Karl Bär (Umweltinstitut München) Die Gefahren von Sivanto
Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
mein Name ist Karl Bär, ich bin Referent für Agrar- und Handelspolitik beim Umweltinstitut München, und ich habe ein paar Fragen zur Geschäftstätigkeit im vergangenen Jahr, insbesondere zur Markteinführung und zu Teilverboten von Insektengiften.
Ich beginne mit einer technischen Frage zum Insektizid Flupyradifuron, das Bayer unter dem Markennamen Sivanto vermarktet: Es handelt sich ja um einen systemischen Wirkstoff, der in Insekten den nicotinischen Acetylcholin-Rezeptor blockiert. Damit erfüllt es meines Wissens alle Voraussetzungen, um in die Gruppe der Neonicotinoide eingeordnet zu werden. Warum also wird Flupyradifuron in den Veröffentlichungen von Bayer nicht als Neonicotinoid bezeichnet? Ist das ein reiner Marketingtrick, oder gibt es dafür eine wissenschaftliche Grundlage?
Die Frage ist wichtig, weil es in Frankreich ein Gesetz zum Schutz der Artenvielfalt gibt, das Neonicotininode verbietet. Letzten Sommer ist in Frankreich die Markteinführung vom Konkurrenzprodukt Sulfoxaflor gescheitert, weil die Abwägung zum Insektenschutz im Zulassungsverfahren mangelhaft war. Das Verwaltungsgericht, das das festgestellt hat, hat den Wirkstoff als Neonicotinoid bezeichnet. Die Herstellerfirma Dow hatte auf genau denselben Trick gesetzt wie Bayer bei Flupyradiforun und für Sulfoxaflor extra eine neue Wirkstoffklasse erfunden. Die Entscheidung in Frankreich ist konsequent: Wenn wir das Insektensterben aufhalten wollen, dann dürfen solche Produkte nicht auf den Markt. Herr Baumann: Sie können jetzt noch zwanzig Mal sagen, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem großflächigen Versprühen von Insektengiften und dem Insektensterben gibt. Das wird dadurch nicht logischer und auch nicht glaubwürdiger. Meine Frage an den Vorstand ist: Welche Strategie hat Bayer für die Markteinführung von Sivanto, während in Europa die Diskussion um das Insektensterben tobt?
Meine dritte Frage bezieht sich auf ein Verwaltungsgerichtsverfahren in Deutschland. Das Umweltinstitut hatte das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ gefragt, ob ihm Zulassungsanträge für Pestizide mit dem Wirkstoff Flupyradifuron vorliegen. Das Amt hat uns die Auskunft verweigert, und wir haben nach dem Umweltinformationsgesetz auf die Information geklagt. Das BVL hat in dem Verfahren lustlos, aber konsequent eine völlig unhaltbare Rechtsposition verteidigt. Ich habe mich dabei gefragt, und die Frage stelle ich jetzt dem Vorstand: Hat Bayer dem BVL mit einer Klage gedroht, wenn es veröffentlicht, dass Bayer das Produkt Sivanto in Deutschland auf den Markt bringen will?
Und wenn ich gerade bei Gerichtsverfahren bin: Letzte Woche hat das Europäische Gericht in Luxemburg einen Fall gegen Bayer entschieden. Die EU-Kommission hat rechtmäßig gehandelt, als sie 2012 Anwendungsbeschränkungen für die Wirkstoffe Imidacloprid und Clothianidin erlassen hat. Die EU darf Bestäuber-Insekten schützen und muss dafür keinen Schadensersatz zahlen. Meine Frage dazu ist: Wieviel Geld hat Bayer für dieses sinnlose Gerichtsverfahren ausgegeben? Und ich frage den Vorstand auch: Hat Bayer wirklich ein Interesse daran, dass die EU-Kommission selbst dann nicht mehr handeln kann, wenn die Wissenschaft ein Pestizid für ökologisch untragbar hält und die große Mehrheit der Bevölkerung ein Verbot will?
Es kann doch auch dem Vorstand und den AktionärInnen von Bayer nicht egal sein, wenn die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört werden. Ich für meinen Teil mache mir große Sorgen wegen des Artensterbens und der schwindenden Stabilität von Ökosystemen. Es ist notwendig, dass diese Welt sich von diesem Modell verabschiedet.
Doch die Geschäftspolitik von Bayer setzt weiter auf das agrarindustrielle Modell mit Gift und Gentechnik. Der Kauf des Agrarkonzerns Monsanto ist dafür ja geradezu ein Symbol.
Ich interpretiere dieses Verhalten als eine Wette. Eine Wette darauf, dass die Demokratie nicht stark genug sein wird, Gemeinwohl-Interessen durchzusetzen. Das kann man nur wollen, wenn man darauf setzt, dass die Regierungen die BesitzerInnen von Konzernen wie Bayer vor den Folgen der ökologischen Katastrophe abschirmen werden. Ich würde diese Wette an Ihrer Stelle nicht eingehen. Nicht nur, weil die Wette unmoralisch ist, sondern auch weil ich mir sicher bin, dass Sie sie verlieren würden. Die Demokratie ist stark und lebendig. Sie wird sich weltweit durchsetzen.
Und weil eine Firma nicht gut führt, wer einfache Fakten ignoriert, beantrage ich, Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu entlasten und bitte Sie bei den entsprechenden Tagesordnungspunkten mit NEIN zu stimmen.