolfgang Plischke.

Abschließend habe ich einige Fragen zum Gerinnungshemmer Xarelto. Wir befürchten, dass mit Xarelto das nächste überflüssige (und für viele Patienten gefährliche) Präparat auf den Markt gedrückt wird.

Im vergangenen Jahr gab es allein in Deutschland 133 Meldungen über „tödliche Verläufe“ nach Einnahme von Xarelto und 1400 Meldungen schwerer Nebenwirkungen (in der Regel Blutungen). Gleichzeitig hat sich der Xarelto-Umsatz im vergangenen Jahr verdreifacht. Parallel dazu gab es von BAYER geradezu ein Marketing-Feuerwerk: mit Werbe-Veranstaltungen, dem Versand von Gratis-Mustern, dem Sponsoring medizinischer Kongresse etc

Hierzu meine erste Frage: welchen Betrag haben Sie für das Marketing von Xarelto im vergangenen Jahr ausgegeben?

Grundsätzlich möchte ich klarstellen: verbesserte Gerinnungshemmer sind wünschenswert, da die bisherige Therapie mit Marcumar kompliziert und mit vielen Nebenwirkungen verbunden ist.

Nur: aktuell gibt es keine glaubhafte Studie, wonach der Einsatz von Xarelto insb. zur Behandlung des Vorhofflimmerns (und das ist genau die lukrative Indikation, für die Xarelto vermarktet wird!) sinnvoll ist.
Xarelto reduziert weder die Zahl der Schlaganfälle noch die Rate schwerer Blutungen. Zudem liegen keine Langzeit-Studien zu den Nebenwirkungen des Präparats vor
Und nebenbei: die Kosten einer Xarelto-Therapie liegen 20x höher als z.B. bei Marcumar, was jährlich zu Zusatzkosten von etwa 1.000 Euro pro Patient führt

Neben der Vermarktung für Patienten mit Vorhofflimmern plant BAYER zusätzlich, Xarelto zur Behandlung des Akuten Koronarsyndroms (ACS) einzusetzen. Für das Zulassungsverfahren hat BAYER nur eine einzige, vollkommen unzureichende Studie vorgelegt.

Die US-Aufsichtsbehörde FDA hat eine Zulassung für ACS wegen mangelhafter Daten 2x verweigert. Unter anderem kritisierte die FDA unvollständige Datensätze und den viel zu kurzen Beobachtungszeitraum. BAYER musste gegenüber der FDA sogar einräumen, dass bei über 10% der Probanden der Beobachtungszeitraum so knapp war, dass am Studienende nicht einmal bekannt war, ob der Patient noch lebt. Zudem wies FDA nach: BAYER hatte mehrere Todesfälle von Probanden unter den Tisch fallen lassen.

Herr Dekkers, Sie haben kürzlich geäußert: Xarelto soll mittelfristig Jahreserlös von 3,5 Milliarden Euro einfahren.
Ich frage Sie: wie kommen Sie auf diese Summe? Planen Sie Vermarktung für Behandlung des Akuten Koronarsystems?
Bitte schlüsseln Sie auf, für welche Indikation Sie welche Umsätze mit Xarelto anpeilen.

Ihr Konkurrent Boehringer hat im Februar eine Studie zum Gerinnungshemmer Dabigatran veröffentlicht. Die Studie zeigt: der Plasmaspiegel schwankt bis zu einem Faktor 5 und korrelliert signifikant mit schweren Blutungen und Schlaganfällen. Boehringer überlegt daher, eine Kontrolle des Plasmaspiegels einzuführen und ein Antidot zu entwickeln.

Es ist davon auszugehen, dass die Lage bei Xarelto ähnlich ist. Von daher meine Frage:
Gibt es ähnliche Untersuchungen zu Xarelto? Ist Bayer bekannt, ob der Plasmaspiegel von Xarelto in ähnlichem Umfang schwankt?

Bayer hat laut Aussage der EMA im Jahr 2011 einen Test entwickelt, mit dem Überdosierungen festgestellt werden können.
Plant Bayer die Vermarktung des Tests zur Gerinnungskontrolle?
Entwickelt Bayer ein Antidot für Xarelto? Wenn ja, wird dieses vermarktet?

Wir befürchten, dass Xarelto – nach Lipobay, Trasylol und Yasmin – der nächste Pharma GAU von BAYER wird. Wir fordern daher in einem ersten Schritt, die Vermarktung von Xarelto an Risiko-Patienten sowie an Personen >70 Jahre einzustellen und das aggressive Marketing für Xarelto zu unterbinden.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Anmerkung zu den Antworten:

Marijn Dekkers weigerte sich, Angaben zu den Marketing-Kosten von Xarelto zu machen. Nur die allgemeinem Ausgaben für Marketing und Vertrieb (25% vom Umsatz) würden angegeben.
Auch die Umsätze nach Indikationen würden nicht aufgeschlüsselt.