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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

Indien

CBG Redaktion

gemeinsame Pressemitteilung vom 11. Oktober 2004

Coordination gegen BAYER-Gefahren
Germanwatch
Global March against Child Labour (deutsche Sektion)

OECD-Beschwerde gegen Bayer wegen Kinderarbeit in Indien

Aktuelle Untersuchung: Kinder sterben auf indischen Baumwollfeldern an Pestizidvergiftungen

Berlin/Köln, 11.10.2004: Zulieferer des Leverkusener Bayer-Konzerns beschäftigen bei der Produktion von Baumwollsaatgut im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh gegenwärtig rund 1.500 Kinder unter 15 Jahren. Bei drei weiteren internationalen Unternehmen - Advanta, Emergent Genetics und Monsanto - werden weitere 10.725 Fälle von Kinderarbeit gezählt. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die von den Nichtregierungsorganisationen Germanwatch, Coordination gegen Bayer-Gefahren und Global March Against Child Labour (deutsche Sektion) heute in Deutschland veröffentlicht wurde. Die Organisationen reichen heute im Bundeswirtschaftsministerium eine Beschwerde gegen Bayer wegen Verstoßes gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen ein.

Die von einem indischen Wissenschaftler durchgeführte Untersuchung beschreibt detailliert, dass es sich in Andhra Pradesh um Kinderarbeit der schlimmsten Form handelt: Die Kinder gehen nicht zur Schule, arbeiten bis zu 14 Stunden täglich, verdienen weniger als 50 Cent am Tag und tragen schwerste Gesundheitsschäden davon. Mindestens drei Kinder im Alter von 8, 12 und 13 Jahren sind in den letzten Monaten an Pestizidvergiftungen auf den Feldern gestorben. Siebzig Prozent der Kinder werden in sogenannter Schuldknechtschaft beschäftigt. Die Eltern bekommen im Voraus einen Kredit, den die Kinder dann inklusive Wucherzinsen abarbeiten müssen - in vielen Fällen mehrere Jahre lang. Andere Kinder werden von den Baumwollfarmern in den umliegenden Dörfern gekauft und von ihren Familien getrennt; sie müssen in ärmlichen Hütten bei den Feldern leben.

„Schon seit letztem Jahr versuchen wir, im Dialog mit der indischen Bayer-Tochter ProAgro das Problem der Kinderarbeit bei ihren Zulieferern zu lösen, leider ohne Erfolg. Deshalb wollen wir jetzt mit der OECD-Beschwerde den Druck auf das Unternehmen erhöhen und auch die staatliche Ebene in Deutschland einbeziehen“, so Cornelia Heydenreich von Germanwatch. Rainer Kruse von der deutschen Sektion des Global March Against Child Labour drängt auf unverzügliches Handeln: „Die Gesundheit und das Leben der Kinder darf nicht länger aufs Spiel gesetzt werden. Und sie müssen wieder in die Schule gehen können. Jede weitere Arbeitssaison schädigt eine neue Generation von Kindern.“

Philipp Mimkes von der Coordination gegen Bayer-Gefahren betont: „Dem Unternehmen sind die Zustände bei seinen Zulieferern seit Jahren bekannt. Es wäre für Bayer ein Leichtes gewesen, mit Hilfe höherer Abnahmepreise und strikter Kontrollen das Problem Kinderarbeit bei seinen Zulieferern zu lösen. Doch trotz öffentlicher Ankündigungen hat sich kaum etwas getan.“

Insgesamt sind in der indischen Baumwollproduktion mehr als Hunderttausend Kinder tätig. Shanta Sinha, die Generalsekretärin der indischen MV-Stiftung, die vor Ort gegen Kinderarbeit kämpft, nennt als deren Hauptursache die unfairen Vertragsbedingungen, die Konzerne wie Bayer den Baumwollfarmern aufzwängen. Die Preise, die ihnen von den Konzernen gezahlt werden, seien so niedrig, dass sie billige Kinderarbeiter in Schuldknechtschaft anstellen müssten. „Deshalb ist eine unserer Hauptforderungen, dass faire Verträge mit den Farmern geschlossen und bessere Preise gezahlt werden, damit die Ausbeutung der Kinder endlich aufhört!“

Die sechs Forderungen von Germanwatch, der Coordination gegen Bayer-Gefahren, der deutschen Sektion des Global March against Child Labour, der indischen MV-Stiftung, des Indien Komitees der Niederlande, des International Labor Rights Fund (USA), von Amnesty International Niederlande, von FNV Mondiaal (Niederlande), Hivos (Niederlande) und Novib/Oxfam Niederlande lauten:

1. Sofortige Umsetzung eines Aktionsplans, um Kinderarbeit in der indischen Baumwollindustrie abzuschaffen und um zu garantieren, dass jedes Kind zur Schule geht. Dies sollte in enger Kooperation mit Organisationen der Zivilgesellschaft und der Regierung erfolgen;
2. Zahlung fairer Preise an die Baumwollfarmer, damit sie erwachsene Arbeiter anstellen und diesen wenigstens den offiziellen Mindestlohn zahlen können, sowie gleiche Löhne für Männer und Frauen;
3. Abschaffung aller Formen von Schuldknechtschaft in der Baumwollsaatgutproduktion in Indien,
4. Schutzanzüge und -ausrüstung für die Arbeit mit Pestiziden sowie Trainingskurse für Farmer zur sicheren Handhabe von Pestiziden;
5. Die Rechte der Arbeiter zur Bildung von Gewerkschaften und zu gemeinsamen Tarifverhandlungen müssen respektiert werden;
6. Die Umsetzung dieser Forderungen muss öffentlich dargelegt und von unabhängigen Beobachtern überprüft werden.

Der neue Bericht „Kinderarbeit in der Baumwollsaatgutproduktion in Andhra Pradesh: Neueste Entwicklungen“ sowie ein zweiter ebenso aktueller Bericht zur Situation in den Nachbarstaaten Gujarat und Karnataka kann auf Englisch im Internet unter www.germanwatch.org runtergeladen werden. Hier finden Sie auch eine ins Deutsche übersetzte Stellungnahme der indischen MV-Stiftung zur Rolle der multinationalen Konzerne in Andhra Pradesh und weitere Dokumente zum Thema. Die OECD-Beschwerde und alle weiteren Materialien senden wir gerne zu.

Weitere Informationen und Interviews:
* Germanwatch, Cornelia Heydenreich, Tel: 030 - 28 88 35 64, Fax: 030 - 28 88 35 61, heydenreich@germanwatch.org, www.germanwatch.org
* Coordination gegen Bayer-Gefahren, Philipp Mimkes, Tel: 0211-333 911, Fax: 0211-333 940, info@cbgnetwork.org, www.CBGnetwork.org
* Global March Against Child Labour (deutsche Sektion), Rainer Kruse, Tel/Fax: 0711 - 467381, kruse@globalmarch.de, www.globalmarch.org

OECD-Beschwerde

CBG Redaktion

gem. Pressemitteilung vom 11. Oktober 2004

Coordination gegen BAYER-Gefahren
Germanwatch
Global March against Child Labour (deutsche Sektion)

OECD-Beschwerde gegen Bayer wegen Kinderarbeit in Indien

Aktuelle Untersuchung: Kinder sterben auf indischen Baumwollfeldern an Pestizidvergiftungen

Berlin/Köln, 11.10.2004: Zulieferer des Leverkusener Bayer-Konzerns beschäftigen bei der Produktion von Baumwollsaatgut im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh gegenwärtig rund 1.500 Kinder unter 15 Jahren. Bei drei weiteren internationalen Unternehmen - Advanta, Emergent Genetics und Monsanto - werden weitere 10.725 Fälle von Kinderarbeit gezählt. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die von den Nichtregierungsorganisationen Germanwatch, Coordination gegen Bayer-Gefahren und Global March Against Child Labour (deutsche Sektion) heute in Deutschland veröffentlicht wurde. Die Organisationen reichen heute im Bundeswirtschaftsministerium eine Beschwerde gegen Bayer wegen Verstoßes gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen ein.

Die von einem indischen Wissenschaftler durchgeführte Untersuchung beschreibt detailliert, dass es sich in Andhra Pradesh um Kinderarbeit der schlimmsten Form handelt: Die Kinder gehen nicht zur Schule, arbeiten bis zu 14 Stunden täglich, verdienen weniger als 50 Cent am Tag und tragen schwerste Gesundheitsschäden davon. Mindestens drei Kinder im Alter von 8, 12 und 13 Jahren sind in den letzten Monaten an Pestizidvergiftungen auf den Feldern gestorben. Siebzig Prozent der Kinder werden in sogenannter Schuldknechtschaft beschäftigt. Die Eltern bekommen im Voraus einen Kredit, den die Kinder dann inklusive Wucherzinsen abarbeiten müssen - in vielen Fällen mehrere Jahre lang. Andere Kinder werden von den Baumwollfarmern in den umliegenden Dörfern gekauft und von ihren Familien getrennt; sie müssen in ärmlichen Hütten bei den Feldern leben.

„Schon seit letztem Jahr versuchen wir, im Dialog mit der indischen Bayer-Tochter ProAgro das Problem der Kinderarbeit bei ihren Zulieferern zu lösen, leider ohne Erfolg. Deshalb wollen wir jetzt mit der OECD-Beschwerde den Druck auf das Unternehmen erhöhen und auch die staatliche Ebene in Deutschland einbeziehen“, so Cornelia Heydenreich von Germanwatch. Rainer Kruse von der deutschen Sektion des Global March Against Child Labour drängt auf unverzügliches Handeln: „Die Gesundheit und das Leben der Kinder darf nicht länger aufs Spiel gesetzt werden. Und sie müssen wieder in die Schule gehen können. Jede weitere Arbeitssaison schädigt eine neue Generation von Kindern.“

Philipp Mimkes von der Coordination gegen Bayer-Gefahren betont: „Dem Unternehmen sind die Zustände bei seinen Zulieferern seit Jahren bekannt. Es wäre für Bayer ein Leichtes gewesen, mit Hilfe höherer Abnahmepreise und strikter Kontrollen das Problem Kinderarbeit bei seinen Zulieferern zu lösen. Doch trotz öffentlicher Ankündigungen hat sich kaum etwas getan.“

Insgesamt sind in der indischen Baumwollproduktion mehr als Hunderttausend Kinder tätig. Shanta Sinha, die Generalsekretärin der indischen MV-Stiftung, die vor Ort gegen Kinderarbeit kämpft, nennt als deren Hauptursache die unfairen Vertragsbedingungen, die Konzerne wie Bayer den Baumwollfarmern aufzwängen. Die Preise, die ihnen von den Konzernen gezahlt werden, seien so niedrig, dass sie billige Kinderarbeiter in Schuldknechtschaft anstellen müssten. „Deshalb ist eine unserer Hauptforderungen, dass faire Verträge mit den Farmern geschlossen und bessere Preise gezahlt werden, damit die Ausbeutung der Kinder endlich aufhört!“

Die sechs Forderungen von Germanwatch, der Coordination gegen Bayer-Gefahren, der deutschen Sektion des Global March against Child Labour, der indischen MV-Stiftung, des Indien Komitees der Niederlande, des International Labor Rights Fund (USA), von Amnesty International Niederlande, von FNV Mondiaal (Niederlande), Hivos (Niederlande) und Novib/Oxfam Niederlande lauten:

1. Sofortige Umsetzung eines Aktionsplans, um Kinderarbeit in der indischen Baumwollindustrie abzuschaffen und um zu garantieren, dass jedes Kind zur Schule geht. Dies sollte in enger Kooperation mit Organisationen der Zivilgesellschaft und der Regierung erfolgen;
2. Zahlung fairer Preise an die Baumwollfarmer, damit sie erwachsene Arbeiter anstellen und diesen wenigstens den offiziellen Mindestlohn zahlen können, sowie gleiche Löhne für Männer und Frauen;
3. Abschaffung aller Formen von Schuldknechtschaft in der Baumwollsaatgutproduktion in Indien,
4. Schutzanzüge und -ausrüstung für die Arbeit mit Pestiziden sowie Trainingskurse für Farmer zur sicheren Handhabe von Pestiziden;
5. Die Rechte der Arbeiter zur Bildung von Gewerkschaften und zu gemeinsamen Tarifverhandlungen müssen respektiert werden;
6. Die Umsetzung dieser Forderungen muss öffentlich dargelegt und von unabhängigen Beobachtern überprüft werden.

Der neue Bericht „Kinderarbeit in der Baumwollsaatgutproduktion in Andhra Pradesh: Neueste Entwicklungen“ sowie ein zweiter ebenso aktueller Bericht zur Situation in den Nachbarstaaten Gujarat und Karnataka kann auf Englisch im Internet unter www.germanwatch.org runtergeladen werden. Hier finden Sie auch eine ins Deutsche übersetzte Stellungnahme der indischen MV-Stiftung zur Rolle der multinationalen Konzerne in Andhra Pradesh und weitere Dokumente zum Thema. Die OECD-Beschwerde und alle weiteren Materialien senden wir gerne zu.

Weitere Informationen und Interviews:
* Germanwatch, Cornelia Heydenreich, Tel: 030 - 28 88 35 64, Fax: 030 - 28 88 35 61, heydenreich@germanwatch.org, www.germanwatch.org
* Coordination gegen Bayer-Gefahren, Philipp Mimkes, Tel: 0211-333 911, Fax: 0211-333 940, info@cbgnetwork.org, www.CBGnetwork.org
* Global March Against Child Labour (deutsche Sektion), Rainer Kruse, Tel/Fax: 0711 - 467381, kruse@globalmarch.de, www.globalmarch.org

Indien

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 1. Oktober 2004

Aktivisten ketten sich an BAYER-Zentrale fest / Protest bis in die Nacht

„BAYER vergiftet unsere Nahrung“

Greenpeace-Aktivisten haben gestern bis in die Nacht vor der indischen BAYER-Zentrale in Bombay gegen umstrittene Gentechnik-Experimente des Konzerns protestiert. Sechs Demonstranten ketteten sich elf Stunden lang an das Eingangstor des Gebäudes fest und hielten ein Transparent mit der Aufschrift „Bayer vergiftet unsere Nahrung“ hoch. Greenpeace verlangt Informationen über Versuche der indischen BAYER-Tochter ProAgro mit genmanipulierten Gemüsesorten wie Kohl und Blumenkohl.

Die Blockade wurde erst beendet, als BAYER in ein Treffen und die Herausgabe von Versuchsergebnissen einwilligte.

Die Proteste richten sich gegen die Verwendung des Allergie-erzeugenden Gens Cry9C, das in menschlicher Nahrung nicht eingesetzt werden darf. Divya Raghunandan von Greenpeace India: „In Anbetracht der großen Gesundheitsrisiken des Cry9C-Gens sorgen wir uns um die Auswirkungen für Verbraucher und Landwirte. Wir fordern BAYER auf, alle Versuche mit dieser Gen-Veränderung einzustellen und alle bisherigen Forschungsergebnisse offen zu legen.“

Das Cry9C-Gen stand vor vier Jahren im Mittelpunkt des bislang größten Skandal der grünen Gentechnik: die Firma Aventis hatte in den USA Schäden in dreistelliger Millionenhöhe begleichen müssen, nachdem genmanipulierter Mais der Sorte „Starlink“ in Nahrungsmitteln gefunden worden war. Starlink war nur als Tierfutter zugelassen. Aventis CropScience wurde daraufhin von der Firma BAYER übernommen, die seitdem weltweit zweitgrößter Anbieter von Gen-Saatgut ist.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „BAYER scheint Indien als seinen dreckigen Hinterhof zu erachten. Der Konzern vertreibt dort Pestizide wie Monocrotophos, die für eine große Zahl tödlicher Vergiftungen verantwortlich sind und die in Europa längst verboten sind. Im vergangenen Jahr mussten Sprecher der BAYER-Tochter ProAgro einräumen, dass bei Zulieferern des Unternehmens in großem Maße Kinderarbeit eingesetzt wird. Und nun wird auch noch bekannt, dass Saatgut von Lebensmitteln mit einem Allergie-auslösenden Gen ausgestattet werden.“ Mimkes fordert BAYER auf, alle gentechnischen Freisetzungsversuche in Indien einzustellen und sämtliche Pestizide der Gefahrenklasse I vom Markt zu nehmen.

Gerne senden wir Fotos von den Protesten zu

[Editorial] Stichwort BAYER 04/2004

CBG Redaktion

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

die Stadt Brüssel hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zur „Lobby-Hauptstadt“ Europas entwickelt. Von den dort ansässigen 15.000 Lobbyisten vertreten rund zwei Drittel die Interessen von Industrie und Konzernen. Immer wieder gelingt es ihnen, Gesetze für Umwelt- und Verbraucherschutz oder für Arbeitnehmerrechte zu verwässern oder zu blockieren. Eine Koalition von mehr als 100 Organisationen aus ganz Europa, darunter ATTAC, GREENPEACE und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, hat daher EU-Kommissionspräsident José Barroso in einem Offenen Brief aufgefordert, den exzessiven Einfluss konzern-gesteuerter Lobbygruppen einzuschränken.

Die Chemie-Industrie ist in der Brüsseler „Lobby-Szene“ besonders stark repräsentiert. Unternehmen wie BASF, BAYER, DOW und DUPONT haben eigene Vertretungen bei der EU. BAYER ist zudem Mitglied hunderter von Lobbygruppen, darunter die European Crop Protection Association (Pestizid-Lobby), Europabio (Gentechnik-Lobby) und die European Federation of Pharmaceutical Industries. An der Spitze der Chemie-Propagandisten steht das European Chemical Industry Council - mit 140 MitarbeiterInnen eine der größten und einflussreichsten Lobbygruppen in Brüssel.

Momentan schießt die Chemie-Industrie aus allen Rohren gegen die Bestrebungen der EU-Kommission, Tausende von Chemikalien erstmals auf Umwelt- und Gesundheitsgefahren hin zu untersuchen. Aufgrund des Störfeuers der Konzerne, dem sich auch Bundeskanzler Schröder und BAYER-Intimus Clement angeschlossen haben, musste die EU die geplanten Gesetze jedoch erheblich abschwächen. In der Überarbeitung von REACH befinden sich zahlreiche Schlupflöcher für giftige Chemikalien - sofern sich nicht eine starke Bewegung für eine Erhöhung der Chemikalien-Sicherheit bildet, sind die Aussichten der Initiative sehr schlecht.

Dies ist nur ein aktuelles Beispiel dafür, wie es der Industrie immer wieder gelingt, den Entscheidungsprozess der EU zu manipulieren. Der Offene Brief an José Barroso betont daher, dass Europa vor einem Abdriften hin zu einer Steuerung der Politik durch die Konzerne, wie sie in den USA zu beobachten ist, bewahrt werden muss.

Immer wieder ist zu beobachten, dass EU-Kommissare oder hochrangige EU-Beamte die Seite wechseln und für Lobby-Organisationen arbeiten. Wir fordern daher mehrjährige Fristen, in denen solche Wechsel verboten sind. Darüberhinaus benötigen wir eine strikte Offenlegung der finanziellen Abhängigkeiten aller Lobbyisten. Die EU sollte hierfür eine verbindliche Registrierung aller Lobbyisten einführen, wobei auf Erfahrungen in Nordamerika aufgebaut werdenkann. PR-Firmen und Lobbygruppen, die auf EU-Institutionen einwirken, müssen verpflichtet werden, regelmäßige Berichte zu veröffentlichen, so dass Budgets, Tätigkeitsgebiete und Klienten über öffentliche Datenbanken jederzeit einsehbar sind.
Nur mit Hilfe solcher Schritte ließe sich eine demokratische Kontrolle der europäischen Gesetzgebungsverfahren zurück erlangen.

Erik Wesselius ist Mitarbeiter des Corporate Europe Observatory (Amsterdam), www.corporateeurope.org

[Unternehmenssteuern] Stichwort BAYER 04/2004

CBG Redaktion

Steuer-Oase Bundesrepublik

Wie BAYER sich arm rechnet

Im Jahr 2004 wartet Leverkusen wieder einmal vergeblich auf Gewerbesteuer-Überweisungen von BAYER. Wie andere Konzerne zahlt der Chemie-Multi in der Bundesrepublik kaum noch Steuern. Die Bücher „Asoziale Marktwirtschaft“ von Hans Weiss und Ernst Schmiederer und „Geheimnisse der Unternehmenssteuern“ von Lorenz Jarass und Gustav M. Obermair enthüllen, mit welchen ganz legalen Steuertricks BAYER & Co. Milliarden einsparen und Bund, Ländern und Kommunen so die größten Probleme bereiten.

Von Udo Hörster

„“Wann zahlt BAYER wieder Gewerbesteuer?„, fragte ein Journalist der Rheinischen Post BAYER-Chef Werner Wenning auf der letzten Bilanz-Pressekonferenz. “Wenn wir wieder Gewinne machen. 2004 nicht!„, antwortete der Vorstandsvorsitzende lapidar. “Gewinne im Sinne des Steuerrechts„ meinte er. Sein Leverkusener Werksleiter Walter Schulz gebrauchte diese präzisere Formulierung dankenswerterweise, als er in der Neuss-Grevenbroicher Zeitung erklärte, warum die Stadt Dormagen im Jahr 2001 von BAYER trotz satter Erträge keinen Cent Gewerbesteuer erhielt. “Wir müssen deutlich unterscheiden zwischen dem Bilanz-Gewinn eines Unternehmens und dem so genannten steuerpflichtigen Gewerbe-Ertrag, der für die Gewerbesteuer maßgeblich ist„, dozierte er. Diese Unterschiede zwischen dem ausgewiesenen Gewinn, dem realen und dem versteuerten, über den das Steuer-Geheimnis gnädigerweise den Mantel des Schweigens hüllt, vergrößern sich mehr und mehr.

Der Pharma-Riese zahlte erstmals im Jahr 1999 an seinem Leverkusener Stammsitz keine Gewerbesteuer mehr und dann nochmals 2001 und 2003, während es - bei deutlich niedrigeren Erträgen - 1990 noch 123 Millionen Euro waren. An den Standorten Dormagen, Wuppertal, Brunsbüttel und Krefeld flossen die Gelder ebenfalls zunehmend spärlicher. Gründe dafür fanden sich immer: Pensionsrückstellungen, der LIPOBAY-GAU oder die schlechte Konjunktur. In Wirklichkeit lag es aber an den Rechenkünsten der Steuer-Abteilung und den sich ständig vergrößernden Steuer-Schlupflöchern. Die Hiobsbotschaften aus der Konzern-Zentrale veranlassten die Kommunal-PolitikerInnen regelmäßig, Haushaltssperren zu verhängen. “So viele Schwimmbäder können wir gar nicht schließen, um die Steuer-Ausfälle aufzufangen„, stöhnte der Leverkusener Oberbürgermeister Paul Hebbel vor drei Jahren. Seitdem kürzt und streicht die Kommune an allen Ecken und Enden, ohne aus der Bredouille zu kommen. Im Jahr 2004 machte die Industrie- und Handelskammer einen drastischen Spar-Vorschlag, der den Verkauf des Rathauses, die Privatisierung der Verkehrsbetriebe, des Parkhauses und der Schulgebäude-Reinigung vorsah. Aber nicht mal das konnte Leverkusen wieder finanziellen Handlungsspielraum verschaffen. “Das alles reicht nicht aus, um wieder Land zu sehen„, konstatierte der CDU-Politiker Klaus Hubbert resigniert.

Gleichzeitig schrumpfte die an das Land zu zahlende Körperschaftssteuer, weil ihr ein ähnlicher Bemessungsschlüssel wie der Gewerbesteuer zugrunde liegt. Im Jahr 2002 erhielt BAYER sogar eine Rückzahlung in Höhe von 250 Millionen Euro. Mehr oder weniger ein interner Rechen-Vorgang. Der ehemalige Steuer-Chef des Leverkusener Chemie-Multis, Heribert Zitzelsberger, war nämlich als Staatssekretär ins Finanzministerium gewechselt und tat dort das, was er sonst auch immer gemacht hat: BAYER so viel Steuern wie möglich zu ersparen.

Die unter seiner Federführung entstandene “Unternehmenssteuer-Reform„ senkte den Körperschaftssteuersatz von 40 auf 25 Prozent ab. Wenn die Unternehmen ihren zu den alten Bedingungen versteuerten Gewinn nachträglich an die AktionärInnen ausschütteten, konnten sie sogar noch rückwirkend in den Genuss der Herabsetzung kommen. Der Pharma-Riese ließ sich das nicht zweimal sagen, erhöhte seine Dividende auf astronomische 1,40 Euro und erhielt vom Finanzamt 250 Millionen zurück.

Zudem stellte das Gesetzes-Werk Veräußerungsgewinne steuerfrei. BAYER brauchte aus diesem Grund für den Erlös aus dem Verkauf seiner Beteiligung an der EC ERDÖLCHEMIE keinen Cent an den Fiskus abzuführen. Parallel dazu erleichterten Zitzelsberger & Co. den Kauf von Unternehmen oder einzelner Teile, wovon der Gen-Gigant zuletzt beim Erwerb der ROCHE-Sparte “rezeptfreie Medikamente„ gehörig profitierte. “In Deutschland können als einzigem Industrie-Land der Welt alle Ausgaben (auch Schuld-Zinsen für Beteiligungen) de facto voll steuerlich abgesetzt werden„, ereifern sich Jarass und Obermair in ihrer Kritik der “Reform„. Darum wählen die Multis bevorzugt die Bundesrepublik aus, um derartige “Unkosten„ abzusetzen. Auf 100 Milliarden “Verlust-Vortrag„ kommen die 30 DAX-Unternehmen zusammen; BAYER schiebt Miese von fast zwei Milliarden Euro vor sich her, weshalb selbst zwei Jahre mit Milliarden-Gewinnen wie 2001 und 2002 steuer-technisch ein Nullsummenspiel ergeben würden. Zu allem Überfluss darf der Pillen-Produzent seine Aufwändungen für ROCHE samt der fälligen Zinsen den Finanz-Behörden in Rechnung stellen, obwohl die neue BAYER-Tochter mit ihrem Sitz in Basel hierzulande gar keine Abgaben zahlt. Auf ein Nichts noch über Jahre steuermindernde Abzüge zu bekommen - das geht nur in der Steuer-Oase Bundesrepublik. Dank der billigen Zinsen greifen die Firmen bei ihren Investitionen zunehmend auf Fremdkapital zurück. Bei BAYER ging die Eigenkapital-Quote vom 1999er Höchststand 48 Prozent kontinuierlich auf 32,6 Prozent im Jahr 2003 zurück.

Solche Zins-Transaktionen und andere Finanz-Operationen des Konzerns wickelt BAYER INTERNATIONAL ab. Die Gesellschaft sitzt in Belgien, weil dort keinerlei Körperschaftssteuern anfallen. So zahlte sie 2002 für einen Gewinn von 96 Millionen Euro nur 0,61 Prozent Steuern: 0,58 Millionen. Die EU-Wettbewerbsbehörde sieht in dem unmoralischen belgischen Angebot eine illegale Subventionsvergabe und forderte Maßnahmen. BAYER und die anderen im “European Roundtable of Industrialists„ (ERT) organisierten Multis erreichten einen Aufschub bis mindestens 2010.

Aber nicht nur mit Kauf und Verkauf, auch mit Gewinn/Verlust-Zahlenakrobatik sparen die Multis dank der Unternehmenssteuerreform gehörig. Das Regelwerk schuf das Konstrukt der Organschaft, welches die Verrechnung von Gewinnen und Verlusten innerhalb eines Konzern-Verbundes ermöglicht. Dabei kam stets die Formel zur Anwendung, die Gewinne in Ländern mit niedrigen Steuer-Sätzen und die Verluste in denen mit offiziell hohen anfallen lässt. Global gehandelte Medikamente wie ASPIRIN eigneten sich dabei besonders gut als Manövriermasse. Der Pharma-Riese berechnet seinen Tochter-Gesellschaften nicht nur Lizenz-Gebühren, sondern auch Herstellungskosten. Der Preis-Gestaltung sind kaum Grenzen gesetzt, seit der Bundesfinanzhof die Firmen im Jahr 2001 von der Verpflichtung enthob, Nachweise für die Kalkulationen zu erbringen. “Wie soll man als Finanz-Fahnder kontrollieren, ob die Herstellung von 20 ASPIRIN-Tabletten drei Euro oder drei Cent kostet?„, fragt ein Beamter in “Asoziale Marktwirtschaft„ ratlos. Nach seiner Ansicht wären die Global Player auch dumm, wenn sie ihre Gewinne nicht in Billigsteuer-Länder verschieben würden. “Und den Pharma-Konzernen kann man vieles vorwerfen, aber ganz gewiss nicht, dass sie dumm sind. In dieser Hinsicht gehören sie zu den Klügsten„, stellt der Fahnder fest.

Auch ein neuer Erlass-Entwurf des Finanzministeriums, der einen Kontroll-Abgleich intern und extern berechneter Preise erlaubt, dürfte ihrer Schlauheit kaum Grenzen setzen. Den Finanz-BeamtInnen ist es aufgrund des Steuergeheimnisses nämlich nicht gestattet, sich vor den Finanzgerichten auf diese Informationen zu berufen. “Wir haben mit Herrn Zitzelsberger unseren besten Mann entsandt und gehen davon aus, dass er in unserem Sinne tätig wird„, kommentierte der damalige BAYER-Vorstandsvorsitzende Manfred Schneider auf der Hauptversammlung im April 1999 den Wechsel seines Steuer-Chefs ins Eichel-Ministerium sinngemäß. Diese Erwartungen hat Heribert Zitzelsberger bis zu seinem plötzlichen Tod Ende 2003 mehr als erfüllt.

Aber auch seine Vorgänger haben schon ganze Arbeit geleistet. Sie räumten BAYER & Co. unter anderem großzügige Abschreibungsmöglichkeiten ein. So setzten die Multis fleißig Wert-Verluste für Anlagen und andere Güter in ihre Bilanzen ein und häuften damit “stille Reserven„ en masse an. In anderen Ländern wie z. B. den USA gelänge ihnen das nicht. Dort können sie eine solche Regelung nur in Anspruch nehmen, wenn ein Verkauf stattfindet und sich die Wert-Minderung tatsächlich realisiert.

Und das Finanzamt? Schaut es den Abschreibungskünsten, Gewinn/Verlust-Akrobatiken und sonstigen Steuer-Jonglierereien tatenlos zu? Ja. Die BetriebsprüferInnen seien “absolut chancenlos„, sagt ein Wirtschaftsanwalt, welcher der Industrie für einen Stundenlohn von 600 Euro tausend ganz legale Steuer-Tricks verrät. “Irgendeine Lücke gibt es immer, in jedem System. Ich werde dafür bezahlt, sie zu finden„, so der Mann für alle Fälle. Manchmal muss er sich nicht einmal sonderlich anstrengen. Die JuristInnen von BAYER & Co. wirken nämlich schon bei der Gestaltung der Gesetze mit und bauten die Schlupflöcher gleich mit ein. Entsprechend mager schätzt der Konzern-Prüfer Dietmar Prugger seine Erfolgsaussichten ein. “Die Betriebsprüfung kann nur die gröbsten Missstände beseitigen„, gesteht der Finanzbeamte. Noch dazu trifft es dabei am häufigsten mittelständische Betriebe. “Am meisten geprüft wird bei den Kleinbetrieben, am wenigsten bei den Großbetrieben. So macht man Wirtschaftspolitik„, weiß Prugger.

Wirtschaftspolitik dieser Art hat die Steuern auf Einkommen aus unternehmerischer Tätigkeit von 1980 bis 2003 nur um das Anderthalbfache, von 50 auf 71 Milliarden Euro anwachsen lassen, bei exorbitanten Gewinn-Sprüngen, während das Aufkommen aus Lohnsteuer und Sozialabgaben im gleichen Zeitraum um das 2,8fache stieg, von 150 auf 420 Milliarden. Der offizielle Steuer-Satz von 40 Prozent auf Gewinne blieb für die Finanzämter ein schöner Traum: Tatsächlich zahlten BAYER und die anderen 29 DAX-Unternehmen durchschnittlich nur etwa 10 Prozent! Die Differenz landete unter anderem bei den AktionärInnen. Dürften die Konzerne abzüglich der 40 Prozent Steuern eigentlich nur 60 Prozent ihres Gewinnes ausschütten, also das Anderthalbfache, so beglücken sie die ShareholderInnen mit dem Zwei- bis Fünffachen der Summe. “Diese Diskrepanz weist auf erhebliche Defizite bei der Steuer-Erhebung hin„, bemerken Jarass und Obermair.

EU-weit bittet nur Griechenland die Konzerne weniger zur Kasse. Da hält sich sogar das Wirtschaftsorgan Handelsblatt mit Kritik zurück: “Im internationalen Vergleich ist Deutschland eine Steuer-Oase. Kapital-Gesellschaften leisten en bloc überhaupt keinen Beitrag mehr zur Staatsfinanzierung (...) Die Steuer-Last, über die die deutsche Wirtschaft klagt, ist eher ein Phantomschmerz.„ Bald gibt es vielleicht noch weniger Grund zur Klage. Lorenz Jarass prophezeit einen weiteren Sinkflug der Unternehmenssteuern. Da bleibt nur das Fazit der “Asoziale Marktwirtschaft„-Autoren: “Was wir herausgefunden haben, lässt sich auf den einfachen Satz bringen: ‚Die Konzerne plündern den Staat aus, auf jede nur erdenkliche Weise - immer gedeckt durch die Gesetze".

Asoziale Marktwirtschaft; Hans Weiss/Ernst Schmiederer; 341 S.
Geheimnisse der Unternehmenssteuern; Lorenz Jarass/Gustav M. Obermair; 180 S.
Beide Bücher sind beim j5A-Versand zu bestellen: www.j5A.net

[AIDS-Skandal] Stichwort BAYER 04/2004

CBG Redaktion

AIDS-Skandal: Neue Dokumente

„Das ist doch Mord!“

Im letzten Jahr verklagten asiatische Bluter-Patienten BAYER. Wie bislang unbekannte Firmen-Unterlagen belegen, hat der Leverkusener Chemie-Multi Bluter mit seinem Gerinnungspräparat KOATE bewusst dem „AIDS“-Risiko ausgesetzt. Der im September ausgestrahlte WDR-Film „Tödlicher Ausverkauf - wie ‚AIDS‘ nach Asien kam“ dokumentiert nun detailliert, mit welcher Kaltblütigkeit der Konzern für seinen Profit über Leichen ging.

Von Jan Pehrke

„Warum ich? Was habe ich verbrochen, dass sie mich mit ‚AIDS‘ ansteckten? Ärzte sollen den Menschen helfen, aber die Ärzte in Hongkong hatten keine Chance. Sie mussten die Mittel anwenden, die sie bekamen. Schuld ist allein CUTTER, die Pharma-Firma in San Francisco“, klagt der 25-jährige Bluter Menn die US-amerikanische BAYER-Tochter in Egmont R. Kochs Film an. Sein Gesicht hält er dabei vor der Kamera verborgen. Erst nach langem Zögern hatte er sich zu den Aufnahmen bereit erklärt - in asiatischen Ländern sind „AIDS“-Kranke besonders stark von sozialer Ausgrenzung bedroht. Aber Menn stellte sich den Fragen des Filmemachers, weil er zu den Blutern gehört, die einen Prozess gegen BAYER führen. „Die Pharma-Firma muss vor Gericht gestellt werden! Sie hat das Medikament verkauft, obwohl sie wusste, dass es mit ‚AIDS‘ verseucht ist. Nur wegen des Profits! Das ist doch Mord!“, so der Hongkonger.
Die BAYER-Gesellschaft CUTTER hatte in den achtziger Jahren nicht hitze-behandelte und daher mit einem hohen „AIDS“-Risiko behaftete Margen des Blutplasma-Produkts KOATE nach Asien geliefert. In den USA hatte CUTTER das Mittel da schon längst durch das sichere KOATE HT ersetzt; den Verkauf des alten Präparats verbot die Gesundheitsbehörde. Auch die Hongkonger Vertriebsfirma des Unternehmens verlangte nach dem KOATE HT, erhielt jedoch eine abschlägige Antwort aus den USA. „Wir müssen die Lager-Bestände aufbrauchen“ lautete die in den Akten-Vermerken niedergelegte Verkaufsstrategie. Einfach entsorgen wollte BAYER das Hochrisiko-Produkt auf keinen Fall, der Konzern hatte sich in langfristigen Verträgen mit den Behörden zu einem bestimmten Festpreis verpflichtet und dachte nicht daran, das in der Herstellung teurere KOATE HT zu diesen Konditionen abzugeben. Nicht einmal als das Hongkonger Gesundheitsministerium den Vertriebschef zum Rapport einbestellte, der Druck von Patienten-Seite immer mehr zunahm, und JournalistInnen das Thema zu einem Skandal zu machen drohten, änderten die CUTTER-ManagerInnen ihre Haltung. Die einzige Reaktion aus San Francisco: „Wir haben den Universitätsärzten ...350 Flaschen des neuen, hitze-behandelten KOATES besorgt ... für jene Patienten, die am lautesten jammern.“ In Japan verfiel das Pharma-Unternehmen sogar darauf, die Zulassung von KOATE HT hinauszuzögern, um noch möglich viel von der „heißen Ware“ absetzen zu können.
Nur zwei Manager erklärten sich bereit, Koch Rede und Antwort zu stehen. Anfangs noch um Ausflüchte und Rechtfertigungen bemüht, kapitulierten sie schließlich vor der erdrückenden Macht der Fakten. Am Schluss des Interviews bekannte John H. Hink: „Ich denke, ich habe Fehler gemacht. Ich denke, ich hätte Dinge besser machen können. Und ich denke, unter diesen Umständen, wenn man die Folgen sieht, bin ich froh, jetzt darüber reden zu können“.
Diese Redebereitschaft zeigten die bundesdeutschen BAYER-Manager nicht. Sie lehnten es ab, vor laufender Kamera Stellung zu nehmen. Per Fax bekundete der Chemie-Multi „größtes Mitgefühl“ mit den Opfern, schloss aber „jegliches Fehlverhalten bei der Herstellung und Vermarktung dieser Produkte“ kategorisch aus.
Dabei laufen für den Opfer-Anwalt Charles A. Kozak alle Fäden des „AIDS“-Skandals in der Leverkusener Konzern-Zentrale zusammen. „Wir haben in den Dokumenten sehen können, dass BAYER gleich zu Anfang der ‚AIDS‘-Katastrophe jemanden herüberschickte, um die Strategie festzulegen. Und die entschieden dann, dass, obwohl wahrscheinlich innerhalb von ein, zwei Jahren 5.000 Bluter an “AIDS„ erkranken würden, CUTTER die Produkte weiter vermarkten solle“, führt Kozak aus.
Auf der Haben-Seite dieser brutalen Geschäftspraxis verbuchte der Multi vier Millionen Dollar KOATE-Verkaufserlöse in Asien.

[Indien] Stichwort BAYER 04/2004

CBG Redaktion

Nach anhaltenden Protesten:

BAYER stoppt Gentechnik in Indien

Auch außerhalb Europas wird die Luft für die Gentechnik dünner. In Indien stößt sie auf massiven Widerstand, weshalb BAYER in dem Land für die Zukunftstechnologie keine Zukunft mehr sah.

Von GREENPEACE/CBG

Indische Greenpeace-Aktivisten haben am 30. September bis in die Nacht vor der BAYER-Zentrale in Bombay gegen umstrittene Gentechnik-Experimente des Konzerns protestiert. Sechs Demonstranten ketteten sich elf Stunden lang an das Eingangstor des Gebäudes fest und hielten ein Transparent mit der Aufschrift „BAYER vergiftet unsere Nahrung“ hoch. GREENPEACE verlangt Informationen über Versuche der indischen BAYER-Tochter PROAGRO mit gen-manipulierten Gemüsesorten wie Kohl und Blumenkohl. Die Blockade wurde erst beendet, als BAYER einem Treffen zustimmte und in die Herausgabe von Versuchsergebnissen einwilligte.
Die Proteste richten sich gegen die Verwendung des Allergie-erzeugenden Gens Cry9C, das in menschlicher Nahrung nicht eingesetzt werden darf. Divya Raghunandan von GREENPEACE-India: „In Anbetracht der großen Gesundheitsrisiken des Cry9C-Gens sorgen wir uns um die Auswirkungen für Verbraucher und Landwirte. Wir fordern BAYER auf, alle Versuche mit dieser Gen-Veränderung einzustellen und alle bisherigen Forschungsergebnisse offen zu legen“.
Das Cry9C-Gen steht im Mittelpunkt des bislang größten Skandal der grünen Gentechnik: die Firma AVENTIS hatte in den USA Schäden in dreistelliger Millionenhöhe begleichen müssen, nachdem vor vier Jahren genmanipulierter Mais der Sorte STARLINK in Nahrungsmitteln gefunden worden war. AVENTIS CROPSCIENCE wurde daraufhin von der Firma BAYER übernommen, die seitdem weltweit zweitgrößter Anbieter von Gen-Saatgut ist.

Mit dieser und anderen Aktionen hatte die Gentechnik-GegnerInnen schließlich Erfolg. Mitte November konnte GREENPEACE melden: „BAYER gibt die Forschung an genmanipulierten Pflanzen in Indien auf“. Nach einer an das indische GREENPEACE-Büro adressierten Konzern-Mitteilung „will BAYER CROPSCIENCE in den nächsten Jahren seinen Schwerpunkt auf die normale Pflanzen-Züchtung verlegen“. Alle bisherigen Projekte wurden gestoppt. Zu den Pflanzen-Arten, an denen BAYER in Indien geforscht hat, gehören Kohl, Raps, Blumenkohl, Tomaten und Senf. Bereits im März 2004 gab der Konzern seinen Rückzug in England bekannt, im Juni wurde der Versuch aufgegeben, Gen-Raps in Australien zu verkaufen.
„BAYER sollte auch in Europa klare Zeichen setzen und jetzt seine Zulassungsanträge zu Gen-Reis, Gen-Raps und Gen-Mais zurückziehen“, fordert Christoph Then, Gentechnik-Experte von GREENPEACE Deutschland. „Weder wollen die Verbraucher Gen-Food essen, noch lassen sich diese Pflanzen in Europa anbauen, ohne die gentechnik-freie Landwirtschaft durch Pollenflug massiv zu belasten. So fliegt der Pollen beim Gen-Raps mehr als 20 Kilometer weit.“ Ein BAYER-Sprecher bestätigte am Freitag den Ausstieg und sagte, man wolle sich auf bestimmte Teilbereiche konzentrieren und beobachte die konstante Verbraucher-Ablehnung in Europa mit Sorge. An einen generellen Rückzug werde hier allerdings nicht gedacht.
„Wir brauchen keine Gen-Pflanzen in Indien“, sagt Divya Raghunandan, Gentechnik-Expertin von GREENPEACE-Indien. „Global gesehen haben sich die Versprechungen der Gen-Industrie nicht erfüllt, ob es sich nun um höhere Erträge oder um eine Verringerung der Spritzmittel handelt. BAYER hat die Zeichen der Zeit erkannt und sich aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Geschäft mit den Gen-Pflanzen zurückgezogen. Der Konzern weiß genau, dass die Verbraucher in Indien das Gen-Gemüse nicht akzeptieren werden.“
Das nach China bevölkerungsreichste Land der Welt, in dem 80 Prozent der Menschen ihr Auskommen in der Landwirtschaft finden, bietet einen gewaltigen Markt für Agrochemie und Saatgut-Unternehmen. Der Rückzug von BAYER aus dem Geschäft mit Gen-Pflanzen dürfte auch ein alarmierendes Zeichen für andere Konzerne sein. Mit seiner Entscheidung, sich aus dem Geschäft mit Gen-Pflanzen zumindest in Teilbereichen zurückzuziehen, steht BAYER nicht alleine. Auch die Firma MONSANTO, die weltweit das meiste Saatgut für Gen-Pflanzen verkauft, hat in diesem Jahr die Forschung an Gen-Weizen gestoppt, ebenso die Forschung an Gen-Raps in Australien.

[Konzernlobbying] Stichwort BAYER 04/2004

CBG Redaktion

BAYER macht EU-Politik

Kommission immer industrie-freundlicher

Die neue EU-Kommission hat sich vollends dem Primat der Ökonomie verschrieben. Die Riege um den portugiesischen Präsidenten José Manuel Durão Barroso hat sich vorgenommen, die „Lissabon-Strategie“ konsequenter zu verfolgen, wonach Europa bis 2010 „die wettbewerbsfähigste wissensgestützte Wirtschaft der Welt“ werden soll. Dabei erwies sich in der Vergangenheit besonders die Umweltpolitik als störend. In Gestalt der Chemikalien-Verordnung brachte diese BAYER & Co. gehörig gegen Brüssel auf. Ihr Protest gegen das Vorhaben führte schließlich zu einer Neuausrichtung der gesamten EU-Politik.

Von Jan Pehrke

Eigentlich ist es die normalste Sache von der Welt: Wenn Unternehmen ein neues Produkt herausbringen, müssen sie gesundheitsgefährdende Wirkungen ausschließen können. Bei der Chemie stimmt das jedoch nicht. Auf dem Markt tummeln sich tausende niemals auf ihr mögliches Schadenspotenzial hin untersuchte Stoffe. Unter der Umweltkommissarin Margot Wallström nahm sich die EU endlich dieses unhaltbaren Zustandes an. Mit der Chemikalien-Verordnung wollte die Schwedin die Chemie-Firmen zu den entsprechenden Tests verpflichten. Die Konzerne stiegen auf die Barrikaden und entwarfen ein Horror-Szenario: immenser bürokratischer Aufwand, große Mehrkosten und drohende Arbeitsplatz-Verluste in Millionen-Höhe.
Auf dem kleinen Dienstweg wandte sich BAYER umgehend an Bundeskanzler Gerhard Schröder. Dieser intervenierte sogleich beim damaligen Kommissionspräsidenten Romano Prodi und wetterte bei jeder Gelegenheit gegen „diese Dame aus Schweden“, Umweltkommissarin Margot Wallström. Die Bundesregierung brachte das Thema immer wieder auf die Tagesordnung. Mit Erfolg. Schröder meldete 2003 auf der Mitgliederversammlung des Europäischen Chemie-Verbandes CEFIC Vollzug und dankte dem Industrie-Kommissar Erkki Liikanen für seine Obstruktionspolitik. „Die Kommission hat einen ersten Entwurf des neuen Zulassungsverfahrens für chemische Stoffe Anfang Mai veröffentlicht. Wenn ich das mit dem vergleiche, was ursprünglich gewollt und in Form von Büchern auf dem Tisch lag, hat sich ihre Arbeit, Herr Liikanen, gelohnt“, führte der Bundeskanzler aus und lobte den Finnen dafür, „dass industrie-politisches Denken mehr als früher Gegenstand von Kommissionsarbeit geworden ist“. Mehr als früher, aber noch lange nicht genug, befand Wolfgang Clements Staatssekretär Georg Wilhelm Adamowitsch: „Die Industrie-Politik hat in der EU kein eigenes politisches Standbein“. Eigentlich sollte die von den MinisterpräsidentInnen im März 2000 beschlossene „Lissabon-Strategie“ ihr eines verschaffen. Die PolitikerInnen wollten aus Europa mit dieser Richtschnur bis zum Jahr 2010 „die wettbewerbsfähigste wissensgestützte Wirtschaft der Welt“ machen. Aber mit Chemie-Gesetzen und anderen nicht zum imperialen Kerngeschäft gehörenden Aktivitäten rückt dieses Ziel in weite Ferne, urteilten die Industrie-PolitikerInnen.
Adamowitsch setzte sich flugs daran, den Abstand zu verringern. Er führte Geheim-Gespräche mit französischen und britischen RegierungsvertreterInnen und schmiedete die „Koalition der Industrie-Länder“. Dabei handelt es sich um ein Übereinkommen der wirtschaftlich leistungsfähigsten EU-Staaten, die Interessen von „nationalen Champions“ wie BAYER künftig noch stärker zu berücksichtigen. Unter anderem trat die Koalition dafür ein, in Zukunft jedes EU-Gesetz einer Art Wirtschaftsverträglichkeitsprüfung zu unterziehen.
Der Brüsseler Lobby-Verband von BAYER & Co., der „European Roundtable of Industrialists“ (ERT) witterte Morgenluft. BAYER-Aufsichtsrat Manfred Schneider und die anderen Mitglieder, die sich durch „Zugang zu höchsten Regierungsmitgliedern“ ihr Entrée in den exklusiven Club verschafft haben, schrieben im Februar 2004 zum Frühjahrsgipfel der EU einen Brief an den Ratsvorsitzenden Bertie Ahern. Daran gaben sie ihrer „tiefen Sorge über die fortgesetzte Aushöhlung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit Ausdruck“ und verlangten als Muntermacher einen EU-Kommissar, „der sich exklusiv um alle Aspekte einer zum Wachstum führenden Industrie-Strategie kümmert“. Schröder schloss sich dem Begehr nach einem Super-Kommissar postwendend an. Er wusste sogar schon einen geeigneten Kandidaten für das Amt: Günter Verheugen.
All diese industrie-politischen Wünsche erfüllten sich mit der neuen Kommission. Präsident José Manuel Durão Barroso erklärte das Vorantreiben der Lissabon-Strategie zum höchsten Ziel seiner Regierungsmannschaft. Als sein Stellvertreter bei der Koordination des Vorhabens fungiert der von Schröder auserkorene Super-Kommissar Günter Verheugen. Formell hat er zwar nicht mehr Rechte als seine KollegInnen, weil das gegen geltende EU-Gesetze verstoßen hätte, aber es handle sich doch um eine „ganz herausgehobene Position“, freute sich der Kanzler und mit ihm DGB-Chef Michael Sommer und der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI). Bei der Anhörung durch das EU-Parlament ließ Verheugen keinen Zweifel an seiner Amtsauffassung. Die Kommission werde sämtliche Instrumente einsetzen, um allen Unternehmen so günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sie auf dem Weltmarkt mithalten können„, führte er aus. Über viele dieser Instrumente verfügt der Industrie-Kommissar selber. Ihm obliegt es, den Primat der Ökonomie durchzusetzen. Er kann alle Gesetzes-Entwürfe auf ihre Wirtschaftsverträglichkeit hin prüfen und gegebenenfalls ein Veto einlegen. Bei der Chemikalien-Verordnung liegt es sogar komplett in seiner Hand, solche Zweifel gar nicht erst aufkommen zu lassen. Verheugen - und nicht etwa der Umweltkommissar - organisiert nämlich die Umsetzung, schließlich verdankt er der Auseinandersetzung um die Regelung seinen Arbeitsplatz.
Der Umweltausschuss-Vorsitzende Karl-Heinz Florenz (CDU) dürfte Verheugens Arbeit tatkräftig unterstützen. Er entstammt BAYERs Homeland Nordrhein-Westfalen und geht beim Konzern ein und aus. Als die BAYER-Abteilung “Gouvermental & Product Affairs„ (GPA) in Straßburg zu einem “Parlamentarischen Abend„ lud, machte er dem Gastgeber viel Freude und trat für eine Maximal-Lösung in Sachen “Chemie-Gesetz„ ein. “Bei der weiteren Diskussion ist es mit einem bloßen Drehen an den Stellschrauben nicht getan - diese Verordnung muss komplett überarbeitet werden„, ereiferte sich Florenz.
Widerstand gegen diese konzertierte Aktion ist von Seiten des Umwelt-Kommissars nicht zu erwarten. Margot Wallström wurde auf das VizepräsidentInnen-Amt weggelobt, und ihr von der Faz als wirtschaftsnah bezeichneter Nachfolger Stavros Dimas sieht sich ihrem chemie-kritischen Kurs nicht verpflichtet. “Für die wirtschaftliche Reform-Orientierung der Kommission spricht auch die Besetzung des Umwelt-Ressorts„, urteilt die Zeitung deshalb. Für diese “Reform-Orientierung„ sprechen die anderen personal-politischen Entscheidungen ebenfalls. Die Niederländerin Neelie Kroes-Smit empfahl sich durch zwei Dutzend Aufsichtsratsmandate, BeraterInnen-Verträge und die Verwicklung in einen Umwelt-Skandal für den Job der Wettbewerbskommissarin und Peter Mandelson durch die Neoliberalisierung der Labour-Party in Tateinheit mit Tony Blair für den des Außenhandelskommissars. Dem Binnenmarkt-Kommissar Charlie McCreevy eilt der Ruf eines “keltischen Thatchers„ voraus und der Spanier Joaquín Almunia führte sich durch sein Eintreten für weitere Sozial- und Renten-Reformen bestens in die Kommissarsrunde ein. Nur die härtesten Fälle, den katholischen Fundamentalisten Rocco Buttiglione und die ihre Karriere der Öl-Industrie verdankende und mit ihrer Partei in einen Spenden-Skandal verwickelte Lettin Ingrida Udre akzeptierte das Straßburger Parlament nicht. Die Vereinigte Linke stimmte gegen die Borroso-Kommission, weil sie noch mehr als die vorherige dem “Kult des Marktes„ erliege, die Grünen schlossen sich an.
Aber am neoliberalen Kurs Europas ändert das alles nichts. Seit einiger Zeit weisen alle Signale in diese Richtung. Der im September veröffentlichte Arbeitsmarkt-Report plädierte für eine Flexibilisierung der europäischen Arbeitsmärkte und für Privatisierungen im Dienstleistungsbereich, wofür die nach dem bisherigen Binnenmarkt-Kommissar benannte “Bolkenstein-Richtlinie„ dann die EU-weiten Rahmenbedingungen liefern will. Erwartungsgemäß empfahl auch die zur Evaluierung des bisher mit der Lissabon-Strategie Erreichten eingesetzte Kok-Kommission den Ausverkauf von Wasser- und Stromversorgung sowie Telekommunikations- und Verkehrsangeboten. Nur durch Kraft-Anstrengungen wie diese könne Europa, dem es am “richtigen Klima für Unternehmer„ fehle, die hochgesteckten Ziele noch erreichen, konstatierte die Riege um den früheren holländischen Ministerpräsidenten Wim Kok. Über ihre Vorschläge zur Neuausrichtung des Lissabon-Projekts, das die bundesdeutsche Monopol-Kommission wegen ihres aggressiven Charakters als tief in “militärischen Denk-Tradition„ stehend geißelte, beraten die europäischen Ministerpräsidenten bei einem Treffen im März.
Wegen dieses Fundamental-Ökonomismus' macht ATTAC die EU als treibende Kraft der neoliberalen Globalisierungsmaschinerie aus. Die französische Sektion des Netzwerkes hat deshalb gemeinsam mit CORPORATE WATCH, CEO, der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und anderen Gruppen einen Offenen Brief an Kommissionspräsident Borroso geschrieben. Darin protestierten die Initiativen gegen die zunehmend industrie-freundliche Ausrichtung der EU-Politik und den wachsenden Einfluss der Lobby-Verbände von BAYER & Co. “Immer öfter setzen sich Partikular-Interessen einzelner Industrie-Zweige gegenüber dem Allgemeinwohl durch - dies ist mit demokratischen Prinzipien nicht zu vereinbaren. So wurde auf Druck der deutschen Chemie-Industrie die ursprünglich ambitionierte Reform der EU-Chemikalien-Gesetzgebung vollkommen verwässert„, kritisierte CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in dem Schreiben. Der Offene Brief dürfte nicht die letzte Aktion gegen das “Europa der Konzerne" gewesen sein.

[Südafrika] Stichwort BAYER 04/2004

CBG Redaktion

Südafrika: Chrom im Grundwasser

Brunnenvergifter BAYER

Wieder einmal macht BAYERs Chrom-Fabrik im südafrikanischen Durban Schlagzeilen. Rückstände des Werkes vergiften das Grundwasser in der ganzen Umgebung.

Von Philipp Mimkes

Die Stadtverwaltung von Durban/Südafrika hat hochgefährliche Chromverbindungen im Grundwasser gefunden. Die Krebs erregenden Stoffe treten in der Umgebung des Chemie-Werks der Firma BAYER im Süden der Stadt auf. Den AnwohnerInnen wurde dringend angeraten, das Wasser aus angrenzenden Brunnen weder zum Kochen noch zum Trinken zu verwenden. Nach Angaben des Unternehmens geht die Kontamination auf „historische Verunreinigungen“ zurück - wie diese in den Untergrund gelangten, sei unklar. Umi Sankar, Leiter des Gesundheitsamts von Durban, empfahl allen Personen, die kontaminiertes Wasser getrunken haben, sofort eine/n MedizinerIn aufzusuchen. VertreterInnen lokaler Bürgerinitiativen zeigen sich besorgt, dass das vergiftete Grundwasser in schadhafte Trinkwasser-Leitungen eindringen könnte.

Axel Köhler-Schnura von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG): „Die Chrom-Fabrik in Durban war bereits für eine Vielzahl von Vergiftungsfällen verantwortlich. Wir fordern die Firma BAYER auf, das Gelände gründlich zu dekontaminieren und alle Vergiftungsopfer angemessen zu entschädigen“.

Der Leverkusener Chemie-Multi hatte die Durbaner Firma CHROME CHEMICALS 1968 übernommen und dort bis 1991 sogenanntes sechswertiges Chrom hergestellt. Wegen mangelhafter Sicherheits-Einrichtungen kam es in dem Betrieb seit den 70er Jahren zu einer großen Zahl von Vergiftungsfällen. Ein Drittel der Belegschaft erlitt bleibende Gesundheitsschäden, mindestens acht Arbeiter starben an Lungenkrebs, zwei weitere an Tuberkulose. Selbst die Apartheids-Regierung hatte 1976 in einem Bericht Sicherheitsmängel und Gesundheitsprobleme der Belegschaft moniert. Wörtlich hieß es in der Untersuchung: „Die Ergebnisse sind extrem beunruhigend und lassen mangelnde Fürsorge bezüglich des physischen Wohlergehens der Arbeiter erkennen“.

Nach Protesten südafrikanischer Gewerkschaften sowie der CBG schloss BAYER 1991 die Produktion von sechswertigem Chrom und entließ einen Großteil der Beschäftigten. Obwohl in Deutschland seit 1936 Lungenkrebs als Berufskrankheit von MitarbeiterInnen der Chrom-Verarbeitung anerkannt ist, verweigerte die Firma eine Entschädigung der betroffenen Arbeiter.

Der Konzern gehört zu den weltweit größten Chrom-Produzenten. Die Verarbeitung wurde vor einigen Jahren in Deutschland und Brasilien eingestellt und in Südafrika gebündelt. Im Nordwesten des Landes betreibt das Unternehmen eine eigene Chrom-Mine, zudem besitzt es einen 50-prozentigen Anteil an der Firma CHROME INTERNATIONAL SOUTH AFRICA, die Natriumdichromat und Chromsäure produziert.

[Kanada] Stichwort BAYER 04/2004

CBG Redaktion

Kanada: Umweltministerium verwarnt BAYER

„Unternehmen halten sich nicht an Gesetze“

Das Umweltministerium der kanadischen Provinz Ontario hat in zwanzig Chemie-Werken Verstöße gegen die Umwelt-Gesetzgebung des Landes festgestellt. Vier der bemängelten Anlagen gehören zum BAYER-Konzern. Im vergangenen Jahr waren aus mehreren Werken in Sarnia/Kanada giftige Chemikalien ausgetreten, woraufhin das Ministerium intensive Kontrollen angeordnet hatte.

von Philipp Mimkes

Leona Dombrowsky, Umweltministerin von Ontario, ist sauer: „Einige dieser Unternehmen halten sich nicht an die Gesetze. Wir werden jedoch unmissverständlich klar machen, dass wir keine Verschmutzung unserer Gewässer dulden. Es handelt sich um ein sehr ernstzunehmendes Verfahren.“

Im „Chemie-Gürtel“ von Sarnia treten seit Jahren immer wieder Störfälle und Gewässer-Verschmutzungen auf. Allein in den vergangenen zwölf Monaten war der durch Sarnia fließende St. Clair River dreimal mit giftigen Chemikalien kontaminiert worden. Dombrowsky ordnete daraufhin Kontrollen aller petro-chemischen Anlagen an.

Ontario ist der bevölkerungsreichste und wirtschaftlich wichtigste Bundesstaat von Kanada. Das Umweltministerium der Provinz verfügt über ein Team von Spezialisten, das eigens zur Überwachung risikoreicher Fabriken eingerichtet wurde. Landesweit wurden in den vergangenen Jahren mehr als 3.000 Kontrollen durchgeführt. In Sarnia wurden seit Februar 32 petrochemische Fabriken überprüft, insgesamt wurden dabei 26 schwere Verstöße festgestellt.

In den vier BAYER-Werken wurden fünf Gesetzesbrüche nachgewiesen, darunter „Falschdeklaration von Giftmüll“, „fehlende Zulassung risikoreicher Anlagen“ und „ungenehmigter Umbau von Abwasseranlagen“. Auch bei Fabriken der Firmen ICI, SHELL und ENTROPEX wurden schwerwiegende Mißstände aufgedeckt. Ministerin Dombrowsky ordnete Nachrüstungen an den bemängelten Anlagen an - wenn diese nicht innerhalb eines Jahres umgesetzt werden, drohen hohe Geldstrafen.

Für Bela Trebics, Umweltberater aus Wallaceburg bei Sarnia, gehen die Untersuchungen in die richtige Richtung. Trebics kritisiert jedoch, dass gegen die verantwortlichen Unternehmen keine Strafen verhängt wurden. „Wir fühlen uns noch immer nicht sicher. Ich kenne viele Leute, die aus Angst vor Vergiftungen kein Leitungswasser mehr trinken“, so Trebics. Im Trinkwasser von Wallaceburg, das aus dem St. Clair River gewonnen wird, war in den vergangenen Jahren mehrmals giftige Chemikalien entdeckt worden. Die umliegenden Gemeinden von Sarnia mussten die Wasser-Entnahme aus dem Fluss unterbrechen und die Wasserversorgung vorübergehend ganz einstellen.

Prof. Jürgen Rochlitz, Chemiker und Mitglied der Störfallkommission der Bundesregierung: „Die in Sarnia aufgedeckten Verstöße sind durch nichts zu rechtfertigen. Wer Chemie-Anlagen ohne Genehmigung betreibt und Giftmüll umdeklariert benötigt ein gerüttelt Maß an krimineller Energie.“ Rochlitz begrüßt die Kontrollen der kanadische Regierung: „In Deutschland wäre eine solch gründliche Untersuchung von Industrie-Anlagen undenkbar. Weder der politische Wille noch das hierfür notwendige Personal sind vorhanden.“ Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert strafrechtliche Konsequenzen und Geldstrafen für die verantwortlichen Unternehmen.

[Bio-Ökonomie] Stichwort BAYER 04/2004

CBG Redaktion

EU fördert Bio-Ökonomie

BAYER macht Forschungspolitik

Gentech-Industrie und Wissenschaft läuten eine neue Ära für die Pflanzen-Biotechnologie ein. Kosten soll sie 45 Milliarden Euro. EU-Forschungskommissar Busquin ist begeistert. Die möglichen Folgen: SteuerzahlerInnen blechen, Stellensuchende gehen leer aus, LandwirtInnen werden abhängig und NaturschützerInnen verlieren stillgelegte Flächen. Die Gentech-kritischen Organisationen? Sie bleiben außen vor.

Von Benno Vogel (Biologe und Autor)

Europa müsse in den nächsten zehn Jahren mehr als 45 Milliarden Euro in die Pflanzen-Genomforschung und die Pflanzen-Biotechnologie investieren. So lautet die Forderung der Industrie-Lobbyorganisation von BAYER, BASF & Co., EuropaBio, und der „Europäischen Organisation für Pflanzenwissenschaften“ (EPSO) (siehe Kasten). Die beiden Organisationen lancierten Anfang Juni gemeinsam die Technologie-Plattform „Pflanzen für die Zukunft“, mit der sie ein langfristiges Forschungsprogramm entwickeln und implementieren wollen. Die Kosten für das Programm wollen sie nicht allein der Industrie überlassen, auch die EU-Kommission soll sich daran beteiligen. Die Forderung trifft auf Zustimmung. Der bis zum November amtierende EU-Forschungskommissar Philipp Busquin sagte bei der Lancierung: „Ich wünsche der Technologieplattform viel Erfolg. Europa braucht ihn“.

Vision für 2020
Weshalb die Investitionen notwendig sind? „Wir brauchen einen konzentrierten Zusammenschluss und einen strategischen Plan für diesen Sektor, sonst verlieren wir Stück für Stück unsere ökonomische Wettbewerbsfähigkeit - nicht nur gegenüber den USA und Japan, sondern auch gegenüber den aufkommenden Pflanzengenetik-Riesen wie China und Indien“, sagt Chris Lamb, Direktor des „John Innes Centers“ in England. Lamb ist einer der Begründer der Technologieplattform und Mitautor der Broschüre „2025 - eine europäische Vision für die Pflanzengenomforschung und Pflanzenbiotechnologie“, zu deren UnterzeichnerInnen auch der Ex-BAYER CROPSCIENCE-Chef Joachim Wulff gehört. Neu an der „Vision“ ist, dass EuropaBio und EPSO die einzelnen Intentionen unter ein gemeinsames strategisches Ziel stellen: Die europäische Wirtschaft soll mit Hilfe von Pflanzen-Genomforschung und Gentechnologie schrittweise auf eine „Bioökonomie“ umgestellt werden, in der die industrielle Produktion von Waren und Dienstleistungen nicht mehr auf fossilen sondern auf biologischen Rohstoffen beruht.

Bio-Ökonomie für das 21. Jahrhundert
„Wir stellen uns einer herausfordernden Aufgabe. Das Handeln nach einer gemeinsamen Vision könnte sich enorm auszahlen: eine wettbewerbsfähige, unabhängige und nachhaltige Bio-Ökonomie für Europa, welche auf die spezifischen Bedürfnisse der europäischen Konsumenten ausgerichtet ist - und dies nicht allein im Hinblick auf Landwirtschaft und Lebensmittel, sondern auch durch vielfältige Anwendungen in anderen Gebieten, wie etwa durch aus Pflanzen gewonnenen Medikamenten, Chemikalien und Energien“, schreiben die AutorInnen von EuropaBio und EPSO in ihrer „Vision“ für 2025. Sie knüpfen damit an die schöne neue Welt an, die sich ihre nordamerikanischen KollegInnen Ende der 1990er-Jahre ausdachten. „Im 21. Jahrhundert wird die neue Bio-Ökonomie eine erhöhte Sicherheit in den Bereichen Energie, Materialien, Umwelt und Gesundheit bringen. Die Agrarforschung und -entwicklung wird die treibende Kraft für die neue Bio-Ökonomie sein“, schreibt der „Nationale Rat für Agrarbiotechnologie“ (NABC) 1998 in einem Bericht. Im selben Jahr veröffentlichen VertreterInnen aus Industrie und Wissenschaft zusammen mit den beiden US-Ministerien für Energie und Landwirtschaft einen technologischen Fahrplan für die Bio-Ökonomie im Jahr 2020. Das darin formulierte Ziel: Die Sicherheit der US-amerikanischen Wirtschaft erhöhen. Der Nationale Forschungsrat (NRC) definiert im Jahr 2000 schließlich die ersten Forschungsprioritäten für die Bio-Ökonomie.
Eine der US-Schwerpunkte ist die Förderung der Pflanzengenomforschung. Sie soll die Wissensbasis liefern, anhand derer Kultur-Pflanzen an die Bedürfnisse der Bio-Ökonomie angepasst werden können. Das Projekt dazu heißt „Nationale Pflanzen-Genominitiative“ und wird von der US-Regierung finanziert - bis 2008 jährlich mit rund 180 Millionen Euro. Das ist mehr als doppelt soviel, wie die EU für Pflanzen-Genomforschung ausgibt. EuropaBio und EPSO sehen deshalb die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft und Lebensmittel-Industrie in Gefahr. Sie fordern eine privat-öffentliche Co-Finanzierung für ihr geplantes, 45 Milliarden Euro teures Forschungsprogramm.

Busquin ist begeistert
Noch fließen jährlich rund 80 Millionen aus der EU-Kasse in die Pflanzen-Genomforschung. Ginge es nach den Wünschen von EPSO und EuropaBio, werden es bald sehr viel mehr sein. Die Chancen stehen gut. Anfang des Jahres gab der damalige Kommissionspräsident Romano Prodi bekannt, dass die EU-Forschungsmittel verdoppelt werden sollen, um das in der Lissabon-Strategie formulierte Ziel, die EU zur weltweit dynamischsten und wettbewerbsfähigsten wissensgestützten Wirtschaft zu entwickeln, zu erreichen. Als Herzstück dieser Wirtschaft gelten wissenschaftliche Forschung und technologische Entwicklung. Biowissenschaften und Biotechnologie zählen die PolitikerInnen zu den Schlüssel-Feldern, die das Wachstum, die Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigung sichern sollen. Die Bio-Ökonomie? Aus Sicht des ehemaligen Forschungskommissars Busquin ist die Umstellung der europäischen Wirtschaft auf die Bio-Ökonomie „ebenso unabwendbar wie wünschbar“. Busquin ist begeistert von der Technologie-Plattform „Pflanzen für die Zukunft“ und spendet EuropaBio und EPSO 555.000 Euro, damit sie einen Aktionsplan ausarbeiten und der EU-Kommission Empfehlungen für das 7. EU-Forschungsrahmenprogramm geben können.

Industrie macht EU-Forschungspolitik
Nächstes Jahr entscheidet die EU-Kommission über die Prioritäten für das 7. Forschungsrahmenprogramm, das voraussichtlich von 2006 bis 2010 gelten wird. Kommt dabei die privat-öffentliche Zusammenarbeit für die Technologie-Plattform „Pflanzen für die Zukunft“ zustande, dürften dies die BAYER & Co. als Erfolg verbuchen. Eine Industrie-Branche, die sich selber in ihrer strategischen Ausrichtung und Produkt-Entwicklung kaum von der öffentlichen Politik beeinflussen lässt, hätte die öffentliche Forschungspolitik einmal mehr auf die industrielle Strategie ausgerichtet. Sie könnte dann die 63 Prozent ihrer Gentech-Projekte in Europa wieder aufnehmen, die sie in den letzten Jahren wegen der hohen Entwicklungskosten stoppte. Denn mit der so genannten private-public partnership werden die Kosten nun niedriger, kommt doch die öffentliche Finanzierung der Forschung in diesem Bereich meist einer de facto Unterstützung der Entwicklungskosten der multinationalen Konzerne gleich. Freuen werden sich auch die Genom-ForscherInnen der öffentlichen Institute. Sie brachen in den letzten Jahren vor allem wegen der begrenzten finanziellen Unterstützung 27 Prozent ihrer Gentech-Projekte ab. Durch die „private-public parternship“ werden ihnen wieder mehr Gelder zur Verfügung stehen.

Ohne kritische Organisationen
Ob sich auch die europäische Bevölkerung freuen wird, wenn ihre Steuergelder verstärkt in die Pflanzen-Genomforschung und -Gentechnik fließen? Gefragt hat sie keiner. EPSO und EuropaBio lassen bisher allein die Europäische Verbraucherorganisation BEUC sowie den Ausschuss der berufständischen landwirtschaftlichen Organisationen (COPA) an der Technologie-Plattform und der Ausarbeitung der „Visionen“ teilnehmen. Damit ist nur ein kleiner Teil der Zivilgesellschaft am Prozess beteiligt. Außen vor bleiben nicht nur die BürgerInnen, sondern auch die Organisationen, die sich seit Jahren kritisch mit der Pflanzen-Gentechnik auseinandersetzen. Wird die EU-Kommission nach Zuteilung des ersten Geldes die Teilnahme an der Technologie-Plattform erweitern?

Verlierer des Wettbewerbs
„Die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Agrar- und Lebensmittelverarbeitungsindustrie wird von der Pflanzen-Genomforschung, der Biotechnologie und deren smarten Anwendungen abhängen“, schreiben die AutorInnen von EPSO und EuropaBio. Sie lassen dabei offen, wer die Gewinner und wer die Verlierer der Wettbewerbsfähigkeit sein werden. Zur Gruppe der letzteren dürften Landwirte, Stellensuchende und der Naturschutz gehören.

Laut der EU-Generaldirektion für Landwirtschaft gibt die Rolle der LandwirtInnen im sich schnell ändernden Agrar- und Lebensmittelsektor Anlass zur Sorge. Da die Biotechnologie den Konzentrationsprozess in der Agrar- und Lebensmittelverarbeitungsindustrie erhöht, steigt die Abhängigkeit der LandwirtInnen. Sie drohen zwischen den beiden mehr oder weniger monopolistischen Industrien zerdrückt zu werden. Sie werden mehr und mehr zu VertragsanbauerInnen, welche die Arbeit verrichten, dabei aber weder die hergestellten Produkte besitzen noch wichtige Betriebsentscheidungen selbständig treffen. Deprimierend sind auch die Aussichten für den Arbeitsmarkt. Die Pflanzen-Biotechnologie dürfte kaum zu neuen Stellen führen. „Die meisten Innovationen der Agrar-Biotechnologie werden die Beschäftigung verringern. Dies wird zwar ökonomische Vorteile haben, indem die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit steigen, aber eine Erhöhung der Arbeitsplätze wird keiner der Vorteile sein“, schreibt Anthony Arundel vom „Maastricht Economic Research Institute“, der im Auftrag der EU-Kommission das Beschäftigungspotential der Agrar-Biotechnologie untersucht hat. Schlecht sieht es auch für den Naturschutz aus. Das unkritische Vorantreiben der Bio-Ökonomie dürfte nicht nur die landwirtschaftliche Praxis intensivieren, sie dürfte auch zu einem enormen Landbedarf und damit zur „Wiederinbetriebnahme“ der stillgelegten Flächen führen.

Zur Gruppe der Gewinner werden BAYER & Co. gehören. Sie werden maßgeblich mitbestimmen, wie sicher die Lebensmittel bleiben, wie ökologisch die Landwirtschaft wird und wie das Nebeneinander der verschiedenen Anbau-Methoden gestaltet wird. Und sie werden entscheiden, wie viele Gentech-Produkte in den Regalen landen, indem sie festlegen, welche Resultate der Pflanzen-Genomforschung für die gentechnische und welche für die konventionelle Züchtung verwendet werden. In der Technologie-Plattform „Pflanzen für die Zukunft“ fällen sie diese Entscheide ohne demokratische Kontrolle.

EuropaBio: „The European Association for Bioindustries“ mit Sitz in Brüssel ist die Lobby-Organisation der Firmen, die in Europa Bio- und Gentechnologie anwenden. Sie vertritt die Interessen von rund 1.200 kleinen und mittleren Betrieben sowie von 40 großen Konzernen - darunter diejenigen von SYNGENTA, BAYER CROP SCIENCE, BASF, DOW CHEMICAL und DUPONT.

EPSO: die „European Plant Science Organisation“ existiert seit dem Jahr 2000. Sie repräsentiert 54 Forschungsinstitute aus 23 europäischen Ländern. Nach eigenen Angaben ist ihr Ziel, die Bedeutung der Pflanzenwissenschaften in Europa zu verbessern. Syngenta, BAYER, BASF, Biogemma und KWS sind Beobachter der Organisation und können sich damit unter anderem an der Ausarbeitung von Statements und Empfehlungen von EPSO beteiligen.
(gekürzter Abdruck mit freundlicher Genehmigung vom GID)

[Atkins] Stichwort BAYER 04/2004

CBG Redaktion

BAYER profitiert von gefährlicher Mode-Diät

Nährstoffpräparate fördern einseitige Ernährung

von Philipp Mimkes

Rund 40 Millionen Amerikaner befolgen die sogenannte „Atkins-Diät“, die den Verzehr von Fleisch, Käse, Eiern und fetthaltigen Nahrungsmitteln uneingeschränkt erlaubt, die Aufnahme von Kohlenhydraten aus Brot, Reis, Kartoffeln und Nudeln hingegen stark einschränkt. Selbst Obst und Gemüse sollen laut Atkins nur in geringen Mengen gegessen werden. Der im letzten Jahr gestorbene Dr. Robert Atkins propagierte seine Ernährungs-Revolution schon seit den 60er Jahren, aber erst seit zwei Jahren hat sich seine Idee breit durchgesetzt. Atkins` Ratgeber rangieren in den USA auf den Bestseller-Listen ganz vorne.

Weil wegen der einseitigen Ernährung Vitamin- und Mineralstoffdefizite drohen, soll die Diät mit der Einnahme von Nährstoffpräparaten begleitet werden. Rund fünf Millionen Amerikaner nehmen daher regelmäßig Vitamin- und Mineralienpräparate zu sich - ein riesiger Markt für die Pharma- und Ernährungsindustrie. Analysten schätzen den Umsatz der von von Atkins gegründeten Firma Atkins Nutritionals, die Vitaminkapseln, Kohlenhydrat-reduzierte Nahrungsmittel und Nährstoff-Drinks anbietet, auf 200 Millionen Dollar jährlich. Selbst McDonald's, Kentucky Fried Chicken, die Brauerei Anheuser-Busch und der Ketchup-Hersteller Heinz sind mit „Low Carb“-Angeboten auf dem Markt.

Ernährungswissenschaftler hingegen warnen vor der Atkins-Diät. Die eiweißreiche Nahrung belastet die Nieren, und selbst bei Zuführung von Nahrungsergänzungsmitteln drohen Mangelerscheinungen. Die Aufnahme von Ballaststoffen im Rahmen der Diät ist zu niedrig, was zu Verdauungsproblemen führt. Professor Klaus Eder aus Halle befürchtet, dass die einseitige Aufnahme von Fett bei längerer Anwendung erhebliche Gefahren birgt - vor allem für Herzkreislauf-Patienten, Schwangere und ältere Menschen.

Auch ein Team dänischer Ernährungsexperten zweifelt daran, dass die Diät funktioniert. Im Fachmagazin Lancet (1) vermuten sie, dass die Gewichtsreduzierung nur kurz anhält und überwiegend durch Wasserverlust zustande kommt. Prof. Arne Astrup von der Universität Kopenhagen warnt, dass bei Befolgung der Diät die Kohlenhydrataufnahme unter dem Minimum liegt, das der Körper zur Zucker-Versorgung von Gehirn und Muskeln benötigt. Personen, die sich der Atkins-Diät unterzögen, litten deshalb häufiger an Muskelkrämpfen, Durchfall, generellen Schwächeanfällen und Hautausschlägen als Personen unter einer fettarmen Diät. Die begrenzte Aufnahme von Getreide, Früchten und Gemüse könne zudem das Risiko für Krebs und kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen.

Trotz der einhelligen Kritik von Ernährungswissenschaftlern versucht die Pharma-Industrie, von der Modewelle zu profitieren. Der Leverkusener BAYER-Konzern brachte im April den Vitamin-Cocktail One-A-Day CarbSmart auf den Markt und machte hiermit in den USA bereits 3 Millionen Dollar Umsatz. Die Firma WYETH konterte einen Monat später mit Centrum Carb Assist und erzielte knapp 2 Millionen Dollar. BAYER´s Abnehm-Pille One-A-Day WeightSmart, die bei allen Diäten eingesetzt werden soll, erzielte sogar 32 Mio Dollar in einem Jahr. Der Gesetzgeber, besonders in den USA, schaut weg: die Wirksamkeit der mittlerweile mehreren hundert Nahrungsadditive wird nicht kontrolliert.

Im August hat BAYER von der Firma ROCHE mehrere nicht-verschreibungspflichtige Medikamente übernommen, hierzu gehören weitere Vitaminpräparate. Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Natürlich wissen die Verantwortlichen bei BAYER, dass die Atkins-Diät gesundheitsschädlich ist und dass Vitaminpräparate niemals eine ausgewogene Ernährung ersetzen können. Doch der Pharma-Industrie ist die Gesundheit der Betroffenen herzlich egal, solange die Umsätze stimmen.“ Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert eine Verschreibungspflicht sowie strenge Kontrollen aller Nahrungs-Ergänzungsmittel.

Auch in Europa steigen die Verkaufszahlen des Atkins-Ratgebers, besonders in England. In den Medien tauchen erste „Wundermeldungen“ über den Erfolg der Diät auf. Die Stiftung Warentest hingegen urteilte nach einem Vergleich von 80 Diäten: „Lassen Sie die Finger von Atkins“.

1 (2004; 364: 897-9)

[ABIC] Stichwort BAYER 04/2004

CBG Redaktion

ABIC: BAYER & Co. in der Defensive

Protest gegen Gen-Kongress

Vom 12. bis zum 15. September luden BAYER & Co. zur ABIC (Agricultural Biotechnology International Conference) nach Köln. Zu dieser weltweit größten Biotech-Messe fanden sich als ungebetene Gäste allerdings auch ATTAC KÖLN, BIOSKOP, MISEREOR, der BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ (BUND), GREENPEACE und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ein.

Von Jan Pehrke

Mit großem finanziellen Aufwand schafften es BAYER und andere Biotech-Unternehmen in Tateinheit mit der Landesregierung, die weltgrößte Gentechnik-Messe nach Köln zu holen. So wollten Industrie und Politik ihr Ansinnen unterstreichen, Nordrhein-Westfalen zu einem der bedeutendsten Gentech-Standorte in ganz Europa zu machen. Diesem Bestreben steht bisher vor allem die Skepsis der VerbraucherInnen entgegen. Deshalb erhoffte sich Landeswirtschaftsminister Harald Schartau von der ABIC-Messe, sie möge „zu einem besseren Verständnis und größerer Akzeptanz der Agrar-Biotechnologie beitragen“, um den Labor-Früchten von BAYER & Co. „weltweit ein großes Markt-Potenzial zu erschließen“.

Die vertrauensbildenden Maßnahmen der 560 WissenschaftlerInnen und ManagerInnen in Diensten von BAYER, MONSANTO, NESTLÉ und anderen Konzernen blieben jedoch aus. Wider besseren Wissens priesen sie die Gentechnik abermals als Mittel zur Lösung des Welternährungsproblems an. „Dabei ist Hunger ein Verteilungsproblem - durch Monokulturen und teures Gentech-Saatgut werden die Probleme noch verschärft“, hieß es zu diesem Standard-Argument in der Presse-Erklärung der CBG. Das aber focht die Betonköpfe nicht an. „Wissenschaft hilft der Landwirtschaft“ stellten sie ein für alle Mal in ihrem „Manifest“ zur ABIC klar.
Wie diese „Hilfe“ in Indien konkret aussieht, berichtete Afsar Jafri von der Stiftung „Navdanya“ auf dem von MISEREOR, der CBG und anderen Organisationen initiierten Gegen-Kongress. MONSANTO brachte Baumwoll-FarmerInnen mit großzügigen Geschenken und Versprechungen dazu, teures Gentech-Saatgut zu kaufen. Sie erlebten eine große Missernte und blieben auf immensen Schuldenbergen sitzen. Viele der LandwirtInnen brachten sich aus Verzweiflung um. Auch der Sambianer Lovemore Simwanda von der „National Farmers Union“ wollte nicht auf technische Lösungen aus dem Norden oder gar Gentech-Carepakete bei Hungersnöten setzen. Er plädierte stattdessen dafür, in Infrastruktur-Maßnahmen zu investieren und den Menschen Zugang zu Land und Wasser zu verschaffen, um so ihre „Nahrungsmittel-Souveränität“ zu gewährleisten.

Mit ähnlichen Argumenten hatte die bekannte indische Gentech-Gegnerin Vandana Shiva im Vorfeld der ABIC zu Protesten aufgerufen. BAYER & Co. mussten PR-technisch reagieren und machten plötzlich einen auf Dialog. Sie baten die TeilnehmerInnen der Gegen-Konferenz zu einer Podiumsdiskussion. Sonstiges Publikum war nicht erwünscht, wenn es nicht 800 Euro Tagungsgebühr übrig hatte. Auch für die KritikerInnen herrschten erschwerte Zugangsbedingungen. Sie durften nur den Hintereingang benutzen und mussten sich einer Leibes-Visitation unterziehen. T-Shirts mit gen-kritischen Slogans fanden dabei nicht die Gnade der TürsteherInnen. Wer zu spät kam, weil er noch auf der Gegen-Veranstaltung war, den bestrafte die Security ebenfalls mit Nicht-Einlass. Und selbst die „Zugelassenen“ hatten sich an die festgelegte Dialog-Dramaturgie zu halten. Als die bekannte Soziologin Prof. Maria Mies nach der Podiumsrunde noch mit einem Gentechnik-Befürworter diskutieren wollte, warf sie der Sicherheitsdienst kurzerhand aus dem Saal hinaus. „Öffentlich unter sich“ überschrieb die Junge Welt ihren Artikel zu der Alibi-Veranstaltung treffend.

Bei der ABIC selber mussten dann alle Gen-GegnerInnen draußen bleiben. Deshalb versammelten sie sich zu Messe-Beginn vor den Eingangstoren. Ein buntes Völkchen kam da zusammen. Der BUND war samt eines acht Meter hohen Genmais-Kolbens angereist, die CBG bot mittels Bauchläden Gen-Mais frisch aus BAYERs Laboren feil, ein „mad scientist“ nahm ambulante Gen-Therapien vor und Öko-LandwirtInnen, GREENPEACE-AnhängerInnen und andere machten ihrem Genfood-Unmut auf Transparenten oder Schildern Luft. Maria Mies brachte in ihrer Rede die Wut der AktivistInnen über die skrupellosen Vermarktungsstrategien von BAYER & Co. auf den Punkt: „Wir werden zu Zwangskonsumenten gemacht. Und die Bauern zu Zwangsproduzenten!“

Die Proteste stießen auf ein gehöriges Medien-Echo, weshalb der Wunsch Schartaus nicht in Erfüllung ging: Die ABIC schaffte nicht mehr, sondern weniger Akzeptanz für die Biotechnologie.

[Ticker] Stichwort BAYER 04/2004 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Proteste bei BAYER CROPSCIENCE
Im Monheimer Werk will BAYER CROPSCIENCE 140 Arbeitsplätze vernichten (siehe auch KAPITAL & ARBEIT). Betroffen sind unter anderem Chemie- und Biologie-LaborantInnen, Diplom-ChemikerInnen und promovierte BiologInnen. Gegen die Stellen-Streichungen protestierten am 20.10.04 ca. 300 Beschäftigte mit Plakaten wie “Kosteneinsparungen um jeden Preis - wo bleibt der Mensch”.

Streik bei BAYER CROPSCIENCE
In Frankreich hat die bei BAYER CROPSCIENCE geplante Arbeitsplatz-Vernichtung (siehe KAPITAL & ARBEIT) zu einem Streik geführt. Mehrere Tage lang legten Beschäftigte ihre Arbeit nieder.

Proteste auf LANXESS-HV
Am 17. November 2004 berief BAYER eine außerordentliche Hauptversammlung ein, um sich von den AktionärInnen die Abspaltung des angeblich zu unprofitablen Chemie-Geschäfts absegnen zu lassen. Es operiert fortan unter dem Namen LANXESS unabhängig. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisiert die Trennung, weil sie zu Arbeitsplatzvernichtung in großem Ausmaß führt und brachte das an dem Tag in Reden-Beiträgen, auf Flugblättern und Transparenten zum Ausdruck (siehe SWB 4/04).

Kinderarbeit: kaum Verbesserungen
Immer noch arbeiten in Indien 1.650 Kinder für Zulieferer von BAYERs Tochter-Firma PROAGRO, die meisten davon in Schuldknechtschaft. Insgesamt beuten die Agro-Multis über 12.000 Minderjährige für ihre Profite aus. Drei Kinder bezahlten das mit ihrem Leben: Sie starben an Pestizid-Vergiftungen. Das ist das Ergebnis der neuen Untersuchung der Kinderrechtsorganisation MV FOUNDATION für die Pflanz-Saison 2003/2004. Im letzten Jahr produzierten noch 2.000 Kinder Baumwoll-Saatgut für PROAGROs VertragslandwirtInnen (Ticker berichtete mehrfach). Die abnehmende Zahl geht jedoch nicht etwa auf den Willen der BAYER-Gesellschaft zur Verbesserung der Lage zurück, sie ist lediglich der großen Trockenheit in dem indischen Staat Andhra Pradesh geschuldet. Der MV FOUNDATION zufolge weigern sich die Agro-Unternehmen nach wie vor, die Forderungen der Organisation und ihrer Kooperationspartner wie der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zu erfüllen. Statt etwa die Zulieferer endlich angemessen zu bezahlen, so dass sie Erwachsene einstellen können, üben sich BAYER & Co. weiterhin in Hinhalte-Taktiken, kritisiert die Initiative.

OECD-Beschwerde wg. Kinderarbeit
Wegen der Kinderarbeit bei Zulieferern von BAYERs indischer Tochter-Gesellschaft PROAGRO hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gemeinsam mit dem GLOBAL MARCH AGAINST CHILD LABOUR und GERMAN WATCH eine Beschwerde bei der “Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung” (OECD) eingereicht. Dies hat ein großes Medien-Echo hervorgerufen, was den Leverkusener Chemie-Multi dazu veranlasste, mit einer die Tatsachen entstellenden Presse-Erklärung an die Öffentlichkeit zu treten (siehe PROPAGANDA & MEDIEN).

Kinderarbeit: BAYER blockte
Entgegen Zusagen zur Kooperation weigerte sich BAYERs indische Tochter-Firma PROAGRO lange, der indischen Kinderrechtsorganisation MV FOUNDATION eine Liste mit ihren Kinder beschäftigenden Zuliefern auszuhändigen. Erst nachdem mehrere Zeitungen groß über tödliche Pestizid-Vergiftungen von KinderarbeiterInnen berichteten, änderte PROAGRO die Strategie. Das Unternehmen lud den MV-Wissenschaftler Davuluri Venkatesvarlu ein und überreichte ihm die gewünschte Aufstellung. Zudem sicherte die BAYER-Tochter Dr. Venkatesvarlu zu, sich mit dem Problem der niedrigen Zahlungen an ihre Zulieferer beschäftigen zu wollen. Die geringen Erlöse aus den Verkäufen von Saatgut an die Agro-Multis stellen für die Zulieferer den Hauptgrund dafür dar, auf ihren Feldern Minderjährige zu beschäftigen.

Indien: Verzicht auf Gentechnik
Indische Gentech-GegnerInnen von GREENPEACE und anderen Organisationen protestierten immer wieder gegen die Experimente des Leverkusener Chemie-Multis mit gentechnisch verändertem Saatgut. So haben sich am 30.9.04 AktivistInnen elf Stunden lang am Eingangstor von BAYERs Zentrale in Bombay festgekettet; die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) begleitete die Aktion durch ihre Öffentlichkeitsarbeit. Dieses Engagement hatte Erfolg: Mitte November 2004 gab das Unternehmen bekannt, alle Gentechnik-Projekte in Indien zu stoppen (siehe SWB 4/04).

Proteste gegen die ABIC
Vom 12. bis zum 15. September 2004 luden BAYER & Co. zur weltweit größten Biotech-Messe nach Köln. Mit der ABIC (Agricultural Biotechnology International Conference) wollten Industrie und Politik ihr Ansinnen unterstreichen, Nordrhein-Westfalen zu einem der bedeutensten Gentech-Standorte in ganz Europa zu machen. Auf Initiative der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und Organisationen wie ATTAC KÖLN, BIOSKOP und MISEREOR formierte sich dagegen massiver Protest. So fanden unter anderem eine international besetzte Gegen-Konferenz und Aktionen vor dem Eingang zur ABIC-Messe statt.

PANNA fordert Lindan-Stopp
Nach dem Kauf der US-Firma GUSTAFSON (Ticker 2/04) kehrt das ultra-giftige Pestizid Lindan, das mit dem Wirkstoff Hexachlorcyclohexan zur Gruppe der chlorierten Kohlenwasserstoffe gehört, in das BAYER-Sortiment zurück. Traurige Berühmtheit erlangte die Substanz in den 70er Jahren als Holzgift XYLADECOR, das 200.000 Menschen vergiftete - mit verheerenden gesundheitlichen Folgen bis hin zu Sterbefällen (Ticker berichtete mehrfach). Der Leverkusener Chemie-Multi trennte sich im Zuge des Holzgifte-Prozesses, des bis dahin größten Umwelt-Strafverfahrens hierzulande, von dem Skandal-Stoff, den die bundesrepublikanischen Behörden kurz darauf verboten. In den USA dürfen die Konzerne Lindan hingegen noch vermarkten. Deshalb haben die US-amerikanische Sektion des PESTIZID-AKTIONS-NETZWERKs und zwei weitere Umwelt-Initiativen einen Offenen Brief an BAYER geschrieben, in dem sie einen Produktionsstopp verlangten. 80 weitere Organisationen schlossen sich dieser Forderung an.

GAUCHO gegen Unkraut?
In Kanada strebt BAYER die Zulassung des berühmt-berüchtigen GAUCHO-Wirkstoffs Imidacloprid (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) als Mittel gegen Unkraut-Wuchs an, wogegen Umweltgruppen massiv Einspruch erheben. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) unterstützt ihre Proteste und stellte umfangreiches Hintergrund-Material zur Verfügung.

Proteste gegen BAYER-Geschäftspartner
In Indien arbeitet BAYER mit der Pestizid-Firma TAGROS zusammen. Weil diese wegen ihrer niedrigen Umwelt- und Sicherheitsstandards berühmt-berüchtigt ist, hat es Widerstand gegen eine im Bundesstaat Tamil Nadu geplante Werkserweiterung gegeben. Auf Bitten der AktivistInnen vor Ort hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre Proteste unterstützt und zum BAYER-Stammssitz getragen.

“Berliner Erklärung” zur Gentechnik
Im Anschluss an eine Tagung zur Gentechnik in der Landwirtschaft, organisiert von dem AGRARBÜNDNIS und der ZUNKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT, veröffentlichten die TeilnehmerInnen die “Berliner Erklärung”. Die mehr als 70 Gruppen aus Bereichen wie “Landwirtschaft”, “Umwelt” und “Verbraucherschutz” fordern darin die Politik auf, in dem geplanten Gentechnik-Gesetz die freie Ausübung von Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Bienen- und Fischzucht ohne Gentechnik ebenso zu gewährleisten wie einen Schutz von Naturschutzgebieten vor Auskreuzungen mit gentechnisch veränderten Organismen made by BAYER & Co.. Zudem verlangten sie, den VerbraucherInnen eine Wahlfreiheit beim Lebensmittel-Kauf zu garantieren.

CBG klagt Neonazis an
Nicht nur wegen der IG-FARBEN-Vergangenheit von BAYER begreift die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre Arbeit auch als antifaschistisch. Deshalb beteiligte sie sich am 9. November 2004 an der Gegendemonstration zum Leverkusener Neonazi-Aufmarsch. Mit Bedacht hatten die RechtsextremistInnen sich den Gedenktag der Reichsprogromnacht als Datum ausgesucht. Mit dem Skandieren von Sätzen wie “Die schönsten Nächte sind aus Kristall” verhöhnten sie die Opfer des Nazi-Terrors. Die CBG sah damit die Tatbestände der Billigung von Straftaten und der Störung des öffentlichen Friedens erfüllt und stellte Strafanzeige gegen die AnmelderInnen der Neonazi-Demonstration. Erste Stellungnahmen der Polizei lassen allerdings nicht auf einen Erfolg hoffen. “Die Sprüche müssen im Zusammenhang betrachtet werden”, erläuterte ein Kölner Ermittler der taz NRW und führte aus, der “Äußerungscharakter” sei von mehreren Faktoren, etwa dem Umfeld, in dem sie geäußert wurden, abhängig. Zu was für Differenzierungsleistungen die Behörden in Sachen “Faschismus” doch fähig sind!

CBG-Jahrestagung 2004
Am 27. November fand die Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Thema “Ökonomie frisst Ökologie - Goldene Bilanzen für BAYER & Co.” statt. Jan Pehrke (CBG) machte eine Bestandsaufnahme der aktuellen Umweltpolitik und legte in einem historischen Rückblick die entscheidenen Zäsuren dar, die schließlich zu einer Versöhnung von Ökonomie und Ökologie führten. Jörg Bergstedt von der Projektwerkstatt Reiskirchen analysierte detailliert, wie sich neoliberales Denken in die Ökologie-Bewegung selbst einschlich. Der ehemalige Chemie-Professor Jürgen Rochlitz berichtete von seinen frustrierenden Erfahrungen als grünes Bundestagsmitglied und präsentierte eine rot-grüne Mängelliste, die von A wie Atom-Ausstieg bis V wie Verkehr reichte. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes widmete sich dem “Greenwashing” und skizzierte die Strategie BAYERs, sich mittels Wort-Kosmetik, aus der Porto-Kasse finanzierten Vorzeige-Projekten und Kooperationen mit angesehenen Institutionen wie den Vereinten Nationen das Image eines Umwelt-Engels zu verpassen. Uwe Friedrich (CBG) gab passend dazu einen Aufriss über die gesammelten Umwelt-Sünden des Leverkusener Chemie-Multis. Ausgehend vom aktuellsten Fall “Chrom in südafrikanischem Grundwasser” (siehe WASSER, BODEN & LUFT) beschäftigte er sich unter anderem mit der Chrom-Produktion, der Chlor-Chemie, der Dünnsäure-Verklappung, dem Widerstand gegen die Chemikalien-Verordnung, den nicht dem neuesten Stand entsprechenden Anlagen und der Gentechnik. Nach den Vorträgen entwickelten sich anregende Diskussionen über den Stand der Dinge in Sachen “Ökologie” und die Chancen, ihn mittels politischem Druck von unten zu verändern. So traten die TeilnehmerInnen am Abend ein wenig klüger und auch ein wenig neu motiviert die Heimreise an.

CBG macht Theater
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ging eine Kooperation mit dem Düsseldorfer “Forum Freies Theater” (FFT) ein und gab aus dem reichen Fundus der an bühnenreifen Skandalen nicht armen BAYER-Geschichte Anregungen für ein Theaterstück. Die Autoren Donald Becker und Gudrun Herrbold, letztere als gebürtige Leverkusenerin bestens mit der Materie vertraut, entschieden sich für das Thema “Heroin”. Aus dem Stoff, den BAYER als Hustensaft entwickelte, entwickelten sie ein anregendes Theaterstück um die Risiken und Nebenwirkungen der Pharma-Produktion, rücksichtlose Konzern-Herren, Erfinderstolz und die unfreiwillige und todbringende Karriere der BAYER-Erfindung in der Pop-Kultur. Zur Uraufführung am 15.10.04 brachte es das FFT am “Tatort” Leverkusen selbst. Auf der Bus-Fahrt zum Spielort hatten die CBGler Axel Köhler-Schnura und Philipp Mimkes Gelegenheit, das Theater-Publikum mit näheren Informationen zum BAYER-Konzern auf das Stück einzustimmen.

Offener Brief an Winnacker
Die ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT, der BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ DEUTSCHLAND, FOODWATCH, das GEN-ETHISCHES NETZWERK und andere Organisationen haben einen Offenen Brief an den BAYER-Aufsichtsrat, Gentechfirmen-Gründer und Vorsitzenden der “Deutschen Forschungsgemeinschaft”, Ernst-Ludwig Winnacker, geschrieben. Winnacker hatte als Sprecher einer “Allianz der Wissenschaftsorganisationen” das geplante Gentechnik-Gesetz im Allgemeinen und die den einzelnen LandwirtInnen auferlegte Haftung im Schadensfall im Besonderen scharf kritisiert. Nach Meinung der UnterzeichnerInnen hat der Wissenschaftler damit private wirtschaftliche Interessen, Lobby-Verpflichtungen und seinen öffentlichen Auftrag als Repräsentant der bundesdeutschen ForscherInnen in unzulässiger Weise vermengt.

Offener Brief an die EU
Der Leverkusener Chemie-Multi will Gen-Reis in Asien und den USA anbauen und von dort aus in die Europäische Union einführen (SWB 2/04). Eine entsprechende Import-Genehmigung hat er im März 2004 bei der EU beantragt. Im September 2004 fand eine Beratung der Mitgliedsländer zu diesem Thema statt. Das nahmen FRIENDS OF THE EARTH EUROPE, die indische GENE CAMPAIGN und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Anlass, sich in einem Offenen Brief vehement gegen die Zulassung des gegen das Herbizid LIBERTYLINK immunen Reis’ auszusprechen.

Offener Brief an EU-Kommission
Die Europäische Union gerät immer mehr “unter Einfluss” von BAYER & Co. (siehe auch POLITIK & EINFLUSS). Aus Protest dagegen haben die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und 49 andere Organisationen einen Offenen Brief an den neuen Kommissionspräsidenten José Barroso geschrieben. Darin fordern die Initiativen Beschränkungen für die unzähligen Lobby-Gruppen wie eine Registrierung und eine Berichtspflicht über ihre vielfältigen Aktivitäten. Darüber hinaus kritisieren die UnterzeichnerInnen die zunehmend industrie-freundliche Ausrichtung der EU-Politik selber. “Immer öfter setzen sich Partikular-Interessen einzelner Industrie-Zweige gegenüber dem Allgemeinwohl durch - dies ist mit demokratischen Prinzipien nicht zu vereinbaren. So wurde auf Druck der deutschen Chemie-Industrie die ursprünglich ambitionierte Reform der EU-Chemikalien-Gesetzgebung vollkommen verwässert”, konstatiert CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in dem Schreiben. Die Pressure Groups der Multis sahen sich zu Reaktionen herausgefordert. Ihr Verband startete eine Initiative zur Registrierung - natürlich auf freiwilliger Basis. Als eine völlig unzureichende, rein kosmetische Maßnahme bezeichnete dies Offener-Brief-Mitinitiator Eric Wesselius von der konzern-kritischen CEO in einer Stellungnahme.

Empörung über Chef-Gehalt
Ein Leserbrief-Schreiber empörte sich angesichts der ausgewiesenen BAYER-Verluste von ca. 1,4 Milliarden Euro für das Geschäftsjahr 2003 über das im gleichen Zeitraum stattlich um 300.000 Euro angestiegene Salär von Konzern-Chef Werner Wenning. “Es ist doch so, dass Bauern, Handwerker, Händler von dem leben - müssen - , was sie erwirtschaftet haben (...) Und daran sollte sich auch ein Vorstandsvorsitzender, der sicher gerne von ‘meiner Firma’ spricht, orientieren, meint der Rheinpfalz-Leser.

Stoiber: Manager-Gehälter senken!
Sogar dem bayrischen CSU-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber erscheinen die Manager-Gehälter zu hoch, weshalb er für eine Absenkung eintrat. “Ich halte das im Sinne einer sozialen Symmetrie für unumgänglich”, so Stoiber. Der Präsident des “Bundesverbandes der Deutschen Industrie”, Michael “Rocky” Rugowski, findet aber nichts Anstößiges an dem 1,6 Millionen-Gehalt von BAYER-Chef Werner Wenning und den Bezügen seiner Kollegen, er hätte es sogar gern noch ein wenig asymmetrischer. Im internationalen Vergleich lägen nicht die Manager-Gehälter, sondern die Arbeitnehmer-Löhne im oberen Bereich, gibt die Münchner tz seine Worte wieder.

Studie rügt falsche BAYER-Angaben
Das Kölner “Institut für evidenz-basierte Medizin” untersuchte 143 Broschüren, mit denen die Pharma-DrückerInnen von BAYER & Co. ÄrztInnen über die Konzern-Produkte informieren. Das Ergebnis war schockierend. Die Unterlagen strotzten vor falschen oder irreführenden Angaben. Es fehlten Hinweise auf Nebenwirkungen, während sie therapeutische Erfolge übertrieben darstellten. Der Leverkusener Chemie-Multi etwa stellte die schnelle und lange Wirksamkeit des Potenz-Mittels LEVITRA heraus, verschwieg aber, dass diese Aussage sich bloß auf Tests mit betäubten Hasen bezog. Nur in sechs Prozent der Broschüren fanden die Kölner ForscherInnen keine Mängel. Der Institutssprecher Thomas Kaiser trat deshalb für eine Kontrolle dieser Pharma-Publikationen ein. “Wenn man sich überlegt, dass sich die Ärzte auf diese Produkt-Informationen verlassen, muss sichergestellt sein, dass sie auch korrekt sind”, so Kaiser. Würde es diesen Check schon geben, hätten die Pharma-GAUs “LIPOBAY” und “VIOXX” bestimmt nicht so ein Ausmaß angenommen.

KAPITAL & ARBEIT

Ergebnis-Steigerung von 27,6 Prozent
“Die Kostensenkungsprogramme, die Straffung der Organisationen, die Bereinigung der Bilanzen, auch ein massiver Arbeitsplatz-Abbau zeigen Wirkung: Insbesondere viele große Konzerne haben ihre Gewinne massiv gesteigert”, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Auch die BAYER-Bosse haben erfolgreich nach der Devise “Wenn es dem Unternehmen gut gehen soll, muss es den Beschäftigten schlecht gehen” gehandelt. Der Leverkusener Chemie-Multi hat bis September 2004 bereits ein operatives Ergebnis 1,87 Milliarden Euro eingefahren, was gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von 27,6 Prozent bedeutet.

Schneider: Mehr Geld, weniger Mitbestimmung
Niemand in der bundesdeutschen Wirtschaft hat so viele Aufsichtsratsposten ergattert wie der ehemalige BAYER-Chef Manfred Schneider. Neben seinen Jobs als Aufsichtsratsvorsitzender bei BAYER und LINDE hat er noch Sitze in den Kontroll-Gremien von ALLIANZ, DAIMLER CHRYSLER, METRO, RWE und TUI inne. Die Springer-Presse kürte ihn deshalb zum “mächtigsten Mann Deutschlands”. Diese Macht will er jetzt dazu nutzen, um die Mitbestimmung zu demontieren. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung trat er dafür ein, die Größe der Aufsichtsräte zu reduzieren und die Mandate der GewerkschaftsvertreterInnen auf unter 50 Prozent zu senken. Heutzutage würden angeblich nämlich “leicht Koalitionen gebildet, um Ziele zu erreichen, die nicht unbedingt mit den Interessen des Unternehmens im Sinne der Aktionäre übereinstimmen müssen”, meint Schneider. Dazu hat er noch die Chupze, für sich und seinesgleichen mehr Geld zu fordern. Als “nicht angemessen” bezeichnete er das derzeitige Honorar von 50 - 60.000 Euro pro Mandat.

LANXESS will rationalisieren
“Kosten senken und die Profitabilität steigern” - das ist nach Aussage des LANXESS-Chefs Axel Heitmann die Geschäftsgrundlage des Unternehmens, welchem BAYER alle angeblich zu unprofitablen Chemie-Bereiche zugeschlagen hat. Heitmann kündigte direkt nach der die Abspaltung besiegelnden außerordentlichen Hauptversammlung ein Rationalisierungsprogramm im Umfang von 25 Millionen Euro an. Im nächsten Jahr kommen dann “sämtliche Geschäftsprozesse auf den Prüfstand”. 40 Prozent der Geschäftseinheiten liegen bei der Umsatz-Rendite nämlich unter fünf Prozent und erfüllen damit nicht die Profit-Ziele der Bosse. Besonders schlecht steht es nach Heitmann um die Feinchemie und den Kunststoff Styrenics. Hier schloss der LANXESS-Chef für die Zukunft Verkäufe nicht aus. Zu den avisierten Betriebsschließungen in Goch und Marl dürften auch noch einige dazu kommen. Arbeitsplatz-Vernichtung im großen Stil verhindert einstweilen noch die bis 2007 geltende “Standort-Sicherungsvereinbarung”. Personalkosten-Senkungen beabsichtigt LANXESS deshalb auf anderem Wege zu erreichen. Handlungsspielraum könne sich etwa bei den Arbeitszeiten ergeben, gibt die Faz Heitmanns Worte wieder. “Da werden die Beschäftigten mitmachen, schließlich geht es um ihre Arbeitsplätze”, äußerte sich Axel Heitmann zuversichtlich über das Gelingen des Erpressungsmanövers.

CROPSCIENCE will rationalisieren
BAYER CROPSCIENCE kriegt den Hals nicht voll. BAYERs Landwirtschaftssparte will die Umsatz-Rendite von 19 Prozent bis zum Jahr 2006 auf 25 Prozent steigern und hat deshalb ein Kostensenkungsprogramm im Umfang von 200 Millionen Euro im Jahr beschlossen. Das bedeutet Arbeitsplatz-Vernichtung im großen Stil. Allein in Monheim und Frankfurt streicht der Konzern insgesamt 200 Stellen. Die Belegschaften starteten Protest-Aktionen (siehe AKTION & KRITIK).

Pharma: Über 500 Jobs weniger
BAYER hat seine Pläne zur Arbeitsplatz-Vernichtung in der Pharma-Forschung konkretisiert. Der Konzern will in Wuppertal 440 der 3.000 Jobs streichen und im US-amerikanischen New Haven 110 Stellen abbauen. Nachdem die Weltmarkt-Aspirationen im Bereich “Pharma” gescheitert sind, positioniert sich der Leverkusener Chemie-Multi als “mittelgroßes europäisches Unternehmen” neu. Im Zuge dieses Strategie-Wechsels hat der Konzern zahlreiche Forschungsgebiete aufgegeben wie z. B. “Asthma” (siehe IMPERIUM & WELTMARKT), “Urologie” und “Infektionskrankheiten”, das Pharma-Forschungszentrum im japanischen Kyoto geschlossen und die Kapazitäten im kalifornischen Berkeley reduziert.

BAYER bildet zu wenig aus
Erlangte die Ausbildungsplatz-Abgabe Gesetzes-Kraft - was nicht zu erwarten ist -, so müsste BAYER zahlen. Das Unternehmen erreicht nämlich nicht die Ausbildungsquote von sieben Prozent der Belegschaft. Kosten von 1,5 bis 2 Millionen Euro kämen auf den Konzern zu.

Schlimme BAYER-Jahre
Das manager-magazin 3/04 gibt einen Einblick in das schlechte Betriebsklima bei BAYER. “Die letzten Jahre waren schlimm”, gesteht ein langjähriger Mitarbeiter dem Reporter und klagt über Abteilungen, die heute A und morgen B hießen und andere kurzlebige Veränderungen, die ihn nur noch seine Pension herbeisehnen ließen.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten
Während BAYER für das Geschäftsjahr einen Verlust von 1,36 Milliarden Euro auswies, stieg das Gehalt von BAYER-Chef Werner Wenning im gleichen Zeitraum um 300.000 Euro auf 1,6 Millionen, obwohl die Bezüge angeblich erfolgsbezogen sind. Sie beziehen sich allerdings nicht auf die Richtgröße “Gewinne/Verluste”, sondern auf den “Brutto-Cashflow”. Und der vermehrte sich wundersam, während das Unternehmen rote Zahlen schrieb. Diese schrieb der Konzern nämlich nur für die Steuerbehörden mittels Wertberichtigungen und hohen Abschreibungen.

Schiwy droht
Die so genannte Globalisierung dient BAYER als willkommene Ausrede, um weiterhin fröhlich Arbeitsplätze zu vernichten. “Wir müssen uns anpassen. Tun wir das nicht, sind wir nicht mehr da”, sagte der Brunsbütteler Werksleiter Willy Schiwy und konkretisierte: “Wir werden weiter rationalisieren müssen, sonst sind wir nicht mehr konkurrenzfähig”.

Schmoldt schützt Kapital-Einkünfte
In der SPD gab es bei der Diskussion um die Bürgerversicherung den Vorschlag, bei der Beitragsberechnung auch Kapital-Einkünfte einzubeziehen. Dagegen wandte sich der IG BERGBAU, CHEMIE UND ENERGIE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt, der bei BAYER im Aufsichtsrat sitzt, vehement. “Wer Leistungsträger überfordert, provoziert eine Akzeptanz-Krise der Sozialversicherung überhaupt”, meint Schmoldt. Vielleicht sollte er den neoliberalen Gewerkschaftsbund gründen.

Wieder nur 1.000 Lehrlinge
Um mehr als ein Drittel ist die Zahl der Ausbildungsplätze bei BAYER in den letzten vierzehn Jahren zurückgegangen. Gab es 1990 in den Werken noch 1.600 Lehrstellen, so strich der Konzern diese bis zum Herbst 2004 auf rund 1.000 zusammen. Zudem übernimmt der Chemie-Multi in der Regel nur die Hälfte der Ausgebildeten.

POLITIK & EINFLUSS

Gentechnik-Gesetz beschlossen
Am 26.11. 2004 hat der Bundestag das Gentechnik-Gesetz verabschiedet (siehe auch Ticker 1/04). Damit gibt Rot-Grün grünes Licht für die “grüne Gentechnik”. Ausdrücklich verschreibt sich das Paragraphen-Werk der Förderung gentechnologischer Forschung. Getreu Gerhard Schröders Devise, man müsse das Augenmerk hauptsächlich auf die Chancen neuer Technologien richten, nicht aber auf die möglichen Risiken, zeigt sich die Regierungskoalition blind für die Gefährdungen durch Gentech-Pflanzen. Die Gefahr der Auskreuzungen von gentechnisch manipulierten Nutz-Pflanzen mit konventionell angebauten Sorten will die Gesetzes-Novelle einfach mit Abstandsregelungen verhindern. Kommt es dann doch zu einer Gen-Übertragung, sollen nicht etwa BAYER & Co. haften, sondern die LandwirtInnen. Im Vorfeld hatte der Leverkusener Chemie-Multi sich deshalb positiv über das Vorhaben geäußert, die europäische Freisetzungsrichtlinie in bundesdeutsches Recht umzusetzen und nur ein wenig an Details der Abstandsregelung herumgemäkelt. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens verschärften die Gen-Giganten allerdings die Kritik und sprachen von einem Gentechnik-Verhinderungsgesetz, um Veränderungen bei der Haftungsregelung zu erreichen. Am Tag der Entscheidung schließlich bezeichnete ein Sprecher von BAYER CROPSCIENCE das Votum des Bundestages für das Gesetz als “nicht hilfreich”.

Lobby-Club Wirtschaftsministerium
Der jüngste Wirtschaftsbericht des Wirtschaftsministeriums lässt keinen Zweifel an der Amtsauffassung von Wolfgang Clement. Der Superminister versteht sich als erster Lobbyist im Staate. Wirtschaftspolitik, so heißt es in der Publikation, “muss industrie-politische Belange fördern und sie bewusst gegen Forderungen aus anderen Politik-Bereichen wie der Umwelt- oder Verbraucher-Politik oder gegen wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen anderer Staaten vertreten”. Als solche kontroversen Politik-Felder bezeichnet der Bericht die Abgas-Normen für Autos, die Chemikalien-Gesetzgebung der EU, die Förderung der Gentechnik und die Beschleunigung der Arzneimittel-Zulassungen. Die drei letzten Punkte hat zweifellos BAYER mit auf die Agenda des Ministeriums gesetzt.

EU: Industrie-Studie übertreibt
Unermüdlich arbeiteten BAYER & Co. an einer weiteren Aufweichung des Chemikalien-Gesetzes der EU, das die VerbraucherInnen besser vor giftigen Substanzen schützen will. Die Konzerne gaben eine Studie in Auftrag, die auch brav das bestellte Horror-Szenario ablieferte und eine Gefährdung von Millionen Arbeitsplätzen durch das neue Regelwerk vorhersagte. Trotzdem erfüllte die Untersuchung nicht den beabsichtigten Zweck. Das EU-Parlament wies ihre Prognosen als übertrieben und unsachlich zurück.

Florenz Umweltausschuss-Vorsitzender
Der nordrhein-westfälische EU-Umweltpolitiker Karl-Heinz Florenz (CDU) ist BAYER-Dauergast und dem Konzern bei der Obstruktionspolitik gegen die europäische Chemikalien-Verordnung treu zu Diensten. Diese Arbeit kann er jetzt in herausgehobener Position fortsetzen. Florenz sitzt dem mit der Umsetzung des Regelwerks betrauten Ausschuss der Europäischen Union vor und hat auch schon die Marsch-Route vorgegeben. Er will “Industrie-Interessen stärker berücksichtigen”. Der Christdemokrat hat erstmal eine Verzögerungstaktik eingeschlagen, so dass die Regelung dem Straßburger Parlament erst im Herbst 2005 zur Abstimmung vorliegen wird.

Chemie-Gesetz: unendliche “Nachbesserungen”
Der Protest von BAYER & Co. gegen das Chemikalien-Gesetz der EU hat zu einer Neuausrichtung der gesamten Brüsseler Politik geführt (SWB 4/04). Super-Kommissar Günter Verheugen kann nicht nur sämtliche Gesetzes-Vorhaben auf ihre Wirtschaftsverträglichkeit hin prüfen, ihm obliegt auch die Umsetzung der Chemikalien-Verordnung. Wie er diese in die Wege leiten will, daran ließ er bei seiner Anhörung durch das Straßburger Parlament keinen Zweifel. “Das Gesetz muss so handhabbar sein, dass die Unternehmen nicht darunter zusammenbrechen”, sagte er ganz im Bann des von den Chemie-Multis entworfenen Katastrophen-Szenarios. Auch der neue Umwelt-Kommissar Stavros Dimas hat gegen weitere “Nachbesserungen” im Sinne der Industrie nichts einzuwenden.

IHK-Büro in Brüssel
Auf Initiative des Werksleiters der Brunsbütteler BAYER-Niederlassung, Willy Schiwy, haben 13 norddeutsche Industrie- und Handelskammern ein gemeinsames Büro in Brüssel eröffnet. Neben der weiteren Verwässerung der Chemikalien-Verordnung steht für die LobbyistInnen hauptsächlich auf der Agenda, die geplante Ausweisung von Naturschutz-Gebieten im Norden zu verhindern (siehe auch WASSER, BODEN & LUFT).

Bundesverdienstkreuz für Stindt
BAYERs Arbeitsrechtler Heinrich Meinhard Stindt hat das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen bekommen. Der Leiter der Konzern-Abteilung “Strategie und Politik” im Bereich “International Human Ressources” bekam die Ehrung “für sein Engagement um die Entwicklung von Recht und Praxis in der Beschäftigung und der Arbeitsförderung”. Dieses “Engagement” sah unter anderem so aus, dass Stindt vorschlug, neu abgeschlossene Arbeitsverträge sollten einen Passus enthalten, der den Unternehmen erlaubt, in Krisenzeiten bis zu 20 % des Grundlohns einzubehalten und die Arbeitszeit entsprechend zu kürzen. Auch sträubte er sich mit Händen und Füßen gegen einen neuen Passus im Arbeitsrecht, wonach die Beschäftigten bei geplanten Fusionen oder Ausgliederungen umfassend über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen aufzuklären sind.

Kubicki bei BAYER
Der schleswig-holsteinische Landtagsfraktionschef der FDP, Wolfgang Kubicki, besuchte mit der Brunsbütteler Ortsvereinsvorsitzenden Bettina Jebens und der Landtagsabgeordneten Veronika Kolb das BAYER-Werk an der Elbe und betätigte sich bei einem Gespräch mit Wirtschaftsrepräsentanten als zuverlässiger Lautsprecher der Konzern-Interessen. Er wetterte gegen die EU-Chemikalien-Verordnung, die geplante Ausweisung von mehr Naturschutzgebieten und die hohen Energie-Kosten, die angeblich durch die Windkraft-Subvention entstanden seien.

Bush gegen Re-Importe
Die hohen Arzneimittel-Preise in den USA stoßen zunehmend auf Kritik in der Öffentlichkeit (siehe auch unter DRUGS & PILLS). Da die Kosten für Medikamente um zwei Drittel über denen in Kanada liegen, treten viele PolitikerInnen dafür ein, den Re-Import der Mittel aus dem Nachbarland zu erleichtern. Aber George W. Bush wusste, was er dem Leverkusener Chemie-Multi, der ihn im Wahlkampf mit 120.000 Dollar unterstützt hat, und anderen Herstellern schuldig ist. Er lehnte die Forderung ab. Zudem hat seine Reform des Gesundheitsprogrammes “Medicare”, das künftig gegen eine Kopf-Prämie von 35 Dollar im Monat dreiviertel der Kosten für verschreibungspflichtige Pillen übernimmt, aus Kanada oder anderen Staaten stammende Pharmazeutika ausdrücklich von der Regelung ausgenommen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Kinderarbeit: BAYER desinformiert
Die neue Studie der indischen Kinderrechtsorganisation MV FOUNDATION stellt keine wesentliche Verbesserung der Situation von Kindern fest, die für Zuliefer der BAYER-Tochter PROAGRO in der Saatgut-Produktion arbeiten (siehe AKTION & KRITIK). In seiner öffentlichen Reaktion auf die OECD-Beschwerde der CBG und anderer Organisationen besitzt der Leverkusener Chemie-Multi nun die Unverfrorenheit, das Ergebnis der Studie in einer Presse-Erklärung umzuinterpretieren und sich selber so “erste Erfolge” im Engagement gegen die Kinderarbeit zuzuschreiben. Dabei schreckte der Konzern nicht einmal davor zurück, den Autoren der Untersuchung, Dr. Davaluri, als Kronzeugen für die angeblich positiven Veränderungen anzuführen.

Neue Chemie-Kampagne des VCI
Der “Verband der Chemischen Industrie” (VCI) hat eine neue Kampagne zur Image-Verbesserung von Plaste & Elaste gestartet. Sie stellt einmal mehr Chemie als unverfänglichen Begleiter des Alltags dar. “Sie macht Glas kratzfest, Sonnenbaden unbeschwert, Bildschirme flacher, PCs schneller” - und Lebensmittel giftiger, die Flüsse verseuchter, die Luft schmutziger, die Ozonlöcher größer und die Menschen kränker, was in der Aufzählung der BAYER-Propaganda-Postille direkt allerdings fehlt. Das abgebildete Werbe-Foto zeigt dagegen ganz groß das Wort “Verknallt”, wobei “AL” als Bezeichnung für Aluminium markiert ist. Dazu schmiegt sich eine Reinigungskraft verzückt an die offenbar aus Aluminium gefertigte Kachelwand eines Hallenbades an.

BAYER predigt
Der Leverkusener Chemie-Multi erweiterte im November 2004 das Spektrum seiner Werbe-Auftritte. Der Dormagener Chemie“park”-Leiter Walter Schulz bestieg die Kanzel der evangelischen Christus-Kirche und verkündete BAYERs Wort. In seiner Litanei berichtete er von gar Unglaublichem wie dem “gesellschaftlichen Engagement von BAYER”, der wundersamen Armenhilfe für brasilianische Kinder aus der Porto-Kasse eines Welt-Konzerns und verkündete, “dass nicht nur ökonomische, sondern auch und in gleichem Maße ökologische Kompetenz unabdingbar ist für das erfolgreiche Handeln”. Wer’s glaubt, wird selig.

Neue BAYER-Werbung
BAYER hat eine neue Werbe-Kampagne gestartet. Sie steht unter dem Motto “Science For A Better Life” und belässt es natürlich bei Versprechungen. Das Anzeigen-Motiv “Krebs aufhalten - Leben verlängern” etwa suggeriert, der Leverkusener Chemie-Multi hätte ein wirkungsvolles Mittel gegen Krebs entwickelt, was lediglich das Kleingedruckte relativiert. Die Annonce “Leben erforschen - Träume verwirklichen” zeigt ein niedliches Mädchen asiatischer Abstammung mit einer niedlichen Kinder-Zeichnung - man ist ja schließlich international ausgerichtet - und stellt eine Menge guter Fragen wie z. B.: “Wie kann immer mehr Menschen besser ernähren, ohne dabei die Natur zurückzudrängen?”, bleibt dann allerdings die Antwort schuldig. Zu einem Zeitpunkt, da der Konzern sein soziales Engagement real immer weiter zurückfährt (siehe STANDORTE & PRODUKTION), kommt darüber hinaus die “Corporate Social Responsibility” als Werbe-Motiv zumindest virtuell zu neuen Ehren.

Beteiligung an SCALE
BAYER beteiligt sich am SCALE-Projekt der EU, das die Auswirkung von Substanzen auf die Gesundheit von Kindern analysieren will. “Allerdings dürfe der Focus nicht einseitig auf möglichen Auswirkungen von Chemikalien liegen, warnen BAYER und der ‘Verband der Chemischen Industrie’ (VCI)”, heißt es in der Konzern-Postille direkt. Keinesfalls dürfe das bloße Vorhandensein eines Stoffes im Körper dazu führen, ihn als Krankheitsursache dingfest zu machen und ihn womöglich gar zu verbieten. BAYER lenkt hingegen von der lästigen Chemie ab. “Auch andere, für Kinder relevante Faktoren müssen berücksichtigt werden”, meint der Pharma-Riese. Als solche erachtet er Übergewicht, Bewegungsmangel, Reizüberflutung, passives Rauchen und Alkohol-Konsum. Geschickt eingefädelt: In dieser Krankheitsreiz-Überflutung soll die Chemie als eine Gesundheitsgefährdung von vielen untertauchen.

Ökotest lobt LEVITRA
Die Zeitschrift Ökotest hat im August 2004 43 Mittel zur Behandlung von Erektionsstörungen geprüft dabei dem BAYER-Produkt LEVITRA eine sinnvolle pharmakologische Zusammensetzung und gute Wirksamkeit bescheinigt. Ein peinliches Urteil: Die Publikation übernahm nicht nur kritiklos die Industrie-Angaben, wonach in der Bundesrepublik angeblich vier bis sechs Millionen Männer an “erektiler Dysfunktion” leiden, sie verschwieg auch die zahlreichen Nebenwirkungen. Als solche zählt eine von BAYER selbst in Auftrag gegebene Studie Kopfschmerzen, Gesichtsrötungen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome und Verdauungsbeschwerden auf (Ticker 1/03).

Werbe-Plattform Landesgartenschau
Der Leverkusener Chemie-Multi nutzt die über den 126.000 Tonnen Schadstoff seiner ehemaligen Giftmüll-Deponie Dhünnaue errichtete Landesgartenschau 2005 (siehe auch unter WASSER, BODEN & LUFT) in massiv als Werbe-Plattform. So sollen etwa ein “Unkraut-Lehrpfad” und Bilder von “Pflanzen-Krankheiten” den Segen der BAYER-Pestizide preisen.

BAYER kauft Wissenschaftler
BAYERs Diabetes-Mittel GLUCOBAY steht seit langem in der Kritik. Nach Meinung des Pharmakologen Gerd Glaeske handelt es sich dabei um ein Präparat, das “gerade mal so wirksam ist wie Müsli”. Da wunderte es die Fachwelt schon, dass ein Artikel in dem Fachmagazin Lancet zu einer positiven Bewertung kam. BAYER musste dabei allerdings kräftig nachhelfen. Der Konzern selbst hatte die Studie in Auftrag gegeben, bezahlt und die Bedingungen festgelegt. Das verschwiegen die AutorInnen, womit sie eindeutig gegen den Verhaltenscodex der Zeitschrift verstießen. Einer der Beteiligten, der Dresdener Professor Markolf Hanefeld, blieb dem Leverkusener Chemie-Multi auch darüber hinaus noch verbunden. Im Zuge der Verhandlungen über die Positiv-Liste für therapeutisch sinnvolle Medikamente setzte er sich in der Ärzte-Zeitung vehement dafür ein, GLUCOBAY in das Verzeichnis aufzunehmen. Unterstützung erhielt er in dem Blatt von dem Präsidenten der “Deutschen Diabetes-Union, dem Münchner Diabetologen Eberhard Standl. Aus freien Stücken, beteuerte Standl, er stehe nicht in Diensten BAYERs. Leider ist er aber auf der ReferentInnen-Liste des Konzerns mit einem Honorar von 1.000 Euro aufgeführt.

BAYER spart an der Kultur
Nicht nur bei der Unterstützung des Breitensports, auch beim image-fördernden Kultur-Sponsoring reduziert der Leverkusener Chemie-Multi sein Engagement. So schrumpfte sein Kultur-Etat in den letzten vier Jahren um 10 Prozent.

Sportler laufen für BAYER
Der Leverkusener Chemie-Multi finanzierte den “TransEuropaLauf”, der 49 Teilnehmer durch 5.017 Kilometer Europa führte. “BAYER stieg ein, wohlwissend, dass dieses Engagement zum positiven Image der Marke Polymers beitragen würde”, heißt es dazu im Werbe-Fachblatt PR Report. Diese Vermarktungsaufgabe übernahm für den Konzern die Agentur ATKON. Sie produzierte unter anderem einen Magazin-Beitrag, den klamme Privatsender dankend abnahmen, und vermittelte Interviews mit Läufern. “Der Aufwand hat sich gelohnt: Weltweit gab es 110 Millionen Zuschauer”, resümiert der PR Report.

TIERE & ARZNEIEN

BAYER verkauft Impfstoffe
Der Leverkusener Chemie-Multi hat die EU-weiten Vermarktungsrechte für IBR-Marker-Impfstoffe sowie für noch in der Entwicklung befindliche Vakzine an PFIZER verkauft.

DRUGS & PILLS

Höhere Pillen-Preise
BAYER & Co. holen sich die durch die “Gesundheitsreform” erfolgten finanziellen Einbußen über höhere Arzneimittel-Preise zurück. So verlangten die Pharma-Multis für ihre Erzeugnisse um die Jahreswende 2003/2004 durchschnittlich 18 Prozent mehr als 12 Monate zuvor. Nach Angaben des arznei-telegramms tat sich dabei neben TROPON und CELL PHARM vor allem BAYER hervor. Damit behauptet sich die Bundesrepublik in der Rangliste der Länder mit den kostenträchtigsten Arzneien sicher auf Platz fünf.

Weitere Zulassungen für LEVITRA
BAYER hat für das Potenz-Mittel LEVITRA (Nebenwirkungen: siehe unter PROPAGANDA & MEDIEN) Zulassungen auch in Kanada, China und Japan erhalten. Es ist jetzt in 76 Ländern erhältlich.

Medikamenten-Abhängigkeit steigt
Die Zahl der Medikamenten-Abhängigen nimmt ständig zu. Mittlerweile sind in der Bundesrepublik 1,5 Millionen Menschen betroffen. Als Arzneien mit hohem Sucht-Potential gelten neben Schmerzmitteln wie BAYERs ASPIRIN vor allem Beruhigungsmittel und Antidepressiva.

Orphan Drug “BAY 43-9006”
Pharma-Konzerne betrachten es nicht als ihre ureigene Aufgabe, Arzneien zur Behandlung von möglichst vielen Krankheiten zu erfinden. Sie wollen lediglich Medikamente zur Therapie der verbreitesten Gesundheitsstörungen entwickeln, weil nur das genügend Profit verspricht. Haben sie denn zufällig doch einmal zufällig ein aussichtsreiches Pharmazeutikum für ein seltenes Leiden in den Labor-Töpfen, so lassen sie sich die Weiterentwicklung subventionieren. Diese Aufgabe erfüllt die Verleihung des Orphan-Drug-Status (orphan = engl. Waise). Ein solches Prädikat bekam BAYER jetzt für den Wirkstoff “Bay 43-9006” (siehe Ticker 3/04) als Nierenkrebs-Therapeutikum zugebilligt. Es räumt dem Leverkusener Chemie-Multi eine verlängerte Patent-Laufzeit und geringere Zulassungsgebühren ein.

Zulassungsantrag für “BAY 43-9006”
BAYER will für das in der letzten Phase der Erprobung steckende Nierenkrebs-Medikament “BAY 43-9006” bei der US-Gesundheitsbehörde FDA einen Zulassungsantrag stellen, obwohl sich einige InvestorInnen von den Test-Daten der Phase zwei enttäuscht zeigten. Die Substanz gehört wie PFIZERs SU11248 zu den so genannten Signal-Transduktionsinhibitoren. Sie sollen die Signal-Wirkung von Wachstumsfaktoren stören, so dass Tumore sich nicht länger vergrößern können. Aber im direkten Vergleich mit dem PFIZER-Präparat sieht es nicht so gut für “BAY 43-9006” aus. “Der Wirkstoff konkurriert direkt mit SU11248 und scheint in der Wirkung etwas schwächer zu sein”, urteilt das Magazin GoingPublic.

Aus für TAXANE
Wieder einmal konnte ein von BAYER schon als Wundermittel gegen Krebs gepriesenes Medikament die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllen. Anfang September stoppte der Leverkusener Chemie-Multi die Erprobung von TAXANE. Wegen nicht ausreichender Wirksamkeit schaffte die Arznei den Sprung in die dritte Test-Phase nicht. Im Frühjahr hatte der Konzern Gerüchte um Probleme noch dementiert. “TAXANE ist sehr lange in Phase zwei, das heißt aber nicht, dass es in Schwierigkeiten ist”, hatte der damalige Gesundheitschef Rolf Clasen die Presse beruhigt. Sogar den jährlichen TAXANE-Umsatz hatte das Unternehmen schon taxiert: 400 Millionen Dollar.

Neue ONKOLOGIE-Sparte
BAYER baut für die Vermarktung von Krebsmedikamenten eine neue Sparte auf. Bis auf die für SCHERING-PLOUGH vertriebenen Arzneien beschränkt sich die Produkt-Palette bisher allerdings auf VIADUR alias LEUPROLID, eine umsatzschwache Arznei gegen Prostata-Krebs. Das Pharmazeutikum TAXANE (s. o.) konnte das Angebot wider Erwarten nicht erweitern. Bei Arzneimittel-Tests erwies es sich als mangelhaft. Jetzt ruhen die Hoffnungen allein auf der sich ebenfalls in der Erprobung befindlichen Substanz “BAY 43-9006” zur Behandlung von Nierenkrebs.

Zweifelhafte ADALAT-Studie
Nach einer neuen Studie führt BAYERs Herz/Kreislauf-Medikament ADALAT bei Hochrisiko-PatientInnen zu einem um 30 Prozent geringeren Infarkt-Risiko. Ob der Konzern die Untersuchung selber in Auftrag gegeben hat, oder ob sie allein der Objektivität verpflichtete WissenschaftlerInnen durchgeführt haben, teilte der Pharma-Riese nicht mit. An den Ergebnissen bestehen in jedem Fall große Zweifel. So mussten US-PharmakologInnen Ende der 90er Jahre eine Test-Reihe sogar abgebrechen, weil die ADALAT-ProbandInnen fünf mal häufiger einen Herzinfarkt erlitten hatten als die TeilnehmerInnen aus der Vergleichsgruppe (Ticker 1/99). “Wenn ich jetzt böswillig wäre, was ich nicht bin, könnte ich ausrechnen, dass über 200.000 Menschen im Laufe der letzten 20 Jahre, dass wir die umgebracht haben mit Kalzium-Antagonisten (...)!”, kommentierte der heutige Leiter des Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Dr. Peter Sawicki, damals den Vorfall.

HIV-Test für Blut-Plasma genehmigt
Der Leverkusener Chemie-Multi kann jetzt seine Blut-Produkte selber auf HI-Viren untersuchen. Die US Gesundheitsbehörde FDA erteilte die Zulassung für einen entsprechenden Test auf Gentech-Basis. Sie machte damit den Bock zum Gärtner. Seit Mitte der 80er Jahre starben nämlich Tausende Bluter an AIDS-verseuchten Blutplasma-Produkten von BAYER, weil der Konzern sich wie andere Hersteller aus Profit-Gründen weigerte, die Präparate einer Hitze-Behandlung zu unterziehen.

Ärger im Pharma-Paradies
Nirgendwo können BAYER & Co. so viel Geld für ihre Medikamente verlangen wie in den USA. So kostet BAYERs Potenz-Mittel LEVITRA in den Vereinigten Staaten doppelt so viel wie in der Bundesrepublik. Diese Hochpreis-Politik ist jedoch zunehmender Kritik von Verbraucherschutz-Organisationen ausgesetzt. Selbst Industrie-Vertreter wie der ehemalige MERCK-Boss Roy Vagelos sehen das Ende der Fahnenstange erreicht. “Staatliche Preis-Kontrollen sind fast unvermeidlich”, sagte er der New York Times. 46 Bundesstaaten haben bereits mit Planungen für Kostendämpfungsprogramme begonnen. John Kerry wollte sie im Falle eines Wahlsieges ausgebauen, weshalb BAYER & Co. wie schon im Jahr 2000 den Wahlkampf von George W. Bush großzügig unterstützt haben.

BAYER profitiert von gefährlicher Diät
ErnährungswissenschaftlerInnen warnen eingehend vor der “Atkins-Diät”. Sie schreibt den weitgehenden Verzicht auf Kohlenhydrat-haltige Nahrungsmittel wie Brot, Reis, Kartoffeln und Nudeln vor, was unter anderem zu Mangel-Erscheinungen, Verdauungsproblemen, Muskelkrämpfen und Schwäche-Anfällen führt. Den Leverkusener Chemie-Multi jedoch ficht das nicht an. Der Konzern bietet begleitend zur “Atkins-Diät” Nahrungsergänzungsmittel wie den Vitamin-Cocktail ONE-A-DAY CARBSMART an, um die Folgen der unausgewogenen Ernährung auszugleichen, und setzt damit jährlich zwei Millionen Dollar um. Die von BAYER ebenfalls zum Bei-Konsum bei allen Diäten empfohlene Pille ONE-A-DAY WEIGHTSMART brachte es sogar auf 32 Millionen Dollar per anno (siehe auch SWB 4/04).

GENE & KLONE

Kein Gen-Soja in Belgien
Belgien ist kein gutes Pflaster für BAYER. Nachdem die Behörden vor einiger Zeit die Zulassung von Gen-Raps wegen der Auskreuzungsgefahr und der negativen Auswirkungen auf die Artenvielfalt abgelehnt hatten (Ticker 1/04), zog der Leverkusener Chemie-Multi jetzt einen Antrag auf Genehmigung von gentechnisch manipuliertem Soja freiwillig zurück.

Gentech-Rückzug in England

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Ende 2003 hatte BAYER in England das Zulassungsbegehr für Gen-Mais zurückgezogen, weil der Konzern die Auflagen der Regierung nicht akzeptieren wollte. Nachdem die britische Umweltministerin Margaret Beckett in einer Regierungserklärung klarstellte, dass die Gen-Multis und niemand sonst die Haftungsrisiken für die “Zukunftstechnologie” zu tragen hätten und ein behördliches OK für Gen-Raps und -Zuckerrübe von vornherein ausschloss (Ticker 2/04), stoppte der Konzern die Genehmigungsanträge für fünf Raps-Linien und eine Futtermais-Sorte.

Gentech-Rückzug in England

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Mitte November 2004 zog BAYER in Großbritannien die Zulassungsanträge für zwei Sorten Gentech-Raps zurück.

Gen-Raps in Australien
BAYER hat in der australischen Provinz Victory Freisetzungsversuche mit Gen-Raps begonnen. LandwirtInnen schlugen wegen möglicher Auskreuzungen mit ihren Acker-Früchten Alarm, woraufhin die Provinz-Regierung den Leverkusener Chemie-Multi aufforderte, die Lage des Felds bekanntzugeben. Zunächst wollten die PolitikerInnen die Stelle sogar selbst outen, beugten sich dann aber dem Willen ihrer Bundesregierung. Der Konzern verriet den Tatort selbstverständlich nicht, woraufhin das NETWORK OF CONCERNED FARMERS die Sache selbst in die Hand nahm und mit Flugzeugen nach gen-manipuliertem Raps made by BAYER suchte.

LIBERTYLINK in Bulgarien
Die gentechnik-kritische Stimmung in den westeuropäischen Ländern zwingt BAYER, in andere Staaten wie z. B. Bulgarien auszuweichen. Dort bietet der Konzern LIBERTYLINK-Saatgut mit eingebauter Resistenz gegen Anti-Unkrautmittel und eine Kombination von LIBERTYLINK mit MAISGARD, ein Produkt eines anderen Herstellers, an, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass diese nicht zuverlässig gegen Unkräuter wirkt.

Neue Grenzwert-Regelungen in der EU
Die EU plant eine neue Grenzwert-Regelung für die Verunreinigung von Saatgut mit Gen-Spuren. Nach dem Entwurf von Umweltkommissarin Margot Wallström soll das Limit für Raps und Mais bei 0,3 Prozent und bei Zuckerrübe, Futterrübe, Kartoffeln und Baumwolle bei 0,5 Prozent liegen. Bislang galt hingegen die Nachweis-Grenze von 0,1 Prozent als Richtmaß. Organisationen wie SAVE OUR SEEDS fordern deshalb auch, diese Bestimmung beizubehalten.

Kein Gen-Glück mit LION
Seit langem fahndet das Heidelberger Bioinformatik-Unternehmen LION BIOSCIENCE für den Leverkusener Chemie-Multi nach krankheitsrelevanten Genen, um diese als Wirkorte für neue Medikamente zu nutzen. Die Bio-TechnikerInnen haben zwar schon mehr als 250 so genannter Targets gefunden, aber mit denen konnte der Leverkusener Gen-Gigant, der sieben Prozent der Geschäftsanteile von LION hält, nicht viel anfangen. Deshalb hat der Konzern jetzt das Auftragsvolumen deutlich reduziert.

“EuropaBio” erforscht die “Bio-Ökonomie”
BAYER, BASF und andere im Brüsseler Lobby-Club “EuropaBio” organisierte Konzerne haben im Juni 2004 ein 45 Milliarden Euro schweres Programm zur Erforschung der “Bio-Ökonomie” vorgestellt. Die Multis wollen mit Hilfe der Gentechnik das Problem immer knapper werdender Ressourcen lösen und “biologische Rohstoffe” zur Grundlage der Industrie-Produktion im 21. Jahrhundert machen. Obwohl die Unternehmen es bisher noch nicht einmal geschafft haben, das Übergreifen von Gentech-Samen auf Felder mit konventionellem Anbau zu verhindern, ließ die EU schon mal 500.000 Euro für die Konzeption eines Aktionsplans zur “Bio-Ökonomie” springen (siehe SWB 4/04).

WASSER, BODEN & LUFT

Streit um Naturschutzgebiet
Die EU-Kommission will in Norddeutschland Elbe und Umgebung gemäß der “Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie” zum Naturschutzgebiet erklären. In diesem Fall müsste das Brunsbütteler BAYER-Werk, wollte es die Produktion und damit auch die Gift-Einleitungen erhöhen, sich vorher einer Prüfung unterziehen. “Dann müssten wir bald Fische und Krebse zählen, wenn wir das Werk erweitern wollen”, giftete Werksleiter Willy Schiwy. Deshalb setzt der Chemie-Multi alle Hebel in Verbindung, um die “unvertretbare Belastung” zu verhindern, dabei wieder einmal das fadenscheinige Argument “Arbeitsplätze” im Munde führend. So forderte der Konzern das schleswig-holsteiner Umweltministerium auf, sich für die “Nichtnotwendigkeit der Ausweisung eines FFH-Gebietes vor Brunsbüttel” einzusetzen. Dem kam die Politik prompt nach und meldete die Unterelbe-Region nicht als “Flora-Fauna-Habitat” nach Brüssel. “Falls Brüssel trotzdem eine Ausweisung will, müssen wir uns massiv dagegen wehren”, meint der Brunsbütteler Betriebsratsvorsitzende Erich Timmermann. Auch das auf BAYERs Initiative hin in Brüssel eingerichtete Büro der norddeutschen Industrie- und Handelskammern (siehe auch POLITIK & EINFLUSS) wird eine entsprechende Lobby-Politik betreiben.

BAYER zeigt “Absicherung Dhünnaue”
126.000 Tonnen Schadstoffe lagern auf dem Dhünnaue-Gelände. Der Pharma-Riese hat nämlich die Altlasten seiner ehemaligen Deponie einfach mumifiziert anstatt sie abzutragen. Eine fast vier Kilometer lange dicke Sperrwand umgibt das Gift-Grab nun seitlich. Nach oben hin dichten mehrere Schichten aus Ton, Erde und Kunststoff ab. Aber nach unten ist alles offen. So ist die Deponie buchstäblich ein Fass ohne Boden. Der Konzern entschloss sich deshalb in Tateinheit mit der Stadt Leverkusen, im wörtlichen Sinn Gras über die Sache wachsen zu lassen und die Landesgartenschau 2005 auf dem Gelände auszurichten. Eine Million Euro stellt der Chemie-Multi dafür zur Verfügung. Im Preis inbegriffen: Genug Raum, um seine Sicht der Dinge darzustellen. So zeigt BAYER auf 190 Quadratmeter eine unkritische Ausstellung zum Thema “Absicherung Dhünnaue”.

Kanada: mangelhafte BAYER-Anlagen
Am kanadischen BAYER-Standort Sarnia hat die Umweltbehörde der Provinz Ontario die Chemie-Werke rund um den St. Clair-River überprüft, weil der Fluss zu einem Endlager für Chemikalien zu werden drohte. (siehe auch SWB 4/04) Bei vier Fertigungsstätten des Leverkusener Chemie-Multis stellte sie Verstöße fest. Der Konzern hatte Gift-Müll falsch deklariert, eine Abwasser-Anlage ohne Genehmigung der zuständigen Stellen umgebaut und betrieb eine gefährliche Produktion ohne Zulassung.

Südafrika: Chrom im Grundwasser
Das Grundwasser in der Umgebung des im südafrikanischen Durban gelegenen BAYER-Werks ist stark durch Krebs erregende Chrom-Verbindungen belastet (siehe auch SWB 4/04). Die Behörden warnten die Bevölkerung eindringlich davor, Wasser aus den angrenzenden Brunnen zum Trinken oder Kochen zu verwenden. Der Leverkusener Chemie-Multi bestreitet, dass es sich um aktuelle Einträge handelt, die Chrom-Belastung geht angeblich auf “historische Verunreinigungen” zurück. Die Chrom-Produktion des Konzerns in Südafrika machte in der Vergangenheit immer wieder Schlagzeilen. So kam es in den 70er Jahren wegen mangelhafter Sicherheits-Vorkehrungen zu einer großen Zahl von Vergiftungsfällen. Ein Drittel der Belegschaft erlitt bleibende Gesundheitsschäden, mindestens acht Arbeiter starben an Lungenkrebs, zwei weitere an Tuberkulose.

CHEMIE & GIFTE

EU: Chemie belastet Innenräume
Eine Studie des Joint Research Centers der EU wies eine starke Belastung von Innenräumen wie Wohnungen, Büros und Schulgebäude mit Chemikalien nach. Als besonders alarmierend hob sie die Zahlen für Lösemittel hervor. BAYER verwendet diese bei der Produktion von Kunst- und Farbstoffen, Pestiziden, Fasern und Pharmazeutika.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Künast untersucht GAUCHO-Gefahren
Durch BAYERs Saatgut-Behandlungsmittel GAUCHO und das zeitweilig ebenfalls zur Produkt-Palette des Konzerns gehörige REGENT kam es in Frankreich bei 182 Menschen zu Vergiftungserscheinungen. Fast hundert Milliarden Bienen starben. Deshalb ist die chemische Keule im Nachbarland schon seit geraumer Zeit verboten. Der Bundesregierung reichten diese Fakten allerdings nicht als Beleg für die Gefährlichkeit des Ackergiftes. Sie initiierte erst einmal ein Monitoring-Projekt zur Untersuchung des Schadenspotenzials von GAUCHO. Dabei wirken auch BAYER selbst sowie das industrie-freundliche Bienen-Institut mit, Umweltschutzgruppen fehlen hingegen. Zu einer Verbotsempfehlung dürfte es bei so einer Konstellation wohl kaum kommen.

Pestizide machen krank
Kanadische ForscherInnen untersuchten die wissenschaftliche Literatur zu Pestiziden ab 1992 und kamen in Bezug auf die gesundheitsgefährdenden Wirkungen zu alarmierenden Ergebnissen. Die Studien machten die Agro-Chemikalien als Auslöser zahlreicher Krankheiten aus. Die Produkte von BAYER & Co. können demnach unter anderem verschiedene Krebsarten, Leukämie, Störungen des Nervensystems sowie psychische Erkrankungen auslösen. Personen, die beruflich mit Ackergiften umgehen wie LandwirtInnen, gefährden nicht nur sich, sondern auch ihre Nachkommen. Die WissenschaftlerInnen beobachteten in den betreffenden Familien ein vermehrtes Auftreten von embryonalen Wachstumsstörungen, Totgeburten und Geburtsschäden.

DIURON verursacht Asthma
Das Spritzen von BAYERs Pestizid DIURON im Nachbarsgarten hat bei einem 10-Jährigen Jungen Asthma ausgelöst. Der behandelnde Arzt wies im Blut des Kindes Glyphosat Trimesium, ein DIURON-Abbauprodukt nach.

Künast verharmlost GAUCHO
Wegen seiner bienengefährdenden Wirkung hat der französische Landwirtschaftsminister Hervé Gaymard die Anwendung des BAYER-Saatgutbeizmittels GAUCHO auf Sonnenblumen- und Maisfeldern vor einiger Zeit untersagt. Obwohl auch in der Bundesrepublik im letzten Jahr ein Drittel aller Bienenvölker einging, sieht das Landwirtschaftsministerium keinen Handlungsbedarf. “Bei richtiger Anwendung des Insektizids GAUCHO gab es keine Schäden an den Bienen”, heißt es aus dem Hause Künast wider besseren Wissens.

Pestizid-Weltmarkt: BAYER Nr. 2
BAYER ist die Nr. 2 des weltweiten Pestizid-Marktes und verringerte mit einem Umsatz von 5,4 Milliarden Dollar den Abstand zu SYNGENTA (5,5 Milliarden) weiter. Den dritten Platz nimmt mit fast zwei Milliarden weniger BASF ein.

Weltweit mehr Pestizide
BAYER & Co. haben 2003 mehr Pestizide verkauft als im Geschäftsjahr 2002. Der Agrochemie-Umsatz stieg nach Angaben des “Industrieverbandes Agrar” um sechs Prozent auf 26,7 Milliarden Dollar. Als weltweit zweitgrößter Anbieter auf diesem Markt fließt ein gehöriger Anteil dieses Geldes in BAYER-Kassen.

Immer mehr Pestizid-Rückstände
Nach einem Bericht der EU finden sich in immer mehr Lebensmitteln der Gemeinschaft Pestizid-Rückstände. Nur noch 56 Prozent des untersuchten Obstes, Getreides und Gemüses weist keine nachweisbaren Spuren auf; 1999 waren es noch 64 Prozent. Die Grenzwert-Überschreitungen stiegen von 1996 drei Prozent auf 5,5 Prozent anno 2002. Die Bundesrepublik lag dabei mit 8,7 Prozent über dem Durchschnitt, bei den Mehrfach-Belastungen nahm sie mit dem Wert von 31,1 Prozent sogar den Spitzenplatz ein. BAYER-Produkte hatten daran einen gehörigen Anteil. Der TAMARON-Wirkstoff Methamidophos überschritt in Bohnen die noch als gesundheitlich unbedenklich geltende Menge - die akute Referenz-Dosis (ARfD) - um 477 Prozent, der MESUROL-Wirkstoff Methiocarb um 441 Prozent. Der Wirkstoff Oxidemeton-methyl, enthalten in METASYSTOX R, lag in Spinat um 404 Prozent über dem ARfD-Wert. Parathion, das unter anderem in den BAYER-Produkten E 605 FORTE, ME 605 und ECOMBI enthalten ist, übertraf in Pfirsichen die ARfD-Grenze um 161 Prozent. Beim von der EU eingeführten Schnellmeldesystem zu gesundheitsgefährdenden Gift-Spuren in Lebens- und Futtermitteln gingen neun von 43 Warn-Hinweisen und 18 von 129 Informationshinweisen zu BAYERs Methamidophos ein.

EU harmonisiert Grenzwerte
Die Europäische Union strebt bis Mitte 2005 eine Vereinheitlichung der noch erlaubten Rückstandsmengen für die Pestizide von BAYER & Co. in Lebensmitteln an. Einen verbesserten Gesundheitsschutz für bundesdeutsche VerbraucherInnen bedeutet dies jedoch nicht unbedingt, sie müssen sich bei den 160.000 zur Disposition stehenden Werten sowohl auf Anhebungen als auch auf Absenkungen einstellen.

Wachstumsmarkt Polen
Nach der EU-Osterweiterung hofft BAYER CROPSCIENCE vor allem in Polen auf glänzende Geschäfte. Europa-Chef Kurt Küsgen erwartet einen Strukturwandel in der Landwirtschaft weg von den personal-intensiven Kleinbauernhöfen hin zu mehr agro-industriellen Großbetrieben. Diese sieht er als “Technologie-Driver” und also auch als Umsatz-Driver für den Konzern an.

Neue Pestizide
BAYER hat Zulassungsanträge für zwei neue Antipilz-Mittel gestellt, PROLINE (Wirkstoff: Prothioconazole) und Input (Wirkstoffe: Prothioconazole und Spiroxamine). Schon auf den Markt gebracht hat der Leverkusener Chemie-Multi das Insektizid RUNNER. Das im Obst- und Wein-Anbau einsetzbare Mittel soll nach Konzern-Angaben angeblich nicht bienen-gefährlich sein und Nützlinge schonen.

Neue Haushaltsinsektizide
BAYER bietet zwei neue Pestizide an. Die LIZETAN-KOMBISTÄBCHEN sollen gegen saugende Schadinsekten wirken, der berühmt-berüchtigte GAUCHO-Inhaltsstoff Imidacloprid tötet so nebenbei allerdings auch Bienen. CUPRAVIT KUPFERKALK mit dem Wirkstoff Kupferoxychlorid ist zum Schutz von Erdbeeren, Gemüse und Zierpflanzen vor Pilz-Krankheiten vorgesehen.

STANDORTE & PRODUKTION

Auch 2004 keine Gewerbesteuer
“Wann zahlt BAYER wieder Gewerbesteuer?”, fragte ein Journalist der Rheinischen Post BAYER-Chef Werner Wenning auf der letzten Bilanz-Pressekonferenz. Antwort: “Wenn wir wieder Gewinne machen. 2004 nicht!” Tatsächlich wies der Leverkusener Chemie-Multi für das Geschäftsjahr 2003 einen Verlust von fast 1,35 Milliarden Euro aus, während der Umsatz sich mit 28,5 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr kaum verändert hatte. BAYER hat also wieder einmal ganz legale Steuertricks angewendet und in den Bilanzen mit Wertberichtigungen und Abschreibungen herumoperiert, um Abgaben zu sparen.

Sirenen: BAYER zahlt nur wenig
Anfang der 90er Jahre rechnete der Staat nicht mehr mit “Verteidigungsfällen” und baute flächendeckend Sirenen ab, auch in Krefeld. Nach Besorgnis erregenden Störfällen im Uerdinger BAYER-Werk erachteten die Kommunal-PolitikerInnen ein Warn-System aber dennoch für notwendig und errichteten im Industrie-Gebiet 20 neue Sirenen. An den Kosten beteiligten sich der Chemie-Multi und die anderen Konzerne allerdings nur unzureichend. Bloß ein Drittel der Summe schossen sie zu.

Verkleinerung des Chemie-“Parks”?
Bei BAYER gibt es Überlegungen, den Wiesdorfer Chemie-“Park” zu verkleinern und Verwaltungsgebäude “außen vor” zu lassen, um die Vermarktungschancen für freie Flächen zu erhöhen. Liegen die Büros außerhalb des Geländes, müssen die Sicherheitsauflagen nämlich nicht mehr dem Chemie-Standard entsprechen. Für sie gelten dann viele Umwelt-Vorschriften und Bestimmungen zu Werkschutz, Feuerwehr und PförtnerInnen nicht mehr, was die Nebenkosten reduziert.

Spedition baut Silos
Das Speditionsunternehmen SCHMIDT baut auf dem Dormagener Chemie-“Park” 40 Silos zur Zwischenlagerung der BAYER-Kunststoffe NOVODUR 9 und LUSTRAN. Die 24 Meter hohen Türme können jeweils 340 Kubikmeter Plaste aufnehmen.

Großanlagen-Bau in China
BAYER will in China bis 2008 für über 1,8 Milliarden Dollar vier Großanlagen zur Produktion von Stoffen wie Diphenylmethandiisocyanat (MDI) und Tolylendiisocyanat (TDI) bauen, welche die Weltgesundheitsorganisation als Krebs erregend und Erbgut schädigend einstuft. Der letzte Störfall in der TDI-Produktion ereignete sich 1997 in Dormagen, als eine Explosion mehr als 12 Tonnen des Vorproduktes TDA freisetzte.

BAYER schließt Galerie
Die Kultur-Förderung gehört nicht zu den Kern-Geschäften des Leverkusener Chemie-Multis. Deshalb gab BAYER INDUSTRY SERVICES (BIS), in deren Händen das Management der Chemie-“Parks” liegt, die Schließung der Werksgalerie bekannt. Der Konzern spart dadurch 100.000 Euro. Auch die 70.000 Euro kostende Unterstützung der Kleinkunst gibt die BIS auf. Die KULTURVEREINIGUNG LEVERKUSEN protestierte scharf gegen die Streich-Orgien. Sie erinnerte in diesem Zusammenhang an den kontinuierlichen Sozial-Abbau BAYERs und nannte als Beispiele dafür die Schließung der Werkskindergärten, des Duisberg-Bades und des BAYER-Kaufhauses. Auch die “Arbeitsgemeinschaft Leverkusener Künstler” äußerte Kritik. Es sei einfach albern, zu glauben, die Holding werde an den eingesparten 170.000 Euro gesunden. Vielmehr spreche aus dieser Manager-Entscheidung eine “extreme Ignoranz den Künstlern und dieser kulturellen Initiative gegenüber”, gab der Kölner Stadtanzeiger die Worte des AG-Sprechers Klaus Wolf wieder.

IMPERIUM & WELTMARKT

Kooperation mit SIEMENS
BAYER TECHNOLOGY SERVICES und SIEMENS haben eine Zusammenarbeit bei Bau und Wartung von Anlagen vereinbart. BAYER liefert das Ingenieur-Wissen und die SIEMENS-Abteilung das digitale Knowhow. Gemeinsam will man künftig Aufträge zur Automatisierung der gesamten Produktion im Auto- oder Chemie-Bereich akquirieren und so Arbeitsplätze wegrationalisieren.

USA: Abwicklung des Pharma-Vertriebs
Nach dem LIPOBAY-Skandal konnte BAYER nicht länger ein Big Player im Pharma-Bereich sein. Der Leverkusener Chemie-Multi strebte fortan eine Positionierung als “mittelgroßes europäisches Pharma-Unternehmen” an. Im Zuge dieses Rückbaues hat der Konzern in den USA nun den Pillen-Vertrieb aufgegeben. CIPROBAY, ADALAT & Co. wird künftig SCHERING-PLOUGH vermarkten. BAYER hingegen kümmert sich um den Absatz von SCHERING-PLOUGHs Krebsmedikamenten und um das japanische Geschäft mit dem Cholesterinsenker ZETIA. Darüber hinaus verkauft das Unternehmen nur das nicht direkt an MedizinerInnen oder Apotheken abgegebene Blut-Produkt KOGENATE und das Blutungen bei Bypass-Operationen stillende TRASYLOL weiterhin selber. Damit vernichtet der Gen-Gigant betriebsintern 1.800 Arbeitsplätze. Das war auch Sinn der Übung. “Denn bei genau definierten Verkaufspreisen und einer Gewinn-Beteiligung kann man sich eine 1.800-köpfige Vertriebsmannschaft weitgehend sparen, zumal so auch die Umsätze planbarer werden. Nur 800 Mann weniger könnten schon 66 Millionen Euro mehr bringen”, rechnet die Financial Times Deutschland vor. Zum Schicksal der Beschäftigten heißt es lediglich vage, die meisten von ihnen übernehme SCHERING-PLOUGH

Pharma-Forschungsabteilung verkauft
BAYERs Pharma-Sparte schrumpft und schrumpft. Ende August hat der Leverkusener Chemie-Multi seine Abteilung “Atemwegserkrankungen” an das Unternehmen AEROVANCE verkauft, dessen Mehrheitsanteile dem Finanz-Investoren APAX PARTNERS gehören. Gegen die Veräußerung der Rechte an 11 Mitteln, die sich in der klinischen Erprobung befinden, erhielt der Konzern eine 19,9-prozentige Beteiligung an AEROVANCE.

BAYER im LION-Aufsichtsrat?
Das Heidelberger Bioinformatik-Unternehmen LION BIOSCIENCE, an dem BAYER sieben Prozent der Geschäftsanteile hält, hat den Rücktritt von Vorstand und Aufsichtsrat angekündigt. Zur Begründung gab die an der US-Börse notierte Firma an, sie sei finanziell nicht in der Lage gewesen, die nach US-amerikanischem Recht persönlich haftenden Manager durch eine Versicherungspolice abzusichern. Jetzt muss das Heidelberger Amtgericht den neuen Aufsichtsrat berufen. Da hierfür normalerweise die Groß-Aktionäre erste Ansprechpartner sind, könnte demnächst ein BAYER-Mann im LION-Aufsichtsgremium sitzen.

Kooperation mit AMERSHAM
BAYER und das britische Unternehmen AMERSHAM vereinbarten eine Zusammenarbeit auf dem Diagnostika-Gebiet. Die beiden Konzerne wollen gemeinsam “AIDS”-Tests und Geräte zur Gen-Analyse des HI-Virus sowie anderer Krankheitserreger entwickeln und vermarkten. Darüber hinaus liefert AMERSHAM künftig Chemikalien an den Leverkusener Chemie-Mult

Pestizide

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 30. September 2004

„Uralt-Pestizid Lindan sofort vom Markt nehmen“

US-Umweltverbände schreiben Offenen Brief an BAYER

Die amerikanischen Umweltverbände Pesticide Action Network, Natural Resources Defense Council und Physicians for Social Responsibility haben den BAYER-Konzern in einem Offenen Brief aufgefordert, das Insektizid Lindan umgehend vom Markt zu nehmen. BAYER hatte kürzlich die Firma GUSTAFSON übernommen, die Lindan als Saatgut- Behandlungsmittel für mehrere Getreidesorten anbietet. Anlass des Briefs ist das heutige Treffen der Regierungen Kanadas, Mexikos und der USA in Montreal, in dem über ein Verbot des Agrogifts beraten wird.

Das hochgiftige und karzinogene Lindan schädigt die Leber und das Nervensystem und reichert sich im Fettgewebe an. Lindan verbreitet sich über die Atmosphäre und die Ozeane weltweit und findet sich insbesondere in der Arktis - zu den am höchsten belasteten Personen gehören ausgerechnet Eskimos. In der EU ist das schwer abbaubare Pestizid, das bereits 1945 auf den Markt kam, seit Mitte 2001 nicht mehr zugelassen. Lindan gehört zudem zu den Chemikalien, deren internationaler Handel im Rahmen des Prior Informed Consent (PIC) stark eingeschränkt wurde.

Insgesamt 58 Organisationen aus ganz Amerika unterstützen die Forderung nach einem Lindan-Verbot. Kristin Schafer vom Pesticide Action Network aus San Francisco: „Der Einsatz von Lindan stellt eindeutig eine Gefahr für die menschliche Gesundheit und die Umwelt dar.“

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren weist darauf hin, dass BAYER bis zum Verbot von Lindan zu den weltweit größten Produzenten des Ultragifts gehörte: „Es ist eine traurige Ironie, dass sich Lindan nun wieder im BAYER-Sortiment befindet. Jahrzehntelang haben lindanhaltige Holzschutzmittel wie XYLAMON und XYLADECOR die Gesundheit Tausender Menschen ruiniert. Wider besseren Wissens bezeichnete BAYER damals die Verwendung von Lindan als ungefährlich - sogar in Innenräumen.“ Mimkes fordert einen sofortigen Produktions-Stopp sowie eine Entschädigung aller Personen, die durch Lindan und PCP vergiftet wurden.

Gerne senden wir den Offenen Brief im Wortlaut sowie weitere Informationen zu

Bluter

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 29. September 2004

Video Wie BAYER AIDS nach Asien importierte

Im WDR Fernsehen läuft heute der Film „Tödlicher Ausverkauf - Wie AIDS nach Asien kam“ von Egmont R. Koch. Darin wird aufgezeigt, wie eine Tochterfirma des BAYER-Konzerns Blutkonserven nach Asien exportierte, obwohl diese mit HIV belastet waren und in den USA nicht mehr verkauft werden durften.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren kämpft seit den 80er Jahren für eine Entschädigung der Betroffenen und eine Bestrafung der verantwortlichen Manager. Im Folgenden dokumentieren wir Teile des Sende-Manuskripts.

„Tödlicher Ausverkauf“

San Francisco/Kalifornien war 1985 Schauplatz eines Medikamenten- Skandals, der selbst Contergan weit in den Schatten stellt. Erst heute, zwei Jahrzehnte später, legen geheime Firmenunterlagen das ganze Ausmaß offen; erst jetzt haben die Überlebenden eine Chance, gegen die Verantwortlichen vorzugehen.

Cutter Laboratories, eine hundertprozentige Tochterfirma des Pharmakonzerns Bayer AG, betrieb damals in ganz Amerika Blutspende-Stationen, um aus dem so gewonnenen Blutplasma Medikamente herzustellen. Als sich AIDS auszubreiten begann, gelangte das tödliche Virus sehr schnell auch in diese Medikamente.

Ein Montagmorgen, Anfang Mai 1985. Rushhour auf der Bay-Bridge. Ein Exportmanager von Cutter auf dem Weg zu seinemBüro. Er steht unter Druck. Seit Monaten schon. Seine Vorgesetzten verlangen, dass er die mit AIDS verseuchten Medikamente nach Asien verkauft.

Hongkong. Während der Tag in San Francisco gerade begonnen hat, neigt er sich in Asien bereits dem Ende zu. Im Stadtteil Wanchai hat Cutters Vertriebsfirma ihr Büro, im Caltex-House. Zu nächtlicher Stunde telefoniert Abteilungsleiter Raymond Ho mit dem Cutter-Headquarter. Er verlangt, dass die Patienten in Hongkong sofort das neue AIDS-sichere Produkt erhalten. Doch er wird abgewimmelt. Wieder einmal. Der Chinese ist empört, dass er nun schon seit Monaten Cutters „Koate“ in Hongkong verkaufen muss, obwohl dies fast sicher mit HIV-Viren verseucht ist.

In San Francisco diktiert der Exportmanager sofort nach dem Telefonat einen Vermerk:

„Am Montagmorgen, um 1.00 Uhr nachts Hongkong-Zeit, erhielt ich einen Anruf von Raymond Ho. Raymond war ungehalten...Einige Ärzte, die aus den Vereinigten Staaten nach Hongkong zurückgekehrt sind, behaupten, ...dass Cutter offenbar überschüssige Lagerbestände mit AIDS verseuchter, alter „Koate“-Präparate in die Entwicklungsländer verscherbelt... ...Es scheint, dass es keine Märkte mehr in Asien gibt, auf denen wir nennenswerte Mengen absetzen können.“

Rückblick: San Francisco, Juli 1983. Viele Amerikaner lassen sich in diesen Jahren regelmäßig Blutplasma abnehmen. Für wenige Dollar. Blutspenden gehört in den USA zum sozialen Netz. Ein bequemer Nebenjob für Geringverdiener, eine Überlebenschance für Arbeits- und Obdachlose. Das große Geld machen Pharmafirmen wie die Bayer-Tochter Cutter. Sie spalten das gelbe Blutplasma in seine Bestandteile, gewinnen daraus Medikamente. Die müssen sich Bluter-Kranke regelmäßig injizieren, weil ihrem Blut die natürliche Fähigkeit zur Gerinnung fehlt. Mit dem therapeutische Fortschritt für die Patienten ist der Bedarf an Rohstoff - gespendetem Blutplasma - erheblich gestiegen. Bluterkranke Kinder wie Jacky in Taipeh sollen davon profitieren. Dessen Mutter will ihm damals die teure medikamentöse Behandlung unbedingt ermöglichen. Obwohl zunächst keine Krankenkasse dafür aufkommt.

Im Herbst 1983 bricht in San Francisco, wo viele Spendestationen für Blutplasma in den Drogen- und Schwulenvierteln wie dem „Mission District“ angesiedelt sind, eine Katastrophe über die Blutindustrie herein: AIDS. Längst hat sich die tödliche Immunschwäche ihren Weg von infizierten Spendern zu den ahnungslosen Bluter-Patienten gebahnt. Als Monate später das HIV-Virus entdeckt wird, rechnet Cutter intern längst mit dem Schlimmsten: einer AIDS-Seuche unter Blutern in der ganzen Welt. Da Zehntausende von Einzelspenden vor der Weiterverarbeitung zu den Medikamenten zusammengeschüttet werden, können bereits einzelne HIV-Infizierte ganze Plasma-Bottiche verseuchen. Doch Cutter spielt auf Zeit. Wie die gesamte Branche. Thomas Drees war damals Präsident eines Konkurrenzunternehmens von Cutter. Er kehrte der Blut-Industrie den Rücken, weil sie die vorhersehbare Katastrophe herunterspielte, um ihre Umsätze nicht zu gefährden.

O-Ton Thomas C. Drees, ehemaliger Präsident „Alpha Therapeutics“:

„Wenn sie diesen Stoff in den Blutkreislauf des Patienten bringen, dieses Virus, das ihn auf zwanzig verschiedene, schreckliche Weisen umbringen kann, durch schlimme Hautveränderungen, durch ein kaputtes Immunsystem, Tuberkulose, Krebs, wie kann man da einfach behaupten, das sei kein Problem? Allen war klar, dieses Virus ist gefährlich! Es wird unsere Patienten umbringen. Und zu hoffen, alles werde vorübergehen, war verrückt!“

Bei Cutter vor den Toren von San Francisco vergeht nach der Entdeckung des AIDS-Virus im April 1984 ein geschlagenes halbes Jahr, ohne dass durchgreifende Maßnahmen gegen die Gefahren ergriffen werden. Dabei liegt längst die Behörden-Zulassung für eine neue Generation des Medikaments „Koate“ vor. Durch eine simple Erhitzung des Präparats können Viren abgetötet werden, wahrscheinlich auch die AIDS-Erreger. Dennoch zögert die Bayer-Tochter mit der Einführung des neuen, hitzebehandelten Produkts „Koate HT“.

Wissenschaftler im amerikanischen Seuchen-Zentrum „Centerfor Disease Control“ (CDC) in Atlanta entdecken im Oktober 1984 in unzähligen Proben des Bluter-Medikaments HIV-Viren - dank eines gerade entwickelten Testverfahrens. Nach Erhitzung der Präparate allerdings, so heißt es in einer Studie des CDC, die „in Zusammenarbeit mit Cutter“ vorgenommen worden sei, habe man hinterher „keine Viren mehr feststellen“ können. Ein eindeutiger Befund.

Im November 1984 tagt in San Francisco Cutters BCC-Komitee, in dem regelmäßig Vermarktungsstrategien festgelegt werden. Die Bayer-Tochter liefert zwar inzwischen das neue „Koate HT“ aus. Doch dann kommt es laut Protokoll zu einem folgenschweren Beschluss:

„Wir haben übermäßige Bestände des alten Produkts auf Lager. Es muß deshalb geprüft werden, ob mehr von diesem Produkt verkauft werden kann.“

Hongkong, November 1984. Zwei Wochen, nachdem Cutters Entscheidungsgremium beschlossen hat, die Lagerbestände der alten AIDS-verseuchten Medikamente nicht zu vernichten, sondern zu verkaufen, geht bei der Vertriebsfirma im Caltex House ein Fernschreiben aus San Francisco ein. Herzlichen Dank „für Ihr Interesse an dem hitzebehandelten Präparat“, heißt es da. Allerdings könne Hongkong das neue „Koate HT“ vorläufig nicht bekommen. Sorry... „..we must use up stocks...“

...„Wir müssen Lagerbestände aufbrauchen...“

Thomas Drees, der ehemalige Boss in der Blutindustrie, kann kaum glauben, was er in Cutters Telex liest. O-Ton Thomas C. Drees:

„Die Cutter-Verantwortlichen suchten offensichtlich einen Weg, die nicht-hitzebehandelten Präparate loszuwerden. Das ist unglaublich. Sie verkauften dieses Zeug nach Hongkong, als sei es gut genug für die Chinesen. Das ist schrecklich! Es gibt dafür keine Rechtfertigung! Man kann nicht sagen, weil wir feste Lieferverträge auf der Basis des billigeren, alten Präparats haben und jetzt das neue Produkt teurer wird, müssen wir euch leider Gift liefern!“

Interne Dokumente, die beweisen, dass Cutter-Verantwortliche damals entschieden, die mit HIV-Viren verseuchten Präparate zu verkaufen statt sie zu vernichten, sind erst vor kurzer Zeit entdeckt worden. O-Ton Lexi J. Hazam, Rechtsanwältin:

„Sie versteckten ihre Akten, verhinderten damit, dass die Geschichte aufgedeckt wird. Die kamen erst unlängst im Rahmen eines Prozesses ans Licht. Wir arbeiteten die Dokumente durch und stellten fest, dass Cutter das alte Präparat sogar eine Zeitlang weiter produzierte, obwohl sie

längst eine Zulassung für das neue besaßen. Der Grund: Sie hatten „fixed-price contracts“, Festpreise für das alte Produkt verabredet und wollten davon profitieren.“

Seit März 1984 laufen bei Cutter zwei Produktionen parallel: die des hitzebehandelten und dadurch AIDS-sicheren „Koate HT“ und die des nicht-erhitzten, gefährlichen Präparats. Dessen Herstellung wird zwar Ende 1984 gestoppt. Doch nur die Patienten in den USA und in Europa kommen in den Genuss des neuen Produkts. Die gefährlichen Chargen gehen nach Asien.

Intern erhalten sie eine spezielle Nummer: „659“. Die Cutter-Verantwortlichen setzen darauf, dass sich das tödliche Risiko ihres Medikaments „Koate“ noch nicht bis zu den Kunden in Fernost herumgesprochen hat.

San Francisco, Februar 1985. Inzwischen gibt es bei Cutter Lieferschwierigkeiten mit dem neuen „Koate HT“, wegen eines Großauftrags aus Kanada. Einer der Vertriebsleute verweist auf die in Hongkong und Taiwan sehr niedrigen Erlöse. Es sei deshalb zweckmäßig, Kanada zu beliefern und dafür die Umstellung in Asien weiter hinauszuzögern. Für Fernost bleibe von Mai bis Juli nur das alte, nicht-erhitzte Medikament. Eine erhebliche Menge sei man dort bereits losgeworden. Die Verkaufsabteilung werde versuchen, mehr abzusetzen.

„Das BCC-Komitee wird die Sache genau im Auge behalten und......nur dann verlangen, Präparate abzuschreiben, wenn alle anderen Optionen geklärt wurden.“

O-Ton Lexi J. Hazam, Rechtsanwältin:

„Sie bewerteten ihren Profit höher als die Gesundheit und das Leben ihrer Patienten!“

Laut Protokoll waren informiert: Jack Ryan, Präsident. Er lehnt jeden Kommentar ab.

Willi Ewald, deutscher Verkaufsmanager: kein Kommentar!

Karl Fischer, deutscher Abteilungsleiter: kein Kommentar!

Pete DeHart, Vertriebsmanager: kein Kommentar!

Wilhelm Schaeffler, deutscher Vorstand: kein Kommentar!

Merrill Boyce, Assistent des Vorstands...

Merrill Boyce ist nach mehr als einem Dutzend Absagen der erste ehemalige Cutter-Manager, der zu einem Interview bereit ist - auf dem Balkon seines Hauses, mit Blick auf San Francisco.

O-Ton Merrill T. Boyce, ehemaliger Cutter-Manager:

„Ich erinnere mich nicht an eine solche Diskussion, unsichere Präparate irgendwo hin abzuschieben. Ich erinnere mich, dass wir Medikamente zurückgerufen haben. Die Leute unseres damaligen Komitees halte ich für absolut integer. Hinter ihrer Entscheidung muss die Annahme gestanden haben, dass die Produkte sicher sind, unabhängig davon, ob sie erhitzt waren oder nicht.“

Ein Kloster, 30 Kilometer außerhalb von Taipeh. Yuan Tsai kommt regelmäßig hierher, um das Grab seines Sohnes Honda zu besuchen, und um im Tempel für dessen Seele zu beten. Yuan und seine Familie leben nach den Regeln strenggläubiger Buddhisten.

Honda Tsai war, als er 1996 an AIDS starb, ein bekannter Künstler in Taiwan. Nach der Diagnose, dass er sich als Bluter durch verseuchte Medikamente von Cutter aus Kalifornien infiziert hatte, zog sich Honda in sich zurück, wurde depressiv. Dieses Selbstbildnis entstand kurz vor seinem Tod.

Hongkong, Mai 1985. Seit einem halben Jahr werden die Patienten inzwischen mit Medikamenten versorgt, die wegen der AIDS-Verseuchung in Europa und in den Vereinigten Staaten längst verboten sind.

Cutters Vertriebsfirma im Caltex House ist empört. Deren Chef wurde bereits ins Gesundheitsministerium von Hongkong zitiert, musste sich fragen lassen, ob die Chinesen in den Augen der Amerikaner Menschen zweiter Klasse seien. Doch wieder geht ein abwiegelndes Fernschreiben aus San Francisco ein:

„...be assured...it is the same fine product we have supplied for years...“

...„Seien Sie versichert, es ist dasselbe feine Produkt, das wir seit Jahren liefern...“

O-Ton Thomas C. Drees:

„Ich erinnere mich, dieses Fernschreiben in den Cutter- Dokumenten gelesen zu haben, in dem es heißt, wir haben zwar nichts von dem neuen, erhitzten Produkt für euch übrig, aber wir haben dieses immer noch blendende Präparat, das so sicher ist. Ich bin überrascht, dass die Vertriebsfirma in Hongkong so dumm war, das Argument immer wieder zu akzeptieren, über dieses angeblich so gute alte Präparat, das die Patienten umbringen würde.“

Im Mai 1985 eskaliert der Streit zwischen Hongkong und San Francisco. Inzwischen hat sich Cutters Exportpolitik herumgesprochen. Patienten gehen auf die Barrikaden, Ärzte sind empört, Journalisten beginnen mit Recherchen. Cutters Exportmanager hält das in einem Vermerk fest.

O-Ton Diktat:

„Die Kontroverse könnte zu Schlagzeilen auf der Titelseite der South China Morning Post führen... Reporter verlangen Auskunft, warum Hongkongs Patienten nicht das hitzebehandelte Produkt bekommen...Noch halten sich die Ärzte die feindliche Presse mit Verzögerungstaktiken vom Hals...“

O-Ton Merrill T. Boyce, ehemaliger Cutter-Manager:

„Haben Sie den Vermerk?“

Autor: „Ja!“

„Kann ich ihn sehen?“

O-Ton Diktat: „Wir haben den Universitäts-Ärzten... 350 Flaschen des neuen, hitzebehandelten „Koates“ besorgt... ... für jene Patienten, die am lautesten jammern.“

O-Ton Merrill T. Boyce/ehemaliger Cutter-Manager:

„Ich denke, dass so eine Entscheidung komplexer ist als das, was Sie da herauslesen. Allerdings, sollte sich herausstellen, dass wir damals schon mit absoluter Sicherheit wussten, dass die alten Präparate infektiös waren, dann wäre es tatsächlich eine schlechte Entscheidung gewesen.“

Taipeh, Juli 1985, wieder zwei Monate später. Während der Vertrieb des nicht-hitzebehandelten „Koate“ in Hongkong zwischenzeitlich wegen drohender Presse-Veröffentlichungen gestoppt wurde, erhalten die bluterkranken Kinder in Taiwan weiterhin das alte Produkt. Im fernen San Francisco sind die Lager immer noch voll.

Auch in Cutters Vertriebsfirma in Taipeh herrscht Alarmstimmung. Sie kontrolliert 80 Prozent des taiwanesischen Marktes. Auf der Insel sind die ersten HIV-Infektionen überhaupt diagnostiziert worden. Ausgerechnet bei Blutern! Bei ihren Kunden! Wurde AIDS durch „Koate“ nach Taiwan eingeschleppt?

Bei Cutter vor den Toren von San Francisco macht man sich mehr Sorgen um die Verkaufszahlen: „Die asiatischen Ärzte sind vorsichtig geworden... „Koate“-Umsätze in Taiwan sind im Keller. Wir werden hitzebehandeltes „Koate“ brauchen, um Umsätze zurück zu gewinnen“

O-Ton Wun-Fu, Medikamenten-Opfer:

„Wir hatten direkten Kontakt mit dem Importeur, der uns die Medikamente verkaufte, die dann im Krankenhaus von den Ärzten gespritzt wurden. Wir hätten sicherlich eine Zeitlang anders behandelt werden können. Aber uns hat damals niemand gewarnt, weder die Firma, noch die Ärzte.“

Wun-Fu lebt seit 20 Jahren mit der Infektion, aber erst seit einem Jahr ist AIDS bei ihm massiv ausgebrochen. Von den damals infizierten Blutern in Taiwan sind inzwischen mehr als zwei Drittel gestorben.

Zwanzig Jahre nach Cutters Entscheidung, AIDS-verseuchte Medikamente nach Asien zu verkaufen, sieht sich John Hink erstmals mit den Opfern konfrontiert.

O-Ton John H. Hink, ehemaliger Cutter-Manager:

„Es tut mir Leid, dass das passiert ist! Aber ich denke auch, dass ich nicht in der Lage bin, zu erklären, dass Entscheidungen, die damals getroffen wurden, an denen ich beteiligt gewesen sein mag oder auch nicht....

...nicht alle Entscheidungen haben sich inzwischen als richtig herausgestellt. Keiner von uns ist unfehlbar!....Die Art, wie Sie Fragen stellen, gibt dem Ganzen sicherlich einen Anstrich, wie: Verdammt, hätten wir das Zeug damals weggeschmissen, hätten diese Menschen wahrscheinlich nicht die Krankheit bekommen...“

Tokio, August 1985, wieder ein Monat später. Auch in Japan geht der Verkauf der verseuchten Präparate weiter. Cutter Japan hat noch riesige Bestände auf Lager. Dabei würde die Arzneimittelbehörde in Tokio dem neuen, AIDS-sicheren Produkt lieber heute als morgen eine Zulassung erteilen.

O-Ton Diktat:

„Wenn die Zulassung noch im August kommt, werden wir...potentiell nicht mehr verkäufliche Präparate...auf Lager haben. ...Cutter Japan könnte versuchen,...die Zulassung des neuen Produkts hinauszuzögern...“

O-Ton Thomas C. Drees: „Klar versuchten sie, das hinauszuzögern, denn so konnten sie hoffen, wir werden das alte Zeug los, das wir noch haben!‘“

O-Ton John H. Hink, ehemaliger Cutter-Manager:

„Ich weiß...ich war nicht...Ich bin sicher, dass ich damals in diesen Vermerk der Geschäftsleitung nicht eingeweiht wurde! Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich das höre! Was ich gemacht hätte, wenn ich damals davon erfahren hätte? ...Ich vermute, ich hätte gesagt, das ist ihre Angelegenheit, nicht meine.“

O-Ton Merrill T. Boyce, ehemaliger Cutter-Manager:

„Sie sprechen von Schuld, aber ich frage mich, ob eine Firma Schuld haben kann. Sicherlich gibt es eine Verantwortung für Entscheidungen, die getroffen wurden und dafür, dass es unzulässige Entscheidungen waren. Und diese Verantwortung muß die Firma tragen.“

Autor: „Wäre es, nach 20 Jahren, nicht auch eine Pflicht für die damals verantwortlichen Personen, um Verzeihung zu bitten?“

Merrill T. Boyce: „Ich denke...sicherlich...also...dieser Weg ist oft schwer zu beschreiten, ... aber wenn es das ist, was die Opfer und ihre Familien erwarten...Alles was zu tun ist, um ihre ünsche zu befriedigen, sollte wahrscheinlich getan werden.“

O-Ton Jacky:

„Ich denke, sie sollten sich auch entschuldigen. Und bestraft werden! Andererseits: Wenn sie ins Gefängnis gehen, werde ich dadurch auch nicht wieder gesund.“

O-Ton Menn:

„Die Pharmafirma muss vor Gericht gestellt werden! Sie hat das Medikament verkauft, obwohl sie wusste, dass es mit AIDS verseucht ist. Nur wegen des Profits! Das ist doch Mord!“

O-Ton Wun-Fu:

„Natürlich müssen wir vor Gericht kämpfen, damit die ganze Wahrheit ans Licht kommt. Das dauert natürlich. Und ich frage mich, ob sie vielleicht auf eine „biologische Lösung“ spekulieren, also dass ich den Tag vielleicht gar nicht mehr erleben werde.“

O-Ton Charles A. Kozak, Rechtsanwalt:

„Wir haben in den Dokumenten sehen können, dass Bayer gleich zu Anfang der AIDS-Katastrophe jemanden herüberschickte, um die Strategie festzulegen. Und die entschieden dann, dass, obwohl wahrscheinlich innerhalb von ein, zwei Jahren 5.000 Bluter an AIDS erkranken würden, Cutter die Präparate weiter vermarkten solle.“

Auf dem ehemaligen Cutter-Gelände produziert die Bayer AG heute gentechnologische Medikamente. Die Deutschen in der Cutter Führungsetage wussten damals genau, was sie taten. Das belegt ein internes Fernschreiben des Headquarters in San Francisco. Im November 1984, zur selben Zeit, als die Exportabteilung Hongkong wissen ließ,...

„...we must use up stocks“

...“Wir müssen die Lagerbestände des alten Präparats aufbrauchen...“

...warnte der deutsche Vertriebsmanager Willi Ewald einen australischen Kunden vor eben diesem Produkt...

„...angesichts der Gefahren, die nicht-erhitzte Präparate für Bluter bedeuten könnten.“

Jede weitere Verwendung, so Hinks Kollege Ewald...

„...cannot be justified“

...„kann nicht gerechtfertigt werden!“

O-Ton John H. Hink, ehemaliger Cutter-Manager:

„Als die Umstellung kam auf das neue, erhitzte Produkt und der Boss eine Entscheidung verlangte, was mit den Lagerbeständen des alten Produkts gemacht werden soll, wurde entschieden, anstatt sie wegzuschmeissen, wollen wir sie lieber in andere Länder verkaufen...

...Und das führte dann zum Verlust von Menschenleben und zu Gesundheitsschäden.

..Ich denke, ich habe Fehler gemacht...ich denke, ich hätte Dinge besser machen können...und, ich denke, unter diesen Umständen, wenn man die Folgen sieht, bin ich froh, jetzt darüber reden zu können.“

Bis Ende 1985 wurden durch den „tödlichen Ausverkauf“ mehrere hundert Patienten in Asien mit AIDS infiziert. Die genaue Zahl der Opfer ist nicht bekannt, ebenso wenig die Zahl der Überlebenden. Cutter erzielte etwa vier Millionen Dollar aus dem Export der verseuchten Präparate.

Die Bayer AG lehnt jede Stellungnahme zu den konkreten Vorwürfen dieses Filmes ab. Das Unternehmen teilt lediglich mit, man empfinde „größtes Mitgefühl“ mit den Opfern, bestreite aber „jegliches Fehlverhalten bei der Herstellung und Vermarktung dieser Produkte“.

Hinweis: Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar, insbesondere darf er weder vervielfältigt, verbreitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden.

Gen-Reis

CBG Redaktion

Friends of the Earth Europe
Coordination gegen BAYER-Gefahren
Gene Campaign (Indien)

Presseerklärung vom 16. September 2004

Gemeinsamer Brief an 25 europäische Regierungen:

Umweltverbände gegen Zulassung von Gen-Reis

Die Umweltverbände Friends of the Earth Europe, Coordination gegen BAYER-Gefahren und Gene Campaign wenden sich heute in einem gemeinsamen Schreiben an die 25 EU-Mitgliedsländer. Die Initiativen sprechen sich in dem Brief gegen eine Import-Zulassung von gentechnisch verändertem Reis aus. Hintergrund ist der Antrag der Firma BAYER, die Einfuhr von herbizidresistentem Reis als Tierfutter zuzulassen.

Im Frühjahr hatte die Mehrheit der damals noch 15 EU-Staaten Bedenken angemeldet und damit die Zulassung von Gen-Reis ausgesetzt. Die EU-Kommission will den strittigen Antrag in der kommenden Woche mit den Regierungen erneut diskutieren.

Die Umwelterbände befürchten, dass „das weltweit wichtigste Nahrungsmittel in die Hände multinationaler Unternehmen fällt“. Geert Ritsema von Friends of the Earth: „Eine Import-Genehmigung würde den multinationalen Konzernen grünes Licht geben, in Entwicklungsländern umweltfeindliche Anbaumethoden durchzusetzen. Bei der Beurteilung des Antrags hat die EU die moralische Verantwortung, diese Risiken mit zu berücksichtigen.“

Dr. Suman Sahai, Direktorin der indischen Initiative Gene Campaign, ergänzt: „Es wäre von einer bitteren Ironie, wenn asiatische Länder ihr wichtigstes Nahrungsmittel gefährden würden, um Tierfutter für die Fleischindustrie der Industrieländer herzustellen.“ Sahai warnt vor den ökologischen Risiken für ihr Heimatland: Lokal angepasste Reissorten würden durch Hochertragssorten verdrängt, was zu erhöhten Schädlingsaufkommen, verstärktem Einsatz gefährlicher Pestizide und einer Verringerung der Artenvielfalt führt.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert die Bundesregierung auf, gegen die Zulassung von Liberty Link Rice zu stimmen. „Die Einführung von Gen-Reis hätte dramatische Konsequenzen: Millionen Bauern in den Ländern des Südens, die bislang durch Tausch und Eigenzüchtungen ihr Saatgut selbst produzieren, drohen in Abhängigkeit von multinationalen Konzernen zu geraten - die Verwendung ihrer Ernte als Saatgut wäre wegen des Patentschutzes künftig verboten. Durch den bereits in der “grünen Revolution„ beobachteten Konzentrationsprozess würden Millionen Landwirte ihre Existenz verlieren und in die Elendsgebiete rund um die Metropolen abwandern.“

Gerne senden wir das 7-seitige Schreiben an die EU sowie weitere Materialien zu

Demo Köln

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 13. September 2004

Coordination gegen BAYER-Gefahren demonstriert in Köln gegen ABIC 2004

„Gentechnik-Industrie verspricht das Blaue vom Himmel“

In Köln beginnt heute die Agricultural Biotechnology International Conference (ABIC 2004), die nach eigenen Angaben zu den „weltweit wichtigsten Gentechnik-Konferenzen“ zählt. Neben Wissenschaftlern und Politikern nehmen die 20 größten Agrar- und Nahrungsmittelmultis der Welt teil, darunter Monsanto, Nestlé, Bayer CropScience, Syngenta und BASF.

Umweltgruppen aus ganz Deutschland, darunter Greenpeace, attac und der BUND, demonstrieren heute gegen die Konferenz. Die Aktivisten errichten vor den Kölner Messehallen einen 8 m hohen Maiskolben und pflanzen ein symbolisches Versuchsfeld. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) kritisiert unter dem Slogan „Leben made by BAYER“ das Gentechnik-Engagement des BAYER-Konzerns.

Axel Köhler-Schnura, Vorstand der CBG: „BAYER ist in Europa Marktführer für Gen-Saatgut und drängt mit gentechnisch verändertem Mais, Soja, Reis, Baumwolle und Raps auf den Markt. Ausschließlich aus Profitgründen - mit unabsehbaren Folgen für die Umwelt und die Landwirte in den Ländern des Südens.“

„Die Konzerne versprechen auf der ABIC das Blaue vom Himmel: die Gentechnik soll das Welthunger-Problem lösen und den Verbrauch von Agrogiften verringern. Dabei ist Hunger ein Verteilungsproblem - durch Monokulturen und teures Gentech-Saatgut werden die Probleme noch verschärft. Und gentechnisch veränderte Pflanzen brauchen auf lange Sicht nicht weniger, sondern mehr Pestizide“, so Köhler-Schnura weiter. Die CBG begleitet das Unternehmen BAYER seit 25 Jahren kritisch.

BAYER hat bei der EU eine Importgenehmigung für gentechnisch veränderten Reis beantragt. Millionen Bauern in den Ländern des Südens, die bislang durch Tausch und Eigenzüchtungen ihr Saatgut selbst produzieren, drohen dadurch in Abhängigkeit von multinationalen Konzernen zu geraten oder ihre Existenz zu verlieren. Lokal angepasste Reissorten würden bei einer Zulassung durch Gentech-Sorten verdrängt, was zu erhöhtem Schädlingsaufkommen, verstärktem Einsatz von Pestiziden und einer Verringerung der Artenvielfalt führt. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert die Bundesregierung auf, bei der EU auf eine Ablehnung der Importzulassung für Gen-Reis zu drängen.

Die Zulassung von gentechnisch verändertem Saatgut läuft schleppender an als von der Industrie erwartet: Belgien wies die Zulassung von genmanipuliertem Raps von BAYER zurück. In England wurde die Zulassung von Gen-Mais von BAYER ebenfalls abgelehnt.

Gerne senden wir Fotos von der Aktion in Köln zu

Kanada

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 9. September 2004

Kanada: BAYER erhält Verwarnung von Umweltministerium

Umwelt-Ministerin: „Unternehmen halten sich nicht an Gesetze“

Das Umweltministerium der kanadischen Provinz Ontario hat in zwölf Chemie-Werken Verstöße gegen die Umwelt-Gesetzgebung des Landes festgestellt. Vier der bemängelten Anlagen gehören zum BAYER- Konzern. Im vergangenen Jahr waren aus mehreren Werken giftige Chemikalien ausgetreten, woraufhin das Ministerium intensive Kontrollen angeordnet hatte.

Umweltministerin Leona Dombrowsky übt scharfe Kritik am Verhalten der Chemie-Industrie: „Einige dieser Unternehmen halten sich nicht an die Gesetze. Wir werden jedoch unmissverständlich klar machen, dass wir keine Verschmutzung unserer Gewässer dulden. Es handelt sich um ein sehr ernstzunehmendes Verfahren.“ Den BAYER-Werken am Standort Sarnia waren mehrere Verstöße nachgewiesen worden, darunter Falschdeklaration von Giftmüll, fehlende Zulassung risikoreicher Anlagen und ungenehmigter Umbau einer Abwasseranlage.

Das Ministerium verfügt über ein Team von Spezialisten, das eigens zur Überwachung der Umweltgesetze eingerichtet wurde und das bereits 3.000 Kontrollen risikoreicher Anlagen durchgeführt hat. Im „Chemie- Gürtel“ von Sarnia wurden seit Februar 32 Fabriken kontrolliert. Ministerin Dombrowsky ordnete eine Reihe von Nachrüstungen bemängelter Anlagen an.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Es nötigt Respekt ab, wie die kanadische Regierung die Einhaltung ihrer Umweltgesetzgebung durchsetzt. In Deutschland ist eine solch gründliche Untersuchung von Industrie-Anlagen undenkbar - weder der politische Wille noch das hierfür notwendige Personal wäre vorhanden.“ Mimkes kritisiert jedoch, dass gegen die verantwortlichen Unternehmen keine Strafen verhängt wurden.

In den vergangenen zwölf Monaten war der durch Sarnia fließende St. Clair River dreimal mit giftigen Chemikalien kontaminiert worden. Umliegende Gemeinden mussten die Wasser-Entnahme aus dem Fluss unterbrechen und die Wasserversorgung vorübergehend einstellen.

Pressemitteilung des Umweltministeriums Ontario: www.ene.gov.on.ca/envision/news/2004/090101.htm