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Beiträge verschlagwortet als “Tierversuche”

[Rede SHAC] Hauptversammlung 2003

CBG Redaktion

Rede und Fragen der Tierrechtsinitiative SHAC Deutschland an Bayer

(und die Antworten des Bayer-Vorstandschefs Dr. Manfred Schneider im Kursivdruck)

BAYER gab bei Europas größtem und seit Jahren aufs schärfste kritisierten und bekämpften Tierversuchsauftrags-
labor Huntingdon Life Sciences HLS mit anderen Unternehmen eine Studie in Auftrag, bei der Tiere 2 Jahre lang mit der Chemikalie Tri-n-butyl-Phosphat TBP in Versuchen vergiftet wurden.

Der Vorstand weiß, dass beim Tierversuchsauftragslabor Huntingdon Life Sciences HLS, das Labore in England und den USA hat,

- etwa 500 Tiere täglich in Versuchen gequält und umgebracht werden,

- etwa 70.000 Tiere, unter ihnen Hunde, Katzen, Affen, Nager, Fische, Rinder, in den Laboren von HLS gefangengehalten werden,

- HLS 5x Undercover-Recherchen unterzogen wurde, bei denen Beweismittel gesammelt und, z.B. vom britischen Fernsehsender Chanel Four, veröffentlicht wurden,

Der Vorstand weiß, dass dabei bekannt wurde, dass HLS Tiere in hohem Maße und absichtlich quält, z.B. erst ein paar Monate alte Hunde, um sie zu disziplinieren, schlägt, weshalb Mitarbeiter von Huntingdon Life Sciences von britischen Gerichten bereits mehrfach wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz rechtskräftig verurteilt wurden: HLS-Mitarbeiter gaben darüber hinaus selbst zu, Daten ungenau zu erfassen.

Ihnen ist weiter bekannt, dass bereits seit 1999 in England eine Tierrechtskampagne – Stop Huntingdon Animal Cruelty – kurz SHAC – gestartet wurde, um die Tierquälerei bei HLS zu beenden und HLS zu schließen. Auch wissen Sie, dass die Kunden und Geschäftspartner von HLS die Folter und Ermordung von Tieren bei HLS erst ermöglichten bzw. in Auftrag gaben und aus diesem Grund ebenfalls Ziel der SHAC-Kampagne waren und sind. Bayer zählt zu diesen Geschäftspartnern, ebenso einige Kooperationsfirmen von Bayer wie Aventis.

1. Welche Geschäftsbeziehungen hatte Bayer in der Vergangenheit zu HLS aufgebaut, konkreter:

1.1 welche Tierversuche gab Bayer dort in Auftrag?

1.2 an welchen Tieren wurden Versuche von HLS durchgeführt?

1.3 an wieviel Tieren wurden diese Versuche durchgeführt?

Schneider: „Wir haben ganz normale Geschäftsbeziehungen zu dem genannten Unternehmen HLS.“

2. Aus welchen Gründen wurde HLS beauftragt, wie kam es zu diesen Geschäftsbeziehungen?

3. Wer hat HLS beauftragt, die Bayer AG als Gesamtkonzern oder die Niederlassung in England oder eine dritte Stelle?

4. Wie sehen die derzeitigen Geschäftsbeziehungen zu HLS aus?

4.1 Gab Bayer im vergangenen Geschäftsjahr Tierversuche bei HLS in Auftrag? Bei welchen weiteren Firmen werden für Bayer Tierversuche durchgeführt?

4.2 Laufen derzeit Tierversuche bei HLS für Bayer

4.3 Beabsichtigt Bayer in Zukunft Tierversuche bei Huntingdon Life Sciences durchführen zu lassen?Wer wird diese Versuche dann in Auftrag geben, meint, welche Entscheidungsstelle bei Bayer?

5. Warum wurde die Bayer-Geschäftsstelle in London geschlossen?

5.1 Der Kölner Stadtanzeiger berichtet am 16.06. vergangenen Jahres, dass TierrechtlerInnen aus England in das Bayerwerk in Wuppertal eindrangen. Warum haben diese TierrechtlerInnen diese Aktion ihrer Meinung nach durchgeführt, d.h. welches Anliegen könnten sie gehabt haben?

Schneider: „Ich kann zu der Motivation der Tierschützer nichts sagen, da müssen Sie diese schon selbst fragen.“

5.2 Wie hoch lagen die Ausgaben bei Bayer für Krisen-bzw. Risikomanagement im vergangenen Geschäftsjahr, insbesondere für das Management von Krisen, die sich für Bayer aus der Kritik sog. Anspruchsgruppen, also Protestgruppen, ergaben? Zusatzfrage: Wäre es nicht ethisch geboten, sozial verträglicher und auch den AktionärInnen gegenüber verantwortungsbewusster, nicht Risikomanager zu finanzieren, die die negativen Folgen von bewusst herbeigeführten Krisen abwenden sollen, sondern Krisen, wie das Ziel von Kampagnen besorgter und sozial engagierter Menschen zu sein, gar nicht erst entstehen zu lassen, z.B. durch ein faires und emotional intelligentes Wirtschaftshandeln?

Schneider: „Selbstverständlich sind wir in der Lage und grundsätzlich verpflichtet, unsere eigenen Anlagen zu schützen, dort entstehen keine zusätzlichen Kosten.“

5.3 Ist Ihnen bekannt, dass auch Bayer-Aktionärinnen und –Aktionäre Ziel der SHAC-Kampagne sind, also mit Protestaktionen rechnen müssen, wenn Bayer noch oder wieder Tiere bei Huntingdon Life Sciences quälen lässt?

Welche Schutzmaßnahmen wurden bzw. werden von Bayer gegen die Shac-Kampagne getroffen?

Schneider: „Leider schrecken diese Leute zum Teil auch vor Drohungen und Gewaltanwendung nicht zurück, wie wir schon an einem unserer Standorte in Deutschland erfahren mussten.“

6. Bayer hat noch immer nicht den Missbrauch von Tieren zu Versuchszwecken eingestellt, statt dessen hält Bayer an einer rücksichtslosen Unternehmenspolitik, an systematischer Gewalt gegen Tiere fest.

6.1 An welchen Standorten Bayers werden Tierversuche durchgeführt?

6.2 In welchen einzelnen Bereichen und Abteilungen von Bayer werden Tierversuche durchgeführt?

6.3 An welchen Tieren werden Versuche durchgeführt und welche Versuche?

6.4 An wieviel Tieren jährlich werden Tierversuche durchgeführt?

Schneider: „Sie haben Tierversuche angesprochen, ein Thema, über das es viele emotionale Diskussionen gegeben hat und sicherlich auch noch geben wird. Ich möchte darauf nicht weiter eingehen, um keine weitere emotionale Diskussion auszulösen. Man sollte jedoch nicht alle verurteilen, die Tierversuche durchführen und sich selbst, nur weil man gegen Tierversuche ist, heilig sprechen.“

„Bayer selbst macht nur Tierversuche, die unumgänglich sind und vom Gesetz vorgeschrieben werden.“

„Ich weiß nicht, warum die Zahl der Versuchstiere so interessant ist.
140.000 Tiere wurden im Jahre 2001 in Versuchen verwendet, 90% davon waren übrigens Ratten und Mäuse und vor zehn Jahren war die Zahl noch doppelt so hoch.“

„Die Tierversuche werden auf Bayers eigenem Werksgelände durchgeführt.“

7. Als Grund für die Durchführung von Tierversuche führt die chemische und pharmazeutischen Industrie meist an, dass diese gesetzlich vorgeschrieben und somit für sie zwingen seien.

7.1 Wenn diese Gesetzeslage nicht bestünde, würde Bayer dann an Tierversuchen festhalten?

7.2 Welche Initiativen hat Bayer gestartet, um die Gesetzeslage dahingehend zu ändern, dass Tierversuche nicht mehr vorgeschrieben sind? Zusatzfrage: Wie hat sich Bayer im Zusammenhang mit der Diskussion um die Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz verhalten, über die im kommenden Mai im Bundestag abgestimmt wird und die dem Tierschutz bei ihrer Annahme die Chance einräumen würde, bei rechtlichen Abwägungen in Zukunft mit berücksichtigt zu werden?

7.3 Wie sieht das Engagement Bayers im vergangenen Geschäftsjahr bei der Entwicklung und dem Einsatz von in-vitro Methoden und von sog. Alternativmethoden im Allgemeinen aus?

Schneider: „Wir arbeiten natürlich auch an Alternativmethoden und setzen diese überall ein, wo es möglich ist.“

[KStA] BAYER Hauptversammlung

CBG Redaktion

KStA, 26. April 2013

Bayer-Hauptversammlung

Bienen-Attacke auf Bayer

Bayers Aktionärstreffen steht im Zeichen einer Greenpeace-Aktion. Vier Umweltaktivisten seilen sich mit einem Transparent ab. Auf dem werfen sie dem Konzern vor, schuld am Bienensterben zu sein. Von Thomas Käding

Die Bayer-Hauptversammlung und Proteste, das gehört zusammen wie Pech und Schwefel. Am Freitag geht es an den Nordhallen der Kölner Messe aber besonders hoch her: Vier Leute von Greenpeace seilen sich – unterstützt von vier Helfern – vom Hallendach ab und entrollen ein Transparent. Auf 75 Quadratmetern behaupten die Umweltaktivisten: „Bayer-Pestizide töten Bienen!“ Die Konzernkommunikatoren haben so etwas aber schon geahnt und kontern mit einem eigenen Banner: „Wir machen deutlich mehr für Bienen, als Ihr glaubt.“
Auf eine weitere Aktion ist man aber nicht vorbereitet. Ein Protestler hat Hunderte tote Bienen in seiner Aktentasche versteckt und damit tatsächlich die peniblen Personenkontrollen am Eingang überwunden. „Im Scanner konnte man das nicht sehen“, sagt einer der 775 Sicherheitsleute, nachdem sich die toten Tiere im Foyer der Halle auf den Boden ergossen haben: Punktsieg für die Protestierer.

Drinnen geht es zunächst nicht um Bienen – schon eher um Kohle in jeder Form. Bevor aber Antje Kleine-Wiskott von den Kritischen Aktionären Marijn Dekkers über die Importquote von Steinkohle aus Kolumbien – 40 000 Tonnen pro Jahr – ausfragen kann, geht es um Geld. Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) zeigt sich besorgt und euphorisiert zugleich: Die teuren Vergleiche mit amerikanischen Frauen, die nach der Einnahme von Antibabypillen, die mit der Schering-Übernahme zu Bayer gekommen sind, krank wurden, bereiten dem Aktionärsvertreter ebenso Kopfzerbrechen wie die schwache Leistung von Bayer Material Science. Toll findet Tüngler dagegen den Geschäftsgang insgesamt: „Wir strotzen vor Kraft.“ Und weil Bayer in diesem Jahr 150. Geburtstag feiert, stellt er vor 3200 Aktionären die Getränkefrage: „Wo ist der Champagner?“

Die Antwort gibt der Hausherr. Werner Wenning, seit vorigem Herbst endlich Chef des Aufsichtsrats und damit Versammlungsleiter, macht Tüngler mit den Regeln des Hauses vertraut: „Champagner gibt es bei uns nur zu vollen Jahrhunderten. Sie sind aber herzlich eingeladen“, sagt der 66-Jährige und lächelt leicht. Wenn schon kein Schampus, dann wenigstens eine überschäumende Dividende – aber auch in dieser Hinsicht macht die Bayer-Führung Tüngler keine Hoffnung. Die in den Raum geworfenen 2,20 Euro pro Aktie – in diesem Jahr sind es 1,90 – bleiben ohne Echo: „Die Dividende wird im Frühjahr 2014 vorgeschlagen“, erwidert Vorstandschef Marijn Dekkers kühl.

Ganz so sachlich bleibt Wenning nicht, als es um die Verabschiedung des Arbeitsdirektors geht. Mit Richard Pott verlässt Ende des Monats der letzte Leverkusener den Bayer-Vorstand. Wenning bezeichnet Pott als „kompetitiven Kollegen“. Diese ungewöhnliche Würdigung bleibt seitens der wachsamen Kritiker des Konzerns, die sich wiederum in stattlicher Zahl zu Wort melden, natürlich nicht unkommentiert: „Ich frage mich: Hat der die ganze Zeit an Ihrem Stuhl gesägt?“ So lautet der Kommentar des Aktionärs Ulrich Giebel, der im Zusammenhang mit der Personalie fragt: „Warum darf Herr Pott mit 60 Jahren in Ruhestand gehen, während Herr Plischke noch mit 62 arbeiten muss?“

Die Antwort fällt leicht: Die Vorstandsmitglieder dürfen sich in einem gewissen Rahmen aussuchen, wann sie aufhören. Und Forschungsvorstand Wolfgang Plischke wird nach dem plötzlichen Abgang von Jörg Reinhardt ja auch noch als Chef der Bayer-Pharmasparte gebraucht. Weitere Themen auf dem Aktionärstreffen sind das Bezahlsystem für den Vorstand, die ausbaufähige Frauenförderung, Tierversuche, die schlechtere CO2-Bilanz – daran ist die chinesische Kunststoffproduktion schuld – und natürlich die Kohlenmonoxid-Pipeline: ein Dauerbrenner. Wo es so viel zu fragen, vorzuwerfen und zu beantworten gibt, darf man nicht auf die Uhr schauen. Auch lange Debatten gehören zwingend zur Bayer-HV.

[Redebeiträge] Hauptversammlung 2015

CBG Redaktion

Kritische Redebeiträge in der Hauptversammlung der BAYER AG am 27. Mai 2015:

=> Jan Pehrke (CBG): Steuerflucht bei BAYER

=> Philipp Mimkes (CBG): Vergangenheitsbewältigung und fehlender Einsatz regenerativer Energien bei BAYER

=> Aktionsbericht und Rede von Axel Köhler-Schnura

=> Dr Werner Rügemer: Steuerflucht und intransparente Aktionärs-Struktur

=> Julia Sievers-Langer, Agrar Koordination: Risiken der Herbizide Glyphosat und Glufosinat

=> Christoph Then (testbiotech) + Sibylle Arians: Gentech bei BAYER

=> Felicitas Rohrer + Kathrin Weigele: Embolien durch Antibaby-Pillen

=> Dr. Christopher Faßbender (PETA) zu Tierversuchen

=> Corinna Hölzel (BUND): Pestizide und Bienensterben

=> Lea Horak (Rettet den Regenwald) zu Bienensterben

=> Dieter Donner zum Protest gegen die CO-Pipeline

=> Fabian Keil: Freie Software und Datensicherheit

=> Susanne Schultz (GEN) zu Hormonimplantaten

=> Daniel Bendix: Kontrazeptiva und Bevölkerungspolitik

=> Uta Behrens (Juristinnenbund) zur Gleichstellung von Frauen

=> Karl Murphy: Fehlbildungen durch Primodos

=> Valerie Williams: Fehlbildungen durch Primodos

=> Annette Seehaus-Arnold (Imkerin) zu Pestiziden

=> Christoph Koch (Imker) zu Bienensterben

=> Markus Bärmann (Imker) zu Bienensterben

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[Artikel taz] Hauptversammlung 2002

CBG Redaktion

Bei Bayer ein Gefühl wie im Hochsicherheitstrakt

Auf der Hauptversammlung des Leverkusener Konzerns schlechtere Stimmung als gewohnt. Englische Proteste auf der Vorstandsbühne

KÖLN taz Ein wahres Seuchenjahr hat die Bayer AG hinter sich. Zunächst kam der Skandal um das Cholesterin senkende Medikament Lipobay, dann der Einbruch der Aktie und jetzt die Kürzung der Dividende. Die Aktionärsversammlung der Bayer AG in der Kölner Messehalle 6 hatte am vergangenen Freitag einiges zu besprechen. Doch zunächst mussten die etwa 8.000 AktionärInnen sich durch die Jahr für Jahr wachsende Zahl der Demonstranten gegen die Geschäftspraktiken des Chemie- und Pharmakonzerns kämpfen.

In diesem Jahr wurde vor allem gegen die grausamen Tierversuche und die Senkung der Unternehmenssteuern protestiert, die der ehemalige Bayer-Angestellte Heribert Zitzelsberger als jetziger Staatssekretär im Bundesfinanzministerium durchgesetzt hatte. Danach musste sich AktionärIn durch eine von zwanzig Sicherheitsschleusen quetschen, wie man sie von Flughäfen kennt. Derart strenge Kontrollen waren bisher nicht üblich. Doch die Sicherheitsvorkehrungen waren seltsam inkonsequent: Wer die Halle verließ, wurde bei der Rückkehr ohne Kontrolle durchgewunken. Samt Gepäck.

Der sonst so weltgewandte Vorstandsvorsitzende der Bayer AG, Dr. Manfred Schneider, wirkte wenig souverän, als er zum letzten Mal zum Geschäftsbericht ansetzte. Nach zehn Jahren Amtszeit wechselte der 63-Jährige mit Ablauf der HV in den Aufsichtsrat. Im vergangenen Jahr brach der Konzerngewinn um 47 Prozent auf 965 Millionen Euro ein. Die Dividende wird auf Vorschlag des Vorstands von 1,40 auf 0,90 Euro je Aktie gesenkt. Nur verhaltener Beifall aus den Reihen der anwesenden Bayer-Aktionäre ertönte nach Schneiders Rede. Doch er bekannte erleichtert, dass ihm das sehr gut tue. Nach dem enttäuschenden Geschäftsjahr hatte er wohl mit heftigeren Reaktionen seiner Aktionäre gerechnet. Der aus diesem Anlass verstärkte Werkschutz war aber nicht in der Lage, zu verhindern, dass englische Gegner von Genpflanzen-Freilandversuchen zur Bodyguard-geschützten Vorstandsbühne stürmten und sich einer von ihnen die Dekoration hinaufhangelte. Diesen zu entfernen, gelang erst, nachdem Aufsichtsratsvorsitzender Strenger dem Werkschutz wutentbrannt seine Hilfe angeboten hatte.

Über die Diskussion des Geschäftsberichts selbst dürfte der Vorstand wenig Freude gehabt haben. Außer den vom Dachverband der Kritischen Aktionäre und von der Coordination eingeladenen elf Konzernkritikern äußerten sich diesmal fast alle Redner kritisch; etliche beklagten natürlich den Dividendenrückgang, aber es gibt eine wachsende Zahl von Aktionären, die vom Vorstand ein an ethischen Grundsätzen orientiertes Handeln erwarten. Die Stimmung der Aktionäre drückte sich auch in einer deutlichen Abstrafung bei der Abstimmung über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat aus; statt der üblichen 99 Prozent gab es diesmal nur 90 Prozent Zustimmung.

PAUL KRANEFELD-WIED Der Autor ist Mitglied der konzernkritischen Coordination gegen Bayer-Gefahren (www.cbgnetwork.org)
taz Nr. 6737 vom 29.4.2002

[Karl Murphy] Hauptversammlung 2015

CBG Redaktion

Mein Name ist Anabel Schnura. Ich trage die Rede von Karl Murphy aus England vor.

Werte Mitglieder des Vorstands, liebe Aktionäre.

Für alles, was ich heute sagen werde, liegen mir auch die entsprechenden Beweise vor, die meine Aussagen stützen.

Ich möchte heute über den hormonellen Schwangerschaftstest Duogynon, auch als Primodos oder Cumorit bekannt, reden. Bayer beharrt weiterhin darauf, dass das Medikament Duogynon nie dem Fötus geschadet hat, aber bis zum heutigen Tag weigert sich Bayer, eigene Dokumente über die entsprechenden Tierversuche offenzulegen.
Wenn dieses Medikament doch so zuverlässig Schwangerschaften bestätigen konnte und nie für Missbildungen verantwortlich war, warum gibt Bayer seine eigenen Studien zu Duogynon nicht frei?

Im Jahr 1969 hat Dr. Michael Briggs von Schering zugestimmt, dass Dr. Gal in Großbritannien hormonelle Schwangerschaftstests an Ratten testet. Er stimmte außerdem zu, Dr. Gal sowohl die Zusammensetzung des Schwangerschaftstests als auch die Versuchsratten zur Verfügung zu stellen. Nur hat Schering „vergessen“ Dr. Gal darüber zu informieren, dass die Ratten, die sie gestellt bekam, gar nicht schwanger waren. In einem auf Oktober 1969 datierten Brief schreibt Dr. Michael Briggs: „Diese Tiere wurden uns von unserem Zulieferer für Versuchstiere, der normalerweise absolut zuverlässig ist, als ‚garantiert tragend’ geliefert“.

Mir erscheint es vielmehr so, dass Schering einfach nicht wollte, dass Dr. Gal die Versuche durchführt, weil sie dann erkannt hätte, welche Schäden dieser hormonelle Schwangerschaftstest den Tieren zufügt. Bayer hatte nie die Absicht, Dr. Gal diese Versuche mit den eigenen hormonellen Schwangerschaftstests durchführen zu lassen.

Ich bin im Besitz von 102 Studien, darunter auch Studien aus Deutschland, die über 3500 Fälle von Missbildungen bei Babys aufzeigen, deren schwangere Mütter entweder hormonelle Schwangerschaftstests oder die Anti-Baby-Pille verordnet bekamen. Über 1000 Abtreibungen nach der Einnahme hormoneller Schwangerschaftstests oder der Anti-Baby-Pille sind aktenkundig. Trotzdem behauptet Bayer weiterhin, dass hormonelle Schwangerschaftstests den Fötus nicht schädigen würden und weigert sich, die eigenen Studien offenzulegen. Ich frage mich warum?

Im Jahr 1967 stand Schering im Kontakt mit dem Pharmahersteller Roussel, der ebenfalls einen hormonellen Schwangerschaftstest namens Amenorone Forte auf dem Markt hatte. Es gab einen regen Schriftwechsel zwischen Roussel und Schering. Mir liegen Studien von Roussel vor. Lassen Sie mich die Aktionäre über die Ergebnisse dieser Studien zu hormonellen Schwangerschaftstests informieren. In den Studien von Roussel ist von Missbildungen in 3,6% und Abtreibungen in 8,6% der Fälle die Rede.

In der Vergangenheit wurden mir weitere Studien aus den USA, Australien, Kanada, Israel, Deutschland, Schweden und Frankreich zugespielt, die ebenfalls die schädigenden Auswirkungen von hormonellen Schwangerschaftstests aufzeigen. Einige dieser Studien sind als „unveröffentlicht“ klassifiziert, und wieder einmal frage ich mich: warum wurden sie nicht veröffentlicht? Die Studien, die mir vorliegen, erklären, warum Bayer die eigenen Studienergebnisse zu Duogynon nicht veröffentlichen wird.

2010 erhielt ich von Bayer ein Schreiben, in dem konstatiert wird, dass Duogynon - in Großbritannien ist es als Primodos bekannt, weshalb ich fortan diesen Namen verwenden werde - im Jahr 1970 als Schwangerschaftstest vom Markt genommen wurde, aber als Medikament zur Behandlung ausbleibender Regelblutungen weiterhin zur Verfügung stand. Also hätten alle Ärzte, die Primodos nach 1970 noch als Schwangerschaftstest verordnet haben, dies „off label“ getan, also auf eigene Verantwortung. Was Bayer dabei vergisst allen da draußen, uns Aktionären inbegriffen, zu erzählen, ist, dass Schering die Ärzteschaft bis 1977 nicht schriftlich über diese Änderung bezüglich der Indikation von Primodos als Schwangerschaftstest informiert hat. Protokolle der Regierung des Vereinigten Königreichs bestätigen dies.

Warum haben Sie die Ärzte nicht schon 1970 über diese Änderung der Indikation von Primodos als Schwangerschaftstest informiert? Na los, Bayer, beantworten Sie diese Frage doch endlich, wo Sie sie doch sonst jedes Mal, wenn ich sie stelle, ignorieren.

Weiterhin hat Schering den Inhalt des Beipackzettels von Primodos bis zum 22. Januar 1974 nicht verändert, obwohl so eine Verwendung als Schwangerschaftstest hätte ausgeschlossen werden können. Dies beweisen interne Schreiben von Schering und auch Dr. Michael Briggs bestätigte dies der WHO. Dr. Michael Briggs von Schering bestätigt ebenfalls, dass die Beipackzettel erst im Juni 1975 dahingehend verändert wurden, eine mögliche Schwangerschaft als Kontraindikation von Primodos aufzulisten. Das war 5 Jahre nachdem dieses Medikament laut Bayer 1970 als Schwangerschaftstest vom Markt genommen wurde und zeigt deutlich die von Schering gefahrene Verzögerungstaktik auf. Dieser Konzern hat erst Jahre später die Ärzte entsprechend unterrichtet und den Beipackzettel geändert. Interne Dokumente von Schering beweisen dies.

Meine Frage an Bayer lautet: Dachten Sie, die Ärzte in Großbritannien konnten Gedanken lesen und die Änderungen, die Sie 1970 bezüglich der Verwendung von Primodos als Schwangerschaftstest vorgenommen haben, vorhersehen?

Wenn Schering bereits 1970 die Ärzte über den veränderten Kurs bezüglich der Verwendung von Primodos informiert hätte, was aber erst 1974/75 indirekt durch den Beipackzettel passierte, hätten tausende Missbildungen und Todesfälle in Großbritannien, Deutschland, und weltweit verhindert werden können.
Mir wurde schriftlich bestätigt, dass Primodos ab 1970 keine Zulassung als Schwangerschaftstest mehr hatte, es wurde also ohne Genehmigung als solcher eingesetzt. Ich komme an dieser Stelle nochmals auf die verordnenden Ärzte zurück. Da diese von Schering nicht über die Veränderungen in Kenntnis gesetzt wurden, kann man Ihnen nicht die Schuld in die Schuhe schieben. Wie hätten die Ärzte den Gebrauch von Primodos auch ändern sollen, wenn Schering A) den Beipackzettel von Primodos bezüglich der Verwendung als Schwangerschaftstest erst 5 Jahre nach der Entscheidung im Jahr 1970 änderte und B) die Ärzte erst 1977 wirklich von dieser Änderung in Kenntnis gesetzt wurden?

Dies zeigt also, dass Primodos von Schering nach 1970 ohne Zulassung als Schwangerschaftstest in Umlauf gebracht wurde, was gegen den 1968 verabschiedeten „medicines act“ in Großbritannien verstößt, der besagt, dass kein Pharmahersteller Arzneimittel ohne Zulassung in Umlauf bringen darf. Die Behörden im Vereinigten Königreich wurden diesbezüglich kontaktiert und eine Stellungnahme von mir sowie einige Dokumente, die das von mir gesagte beweisen, wurden der Polizei übergeben. Die Behörden prüfen diesen Sachverhalt derzeit. Ich habe Dokumente, die ganz klar bestätigen, dass die Chemikalie Norethisteron, welche in hoher Konzentration in Primodos enthalten war, schon in den frühen 1970ern als kontraindiziert für Schwangere galt.
Warum wurde diese Chemikalie in so hoher Dosierung verwendet, wenn sie doch bekanntermaßen kontraindiziert war?
Warum wurde Primodos in Deutschland und der Dritten Welt auch nach 1970 noch als Schwangerschaftstest verwendet, wenn Schering zu diesem Zeitpunkt bereits wusste, dass der Gebrauch kontraindiziert war und die Verwendung als Schwangerschaftstest in Großbritannien schon 1970 zumindest theoretisch gestoppt wurde?
Ein mir vorliegendes Dokument von Schering bestätigt, dass Cumorit in Dritte-Welt-Ländern noch bis 1987 verwendet wurde, obwohl Schering die verheerenden Folgen wohl bekannt waren. Dies offenbart mehr als deutlich den fehlenden Respekt vor menschlichem Leben, die Geldgier, sowie die Gedankenlosigkeit dieses Konzerns.

Bayer, als Antwort auf diese Rede erwarte ich kein Mitleid. Aber ich möchte dass alle hier wissen, auf wessen Kosten Bayer seine enormen Gewinne generiert. Ich weiß, dass Sie weiterhin leugnen werden, dass dieses Medikament für irgendwelche Missbildungen verantwortlich ist. Sie werden die Studien, die diese Zusammenhänge offenlegen würden, ja sowieso nicht veröffentlichen. Wenn Bayer nicht so verdammt feige wäre, würden Sie alle Beweise zum Thema Primodos offen auf den Tisch legen und die Ergebnisse der Versuche an Ratten, Kaninchen und anderen Tieren endlich veröffentlichen.

Vielen Dank.

[PETA] Bayer HV 2012

CBG Redaktion

Guten Tag, meine Damen und Herren, werte Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates.

Mein Name ist Christine Esch, ich bin Tierärztin und Kampagnenleiterin im Bereich Tierversuche bei PETA Deutschland e.V. Wir sind eine Schwesterorganisation von PETA USA, der mit über drei Millionen Unterstützern weltweit größten Tierrechtsorganisation. Ziel der Organisation ist es, durch Aufdecken von Tierquälerei, Aufklärung der Öffentlichkeit und Veränderung der Lebensweise jedem Tier zu einem besseren Leben zu verhelfen. Ich möchte auch dieses Jahr wieder zum Thema Tierversuche sprechen.

Letztes Jahr habe ich an dieser Stelle von einer Undercover-Recherche von PETA USA erzählt, bei der in einem US-amerikanischen Auftragslabor namens PLRS massive Tierschutzverstöße dokumentiert werden konnten. Einer der verschiedenen Auftraggeber dieses Labores war Bayer. Video-Material der Recherche (nach wie vor online unter www.peta.de/plrs) zeigt unter anderem, wie Katzen und Hunde mit Hochdruckreinigern abgespritzt werden, die unter anderem Bleichmittel enthalten, Mitarbeiter die Tiere obszön beschimpfen, anschreien, treten und brutal in ihre Käfige schmeißen und zerren.

Das Labor hat mittlerweile geschlossen und im letzten Jahr wurde bekannt, dass einige der Mitarbeiter von PLRS wegen des Straftatbestandes der Tierquälerei angeklagt werden. Das ist ein in den USA ziemlich seltener Vorgang und zeigt, dass wir hier nicht von irgendwelchen Kavaliersdelikten oder unschönen Einzelfällen, sondern wirklich von massiver, handfester Tierquälerei reden.

Vom Bayer-Vorstand haben wir auf der letztjährigen Hauptversammlung dann sinngemäß gehört, der Umgang mit den Tieren bei PLRS sei selbstverständlich nicht im Sinne von Bayer gewesen, man habe das Labor wohl vorher „nicht ausreichend auditiert“ und wolle solche Vorfälle in Zukunft vermeiden.

Wir von PETA haben daraufhin erwartet, dass konkrete Maßnahmen ersichtlich werden, mit denen Bayer in Zukunft verhindern möchte, dass so etwas wie bei PLRS in Zukunft noch einmal in einem Auftragslabor von Bayer passiert. Zwar gibt es bei Bayer Tierschutzbeauftragte, ein globales Komitee für Tierschutz und diverse regionale Institutionen, die die Einhaltung von Tierschutzstandards überwachen sollen. Es drängt sich allerdings der Eindruck auf, dass all diese Beauftragten und Einrichtungen dem Unternehmen vor allem nach außen einen tierfreundlichen Anstrich verpassen sollen. Denn konkret gelten – abgesehen von rechtlichen Standards, deren Einhaltung eine Selbstverständlichkeit sein sollte – lediglich die sogenannten „Bayer-Grundsätze zu Tierschutz und Tierversuchen“ als Maßstab für die Labore. Und diese Bayer-Grundsätze klingen zwar zunächst sehr schön, es ist viel die Rede vom respektvollen Umgang mit den Tieren und möglichst schonenden Verfahren, sie entbehren aber jeder konkreten Anweisung.

Ich frage Sie deshalb:

Was genau sind „fachgemäße Bedingungen“, unter denen die Tiere in einem „artgerecht gestalteten Umfeld“ gehalten werden? Meinen Sie damit z.B. die Einhaltung der EU-Richtlinie, nach der Sie bis zu 10 Mäuse dauerhaft in einen Käfig sperren dürfen, dessen Grundfläche der eines DinA4-Blattes entspricht? Bezeichnen Sie so eine respektvolle Haltung und Behandlung von Tieren, wie Sie in Ihren Grundsätzen vorgeschrieben ist?

Was genau bedeutet eine „möglichst niedrige Belastung der Versuchstiere“? Welches sind „tierschutzgerechte Abbruchkriterien“, bei denen die Tiere aus dem Versuch genommen werden müssen?

Warum werden keine konkreteren Regelungen oder Maßnahmen veröffentlicht? Weil es möglicherweise keine gibt?

Und wann und wo werden detaillierte Jahresberichte der Tierschutzbeauftragen und Komitees veröffentlicht?

Ich möchte noch einmal auf die Zusammenarbeit mit externen Laboren zurückkommen. Die „Bayer-Grundsätze zu Tierschutz und Tierversuchen“ besagen, dass man nur mit solchen Laboren zusammenarbeite, deren Arbeit mit diesen Grundsätzen in Einklang stehe. Dies lasse man sich vertraglich bestätigen und es werde regelmäßig anhand von Fragenkatalogen kontrolliert. Auch hierzu habe ich einige Fragen:

Gab es auch beim PLRS-Labor eine solche vertragliche Vereinbarung zum Tierschutz? Da diese ja offenkundig nicht eingehalten wurde, wie hoch war die Konventionalstrafe, die von diesem Labor wegen Nicht-Einhaltung des Vertrages eingefordert wurde?

Fanden auch im PLRS-Labor Kontrollen durch kompetente Bayer-Mitarbeiter statt? Was wurde bei diesen Kontrollen vorgefunden?

Da die Kontrollmechanismen ja im Fall des PLRS-Labores offensichtlich versagt haben: In welcher Weise wurden die Kontrollmodalitäten seit dem abgeändert? Wurden die Fragebögen verschärft und die Häufigkeit der Kontrollen erhöht? Werden Labore auch vor Beginn einer Zusammenarbeit besucht und kontrolliert?

Ich hoffe, Sie merken anhand meiner Fragen und der vielen Fragen, die sich noch aufdrängen und die leider aufgrund der Kürze der Zeit nicht gestellt werden können, dass Ihre „Grundsätze zu Tierschutz und Tierversuchen“ bei weitem nicht geeignet sind, einen Umgang mit den Tieren in Versuchslaboren zu gewährleisten, der wenigstens den ohnehin schon minimalen gesetzlichen Standards entspricht. Und selbst diese gesetzlichen Standards sind immer noch weit davon entfernt, den Tieren ein Leben zu ermöglichen, das ihren Bedürfnissen auch nur ansatzweise ähnelt. Ich möchte daran erinnern, dass im Jahr 2010 in Deutschland über 2,9 Millionen Tiere in Tierversuchen leiden und sterben mussten. Es handelte sich nicht „nur“ um Mäuse und Ratten, sondern auch um Katzen, Hunde, Affen, Kaninchen und Meerschweinchen. All dieser Tierarten (und noch vieler anderer) bedient sich auch Bayer bei seinen Tierversuchen.

In den traditionellen Tierversuchen, von denen Bayer außerhalb der EU noch immer Gebrauch macht, werden Ratten, Meerschweinchen und Kaninchen rasiert, fixiert und reizende Chemikalien werden auf ihre nackte Haut aufgetragen.

Bei Bayers oralen Toxizitätstests werden Hunde, Mäuse und Ratten dazu gezwungen, gewaltige Mengen einer Testchemikalie zu schlucken. Die Tiere können akute Bauchschmerzen, Durchfall, Krämpfe, Anfälle, Lähmungen und Blutungen aus Nase, Mund und Genitalien durchleiden, bevor sie letztendlich sterben.

Das enorme Leid dieser Tiere und die systemimmanente wissenschaftliche Unzuverlässigkeit der Versuchsergebnisse sollten Grund genug für einen Konzern wie Bayer sein, letztendlich auf Tierversuche verzichten zu wollen. Längst existieren akkurate und validierte tierfreie Testmethoden, die als vollständiger Ersatz für veraltete, tierbasierte Toxizitätstests, wie die eben beschriebenen Versuche, von Behörden in den USA, der EU, Japan, Kanada und vielen anderen Ländern anerkannt sind.

Warum also ist Bayer aus diesen Tierversuchen immer noch nicht ausgestiegen?

Wann wird es endlich eine globale Selbstverpflichtung von Bayer geben, auf veraltete Tierversuche, die längst durch validierte Alternativmethoden ersetzbar sind, zu verzichten?

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

[PETA] Hauptversammlung 2015

CBG Redaktion

Fragen zur Hauptversammlung der Bayer AG am 27.05.2015 in Köln

Dr. Christopher Faßbender, PETA Deutschland e.V.

Guten Tag, Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,

mein Name ist Dr. Christopher Faßbender. Ich vertrete die Tierrechtsorganisation PETA Deutschland e.V. und richte folgende Fragen an den Vorstand:

Bayer setzt in Experimenten zur Entwicklung von Produkten wie Floh- und Zeckenabwehrmitteln immer wieder Hunde und Katzen dem Befall von Flöhen und Zecken aus. Welche konkreten Schritte unternimmt Bayer zur Entwicklung von Alternativen zum Tierversuch, zur Minimierung der Anzahl der für die Experimente genutzten Hunde und Katzen und zur Minderung des von den Tieren erfahrenen Schmerzes? Wie ist diesbezüglich die Lage insbesondere der auf die zur Kontrolle eingesetzten Hunde und Katzen und der Tiere, die mit Parasiten besetzt werden, die ernsthafte Erkrankungen auslösen können?

Zwei Veröffentlichungen von Bayer aus dem Jahr 2012 besagen, dass zur Fütterung von Flöhen und Zecken vor den Experimenten Hunde, Katzen und Kaninchen anstelle von nicht-tierischen Parafilm-Membranen eingesetzt wurden. Warum nutzt Bayer vorhandene nicht-tierische Methoden nicht wenigstens für einen Teil der Lebensdauer der Parasiten?

Bedenkt man, dass Bayer extrem lang andauernde Experimente an Hunden und Katzen durchführt, stellt sich die Frage, welche Enrichment-Maßnahmen Ihr Unternehmen bietet und unter welchen Bedingungen die Tiere untergebracht sind. Haben sie regelmäßig Zugang zum Freien und die Möglichkeit der Sozialisierung? So dauerte beispielsweise eine im Jahr 2013 abgeschlossene Studie über 400 Tage. Dabei wurde die Eignung von Halsbändern mit Imidacloprid und Flumethrin zur Verhinderung der Langzeitübertragung des Bakteriums Ehrlichia canis durch infizierte Zecken auf Hunde untersucht. Welche Art von Enrichment steht Katzen und Hunden zur Verfügung, die wiederholt über mehrere Stunden hinweg in mit Parasiten besetzte Transportboxen gesperrt werden? Das war im Rahmen der Studien „Wirksamkeit eines Imidacloprid/Flumethrin-Halsbandes gegen Flöhe und Zecken bei Katzen“ und „Wirksamkeit eines Imidacloprid/Flumethrin-Halsbandes gegen Flöhe, Zecken, Milben und Läuse bei Hunden“ aus dem Jahr 2012 der Fall. Auch wenn die von mir genannten Studien nichts in vergangene Geschäftsjahr fallen, geht die Forschung doch weiter und die Fragen stehen nach wie vor im Raum.

Und ein letzter Fragenkomplex: Werden In-vivo-Laborstudien nur dann durchgeführt, wenn sie von regulierenden Behörden vorgeschrieben sind? Und sind bestimmte Studien von den Behörden vorgeschrieben, trifft sich Bayer dann mit diesen Behörden, um die Nutzung der Möglichkeiten zu besprechen, Tierversuche durch „Waiving“, also Datenverzicht etwa durch Read-Across und Weight-of-Evidence-Analysen, zu umgehen? Bespricht Bayer mit den Behörden außerdem den Einsatz aller verfügbaren Alternativmethoden? Bemüht sich Bayer um die Nutzung von Hunden und Katzen, die Kunden gehören und einer Behandlung bedürfen, anstelle von Experimenten an Tieren im Labor? Und diskutiert Bayer schließlich mit den Behörden die Nutzung historischer Kontrollen oder aktiver Kontrollen, d.h. mit bekannten, effektiven Mitteln behandelten Kontrolltieren, anstatt Hunde und Katzen ohne Behandlung leiden zu lassen?
Vielen Dank!

Chemikaliensicherheit Jetzt!

CBG Redaktion

Forderung an neue Bundesregierung: REACH muss verschärft, nicht verwässert werden

Tausende von Chemikalien, die sich in Produkten des täglichen Lebens befinden, wurden nie auf ihre Gefährlichkeit hin untersucht. Selbst für großtechnisch hergestellte Stoffe liegen den Behörden in den meisten Fällen keinerlei Informationen über mögliche Umweltrisiken vor.

Imidacloprid

CBG Redaktion

die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA hat heute eine Verringerung der Grenzwerte von Imidacloprid vorgeschlagen. Die CBG fordert seit den 90er Jahren ein Verbot des Wirkstoffs wegen seiner hohen Umweltrisiken.

Pressemitteilung vom 17 Dezember 2013

EFSA bewertet möglichen Zusammenhang zwischen zwei Neonikotinoiden und Entwicklungsneurotoxizität

Zwei Neonikotinoid-Insektizide – Acetamiprid und Imidacloprid – können sich unter Umständen auf das in Entwicklung begriffene menschliche Nervensystem auswirken, so die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Sachverständige der Behörde schlagen vor, einige der Richtwerte für eine annehmbare Exposition gegenüber den beiden Neonikotinoiden zu senken, während weitere Forschungen unternommen werden, um zuverlässigere Daten zur sogenannten Entwicklungsneurotoxizität (developmental neurotoxicity – DNT) zu gewinnen. Das Gremium der EFSA für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände (PPR-Gremium) fordert eine Festlegung von Kriterien auf EU-Ebene, um die verpflichtende Vorlage von DNT-Studien im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Pestizide zu bewirken. Dies könnte die Entwicklung einer umfassenden Prüfstrategie für die Bewertung des DNT-Potentials von Substanzen, einschließlich aller Neonikotinoide, umfassen.

Die EFSA war von der Europäischen Kommission ersucht worden, ein wissenschaftliches Gutachten zu erstellen und dabei die jüngste Forschungsergebnisse von Kimura-Kuroda (1) sowie vorliegende Daten zum Potential von Acetamiprid und Imidacloprid zu berücksichtigen, das in Entwicklung begriffene menschliche Nervensystem, insbesondere das Hirn, zu schädigen.

Das PPR-Gremium befand, dass Acetamiprid und Imidacloprid unter Umständen die Entwicklung von Neuronen und Hirnstrukturen, die etwa mit der Lern- und Gedächtnisfunktion in Verbindung stehen, beeinträchtigen können. Das Gremium kam zu dem Schluss, dass einige der aktuellen Richtwerte für eine annehmbare Exposition gegenüber Acetamiprid und Imidacloprid möglicherweise zu hoch sind, um im Hinblick auf Entwicklungsneurotoxizität ausreichend Schutz zu gewährleisten, und daher herabgesetzt werden sollten. Bei diesen sogenannten toxikologischen Referenzwerten handelt es sich um klare Vorgaben bezüglich der Menge einer Substanz, der Verbraucher ohne nennenswertes Gesundheitsrisiko kurz- und langfristig ausgesetzt werden können. Hierzu zählen zum Beispiel die akute Referenzdosis (ARfD), die zulässige Tagesdosis (ADI) und die annehmbare Anwenderexposition (AOEL).

Ausgehend von ihrer Auswertung der vorliegenden Informationen schlägt die EFSA Änderungen der folgenden toxikologischen Referenzwerte für Acetamiprid und Imidacloprid vor:
• Für Acetamiprid sollten der derzeitige ADI-Wert und AOEL-Wert von 0,07 mg/kg Körpergewicht pro Tag und der ARfD-Wert von 0,1 mg/kg Körpergewicht auf 0,025 mg/kg Körpergewicht (pro Tag) gesenkt werden.
• Für Imidacloprid sollten der derzeitige AOEL-Wert und ARfD-Wert von 0,08 mg/kg Körpergewicht pro Tag auf 0,06 mg/kg Körpergewicht pro Tag gesenkt werden. Der derzeitige ADI-Wert für Imidacloprid wird als angemessen erachtet, um Schutz im Hinblick auf mögliche entwicklungsneurotoxische Auswirkungen zu gewährleisten.

Die EFSA ist sich der eingeschränkten Aussagekraft der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse bewusst und empfiehlt die Durchführung weiterer Forschungsarbeiten zur Gewinnung zuverlässigerer Daten. Dessen ungeachtet war das PPR-Gremium der Meinung, dass die bei der Auswertung der vorliegenden Daten aufgeworfenen Gesundheitsbedenken berechtigt seien. Die EFSA unterstützt daher die Festlegung eindeutiger und konsistenter Kriterien, um die verpflichtende Vorlage von DNT-Studien im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Pestizide in der EU zu bewirken. Dies könnte die Entwicklung einer integrierten DNT-Prüfstrategie umfassen, die einem stufenweisen Ansatz folgt. Hierbei würden zunächst Labortests mit Zellen (sogenannte In-vitro-Tests) eingesetzt und, falls die ersten Ergebnisse bezüglich des DNT-Potentials einer Substanz besorgniserregend sind, in einem weiteren Schritt Tierversuche (In-vivo-Tests) mit einbezogen. Das PPR-Gremium empfiehlt, dass im Rahmen einer solchen Prüfstrategie alle Neonikotinoid-Substanzen einer Bewertung unterzogen werden.
• FAQs on developmental neurotoxicity potential of acetamiprid and imidacloprid
• Scientific Opinion on the developmental neurotoxicity potential of acetamiprid and imidacloprid

Hinweise für die Redaktion:
Wissenschaftler haben eine Reihe toxikologischer Referenzwerte entwickelt, die als Richtwerte bei der Festlegung annehmbarer Expositionsniveaus gegenüber bestimmten Substanzen in Lebensmitteln dienen. Ausgedrückt werden diese Richtwerte in Bezug auf das Körpergewicht – in der Regel in Milligramm (der Substanz) pro Kilogramm Körpergewicht – und pro Tag, im Fall wiederholter Exposition.
• Die akute Referenzdosis (ARfD) ist die geschätzte Menge einer Substanz, die kurzfristig – üblicherweise im Verlauf eines Tages – ohne nennenswertes Gesundheitsrisiko aufgenommen werden kann.
• Die zulässige Tagesdosis (ADI) ist die Menge einer spezifischen Substanz in Lebensmitteln oder im Trinkwasser, die ein Leben lang ohne nennenswertes Gesundheitsrisiko täglich aufgenommen werden kann.
• Die annehmbare Anwenderexposition (AOEL) ist die maximale Menge eines Wirkstoffs, der „Anwender“ über alle Expositionspfade ausgesetzt sein können, ohne dass es zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommt.

(1) Kimura-Kuroda J, Komuta Y, Kuroda Y, Hayashi Kawano H. Nicotine-like effects of the neonicotinoid insecticides acetamiprid and imidacloprid on cerebellar neurons from neonatal rats. PloS ONE 2012; 7
http://www.plosone.org/article/info:doi/10.1371/journal.pone.0032432
(2): e32432. doi: 10.1371/journal.pone.0032432

[Duogynon] Presse-Information CBG vom 17.12.20

CBG Redaktion

Medikamenten-Geschädigte reichen Klage ein

BAYER vor Gericht

Am morgigen Freitag reicht die „Assoziation für durch Schwangerschaftstests geschädigte Kinder“ (ACDHPT) in England eine Klage auf Schadensersatz gegen BAYER, SANOFI und den britischen Staat ein. Nach Ansicht der Organisation tragen die beiden Konzerne und die Aufsichtsbehörden die Verantwortung für die katastrophalen Folgen, welche die Einnahme von Medizin-Produkten wie PRIMODOS und AMENORONE FORTE hatte.

Der hormonelle Schwangerschaftstest der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen durch das unter den Namen DUOGYNON und PRIMODOS vertriebene Präparat bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Fehlbildungen zur Welt.

Dabei wusste das Unternehmen schon früh um die Risiken. „Ein Zusammenhang zwischen den gefundenen Anomalien und der Substanz-Applikation kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden“, hielt ein Forscher beispielsweise nach desaströsen Tierversuchen fest. Und ein Kollege appellierte an die Verantwortlichen, sich vor Augen zu halten, „dass wir es hier mit einem Produkt zu tun hätten, das in der Lage sei, das chemische Milieu des Föten zu ändern. Wir müssten in dieser Angelegenheit extrem vorsichtig sein.“

Die britische Arzneimittel-Überwachung machte bei den Frauen, die den Hormon-Test verwendet hatten, ein relatives Risiko von 5:1 aus, ein missgebildetes Kind zu bekommen. Zudem lagen den Behörden zahlreiche Meldungen über Fehlbildungen im Zusammenhang mit PRIMODOS und AMENORONE FORTE vor. Das veranlasste sie jedoch nicht, Maßnahmen zu ergreifen. Auch das deutsche Bundesgesundheitsamt sah keinen Handlungsbedarf. Der zuständige Referatsleiter Klaus-Wolf von Eickstedt stand früher selbst in Diensten SCHERINGs und forderte sogar proaktiv Entlastungsstudien von seinem ehemaligen Arbeitgeber an. Als „Advokat der Firma SCHERING“ bezeichnete er sich folgerichtig.

Ein am 8. Juli veröffentlichter Untersuchungsbericht, den der Gesundheitsausschuss des britischen Unterhauses bei einer Kommission unter Leitung der Baroness Julia Cumberlege in Auftrag gegeben hatte, wirft den Unternehmen und den staatlichen Stellen ebenfalls schwere Versäumnisse vor. Cumberlege richtete deshalb eine unmissverständliche Forderung an BAYER & Co.: „Sie sollten sich nicht nur entschuldigen; sie sollten anerkennen, was geschehen ist, und freiwillige Entschädigungszahlen an die Menschen leisten, die so gelitten haben.“

Ebendies hatten britische und deutsche Geschädigte oder deren Angehörige auf den BAYER-Hauptversammlungen jahrelang erfolglos von der Management-Riege verlangt. So sagte Marie Lyon, eine der jetzigen KlägerInnen, im Jahr 2019 auf dem AktionärInnen-Treffen: „Ich hoffe auch, dass der BAYER-Vorstand schließlich seiner moralischen Verpflichtung angesichts der überwältigenden Beweise nachkommt.“

Andre Sommer vom Netzwerk DUOGYNON hatte in seinen Reden ebenfalls entsprechende Appelle an die Verantwortlichen gerichtet. Er begrüßt, dass die Entwicklungen in England nun auch die Bundesregierung dazu bewogen haben, eine Studie zu den Schwangerschaftstests auf den Weg zu bringen, mahnt aber zur Eile: „Es ist wichtig, dass es bald eine unabhängige und transparente Untersuchung in Deutschland gibt. Dabei muss das Verhalten der Behörden und der Fa. SCHERING kritisch beleuchtet werden. Es scheint offensichtlich, dass die Patienten damals nicht ausreichend geschützt wurden und es schwere Versäumnisse gab. Es muss 2021 in Deutschland zu einer Entschuldigung und Anerkennung der Schäden kommen. Die deutsche Bundesregierung und auch BAYER müssen endlich Verantwortung übernehmen und einen finanziellen Ausgleich gewähren.“

Pressekontakt
Jan Pehrke 0211/30 58 49

[BAYER HV 1996] Hauptversammlung 1996

CBG Redaktion

BAYER-Vorstand: Bittere Mienen

Großer Erfolg für KritikerInnen auf der BAYER-Hauptversammlung 1996

Die BAYER-Hauptversammlung (HV) ist dank gut geplanter Aktionen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) seit Jahren Ort kritischer Abrechnung mit der umwelt- und menschenfeindlichen Geschäftstätigkeit des multinationalen Leverkusener Chemie-Konzerns. UmweltschützerInnen, GewerkschafterInnen, AnwohnerInnen, Betroffene und vor allem immer wieder Opfer nutzten auf Einladung der CBG diese Veranstaltung in Köln am 25. April 1996, um die Verantwortlichen bei BAYER und die Besitzer des Konzerns, die AktionärInnen, mit den schmutzigen Kehrseiten ihrer Gewinne und Umsätze zu konfrontieren und um ihre Forderungen nach Umweltschutz, Menschenrechten und Gesundheit persönlich zur Kenntnis zu bringen. Die BAYER-Hauptversammlung wurde so erneut zum Ort prinzipieller Auseinandersetzung mit der chemischen Industrie und mit multinationaler Konzernpolitik. Beim BAYER-Vorstand gab es allerdings statt der erhofften Isolation der KritikerInnen bittere Mienen. Von Marc Pletzer und Axel Köhler-Schnura. Die Spannung im Vorfeld der diesjährigen Hauptversammlung war groß. Einerseits hatte der Aufsichtsratsvorsitzende von BAYER, Herrmann Josef Strenger, im Vorjahr die Stimmung im Saal provokativ angeheizt und drei Kritiker mit Werkschutzgewalt aus dem Saal werfen lassen; andererseits hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), seit nunmehr 14 Jahren Organisator der oppositionellen Aktionen zum jährlichen Aktionärs-Auftrieb, dieses Jahr mehr Unterstützung auf Seiten der BAYER-AktionärInnen denn je: Geradezu mit Erschütterung mußten die BAYER-Verantwortlichen zur Kenntnis nehmen, daß erstmals nicht nur mehrere Hundert KleinaktionärInnen die KritikerInnen unterstützten, sondern auch ein Großaktionär seine 25 Tsd. BAYER-Aktien gegen Vorstand und Aufsichtsrat in Position brachte. BAYER sah sich vor die historische Tatsache gestellt, daß die mißliebige sozial-ökologische Aktionärs-Opposition aufgrund dieses Aktienpakets in die Lage versetzt wurde, ganz formal die Tagesordnung zu beeinflußen. Waren bisher die Gegenaträge der Kritiker schon lästig, so standen plötzlich der Ausstieg aus der Gentechnik, die Entschädigung ehemaliger IG FARBEN-Sklaven, ein Fonds für Opfer von BAYER-Produkten/-Produktion, angemesse Löhne in aller Welt und ähnliche für Dividende, Image und Börsenkurs kontraproduktive Themen ganz formal auf der Tagesordnung. Guter Rat war teuer, der Vorstand sah seiner Hautpversammlung mit gemischten Gefühlen entgegen. Mit allen Mitteln versuchten die BAYER-Verantwortlichen zu retten, was zu retten war. Die Anträge und Tagesordnungserweiterungen der Opposition wurden als „unbegründet“ diffamiert; der Vorstandsvorsitzende meinte, durch eine eigene Stellungnahme zum „tausendfachen AIDS-Tod durch BAYER-Medikamente“ (Flugblatt der CBG) den KritikerInnen von vorneherein den Wind aus den Segeln nehmen zu können; die Tagesordnungsvorschläge wurden als „untauglicher Versuch, die Hauptversammlung zu majorisieren“ dargestellt. Doch die Gesichter der auf einem Podium zwei Meter über dem Boden sitzenden BAYER-Vorstände wurden länger und länger: Die Rechnung ging nicht auf. Zwar blieben die meisten der anwesenden ca. 7.000 Aktionäre noch sitzen, als Hubert Ostendorf, Vorstandsmitglied der COORDINATION, aufforderte sich zu einer Schweigeminute zugunsten der vielen tausend verstorbenen Opfer von BAYER-Bluter-Medikamenten von den Plätzen zu erheben, aber so mancher bereute dies bereits, als Dr. Ute Braun, die Vorsitzende der Deutschen Hämopholiegesellschaft, in eindringlicher Sachlichkeit schilderte, daß von den weltweit ca. 22 Tsd. durch BAYER- und andere Medikamente tödlich verseuchten Blutern bereits die Hälfte gestorben ist. Und als danach ein Betroffener, Karl Caspari, das Rednerpult betrat und vortrug, wie ihm 1990 auf der BAYER-Hauptversammlung vom damaligen Versammlungsleiter, Prof. Grünewald das Mikrofon abgestellt, er mit Häme überzogen und gezwungen wurde, seine Rede abzubrechen, da zeigte das Publikum Anteilnahme und Mitgefühl. Es empörte in der Folge nicht wenige, mit welch kühler Arroganz der Vorstandsvorsitzende in Anbetracht dieser Reden die Zahlung von Geldern an die Opfer verweigerte und feststellte, daß er kein „schuldhaftes Verhalten von BAYER“ entdecken könne. Der Vorstand geriet zusehends in die Defensive. Redner auf Redner betrat das Mikrofon: José Tolentino aus El Salvador z. B. sprach über Leid, Elend und Tod aufgrund in den industrialisierten Ländern längst verbotener, in seiner Heimat noch immer von BAYER vermarkteter Pestizide; Melanie Willms/COORDINATION und Gregor Bornes/GenEthisches Netzwerk schilderten, wie sich der Konzern in immer neuen Gentechnik-Patenten Leben aneignet, darunter ganze Baumfamilien; Siebo Janssen/amnesty international stellte dar, wie der Konzern mit Regimen paktiert, die die Menschenrechte mit Füßen treten, so z. B. in Indonesien; Uwe Friedrich und Marc Pletzer, beide COORDINATION, berichteten über die Leidenswege unzähliger Opfer der BAYER-Holzgifte und -Pyrethroide; Dr. Joachim Dullin erläuterte die Gefahren, die durch die BAYER-Verweigerung eines Ausstiegs aus der Chlorchemie für Mensch und Umwelt entstehen usw. - insgesamt konfrontierten 17 von 29 Redebeiträgen den Saal mit immer neuen Fakten zu Umweltverbrechen und sozialen Problemen in aller Welt. Endgültig ins Abseits geriet der Vorstand, als nicht nur der ehemalige IG FARBEN-Sklave Hans Frankenthal gerechte Entschädigung für unvorstellbares Leid forderte, sondern ihm spontan traditionelle Aktionäre zur Seite traten und bekundeten, sie seien durchaus mit einer Kürzung der Dividende einverstanden, wenn BAYER nur endlich die IG FARBEN-Opfer entschädigen würde. Und dann kamen die Abstimmungen: Bis zu 458.000 Stimmen, das entspricht einem Kapital von über 200 Mio. Mark Kurswert, unterstützten die Tagesordnungspunkite der COORDINATION. Bis zu weiteren 240 Tsd. Stimmen, ca. 120 Mio. DM Kurswert, verweigerten dem Vorstand ihre Solidarität und enthielten sich der Stimme. Melanie Willms, Vorstandsmitglied der COORDINATION, sieht in diesem Ergebnis “ein Waterloo für den BAYER-Vorstand und einen historischen Sieg für die COORDINATION.” Da ändere auch die Tatsache nichts daran, daß „BAYER durch massive Einflußnahme auf die Medien dies der Öffentlichkeit vorenthalten kann. Der BAYER-Vorstand mußte zur Kenntnis nehmen, daß er - auch wenn er noch immer die Mehrheit der Aktien für sich verbuchen kann - die Mehrheit der Aktionäre gegen sich hat.“ Entsprechend bitter waren die Mienen der BAYER-Leute am Ende der Versammlung ...

“Wir lassen uns nicht majorisieren!”

Anmerkungen zur Aktionärs„demokratie“ (aks) Alle auf der BAYER-Hauptversammlung anwesenden Aktien wurden von BAYER am Eingang erfaßt und in die EDV eingegeben. Kollege Computer spuckte dann die sogenannte „Präsenzliste“ aus, in die die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) Einsicht nahm und nach der sich folgendes Bild ergibt: - Das Grundkapital von BAYER beträgt ca. 3,6 Mrd. DM in Aktien à 50,-- DM. Das sind also rund 75 Mio. Aktien. - Von diesen 75 Mio. Aktien waren ca. 47 %, also etwa 34 Mio., auf der HV anwesend bzw. vertreten. - Es waren gleichzeitig ca. 7 Tsd. AktionärInnen anwesend. - Laut Präsenzliste wurden ca. 95 % der 34 Mio. Aktien von lediglich etwa 30 Aktionären gehalten. Das waren die Deutsche Bank als größter Aktionär, sowie einige weitere Banken, Versicherungen und Investmentgesellschaften. - Lediglich ca. 20 Personen, die nicht als VertreterInnen von Banken, Versicherungen etc. in Erscheinung traten, hatten mehr als 500 Aktien. - Die restlichen ca. 7 Tsd. AktionärInnen besaßen laut Präsenzliste zwischen 1 und max. 500 Aktien, im Schnitt ca. 50 Aktien je Person. - Diese ca. 7 Tsd. (Klein)aktionärInnen kamen zusammen auf lediglich ca. 1 % des anwesenden Kapitals. - In den Abstimmungen stimmten zwischen ca. 32,3 und 49,0 Tsd. Aktien für unsere Vorschläge und gegen die Vorschläge des Vorstands. Weitere ca. jeweils 150 Tsd. Aktien enthielten sich der Stimme, mochten sich also auch nicht auf die Seite der Vorstandsvorschläge schlagen. - Bei den von den Kritischen AktionärInnen der CBG eingebrachten Tagesordnungspunkten stimmten bis zu 460 Tsd. Aktien für die Vorschläge der Opposition und weitere ca. 200 Tsd. Aktien enthielten sich. - Selbst im schlechtesten Fall stimmten noch 274 Tsd. Aktien für unsere Vorschläge und weitere 200 Tsd. verweigerten durch Enthaltung dem Vorstand die Solidarität. - Da davon ausgegangen werden muß, daß in der Regel die KleinaktionärInnen mit uns stimmten, haben also bei den Gegenanträgen bis zu zweihundert und bei den Tagesordnungspunkten sogar bis zu mehreren tausend AktionärInnen bis hin zur übergroßen Mehrheit im Saal für unsere Vorschläge gestimmt. Unter Umständen hat auch der eine oder Großaktionär mit uns gestimmt. Ev. mußten vielleicht sogar einige BankenvertreterInnen im Auftrag von (Klein-)AktionärInnen für uns stimmen. Fazit: Die Ergebnisse der Hauptversammlung 1996 sind als sensationell zu bewerten. Die große Mehrheit der auf der BAYER-Hauptversammlung anwesenden Personen hat sich gegen den Vorstand ausgesprochen. Unsere Kritik hat breite Unterstützung bei den AktionärInnen gefunden. Über das übliche Maß der Zustimmung von ca. 400 AktionärInnen hinaus - was auch bereits eine beachtliche Oppossition darstellt - hat sich erstmals eine Mehrheit von mehreren tausend BAYER-AktionärInnen für unsere Vorschläge ausgesprochen (immer unterstellt, daß die Stimmen nicht durch wenige Großaktionäre zustande kamen). Doch so funktioniert „Aktionärsdemokratie“: Trotz dieser Mehrheit für uns hat der BAYER-Vorstand alle Abstimmungen gewonnen. Einige wenige anwesende AktionärInnen und BankenvertreterInnen garantierten, daß zwischen 98,8 und 99,9 % aller Aktien für den Vorstand stimmten. Kapitalismus pur! Bei BAYER war die Stimmung angesichts dieser Ergebnisse deutlich eingeknickt. Der Vorstand kennt die realen Bessitzverhältnisse bedeutend besser als wir und weiß deshalb genau, welche Mehrheiten sich für unsere Vorschläge gebildet haben. Da konnte er über den Unfug, den ein schimpfender Großaktionär in den Saal rief auch nicht mehr froh sein: „Es muß doch endlich mal Schluß sein, daß diese Spinner uns majorisieren!“ Es blieb nämlich angesichts der realen Situation offen, wer denn nun die „majorisierenden Spinner“ tatsächlich sind ...

“Nach bestem Wissen und Gewissen”

Auszug aus der einleitenden Stellungnahme zu den kritischen Anträgen und Tagesordnungspunkten der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) von BAYER-Vorstandschef Dr. Manfred Schneider auf der Hauptversammlung der BAYER-AktionärInnen am 25. April 1996. Nach einer Mitschrift von Hubert Ostendorf “ ... Hinzu kommt eine Erweiterung der Tagesordnung. ... Diese Anträge (die Anträge der CBG, ho) haben wir Ihnen, soweit mit Recht und Gesetz vereinbar, ... mitgeteilt. Zur Begründung werden Argumente und Ansichten vorgetragen, die bereits seit vielen Jahren vorgetragen werden. ... Neue Aspekte ... haben wir dabei nicht entdecken können. ... (Daher) halten wir es nicht für notwendig, die Diskussion noch einmal zu wiederholen. Außerdem haben wir nicht den Eindruck, daß diese Gruppierung (die CBG, ho) ernsthaft an einer Diskussion interessiert ist. ...” Zum Thema Pyrethroide habe das “Bundesinstitut für Gesundheit und Verbraucherschutz festgestellt, daß sie keine Schäden hervorrufen”. Zum Thema IG FARBEN würden, so Schneider, “Jahr für Jahr die gleichen Behauptungen” vorgetragen. Was die tausendfache HIV-Infektion von Blutern durch BAYER-Produkte anbetrifft (vgl. dazu Bericht auf S. 22 ff.), meinte Schneider “in aller Deutlichkeit ... teilweise ehrenrührige Vorwürfe zurückweisen” zu müssen. Die Infizierung sei “auf tragische Weise” erfolgt, “von einer Behinderung” der Einführung von Sicherheitsverfahren “kann überhaupt keine Rede sein. ... In allen Fällen haben wir das unsere getan. Das gilt für Deutschland, Japan und die USA, wo jetzt nicht zuletzt auf unsere Initiative ein Vorschlag zur Entschädigung„ der Opfer unterbreitet worden sei. Es sei, so Schneider, “nicht sinnvoll, die in Deutschland und Japan gefundenen Lösungen miteinander zu vergleichen. ... Der Unterschied (der Entschädigungssummen, in Deutschland zwischen 10 und 50 Tsd. DM einmalig, in Japan 630 Tsd. DM zzgl. einer monatlichen Rente von 2 Tsd. DM, ho) resultiert aus der unterschiedlichen Lebenssituation. In Japan gibt es keine Berufsunfähigkeitsversicherung. ... Eine Geldentschädigung bei einer lebensbedrohlichen Krankheit” sei im übrigen keine Wiedergutmachung, stellt Schneider fest, um im gleichen Atemzug weitere Entschädigungen zu verweigern. Als wolle Schneider die stets bestrittene Tatsache, daß BAYER die verseuchten Gerinnungspräparate in vollem Bewußtsein der Konsequenzen vertrieben hat, im nachhinein rechtfertigen, führt er weiter aus: “Schließlich wurden die Plasmapräparate dringend benötigt. ... Niemand kannte die damit verbundene Gefahr. ... Unsere Mitarbeiter haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. ... Dennoch sprechen wir allen Betroffenen unser tiefstes Bedauern und Mitgefühl aus.”

Wo bleibt die Gerechtigkeit?

Auszüge aus der Rede von Dr. Ute Braun, Vorsitzende der Deutschen Hämophiliegesellschaft (ho) “Weltweit wurden aufgrund schwerer Versäumnisse der Pharmazeutischen Industrie 22.000 Hämophile durch verseuchte Gerinnungspräparate infiziert, allein in Deutschland sind es ca. 1.400 Betroffene. Nahezu die Hälfte der Betroffenen ist bereits verstorben und ein Teil schwer erkrankt. Viele wagen es auch heute nicht, sich in der Öffentlichkeit als HIV-Infizierte zu bekennen. Noch immer warten die Betroffenen in Deutschland und in vielen anderen Ländern der Welt auf eine gerechte Entschädigung. In Japan haben nun BAYER und vier weitere Firmen Ende März mit einigen mit einigen Klägergemeinschaften von HIV-infizierten Blutern einen Vergleich geschlossen, der besagt, daß die Betroffenen eine Entschädigung von umgerechnet ca. 630.000 Mark erhalten, zusätzlich eine monatliche Rente von 2.000 DM, wenn sie bereits an AIDS erkrankt sind. Der BAYER-Vorstand muß sich fragen lassen: Mit welchen Argumenten soll den Betroffenen in Deutschland eine Entschädigung verwehrt werden, die den Betroffenen in Japan zugestanden wird? Der AIDS-Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages, der den Blut-AIDS-Skandal aufgearbeitet hat, hat Versäumnisse und Fehlverhalten bei Pharmafirmen, staatlichen Aufsichtsbehörden und Ärzten festgestellt. BAYER hat bis 1985 durch seine amerikanische Tochter CUTTER mit dem AIDS-Virus verseuchte Blutgerinnungspräparate nach Deutschland geliefert, obwohl firmenintern bereits 1982 vor einer AIDS-Epidemie gewarnt wurde. Bekannte Virusinaktivierungsverfahren wurde aus ökonomischen Gründen nicht genutzt. Der AIDS-Untersuchungsausschuß hatte die Einrichtung eines Fonds vorgeschlagen, aus dem ein Betrag von ca. 350.000 DM als Auslgleichsleistung für jeden HIV-infizierten Hämophilen gezahlt werden sollte. Der im Juli ‘95 eingebrachte Fonds hingegen hat nur einen Bruchteil dieser Summen eingebracht, so daß im vergangenen Jahr gerade einmal 3,8 Mio. DM gezahlt wurden - bei 1.400 Betroffenen. Wenn das Geld der Stiftung verbraucht ist, werden die monatlichen Zahlungen an die Betroffenen eingestellt. Die Notsituation der Betroffenen wurde hemmungslos ausgenutzt, um eine Billig-Lösung durchzusetzen. Viele haben resigniert und im vergangenen Jahr die geringen Stiftungsleistungen angenommen. Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Eine gerechte Entschädigung ist das Mindeste, was den Betroffenen zugestanden werden muß. Auch auf eine Entschuldigung von Seiten der Firmen, die in Japan ausgesprochen wurde, haben die Betroffenen hierzulande vergeblich gewartet. Die Betroffenen müssen auf der Grundlage der Empfehlungen des HIV-Untersuchungsausschusses entschädigt werden. Da der BAYER-Vorstand diesbezüglich seiner Verantwortung weltweit nicht gerecht geworden ist, fordere ich die Aktionäre auf, ihm die Entlastung zu verweigern. Ich danke Hubert Ostendorf von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN für seinen Redebeitrag und das Engagement. Die von ihm verlangte Schweigeminute ist eine Verneigung vor dem unendlichen Leid der Opfer.”

Chemie im Dialog - BAYER verweigert die Antwort

Die oppositionellen RednerInnen, ihre Themen und die Nicht-Antworten des BAYER-Vorstands

Auf der BAYER-Hauptversammlung am 25. April 1996 traten folgende kritische AktionärInnen ans Rednerpult: Hubert Ostendorf (Vorstand CBG) wurde als erster Redner ans Mikrofon gerufen. Er wertete die Verseuchung vieler tausend Bluter durch BAYER-Produkte als “Verbrechen”. Dies führte zum Abstellen des Mikrofons und zur Drohung des Versammlungsleiters, des Aufsichtsratsvorsitzenden H. J. Strenger, ihn bei Wiederholung gewaltsam “aus dem Saal entfernen zu lassen„. Hubert Ostendorf zeigte eine großformatige Fotografie, auf der japanische Pharma-Manager abgebildet waren, die sich im April 1996 öffentlich auf die Knie begeben hatten und als Entschuldigungsgeste an die Opfer ihrer AIDS-verseuchten Bluter-Präparate den Kopf auf den Boden neigten. Er forderte den BAYER-Vorstand auf, es den japanischen Kollegen gleichzutun, sich bei den Opfern zu entschuldigen und sie angemessen zu entschädigen. Außerdem verlangte er die strafrechtliche Verfolgung der verantwortlichen Manager. Er zitierte aus dem Protokoll des Bundestagsuntersuchungsausschusses zum Bluter-Medikamenten-Skandal die Stellen, die belegen, daß BAYER von der AIDS-Gefahr seiner Produkte spätestens Anfang 1983 gewußt und dennoch die verseuchten Präparate in vollem Wissen der tödlichen Wirkung in aller Welt jahrelang weiter verkauft hat. Er stellte dar, daß BAYER sogar verseuchte Medikamente nach Japan geliefert hat, die in USA nach einem Verbot vom Markt genommen werden mußten. Ferner ging Ostendorf auf den Vertrieb des BAYER-Herzmittels ADALAT ein, das durch eine US-Studie in Verruf gekommen ist. Wie berichtet (SWB 1/96, S. 25), soll ADALAT die Wahrscheinlichkeit, an einem Herztod zu sterben, erhöhen. Ostendorf wollte wissen, ob es stimmt, daß BAYER eine Kommission der amerikanischen Arzneimittelbehörde dazu gebracht hat, eine Unbedenklichkeitserklärung für ADALAT auszusprechen. Nicht-Antwort Dr. Schneider: “Aus dem Zusammenhang gerissene Zitate werde ich nicht kommentieren”, stellte er zu den Ergebnissen des Untersuchungsberichtes des Bundestages lapidar fest. Zu ADALAT äußerte er sich gar nicht. Dr. Ute Braun, Vorsitzende der Deutschen Hämophiliegesellschaft, geißelte die tausendfache Verseuchung von Blutern durch Faktor VIII-Präparate und forderte vom BAYER-Konzern eine angemessene Entschädigung (650.000 Mark pro Opfer zuzüglich einer Rente). Sie legte ausführlich dar, wie BAYER und die Pharma-Industrie selbst solche Vorschläge, wie den Kompromiß der Bundesregierung in Form einer Stiftung, ad absurdum führen. Sie bedankte sich ausdrücklich bei Hubert Ostendorf für die Initiative zu einer Schweigeminute für die Opfer des Skandals. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Die in Deutschland gezahlten Summen (20.000 - 50.000 Mark) seien fair und entsprächen der Entschädigungsregelung in Japan, da hier wichtige Kosten, wie etwa die Lohnfortzahlung, von der Sozialversicherung übernommen werden. (Mit dieser Aussage gesteht Schneider ein, daß die Kosten in Deutschland auf die Allgemeinheit umgelegt werden. ho). Im Übrigen schade die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Blutern, Einzelheiten über Zahlungen mache er nicht, ein Schuldeingeständis werde es nicht geben. Karl Caspari, Betroffener im Bluter-Skandal, berichtete in einer sehr bewegenden Rede von seinem Schicksal und forderte die Entschädigung aller Opfer. Er legte dar, wie er 1990 an gleicher Stelle vom Vorstand erniedrigt und gezwungen wurde, seine Rede abzubrechen. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Er ging mit keinem Wort auf die Rede ein, entschuldigte sich auch nicht für die zugefügten Erniedrigungen 1990, lehnte alle Zugeständnisse ab und beharrte darauf, daß “wir das Unsere” getan haben. Hans Frankenthal, ehemaliger IG FARBEN-Sklave, heute im Auschwitz-Komitee, berichtete über sein Schicksal und forderte in einer sehr persönlich gehaltenen Rede die Entschädigung der IG FARBEN-ZwangsarbeiterInnen: “Es ist ein Skandal, daß heute, 50 Jahre nach Kriegsende, die wenigen, die noch leben, immer noch keine Entschädigung erhalten haben. Ich fordere den BAYER-Konzern auf, endlich seiner historischen Verantwortung nachzukommen.” Nicht-Antwort Dr. Schneider: Er stellte “unmißverständlich„ fest, daß es abschließende Regelungen gegeben hätte und BAYER nicht zuständig sei. Das Unternehmen sei, so Schneider, nicht Rechtsnachfolger der IG FARBEN. Diese rüde Ablehnung stieß selbst bei traditionellen AktionärInnen auf Unmut. Zwei von ihnen ließen sich spontan in die Rednerliste aufnehmen und bekundeten unter Beifall im Saal, daß sie durchaus bereit seien, auf einen Teil der (in diesem Jahr erhöhten) Dividende zu verzichten, damit die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen endlich entschädigt werden können. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Zum Thema wäre alles gesagt. Gregor Bornes vom Vorstand des Genethischen Netzwerkes berichtete von zahlreichen Patenten auf Leben, die sich BAYER bereits hat sichern lassen. Er erläuterte die damit verbundenen Gefahren und stellte eine Fülle konkreter Fragen an den Vorstand. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Gentechnik sei der Markt der Zukunft, der sich in den nächsten Jahren bereits von derzeit ca. 10 Mrd. DM auf weit über 100 Mrd. DM Volumen ausweiten werde. “Alle Wissenschaftler der Welt„ seien sich über die “positive Bedeutung der Gentechnik für die Zukunft einig„. José Angel Tolentino von der Verbraucherschutzorganisation CDC in El Salvador durfte seine Rede nicht in spanisch vortragen. Der Versammlungsleiter, Hermann Josef Strenger, erlaubte lediglich, daß die deutsche Übersetzung vorgetragen wurde. Tolentino kritisierte die Vertriebspraxis von ASPIRINA INFANTIL in seinem Land. Das Mittel kann zu einer schwerwiegenden Krankheit mit Todesfolge bei Kindern führen. Außerdem verurteilte Tolentino den anhaltenden Vertrieb von in USA und Deutschland längst verbotener gefährlicher BAYER-Pestizide in El Salvador. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Er könne keine Einzelheiten zur Situation in El Salvador nennen; eine Antwort werde schriftlich nachgereicht. Im Übrigen sei ASPIRINA INFANTIL gut verträglich. BAYER beschäftige in El Salvador 400 Menschen. Dr. Joachim Dullin von der Aktionskonferenz Nordsee (AKN) sprach zu den Themen Chlorchemie und Vergiftung der Nordsee durch BAYER-Substanzen. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Dafür seien die Behörden und staatliche Vorschriften zuständig. Diese gewährten “optimalen Schutz„. Im Ürigen hätte das NRW-Umweltministerium im Gegensatz zu Dullins Einschätzung den Zustand des Rheins als gut bis zufriedenstellend bewertet. Henry Matthews vom Dachverband der kritischen AktionärInnen stellte eine Reihe von Fragen zur Situation der Behinderten bei BAYER. Er forderte mehr behindertengerechte Arbeitsplätze. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Er räumte pauschal ein, daß die gesetzlich geforderte Quote für Schwerbehinderte nicht erfüllt werde, die Ausgleichszahlungen lägen bei 1,7 Mio. Mark. Peter Vollmer von der Stiftung Menschwürde und Arbeitswelt (M & A) begründete die von der CBG eingereichte Änderung der Tagesordnung (siehe Seite 11). Nicht-Antwort Dr. Schneider: Die Erweiterung der Tagesordnung sei unnötig, der COORDINATION gehe es gar nicht um eine ernsthafte Diskussion. Siebo Janssen von amnesty international kritisierte das wirtschaftliche Engagement von BAYER in Ländern, in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Als Beispiel führte er unter anderem Indonesien an. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Wirtschaftliche Zusammenarbeit fördere die Einführung von Demokratie und Menschenrechten. Max Eberle forderte die Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. Axel Köhler-Schnura (Vorstand CBG) sprach zu sozialen und anderen Problemen bei BAYER. Die hohen Gewinne seien auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen erzielt worden. Die sogenannten BAYER-Umweltberichte (und das erteilte Ökoaudit für den Standort Dormagen) seien das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind. Die AnwohnerInnen leben ständig in der Gefahr eines Super-Gaus, regelmäßige Unfälle und Katastrophen belegen dies. Er stellte zahlreiche Fragen zu Umweltschutz und sozialen Themen. Er betonte, daß einige dieser Fragen seit Jahren gestellt, aber nie beantwortet würden. Nicht Antwort Dr. Schneider: Er bewertete all diese Einschätzungen als “nicht zutreffend”. Melanie Willms (Vorstand CBG) geißelte das BAYER-Engagement in der Gentechnik. Die neue Technologie degradiere den Menschen und stelle ein großes Problem für die Umwelt dar. Nicht-Antwort Dr. Schneider auf die von Willms gestellten Fragen: Die Forschungen an dem Reaktor-Schaf (SWB berichtete) wurden eingestellt. In China sei keine Freisetzung genetisch veränderter Pflanzen geplant und in Japan würde an Mitteln zur Behandlung von Allergien geforscht. Zum gentechnisch hergestellten “Schnupfenmittel” könne er keine Angaben machen. Philipp Mimkes (Geschäftsführer CBG) trug vor, daß BAYER 1995 heimlich den US-Amerikaner und ehemaligen IG FARBEN-Sklaven Hugo Princz entschädigt habe. Er fragte, weshalb BAYER die Entschädigung anderer IG FARBEN-Sklaven verweigere? Nicht-Antwort Dr. Schneider: Der Fall Princz sei zwischen der amerikanischen und der deutschen Regierung geregelt worden, BAYER sei nicht beteiligt gewesen. (Zum Fall Princz vergleiche Schlaglicht in diesem Heft und umfangreiche Berichterstattung in SWB (vgl. SWB-Sonderheft IG FARBEN 1995, SWB 4/95 S. 8 ff. u. a.) Uwe Friedrich (Vorstand CBG) stellte die Gefahren, die von BAYER-Pyrethroiden ausgehen, dar. Diese Nervengifte seien für tausendfache gesundheitliche Schäden verantwortlich. Friedrich forderte ein Produktionsverbot. Nicht-Antwort Dr. Schneider: “Bei sachgemäßer Anwendung keine Gefahr.” Marc Pletzer (Vorstand CBG) erkundigte sich nach dem aktuellen Stand des Holzgiftprozesses (SWB berichtete mehrfach). Außerdem wollte er wissen, warum BAYER die Produktion von Chrom von Leverkusen nach Südafrika verlagert habe. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Zum Holzgiftprozeß keine Stellungnahme, da es sich um ein laufendes Verfahren handele. Die Verlagerung der Chromproduktion sei aus Kostengründen erfolgt.

Schneider fordert neues Aktiengesetz

BAYER-Chef Dr. Manfred Schneider will den Auftritt kritischer AktionärInnen auf den Hauptversammlungen behindern. Auf die Frage eines traditionellen Couponschneiders, ob man sich die “Agitation der sogenannten COORDINATION gegen die sogenannten BAYER-GEFAHREN” anhören müsse, antwortete Schneider: “Hier ist der Gesetzgeber gefordert, das Aktienrecht zu reformieren, damit eine ordnungsgemäße Durchführung der Hauptversammlung überhaupt noch zu garantieren ist.„ Dicke Dividende Während die KollegInnen in den BAYER-Werken um ihre Arbeitsplätze zittern, die Real-Löhne sinken, die Sozialleistungen fortlaufend gekürzt werden und in den letzten Jahren bereits Tausende auf die Straße gesetzt wurden, werden die Kapitaleigner mit einer dicken Dividende verwöhnt: Je Aktie à 50 DM werden 15 Mark ausgeschüttet. Das entspricht satten 30 % und sind 2 DM mehr als noch 1995 mit bereits stolzen 13 Mark. Möglich machen das die trotz aller Bilanztricks nicht mehr zu versteckenden Rekord-Gewinne, für die sich Bankenvertreter und Großaktionäre auch noch zynisch bei den von Lohnkürzung und Arbeitsplatzvernichtung bedrohten “Mitarbeitern bedanken". Die Gewinne betrugen 1995 offiziell 4,18 Mrd. Mark im Konzern vor Steuern, ein Plus von 27,1 % gegenüber dem Vorjahr. Im laufenden Jahr 1996 soll erneut zugelegt werden: Das Ergebnis vor Steuern soll noch einmal um 10 % klettern. Gleichzeitig sind weitere 1.700 Arbeitsplätze zur Vernichtung angekündigt. Reiche Vorständler Während die BAYER-Beschäfigten Reallohneinbußen hinnehmen müssen und um ihren Arbeitsplatz zittern, verdienen die Vorstandsmitglieder bestens. 10,4 Mio. DM gibt der Konzern für neun Spitzenposten aus, 1,155 Mio. DM durchschnittlich. Das Durchschnittsgehalt der etwa 150.000 deutschen Beschäftigten liegt dagegen bei 72.000 DM. Forderungen Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN reichte anläßlich der Hauptversammlung 39 Gegenanträge ein und forderte, wie in den Jahren zuvor, erneut u. a.: - Nichtentlastung von Vorstand und Aufsichtsrat - Kürzung der Dividende von 15 auf 1 Mark - Änderung der Satzung (siehe S. 11) - Entschädigung aller Opfer der Konzernpolitik - Schluß mit den Tierversuchen - Keine Gentechnik - Ausstieg aus der Chlorchemie - Ökologischer Umbau des Unternehmens - Erhalt aller Arbeitsplätze, Schaffung neuer Arbeitsplätze

Gegen gefährliche Pestizide

(swb) In einem offenen Brief hat das Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) den Vorstand des BAYER-Konzerns aufgefordert, giftige Pestizide vom Markt zu nehmen. Anläßlich der BAYER-Hauptversammlung fordert PAN den Chemie-Konzern auf, alle Produkte der WHO-Toxizitätsklasse I umgehend und weltweit vom Markt zu nehmen. PAN berichtet über die Vertriebspraxis von FOLIDOL E 605 in Kambodscha, durch das unzählige Kleinbauern geschädigt werden. Das von der WHO als “extrem gefährlich” eingestufte Mittel wird gegen “Schädlinge” im Soja- und Gemüseanbau eingesetzt, ohne daß vorhergehende Aufklärungsmaßnahmen über die vorschriftsmäßige Anwendung stattfinden. Die Bauern bringen das Ackergift zum Teil barfuß und mit unbedecktem Oberkörper auf die Felder. Sie verwenden weder Schutzbrillen oder -masken noch Handschuhe. FOLIDOL kommt über Vietnam und Thailand nach Kambodscha. Die Etiketten der Originalverpackung sind in Thai oder Vietnamesisch verfaßt und damit für die Kambodschaner unverständlich. Auch die Händler können keine Angaben über die sachgerechte Handhabung machen. Die Bauern dosieren deshalb meist sehr willkürlich. Die Situation steht im krassen Widerspruch zum internationalen Verhaltenskodex der FAO, zu dem sich auch der BAYER-Konzern bekannt hat. In Abschnitt 5.2.3 des FAO-Kodexes heißt es: “Auch wenn ein Überwachungssystem vorhanden ist, sollte die Industrie ... den Verkauf einstellen und die Mittel zurückrufen, wenn eine sichere Anwendung im Rahmen der Gebrauchsanleitung oder von Beschränkungen nicht möglich erscheint.”