Sehr geehrter Herr Dr. Dekkers,
sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates,
meine Damen und Herren
rund 200 tote Frauen in den USA, 18 tote Frauen in Deutschland und 14 gemeldete Todesfälle in Frankreich. Zudem zahlreiche Frauen weltweit, die nach der Einnahme einer drospirenonhaltigen Pille wie Yasmin, Yasminelle oder Yaz aus Ihrem Hause schwere Nebenwirkungen wie Thrombosen, Lungenembolien oder einen Schlaganfall erlitten haben. Das ist die traurige und offizielle Bilanz der drospirenonhaltigen Pillen. Die Dunkelziffer ist allerdings hoch, denn nicht jeder Vorfall wird den zuständigen Stellen wie etwa dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gemeldet. Oft wird von den Ärzten auch der Zusammenhang von Erkrankung und Einnahme der Pille verkannt.
Mein Name ist Kathrin Weigele. Ich habe selbst nach Einnahme der Pille Yasmin eine schwere beidseitige Lungenembolie erlitten. Ich selbst habe eine Ärzteodyssee hinter mir, weil niemand zunächst erkannte, dass eine junge gesunde Frau von 24 Jahren urplötzlich lebensbedrohlich erkrankte, weil sie sich vertrauensvoll in die Hände von Bayer begab und das tat, was viele Frauen tun: nämlich eine Ihrer drospirenonhaltigen Pillen zu nehmen, die die Thrombosegefahr nach aktueller Studienlage wohl deutlich erhöhen.
Ich habe die Einnahme der Pille Yasmin beinahe mit dem Leben bezahlt. Herz und Lunge waren und sind schwer gezeichnet von den Embolien. Man gab mir eine Überlebenschance von 5%. Lebenslange Folgeschäden und die lebenslange Einnahme von Blutgerinnungsmitteln sind mir geblieben. Eine Schwangerschaft ist damit praktisch ausgeschlossen.
Obwohl sich die Vorfälle häufen und immer mehr Todesfälle und Nebenwirkungen verzeichnet werden, werden Betroffene und Geschädigte wie ich seitens Ihres Konzerns als bedauerliche Einzelfälle abgetan. Doch das sind wir längst nicht mehr. Seit der Gründung unserer Selbsthilfegruppe Drospirenon Geschädigter im Jahr 2011 haben sich unzählige Frauen sowie Angehöriger verstorbener oder seit der Einnahme drospirenonhaltiger Pillen schwerstbehinderter Frauen bei uns gemeldet und auf unserer Homepage risiko-pille.de ihre Erfahrungen und ihre Leidenswege geschildert.
Ich möchte heute von Ihnen wissen, welche Angaben zur Häufigkeit von schweren Nebenwirkungen und sogar Todesfällen dem Bayer-Konzern tatsächlich vorliegen? Wie viele Todesfälle oder Fälle von schweren Erkrankungen im Zusammenhang mit der Einnahme drospirenonhaltiger Kontrazeptiva wurden Ihnen in den vergangenen Jahren gemeldet? Wie können Sie angesichts der Klagen von ca. 13 600 Frauen in den USA, Klagen in Kanada, Frankreich, der Schweiz und natürlich auch hier in Deutschland noch von Einzelfällen sprechen?
In den USA haben Sie sich bereits mit rund 4800 Anspruchstellerinnen außergerichtlich verglichen und dabei Zahlungen in einer Gesamthöhe von etwa 1 Milliarde US-Dollar geleistet. Die Frage die sich mir aufdrängt lautet: Warum regulieren Sie in den USA in Milliardenhöhe, während in Deutschland nach meinen Erkenntnissen bisher keine einzige Betroffene entschädigt wurde? Herr Dr. Dekkers, was ist an einer amerikanischen Geschädigten denn bitte anders, als an einer Deutschen? Wir haben alle genau dieselbe Pille eingenommen, mit demselben schädlichen Wirkstoff aus Ihrem Haus und haben alle mit denselben Folgen und Problemen zu kämpfen. Wo genau sehen Sie den Unterschied? Oder hat Bayer etwa in Deutschland bereits die Regulierung von Schadensfällen vorgenommen? Wurden auch hierzulande schon außergerichtliche Vergleiche mit Geschädigten geschlossen?
Stets wurde Ihrerseits betont, dass die Entschädigungszahlungen in den USA ohne Anerkennung einer Haftung erfolgt seien und kein Schuldanerkenntnis darstellten. Sie ließen verlautbaren, die Entscheidung Vergleiche abzuschließen beruhe auf den Umständen des jeweiligen Einzelfalls und auf den Besonderheiten des Rechtssystems in den USA. Doch ist es nicht vielmehr so, dass auch in den USA nur haftet, wer einen Schaden verursacht hat? Wo kein Anspruch, da auch keine Notwendigkeit zu Zahlungen. Sie haben in den USA ohne rechtliche Verpflichtung mit Ausgleichszahlungen begonnen. Haben im vergangenen Geschäftsjahr rund 1,2 Milliarden Euro für Entschädigungen zurückstellen müssen. Diese Summe übersteigt sogar den bestehenden Versicherungsschutz. Trifft es zu, dass Sie bereits jetzt mehr Rückstellungen für Yasmin gebildet haben, als damals für den Cholesterinsenker Lipobay, der 2001 schließlich vom Markt genommen wurde? In welcher Höhe planen Sie für das neue Geschäftsjahr Rückstellungen für den amerikanischen Markt, den europäischen Markt und ganz speziell für Deutschland? Welche Entschädigungssumme haben Sie bei der Kalkulation der Rückstellungen pro Fall veranschlagt? Ich möchte ferner wissen, wie viele Klagen in Deutschland gegen die Bayer AG und Ihre Tochterfirmen aufgrund der drospirenonhaltigen Kontrazeptiva derzeit anhängig sind und in welcher Höhe Sie mit Schadensersatz – und Schmerzensgeldansprüchen in Deutschland rechnen? Trifft es ferner zu, dass auch in der Schweiz schon einzelne Fälle zum Teil reguliert wurden?
Bisher haben Sie in Deutschland keinerlei Verantwortung für die drospirenonhaltigen Pillen der Yasmin-Familie übernommen. Sie zeigen sich unverändert davon überzeugt, dass die Kontrazeptiva bei bestimmungsgemäßer Anwendung sicher und wirksam sind. Doch wir Geschädigten haben seit der Einnahme einer drospirenonhaltigen Pille schreckliche Qualen durchleiden müssen. Wir wurden unserer Gesundheit und Unbeschwertheit beraubt. Zurückgelassen in einem Leben, das von Medikamenten, Arztbesuchen und der ständigen Angst vor einer Verschlechterung unseres Gesundheitszustandes bestimmt wird. Können Sie wirklich angesichts der Vielzahl der bekannt gewordenen Nebenwirkungen, der bereits geleisteten Entschädigungszahlungen und der aktuellen Studienlage weiterhin von einem positiven Nutzen – Risikoprofil der Yasminpillen ausgehen?
Immer wieder werden neue Studien unabhängiger Wissenschaftler bekannt, die belegen, dass drospirenonhaltige Pillen mit einem höheren thromboembolischen Risiko behaftet sind als Präparate mit dem älteren Gestagen Levonorgestrel.
Bereits 2010 musste auf Veranlassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte der Beipackzettel um weitere Risikohinweise und Angaben zu Nebenwirkungen ergänzt und auf Studien aus den Niederlanden und Dänemark hingewiesen werden, die von einer erhöhten Thrombosegefahr ausgehen.
2011 kamen sowohl die Europäische Arzneimittelagentur als auch die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA zu dem Schluss, dass die Anwendung drospirenonhaltiger Kontrazeptiva mit einem erhöhten Risiko verbunden sei und verlangten eine dahingehende Änderung und Aktualisierung der Produktinformation bzw. die Aufnahme verschärfter Warnhinweise im Beipackzettel.
Der Barmer GEK Arzneimittelreport riet 2011 ebenfalls von der Anwendung drospirenonhaltiger Präparate ab. Auch hier wird von einer erhöhten Thrombosegefahr im Vergleich zu älteren Präparaten der sogenannten 2. Generation ausgegangen.
In den Niederlanden, Belgien, Dänemark, England und Norwegen gibt es offizielle Empfehlungen, levonorgestrelhaltige Kombinationen insbesondere bei jungen Frauen zu bevorzugen.
Derzeit überprüft die Europäische Arzneimittel-Agentur auf Antrag Frankreichs hin die Zulassung kombinierter oraler Kontrazeptiva der dritten und vierten Generation. Die französische Regierung wandte sich mit der Forderung an die EMA, sie möge eine EU-weite Empfehlung für eine restriktive Verschreibung dieser Antibaby-Pillen aussprechen. Gibt es hierzu schon ein Ergebnis oder Zwischenergebnis?
In Frankreich werden zudem die Kosten von drospirenonhaltigen Pillen seit April nicht mehr von den Krankenkassen erstattet. In der Schweiz fordert die Krankenkasse CSS, dass Bayer die Behandlungskosten für eine junge, schwerbehinderte Frau ersetzt, die für ihr Leid die Bayer-Pille Yasmin verantwortlich macht.
Es gibt unserer Meinung nach keinen Zweifel mehr daran, dass drospirenonhaltige Pillen häufiger Thrombosen auslösen. Herr Dr. Dekkers, wie lange wollen Sie die drospirenonhaltigen Pillen noch vermarkten und so mit dem Leben gesunder Frauen spielen? Rechtfertigen hohe Gewinne etwa den Tod weiterer Frauen und Mädchen?
Was sagen Sie dazu, dass Bayer laut des Kessler-Reports, verfasst durch den ehemaligen Chef der US-Arzneimittelzulassungsbehörde FDA, schon zu Beginn der Herstellung drospirenonhaltiger Pillen intern eindeutig vor deren Gefahren gewarnt wurde? Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass Bayer die FDA unzureichend über die Sicherheit von Yasmin informiert habe?
Laut eines unternehmensinternen Papieres vom Juni 2004 sollen bei Yasmin im Vergleich zu drei anderen Verhütungspillen mehr Thrombose- und Embolieerkrankungen aufgetreten sein. Diese Information soll die FDA nie erreicht haben.
Wir wünschen uns, dass sie sich einmal vergegenwärtigen dass es gesunde junge Frauen sind, die ihre Präparate kaufen und deren Leben sie zerstören indem sie gedanken- und langsam scheint es fast gewissenlos die Präparate weitervermarkten, als wäre nichts gewesen und als wüssten sie von nichts.
Herr Dr. Dekkers, Sie haben Schicksale wie das Meine in den letzten Hauptversammlungen zwar bedauert, doch das hilft uns nicht weiter. Wir möchten kein Mitleid, wir möchten ernst genommen werden.
Bayer hat endlich Verantwortung zu übernehmen!
Bayer hat das erhöhte Thromboserisiko drospirenonhaltiger Pillen anzuerkennen und als Konsequenz daraus die Präparate eigenverantwortlich vom Markt zu nehmen!
Bayer sollte nicht nur in den USA Verantwortung übernehmen, sondern auch in Deutschland auf die Geschädigten zugehen und für eine angemessene Entschädigung der deutschen Drospirenon-Opfer sorgen. Es gibt Gesetze und die Anwender ihrer Präparate haben Rechte. Und daran haben auch Sie sich zu halten. Körperliche Unversehrtheit ist ein Grundrecht, das auch Bayer zu wahren hat.
Sie feiern dieses Jahr das 150jährige Bestehen des Konzerns. Vielleicht wäre das doch ein guter Anlass, um sich darüber Gedanken zu machen, wie die Zukunft Ihres Unternehmens aussehen soll: sollte der Mensch oder eher mögliche Profite im Mittelpunkt stehen? Sie propagieren so werbewirksam, dass das Unternehmen mit seinen Erfindungen erheblich dazu beitrage, das Leben der Menschen zu verbessern. Science for a better life? Nicht für uns Betroffene.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.