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Beitrag veröffentlicht im Juni 2011

Antibabypillen

CBG Redaktion

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Westfälische Rundschau, 30. Juni 2011

Antibabypille : „Einzelfälle“ kämpften um ihr Leben

Die 31-jährige Susan ist nicht das, was man mit dem Begriff „gesundheitlicher Risikofaktor“ verbindet. Die Architektin ist schlank, lebt gesund, raucht nicht, hat 15 Jahre Ballett getanzt, geht regelmäßig joggen und fährt Rennrad. Vielleicht nahmen die Ärzte deshalb ihre Beschwerden nicht so ernst, als sie in die Klinik kam. Und doch wäre die Aachenerin im Alter von nur 29 Jahren fast gestorben. Weil sie die Antibabypille nahm. Und weil ihr Gynäkologe vorher nicht überprüft hatte, ob sie genetisch ein erhöhtes Risiko für eine Thromboseeignung hatte.

Susan weiß noch genau, was die Ärzte ihr gesagt hatten, als sie im Januar 2009, einen Tag nach ihrem Skiurlaub, mit stechenden Schmerzen in der Brust und Atemnot in die Klinik kam. „Schlafen Sie sich erstmal aus“, hieß es. Doch Susans Vater, selbst Mediziner, bestand darauf, dass seine Tochter nicht wieder nach Hause geschickt sondern in einem CT untersucht wurde. Zum Glück. „Lungenembolie - Gefahr eines Herzversagens“ lautete die Diagnose. „Und auf einmal war Panik unter den Ärzten da“, erinnert sich Susan. Noch während sie auf dem CT-Tisch lag, wurde sie gefragt, ob sie die Pille nehme.

Das tat sie - seit zwei Jahren ganz bewusst das Präparat mit Namen „Yasminelle“ - also jene Pille des Schering-Nachfolgers Bayer, die als besonders niedrig dosiert gilt. „Ich habe damit assoziiert, dass sie auch weniger Nebenwirkungen und Gefahren hat“, sagt Susan. Ein Trugschluss, wie der Arzneimittelexperte Prof. Gerd Glaeske meint: Denn moderne Antibabypillen bergen seiner Ansicht nach sogar ein doppelt so hohes Risiko gefährlicher Nebenwirkungen wie ältere Präparate. Im neuesten Arzneimittelreport der Barmer GEK appelliert er an die Frauenärzte, „stärker zu den bewährten Mitteln mit bekannten Gestagenen zurückzukehren und nicht weiter den Umsatz der angeblichen Innovationen, bei naher Betrachtung aber durchaus problematischen Mittel zu fördern.“

Dass sie mit ihrem massiven Gesundheitsproblem nicht alleine ist, weiß Susan schon seit längerem: Seit sie einen Fernsehbericht über die 25-jährige Felicitas sah, die - ebenfalls Nutzerin von „Yasminelle“ - eine Lungenembolie mit Herzstillstand erlitt und 20 Minuten klinisch tot war. Und seitdem sie von Nana hörte, die ebenfalls eine Pille mit dem Wirkstoff Drospirenon genommen hatte - und mit 30 Jahren ebenfalls eine Lungenembolie erlitt. „Da wusste ich, ich bin kein Einzelfall“, bilanziert Susan. „Das tat gut.“ Die jungen Frauen nahmen miteinander Kontakt auf, trafen sich und gründeten im April die Selbsthilfegruppe Drospirenon Geschädigter (SDG). Ihr Motto: „Du bist nicht alleine!“ Inzwischen meldeten sich auf der Homepage www.risiko-pille.de noch mehrere Pillen-Nutzerinnen, die lebensgefährlich erkrankt waren - alles junge Frauen, die nicht rauchen, schlank und sportlich sind und gemeinhin nicht in die „Risikogruppe“ jener fallen, die auf Hormonpräparate verzichten sollten. Und von denen einige noch nicht einmal ein genetisch höheres Thrombose-Risiko hatten.

Gemeinsam kämpfen sie nun dafür, eine „ehrliche und umfassendere Aufklärung“ über die Risiken drospirenonhaltiger Pillen im Beipackzettel und durch die Gynäkologen zu erreichen. „Unser Ziel ist es, Frauen für die Risiken der Pille zu sensibilisieren, den Betroffenen ein Gesicht zu geben und endgültig mit dem Mythos aufzuräumen, als Geschädigte ein Einzelfall zu sein“, sagt Kathrin, Mitgründerin der SDG, die mit 24 eine Lungenembolie erlitt.

Die Angst kommt immer wieder
Susan ist jedoch nicht nur sauer auf die Frauenärzte, „die vor dem Verschreiben der Pille keine Tests zum Thrombose-Risiko durchführen, obwohl diese seit den 90er Jahren zur Verfügung stehen“, sondern vor allem auch auf Pharmakonzerne wie Bayer. „Sie sollten diese Pille vom Markt nehmen und ihr Wirken nicht nur auf Profit ausrichten, sondern zum Wohle der Patienten. Eine Pille mit solchen Nebenwirkungen braucht keine Frau. Die braucht nur eine Pharmaindustrie, um Geld zu machen.“

Für Susan ist das Thema, zwei Jahre nach ihrer Lungenembolie, längst nicht vorbei - auch, wenn sie nach außen alles „gut“ überstanden hat. Vier Monate war sie arbeitsunfähig, eineinhalb Jahre brauchte sie „um mich wieder einigermaßen so zu fühlen wie vorher“. Aber die Angst kommt immer wieder. Noch immer leidet sie unter Panik-Attacken, wenn sie an die Atemnot und Schmerzen denkt, die sie nachts erlitten hatte. „Die Unbeschwertheit, die man mit 29 eigentlich hat, ist weg“, sagt sie. „Vorher hatte ich nie Angst, zu sterben. Aber diese Nachwehen werden wohl immer bleiben. Dabei habe ich kein Bungee-Jumping gemacht. Ich bin bewusst kein Risiko eingegangen. Ich habe nur die Pille genommen.“ Katja Sponholz

Gefahr Thrombose
Arzneimittelexperte Prof. Dr. Gerd Glaeske von der Uni Bremen kritisiert die modernen Antibabypillen.
Bei den älteren Präparaten der zweiten Generation komme es - berechnet auf 100 000 Frauen und die Einnahme über ein Jahr - zu 15 bis 20 Fällen gefährlicher Thrombosen. Bei den neueren Präparaten seien es dagegen 30 bis 40 Fälle solcher Gefäßverschlüsse.

BBS

CBG Redaktion

Rheinische Post | 20.06.2011

BBS: Sommerfest mit Protest

350 Beschäftigte machten am Samstag am Eingang der Kurt-Rieß-Sportanlage, wo das Firmensommerfest gefeiert wurde, ihrem Unmut Luft. Von den Ausgliederungsplänen bei der Bayer-Tochterfirma sind 260 Stellen betroffen.

KÜPPERSTEG Es war wohl kein wirklich guter Tag für das Sommerfest der Konzerntochterfirma Bayer Business Services (BBS): Das Wetter mit teils heftigen Regenschauern, Wind und Gewitter spielte nicht richtig mit, und vor der Kurt-Rieß-Sportanlage neben der BayArena hatten sich Gewerkschafter versammelt, die am Zugang zum Gelände gegen die von BBS geplante Ausgliederung von Teilen der IT-Infrastrukturdienstleistungen an Siemens demonstrierten.
Die IG Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) und die Betriebsratsgruppe Belegschafts-Team hatte am Freitag zu der Demonstration aufgerufen. Der Ärger über die BBS-Pläne in der Belegschaft scheint so groß zu sein, dass rund 350 Mitarbeiter unter die Stelzenautobahn kamen, um zu demonstrieren. Das taten sie friedlich, aber dank zahlloser Trillerpfeifen umso lauter, während die Gäste des Sommerfestes zur Sportanlage kamen und sich dort von einer Eventagentur bespaßen ließen.

Reden von de Win und Hoffmann
„Von den Ausgliederungen sollen etwa 260 Mitarbeiter an allen deutschen Standorten betroffen sein, davon knapp 150 allein in Leverkusen“, sagte Thomas de Win, Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei Bayer. Hinzu kämen noch rund 290 Zeitarbeitskräfte. 2007 habe man bereits einen tariflichen Sonderweg gewählt, die Arbeitsbedingungen wettbewerbsfähig gestaltet und so zur Sicherung der Arbeitsplätze beigetragen, so de Win, der ebenso wie IG BCE-Landesbezirksleiter Reiner Hoffmann zu den Demonstranten sprach. Jetzt drohten die Arbeitsplätze ganz wegzufallen.
Eva Weinberg ist in Leverkusen Sekretärin bei BBS. „Ich bin seit 32 Jahren bei Bayer. 2007 zu Beginn der Krise sind wir zum Beispiel freiwillig auf die 40-Stunden-Woche hochgegangen, und jetzt? Auf mich wirkt das alles, als gelte ‚Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen‘“, äußerte Weinberg im Gespräch mit unserer Zeitung spürbar betroffen.
Bei BBS nahm man die Demonstration gelassen auf. Ein Sprecher erklärte gegenüber unserer Zeitung, dass es das legitime Recht der Beschäftigten sei, gegen die Pläne zu protestieren. Das Unternehmen sei aber „im Gespräch“ mit der Arbeitnehmerseite. Die Gewerkschaftsgruppe der „Durchschaubaren“ hatte sich an den Protest der IG BCE angehängt, verteilte ebenfalls Flugblätter und hatte den Slogan der größeren Gewerkschaft IG BCE „BBS - Bayer braucht Services“ leicht abgewandelt in „Bayer braucht Service“. VON CLAUS-PETER GRIES

[Transparency] Uni-Kooperationen der BAYER AG

CBG Redaktion

Transparency International, 20.06.2011

Transparency unterstützt Klage gegen Universität Köln auf Veröffentlichung des Sponsoringvertrags mit Bayer

Berlin - Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland unterstützt die Klage der CBG (Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.) gegen die Universität Köln auf Einsicht in den Vertrag zur Forschungs-Kooperation mit der Bayer HealthCare AG.
Transparency fordert die Universität Köln auf, den Vertrag endlich offenzulegen, da sonst die Gefahr eines Verdachts der interessengeleiteten Verzerrung wissenschaftlicher Arbeit fortbesteht.

Seit Jahren verweigert die Universität Köln die Einsichtnahme in den Vertrag. Die Universität macht den Ausnahmetatbestand „Forschung“ (§2, Abs 3, IFG NRW) geltend, während Bayer sich auf den Ausnahmetatbestand „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ (§8 IFG NRW) beruft. Der Landesbeauftragte für Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen hatte nach Prüfung festgestellt, dass die im Vertrag geregelten Inhalte weder Forschung noch ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis darstellten und einer Veröffentlichung des Vertrages zugestimmt. Allerdings ist er gegenüber der Universität Köln nicht weisungsbefugt, so dass der CBG nur der Klageweg als Handlungsmöglichkeit verblieb.

Angela Spelsberg, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland: „Die Weigerung, den Vertrag zwischen der Universität zu Köln und der Bayer HealthCare AG offen zu legen, ist alarmierend. Die Universität Köln ist eine öffentliche, durch Steuergelder finanzierte Einrichtung, die daher der öffentlichen Kontrolle unterliegt. Potentielle Patientinnen und Patienten (und auch ihre überweisenden Ärzte), die die Entscheidung treffen müssen, ob sie sich in der Universitätsklinik oder in anderen, im Vertrag eingeschlossenen Einrichtungen, untersuchen und behandeln lassen, müssen darüber informiert werden, welche Konsequenzen der Vertrag auf ihre Behandlung bzw. auf Forschungsprojekte hat, an denen sie teilnehmen. Es ist besorgniserregend, dass die Bürger nichts zu den Rahmenbedingungen der Kooperation erfahren sollen und zum Mittel der Klage gegriffen werden muss, um den Informationsanspruch durchzusetzen.“

Erst im Mai hatte die Zeitung taz über Inhalte aus dem im Jahr 2006 geschlossenen Kooperations- und Sponsorenvertrag zwischen Deutscher Bank, der Humboldt-Universität Berlin und der Technischen Universität Berlin berichtet. Danach wurden der Deutschen Bank umfassende Mitwirkungsrechte bei Forschungsprojekten, Mitspracherechte bei der Ausrichtung und Besetzung von Professuren und das Recht der Bank auf Unternehmenspräsentationen und Kontaktveranstaltungen eingeräumt.

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Lipobay

CBG Redaktion

16. Juni 2011

Lipobay-Opfer fordern Entschädigung

USA: Sammelklage gegen Bayer

Weltweit wird der Tod von mindestens 100 Menschen mit dem Blutfettsenker Lipobay in Verbindung gebracht, den der deutsche Pharmakonzern Bayer produziert hat. Der Oberste Gerichtshof in Washington hat nun eine Sammelklage mutmaßlicher Opfer zugelassen. Interne Papiere zeigten, dass dem Konzern das erhöhte Risiko bereits vor der Markteinführung bekannt war.
Das Medikament wurde in den Vereinigten Staaten in den Jahren 1997 bis 2001 unter dem Namen Baycol vertrieben. Bayer musste den Blutfettsenker im August 2001 wegen tödlicher Nebenwirkungen vom Markt nehmen. Der Konzern zahlte Opfern bereits mehr als eine Milliarde Dollar in außergerichtlichen Einigungen.
Der Supreme Court gab nun grünes Licht für eine Sammelklage. Die Richter widerriefen damit eine Entscheidung eines US-Berufungsgerichts, die die Sammelklage im US-Bundesstaat West Virginia gegen das Leverkusener Unternehmen zuvor unterbunden hatte.

weitere Infos zu Lipobay
=> In Sachen „LIPOBAY“: Ex-Angestellte verklagt BAYER
=> Lipobay, Trasylol, Aspirin: Das Pharma-Marketing bei BAYER
=> NY Times: Bayer Knew of Dangers of Its Cholesterol Drug
=> „Schuldig ist die Industrie“: Das LIPOBAY-Desaster
=> Bayer Held Back on Drug Dangers

[Arzneireport] Antibabypillen

CBG Redaktion

alle Infos zur Kampagne, der Arzneireport im Volltext (ab S. 89)

Tagesspiegel, 16. Juni 2011

Gefahr durch moderne Antibabypille

Arzneimittelforscher halten Vorgängerpräparate für deutlich risikoärmer als moderne Antibabypillen. So treten Thrombosen bei den jüngeren Pillen doppelt so häufig.

Berlin - Moderne Antibabypillen bergen ein mehr als doppelt so hohes Risiko gefährlicher Nebenwirkungen wie ältere Mittel, werden von Ärzten aber inzwischen weit häufiger verordnet als die Vorgängerpräparate. Darauf hat der Arzneimittelexperte Gerd Glaeske im neuen Arzneimittelreport der BarmerGEK hingewiesen. Als Grund vermutet der Bremer Wissenschaftler die gezielte Werbung und Vermarktung durch die Pharmaindustrie, die mit neuen, noch patentgeschützten Medikamenten höhere Gewinne erzielt als mit bewährten Mitteln.
„Tatsache ist, dass dieser Markt nicht zugunsten der Frauen ausfällt“, sagte Glaeske. Die sei „besorgniserregend“.
Nach aktueller Studienlage liege für diese Präparate das Risiko gefährlicher Thrombosen – berechnet auf 100 000 Frauen und die Einnahme über ein Jahr – bei 30 bis 40 Fällen. Bei den älteren Antibabypillen seien es, trotz gleicher Wirksamkeit und Zuverlässigkeit, nur 15 bis 20 Fälle.
Den Medizinern warf der Wissenschaftler vor, nicht rational und nach Nutzen-Risiko-Verhältnis zu verordnen. Sie sollten „nicht den Werbeaktionen und dem Marketinggeklingel pharmazeutischer Unternehmer folgen“. Und die Frauen sollten beim Arzt darauf drängen, das risikoärmere Präparat zu erhalten – auch wenn die anderen Mittel „lustige Namen“ trügen und in Frauenzeitschriften beworben würden, sagte Glaeske.
Von den beanstandeten Antibabypillen wurden 2010 mehr als 9,4 Millionen Packungen abgesetzt. Konkret geht es um die Mittel Valette, Lamuna, Nuvaring, Cerazette, Yasmin/Yasminelle, Aida, Desmin und Petibelle. Mit seinem Marktführer Valette bringt es der Hersteller Jenapharm allein auf einen Jahresabsatz von knapp drei Millionen Packungen. Die Firma Bayer HealthCare, die das Präparat Yasmin produziert, wies Glaeskes Darstellung zurück. Klinische Daten aus 15 Jahren und die Ergebnisse nachträglicher Sicherheitsstudien belegten, dass das Thrombose-Risiko durch den neuen Wirkstoff Drospirenon nicht höher sei als bei herkömmlichen Mitteln. raw

Rheinische Post, 16. Juni 2011

Profit mit der Pille

Auf dem Arzneimittelmarkt liegen Fluch und Segen nah beieinander. Die richtigen Wirkstoffe heilen Krankheiten, schenken Lebensjahre und erhöhen die Lebensqualität. Erst die Anti-Baby-Pille hat es den Frauen ermöglicht, ihr Leben frei und selbstbestimmt zu planen. Wenn nun aus Profitgier, wie es der Arzneimittelreport nahe legt, jungen Frauen riskante Verhütungsmittel verschrieben werden, dann gehört diese Praxis an den Pranger.

Die Pharmaindustrie ist ebenso erfolgreich im Entdecken neuer Arzneien wie im Vermarkten ihrer Pillen. Sie finanziert Ärztefortbildungen, hilft bei der Praxisausstattung und lässt ihre Vertreter in Kliniken und Praxen ausschwärmen. Die Ärzte sind das wichtigste Vehikel für die Hersteller. Da Arzneimittelwerbung für verschreibungspflichtige Medikamente in Deutschland verboten ist, konzentrieren die Unternehmen ihre gigantischen Werbeetats auf die Mediziner. Das erzeugt eine gefährliche Schieflage. Denn mit Hilfe der Pharmaindustrie erhalten Praxen und Kliniken indirekte Finanzspritzen, was Abhängigkeiten erzeugt. Die Regeln, wo die Grenzen der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Industrie liegen, sind eigentlich klar. Offenbar mangelt es aber an Kontrollen. EVA QUADBECK

Neue Anti-Baby-Pille in Kritik

Berlin (RP). Weit über die Hälfte der jungen Frauen in Deutschland zwischen 16 und 20 Jahren nimmt die Pille. Arzneimittel-Experten warnen vor gefährlichen Nebenwirkungen bei einigen modernen Präparaten.

Millionen von Frauen setzen bei der Verhütung auf die Anti-Baby-Pille. Aus Sicht von Arzneimittel-Experten sind sie bei der Wahl der Präparate oft nicht gut beraten. Bei einigen modernen Produkten haben die Frauen ein doppelt so hohes Risiko, eine Tromboembolie, also einen Gefäßverschluss, zu erleiden wie bei herkömmlichen Präparaten.
Dies geht aus dem Arzneimittelreport hervor, den die Krankenkasse Barmer GEK vorgestellt hat. Trotz des Risikos zählt fast die Hälfte der 20 absatzstärksten Anti-Baby-Pillen des vergangenen Jahres zu den neuen Hormonmischungen. Der Bremer Forscher Gerd Glaeske erklärte, die neuen Präparate würden von der Pharmaindustrie gezielt beworben. Grund: Sie unterliegen noch dem Patentschutz und damit sind ihre Gewinnspannen höher. „Tatsache ist, dass dieser Markt nicht zugunsten der Frauen ausfällt“, sagte Glaeske. Er riet den Frauen, sich intensiver mit ihrem Arzt über die Wahl der Anti-Baby-Pille zu unterhalten.
Auf Kritik stieß bei den Arzneimittel-Experten auch die Verschreibungspraxis für Alkoholiker und Demenz-Kranke. Knapp jeder siebte Alkoholkranke erhält dem Report zufolge starke Schlafmittel mit zusätzlichem Suchtpotenzial. Von den Demenz-Kranken schluckt etwa ein Drittel regelmäßig starke Beruhigungsmittel. Die Betroffenen hätten ein deutlich höheres Sterberisiko, sagte Glaeske. Aus seiner Sicht könnten durch eine bessere Pflege 20 bis 30 Prozent weniger dieser Präparate verschrieben werden.
Die Ärzteschaft wollte gestern nicht zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Man werde den Report zunächst der eigenen Arzneimittelkommission zur Prüfung vorlegen, hieß es bei der Bundesärztekammer. Der Berufsverband der Frauenärzte war zu keiner Stellungnahme zu erreichen.
Die Arzneimittel gelten als wichtigster Kostentreiber im Gesundheitswesen. Insgesamt geben die gesetzlichen Krankenkassen jährlich 29 Milliarden Euro für Tabletten, Salben und Säfte aus. Das Kostendämpfungsgesetz der Bundesregierung, das ein Preismoratorium und einen höheren Herstellerrabatt vorschreibt, hat bei der Barmer GEK im ersten Quartal allerdings Wirkung gezeigt. Die Arzneiausgaben seien um fünf Prozent gesunken, sagte Vize-Chef Rolf-Ulrich Schlenker.
Sorgen bereiten den Krankenkassen weiterhin die steigenden Ausgaben für Biologicals. Dabei handelt es sich um gentechnisch hergestellte Arzneien, die gegen schwere Krankheiten wie Multiple Sklerose, Rheuma und Krebs eingesetzt werden. Die Kosten für Therapien mit diesen Präparaten liegen nach Angaben der Barmer/GEK häufig im fünfstelligen Bereich pro Jahr. Das führt dazu, dass weniger als ein Prozent der Versicherten rund 30 Prozent der Arzneimittelausgaben für sich in Anspruch nehmen müssen. Die Kassen hoffen, die Kosten für die Biologicals in den Griff zu bekommen, indem sie auch in diesem Bereich verstärkt auf Nachahmer-Präparate setzen. „Wir müssen unbedingt die Erfolgsgeschichte der Generika wiederholen und die Biosimilars breiter einsetzen“, sagte Schlenker. Das wären Nachbauten der Biologicals.
Aktuell werden 85 Prozent aller Arzneimittel, die die gesetzlichen Kassen finanzieren, durch Nachahmer-Präparate abgedeckt. Nach Angaben des Arzneimittelreports sparen die Kassen damit rund zehn Milliarden Euro jährlich. VON EVA QUADBECK –

[WDR Beitrag] Antibabypillen

CBG Redaktion

Aktuelle Stunde (WDR), 7. Juli 2011

Klage gegen Bayer

Sie heißen Yaz, Yasmin und Yasminelle, werden als Life-Style-Produkte beworben, die schön und schlank machen und nebenbei auch noch verhüten - und sind die umsatzstärksten Medikamente des Leverkusener Bayer-Konzerns. 190 Frauen sollen in den USA an den Nebenwirkungen dieser Anti-Baby-Pillen gestorben sein. Dort rollt eine regelrechte Klagewelle auf Bayer zu: 8000 Frauen ziehen vor Gericht. Nun gibt es auch in Deutschland die erste Klage gegen Bayer, unterstützt von Betroffenen aus NRW, wie der 30-jährigen Nana aus Köln. Ein halbes Jahr lang nahm sie die Bayer-Pille YAZ.

Video ansehen: http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=7384750

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IG Farben

CBG Redaktion

Vorwärts, 6. Juni 2011

Diarmuid Jeffreys: „Weltkonzern und Kriegskartell"

Eine rentable Verbindung: Die IG Farben und das NS-Regime

Kein anderer deutscher Konzern ist so eng mit dem NS-Regime verknüpft wie die IG Farben: Sie finanzierte den Aufstieg Hitlers, machte das Hochrüsten möglich und war für die Gräuel von Auschwitz mitverantwortlich. Ein neues Buch von Diarmuid Jeffreys beleuchtet die Geschichte des Konzerns und die Zusammenarbeit mit dem NS-Regime.

„Sie waren die Fäden in dem dunklen Todesmantel, der sich über Europa senkte.“ So bezeichnete 1948 General Telford Taylor, Chefankläger im zweiten Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg, die Direktoren der IG Farben. Wissentlich und willentlich stellten sie, so die Anklage, die Ressourcen des Konzerns dem NS-Regime und seiner Kriegsmaschinerie zur Verfügung. Ob sie dieses Bündnis aus skrupellosem Ehrgeiz eingingen oder als patriotische Geschäftsleute nur am Wohle ihres Landes interessiert waren, legt Diarmuid Jeffreys in seinem Buch „Weltkonzern und Kriegskartell. Das zerstörerische Werk der IG Farben“ faktenreich dar.

Die deutsche Chemieindustrie – eine Erfolgsgeschichte
Er überlässt jedoch dem Leser eine endgültige Beurteilung. Seine gut lesbare, mit Elementen der Reportage versehene Studie erzählt die Geschichte des Konzerns als stringente Entwicklung, von seinen Anfängen Mitte des 19. Jahrhunderts an bis zur Bildung des „Höllenkartells“ – so der englische Originaltitel – zwischen der IG und dem NS-Regime.

Mit der zufälligen Entdeckung von synthetischen Farbstoffen begann die Erfolgsgeschichte der deutschen Chemieindustrie. Medikamente, Fotomaterial, Druckfarben und Kunstdünger gehörten bald zu der sich stetig vergrößernden Produktpalette von Agfa, Bayer, BASF und Hoechst. Die tödliche Allianz von Staat, Militär und Chemieindustrie fand erstmals im Ersten Weltkrieg zusammen. Gewinn- und Wachstumschancen die der Krieg bot wurden wahrgenommen, Sprengstoffe und Giftgase geliefert.

Nach dem Versailler Vertrag, der die Macht der deutschen Chemiekonzerne durch Beschlagnahme von Produkten und Patenten durch die Alliierten brechen sollte, galt es, Weltgeltung zurückzuerlangen. Am 2. Dezember 1925 schlossen sich BASF, Bayer, Hoechst, Agfa, Weiler-ter-Meer, Griesheim, Kalle und Cassella zur Interessengemeinschaft Farben, kurz IG Farben, zusammen. Es entstand ein weltweit agierendes Konglomerat aus Tochterfirmen, Holdings und Partnerschaften für Chemie, Stahl, Kohle und Treibstoffe.

Die Allianz mit dem Hitlerregime
Paradebeispiel für deutschen Forschergeist und zugleich Sorgenkind der Produktion war die Herstellung von synthetischem Treibstoff in Leuna. Sie war im Vergleich zum Naturprodukt zu teuer. Für das synthetische Gummi Buna gab es keinen Markt – bis das Naziregime mit seinem Streben nach der Autarkie Deutschlands Rentabilität versprach.

Bis Jahresende 1933 zahlte die IG 4,5 Millionen Reichsmark (RM) in die Parteikasse der NSDAP. Im Gegenzug kaufte das Reich die gesamte Produktion des Leuna-Treibstoffes auf: „Ab diesem Zeitpunkt war das Schicksal der IG Farben unmittelbar mit dem des Dritten Reiches verknüpft“, schreibt Jeffreys. Weder Krupp noch Thyssen oder Flick spielten eine derart wichtige Rolle: Der Krieg, den die Deutschen mit dem Angriff auf Polen am 1. September 1939 entfesselten, „lebte von den Chemikalien der IG“.

Das Bunawerk in Auschwitz
Ab 1941 ließ die IG in Auschwitz eine Produktionsstätte für Buna von jüdischen KZ-Häftlingen errichten. Sie zahlte 3 RM pro Tag und Häftling an die SS – für beide Seiten ein profitables Geschäft. Die Lebensdauer der Arbeiter betrug drei Monate. Schließlich als arbeitsuntauglich selektiert, wurden auch sie in den Gaskammern von Auschwitz ermordet – hierfür lieferte eine IG Tochter, die Degesch, das Giftgas Zyklon B.

Etwa 200 000 Menschen starben für das Bunawerk in Auschwitz, das niemals in Betrieb gegangen ist. So lautete die Nürnberger Anklage gegen die Führungsriege der IG auch auf Teilnahme an Versklavung und Massenmord. Dennoch kam sie glimpflich davon. Spätestens 1951 aus der Haft entlassen, fanden viele im Wirtschaftswunder in ihre alten Karrieren zurück.

Die IG wurde zerschlagen. Ihre Einzelteile BASF, Hoechst, Bayer und Agfa schrieben die Erfolgsgeschichte der deutschen Chemie weiter. Zwar leisteten sie Entschädigungszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter, doch eine offizielle Entschuldigung für ihre Beteiligung an der IG und damit am Holocaust hat kein Konzern je ausgesprochen. von Laura Meier-Ewert

Diarmuid Jeffreys: „Weltkonzern und Kriegskartell. Das zerstörerische Werk der IG Farben“ Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm und Werner Roller, Karl Blessing Verlag, München 2011, 688 Seiten, 34,95 Euro, ISBN 978-3-89667-276-6

[Uni Köln] Forschungsfreiheit in Gefahr

CBG Redaktion

1. Juni 2011
Coordination gegen BAYER-Gefahern

Forschungskooperationen zwischen Unis und Konzernen:

Stifterverband tritt für Transparenz ein

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat wegen der anhaltenden Weigerung der Universität Köln, eine Einsichtnahme in den Kooperationsvertrag mit der Bayer HealthCare AG zu gewähren, Klage beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht. Die Universität Köln und die Bayer AG hatten sich zuvor über das Votum des NRW-Landesbeauftragten für Informationsfreiheit hinweggesetzt, der einen Auskunftsanspruch feststellte, und auf einer Geheimhaltung beharrt. „Eine aus Steuergeldern finanzierte Einrichtung muss der öffentlichen Kontrolle unterliegen - zumal in einem so sensiblen Bereich wie der Pharmaforschung. Eine solche Kontrolle ist nur mit Kenntnis der Vertragsbedingungen möglich. Wir müssen verhindern, dass die universitäre Forschung vollkommen den wirtschaftlichen Interessen großer Konzerne untergeordnet wird“, so begründete die CBG diesen Schritt.

Wie sehr die Konzerne die Universitäten mittlerweile in Beschlag nehmen, zeigte unlängst der Fall des Berliner „Institutes für Finanzmathematik“. Die Humboldt-Universität und die Technische Universität als Träger sicherten dem Sponsoren DEUTSCHE BANK gegen die Zahlung von drei Millionen Euro jährlich zu, den Lehrplan mitzubestimmen, selber PrüferInnen zu entsenden und ein Veto gegen die Veröffentlichung unliebsamer Forschungsergebnisse einlegen zu können.

Nachdem diese Details für Aufruhr in den Medien sorgten, plädierte sogar der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, dem BAYER angehört, für Glasnost. „Eine Lehre aus der Diskussion um den Berliner Kooperationsvertrag sollte sein, dass derartige Vereinbarungen zwischen Universitäten und Unternehmen künftig offen und transparent einsehbar sind“, erklärte ein Sprecher. Jetzt muss diese Kunde bloß noch nach Leverkusen dringen - und sei es per Gerichtsbeschluss.

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30.05.2011, taz

Sponsoren an der Uni

Wirtschaft gegen Geheimverträge

Der Deutsche Stifterverband fordert von Firmen eine Veröffentlichungspflicht beim Sponsoring. Geheime Verträge mit Universitäten soll es nicht mehr geben.
VON MARTIN KAUL

Nach der Kritik an einer umstrittenen Kooperation zwischen der Deutschen Bank und zwei Berliner Spitzenunis hat sich der wirtschaftsnahe Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft für eine künftige Offenlegung von Kooperationsvereinbarungen zwischen Unternehmen und Hochschulen ausgesprochen. Ein Verbandssprecher sagte der taz: „Eine Lehre aus der Diskussion um den Berliner Kooperationsvertrag sollte sein, dass derartige Vereinbarungen zwischen Universitäten und Unternehmen künftig offen und transparent einsehbar sind.“
Am 26. Mai hatte taz.de über einen unveröffentlichten „Sponsoren- und Kooperationsvertrag“ zwischen der Deutschen Bank sowie der Humboldt und der Technischen Universität Berlin berichtet, in dem der Bank weitreichende universitäre Mitwirkungsrechte zugesichert worden waren.
So durfte die Bank bei der Berufung von Professoren und der Gestaltung der Lehre mitwirken, daneben erhielt sie ein Vetorecht bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen und andere Mitwirkungsrechte.
Dass der Stifterverband nun mehr Transparenz fordert, spricht für sich. Der Verband ist ein Zusammenschluss privater Unternehmen, die sich mit einem jährlichen Spendenvolumen von 30 Millionen Euro für die Förderung der Wissenschaft durch private Mittel einsetzt. Nach Angaben des Verbands gehört die Deutsche Bank zu seinen größten Geldgebern.
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert nach Bekanntwerden der Verträge mehr Transparenz in der Wissenschaft. Andreas Keller, Vorstandssprecher für Hochschule und Forschung, sagte der taz: „Auch wenn die Privatwirtschaft sich an Unis einbringt, muss immer der Grundsatz gelten, dass Forschungsergebnisse für jeden einsehbar sind. Universitäten müssen nicht im Interesse der Privatwirtschaft, sondern der Gesellschaft forschen“, sagte Keller der taz.
Keller hält den Berliner Fall für den „Ausdruck einer bedenklichen Entwicklung“. „Weil die Hochschulen eine rückläufige Grundfinanzierung haben, werden sie auf der Suche nach zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten skrupelloser. Private Geldgeber nutzen diese Notlage zunehmend aus.“