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Veröffentliche Beiträge in “SWB 02/2008”

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2008 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

StudentInnen-Protest gegen BAYER & Co.
Am 21. Mai 2008 haben 50 Kölner StudentInnen unter dem Motto „Reclaim the Uni“ das Rektorat ihrer Hochschule besetzt, um gegen Studiengebühren und „den Verkauf der Universität an die Wirtschaft“ zu protestieren, wie er sich vor allem durch die Installierung des Hochschulrates manifestiert, in dem unter anderem VertreterInnen von BAYER und der DEUTSCHEN BANK über die Geschicke der Bildungseinrichtung befinden (siehe auch FORSCHUNG & LEHRE). „Damit wird die studentische Mitbestimmung weiter abgebaut und die, im Bildungsbereich unter anderem durch den Bologna-Prozess verschärfte kapitalistische Verwertungslogik weiter bedient. StudentInnen werden zu Marktobjekten degradiert, und eine Elite-Bildung wird gezielt gefördert. Das können wir uns nicht gefallen lassen und werden weiter im Sinne von ‚Reclaim the Uni‘ aktiv sein“, erklärten die ProtestlerInnen. Und sie hielten Wort: Nach der Räumung durch die Polizei riefen die Studierenden ein Aktions- und Infocamp auf dem Uni-Gelände ins Leben.

Trasylol: Arzt kritisiert FDA
Im November 2007 musste BAYER die vor allem zur Blutstillung bei Operationen verwendete Arznei TRASYLOL vorläufig vom Markt nehmen. Bei einer Studie zur Verträglichkeit des blutstillenden Präparates hatten die Todesfälle ein solches Ausmaß angenommen, dass die WissenschaftlerInnen die Tests abbrachen und sofort die Arznei-Aufsicht informierten. Nach einer weiteren Untersuchung folgte dann im Mai 2008 das endgültige Aus. Auch zuvor schon hatten eine Reihe von Expertisen auf das Risiko-Potential des BAYER-Mittels hingewiesen, unter anderem die des Mediziners Dennis Mangano. Dieser hat der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA deshalb vorgeworfen, zu spät gehandelt zu haben. Wäre das Verbot gleich nach der Veröffentlichung seiner Forschungen im Januar 2006 erfolgt, so hätten ihm zufolge viele Menschen nicht zu sterben brauchen. „Nach meinen Berechnungen hätten 22.000 Leben gerettet werden können“, empörte sich Mangano.

ManagerInnen-Haftung gefordert
Der Präsident des nordrhein-westfälischen Handwerkstags, Wolfgang Schulhoff, tritt für die Einführung einer ManagerInnen-Haftung ein, um die Konzern-LenkerInnen zu einem verantwortlicheren Handeln zu animieren. Seiner Ansicht nach begünstigt der rechtsfreie Raum „Vorstandsetage“ die Orientierung auf eine „kurzfristige Gewinn-Maximierung und vernebelt hierdurch den notwendigen Blick für eine nachhaltige Gewinn-Optimierung“. Auch auf die BAYER-Vorstände dürfte die Vorstellung disziplinierend wirken, künftig für illegale Preisabsprachen, Pharma-GAUs oder Chemie-Unfälle persönlich einstehen zu müssen.

Geringere ManagerInnen-Gehälter?
Die SPD will die ManagerInnen-Gehälter begrenzen. Konnten BAYER & Co. die üppigen Bezüge ihrer Top-Angestellten bislang sogar noch von der Steuer absetzen, so soll dies nach den Vorstellungen einer sozialdemokratischen Arbeitsgruppe künftig nur noch bis zu einer Höhe von einer Million Euro möglich sein. Davon erhoffen sich die SPDlerInnen eine disziplinierende Wirkung. Zudem plädiert die Partei dafür, die Entlohnung der ManagerInnen an ihre Leistungen und die Nachhaltigkeit der Unternehmensentwicklung zu koppeln. Die Entscheidung über die Vorstandsentlohnung möchten die SozialdemokratInnen zudem in Zukunft nicht mehr kleinen Ausschüssen überlassen, sondern dem Aufsichtsrat überantworten.

ÄrztInnen-Vertreter kritisiert BAYER & Co.
Das „Kölner Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG) führt Kosten/Nutzen-Analysen von Arzneimitteln durch, was eine Streichung von Medikamenten aus dem Erstattungskatalog der Krankenkassen zur Folge haben kann. Deshalb erfreut es sich bei BAYER & Co. keiner allzu großen Beliebtheit. Mit allen erdenklichen Methoden versuchen die Pharma-Unternehmen, dem Institut die Arbeit zu erschweren. So haben die Konzerne Druck auf GutachterInnen ausgeübt, keine Expertisen mehr für das IQWiG anzufertigen und im Falle von Zuwiderhandlungen mit dem Streichen von Forschungsgeldern gedroht. „Als Forscher muss ich mir genau überlegen, ob ich 70.000 Euro für eine IQWiG-Studie annehme und dafür auf höhere Mittel der Industrie verzichte“, schilderte Andreas Köhler, der Vorsitzende der „Kassenärztlichen Bundesvereinigung“, die Zwangslage der MedizinerInnen. Es gebe WissenschaftlerInnen, die sich schon gar nicht mehr trauen, etwas zu veröffentlichen, was das Misstrauen der Pillen-Produzenten erregen könnte, wusste Köhler zu berichten.

Industrie-Abhängigkeit kritisiert
Der Mediziner Erland Erdmann von der Universität Köln hat im November 2007 die Abhängigkeit der Pharmaforschung von der Industrie kritisiert. Dem Arzt zufolge steuert die Pillen-Industrie die Entwicklung neuer Medikamente in erheblichem Maß. Da sich der Staat aus der Finanzierung von Pharma-Studien weitgehend zurückgezogen hat, stehen als Geldgeber nur noch BAYER & Co. zur Verfügung. Aber nicht für umsonst, denn die WissenschaftlerInnen müssen ihrem Sponsoren den Abschlussbericht vorlegen und gegebenenfalls auch Änderungen akzeptieren, so Erdmann. Über die umfangreiche Pharmaforschungskooperation, die BAYER im Frühjahr 2008 mit seiner Universität eingegangen ist (siehe FORSCHUNG & LEHRE), dürfte er deshalb alles andere als erfreut sein.

CBG schreibt BAYER-Claqueur
Vor 50 Jahren nahm der Leverkusener Multi sein Werk im brasilianischen Belford Roxo in Betrieb. Zu diesem Anlass bestellte BAYER bei dem bekannten Journalisten Carl Goerdeler ein Geburtstagsständchen. Natürlich war dann später im Propaganda-Medium BAYER Report nichts Schlechtes über den Jubilar zu lesen. Das lieferte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN Goerdeler in einem Brief nach: Niederschlagung von Streiks mit Hilfe der Militärpolizei, Entlassungen von GewerkschafterInnen, Störfälle, Schadstoff-Emissionen, Produktion gefährlicher Pestizide. „Ist zu erwarten, dass Sie über all dies im BAYER Report hätten berichten können? Nein. Darum wäre es von einem ernst zu nehmenden Journalisten, der in der Zeit und der FR veröffentlicht, zu erwarten gewesen, dass er einen solchen Auftrag nicht annimmt“, schloss das Schreiben.

Brief an Kress
Der CDU-Landtagsabgeordnete Karl Kress war lange Zeit Labor-Leiter bei der BAYER FASER GmbH und in Altersteilzeit, als er im Jahr 2000 in den Landtag einzog. Auch dort bleibt der Politiker aber seinem Arbeitgeber stets in Treue verbunden. So hat die zwischen Dormagen und Krefeld geplante Kohlendioxid-Pipeline in ihm einen der eifrigsten Fürsprecher. Der Pipeline-Gegner Harald Jochums kritisierte diese Unternehmenspolitik jetzt in einem Brief an Kress. Die Antwort von dessen Abgeordnetenbüro spricht für sich: „Eine ‚doppelte‘, sprich gleichzeitige Tätigkeit als Abgeordneter und Beschäftigter in einem Unternehmen ist auch in seinen Augen nicht erstrebenswert. Andererseits wird er immer wieder angegriffen, weil er früher bei BAYER gearbeitet hat. Sollen die Parlamente denn nur noch aus Rechtsanwälten und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes bestehen? Karl Kress ist direkt gewählter Abgeordneter aus Dormagen, und Dormagen lebt von und mit BAYER, so sehen es die meisten Dormagener Bürger, und deren Interessen hat er ja wohl zu vertreten“.

Brasilien: Aktion gegen Agromultis
In Brasilien haben Kleinbauern und -bäuerinnen Mitte März Aktionen gegen BAYER & Co. durchgeführt. Sie statteten den Zentralen der Agromultis STORA ENSO und MONSANTO einen Besuch ab und kritisierten in einer Presseerklärung die Willfährigkeit des Präsidenten Luiz Ináccio Lula da Silva gegenüber den Global Playern. „Die Regierung von Lula hat dem Druck der Agromultis nachgegeben und den Anbau und Vertrieb der Genpflanzen GUARDIAN (von MONSANTO) und LIBERTY LINK (von der deutschen Firma BAYER) genehmigt“, heißt es in der Veröffentlichung.

1984 ist überall
Nach Ansicht des PR-Beraters Klaus Kocks ist der TELEKOM-Skandal um die Bespitzelung von JournalistInnen und Aufsichtsräte kein Einzelfall. „Der Fisch stinkt vom Kopf. In manchen Chefetagen gibt es die Überzeugung, dass schon das allgemeine Wahlrecht ein Fehler ist. Die da draußen sollen sich gefälligst raushalten, und die Agenten der da draußen sind die Journalisten. In Russland kann ich sie einfach in Treppenhäusern erschießen. Das kann ich hier nicht. Aber ich versuche, sie zu kontrollieren“, so Kocks. Ein Unrechtsbewusstsein entwickeln die ManagerInnen dabei nach Ansicht des Kommunikationsexperten nicht. Sie wähnten sich im Kriegszustand mit der Presse und hielten die Bekämpfung mit Hilfe der „Feindaufklärung“ somit für ein probates Mittel.

KAPITAL & ARBEIT

Ausgliederung der Qualitätskontrolle
Der Leverkusener Multi überlässt die Qualitätskontrolle seiner Pillen zunehmend externen Dienstleistern wie dem Unternehmen L+S und vernichtet so Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns.

LANXESS streicht 270 Jobs
Der Arbeitsplatzvernichtungsmotor bei BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS läuft ohne Unterlass. Nachdem das Unternehmen im letzten Jahr bei seiner Tochter RHEINCHEMIE 70 Arbeitsplätze vernichtet hatte, kündigte es nun an, am kanadischen Standort Sarnia 270 Stellen zu streichen. Der Multi legt dort eine Anlage zur Herstellung von NBR-Kautschuk still und verlagert die Produktion ins französische La Wantzenau.

Schmoldt gegen Mindestlohn
Der BAYER-Aufsichtsrat und Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE & ENERGIE, Hubertus Schmoldt, hat sich gegen einen gesetzlichen Mindestlohn ausgesprochen. „Wer einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn fordert, beschädigt langfristig die Tarifautonomie“, meinte Schmoldt und beschädigte so die Bemühungen seines SPD-Genossen Olaf Scholz um verbindliche Lohn-Untergrenzen.

Schmoldt will Leiharbeit eindämmen
Der BAYER-Aufsichtsrat und Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE & ENERGIE, Hubertus Schmoldt, hat eine Gesetzes-Initiative zur Eindämmung der Leiharbeit gefordert. „Was wir derzeit erleben, ist, dass die Möglichkeit von Leiharbeit benutzt wird, um feste Beschäftigungsverhältnisse zu umgehen. Und das ist nicht der Sinn der Leiharbeit“, so Schmoldt in einem Interview mit der Faz.

ERSTE & DRITTE WELT

Bald AVELOX gegen Tuberkulose?
Die Pharmamultis haben die ärmeren Staaten nicht in ihrer Kundendatei. Deshalb müssen öffentliche oder private Institutionen einspringen, um Medikamenten-Entwicklungen für Krankheiten zu fördern, die besonders häufig in Entwicklungsländern auftreten. Eine solche Organisation ist die „Global Alliance for TB-Drug-Development“ (siehe auch Ticker 2/06). Bill Gates, die Rockefeller Foundation, die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA und diverse andere Vereinigungen finanzieren im Rahmen des Verbundes die Suche nach neuen Tuberkulose-Behandlungsmethoden. So fließt auch Geld für die Erprobung einer Kombinationstherapie von Tbc-Arzneien mit BAYERs Antibiotikum AVELOX. Jetzt geht diese „Neu“-Entwicklung, welche die Behandlungsdauer gerade mal um zwei Monate verkürzen soll, in die dritte und letzte Phase der Klinischen Tests.

„Verbessertes“ Obst in Brasilien
In Brasilien gibt es Melonen, Ananas und Trauben made by BAYER. Der Konzern stattete die Früchte nach eigenen Angaben mit einem intensiveren und süßeren Geschmack aus. Der Haken bei der Sache für den Agro-Multi: „Vielen Kleinbauern fehlt es aber an Know-how und finanziellen Mitteln, um in den Anbau neuer Sorten und Anbaumethoden investieren zu können“. Also spannte der Konzern die Nichtregierungsorganisation „HortiBrasil“ ein und startete die Initiative „Flavour Guarantee“. Diese Organisation fixte bisher ca. 500 Kleinbauern und -bäuerinnen an, mittels BAYER-Unterstützung die geschmacksverstärkten Früchte anzubauen und hofft die LandwirtInnen auf diese Weise in die Abhängigkeit vom Großdealer aus Leverkusen zu treiben.

Globalisierung in Bangladesh
Der Bangladesher Botaniker Pavel Partha hat in der Zeitung The Daily Star beschrieben, mit welcher Gewalt sein Land fit für den globalen Agrarmarkt gemacht wird. Besonders die indigene Gruppe der Mandis, die in den Salzwäldern des Staates von der Landwirtschaft lebt, bekommt diese Brutalität zu spüren. Die Verwaltung des Waldes schreckt nicht einmal vor Morden zurück, um sie zu vertreiben und Agroindustrien zu errichten. „Die langwährende Verbindung zum Land und seinen natürlichen Ressourcen, ja, die Existenz der Mandis selbst, wird nun von den Großplantagen bedroht. Zuerst importierte man Ananasfrüchte. Dann ersetzte man sie durch tödliche Bananengärten. Und Profitjäger wie SYNGENTA, BAYER CROPSCIENCE und ACI (...) machten Madhupur dann endgültig zum Standort von Bananen-Monokulturen“, schreibt der Wissenschaftler.

IG FARBEN & HEUTE

80 Jahre Perlon
Vor 80 Jahren brachten die von BAYER mitgegründeten IG-FARBEN die Kunstfaser Perlon heraus. Kurz zuvor hatte das US-amerikanische Unternehmen DUPONT Nylon lanciert. Die politischen Differenzen zwischen den Vereinigten Staaten und Nazi-Deutschland hinderten die beiden Chemie-Multis nicht daran, sich über Absatzmärkte zu verständigen und ein Kunstfaser-Kartell zu bilden. Bald machte die synthetische Faser dann auch eine Militärkarriere. Die Nazis stuften Perlon als „kriegswichtig“ ein und verwandten es unter anderem für Flugzeugreifen, Seile und Fallschirme. Zum Dank für seine Erfindung verlieh der NS-Staat dem IG-FARBEN-Forscher Paul Schlack sogar das Kriegsverdienstkreuz.

POLITIK & EINFLUSS

Merkel lobt BAYER
Auf ihrer im Mai 2008 unternommenen Südamerikareise machte Angela Merkel auch Station in Mexiko und hielt dort eine Rede vor dem „Deutsch-Mexikanischen Wirtschaftsforum“. Darin lobte sie den Leverkusener Multi ausdrücklich. „Wir sind als deutsche Unternehmen und genauso als deutsche Politiker natürlich immer dafür eingetreten, dass bestimmte Umweltstandards und bestimmte soziale Standards eingehalten werden. Ich glaube, die Mindeststandards der Internationalen Arbeitsorganisation sind ein wichtiger Maßstab. Ich kann hier BAYER beispielhaft für viele deutsche Unternehmen nennen, die zum Beispiel neben der Einhaltung sozialer Standards vor allen Dingen auch Bildungsangebote machen“, sprach die Kanzlerin. Über die Kinderarbeit bei Zulieferer-Betrieben von BAYER, über die Entlassung missliebiger GewerkschafterInnen und über die von den Pestiziden des Multis ausgehenden Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt breitete sie den Mantel des Schweigens aus.

Keine harten Zeiten für LobbyistInnen
Ca. 300 Angestellte von Unternehmen und Verbänden arbeiten als „LeiharbeiterInnen“ für Ministerien, auch BAYER-Beschäftigte waren schon mal mit von der Partie (Ticker 3/07). Trotz einer Welle von Protesten will die Bundesregierung an der Regelung festhalten. Das Fachwissen der „Externen“ sei einfach unverzichtbar, heißt es aus Berlin. Nur in Gesetzestexte darf dieses „Fachwissen“ künftig nicht mehr direkt fließen. Zudem beschloss der Haushaltsausschuss, jedes halbe Jahr einen Bericht über das Wirken der Konzern-EmissärInnen zu erstellen, damit wenigstens ein wenig Transparenz herrscht. Der Organisation LOBBYCONTROL reichen diese Beschränkungen nicht. „Unser Ziel ist klar, und wir werden unser Möglichstes tun, es zu erreichen: Lobbyisten raus aus den Ministerien!“, erklärte die Initiative.

Härtere Zeiten für PolitikerInnen
BAYER & Co. wollen ihre Lobby-Aktivitäten im Pharma-Bereich ausweiten. Das ergab eine Umfrage der Unternehmensberatung RUSSELL REYNOLDS ASSOCIATES, an der ManagerInnen von BAYER, NOVARTIS, ROCHE und anderer Arznei-Riesen teilnahmen. Die Konzern-LenkerInnen begründen ihre gesteigerten Antichambrier-Anstrengungen mit dem immer größeren Einfluss von politischen Entscheidungen auf den Shareholder Value. Hatte die Politik vor fünf Jahren bloß einen Anteil von 17 Prozent am Pillen-Profit, so taxiert ihn Big Pharma heutzutage auf 40 Prozent. Von PatientInnen-Entscheidungen hängt das Arznei-Geschäft dagegen nur zu 18 Prozent ab und von MedizinerInnen-Entscheidungen bloß zu 12 Prozent. „Eine Mehrheit der Unternehmen, so heißt es in der Studie, sieht es daher als notwendig an, in der Lobby-Tätigkeit in den Hauptstädten noch aktiver zu werden und mehr Spezialisten zu engagieren, die den Politikern Pharmaka als ‚wertvoll‘ für das Gesundheitssystem und nicht als Kostenfaktor andienen können“, konstatiert die Faz.

EU: Härtere Zeiten für LobbyistInnen?

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Wie das TV-Magazin Monitor im Jahr 2006 enthüllte, arbeiten ca. 100 EmissärInnen von Unternehmen und Verbänden in Ministerien mit, darunter befanden sich zwei von BAYER (Ticker 3/07). Auch in Brüssel bei der EU sind solche „LeihbeamtInnen“ tätig. Ihnen will jetzt aber der EU-Vizepräsident Siim Kallas das Leben schwerer machen. Zum Ende des Jahres kündigte er einen entsprechenden Richtlinien-Vorschlag an.

EU: Härtere Zeiten für LobbyistInnen?

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Die Europäische Union hat die Einführung eines Lobbyregisters beschlossen. Dort sollen sich alle InteressensvertreterInnen von BAYER & Co. eintragen, wenn sie weiter Hand an die in Brüssel zur Debatte stehenden Richtlinien legen wollen. Obligatorisch ist das allerdings nicht. Die EmissärInnen der Unternehmen können freundlicherweise auf freiwilliger Basis ohne Namensangabe für mehr Transparenz sorgen und sich auch über ihre genauen Honorare bedeckt halten. Darum gingen Organisationen wie LOBBYCONTROL und CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) mit der neuen Regelung hart ins Gericht. „Ohne Namen und genaue finanzielle Auskünfte stellt das Register nur eine symbolische Geste dar statt eines ernst zu nehmenden Schrittes nach vorne“, erklärte Olivier Hoedeman von CEO in einer gemeinsamen Presseerklärung lobbykritischer Initiativen.

Wahlkampfhilfe: 141.500 Dollar
BAYER hat sich den US-amerikanischen Vorwahlkampf bisher 141.500 Dollar kosten lassen (Stand: 30. April); die Endrunde dürfte dann wirklich ins Geld gehen. Dabei hat sich der Konzern politisch abgesichert und die Spenden fast paritätisch auf republikanische und demokratische KandidatInnen verteilt. 43 Prozent des Dollarsegens fiel auf die DemokratInnen und 57 Prozent auf die RepublikanerInnen. Das war vor kurzem noch anders, denn an Bush hatte BAYER einen Narren gefressen. 79 Prozent des Leverkusener Wahlkampfbudgets ging an George W. - so eine Quote erreichte kein anderes bundesdeutsches Unternehmen mit Sitz in den USA.

Millionen-schwere Lobby-Aktivitäten
BAYER hat im 1. Quartal 2008 nach Angaben des „Center for Responsive Politics“ fast 1,5 Millionen Dollar in die Pflege der US-amerikanischen politischen Landschaft investiert.

BAYERs Gen-Lobbying
Die beiden Autoren Christoph Then und Antje Lorch haben für die grüne Landwirtschaftsexpertin Ulrike Höfgen eine Studie über den Einfluss der Genmultis auf Behörden-Entscheidungen geschrieben. Detailreich führt die Untersuchung „Kontrolle oder Kollaboration? Die Agro-Gentechnik und die Rolle der Behörden“ auf, mit welchen Methoden BAYER & Co. es schaffen, ihre Politik durchzusetzen. So berieten BAYER, MONSANTO und andere Agromultis 1997 in Amsterdam gemeinsam über die Strategie, die genmanipulierte Sojabohne in Europa zu lancieren. Während MONSANTO dabei auf die Dienste des berüchtigten PR-Unternehmens BURSTON-MARSTELLER zurückgriff, engagiert BAYER in solch kniffligen Fällen gerne die Agentur GENIUS oder TRANSGEN WISSENSCHAFTSKOMMUNIKATION. Bei den Behörden stoßen die Konzerne in der Regel auf wenig Widerstand. So übernahmen diese unbesehen das von den Multis entwickelte Konzept zur wissenschaftlichen Überwachung ihrer Freilandversuche mit den Laborfrüchten. Ein dazugehöriger Fragebogen für LandwirtInnen wurde von zwei Forschern entwickelt, die wissen, was sie den Konzernen schuldig sind: „Die Autoren danken den Firmen BAYER CROPSCIENCE, KWS, MONSANTO, PIONEER und SYNGENTA für die Zusammenarbeit und Unterstützung“. Auch auf europäischer Ebene gelang es den Global Playern, ihre Vorstellung von einem Monitoring zu verwirklichen. Dazu organisierte Detlef Bartsch - ein Wissenschaftler, der schon in MONSANTO-Werbefilmen auftrat und zur Tatzeit für das „Bundesamt für Verbraucherschutz“ sowie für die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) arbeitete - zwei Workshops mit den Agroriesen - und fertig war das EFSA-Konzept zur Genpflanzen-Kontrolle!

BAYER & Co. schreiben Steinbrück
Das bundesdeutsche Unternehmenssteuerrecht begünstigt die Verlegung von Standorten ins Ausland. So können BAYER & Co. die Kosten für so genannte Funktionsverlagerungen hierzulande von der Steuer absetzen und eine fiskalische Arbeitsteilung betreiben: Die Kosten für Forschung und Entwicklung in der Bundesrepublik steuerlich gelten machen und den mit den fertigen Produkten erzielten Gewinn dann im Ausland veranschlagen, wo die Tarife günstiger sind. Diese Möglichkeit will die Große Koalition jetzt einschränken. Sie plant ein neues Gesetz, das es erlaubt, auch auf im Ausland erzielte Gewinne zuzugreifen und die Funktionsverlagerung zu besteuern. „Damit fließen auch ausländische Standortvorteile, etwa geringere Lohnkosten jenseits der Grenzen, in die Bewertung des Gewinnpotenzials ein, die dann letztendlich zu einer Besteuerung dieser ausländischen Standortvorteile hierzulande führen“, warnt deshalb der Steuerexperte Axel Eigelshoven. BAYER, DAIMLER, BOSCH und andere Unternehmen schritten umgehend zur Tat und schrieben Peer Steinbrück einen Brief. „Die Umsetzung der gesetzlichen Regelung in Gestalt der Rechtsverordnung wird der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland Schaden zufügen“, heißt es in dem Text. Und die Absender dürfen sich durchaus Hoffnungen machen, erhört zu werden, berücksichtigt doch bereits der aktuelle Verordnungsentwurf „in einigen Details die Anregungen der Wirtschaft“, wie das Schreiben festhält.

Emissionshandel mit Ausnahmen
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in einer bestimmten Menge zu gestatten. Alles, was über ein bestimmtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen, weil sie dafür Verschmutzungsrechte kaufen müssten. Damit wollte Brüssel Anreize zu Klimaschutz-Maßnahmen schaffen. Diese blieben dank der guten Lobby-Arbeit der Konzerne allerdings weitgehend aus: Die Lizenzen zum CO2-Ausstoß waren so großzügig bemessen, dass die Schornsteine der Industrie weiterhin nach Lust und Laune qualmen konnten. Ab 2013 wird es diese Schnäppchen nicht mehr geben. Dann stehen nämlich wirkliche Auktionen mit Verschmutzungszertifikaten an. Aber dem Leverkusener Multi dürfte seine schlechte Klima-Bilanz trotzdem nicht die Geschäftsbilanz verhageln, denn Angela Merkel und Umweltminister Sigmar Gabriel setzten Mitte März gegen den Widerstand von EU-Kommissionsprädident Manuel Barroso eine Ausnahmegenehmigung für Industrie-Unternehmen, die außer-europäische Konkurrenz haben, durch.

BDI wettert gegen Klimapolitik
BAYER & Co. gehen die Klimaziele der Bundesregierung zu weit, weshalb die Konzerne wieder mal die Drohkulisse „Arbeitsplatzvernichtung“ aufbauen. „Wenn die Bundesregierung ihren Plan umsetzt, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken, sehe ich eine Million Jobs ins Gefahr“, drohte der Präsident des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“ (BDI), Jürgen Thumann in einem Interview. Dem BDI-Geschäftsführer Werner Schnappauf bereitet dagegen der Widerstand gegen die auch auf BAYER-Arealen geplanten Kohlekraftwerke Sorge. „Nach der Anti-Kernkraft-Bewegung erleben wir eine Anti-Kohle-Bewegung“, stöhnte er und forderte im gleichen Atemzug eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke.

Berschauer wird „CropLife“-Vorsitzender
Der BAYER-CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer hat den Vorsitz des Agrochemie-Weltverbandes „CropLife International“ übernommen. Berschauer kündigte an, die Position hauptsächlich dazu zu nutzen, die Wonnen der Gentechnik anzupreisen. Dabei vermied er das böse Wort allerdings lieber. „Ich möchte, dass sich ‚CropLife International‘ noch wirksamer für die Pflanzenwissenschaften und innovative Agrartechnologien einsetzt. Insbesondere werde ich national und international für politische Rahmenbedingungen arbeiten, die die Einführung vorteilhafter neuer Technologien fördern“, drohte der BAYER-Manager an.

Seehofer streitet für Subventionen
In all ihrer Absurdität hat die Agrarpolitik der EU auch wieder etwas Konsequentes. Die größten Betriebe erhalten die meiste Unterstützung - und auch für den Leverkusener Multi fällt dabei etwas ab. Da Bauer BAYER auf dem Versuchsgut Laacher Hof Experimente mit Zuckerrüben und Getreide durchführt, überwies die Europäische Union im letzten Jahr 100.000 Euro nach Leverkusen. Nach zunehmender öffentlicher Kritik an der Vergabepraxis plant die EU-Kommission jetzt allerdings Kürzungen. Das rief umgehend Landwirtschaftsminister Horst Seehofer auf den Plan, denn das bundesdeutsche Agro-Business profitiert mit seinen Riesenflächen am meisten von der Förderung. Und seine Intervention hatte Erfolg. 45-prozentige Einschnitte für Spitzenverdiener von Brüssels Gnaden konnte er verhindern.

Norwegen als BAYER-Investor
BAYER-Chef Werner Wenning bemüht sich um den norwegischen Staatsfonds als BAYER-Investor und hat sich deshalb Anfang Februar 2008 mit der Finanzministerin des Landes, Kristin Halvorsen, zu einem Gespräch getroffen.

Militarisierung der Wirtschaftspolitik
„Wirtschaft und Politik an der Seite der Bundeswehr“ - unter diesem Motto diskutierten Anfang Juni ca. 100 ManagerInnen von BAYER & Co., PolitikerInnen wie Verteidigungsminister Franz-Josef Jung und Bundeswehrangehörige im Rahmen des von der COMMERZBANK veranstalteten „Celler Trialog ‘08“ über verstärkte Allianzen. Wie nötig diese Waffenbrüderschaft angeblich ist, erläuterte der nunmehrige Aufsichtsratsvorsitzende der COMMERZBANK, Klaus-Dieter Müller, im Januar vor der Führungsakademie der Bundeswehr. „Wer am Hindukusch Ausbildungslager für Terroristen aushebt“, senkt Müller zufolge nämlich „die allgemeine Prämie für Unsicherheit in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten“. Auch die Prämie für Rohstoffe kann die Bundeswehr für die Industrie nach Meinung von Müller verringern, denn es „stammen über die Hälfte der weltweit produzierten metallischen Rohstoffe aus politisch instabilen Ländern“.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER-U-Boot bei ARD-Buffet
Seit einiger Zeit hat BAYER das Geschäftsfeld „Männergesundheit“ entdeckt. Passend zu seinen Hormon-Präparaten hat der Konzern „männliche Wechseljahresstörungen“ ausgemacht, mit Hitzewallungen und allem drum und dran, bedingt durch Testosteronmangel. Da diese Krankheit noch weitgehend unbekannt ist, rührt der Pharma-Riese kräftig die Werbetrommel. Dafür kann der Konzern sich auf seinen Dr. Sommer stützen. Immer schon flugs zur Stelle, wenn es galt, BAYERs Potenzmittel LEVITRA anzupreisen, hat es Dr. Frank Sommer mittlerweile zu einem Lehrstuhl in Sachen „Männergesundheit“ an der Hamburger Universitätsklinik gebracht. Nicht nur in der Bunten warb der Professor in der Folge eifrig um Patienten. Mitte März hatte er einen Auftritt in der Sendung ARD-Buffet und durfte da mächtig krankbeten, ohne seine Beziehungen zu BAYER offenzulegen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN schrieb deshalb einen Protest-Brief an die Redaktion.

Noch mehr „Männergesundheit“
BAYERs Krankbeterei in Sachen „Männergesundheit“ geht in eine neue Runde. Auf dem Kongress der „European Association of Urology“ stellte der Leverkusener Multi seine Kampagne „Restore the Man“ vor. „Die Männergesundheit muss ganzheitlich betrachtet werden, nicht nur jede einzelne Krankheit für sich“, erklärte dazu der willige Mediziner Ian Banks. Das Ganzheitliche besteht für den Konzern darin, einen lukrativen Bogen von seinem Potenzmittel LEVITRA zu seinen Hormonpräparaten zu schlagen. Da sowohl „erektile Dysfunktionen“ wie auch Hormonmängel angeblich mit Begleiterkrankungen verbunden sind, hält BAYER eine Rundumversorgung mit seinen Produkten für angezeigt: „Ärzte sollten daher sowohl die erektile Dysfunktion behandeln als auch gleichzeitig den Testosteronwert bestimmen, um sicherzustellen, dass dieser im Normalbereich liegt, welches gegebenenfalls mit einer Testosteron-Therapie erreicht werden kann. Urologen stehen zur Behandlung der erektilen Dysfunktion LEVITRA sowie zur Behandlung eines Testosterondefizits (Hypogonadismus) NEBIDO und TESTOGEL zur Verfügung“. MedizinexpertInnen hingegen betrachten weder „eretile Dysfunktionen“ noch Testosteronmangel als Krankheiten, weshalb diese auch nicht mit physiologischen Begleiterscheinungen verbunden sein können.

Nano-Werbung
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Veränderung von Werkstoffen auf der Mikro-Ebene. BAYER erwartet von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze und entwickelte bisher spezielle Duftkapseln, Folien, Eishockeyschläger und die BAYTUBE-Kohlenstoffröhrchen. Darum kommt die PR-Kampagne für dieses aussichtsreiche Marktsegment auch nicht gerade in Nano-Dimensionen daher. Mit einer 1-seitigen Zeitungsanzeige bewerben BAYER & Co. unter dem Namen „Chemie macht Zukunft“ die Petitessen. Von einem schweigt die Announce allerdings lieber: Nano macht krank. Dabei wissen die Chemie-Multis das selber ganz genau. „Bei vielen unlöslichen Nanomaterialien ist derzeit nicht auszuschließen, dass die inhalative Aufnahme dieser besonders kleinen Partikel am Arbeitsplatz zu Gefährdungen führen kann“, heißt es in dem vom „Verband der Chemischen Industrie“ gemeinsam mit der „Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“ herausgegebenen „Leitfaden für Tätigkeiten mit Nanomaterialien am Arbeitsplatz“.

Nano-Euphorie verflogen
Wie das halt immer so geht mit den „Zukunftstechnologien“: Sie starten mit großen Versprechungen, um staatliche Förderung zu akquirieren, und können dann die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Nach der Gentechnologie ereilt jetzt auch die Nano-Technologie dieses Schicksal, wie eine Tagung des „Nanotechnologie-Forum Hessen“ im Herbst 2007 deutlich machte. Die Investitionen überstiegen noch klar die Einnahmen, konstatierten die TeilnehmerInnen. Für einige ForscherInnen ist die neue Wissenschaft dem Laborstadium noch immer nicht entwachsen. Auch für Nano-Kohlenstoffröhrchen, wie sie BAYER unter dem Namen BAYTUBE anbietet, sieht es nicht allzu rosig aus (siehe auch NANO & Co.). Thomas Heimer von der „Frankfurt School of Finance and Management“ zufolge verhindert hier der hohe Preis eine erfolgreichere Vermarktung.

Konvent bringt Buch heraus
BAYERs Aufsichtsratschef Manfred Schneider betätigt sich zusätzlich zu seinem Leverkusener Job nicht bloß noch als Aufseher bei ALLIANZ, LINDE, DAIMLER, RWE und TUI, er gehört auch dem „Konvent für Deutschland“ an. Dort befindet er sich in der zweifelhaften Gesellschaft von Otto Graf Lambsdorff, Jutta Limbach, Roman Herzog, Wolfgang Clement und Klaus von Dohnanyi. Jetzt haben die vielbeschäftigten SeniorInnen wundersamerweise sogar Zeit gefunden, ein Buch zu veröffentlichen. „Mut zum Handeln - wie Deutschland wieder reformfähig wird“ heißt das Machwerk, in dem es mal wieder heftig ruckt und Manfred Schneider sich über das Thema „Politik und Wirtschaft spielen Schicksal für den Bürger“ auslässt.

Wikipedia-Mitarbeiter BAYER
Eifrig hübscht der Leverkusener Multi seine Wikipedia-Einträge auf. Aus einer schnöden Servicegesellschaft wird so ein „internationales Kompetenzzentrum“, und das Kunststoff-Produkt Makrolon bekommt den Zusatz „das Hightech-Polycarbonat von BAYER MATERIAL SCIENCE“ verpasst. Da gibt es aber einen umsichtigen Wikipedisten, der die BAYER-Korrekturen immer wieder rückgängig macht. Das kann der Unternehmenslyriker gar nicht verstehen: „Ich würde gerne wissen, warum Du den von mir geänderten Beitrag zur BAYER BUSINESS SERVICES GmbH immer wieder in die alte Version änderst. Der von mir eingegebene Text ist die offizielle Boilerplate (Unternehmensportrait) der BAYER BUSINESS SERVICES und in meinen Augen deutlich aussagekräftiger. Was gibt es also daran auszusetzen?“. Eben das, müsste die Antwort lauten.

BAYERs Klimakampagne
Zum Klimawandel steuert BAYER jährlich ein Scherflein von 8,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid bei (4,4 Mio. aus eigener Produktion zuzüglich 3,9 Mio. aus derjenigen seiner Energie-Lieferanten) Trotzdem inszeniert sich der Leverkusener Multi in einer großen neuen Medienkampagne als Klimaretter. Aber weder die Entwicklung von dem Klimawandel besser trotzenden Pflanzenarten oder der den Produktionsstätten auferlegte „Climate check“ noch die angestrebte Verringerung der Dienstflüge oder CO2-Reduzierungen bei der Dienstwagenflotte können die schlechte Klimabilanz des Unternehmens nachhaltig verbessern.

DRUGS & PILLS

BAYER zieht TRASYLOL zurück
Endlich hatte BAYER ein Einsehen: Nachdem auch eine kanadische Studie TRASYLOL Lebensgefährlichkeit bescheinigt hatte - im Vergleich zu anderen Medikamenten stiegt die Todesrate nach Gabe des Medikamentes um 50 Prozent - zog der Konzern die vor allem zur Blutstillung nach Herz-Operationen eingesetzte Arznei vom Markt zurück. Aber noch immer sieht der Pharma-Riese keinen Grund zur Reue. „Viele Herzchirurgen beklagen, dass TRASYLOL nicht mehr zur Verfügung steht. Sie rufen uns an und sagen: ‚Wir können nicht mehr operieren ohne TRASYLOL‘“, so der von Verlustschmerz geplagte BAYER-SCHERING-Pharmaforschungsvorstand Andreas Busch in einem Tagesspiegel-Interview. Auf die Frage, ob der TRASYLOL-Stopp nicht eher hätte erfolgen müssen, antwortete er: „Das sehen wir nicht so. Wir haben immer sehr sorgfältig die Wirksamkeit und die Nebenwirkungen in unseren eigenen Datenbanken verfolgt und analysiert, waren in ständigem Austausch mit den Behörden und haben die wissenschaftliche Literatur berücksichtigt“ (Siehe auch AKTION & KRITIK und RECHT & UNBILLIG).

Gedächtnisverlust durch LEVITRA
Der Beipackzettel von BAYERs Potenzpille LEVITRA wird immer länger. Jetzt muss der Leverkusener Multi darauf auch noch vor temporärem Gedächtnisverlust warnen. Zu den bisher bekannten Risiken und Nebenwirkungen zählen: temporärer oder dauerhafter Hörverlust, Tinnitus, Sehstörungen oder Sehverlust, Schwindel, Höhenangst, Kopfschmerzen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome sowie Gesichtsrötungen.

LEVITRA nicht mehr auf Rezept
Die GesundheitspolitikerInnen haben Potenzmittel wie BAYERs LEVITRA als Lifestyle-Präparate eingestuft, die bei keiner Indikation medizinisch absolut notwendig sind, und die Pillen komplett aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen gestrichen. Das dürfte den Absatz empfindlich schmälern.

Neuer Anlauf für Hormon-Therapien
Nach alarmierenden Studien über die Nebenwirkungen von Hormontherapien für Frauen in den Wechseljahren - ein erhöhtes Risiko für Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall und Thrombose konstatierten die ForscherInnen - sanken die Umsätze für das „Menopausen-Management“ aus dem Hause BAYER massiv. Aber der Leverkusener Multi lässt nicht locker und zieht im Hintergrund die Fäden für ein Comeback der umstrittenen Therapie. So hat die von BAYER gesponsorte „International Menopause Society“ (IMS) auf einem Kongress in Madrid eine neue Untersuchung präsentiert, welche die Ergebnisse der bislang durchgeführten Expertisen in Frage stellt. Wenn die behandelten Frauen gesund und jünger als 60 Jahre wären, schadeten ihnen die Hormonpillen nicht - so das Fazit das Wechseljahre-Gesellschaft. Die Fachwelt konnte das Engagement der IMS allerdings nicht überzeugen. Für die von BAYER & Co. beschworene heilsame Wirkung der Hormontherapie „gibt es bis heute keine angemessenen Belege, wohl aber die bekannte ungünstige Nutzen/Schaden-Bilanz“, so Norbert Schmacke, Leiter der Bremer Koordinierungsstelle für Gesundheitsversorgungsforschung in einem Interview mit Spiegel online.

Neue Krankheit „Prädiabetes“
Einst entdeckten die Pharmafirmen Heilmittel, heute entdecken sie Krankheiten. So hat das „Nationale Aktionsforum Diabetes Mellitus“ in Allianz mit Big Pharma und der auch von BAYER alimentierten „Deutschen Diabetes Gesellschaft“ einen Aktionsplan zur Behandlung der Zuckerkrankheit vorgelegt, der die Grenzen zwischen Gesunden und Kranken zum Segen der Industrie verschwimmen lässt. So machen die AutorInen etwa einen „Prädiabetes“ aus, der ärztlicher und pharmakologischer Behandlung oder zumindest der medizintechnischen Kontrolle durch die Blutzuckermessgeräte von BAYER & Co. bedarf. Von einer „Pathologisierung großer Bevölkerungsteile“ spricht deshalb die „Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin“, und der zum Vorstand der Organisation gehörende Günther Egidi ereifert sich: „Es ist immer das gleiche Muster. Man verschärft die Grenzwerte und erhöht so die Zahl derer, die behandlungsbedürftig sind“.

Mediziner warnt vor ASPIRIN
Der Mediziner Kay Brune hat eindringlich vor BAYERs Schmerzmittel ASPIRIN mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) gewarnt, weil es das Blut verflüssigt. „Ich kenne Fälle von Unfallopfern, die nicht operiert werden konnten, weil sie ASS genommen hatten: Die Chirurgen fürchteten, die Blutung nicht in den Griff zu bekommen“, sagte der Arzt von der Universität Erlangen der Frankfurter Rundschau. Auch über die nierenschädigende Wirkung des Präparates zeigt er sich besorgt und resümiert: „ASS gehört nicht in die Schmerztherapie“. Nur zur Behandlung von Herzkrankheiten empfiehlt Brune das Medikament. Sein Kollege Björn Lemmer geht sogar noch weiter: „Wenn ASS heute auf den Markt käme, bezweifle ich, dass es frei verkäuflich wäre“.

Mehr rezeptfreie Arzneien
Der Leverkusener Multi hat von dem US-amerikanischen Pharma-Unternehmen SAGMEL das Osteuropa-Geschäft mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneien übernommen. Die Produkt-Palette, mit der SAGMEL sich in dem Gebiet zum führenden Anbieter entwickelt hatte, umfasst unter anderem das Schmerzmittel THERAFLEX, den Schleimlöser NAZOL, das Hämorrhoiden-Präparat RELIEF und die Nahrungsergänzungsmittel CALCEMIN, THERAVIT und JUNGLE (siehe auch IMPERIUM & WELTMARKT).

Mehr Medizintechnik
BAYER will das US-amerikanische Medizintechnik-Unternehmen POSSIS erwerben, das Apparaturen zur Behandlung verschlossener oder verengter Blutbahnen herstellt, und hat deren AktionärInnen ein Übernahme-Angebot unterbreitet.

Arznei-Kosten: plus 8,1 Prozent
Und immer wieder steigen die Arznei-Ausgaben der Krankenkassen, egal, was für Instrumente zur Kostendämpfung die Politik auch ersinnen mag. Im vergangenen Jahr erhöhten sich die Pillen-Aufwändungen von DAK & Co. um 8,1 Prozent auf 25,6 Milliarden Euro.

Lukrative Krebs-Arzneien
Im Pharma-Geschäft versprechen Krebs-Arzneien die höchsten Gewinne. ExpertInnen erwarten bis zum Jahr 2010 einen 66 Millarden Dollar schweren Absatzmarkt, was im Vergleich zu heute einer Verdoppelung gleichkäme. Zudem stimmen die Rahmenbedingungen. „Politik und Krankenkassen haben ein großes Interesse, Krebs zu bekämpfen. Deswegen ist die Erstattungsfähigkeit der Medikamente relativ hoch“, meint etwa Michael Klingler von der Unternehmensberatung RSVP. Auch hält sich der Aufwand in Grenzen, denn die Zulassungsbedingungen sind nicht so streng wie auf anderen Therapie-Gebieten. Da es noch kaum wirksame Krebs-Arzneien gibt, musste BAYER beispielsweise für NEXAVAR keine großen Vergleichsstudien finanzieren. Und was der Konzern vollmundig als „Meilenstein im Kampf gegen Krebs“ bezeichnet, beschränkt sich in der therapeutischen Praxis zumeist auf eine höchstens dreimonatige Lebensverlängerung.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Pestizid-Richtlinie in Gefahr
Ende Oktober 2007 hatte sich das Europa-Parlament in erster Lesung auf neue Regelungen zur Genehmigung von Pestiziden geeinigt. Der Beschluss sah auch Zulassungsverbote für Ackergifte mit krebserregenden, erbgutschädigenden und/oder hormonaktiven Wirkstoffen vor, weshalb er als Meilenstein für den VerbraucherInnen- und Umweltschutz galt. Aber jetzt wird er behauen: Im Berichtsentwurf für die EU-AgrarministerInnen, die ihren Segen zur neuen Richtlinie geben müssen, finden sich viele Abmilderungen. „Es ist ein offenes Geheimnis, dass dieser Versuch der Verwässerung der Ausschlusskriterien dem Handeln der Bundesregierung und Verbraucherschutzminister Seehofer geschuldet ist. Beschämenderweise macht sich die Bundesregierung so zum Steigbügelhalter der Industrie-Interessen“, kritisiert die grüne EU-Parlamentarierin Hiltrud Breyer. Der Politikerin zufolge entsprechen die neuen Formulierungen nämlich exakt denjenigen, die BAYER & Co. über die bundesdeutschen CDU/CSU-VertreterInnen ohne Erfolg ins Straßburger Parlament eingebracht hatten. Es bleibt also abzuwarten, was von dem ehrgeizigen Projekt auf seinem langen bürokratischen Gang durch die EU-Institutionen übrig bleibt.

Neue Kooperation mit MONSANTO
Der Leverkusener Multi und MONSANTO erweitern ihre Zusammenarbeit (siehe Ticker 3/07). Die beiden Agromultis beschlossen, BAYERs Saatgut-Behandlungsmittel VORTEX gegen Pilzbefall und MONSANTOs Gentech-Mais SMARTSTAX mit den eingebauten Resistenzen gegen Insektizide und Herbizide im Kombipack zu vermarkten. Die Produkteinführung ist für das Jahr 2010 vorgesehen.

GENE & KLONE

Langlebiger Genraps
Im Jahre 1995 hatte die seit 2002 zu BAYER gehörende Firma PLANT GENETIC SYSTEMS in einem Freilandversuch Gentech-Rapspflanzen getestet, die gegen das Herbizid LIBERTY mit dem Wirkstoff Glufosinat oder andere Substanzen resistent sind. Nach Beendigung des Testlaufs besprühten die ForscherInnen das Feld mit Gift, pflügten es jedes Jahr um, pflanzten Weizen oder Gerste an und kappten rigoros jeden Halm, der sich wieder zeigen wollte. Aber es nützte alles nichts. WissenschaftlerInnen der schwedischen Lund-Universität und der TU Dänemark fanden 2005 noch 38 Rapspflanzen, davon 15 Glufosinat-resistente, die aller Unbill getrotzt hatten. Nach Meinung von Tina D‘Hertefeldt, einer der Autorinnen der 2008 in der Zeitschrift biology letters veröffentlichten Studie, sind die Laborfrüchte unkaputtbar : Sie machen sich bis zum Ende aller Tage nicht mehr vom Acker.

Kontaminationen durch Genraps
Bei BAYERs Freilandversuchen in Belgien hat sich ein „Betriebsunfall“ ereignet. Auf 15 Feldern mit konventionellem Raps hat der Agroriese eine in Europa nicht zugelassenen gentechnisch veränderte Sorte mit ausgesät. Fünf Prozent des Rapses ist verunreinigt. Als Ursache führt der Multi „menschliches Versagen“ an. „Das ist ein erneuter Beweis für die Unkontrollierbarkeit gentechnisch veränderter Pflanzen“, kommentierte der wallonische Landwirtschaftsminister Benoît Lutgen den Vorfall. Der Leverkusener Multi hat alle Rapskulturen zerstört und kündigte an, die verseuchten Felder mehrere Jahre lang zu beobachten. Die Laborfrüchte dürften nach neuesten Studien über deren Halbwertzeit trotzdem einen längeren Atem haben (s. o.).

Noch keine Genreis-Zulassung
Die EU-Kommission hat die Entscheidung über die Genehmigung von BAYERs Genreis-Sorte LL62 an die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) zurückverwiesen, da einige Mitgliedsländer den Empfehlungen der EFSA-MitarbeiterInnen misstrauen. Die WissenschaftlerInnen sollen nun noch einmal prüfen, ob die voliegenden Daten wirklich für eine Zulassung ausreichen.

Indien: Moratorium für Gentech-Versuche
Indische FarmerInnen haben schlechte Erfahrungen mit Gentech-Pflanzen gemacht. Die Bt-Baumwolle von MONSANTO hat die LandwirtInnen viel Geld gekostet, aber längst nicht die erwarteten Erträge gebracht. Deshalb hat sich im Land ein breiter Widerstand gegen die „grüne Gentechnik“ formiert. Im Jahr 2005 klagten die Gentech-GegnerInnen vor dem Obersten Gerichtshof gegen die lasche Genehmigungspraxis und bekamen Recht zugesprochen: Die RichterInnen haben vorerst alle Zulassungsverfahren eingefroren und die Auflagen für bereits begonnene Freisetzungsversuche verschärft. Zudem haben viele Bundesstaaten erklärt, auf ihren Ackerflächen keine Laborfrüchte von BAYER & Co. zu dulden.

PFLANZEN & SAATEN

Indonesischer Hybridreis-Deal
BAYER hat mit dem indonesischen Landwirtschaftsministerium einen Vertrag über die Entwicklung und den Anbau von Hybridreis abgeschlossen. Der Leverkusener Multi ist der weltgrößte Anbieter auf diesem Gebiet und lancierte sein Produkt ARIZE bereits in Indien, Burma, Indonesien, Vietnam, Bangladesch, Brasilien und auf den Philippinen; ein Engagement in China, Thailand und in den USA steht unmittelbar bevor. Der Konzern preist den Ertragreichtum seines sterilen Saatguts an, das sich nicht zur Wiederaussaat eignet und den LandwirtInnen deshalb teuer zu stehen kommt. Zudem machen die hochgezüchteten Sorten einen verstärkten Pestizid-Einsatz erforderlich, was die Artenvielfalt bedroht und die Budgets der FarmerInnen zusätzlich belastet. Im Falle von Missernten gelangen diese dann oft in eine Schuldenfalle: In Indien haben schon Tausende Bauern und Bäuerinnen, die hybride Sorten anpflanzten, Suizid begangen. Deshalb erhebt sich auch in immer mehr südostasiatischen Ländern Kritik an dem Saatgut. Indonesischen Studien zufolge hat der Einmal-Reis das Versprechen höherer Erträge bisher nicht erfüllt. Jimmy Tadeo vom philippischen ReisfarmerInnen-Verband und Omi Royandoyan von der Nichtregierungsorganisation „Centro Saka“ beanstanden hingegen nicht nur die schwachen Ernten. „Mit dem Hybridreis unterstützen wir die großen Saatgut-Unternehmen wie SL-AGRITECH, BAYER und MONSANTO, während wir das Geld eigentlich zur Unterstützung unserer eigenen Reisbauern ausgeben sollten“, meinen die beiden. Die Weltbank kommt zu einem ähnlich vernichtenden Urteil. Da 50 - 99 Prozent der FarmerInnen aus dem philippinischen Hybridreis-Programm wieder ausscheiden, habe es keinen sozialen Effekt, konstatiert die Institution und rät zu den „sozial profitableren“ konventionellen Sorten. Und ganz schlecht sieht es in Burma aus. „Nach mehreren schlechten Ernten ohne die Mittel, ihre Schulden zu zahlen, waren viele Farmer gezwungen, ihr Land zu verkaufen“, schreibt der Journalist Clifford McCoy. Als Aufkäufer treten dann Agroindustrielle auf, die Lieferverträge mit China haben. Das Land steht nicht nur mit seinem großen Appetit, sondern auch mit eigenen Unternehmen hinter dem großen Hybridreis-Boom, weshalb BAYER dort auch Kooperationen anbahnt.

AGROSPRIT & PROFIT

Agrosprit-Abkommen mit Brasilien
BAYER & Co. wollen vom Agrosprit-Boom in Brasilien profitieren. Schon im Jahr 2004 beteiligte sich der „Bundesverband der Industrie“ gemeinsam mit der „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ (GTZ) an der Gründung von BRASIL ECODIESEL. Was unter dem Titel „Beteiligung der deutschen Wirtschaft an der Armutsbekämpfung in Brasilien“ firmierte, ist vor allem für die DEUTSCHE BANK, die fast die Hälfte der Anteile an BRASIL ECODIESEL besitzt, ein lukratives Geschäft, denn die Spritfabrik kommt mittlerweile auf einen Marktanteil von rund 50 Prozent. Aber auch für BAYER lohnt es sich, hält der Leverkusener Multi doch für Zuckerrohr und andere zur Agrosprit-Produktion geeignete Pflanzen die passenden Produkte vor und rechnet deshalb in den kommenden Jahren mit einer Absatzsteigerung von neun Prozent für Agrochemikalien und 12 Prozent für Saatgut. Und das im Rahmen der Südamerika-Reise von Angela Merkel abgeschlossene Biodiesel-Abkommen verbessert die Geschäftsaussichten des Konzerns noch einmal. Die brasilianische Landlosen-Organisation MST hingegen kritisiert den ausufernden Zuckerrohranbau zur Spritgewinnung, da er „zerstörerische Monokulturen“ hervorbringe, „irreparable Schäden an der Umwelt“ verursache und die Möglichkeit für eine umfassende Agrarreform einschränke. Die brasilianische Umweltschutzministerin Marina Silva teilte offensichtlich diese Meinung. Sie trat unmittelbar vor der Unterzeichnung der Vereinbarung mit der bundesdeutschen Regierung zurück. Sie hatte zunehmend Schwierigkeiten, ihre umweltpolitischen Vorstellungen gegenüber der mächtigen Agrarlobby durchzusetzen und wollte nun nicht länger „das grüne Feigenblatt spielen“, wie es in Zeitungsberichten hieß.

Klimawandel-taugliche Pflanzen?
Seit längerem forschen die Agromultis an widerstandsfähigeren Ackerfrüchten. Vier solcher Pflanzen, die angeblich „Stress“ trotzen sollen, hat BAYER bereits zum Patent angemeldet. Jetzt aber wittern die Konzerne durch die drohende Klimakatastrophe, an der sie selbst alles andere als unschuldig sind, eine bessere Vermarktungschance: Die Unternehmen preisen ihre Produkte nunmehr als „klimawandel-tauglich“ an. Da MONSANTO, BASF & Co. im Gegensatz zu BAYER auch zahlreiche „klima-resistente“ Gene zum Patent angemeldet haben, befürchtet die Initiative ETC eine neue Image-Kampagne für die unter Akzeptanz-Problemen leidende grüne Gentechnik, welche diese als Wundermittel gegen die Unbill des Klimawandels verkauft. Mit der heilsamen Wirkung ist es nach Meinung der Umweltgruppe aber nicht weit her, schon allein weil die Global Player den Schutz des geistigen Eigentums für die Pflanzen reklamieren, was diese für die meisten FarmerInnen auf der Welt unerschwinglich macht. Zudem fallen die wetterfesten Laborfrüchte oft kleiner aus als ihre konventionellen Ableger und schmälern so den Ernteerträge, wie Untersuchungen der „Grain Research & Development Corporation“ und anderer Institutionen ergeben haben.

WASSER, BODEN & LUFT

Neue EU-Emissionsrichtlinie
Die EU plant eine neue Richtlinie zur Senkung der Schadstoff-Ausstöße von BAYER & Co. Sie verschärft die Umweltauflagen für Kraftwerke und andere Großfeuerungsanlagen und erhöht die Anforderungen bei Werksinspektionen.

Weichmacher im Rhein
Nach Informationen der Initiative VSR-GEWÄSSERSCHUTZ haben Messungen im Rhein eine hohe Phthalate-Konzentration ergeben. Die Weichmacher von BAYER & Co., die unter anderem in Bodenbelägen, Kabeln und Lebensmittelverpackungen zum Einsatz kommen, gelten als krebserregend und fruchtschädigend. Sie stellen eine große Gefahr dar, weil sie leicht in den menschlichen Organismus gelangen. Die Substanzen gehen nämlich mit den Kunststoffen keine chemische, sondern bloß eine physikalische Verbindung ein und können sich deshalb relativ schnell von dem Material lösen.

NANO & CO.

Nano: das neue Asbest?
Nano-Röhrchen aus Kohlenstoff, wie BAYER sie unter dem Namen BAYTUBE vermarktet, können das Gewebe schädigen und ähnlich wie in der Vergangenheit Asbest Entzündungen auslösen. Besonders bei längeren Röhrchen besteht diese Gefahr. Das hat eine Untersuchung der Univesität Edinburgh ergeben, welche die Zeitschrift Nature Nanotechnology veröffentlichte.

CHEMIE & WAFFEN

Chemiewaffen-Tests: England entschädigt
1936 entwickelte der IG-FARBEN-Chemiker Gerhard Schrader das Giftgas SARIN, was dann auch im Namen zum Ausdruck kommt: S für Schrader und A für den Giftgas-Abteilungsleiter der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, Otto Ambros. Mit eben diesem Gas führte die britische Armee in den fünfziger und sechziger Jahren Experimente durch (siehe auch Ticker 2/06). Sie verabreichte Hunderten von Soldaten eine Sarin-Dosis und ließ sie dabei in dem Glauben, es handle sich um ein Erkältungsmittel. Es gab Tote und Verletzte, zahlreiche Probanden leiden noch heute an den Folgen der Menschenversuche. Lange Zeit rangen sie um Entschädigungen. Anfang 2008 hatten die ehemaligen Militärangehörigen endlich Erfolg: Die britische Regierung sicherte den noch lebenden 360 Veteranen Zahlungen von je 11.000 Euro zu und entschuldigte sich bei ihnen.

PLASTE & ELASTE

Flaute bei Kunststoffen
Die Lohnkosten in China belaufen sich auf ein Viertel der bundesrepublikanischen. Dieses Faktum und die dortigen Wachstumsraten veranlassen BAYER zu großen Investitionen in dem Land. Anfang September 2006 nahm der Konzern ein Makrolon-Werk in Caojing in Betrieb. Und so soll es weiter gehen. „Wir wollen bis 2009 jährlich eine Großanlage eröffnen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning bei der Einweihung. Da auch die Konkurrenz in ähnlichem Tempo baut, besteht die Gefahr von Überkapazitäten. Im Geschäftsjahr 2007 hat sich das schon bemerkbar gemacht. „Wir sind mit der Lage bei den Polycarbonaten wie Makrolon nicht zufrieden“, sagte BAYER-Chef Werner Wenning bei der Bilanz-Pressekonferenz im Frühjahr. Ein weiteres Rationalisierungsprogramm mit der Streichung von Arbeitsplätzen dürfte folgen.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER übernimmt SAGMEL
Der Leverkusener Multi hat von dem US-amerikanischen Pharma-Unternehmen SAGMEL das Osteuropa-Geschäft mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneien übernommen.

BAYER will das US-amerikanische Medizintechnik-Unternehmen POSSIS erwerben und hat den AktionärInnen ein Übernahme-Angebot unterbreitet (siehe auch DRUGS & PILLS), das sich auf insgesamt 250 Millionen Euro beläuft.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

TDI-Container undicht
Am 3. 3. 08 trat in Brunsbüttel aus einem Tankcontainer Toluylendiisocyanat (TDI) aus. Ein Sattelschlepper hatte im BAYER-Werk 22 Tonnen TDI geladen und zum Ostuferhafen gefahren, von wo aus die Chemikalie per Schiff ihre Reise ins Baltikum antreten sollte. HafenarbeiterInnen bemerkten jedoch die Leckage und lösten Großalarm aus. Wäre etwas mehr als ein Liter Flüssigkeit pro Stunde ausgelaufen und die Lufttemperatur höher gewesen, hätte es leicht zu einer Explosion kommen können. So aber musste nur der LKW-Fahrer zur Beobachtung ins Krankenhaus. Das musste aus denselben Gründen auch sein Kollege am 10. September 2007: 22 Tonnen TDI, Leck im Container. Und diese Geschichte dürfte sich noch so manches Mal wiederholen.

RECHT & UNBILLIG

Millionenstrafe für ASPIRIN-Deal
In 91 Prozent aller bundesdeutschen Apotheken kostete ASPIRIN exakt 4,97 Euro. Bei dieser wundersamen Art der Preisstabilität hatte BAYER nach Recherchen des Stern allerdings ein wenig nachgeholfen. Der Pharmariese gewährte den Pharmazien nämlich nur dann einen Rabatt von drei Prozent, wenn diese die „unverbindliche Preisempfehlung“ des Leverkusener Multis als verbindlich ansahen. Das rief allerdings das Bundeskartellamt auf den Plan. „Eine solche Einflussnahme auf den Verkaufspreis des Händlers durch den Hersteller ist nach nationalem und europäischem Wettbewerbsrecht verboten“ urteilte die Behörde und nahm die Ermittlungen auf (siehe auch SWB 4/07). Diese führten schließlich zu einem Bußgeldbescheid in Höhe von 10,34 Millionen Euro - fünf Prozent des Umsatzes von BAYER VITAL. Eigentlich hätten sich die KartelljägerInnen bei der Strafbemessung sogar an 30 Prozent des Umsatzes orientieren müssen, aber weil der Leverkusener Multi sich kooperativ zeigte, ließen sie Gnade vor Recht ergehen. Damit wächst die lange Liste der BAYER-Vergehen weiter. Kein Wunder, dass nach einer Umfrage des Magazins stern nur noch neun Prozent der Befragten ungebrochenes Vertrauen in die Konzern-Lenker haben!

Reifenhersteller verklagt BAYER
Das Kautschuk-Kartell, das BAYER von 1996 bis 2001 unter anderem mit SHELL und UNIPETROL bildete, hat den Leverkusener Multi neben einer Haftstrafe für zwei Verkaufsleiter 130 Millionen Dollar Buße gekostet. Nach den von der EU und den USA angestrengten Verfahren muss der Leverkusener Multi nun noch einmal auf der Anklagebank Platz nehmen. 26 Reifenhersteller, die den Kunststoff zu überhöhten Preisen abnehmen mussten, haben einen Prozess gegen BAYER & Co. angestrengt.

Sammelklagen gegen Kartell-Sünder?
Der Leverkusener Multi begeht immer wieder Kartell-Delikte (s. o.). Die Zeche für solche Absprachen zahlt der/die VerbraucherIn. Aus diesem Grund will die EU ihnen künftig die Möglichkeit geben, per Sammelklage gegen die Konzerne vorzugehen. Gleich nach Bekanntgabe der Pläne nahmen allerdings die LobbyistInnen von BAYER & Co. ihre Arbeit auf und sorgten für Schadensbegrenzung: Der Anfang April von Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes präsentierte Richtlinien-Vorschlag weicht in entscheidenen Punkten von dem ersten Entwurf ab. Und weitere Änderungen dürften folgen, um die „US-amerikanische Klage-Kultur“ nicht im alten Europa Platz greifen zu lassen.

BAYER „entbürokratisiert“ Vorschriften
Die USA haben den Unternehmen nach dem ENRON-Skandal strenge Regeln auferlegt, um sie zur Einhaltung von Recht und Gesetz zu zwingen. Diese so genannten Compliance-Regeln waren für den Leverkusener Multi, dessen kriminelle Energie in Sachen „Kartelle“ ungebrochen ist, ein wesentlicher Grund, sich im letzten Jahr wieder von der Wall Street zurückzuziehen. Und prompt kündigt BAYERs Chef-Jurist Roland Hartwig an, die konzern-internen Kontrollmechanismen aufzuweichen. „Deshalb überprüfen wir jetzt die teilweise sehr bürokratischen Compliance-Vorschriften und werden uns von Überflüssigem sicherlich verabschieden“, so Hartwig.

Schneider zum Fall „Zumwinkel“
Woran liegt es, wenn Manager wie der Postler Klaus Zumwinkel Steuerhinterziehung betreiben? An den hohen Steuersätzen und den komplizierten Vorschriften. Das zumindest meint BAYERs Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Schneider. „Steuerhinterziehung wird allgemein als Volkssport in allen Bevölkerungsschichten betrachtet. Die zu hohe Summe an Steuern und Abgaben sollte durch ein einfaches und gerechtes Steuersystem reduziert werden“, sagte er der Welt am Sonntag. Ähnlich argumentierten andere Spitzenmanager, die niemals auf die Idee kämen, die hohe Zahl der Ladendiebstähle auf das komplizierte bundesdeutsche Strafgesetz zurückzuführen. Ansonsten bemüht Schneider wieder mal die altgediente Schwarze-Schafe-Rhetorik. „Ungerechtfertigterweise wird durch solche Einzelfälle die hervorragende Arbeit der deutschen Unternehmerschaft übersehen“, bedauert der Multifunktionär. Aber nicht immer liegt er daneben: „Ich habe grundsätzlich eine gewisse Distanz zur Frage der Vorbildfunktion, egal, um welche Personen oder Gebiete es sich handelt“. Lässt man seine Jahre als BAYER-Chef Revue passieren, so ist diese Distanz mehr als berechtigt.

Mehr Klage-Möglichkeiten für AktionärInnen
Ein Gerichtsurteil hat die Rechte von AktionärInnen gestärkt. Die AnteilseignerInnen können künftig Vorstand und AufsichtsrätInnen auf Schadensersatz verklagen, wenn diese ihre Kontrollpflichten vernachlässigt haben. Dazu genügt auf den Hauptversammlungen eine einfache Mehrheit. Die Aktien-BesitzerInnen haben ebenfalls die Möglichkeit, einen „besonderen Vertreter“ mit den fälligen Ermittlungen zu beauftragen. Machtlos den Machenschaften der ManagerInnen ausgeliefert waren die AktionärInnen bisher auch nicht - zumindest theoretisch. Für in Aktiengesellschaften oder GmbHs organisierte Kriminalität sieht der Gesetzgeber nämlich die Organhaftung vor. Bei groben Verstößen sind die Aktien-HalterInnen zudem befugt, eine/n SonderprüferIn zu nominieren. Allerdings kam es in der Vergangenheit noch kaum dazu, und wegen Kartell-Vergehen und ähnlicher, von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den Hauptversammlungen immer wieder thematisierter Delikte schon gar nicht. Deshalb werden BAYER-ManagerInnen wohl auch in Zukunft nicht für krumme Geschäfte geradestehen müssen.

Umweltschadengesetz tritt in Kraft
Im November 2007 ist endlich das Umweltschadensgesetz in Kraft getreten, dessen Entwurf schon vor zwei Jahren vorlag. Bisher konnten BAYER & Co. folgenlos Umweltverschmutzung betreiben, sofern sie dabei keine klagefähigen juristischen Personen schädigten. Nunmehr ist das gesamte Ökosystem justitiabel, und Umweltverbände haben die Möglichkeit, als Anwälte von Flora und Fauna aufzutreten. Nicht zu Unrecht sieht der „Umweltexperte“ vom „Deutschen Industrie- und Handelskammertag“, Hermann Hüwels, hierin ein erhebliches „Droh- und Unruhepotential“.

BAYER verklagt JIANGSU TIAN RONG
Der Leverkusener Multi hat das chinesische Unternehmen JIANGSU TIAN RONG verklagt. BAYER wirft der Firma vor, das konzern-eigene Patent für MEFENPYR verletzt zu haben, das Agro-Giften beigemischt wird, um ihren chemischen Abbau zu beschleunigen.

78 TRASYLOL-Klagen
Nach den Berechnungen des Mediziners Denis Mangano war BAYERs Arznei TRASYLOL allein in den letzten zwei Jahren bis zum erzwungenen Vermarktungsstopp im Mai 2008 für den Tod von 22.000 PatientInnen verantwortlich (siehe auch AKTION & KRITIK). Das hat jetzt ein gerichtliches Nachspiel. 78 Klagen sind in der Sache „TRASYLOL“ bisher gegen den Leverkusener Multi anhängig.

FORSCHUNG & LEHRE

Uni Rostock als Gentech-Schmiede
Die Universität Rostock ist ein Zentrum der bundesdeutschen Forschung zur grünen Gentechnik. Eine Schlüsselposition nimmt dabei Dr. Inge Broer ein. Die Biologin, die in der Vergangenheit gemeinsam mit BAYER vier Pflanzen-Gene zum Patent anmeldete, arbeitet unermüdlich an der Durchsetzung der Risikotechnologie. Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit gründete sie den Lobbyclub „Finab“ und deren kommerziellen Ableger „Biovativ“ zur Durchführung von Freilandversuchen. Darüber hinaus gehört die Professorin zum Verbund „BioOK“, der sich dem Risiko-Management von Genweizen & Co. verschrieben hat. Zudem sitzt Broer in einem Gremium des „Bundesinstituts für Risikobewertung“ und tritt gern vor der „Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) als Expertin auf.

Kooperation mit der Uni Köln
BAYER hat eine Zusammenarbeit mit der Universität Köln vereinbart. Die „bevorzugte Partnerschaft“ umfasst unter anderem ein Teamwork bei der Entwicklung von Medikamenten und Arznei-Tests sowie die Einrichtung eines Graduierten-Programms zur Förderung junger WissenschaftlerInnen. „Die Uni-Klinik hat die Grundlagen-Forschung und die Nähe zum Patienten. Wir haben Methoden, um aus einer Idee oder einem Erfolg versprechenen Ansatz die Herstellung eines Arzneimittels zu beschleunigen“, erläutert BAYERs Froschungsvorstand Wolfgang Plischke die Synergie-Effekte, die dem Leverkusener Multi jährlich einen „soliden sechsstelligen Betrag“ wert sind. Bereits jetzt forschen der Konzern und die Universität gemeinsam an 30 Pharma-Stoffen. Sollten sich ein paar von ihnen als aussichtsreich erweisen, so können die Pillen-Partner sie gleich im uni-eigenen „Zentrum für Klinische Studien“ testen. Die NRW-Landesregierung hatte mit ihrem Hochschulmedizin-Gesetz die Bedingungen für solche „Public-Private-Partnerships“ massiv verbessert, weshalb Forschungsminister Andresas Pinkwart (FDP) es sich auch nicht nehmen ließ, der Kooperation auf der Pressekonferenz persönlich seinen Segen zu geben. „Sie ist die weitreichenste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bisher eingegangen ist“, freute sich Pinkwart. Er bezeichnete das Joint Venture als einen „großen Gewinn für die Arzneimittelforschung in Nordrhein-Westfalen“, obwohl es nur für BAYER einen Gewinn darstellt. Das Unternehmen kann nämlich die kostspielige und langwierige Grundlagenforschung ausgliedern und von den SteuerzahlerInnen finanzieren lassen, die Ernte später aber alleine einfahren.

BAYER an der Heine-Uni
Im Mai 2008 konnte BAYER an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität um Nachwuchs werben. Die „biotechnologische Studenteninitiative“ bot einem Konzern-Vertreter die Gelegenheit, in „das spannende Berufsfeld der Unternehmensberatung anhand des Inhouse Consulting bei BAYER“ einzuführen.

ChemCologne an der Heine-Uni
Der 6. Kooperationstag von ChemCologne, ein Zusammenschluss nordrhein-westfälischer Chemie-Unternehmen, fand am 29. November 2007 in Düsseldorf statt. Die dortige Heinrich-Heine-Universität hatte sich BAYER & Co. als Partner angedient und unter dem Motto „Chemie und Wirtschaft“ zu Vorträgen und Podiumsdiskussionen einladen.

BAYER im Hochschulrat
Die jüngsten Hochschulreformen haben mit dem Hochschulrat auch ein neues Selbstverwaltungsgremium geschaffen. Die Räte, welche unter anderem den Rektor wählen, sind mehrheitlich mit externen WissenschaftlerInnen und WirtschaftsvertreterInnen besetzt. StudentInnen-VertreterInnen hingegen müssen draußen bleiben. Sie würden bei dem Ansinnen, den Bildungssektor stärker auf die Steigerung des Bruttosozialprodukts zu verpflichten, auch nur stören. BAYER hingegen ist natürlich mit von der Partie. BAYER-Vorständler Richard Pott sitzt im Hochschulrat der Kölner Universität, des „Bevorzugten Partners“ des Leverkusener Multis (s. o.), und Dr. Ilka von Braun von BAYER BUSINESS SERVICES g

[Editorial] STICHWORT BAYER 02/2008

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

immer wieder werden wir gefragt: „Lohnt sich denn der ganze Aufwand? Kann man gegen einen so großen Konzern wie BAYER überhaupt etwas ausrichten?“ Ja, man kann. Konzernkritik lohnt sich – wenn man sich von Rückschlägen nicht entmutigen lässt und einen langen Atem besitzt. Denn viele Kampagnen führen erst nach Jahren oder gar Jahrzehnten zum Erfolg.

So weisen wir seit Anfang der 90er Jahre auf hormonelle Risiken von Bisphenol A (BPA) hin. BAYER ist größter Hersteller dieser Chemikalie. Obwohl 90 Prozent aller unabhängigen Studien davor warnen, dass schon kleinste Mengen BPA schädlich sein können, wird die Chemikalie auch in Babyflaschen, Lebensmittelverpackungen und Spielzeug verwendet. Nun hat erstmals eine Regierung – die von Kanada - Bisphenol A als „gefährliche Substanz“ klassifiziert. Die größten Supermarkt-Ketten des Landes zogen BPA-haltige Verpackungen und Trinkflaschen sofort aus dem Verkehr. Verbote in weiteren Ländern sind wahrscheinlich. Ein wichtiger Erfolg der Umweltbewegung, der gegen anhaltenden Widerstand von BAYER und Co. erkämpft werden musste.

Ein anderes Beispiel: Zusammen mit Imkern in mehreren Ländern weisen wir seit zehn Jahren auf die Gefahren von Pestiziden für Bienen hin. Das BAYER-Pestizid Gaucho, eines der bestverkauften Agrogifte weltweit, wurde in Frankreich nach massiven Bienensterben verboten. Auch das Nachfolgeprodukt Poncho erhielt dort keine Zulassung. In Deutschland blieben beide Präparate auf dem Markt - zu groß war der Einfluss des Unternehmens. Im Mai kam es dann zu einem großen Bienensterben am Oberrhein. In allen untersuchten Bienen wurde Poncho nachgewiesen, obwohl BAYER stets beteuert hatte, die Bienen kämen mit dem Gift gar nicht in Kontakt. Der Einsatz von Gaucho und Poncho wurde bis auf weiteres untersagt. In mehreren Ländern, die mit ähnlichen Bienensterben konfrontiert sind, werden nun ebenfalls Verbote diskutiert.

Auch der Betrieb einer hochgefährlichen Kohlenmonoxid-Pipeline quer durch NRW konnte mit vereinten Kräften bislang verhindert werden. Ursprünglich wollte BAYER die Rohrleitung schon Anfang des Jahres einweihen. Damit wäre der bisherige Konsens aufgekündigt, tödliche Gase dort zu produzieren, wo sie verwendet werden, und keinesfalls durch dichtbesiedelte Gebiete zu leiten. Der Fortgang des Projekts steht mittlerweile in den Sternen: Das Oberverwaltungsgericht hat sich weite Teile unserer Kritik zu Eigen gemacht. Die Pipeline darf nicht vor Beendigung der Klageverfahren in Betrieb gehen; bei einer Verfahrensdauer von fünf und mehr Jahren bleibt abzuwarten, ob die Leitung dann ökonomisch noch Sinn macht. Ein Gerichtstermin Mitte Juni wurde gar abgesagt, weil BAYER die notwendigen Unterlagen nicht anbringen konnte.

Diese Beispiele machen Mut. Konzerne sind nicht unantastbar, Engagement wird belohnt. Dennoch ist die Existenz der Coordination gegen BAYER-Gefahren stark gefährdet. Seit jeher erhalten wir keine offizielle Förderung, und seit drei Jahren gehen unsere Spenden-Einnahmen kontinuierlich zurück. Trotz weitgehend ehrenamtlicher Arbeit können wir aber nicht ohne eine Grundfinanzierung arbeiten.

Wir möchten dem BAYER-Konzern nicht den Gefallen tun, unsere Arbeit nach 30 Jahren beenden zu müssen. Das kann aber passieren, wenn Sie uns nicht helfen. Dabei ist Konzernkritik, wie wir sie leisten, unabdingbar. Niemand hat einen so grundsätzlichen Ansatz wie wir. Lassen Sie es nicht zu, dass wir handlungsunfähig werden. Bitte helfen Sie mit, die Coordination gegen BAYER-Gefahren zu retten. Unterstützen Sie uns mit einer Spende oder mit Ihrer Mitgliedschaft. Wir vertrauen auf Ihre Hilfe.

Herzliche Grüße, Ihr

Philipp Mimkes

Philipp Mimkes, 41, ist Physiker und Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren

[Bienensterben] STICHWORT BAYER 02/2008

CBG Redaktion

Nach massivem Bienensterben:

PONCHO im einstweiligen Ruhestand

Der Tod kam mit der Mais-Aussaat: Kurz nachdem die LandwirtInnen ihr mit dem BAYER-Pestizid Clothianidin gebeiztes Saatgut ausgebracht hatten, setzte ein großes Bienensterben ein. Das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) reagierte zunächst abwartend, rang sich dann aber doch dazu durch, PONCHO und anderen Saatgutbehandlungsmitteln vorerst die Zulassung zu entziehen.

Von Jan Pehrke

„Dass Clothianidin für unsere Bienen zu einer großen Gefahr werden wird“, sagte Manfred Hederer schon im Juli 2006 voraus. Der Präsident des „Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes“ (DBIB) übte damals in einem Offenen Brief an Hans-Gerd Nolting vom „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ scharfe Kritik an der Zulassung, die seiner Ansicht nach auf fragwürdigen Studien zur Bienengefährlichkeit des Pestizides und falschen BAYER-Angaben zur Halbwertzeit beruhte. Aber die zuständigen Behörden ließen sich von ihrem Votum nicht abbringen. Clothianidin sei zwar im Prinzip Gift für Bienen, aber das Saatgut-Beizmittel bleibe ja unter der Erde und komme nicht direkt mit den Tieren in Kontakt, argumentierten die Verantwortlichen. Ihre französischen KollegInnen sahen das anders: Sie erteilten der unter dem Namen PONCHO vermarkteten chemischen Keule keine Genehmigung.

Eine weise Entscheidung, wie sich bald herausstellen sollte, denn hierzulande trat genau das ein, was Hederer befürchtet hatte. Unmittelbar nach der Mais-Aussaat setzte im Frühjahr 2008 ein großes Bienensterben ein. Da die LandwirtInnen auf Fruchtfolgen verzichten und nur auf schadinsekten-anfällige Mais-Monokulturen setzen, kam dieses Mal wegen des hohen Maiswurzelbohrer-Aufkommens eine Extraportion Clothianidin-Saatgutbeize zum Einsatz. Die Sämaschinen wirbelten gehörig Staub auf, und der Wind verwehte das Gift auf Rapsfelder, Blumenwiesen und Wasserpfützen, wo der direkte Kontakt mit den Insekten dann eben doch zustande kam. Dieser führte sogleich zu einem Massensterben. Millionen Bienen verendeten; die ZüchterInnen verloren ein Viertel ihrer Bestände. „Jeden Morgen liegen massenhaft Tote vor den Fluglöchern“, klagte etwa DBIB-Vize Christoph Koch. Wie Schnee in der Sonne sah er seine Völker dahinschmelzen, weshalb er von einem „imkerlichen Tschernobyl“ sprach.

In Italien, wo die Maisaussaat wegen des milderen Klimas schon einige Wochen vorher begann, trat der Super-GAU entsprechend früher ein. Und das elsässische Veterinäramt riet den BienenzüchterInnen schon zu Frühjahrsbeginn eindringlich, einen weiten Bogen um Maisfelder zu machen, da zahlreiche LandwirtInnen über den kleinen Grenzverkehr das verbotene PONCHO ins Land geschmuggelt hatten. Aber weder die Geschehnisse in Italien oder die Warnungen des elsässischen Veterinäramts noch die Demonstrationen der dortigen ImkerInnen bewogen die bundesdeutschen Behörden dazu, Vorsorgemaßnahmen zu treffen.

So traf die Sterbewelle die hiesigen BienenhalterInnen wie ein Schock. Bei den Verbandsorganisationen liefen die Telefone heiß. „Bei uns ist die Hölle los“, berichtete Manfred Hederer Stichwort BAYER. Auch die Politik kam langsam auf Touren. Landwirtschaftsminister Horst Seehofer ließ sich von DBIB-VertreterInnen das ganze Ausmaß der Katastrophe schildern, während sein baden-württembergischer Kollege Peter Haug Verantwortliche von BAYER und die Kulturpflanzen-WissenschaftlerInnen des „Julius-Kühn-Instituts“ zu einem Krisengespräch vorlud. Im Stuttgarter Landtag mussten Haug und seine RegierungskollegInnen die Anfrage der Grünen beantworten, wie die Landesregierung die von dem BAYER-Pestizid ausgehende Gefahr für die menschliche Gesundheit einschätze, warum sie nach den Vorgängen in Italien und Frankreich nicht schneller reagiert habe und wieviele Schadensersatz-Klagen den Gerichten bereits vorlägen.

Die Bundesgrünen traten indessen für einen unverzüglichen Verkaufsstopp von PONCHO ein, denn die Beweislast war erdrückend. „In allen 15 bisher untersuchten Proben verendeter Bienen ist Clothianidin gefunden worden“, so Manfred Hederer in der am 16.5. von DBIB und COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam veröffentlichten Presseerklärung. Aber das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) zeigte sich vorerst uneinsichtig. „Diese ersten Analyse-Ergebnisse reichen jedoch nicht für eine abschließende Beurteilung aus, ob die Bienenvölker durch die Kontamination mit Clothianidin geschädigt wurden“, teilte die Bundesbehörde GREENPEACE mit. Das BVL wollte noch die Untersuchungen des Julius-Kühn-Institutes abwarten, weshalb es sich mit seinen anempfohlenen Sofortmaßnahmen nur an die ImkerInnen und die LandwirtInnen wendete. Erstere sollten Maisäcker möglichst meiden und zweitere Sämaschinen verwenden, welche die Abluft in den Boden statt in die Luft leiten können. „Damit wird das Verursacherprinzip geradezu ad absurdum geführt, empörte sich der GREENPEACEler Manfred Krautter.

Aber er konnte sich bald wieder abregen. „Mit Clothianidin gebeiztes Saatgut ist nach Untersuchungen des Julius-Kühn-Instituts Ursache für aktuelle Bienenschäden in Baden-Würtemberg“, hieß es in der Pressemitteilung der Braunschweiger Forschungseinrichtung. Daraufhin ordnete das BVL das Ruhen der Zulassung für die BAYER-Beizen PONCHO, CHINOOK, FAIBEL, ELADO, MESUROL FLÜSSIG und ANTARC sowie zwei SYNGENTA-Saatgutbehandlungsmittel an. Dabei handelte es sich nicht nur um Chemikalien mit der Wirksubstanz Clothianidin, auch Mittel mit solchen Inhaltsstoffen wie Cyfluthrin, Imidacloprid und Methiocarb zogen die Verbraucherschützer bis auf Weiteres aus dem Verkehr. Nach einer fast schon zehn Jahre währenden Kritik an der Bienengefährlichkeit von PONCHO & Co., nach unzähligen Demonstrationen von ImkerInnen in ganz Europa, nach zahlreichen Studien zur verheerenden Wirkung der Gifte und nach Protestreden von BienenzüchterInnen auf den BAYER-Hauptversammlungen haben sich die zuständigen Stellen damit nun endlich zu einem konsequenten Handeln entschlossen.

Der Leverkusener Multi reagierte wie immer in solchen Fällen und stand in Treue fest zu seinen Produkten. Nicht etwa das Beizmittel an sich, sondern einige fehlerhaft behandelte Saatgut-Partien haben nach Ansicht des Konzerns nämlich in Tateinheit mit falsch konstruierten Sämaschinen, Trockenheit und starken Winden zu den „Bienenverlusten“ geführt. Deshalb ist für den Konzern alles halb so wild. „Anders als das Ministerium sind wir der Ansicht, dass es eine schnelle technische Lösung geben kann, ohne dass es einer Aussetzung der Zulassung bedurft hätte“, erklärte BAYER-CROPSCIENCE-Sprecher Utz Klage. Gemeinsam mit den Herstellern von Sämaschinen will BAYER eine solche erarbeiten. Zudem kündigte das Unternehmen an, ein Zertifizierungssystem zu schaffen, das für mehr Qualitätskontrolle bei der Produktion von PONCHO & Co. sorgt.

Das Julius-Kühn-Institut hat der Agro-Riese mit diesen Zusicherungen, mit denen er seine immensen Beizmittel-Gewinne - allein PONCHO kam 2007 weltweit auf einen Umsatz von 237 Millionen Euro - zu retten gedenkt, nicht von seiner Entscheidung abhalten können. Ob es die inkriminierten Saatgutbehandlungsmittel allerdings für immer auf die Schwarze Liste setzt, bleibt abzuwarten. Die Braunschweiger WissenschaftlerInnen betreiben nämlich selber keine Ursachenforschung. Deshalb besteht die Gefahr, dass sie der BAYER-Interpretation folgen, es habe sich bei dem Bienensterben um einen Ausnahmefall gehandelt, der im nächsten Jahr durch die angekündigten Vorsorgemaßnahmen zu verhindern wäre, zumal es in den betroffenen Regionen aufgrund des massiven Auftretens des Maiswurzelbohrers auch eine Ausnahmegenehmigung für ein besonders hoch dosiertes PONCHO gab. Mit PONCHO im Normalzustand und ein paar „technischen Lösungen“ würde dann die Maissaison 2009 beginnen - und für die Bienen der „Tod im Maisfeld“ weitergehen.

PONCHO & Co. können sich also berechtigte Hoffnungen auf einen „zweiten Frühling“ machen. Dabei müssten eigentlich nicht nur diese Saatgutbehandlungsmittel, sondern noch viele andere Agrochemikalien wie z. B. BAYERs berühmt-berüchtigtes GAUCHO für immer und ewig von den Feldern verschwinden, denn auch diese Agro-Gifte stellen für die Bienen eine tödliche Gefahr dar. Und nicht nur für sie: Ein ganzes Ökosystem droht mit Verschwinden der Immen aus dem Gleichgewicht zu geraten. Die Brummer bestäuben nämlich 80 Prozent aller Nutzpflanzen. In der Rheinebene tauchten sie diesmal zur Kirschblüte schon nicht mehr auf, auch Pflaumen und Zwetschgen warteten vergeblich auf ihren Besuch. „Katastrophale Aussichten für die entsprechenden Ernten“, kommentierte die Badische Zeitung.

Die Artgenossen der Bienen machten sich dagegen weitgehend unbemerkt vom Acker. „Andere Insekten sterben halt still“, weiß der Landesvorsitzende der badischen Imker, Ekkehard Hülsmann. Sogar Vögeln setzen die Ackergifte schwer zu. „Täglich erreichen uns fünf bis zehn Anrufe, dass Jungvögel apathisch an der Straße sitzen und nicht vor Autos flüchten“, sagte Monika Erlacher von der TIERHILFS- UND RETTUNGSORGANISATION der Mittelbadischen Presse, und andere Badener berichteten den JournalistInnen von Krähen, die „wie besoffen auf der Straße herumtorkeln“. Nicht einmal die menschliche Konstitution ist den Agrochemikalien gewachsen. Ein Imker, der seine eigenen Pollen vor dem Verkauf probierte, erlitt Darmblutungen und will nun eine Strafanzeige wegen Körperverletzung stellen. Er gehört damit zu den mindestens drei Millionen Vergiftungsopfern, welche die pestizid-bewehrte „grüne Revolution“ nach Berechnungen der Weltgesundheitsorganisation WHO alljährlich fordert.

Für Mensch, Tier und Umwelt gleichermaßen bedrohlich, wächst der Markt für Ackergifte gleichwohl beständig. Um sechs Prozent auf 5,8 Milliarden Euro stieg der BAYER-Umsatz mit den Chemikalien im Geschäftsjahr 2007 und der für PONCHO noch um mehr als ein paar Prozente mehr. „Den weltweiten Umsatz von PONCHO konnten wir nahezu verdoppeln“, jubiliert der letzte Geschäftsbericht. Da fällt es leicht, die Portokasse ein wenig zu öffnen, und den betroffenen ImkerInnen Geld für ihre Verluste anzubieten. Umso mehr, als BAYER damit kein Schuldeingeständnis verbunden sehen will. „Die unbürokratische Hilfe erfolgt auf freiwilliger Basis, während die Klärung des Sachverhaltes noch andauert“, heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung.

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[Hunger] STICHWORT BAYER 02/2008

CBG Redaktion

Leere Mägen, volle Kassen

Im Frühjahr brach eine Ernährungskrise aus. Die Preise für Grundnahrungsmittel stiegen exorbitant, in zahlreichen Ländern kam es zu Brotrevolten, auf Haiti stürzte darüber sogar die Regierung. Aus der Perspektive des zweitgrößten Agro-Riesen der Welt stellt sich die Lage freilich ein wenig anders dar. „Insgesamt profitierte das Pflanzenschutzgeschäft von den positiven Rahmenbedingungen auf den Weltagrarmärkten“, vermeldete BAYER-Chef Werner Wenning auf der Jahreshauptversammlung des Konzerns am 25. April. Sorge um das tägliche Brot auf der einen Seite, profitable Rahmenbedingungen auf der anderen Seite - der Kapitalismus macht‚s möglich.

„Wir haben Hunger“ und „Das Leben ist zu teuer, ihr bringt uns um“ - unter diesen Rufen zogen Anfang April 1.500 Frauen aus den Armenquartieren Abidjans, der ehemaligen Hauptstadt der Elfenbeinküste, zur Residenz des Präsidenten Laurent Gbagbo. Zu ähnlichen Brotrevolten kam es in Ägypten, Burkina Faso, Bangladesh, Pakistan, Thailand, Honduras, Indonesien, Kamerun, Marokko, Mexiko und im Jemen. Auf Haiti stürzte darüber sogar der Premierminister Jacques-Édouard Alexis. „Wenn die Regierung die Lebenshaltungskosten nicht senken kann, muss sie eben gehen. Wenn die Polizei und die UN-Truppen auf uns schießen wollen, macht das auch nichts, denn wenn wir nicht von den Kugeln getötet werden, verhungern wir“, mit diesen Worten brachte ein Demonstrant in Port-au-Prince den Mut der Verzweiflung zum Ausdruck, der ihn auf die Straße getrieben hatte.

Hunger global
Innerhalb einer Woche hatten sich auf der Karibik-Insel die Preise für Reis verdoppelt. So war das Grundnahrungsmittel für Tausende Menschen unerschwinglich geworden, sie mussten sich aus Lehm, Wasser, Öl und Salz kleine Kuchen backen, um zu überleben. In Thailand kostete die Tonne Reis, die 2003 noch für 198 Dollar zu haben war und im letzten Jahr für 323, plötzlich 1.000 Dollar. Bei Molkereiprodukten, Weizen und anderen Getreidearten sah es auf den Weltmärkten nicht besser aus. Nach Angaben der Weltbank stieg der Preis für Weizen binnen der letzten drei Jahre um 181 Prozent. Die Kosten für Lebensmittel insgesamt erhöhten sich um 83 Prozent. Und sinken dürften sie allzu bald auch nicht wieder. Die Welternährungsorganisation FAO erwartet bis 2017 Teuerungsraten von zehn bis fünfzig Prozent, und die Ökonomen sprechen bereits vom Phänomen der „Agflation“.
„Das Ungeheuer, das die politische Bühne betreten hat“, wie Finanzminister Peer Steinbrück es ausdrückte, wird also so schnell nicht wieder abtreten. Das Monster hat seine Karriere auch nicht erst in diesem Jahr begonnen. Schon 1972/73, 1979/80, 1984, 1988, 1989, 1990 und 1995/96 hatte es in vielen Ländern für Angst und Schrecken gesorgt. Es brauchte jeweils nicht viel, um das Biest hervorzulocken, denn das Horrorszenario, das sich mit der in den 70er Jahren einsetzenden Globalisierung der Agrarmärkte eröffnete, bot immer wieder reichlich Stoff.
Seither kommen 80 Prozent des Weizens und 85 Prozent des Reises aus gerade einmal sechs Ländern, drei Staaten produzieren 70 Prozent des Korns. Das Mittel, mit dem die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) Südamerika, Afrika und Asien zu Beginn der achtziger Jahre komplett diesem Weltmarkt auslieferten, hieß „Strukturanpassungsprogramm“. Die Finanzinstitutionen vergaben ihre Kredite nur noch unter der Maßgabe, die billigen, weil hoch subventionierten Ackerfrüchte aus dem Norden zu Minimalzöllen die Grenzen überschreiten zu lassen. In der Folge gaben viele KleinfarmerInnen ihre Höfe auf und zogen in die Elendsgürtel der großen Städte. Sie machten dann Platz für die export-orientierten Agroindustrien einiger Großgrundbesitzer, die keine Nahrungsmittelgrundstoffe, sondern vernehmlich Mais und Soja für die Massentierhaltung herstellten. Immer weniger Menschen hatten so die Möglichkeit zur Selbstversorgung. Die von der Weltbank im Rahmen der Implementierung des Neoliberalismus eingeforderte Kürzung der Subventionen für Lebensmittel tat ein Übriges, um den Kampf ums täglich Brot schwieriger und schwieriger zu gestalten.
Und wenn die Kurse auf Getreidebörsen in den USA dann einmal nach oben ausschlugen und die Nahrungsmittelimporte sich verteuerten, geriet dieser zu einem schier unmöglichen Unterfangen. Als „einen ökonomischen Totalitarismus, der nicht mit Kugeln, sondern mit Hunger tötet“, bezeichnete der von 1989 bis 1993 als Präsident Venezuelas amtierende Carlos Andrés Péres deshalb diese Politik des IWF.
Länder, die sich diesem Regime nicht beugten wie etwa Mali, konnten die Auswirkungen der jüngsten Ernährungskrise eindämmen. Die LandwirtInnen sahen wegen des Preisverfalls für Baumwolle davon ab, weiterhin Grundstoffe für die globale Textilindustrie herzustellen und pflanzten stattdessen rote Hirse und Mais an. Zusammen mit dem von der Regierung vorangetriebenen Reis-Anbau sicherte das einigermaßen die Versorgung der Bevölkerung mit dem Lebensnotwendigsten. In anderen Staaten hingegen wütete das Ungeheuer ungebändigt, dieses Mal genährt vom hohen Ölpreis, Missernten infolge des Klimawandels, Chinas gesteigertem Appetit auf Fleisch, Finanzspekulationen auf eine noch größere Knappheit und dem Agrosprit-Boom, der immer weniger Anbaufläche für Nahrungsmittelgrundstoffe übrig lässt.

Krisengewinnler BAYER
BAYER gruselt dabei als Global Player des Agrobusiness kräftig mit. Die Chemikalien, die der Multi für die Landwirtschaftsindustrie mit ihren cash crops herstellt, basieren nämlich auf dem Grundstoff Öl und haben so einen Anteil am Preisanstieg für landwirtschaftliche Produkte. Zum Klimawandel steuert der Konzern jährlich ein Scherflein von 8,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid bei (4,4 Mio. aus eigener Produktion zuzüglich 3,9 Mio. aus derjenigen seiner Energie-Lieferanten) und den Flächenfraß durch den Agrosprit-Boom treibt er direkt mit seinem Jatropha-Pflanzen-Projekt in Tateinheit mit Daimler und indirekt durch sein maßgeschneidertes, besonders viel Tankfüllung produzierendes Saatgut an.
Dementsprechend treiben einem die Verlautbarungen des Leverkusener Multis zu seiner Geschäftstätigkeit Schauer über den Rücken. „Wir konnten an der positiven Entwicklung der Welt-Agrarmärkte partizipieren“, vermeldete der „1. Quartalsbericht 2008“. Und auf der letzten Hauptversammlung in den Kölner Messehallen erklärte BAYERs Vorstandsvorsitzender Werner Wenning seinen AktionärInnen genauer, warum der Hunger infolge der verteuerten Lebensmittel so profitabel für das Unternehmen ist. „Die Landwirte können höhere Preise für ihre Erzeugnisse, also für Nahrungsmittel, Futter und Pflanzen als alternative Energiequellen, erzielen. Das ermöglicht es ihnen, stärker in innovative Pflanzenschutzprodukte - und auch höherwertiges Saatgut - zu investieren“. Und BAYER-CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer freut sich ebenfalls über die „Knappheitspreise“, die endlich wieder eine freie Marktpreis-Bildung ohne Quoten, Subventionen und Interventionen ermöglichten und sich nur an den internationalen Rohstoffbörsen orientierten - für ihn eine „stille Agrarrevolution“.
Im letzten Geschäftsbericht hat diese schon ihre Spuren hinterlassen. „In Südamerika entwickelten sich unsere neuen Produkte CropStar in Mais und Atento in Sojabohnen sehr erfreulich“, hieß es dort. Auf den Feldern selber hält derzeit noch MONSANTO mit seinen Gentech-Pflanzen die Monopolstellung. Aber der Leverkusener Multi verbessert seine Marktposition kontinuierlich, da sich die Monokulturen mit den Hochertragssorten des US-amerikanischen Konkurrenten anfällig zeigen. Die Unkräuter haben sich nämlich mittlerweile an den Wirkstoff Glyphosate, gegen den Mais und Soja made by MONSANTO resistent sind, gewöhnt und trotzen der chemischen Keule. Deshalb sah sich MONSANTO zu einem Deal mit BAYER gezwungen: Die Firma erwarb eine Lizenz für die Liberty-Link-Technologie des bundesdeutschen Agroriesen und hofft nun, die Wildgräser mit einem Liberty/Glyphosate-Doppelpack am „unerlaubten“ Wachstum zu hindern.
Die Kooperation mit MONSANTO bietet für BAYER CROPSCIENCE die Chance einer stärkeren Penetration des LibertyLink-Systems in Mais und Soja und eröffnet uns gleichzeitig ein erhebliches Potenzial an Lizenzeinnahmen und Umsatzbeiträgen aus dem Absatz unseres Totalherbizids Liberty„, konstatiert Berschauer. Mit den Unternehmen MERTEC und M.S. TECHNOLOGIES entwickelt der Global Player nach dem selben Prinzip eine multi-resistente Soja-Pflanze. Damit der Konzern nun aber nicht alle Einkünfte aus den Geschäften rund um die cash crops teilen muss, plant er auch eine eigene Liberty-Link-Sojalinie.

Agro-Sprit
Besonders der Agro-Sprit sorgt für BAYER-Profit. “Vom starken Ausbau der Maisanbauflächen in den USA im Zuge des Biokraftstoff-Booms profitieren wir durch unser Saatgutbehandlungsmittel Poncho„, führte der BAYER-CROPSCIENCE-Chef auf der Jahrespressekonferenz der Landwirtschaftssparte aus. Aber nicht nur der Absatz des Bienenkillers und derjenige anderer Pestizide erhöhte sich durch die Treibstoff-Pflanzen. Auch der Umsatz mit dem genmanipulierten Raps-Saatgut Invigor, das hybrid ist und sich deshalb nicht für eine Wiederaussaat eignet, stieg. Der Leverkusener Multi hat den Biosprit-Baronen sogar schon genau ausgerechnet, welche Wettbewerbsvorteile ihnen der BAYER-Raps bietet. “So lassen sich mit Hilfe von Invigor rund 190 Liter mehr Biodiesel pro Hektar herstellen als aus normalem Hybridsaatgut„, verspricht Berschauer. Er hat sogar schon die Marktforschung bemüht, um genau zu eruieren, wieviel Geld das neue Marktsegment in die Kassen spülen wird. “Bis zum Jahr 2015 sehen wir hier ein Marktvolumen von mehr als vier Milliarden Euro„, sagte Berschauer auf der Bilanz-Pressekonferenz.
Dabei sind dem Multi die Nebenwirkungen des Agrosprit-Booms nicht ganz entgangen. “Natürlich sehen wir auch den drohenden Konflikt zwischen dem Anbau von Nahrungsmitteln und von Pflanzen für Biokraftstoffe„, räumte Wenning in Köln ein. Aber BAYER hat da einen Vorschlag zur Güte: die Jatropha-Pflanze. Sehr öl-haltig und anspruchslos auch auf so genannten Grenzertragsböden gedeihend, hält der Agro-Riese dieses Gewächs für geeignet, die Flächenkonkurrenz nicht weiter zu befeuern. Dafür befeuert BAYER sogar die Konkurrenz im eigenen Hause. Versuchte Berschauer auf der Jahrespressekonferenz noch, das Rapssaatgut Invigor als ergiebige Ölquelle zu verkaufen, so kritisierte sein Pressesprecher Utz Klages die Degradierung einer so hochwertigen Nahrungspflanze zur Tankfüllung, um den Segen von Jatropha zu preisen.
Der Wirklichkeit halten seine Reden allerdings nicht stand. In Indien beispielsweise wächst Jatropha nicht auf Ackerbrachen, sondern auf Gemeinschaftsland, auf dem die Menschen Früchte, Nüsse, Medizinal- und Futterpflanzen anbauen.
BAYERs weitere Vorschläge zur Bewältigung der Hungerkatastrophe erweisen sich als ebenso wenig hilfreich. So falsch wie die Diagnose - Überbevölkerung nannte Werner Wenning auf der Hauptversammlung als Grund - ist die Therapie, welche die Manager vorschlagen.
Direktzahlungen an die Bedürftigten“ empfiehlt Berschauer und setzt wie sein Chef Wenning auf noch ertragreichere und widerstandsfähigere Sorten sowie noch wirksamere Pestizide. Zudem hoffen die beiden, dass ihr ungeliebtes Kind als Krisengewinnler aus dem Nahrungsmittel-GAU hervorgeht. „Vor den Chancen der Gentechnik dürfen wir in Europa nicht weiter die Augen verschließen“, forderte der oberste CROPSCIENCEler in einem Interview mit der Welt. Alles soll also weiter seinen kapitalistischen Gang gehen, nur noch ein bisschen schneller, wenn‘s geht.

Farmer-Protest
Darum sehen die Betroffenen BAYER auch nicht als Teil der Lösung, sondern als Teil des Problems. So initiierte VIA CAMPESINA, die internationale Organisation der KleinfarmerInnen, am 17. April in Argentinien eine Kundgebung für Nahrungsmittelsouveränität und eine indigene Landwirtschaft und gegen das globale Agro-Business. Die LandwirtInnen protestierten gegen den immer raumgreifenderen Anbau von Soja, der zu einer Vertreibung der Kleinbauern und -bäuerinnen sowie zur Zerstörung riesiger Waldgebiete führt, Nahrungsmittel zu einer teuren Mangelware macht und die Gesundheit ihrer Kinder durch den massiven Einsatz von Pestiziden zerstört. Deshalb endet ihr Aufruf mit den Worten: „Die FarmerInnen werden ihren Kampf gegen dieses Modell, seine politischen Gewährsleute und Multis wie CARGILL, SYNGENTA, MONSANTO und BAYER fortsetzen“.
Und VIA CAMPENSINA tat das auch vor Ort in Leverkusen. Die Vereinigung beteiligte sich an der Demonstration, die am 17. Mai im Rahmen der Gegenaktivitäten zum Bonner Biodiversitätskonferenz am Stammsitz von BAYER stattfand. „Agrarreformen“ und „Nahrungssouveränität“ forderten die InderInnen, ArgentinierInnen und MexikanerInnen auf ihren Transparenten ein, und der VIA-CAMPENSINA-Sprecher José Oviedo konfrontierte den Konzern in seinem Kundgebungsrede konkret mit den verheerenden Auswirkungen seiner Geschäftspolitik in den Ländern des Südens.
Beistand bekam VIA CAMPENSINA vom jüngsten Bericht des 2002 von der Welternährungsorganisation FAO und der Weltbank gegründeten Weltagrarrats. In der Pressemitteilung zur Vorstellung des Rapportes, an dem 400 ExpertInnen von Universitäten, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen mitwirkten, lautet gleich der erste Satz: „Die Art und Weise, wie die Welt ihre Nahrung produziert, muss sich radikal ändern, um den Bedürfnissen der Armen und Hungernden gerechter zu werden, wenn sie sich den Herausforderungen “Bevölkerungswachstum„ und “Klimawandel„ stellen will, ohne soziale Verwerfungen und einen Umweltkollaps zu riskieren.“ Ein „Business as usual“ kann für die AutorInnen nicht länger eine Option sein, zu viele Flurschäden hat der agroindustrielle Komplex verursacht: unfruchtbarere Böden und Schäden für Mensch, Tier und Umwelt infolge der Überdosis Chemie, eine Zunahme der Pflanzenkrankheiten durch die intensive Landwirtschaft und einen Ausschluss kleinerer Betriebe vom Weltmarkt.
Aber die Agrarwende, wie der Bericht sie fordert, findet auf jeden Fall ohne den Leverkusener Multi statt. Er hat ebenso wie MONSANTO seine WissenschaftlerInnen kurz vor der Fertigstellung der Expertise abberufen und nach Hause beordert. Auf die Umsätze, welche die politische Ökonomie des Hungers dem Konzern beschert, mögen die BAYER-Manager nicht verzichten.
Von Jan Pehrke

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[Demo Leverkusen] STICHWORT BAYER 02/2008

CBG Redaktion

Proteste in Leverkusen

BAYER versus Artenvielfalt

Als einer der größten Pestizid-, Gentechnik- und Saatgut-Konzerne der Welt gefährdet BAYER massiv die Artenvielfalt. Auf der Bonner UN-Konferenz zur Biodiversität tat der Konzern alles dafür, um diesen Raubbau an der Natur weiter fortsetzen zu können. KleinbauerInnen-Organisationen, UmweltschützerInnen und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestierten dagegen.

Von der SWB-Redaktion

Pestizide von BAYER gefährden massiv die Biodiversität: Böden und Gewässer werden vergiftet, Pflanzen- und Tierarten ausgerottet, das ökologische Gleichgewicht wird durch pestizidresistente Schädlinge gestört. Das Gen-Sortiment des Konzerns stellt ebenfalls eine Bedrohung der Artenvielfalt dar. Für seinen gegen das Herbizid LIBERTY resistenten Reis hat der Multi bei der EU bereits eine Importzulassung beantragt. Der großflächige Anbau dieses LL-Reises in Asien würde unweigerlich zur Kontamination und Verdrängung traditioneller Sorten führen. Hierdurch würde langfristig die Ernährungssicherheit gefährdet. Während die LandwirtInnen ihr Saatgut bislang durch Tausch und Eigenzüchtungen selbst produzieren, würden sie künftig wegen des Patentschutzes in Abhängigkeit der Saatgut-Unternehmen geraten.
Gen-Reis von BAYER war auch für den bislang größten Kontaminations-Skandal verantwortlich: Im Jahr 2006 kam die herbizidresistente Sorte LL601 weltweit in den Handel – ohne Zulassung und ohne Kenntnis der Risiken für die VerbraucherInnen. US-Amerikanischen Farmern entstand ein Schaden von über einer Milliarde Dollar. BAYER führt die Verunreinigungen auf „höhere Gewalt“ zurück und lehnt eine Entschädigung ab. In Australien und in der Bundesrepublik sorgte derweil Raps made by BAYER für einen Gen-GAU. Trotzdem arbeitet der Agro-Riese schon an der nächsten Generation der Laborfrüchte: dem Terminator-Saatgut. Dabei handelt es sich um eine Technologie, welche die Pflanzen unfruchtbar macht. Dies soll verhindern, dass LandwirtInnen einen Teil ihrer Ernte aufbewahren und im folgenden Jahr als Saatgut verwenden. BAYER und Co. versuchen hartnäckig, das bestehende Moratorium für Terminatorpflanzen zu kippen.
Auch im Bereich „Agrardiesel“ ist BAYER aktiv. Der Konzern will sowohl aus Raps wie auch aus der tropischen Pflanze Jatropha Agrosprit gewinnen. Im Fall von Raps drohen große Monokulturen und ein hoher Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden. Jatropha lässt sich laut BAYER auf „Grenzertragsböden in tropischen und subtropischen Ländern anbauen“, die sich nicht für die Produktion von Nahrungsmitteln eignen. Tatsächlich werden diese Flächen jedoch intensiv genutzt, z. B. als Weideland. Nach Angaben der Welternährungsorganisation sind solche Ressourcen für Ernährung und Gesundheit der ärmsten Teile der ländlichen Bevölkerung lebensnotwendig. In Indien kam es schon zu Vertreibung Landloser von solchem „Brachland“. Ein großflächiger Jatropha-Anbau würde Naturlandschaften zerstören, Kleinbauern und -bäuerinnen vertreiben und zu mehr Hungertoten führen.
Auf einer von der UNO veranstalteten Konferenz zur Wüstenbekämpfung sammelte BAYER von den teilnehmenden Ländern Unterschriften zum Jatropha-Anbau ein. Auch sonst tut der Leverkusener Multi alles, damit die Umweltpolitik der Vereinten Nationen seinen Aktionsradius nicht hemmt. So hievte er seine Managerin Annik Dollacker auf den Posten der Co-Leiterin der „Task Force Biodiversität“. Diese Arbeitsgruppe der internationalen Handelskammer ICC beschäftigt sich nach Selbstauskunft im Allgemeinen „mit allen Aspekten der Biodiversitätskonvention (CBD) der Vereinten Nationen, bei denen die Wirtschaft betroffen ist“, und im Besonderen mit der Bonner Konferenz zur Artenvielfalt. „Ein Schwerpunkt der Task Force wird die Begleitung der 9. Vertragsstaatenkonferenz zur Konvention über die biologische Vielfalt sein, die in Bonn vom 19. - 30. Mai 2008 stattfindet“, so die ICC. Diese „Begleitung“ hatte dann unter anderem zur Folge, dass es in Bonn zu keiner verbindlichen Regelung über die Frage der Haftung bei Verunreinigungen durch Gen-Pflanzen kam. Die führenden Saatguthersteller wie MONSANTO, DUPONT, SYNGENTA oder BAYER CROPSCIENCE könnten weiter beliebig mit der Gentechnik verfahren, beklagte sich daraufhin der GREENPEACEler Martin Kaiser laut Frankfurter Rundschau.
Aber wo die Gefahr wächst, da wächst das Rettende auch. Es war nämlich nicht nur BAYER in Bonn vor Ort. Kleinbauern und -bäuerinnen, UmweltschützerInnen und AktivistInnen aus aller Herren Länder reisten nach Deutschland, um für eine Agrarwende zu streiten. Sie besuchten „Planet Diversity“, den Gegenkongress zum UN-Meeting, nahmen am 12. Mai an der Demonstration zur Artenvielfalt teil und hatten sogar einen Lokaltermin bei BAYER.
Hundert Menschen machen sich am 17. Mai von Bonn aus nach Leverkusen auf. Mit Straßentheater, Demo-Ballett und kunstvoll gestalteten Figuren machten sie ihrem Unmut über die Geschäftspolitik des Agro-Multis Luft. „Wir protestieren gegen BAYERs Lobby-Anstrengungen, die Patentgesetze noch härter zu machen. Wir erlauben es nicht, unsere genetischen Ressourcen zu privatisieren“, skandierten Mitglieder der internationalen FarmerInnen-Organisation VIA CAMPESINA. Und ihr Sprecher José Oviedo erklärte in seiner Rede: „Agrogifte und gentechnisch veränderte Pflanzen, die von BAYER über die Welt gebracht werde, zerstören die lokalen Gemeinschaften, die seit Jahrhunderten Biodiversität geschaffen haben. Wenn wir Biodiversität erhalten wollen, müssen wir BAYER und ähnliche Firmen stoppen“. Petra Buhr vom NETZWERK FREIES WISSEN pflichtete ihm bei und kritisierte in ihrem Beitrag vor allem die Forschung des Leverkusener Multi zur Terminator-Technologie. Axel Köhler-Schnura schrieb derweil das „Schwarzbuch BAYER“ weiter: „Produkte von BAYER sind für Todesfälle in aller Welt verantwortlich – von hochtoxischen Pestiziden bis hin zu gefährlichen Pharmaprodukten“. Und zum Schluss gab die versammelte Schar BAYER alles schriftlich: Die AktivistInnen überreichten dem Multi einen Offenen Brief mit dem ganzen Sündenregister.

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[Pestizide] STICHWORT BAYER 02/2008

CBG Redaktion

Fähren als Agrogift-Transporter

Die Pest an Bord

Am 21. Juni dieses Jahres geriet das philippinische Schiff „Princess of the Stars“ in den Wirbelsturm „Frank“ und sank. 800 Menschen starben. Bei den Bergungsarbeiten stießen die ArbeiterInnen zu allem Unglück auch noch auf Massen von BAYER-Pestiziden, obwohl die staatlichen Behörden einen solchen Transport auf Fähren untersagen.

Von Philipp Mimkes

Die Philippinen hatten sich von dem Schock über den Verlust von 800 Menschenleben nach dem Kentern der Fähre „Princess of the Stars“, das in den Wirbelsturm „Frank“ geraten war, noch nicht ganz erholt, da versetzte sie ein Fund bei der Bergung erneut in Schrecken: Das Schiff hatte 10 Tonnen Endosulfan sowie Ackergifte des Leverkusener Multis geladen. Die Arbeiten mussten sofort unterbrochen werden, zu groß war das Risiko, dass die Agrochemikalien ins Meer gelangen und eine ökologische Katastrophe auslösen könnten.

Die Reederei-Unterlagen weisen das Endosulfan als Eigentum des Frucht-Multis DEL MONTE aus, er könnte es jedoch von BAYER gekauft haben. Endosulfan ist in der Bundesrepublik wegen seiner Gefährlichkeit verboten. Unter Auflagen darf ihn der Leverkusener Multi jedoch noch in Länder der „Dritten Welt“ exportieren. Im Juli 2007 hat sich die Europäische Kommission dafür ausgesprochen, das Mittel auf die Liste der Stockholmer Konvention für besonders giftige Substanzen zu setzen und damit sein Verschwinden von allen internationalen Märkten einzuleiten. Aufforderungen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) an die Adresse BAYERs, den Wirkstoff nicht mehr zu vertreiben, kam der Agro-Riese trotz gegenteiliger Versprechungen bisher nicht nach. Aber auch die andere Pest an Bord, die 500 kg ANTRACOL, TRAP, FUERZA und TAMARON, ist nicht ohne. Besonders risikoreich ist Methamidophos, der Wirkstoff von TAMARON, der von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „hoch gefährlich“ eingestuft wird.

Nach Informationen des philippinischen Senders ABS-CBN war BAYER Auftraggeber des Transports. Träfen diese Angaben zu, hätte der Global Player einen Rechtsbruch begangen, denn die philippinische Regierung erlaubt den Transport von Pestiziden auf Personenfähren wegen des Gefahrenpotenzials nicht. Allerdings scheint es trotzdem gängige Praxis zu sein. Die Firmen scheuen nämlich die bei gefährlicher Ware fälligen Behördengänge und Genehmigungsverfahren und deklarieren ihre Ladung lieber um. „Es geht so schneller für sie und außerdem zahlen sie so weniger als sie eigentlich müssten“, sagte Elena Bautista vom philippinischen Transportministerium.

Die CBG drang in ihrer Presseerklärung auf Klärung der Verantwortlichkeiten: „Die Begleitumstände des schrecklichen Unglücks auf den Philippinen werfen zahlreiche Fragen auf: Wer wusste davon, dass hochgefährliche Pestizide auf Fährschiffen transportiert werden? War den Pestizid-Herstellern diese illegale Praxis bekannt? Wer ist der Hersteller des an Bord befindlichen Endosulfans? Werden sich die Produzenten an den Bergungskosten beteiligen?“ Antworten darauf blieb BAYER bislang schuldig.