Energie hat für den BAYER-Konzern vor allem billig zu sein, und so sieht seine Klima-Bilanz auch aus: 5,45 Millionen Tonnen Kohlendioxid stieß er im vergangenen Jahr aus. Und der Leverkusener Multi verteidigt seine Lizenz zum Klimakillen mit allen Mitteln gegen das Projekt „Energie-Wende“. Aber die Gegenkräfte wachsen.
Von Jan Pehrke
2018 war das Jahr, das mit seinem Dürre-Sommer noch einmal ein deutliches Zeugnis des Klimawandels geliefert hat. Es war gleichzeitig das Jahr, in dem RWE ohne Rücksicht auf Verluste dafür gekämpft hat, im Hambacher Forst mit der Braunkohle auch in Zukunft den schmutzigen aller Energieträger abbauen zu dürfen, um BAYER & Co. weiter mit möglichst billiger Energie versorgen zu können. Und es war das Jahr, in dem der weltweite Kohlendioxid-Ausstoß um 1,7 Pozent auf 33,1 Milliarden Tonnen und derjenige des Leverkusener Multis von 3,63 Millionen auf 5,45 Millionen Tonnen stieg.
Bei der selbst erzeugten Energie legten die Werte des Konzerns von 2,5 auf 3,9 Millionen Tonnen zu, bei der von RWE & Co. bezogenen Energie erhöhten sie sich von 1,13 auf 1,55 Millionen Tonnen. Der Kohle-Anteil betrug beim selbst erzeugten Strom rund 25 Prozent. Beim zugekauften dürfte er noch höher liegen. BAYER machte dazu zwar keine näheren Angaben, aber die allgemeinen Zahlen weisen das aus: Im letzten Jahr erfolgte die Energie-Erzeugung der bundesdeutschen Kraftwerksbetreiber zu 24 Prozent aus Braunkohle und zu 13,2 Prozent aus Steinkohle. Besonders stark nahm beim Agro-Riesen der Verbrauch von klima-schädigenden Flüssigbrennstoffen wie Heizöl zu. Er wuchs von 230 Terra-Joule auf 3.491 Terra-Joule an.
Als Grund für die miese Klima-Bilanz nennt der Global Player den MONSANTO-Deal. „Mit der Übernahme von MONSANTO hat BAYER neben Standorten für die Saatgut-Produktion auch eine Rohstoff-Gewinnung für die Herstellung von Pflanzenschutzmittel-Vorprodukten übernommen, mit der eine energie-intensive Aufbereitung und Weiterverarbeitung verbunden sind“, heißt es dazu im Geschäftsbericht für das Jahr 2018. Das alles spiegelt sich auch in der Energie-Effizienz wider, der Kennziffer für das Verhältnis des Strom-Verbrauchs zum Außen-Umsatz, also dem Umsatz mit den nicht für den internen Gebrauch – z. B. als Vorprodukt – bestimmten Gütern. Während der Konzern hier in den letzten Jahren den relativen Energie-Einsatz zu reduzieren vermochte, steigerte er sich jetzt beträchtlich. Die Maß-Zahl lag 2016 bei 208,62, 2017 bei 204,93, im letzten Jahr hingegen bei sage und schreibe 278.
Ansonsten aber zeigte sich BAYER auch in den Zeiten vor MONSANTO nicht viel klima-freundlicher. Die CO2-Emissionen stagnieren seit Jahren auf hohem Niveau. Nur wenn das Unternehmen Sparten wie das Kunststoff-Geschäfte verkaufte, ein Werk ausfiel oder die Anlagen auf halber Kraft liefen, weil der Absatz stockte, tat sich in Sachen „Kohlendioxid“ mal etwas.
Dementsprechend unternahm der Global Player in der Vergangenheit alles, um Maßnahmen wie den Emissionshandel, das Erneuerbare-Energie-Gesetz, den Klimaschutz-Plan oder den EU-Vorstoß für strengere CO2-Reduktionsvorgaben zu vereiteln oder so gut es ging aufzuweichen – stets mit Erfolg.
„Die Energiewende ist der größte Einschnitt in die Wertschöpfung der deutschen Industrie, den es je gegeben hat“, von dieser Perspektive aus betrachtet der Konzern die Dinge. Der einstige Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers drohte sogar schon mit Abwanderung, sollte sich in dem Bereich nichts tun: „Ansonsten kann sich ein globales Unternehmen wie BAYER überlegen, seine Produktion in Länder mit niedrigeren Energiekosten zu verlegen.“ Billig hat der Strom für den Konzern zu sein, etwas anderes interessiert ihn nicht.
Folglich musste sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in ihrer Arbeit schon viel mit dem „Klima-Killer BAYER“ beschäftigen. Lange – und letztlich erfolgreich – kämpfte sie gemeinsam mit anderen Gruppen wie dem NIEDERRHEINISCHEN UMWELTSCHUTZ-VEREIN gegen die Pläne des Multis, in Krefeld ein Steinkohle-Kraftwerk zu errichten, das jährlich über vier Millionen Tonnen Kohlendioxid, 100 Tonnen Feinstaub, 1.700 Tonnen Stickstoffdioxid und 2.400 Tonnen Schwefeldioxid ausgestoßen hätte. Auch gelang es der CBG, der Klima-Bilanzkosmetik des Konzerns ein Ende zu setzen und ihn dazu zu veranlassen, nicht nur die CO2-Emissionen der selbst erzeugten Energie, sondern auch diejenigen der zugekauften Energie zu verbuchen. Überdies problematisierte das Netzwerk BAYERs Bezug von Import-Kohle, deren Abbau sich in Kolumbien und anderen Ländern unter verheerenden sozialen und ökologischen Bedingungen vollzieht. Gleich mehrfach setzte die Coordination zudem das Thema „Kohlendioxid-Emissionen“ auf die Agenda der Hauptversammlung. kritisierte sie immer wieder die engen Beziehungen des Leverkusener Multis zu den Strom-Riesen, saß doch BAYERs Aufsichtsratsvorsitzender Werner Wenning lange dem E.ON-Aufsichtsrat vor und sein Amtsvorgänger Manfred Schneider lange demjenigen von RWE. Und selbstverständlich war die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN im Hambacher Forst und im Klima-Camp, wo sie einen Workshop zum „Chemie-Standort Nordrhein-Westfalen“ abhielt, zur Stelle. Bei den großen Klima-Demonstrationen fehlte sie ebenfalls nicht. In ihrem Aufruf zum Protestmarsch am 1. Dezember 2018 hieß es: „BAYER und andere energie-intensive Unternehmen haben einen wesentlichen Anteil daran, dass die Bundesrepublik ihre selbst gesteckten Klima-Ziele verfehlt. Die Politik muss den Multis endlich einen stärkeren Beitrag zum Klimaschutz abverlangen, statt ihnen im Hambacher Forst und anderswo den Weg zu ebenso billiger wie schmutziger Energie freizumachen.“
Dieser Aufforderung kamen die Mandats-trägerInnen jedoch nicht nach. Besonders die nordrhein-westfälische Landesregierung betätigt sich als williger Helfer der Konzerne. In ihrem Koalitionsvertrag zögerten CDU und FDP nicht, sich zum Sachwalter der Interessen des Industrie- und Energiestandortes NRW zu machen und namentlich BAYERs Branche ein Wohlergehen zuzusichern: „Einen besonderen Fokus legen wir auf den Erhalt der Wertschöpfungsketten, der Wettbewerbsfähigkeit, der Arbeitsplätze und der Innovationsfähigkeit der in Nordrhein-Westfalen ansässigen chemischen Industrie.“ Dass das Bundesland zu den Kohlendioxid-Emissionen der Bundesrepublik rund ein Drittel beiträgt, störte die Parteien dabei nicht weiter: „Wir werden die Energie- und Klimapolitik danach ausrichten, Nordrhein-Westfalen als Energieland Nummer eins zu stärken, um führendes Industrieland, auch für energie-intensive Industrien, zu bleiben und Wertschöpfungsketten zu erhalten.“ Und das taten Laschet & Co. dann auch. Vehement stritten sie in Tateinheit mit dem „Verband der Chemischen Industrie“ und anderen Lobby-Organisationen beispielsweise dafür, BAYER & Co. den billigen NRW-Strom, der zu 15 Prozent aus dem Tagebau Hambach stammt, zu erhalten und übten entsprechenden Druck auf die Kohle-Kommission aus.
Und die 31 Mitglieder konnten diesem nicht standhalten. In der Runde setzte sich am Ende die Steinzeit-Fraktion, bestehend unter anderem aus Kohleabbau-Regionen entstammenden PolitikerInnen wie Stanislaw Tillich, Michael Vassiliadis von der IG BERGBAU, CHEMIE & ENERGIE – „der beste Kumpel der Industrie“ (taz) – sowie VertreterInnen des „Bundesverbandes der Deutschen Industrie“ (BDI) und der „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber-Verbände“, gegen kritische WissenschaftlerInnen und Abgesandte von GREENPEACE und BUND durch.
Das Datum des Kohle-Ausstiegs verschob die Kommission auf 2038, und selbst das steht nicht zweifelsfrei fest, denn es gibt eine Revisionsklausel. Die Kohle-Öfen der Industrie ließ die Runde völlig unangetastet. Überdies stellte sie den Unternehmen umfangreiche finanzielle Unterstützung für den Fall höherer Energie-Kosten in Aussicht. Da BAYER & Co. hier ohnehin schon in den Genuss umfangreicher Rabatt-Regeln kommen, welche die Europäische Union wegen des Verdachts einer verkappten Subvention kritisch beäugt, empfahl die Kohle-Kommission der Bundesregierung, auf „eine Weiterentwicklung des EU-Beihilferechts“ zu dringen, damit hier mehr Geld fließen kann. Den Erhalt des Hambacher Forst erklärte sie hingegen lediglich als „wünschenswert“. Darüber hinaus entlohnt sie den klimapolitischen Tiefschlaf von RWE auch noch fürstlich mit Stilllegungsprämien. Während Mitbewerber wie ENBW schon vor längerer Zeit den Hebel umgelegt und aus freien Stücken Kohlekraftwerke vom Netz genommen haben, profitiert RWE nun davon, der Dreckschleuder „Braunkohle“ so lange die Treue gehalten zu haben. Mit Milliarden-Summen läßt sich der Konzern den Abschied von diesem Energie-Erträger versüßen.
Das gefiel der Börse. Sie reagierte auf die Vorschläge der Kohle-Kommission mit einem Anstieg der RWE-Aktie. „Vorbörsliche Gewinn-Mitnahmen nach Kohle-Kompromiss“ meldete Börse online. Der BDI zeigte sich ebenfalls zufrieden mit der Lösung, besonders mit den für die Jahre 2023, 2026 und 2029 vereinbarten „Haltepunkten“, die für ihn Gelegenheit bieten, „sicherzustellen, dass Strompreis-Entlastungen für alle Verbraucher greifen, ehe es weitere kostensteigernde Maßnahmen geben kann“. Der „Verband der Chemischen Industrie“ indessen „lobt ausdrücklich, dass Maßnahmen zur Kompensation des Strompreis-Anstiegs Eingang in den Endbericht der Kohle-Kommission gefunden haben“. „Bezahlbare Energie ist für uns ein Lebenselixier“, hält VCI-Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann fest. Allerdings fürchtet auch er, Brüssel könne den Zugang zum Stoff versperren. Darum ist die Bundesregierung nach Ansicht des Chemie-Verbandes gefordert, „sich mit der EU-Kommission auf einen geeigneten Beihilfe-Rahmen zu einigen“.
So freudig die Industrie die Kommissionsempfehlungen aufnahm, so ernüchtert taten das die KlimaschützerInnen. Die Kommissionsmitglieder von GREENPEACE fanden 2038 als Ausstiegsjahr inakzeptabel und gaben deshalb ein Sondervotum ab. Die SchülerInnen von FRIDAYS FOR FUTURE teilten diese Meinung. Sie plädierten für 2030 als Deadline. Dieses Jahr präferierten auch die GEWERKSCHAFTLERINNEN UND GEWERKSCHAFTLER FÜR KLIMASCHUTZ. „Kohleausstieg – zu spät, zu vage, zu konzernfreundlich“, lautete das Resümee der Gruppe. Und ENDE GELÄNDE nannte den beschlossenen Abschaltplan einen „Abschaltplan für unseren Planeten“.
Und das ist er wirklich. Nach einem Bericht des Weltklimarats bleiben nur noch 12 Jahre, um das 2015 auf der Klimakonferenz von Paris beschlossene Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Zu diesem Zweck müsste der CO2-Ausstoß bis 2030 um 45 Prozent im Vergleich zu 2010 sinken.
Deutschland wird dazu keinen Beitrag leisten, nicht nur wegen des faulen Kohle-Kompromisses. Schon vor einer Weile hat die Bundesregierung es aufgegeben, die Emissionen bis 2020 um 40 Prozent, bezogen auf 1990, zu reduzieren, und noch dazu betätigt sie sich auf EU-Ebene als Bremser zugunsten von VW, RWE, BAYER & Co. Darum stehen auch in diesem Jahr im Rheinischen Braunkohle-Revier und anderswo wieder Klima-Proteste an. Aus gegebenem Anlass wird sich die CBG daran beteiligen.