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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

[Testosteron] STICHWORT BAYER 04/2016

CBG Redaktion

Drugs & Pills

BAYERS Testosteron-Präparate

Jungbrunnen mit Nebenwirkungen

Eigentlich sollten die Pharma-Firmen Medikamente für bestimmte Krankheiten entwickeln. Manchmal gehen sie jedoch den umgekehrten Weg und entwickeln Krankheiten für bestimmte Medikamente. So hat BAYER die männlichen Wechseljahre erfunden, um einen größeren Markt für NEBIDO und andere Hormon-Präparate zu schaffen.

Von Dr. Jan Salzmann (MEZIS)

Leiden auch Männer unter Wechseljahren? Diese Frage bejahen mittlerweile nicht nur zahlreiche Arzneimittelhersteller, sondern auch diverse Urologen, BuchautorInnen, PsychologInnen und ApothekerInnen. Die „Andropause“ führe nicht nur zu Lustlosigkeit und Erektionsstörungen, sondern auch zu Haarausfall, Knochenschmerzen, Muskelschwund, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, vermehrtem Schwitzen, Reizbarkeit und Sinnkrisen1,2, so das Urteil vermeintlicher ExpertInnen.
Im Internet kursieren „Selbsttests“ mit 15 bis 20 Items, die die typischen Symptome des „Climacterium virile“ abfragen. Begleitend finden sich jede Menge Werbung und Hinweise auf Heil-Möglichkeiten mit der Aussicht – einem Jungbrunnen gleich – aus dem lustlosen Trauerkloß einen allzeit aktiven und zu allem bereiten Hengst machen.
Trotz aller Emanzipation – als „Schwächling“ oder „Versager“ will wohl kaum ein Mann im Schlafzimmer auffallen. Die Bereitschaft, sich bei sexuellen Problemen diskrete Hilfe zu holen und hier auch jede Menge Geld zu investieren, ist hoch. Das wissen natürlich auch BAYER und die anderen Hersteller von Testosteron-Präparaten und machen flugs eine schlichte Gleichung auf: Sexuelle Probleme = Hormon-Mangel = Andropause/Wechseljahre des Mannes = Lösung durch Substitution, also eine Testosteronersatz-Therapie.
„Das Verkaufen von Medikamenten ist das Geschäft der Pharma-Firmen. Beim Testosteron aber wird die Krankheit gleich zum Produkt mitverkauft. Die hormon-produzierenden Firmen haben Meinungsforschungsinstitute, Werbeagenturen, PR-Unternehmen, Universitätsprofessoren und Journalisten in Gang gesetzt, um die Wechseljahre des Mannes als ernst zu nehmende und weit verbreitete Erkrankung bekannt zu machen“, so Jörg Blech in einem bemerkenswerten Buch zu „erfundenen Krankheiten“3.
„Disease mongering“ lautet der Fachausdruck für diese Übung. Sie ist ein lukratives Geschäft und wird seit Jahrzehnten mit Erfolg betrieben. Bevorzugte Fanggründe für die Pharma-Riesen sind die Tabuzonen der Gesellschaft: psychische Erkrankungen und sexuelle Störungen. Hier sprechen die Betroffenen nicht gerne drüber, auch mit dem Hausarzt oder der Hausärztin nicht, sondern schauen mal im Internet oder in populär-medizinischen Zeitschriften nach. Und da finden sie dann so etwas wie Serotonin-Wiederaufnahmehemmer zur Behandlung der Ejaculatio praecox und andere Wundermittel.
Dr. Christiane Fischer, Geschäftsführerin der ÄrztInnen-Initiative MEIN ESSEN ZAHL’ ICH SELBT (MEZIS), stieß 2015 im Internet etwa auf die Seite des Unternehmens CGC CRAMER-GESUNDHEITS-CONSULTING, das sich ganz offen damit brüstet, für NEBIDO, TESTOGEL und andere BAYER-Produkte mit Werbe-Tricks einen Markt geschaffen zu haben. „Das Hormontief des Mannes – Mit PR eine neue Indikation begründet“, lobt sich die Firma auf ihrer Webpage selber. „Das Hormon-Tief wird als ernstzunehmende behandlungsbedürftige Erkrankung dargestellt, und der Urologe als Spezialist für das Krankheitsbild positioniert. Empirische Meinungsforschung zeigt, dass die Botschaften innerhalb von drei Jahren über die Hälfte der betroffenen Altersgruppe sowie die Mehrzahl der Ärzte erreicht haben“, so bilanziert CGC den Erfolg der Kampagne. Nach einer Einladung zu einer Podiumsdiskussion des Deutschen Ethikrates verschwand die Seite dann ganz plötzlich aus dem Netz.
Das Geschäft mit dem Mythos der Andropause läuft für BAYER & Co. gut. Nach Angaben der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA ist der Markt für Testosteron in den USA von 2009 bis 2013 um 65 Prozent gewachsen, Die Zahl der Verordnungen stieg von 1,3 Millionen im Jahr 2010 auf 2,3 Millionen im Jahre 2013. Auch in Deutschland sind nach dem Arzneiverordnungsreport der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) in dem Zeitraum von 2008 bis 2012 die DDD (definierten tägliche Dosen) von 8,3 Millionen auf 13 Millionen gestiegen4.
Dass die Argumente für das neue Krankheitsbild medizinisch keineswegs zu halten sind, ist mittlerweile durch diverse Untersuchungen belegt. So stellten Wu et al. in einer Studie zum „Late-onset hypognadism in middle-ages and elderly men“ fest, dass viele unspezifische und spezifische Symptome (psychische und sexuelle) keine Korrelation zu den Testosteron-Spiegeln zeigen. Nach Ansicht der WissenschaftlerInnen ist ein substitutionspflichtiger Hypogonadismus (hormonelle Minderproduktion, die durch Hormon-Gabe behandelt werden muss) zudem sehr selten und nur mit einer definierten Kombination spezifischer sexueller und laborchemischer Befunde zu diagnostizieren5,6.
Auch die „Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie“ betonte noch 2015, dass die „Wechseljahre des Mannes“ ein Mythos seien7. Während die meisten Urologen, insbesondere die Mehrzahl der Klinikchefs, die Existenz der Andropause verneinen, gibt es eine Menge – vor allem niedergelassener – Kollegen, die sich der Behandlung dieses „Krankheitsbildes“ verpflichtet haben und das im Internet auch kräftig bewerben. Ob aus finanziellen Gründen, oder weil sie selber daran glauben, das wissen wir nicht.
Dabei erhöhen NEBIDO & Co. nicht nur den Umsatz der Urologen und Arzneimittelhersteller, sondern auch die Gesundheitsrisiken der Betroffenen. Testosteron-Substitution kann neben zahlreichen anderen unerwünschten Wirkungen das kardiovaskuläre Risiko steigern und das Wachstum von Prostata-Karzinomen fördern8,9,10. Somit kann der Einsatz von Testosteron-Präparaten dazu beitragen, die Lebenszeit zu verkürzen, statt die Jugendzeit zu verlängern. Mann sollte sich also besser mit den Tatsachen abfinden: Ab dem Alter von 40 Jahren sinkt der Testosteron-Spiegel aus physiologischen Gründen, und dass die Kräfte im Laufe des Lebens weniger werden, ist genauso normal wie seelische oder soziale Krisen.
Aber BAYER & Co. lassen nicht locker und sind gerade dabei, sich eine weitere Zielgruppe für ihre Testosteron-Arzneien zu erschließen: übergewichtige und zuckerkranke Männer. Aufgrund der Stoffwechsel-Lage kann es tatsächlich zur einer generellen Hormon-Verschiebung kommen, da das Bauchfettgewebe Vorstufen für diverse Hormone bildet, unter anderem ist ein Absinken des Testosteron-Spiegels möglich. Anstatt dies jedoch nebenwirkungsfrei mit Sport und gesunder Ernährung zu ändern, wird in medizinischen Zeitschriften für eine Hormon-Gabe geworben, die den Blutzuckerwert verbessern und die Gewichtsabnahme beschleunigen soll11. NEBIDO, TESTOGEL und andere Testosteron-Produkte dürften BAYER’s Kasse also noch so einige Zeit zum Klingeln bringen.

(1) http:www.psychotipps.com/wechseljahre-mann.html

(2) http:www.wechseljahre-des-mannes.de/wechseljahre/index.html

(3) Jörg Blech, Die Krankheitserfinder, Wie wir zu Patienten gemacht werden, Fischer-Verlag 2014

(4) http:www.medscapemedizin.de/artikel/4901903 Neue Kennzeichnung für Testosteron gefordert – doch Berater der Arzneimittelbehörden halten kardiovaskuläre Risiken für nicht bewiesen

(5) WU F. et al.: „Identification of Late-Onset Hypogonadism
in Middle-Aged and Elderly Men”, N Engl J Med 2010;363:123-35.

(6) http:www.sueddeutsche.de/wissen/medizin-die-wechseljahre-des-mannes-sind-ein-mythos-1.960516

(7) http:www.aerzteblatt.de/nachrichten/62177/Wechseljahre-des-Mannes-laut-Fachgesellschaft-ein-Mythos

(8) http:www.medscapemedizin.de/artikel/4901903 Neue Kennzeichnung für Testosteron gefordert – doch Berater der Arzneimittelbehörden halten kardiovaskuläre Risiken für nicht bewiesen

(9) arznei-telegramm 2/2004, 35, 17, Jungbrunnen Testosteron

10) arznei-telegramm 2/2015, 46, 25-26 EMA, FDA: Kardiovaskuläre Sicherheit von Testosteron nicht belegt

(11) F. Saad, Testosteron-Therapie 2015: Adipositas und Typ-2-Diabetes beim hypogonadalen Mann, Diabetes, Stoffwechsel und Herz, Band 24, 5/2015

[Elie Wiesel] STICHWORT BAYER 04/2016

CBG Redaktion

IG FARBEN & heute

Nachruf auf Elie Wiesel

„Nie werde ich das vergessen“

Am 2. Juli 2016 starb der Schriftsteller Elie Wiesel. Im Alter von 14 Jahren kam er gemeinsam mit seiner Familie nach Auschwitz. Er leistete dort Zwangsarbeit für die von BAYER mitgegründeten IG FARBEN und durchlitt im konzern-eigenen KZ Monowitz Höllenqualen. Rund 50 Jahre später bat der damalige US-Chef des Leverkusener Multis ihn „für die Taten der IG FARBEN und des deutschen Volkes“ um Verzeihung. Die Unternehmenszentrale in Deutschland tat dies jedoch als eine persönliche Geste ab. Zu einer offiziellen Entschuldigung bei Wiesel und den zahllosen anderen Opfern der IG konnte der Global Player sich bis heute nicht durchringen.

Von Jan Pehrke

„Ihr seid in Auschwitz. Und Auschwitz ist kein Erholungsheim, sondern ein Konzentrationslager. Hier wird gearbeitet. Sonst geht ihr in den Schornstein. In die Gaskammer. Arbeiten oder Gaskammer – ihr habt die Wahl“, mit diesen Worten begrüßte ein SS-Offizier im Frühjahr 1944 den 14-jährigen Elie Wiesel und seine LeidensgenossInnen.

Die Wahl trafen allerdings ganz andere, zum Beispiel der berüchtigte SS-Arzt Josef Mengele. Er ließ den Jungen, der mit seiner Familie aus dem rumänischen Sighet ins Lager verschleppt worden war, gemeinsam mit den anderen neuen Gefangenen gleich nach der Ankunft zu einem zynischen Defilee antreten. Um bei der Fleischbeschau zu bestehen, machte Wiesel sich auf Anraten eines erfahreneren Mithäftlings um vier Jahre älter und gab sich zudem als Landarbeiter aus – wer weiß, ob er sonst die ersten Tage in Auschwitz überstanden hätte.

So aber hieß es „arbeiten“. Elie und sein Vater mussten auf die Baustelle der vom BAYER-Konzern mitgegründeten IG FARBEN in Monowitz, während seine Mutter und seine drei Schwestern nach Birkenau kamen. „Die IG FARBENINDUSTRIE hat mit dem Projekt Auschwitz einen Plan zu einer neuen Werksgründung größten Ausmaßes entworfen. Sie ist entschlossen, unter Einsatz ihrer besten Kräfte ein lebendiges Werk aufzubauen, das sich ebenso gestaltend auswirken wird wie die vielen anderen Anlagen in West- und Mitteldeutschland. Die IG FARBENINDUSTRIE erfüllt damit eine hohe Pflicht, auf ihre Weise mitzuwirken und alle Kräfte einzusetzen, dass diese Industriegründung zu einem festen Eckpfeiler wird für ein kräftiges, gesundes Deutschtum im Osten“, hatte der IG-Manager Otto Ambros am 7. April 1941 erklärt1.

Billige Arbeitskräfte
Bei dieser Mission hatte Auschwitz einen großen Standort-Vorteil zu bieten: die Verfügungsgewalt über ein Heer billiger ArbeiterInnen zum Aufbau der Fertigungsstätte. Vier Reichsmark pro Tag für Fachkräfte zahlte die IG an die SS, drei Reichsmark für Hilfskräfte – alles inklusive. In diesem Preis war sowohl die Verpflegung als auch die „Lieferung frei Haus“ aus dem sechs Kilometer von Monowitz entfernten Auschwitz enthalten. Da der tägliche Fußmarsch die Gefangenen zusätzlich entkräftete und so den Wert ihrer Arbeitskraft senkte, entschloss sich die IG FARBEN jedoch Anfang 1942, gleich neben der Baustelle das konzern-eigene KZ Monowitz/Buna zu errichten.
Zwölf Stunden lang musste der junge Elie in Monowitz schwere Steinblöcke schleppen. Besonders schlimm war das im Winter. „Die Steine waren so kalt, dass sie an den Händen zu kleben schienen, sobald man sie berührte“, schreibt Wiesel in seinem Buch „Die Nacht“. Und früher war alles sogar noch schlimmer, erfuhr der 14-Jährige von Mithäftlingen: „Damals war Buna die wahre Hölle. Es gab kein Wasser, keine Decken, und weniger Suppe als heute. Nachts schlief man fast nackt, und das bei 30 Grad unter Null. Jeden Tag sammelte man die Leichen zu Hunderten ein.“ Noch 1944 waren die Lebensbedingungen so schlecht, dass sogar die SS-Ärzte auf eine Verbesserung der Situation drangen. Aber der IG-Betriebsführer Walther Dürrfeld lehnte es strikt ab, mehr Krankenhaus-Plätze zu schaffen oder andere Maßnahmen in die Wege zu leiten. „Warum mehr in die Häftlinge investieren und so die Arbeitskosten erhöhen, wenn es doch schier unbegrenzt Nachschub gab?“, fragten sich Dürrfeld & Co. und gingen stattdesssen den umgekehrten Weg. Sie kürzten die Zuwendungen an die SS. So zahlte die IG FARBEN etwa nur noch für zwei bis drei Wochen Krankengeld. Wer länger arbeitsunfähig war, der unterschrieb damit sein Todesurteil.

Zudem drängten die Konzern-Manager die Nazi-Organisationen, ein strengeres Regiment zu führen. „Eine Sorge, die von Woche zu Woche brennender wird, bildet die ständig abnehmende Arbeitsmoral auf der Baustelle. So werden z. B. Reklamationen bei der Gestapo wegen Behandlung von uns gemeldeter Arbeitsbummelanten mit dem einfachen Hinweis beantwortet, dass sich die Gestapo nicht drängeln ließe. Diese Tatsache allein zeigt, dass man dort noch nicht erkannt hat, um was es geht“, empörte sich etwa der IG-Bauleiter Max Faust. Er wusste auch sogleich Abhilfe: „Bezüglich der Behandlung der Häftlinge habe ich zwar stets dagegen opponiert, dass Häftlinge auf der Baustelle erschossen oder halbtot geschlagen werden. Ich stehe jedoch auf dem Standpunkt, dass eine Züchtigung in gemäßigten Formen unbedingt notwendig ist, um die nötige Disziplin unter den Häftlingen zu wahren.“

Die Selektionen
Das Mittel der Wahl, um die Arbeitsleistung nicht abfallen zu lassen, waren für die IG aber die Selektionen. Diese fanden immer dann statt, wenn die Krankenstation keine Betten mehr frei hatte oder der Krankenstand eine bestimmte Quote überstieg. Beschwerden über einzelne Gefangene konnten ebenfalls als Anlass dienen. Dabei machten die Schergen die Entscheidung über „Arbeiten oder Gaskammer“ auch immer davon abhängig, wie erfolgreich es der Wehrmacht auf ihren Feldzügen gelang, neue Arbeitskräfte-Reservoirs für Monowitz auszuheben. Oftmals kam es gleich nach den Dienstbesprechungen zwischen IG und SS zu Selektionen. Die Aussonderungen selber nahmen SS-Ärzte vor. Kurzzeitig betraute der Mörder-Konzern sogar einen eigenen Angestellten mit dieser Aufgabe: den BAYER-Mediziner Helmuth Vetter, der „hauptberuflich“ jedoch medizinische Experimente mit den Häftlingen durchführte.
Was es für die KZ-InsassInnen bedeutete, wenn es galt, „den Gesamtbestand an Häftlingen auf seine Arbeitsfähigkeit zu überprüfen“, wie es offiziell hieß, schildert Elie Wiesel in seinem Buch2. Das Unheil kündigte sich mit einem Verbot an, abends den Block zu verlassen. „Bald darauf lief ein schreckliches Wort durch das Lager: die Selektion“, schreibt Wiesel2. Fieberhaft bereiteten die Gefangenen sich darauf vor und versuchten etwa verzweifelt, mit sportlichen Übungen etwas Farbe in ihre ausgemergelten Gesichter zu bringen. Wiesel folgte dem Rat eines älteren Gefangenen, möglichst schnell an Mengele und seinen Helfershelfern vorbeizulaufen, um auf diese Weise seine Gesundheit zu demonstrieren. Und es gelang ihm schließlich auch, dem kritischen Blick der ÄrztInnen standzuhalten. Aber sein Vater erlitt einen Schock: Er fand sich auf der Liste der Mediziner wieder und musste ein zweites Mal antreten. Er wollte dem Sohn schon all seine „Kostbarkeiten“ – ein Messer und einen Löffel – abtreten, kam aber schließlich doch noch einmal mit dem Leben davon.
Selbst den Todesmarsch von Auschwitz nach Buchenwald, zu dem die Nazis die Gefangenen zwangen, weil die Rote Armee sich Auschwitz näherte, überlebte Shlomo Wiesel. Unter großen Anstrengungen überstand er die 70 Kilometer lange Strecke bei bitterer Kälte bis nach Gleiwitz und die anschließende strapaziöse Reise in Viehwaggons zum endgültigen Bestimmungsort.

Erst in Buchenwald verließen ihn endgültig die Kräfte. Auch seine Frau Sarah und seine jüngste Tochter Tsipora starben im Lager, während Beatrice und Hilda ebenso wie Elie dem Tod entrinnen konnten. Wiesels Zeit in Auschwitz, die ihn schon in der ersten Nacht zu der Wehklage „Nie werde ich das vergessen“ bewegte, endete nach der Befreiung in seinem Krankenzimmer mit dem ersten Blick in den Spiegel seit langer Zeit. „Aus dem Spiegel blickte mich ein Leichnam an. Sein Blick verlässt mich nie mehr“, lauten die letzten Zeilen von „Die Nacht“.
Nach dem Krieg kam Elie gemeinsam mit 400 weiteren Kindern, die in den KZs ihre Eltern verloren hatten, nach Frankreich. Ein von einer jüdischen Organisation geleitetes Waisenhaus in der Normandie nahm den Jungen und seine Schwestern Beatrice und Hilda auf. Nach dem Abitur studierte Wiesel in Straßburg und Paris und arbeitete anschließend als Journalist. Das Thema „Auschwitz“ allerdings mied er. Erst Mitte der 1950er Jahre konnte Elie Wiesel sich dieser Erfahrung stellen. Den Anstoß dazu gab eine Begegnung mit dem französischen Schriftsteller François Mauriac. Auf einer Schiffsreise brach dann ein 862 Seiten starkes Konvolut aus Wiesel heraus, nicht von ungefähr in seiner Muttersprache Jiddisch geschrieben. Stark gekürzt, entstand daraus schließlich „Die Nacht“. Die französische Fassung erschien 1958. Zwei Jahre später folgte die Übersetzung ins Englische. Zunächst verkaufte sich das Buch schlecht; erst allmählich fand es Absatz. Schlussendlich entwickelte es sich jedoch zu einem Welterfolg.

Die (Nicht-)Entschuldigung
Wiesel ließen die dunklen Jahre fortan nicht mehr los. Unzählige Werke, Reden und Aufsätze widmete er ihnen, immer wieder trat er als Mahner auf. Noch als über 80-Jähriger hielt er 2009 eine Rede in Buchenwald. Zu einer denkwürdigen (Wieder)Begegnung mit BAYER kam es im Jahr 1995. An seinem US-amerikanischen Stammsitz in Pittsburgh unterstützte der Leverkusener Multi die dortige jüdische Gemeinde seit Längerem mit großzügigen Spenden. Auch eine „Anne Frank“-Ausstellung, zu der Elie Wiesel als Redner eingeladen war, sponserte der Pharma-Riese. Eine Gruppe um den Historiker David Rosenberg, die dieses Engagement kritisch sah, weil der Konzern es nicht mit einer Aufarbeitung seiner Rolle im „Dritten Reich“ verband, kontaktierte Wiesel daraufhin und machte ihn auf den großen Anteil BAYERs an der unheilvollen Geschichte der IG FARBEN aufmerksam. Der Schriftsteller reagierte prompt und sagte die Veranstaltung ab. Daraufhin griff der damalige US-Chef von BAYER, Helge Wehmeier, persönlich zum Telefon und bot Wiesel an, öffentlich eine Entschuldigung für die damaligen Verbrechen auszusprechen, wenn er sich umstimmen ließe. Elie Wiesel willigte ein, und Wehmeyer hielt Wort. Vor einem Publikum von rund 1.800 Menschen erklärte der BAYER-Manager, dass er „Elie Wiesel und alle anderen Betroffenen für die Taten der IG FARBEN und des deutschen Volkes um Entschuldigung bitte“. „Trauer, Bedauern und Scham“ brachte Wehmeier zum Ausdruck.

An die Presse geben wollte BAYER die Rede jedoch zunächst nicht. David Rosenberg und seine Mitstreiter vom COMMITTEE FOR APPROPRIATE ACKNOWLEDGMENT (Komitee für einen angemessenen Umgang mit der Schuld, Anm. SWB) mussten gehörig Druck aufbauen, bis der Multi sich doch noch bereitfand, die Worte Wehmeiers einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Und die Konzern-Zentrale in Deutschland tat alles, um den Akt als eine persönliche Angelegenheit des Managers darzustellen. Eine offizielle Entschuldigung von Seiten des Konzerns für seine Untaten während der NS-Zeit – dazu erklärte sich der Multi nicht bereit, 1995 so wenig wie 1945. Es existierte noch nicht einmal ein Schuldbewusstsein. Bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen zu Buna und der Zwangsarbeit befragt, antwortete das ehemalige IG-Vorstandsmitglied Fritz ter Meer schlicht: „Den Häftlingen ist dadurch kein besonderes Leid zugefügt worden, da man sie ohnedies getötet hätte.“ Die RichterInnen folgten solch fadenscheinigen Entlastungsversuchen nicht und verurteilten ter Meer zu sieben Jahren Haft. Noch 1988 prangerte BAYERs Firmen-Chronik „Meilensteine“ dies als Sieger-Justiz an: „In der Industrie war man bestürzt über dieses Urteil. Man wusste, dass ter Meer kein Nazi gewesen war.“ Die Bestürzung brauchte damals allerdings nicht lange anzuhalten. Da der heraufziehende Kalte Krieg ein milderes Klima für die Verbrecher des alten Krieges mit sich brachte, kam der IG-Manager wegen „guter Führung“ schon nach zwei Jahren frei – und heuerte flugs wieder bei BAYER an. Noch lange nach seinem Tod ließ es sich der Leverkusener Multi nicht nehmen, Blumen auf seinem Grab niederzulegen. Erst nach energischer Kritik der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN stellte der Konzern diese Gedenkpraxis ein.
Selbst in den späten 1990er Jahren, als die ZwangsarbeiterInnen ihre Ansprüche geltend machten und die Vergangenheit den Leverkusener Multi damit massiv einholte, zeigte er sich nicht zu einer Entschuldigung für die Konzern-Verbrechen wie etwa den rund 30.000 Toten von Buna und den ca. 300.000 von der IG versklavten ArbeiterInnen bereit. David Rosenberg war 1999 extra nach Deutschland zur BAYER-Hauptversammlung gereist, um den Global Player dazu zu bewegen, sich seiner Geschichte zu stellen. Aber das Management erteilte ihm eine schnöde Abfuhr. Es erklärte sich schlicht für nicht zuständig. Er hätte Dinge vorgetragen, die BAYER als Unternehmen nicht beträfen, da es 1951 neu gegründet worden sei, gab der damalige Vorstandschef Manfred Schneider Rosenberg zu verstehen. Mit all dem, was vorher war, hatte die Aktiengesellschaft nach Ansicht des Großen Vorsitzenden deshalb nichts mehr zu tun. Die Vorstandsriege des Jahres 1999 könne sich nicht für etwas entschuldigen, wofür sie nicht selbst verantwortlich ist, so seine Worte sinngemäß. Und in Sachen „Entschädigung“ für die ZwangsarbeiterInnen verwies Schneider auf die Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“.
An diese hatten BAYER & Co. die Forderungen der SklavenarbeiterInnen delegiert. Und obwohl die Unternehmen nur 50 Prozent des Stiftungskapitals aufbringen mussten, weil der Staat die andere Hälfte beisteuerte, geizten die Konzerne mit Zahlungen und zogen die Verhandlungen mit den Opferverbänden schamlos in die Länge. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN schaltete sich deshalb gemeinsam mit dem COMMITTEE FOR APPROPRIATE ACKNOWLEDGMENT in diesen Prozess ein. Im Rahmen dieser transatlantischen Kooperation reiste der damalige CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes auf Einladung der jüdischen Gemeinde von Pittsburgh zusammen mit dem ehemaligen Zwangsarbeiter Hans Frankenthal sogar zu einer Konferenz über den großen Teich, um dort für eine angemessene Entschädigung einzutreten.

Und kleine Spuren hat das Engagement der beiden Gruppen in der Stadt bis heute hinterlassen. Der in Pittsburgh erscheinende Jewish Chronicle kam in seinem Nachruf auf Elie Wiesel nicht umhin, an die Wehmeier-Entschuldigung, aus der dann keine BAYER-Entschuldigung wurde, zu erinnern.

1 zit. n. Otto Köhler: Unsere Welt in Auschwitz; junge Welt 7.4.16

2 leicht korrigierte Übersetzung

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2016

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG bei den TTIP-Protesten
Über 300.000 Menschen haben am 17. September 2016 an den Demonstrationen gegen die Handelsabkommen TTIP und CETA teilgenommen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ging in Köln auf die Straße, um gegen die von der EU geplanten Vereinbarungen mit Kanada und den USA zu protestieren, denn diese halten diverse Schmankerl für BAYER & Co. bereit. Allein den TTIP-Effekt, der vor allem durch niedrigere Zölle und vereinheitlichte Regulierungsverfahren entsteht, beziffert der Leverkusener Multi auf einen dreistelligen Millionen-Betrag im Jahr. Auch von laxeren Standards für Pestizide, Gen-Pflanzen und hormonell wirksame Stoffe wie Bisphenol A sowie von privaten Schiedsgerichten zum Investitionsschutz hofft der Konzern zu profitieren. „Für Deutschland ist es ein Muss, hier dabei zu sein“, sagt BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning deshalb. Für die CBG war es da natürlich ein Muss, bei den Protesten dabei zu sein.

Proteste gegen BAYERs MONSANTO-Coup
Mit vielen Aktionen hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) versucht, BAYERs MONSANTO-Übernahme zu verhindern. Noch am 8. September 2016, knapp eine Woche, bevor der bundesdeutsche Agro-Multi Vollzug meldete, zog die CBG gemeinsam mit der UMWELTGEWERKSCHAFT und anderen Gruppen vor das Tor 1 des Leverkusener Werks, um vor den Auswirkungen des Deals auf die Beschäftigten, die VerbraucherInnen, die LandwirtInnen und die Menschen in den Armutsregionen zu warnen.

Offener Brief wg. BAYTRIL & Co.
Anfang August 2016 vermeldete das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) einen Anstieg des Gebrauchs von Antibiotika aus den Klassen der Cephalosporine und der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nahm das zum Anlass, einen Offenen Brief an den Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) zu initiieren. Sie sah Gefahr im Verzuge, weil Fluorchinolone und Cephalosporine in der Humanmedizin zu den Reserve-Antibiotika zählen, die nur zum Einsatz kommen, wenn andere Mittel bereits versagt haben. Und durch den massenhaften Einsatz von BAYTRIL & Co. in den Ställen drohen auch diese Substanz-Gruppen mehr und mehr zu versagen. Durch die Dauerdröhnung gewöhnen sich die Krankheitserreger nämlich zunehmend an die Präparate. Gelangen die Keime dann in den menschlichen Organismus, ist kein Kraut mehr gegen sie gewachsen. Darum forderte die CBG gemeinsam mit den ÄRZTEN GEGEN MASSENTIERHALTUNG, GERMAN WATCH, HEJSUPPORT, dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK und den TIERÄRZTEN FÜR VERANTWORTBARE LANDWIRTSCHAFT, die Verwendung von Reserve-Antibiotika in der Massentierhaltung zu verbieten. Zudem zweifelten die Initiativen die Aussage des „Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) an, dass die Antibiotika-Gaben abgesehen von den Cephalosporinen und den Fluorchinolonen zurückgingen. Dabei stützt sich die Behörde nämlich nur auf einen Rückgang der verwendeten Mengen. Und diese Zahlen sagen für sich genommen herzlich wenig aus, denn bei den neueren Präparaten ist weniger mehr. Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, können die LandwirtInnen mit einer Tonne von BAYERs BAYTRIL 2,2 Millionen Tiere versorgen. (Kurz vor dem Ticker-Redaktionsschluss korrigierte das BVL seine Angaben. Demnach nahm der Gebrauch von Fluorchinolonen nicht zu, sondern leicht von 12,3 auf 10,6 Tonnen ab. Bei den Cephalosporinen der 3. Und 4. Generation gingen die Verordnungen um 100 Kilogramm auf 3,6 Tonnen zurück. Ein Grund zur Entwarnung ist das jedoch nicht, Anm. Ticker.)

Offener Brief zu Pseudo-Hormonen
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie RUNNER, PROVOST OPTI, FOLICUR und NATIVO oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassungsgesetze verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Definition der Pseudo-Hormone – sogenannter „endokriner Disruptoren“ (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Die Bestimmungen kehren jedoch die Beweislast um und fordern eindeutige Belege für die gesundheitsschädliche Wirkung der EDCs; ein plausibler Verdacht reicht Juncker & Co. nicht aus. Da dies nicht dem Vorsorge-Prinzip entspricht, hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK einen Offenen Brief an die bundesdeutschen RepräsentantInnen der EU-Fachausschüsse initiiert, der auf Veränderungen dringt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat das Schreiben mitunterzeichnet.

Tote Bienen vor BAYER-Gebäude
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Die EU hat diese Stoffe deshalb ebenso wie andere Ackergifte dieser Substanz-Klasse bereits mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Aber auch anderswo werden entsprechende Forderungen laut. So zog im Juni 2016 ein Protestzug von BienenzüchterInnen, LandwirtInnen und UmweltaktivistInnen unter der Losung „Haltet die Bienenstöcke am Leben“ quer durch die USA. Vier Millionen Unterschriften zum Stopp von GAUCHO & Co. hatte er im Gepäck. Am 20. Juni machte der Treck Halt vor der Niederlassung des Leverkusener Multis in Durham und lud dort 2,6 Millionen tote Bienen ab. Die TeilnehmerInnen der Karawane verglichen die Folgen der Neonicotinoide mit denen von DDT. Weil Bienen wichtige Dienste als Bestäuber von Getreide-Pflanzen und anderen Ackerfrüchten leisten, warnten die ProtestlerInnen zudem vor den Auswirkungen des Bienensterbens auf die Lebensmittel-Versorgung. Diese Risiken und Nebenwirkungen ignorieren BAYER & Co. Und zwar komplett: Sie gehen nur ihren Profit-Interessen nach. „Wenn wir der Agrochemie-Industrie eine Fortsetzung dieser kurzsichtigen Praxis erlauben, werden die Kosten für Lebensmittel wegen der Verknappung des Angebots steigen“, prophezeite deshalb Scott Nash von der Bioladen-Kette MOM’S ORGANIC MARKET.

Das CIPROBAY-Desaster
BAYERs Antibiotikum CIPROBAY mit dem Wirkstoff Moxifloxacin, der zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen. So registrierte die US-Gesundheitsbehörde FDA zwischen 1998 und 2013 etwa 3.000 Todesfälle, die im Zusammenhang mit fluorchinolon-haltigen Medikamenten stehen. Insgesamt erhielt die FDA rund 50.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte. Am häufigsten treten Gesundheitsschäden im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen auf. Die Pharmazeutika stören nämlich das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, indem sie die Weiterleitung des Neurotransmitters Acetylcholine behindern. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen. Darüber hinaus sind CIPROBAY & Co. für Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen verantwortlich. Der US-amerikanische Mediziner Dr. Jay Cohen hat dazu jetzt ein Buch geschrieben. „Wie wir die CIPRO- und LEVAQUIN-Katastrophe stoppen können – das größte medizinische Desaster der US-Geschichte“ lautet der Titel vielsagend.

BAYERs Lernpläne durchkreuzen!
Der Leverkusener Multi tut viel, um zukünftige Generationen für sich zu gewinnen. Er erstellt unter anderem Unterrichtsmaterialien, schickt rollende Chemie-Labore durch die Lande und sponsert Schulen. Mit Wimmelbüchern „beglückt“ er sogar schon Kindergärten (SWB 2/16). Und mit diesem Engagement steht der Konzern nicht allein da: 16 der 20 größten deutschen Unternehmen betätigen sich – unbehelligt von den Schulbehörden – auf dem Feld der Bildung. Dabei profitieren sie von der Finanzschwäche der Kommunen, die es nicht mehr schaffen, die Einrichtungen angemessen auszustatten. Der Frankfurter Wissenschaftler Tim Engartner hat jetzt Maßnahmen gegen den pädagogischen Eros von BAYER & Co. gefordert. Seiner Meinung nach „bedarf es angesichts der inhaltlichen Einflussnahme durch Privatakteure eines eindeutigen staatlichen Regelwerks, das die Trennung zwischen Schule und Privatwirtschaft garantiert“.

PCB: VBE schlägt Alarm
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten, gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Risiko dar. In Deutschland weisen besonders öffentliche Gebäude hohe Belastungen auf; rund 24.000 Tonnen PCB „beherbergen“ sie. Nach Schätzungen des Bundesumweltamts (UBA) ist jede dritte Schule kontaminiert. Eine Beteiligung an den Dekontaminationsarbeiten lehnt der Leverkusener Multi jedoch ab. „Die Sanierung PCB-belasteter Gebäude liegt (...) nicht in unserem Verantwortungsbereich“, verlautet aus der Firmen-Zentrale. Allzu häufig kommt es jedoch gar nicht erst zu solchen Sanierungen. Die Entscheidungsgrundlage für diese stellt nämlich die PCB-Richtlinie dar; und diese erklärt selbst eine Konzentration des Stoffes in der Atemluft für unbedenklich, wenn diese um den Faktor 50 über dem Richtwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt. Udo Beckmann von der LehrerInnen-Vereinigung „Verband Bildung und Erziehung“ kritisiert das vehement: „Die Politik spielt mit der Gesundheit von Lehrkräften und Schülern. Obwohl PCB von der ‚Internationalen Agentur für Krebsforschung’ in die höchste Gefahren-Gruppe eingeordnet wurde, gelten in Deutschland völlig veraltete Richtlinien.“ Es passe nicht zusammen, dass LehrerInnen SchülerInnen zu umweltbewussten BürgerInnen erziehen sollen, während die Ausbildungsstätten PCB-verseucht sind, so Beckmann. „Die Beschäftigten an den Schulen und Hochschulen sowie die Schüler und Studenten haben einen Anspruch auf belastungsfreie Unterrichtsräume“, hält der Pädagoge fest.

Gen-Raps unter Beobachtung stellen!
2015 hatte ein in der EU nicht zugelassener Gen-Raps von BAYER das Saatgut einer konventionellen Züchtung verunreinigt. In der Pflanze, welche die französische Firma RAGT entwickelt hat, fanden sich Spuren des gegen die Herbizid-Wirkstoffe Bromoxynil und Ioxynil immunen Raps’ NAVIGATOR. RAGT strebte für sein Produkt eine Zulassung in EU-Ländern an. Deshalb fand ein Probe-Anbau in England, Frankreich, Dänemark und Deutschland statt. Nach Bekanntwerden des Skandals haben die hiesigen Behörden sofort die Anweisung erteilt, die auf 48 Versuchsfeldern in verschiedenen Bundesländern kultivierten Pflanzen zu zerstören. Das reicht als Maßnahme jedoch nicht aus, denn die Laborfrucht hat eine lange Halbwertzeit und bleibt lange keimfähig. „Daher müssen die Bundesländer die betroffenen Flächen über 20 Jahre hinweg überwachen und auflaufenden Durchwuchs-Raps vernichten“, forderte Annemarie Volling von der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL). Unterstützung erfuhr der Verband dabei von der IG SAATGUT und dem GENETHISCHEN NETZWERK.

KAPITAL & ARBEIT

Tarifrunde 2016: 3 Prozent mehr
BAYER fährt von Jahr zu Jahr höhere Gewinne ein. Im Geschäftsjahr 2015 wuchs das Konzern-Ergebnis um 18,6 Prozent auf rund 1,380 Milliarden Euro. Die Beschäftigten profitieren davon jedoch kaum. Bei den diesjährigen Tarif-Verhandlungen vereinbarte die Chemie-Branche mit den Gewerkschaften Ende Juni 2016 lediglich eine Entgelt-Anhebung von 3 Prozent für die nächsten 13 Monate. Dann folgt für die 11-monatliche Restlaufzeit des Tarifvertrages noch einmal ein Aufschlag von 2,3 Prozent.

H.C. STARCK in Schwierigkeiten
Im Zuge der „Konzentration auf das Kerngeschäft“ hat BAYER viele Unternehmensteile abgestoßen. Eine aussichtsreiche Zukunft erwartete die Abteilungen in der Regel nicht. Besonders kleinere Sparten wie DYSTAR, DYNEVO, TANATEX, KRONOS TITAN und AGFA gerieten in Schwierigkeiten. Entweder gingen sie Pleite, schrumpften empfindlich oder wurden von anderen Konzernen geschluckt. Aktuell sieht sich H.C. STARCK mit ernsten Problemen konfrontiert. Das Unternehmen hat massive Finanz-Probleme. Der Leverkusener Multi hatte den Spezialchemie-Hersteller nämlich an zwei Finanzinvestoren veräußert, die H.C. STARCK die Kaufsumme als Schulden in die Bücher geschrieben haben. Nun muss die Firma Arbeitsplätze vernichten und andere Restrukturierungsmaßnahmen durchführen, um neue Kredite zu erhalten.

Verändertes Schichtsystem
Der BAYER-Konzern hat an seinem Pestizid-Standort Hürth-Knapsack in Kooperation mit dem Betriebsrat das Schichtsystem geändert. Das bisherige 4-Schichtsystem wurde „aus arbeitsmedizinischen und organisationstechnischen Erwägungen“ durch das beim Leverkusener Multi auch sonst übliche 5-Schichtmodell ersetzt. Dieses erlaubt jetzt längere Ruhe-Phasen vor den Schicht-Wechseln. Auch führt es zu kürzeren Wochenarbeitszeiten. Der Konzern wollte deshalb sogleich die Entgelte entsprechend senken, konnte sich damit aber nicht ganz durchsetzen. „Letztlich haben die Betriebsräte in Knapsack für die Kollegen am Standort einen guten Kompromiss mit einer attraktiven finanziellen Abfederung erreichen können“, so der Betriebsratsvorsitzende Franz-Josef Christ.

ERSTE & DRITTE WELT

Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe
Seit einiger Zeit haben die Global Player auf der Suche nach neuen Absatz-Gebieten die „Low-income Markets“ entdeckt (siehe auch SWB 4/13). So entwickelte der Leverkusener Multi bereits 2013 eine „Afrika-Strategie“. Bei der Umsetzung geriert sich der Agro-Riese gerne als Entwicklungshelfer. „BAYER kooperiert mit der gemeinnützigen Organisation ‚Fair Planet’ und wird Teil des Projekts ‚Bridging the Seed Gap’ in Äthiopien. Ziel des Projekts ist es, neue Anbau-Möglichkeiten für Kleinbauern zu schaffen“, vermeldete der Konzern etwa Anfang 2016. Auch LandwirtInnen-Verbände und Hochschulen sitzen mit im Boot. Und bei der Unterzeichnung des Vertrags waren sogar RegierungsvertreterInnen zugegen. Nur handelt es sich leider bei „Fair Planet“ um einen Verband, den BAYER, SYNGENTA, LIMAGRAIN & Co. seit Längerem großzügig unterstützen. Zudem bestehen die neuen „Anbau-Möglichkeiten für Kleinbauern“ lediglich aus Tomaten-, Peperoni- und Zwiebel-Saatgut made by BAYER. Diese können die FarmerInnen zunächst kostenlos testen. Anschließend müssen sie für diese Sorten allerdings die Werbetrommel rühren. „Sie sollen dann weiteren Landwirten in den Dörfern und Regionen die Vorteile dieses Saatguts demonstrieren“, so lautet der Business-Plan des Konzerns. Bei näherem Hinsehen wird also aus der angeblichen Entwicklungshilfe pure Markterschließung.

Die „Neue Allianz“ in der Kritik

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Im Jahr 2012 gründeten die Teilnehmer-Staaten des G8-Treffens gemeinsam mit BAYER, MONSANTO und anderen Firmen die „Neue Allianz für Lebensmittelsicherheit und Ernährung“. Mit Entwicklungshilfe hat diese Public-Private-Partnership allerdings nicht viel im Sinn. Sie dient den Konzernen vielmehr als Vehikel, um in Afrika die Rahmenbedingungen für eine industrielle Landwirtschaft mittels Gentechnik und allem Drum und Dran durchzusetzen. So dringen die Global Player etwa darauf, die „Verteilung von frei verfügbarem und nicht verbessertem Saatgut systematisch zu beenden“. Zudem fordern sie einen stärkeren Patentschutz, Landrechtsreformen, „effizientere“ Pestizid-Zulassungsverfahren und Maßnahmen gegen die Produkt-Piraterie. Dafür fließen öffentliche Mittel en masse: Die G8-Staaten gaben bereits über drei Milliarden Euro frei, während BAYER & Co. noch nicht einmal eine Milliarde zubutterten. Dies zog jetzt die Kritik des Europa-Parlaments auf sich. Die Abgeordneten forderten, die Strategie der Allianz komplett zu ändern. Sie müsste sich mehr auf die Kleinbauern und -bäuerinnen konzentrieren, den lokalen Saatguthandel schützen und dürfe nicht mehr länger dem Landraub Vorschub leisten, so die ParlamentarierInnen. Dem entwicklungspolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Uwe Kekeritz, ging das jedoch nicht weit genug. Er verlangte von der Bundesregierung, auf eine Auflösung der „Neuen Allianz“ zu dringen: „Die Reform der 2012 von der G8 gegründeten Allianz ist angesichts ihrer grundlegend falschen Ausrichtung aussichtslos.“

Die „Neue Allianz“ in der Kritik

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Die „Neue Allianz für Lebensmittelsicherheit und Ernährung“, die von den G8-Staaten gemeinsam mit BAYER, MONSANTO und anderen Firmen 2012 initiierte Public-Private-Partnership (s. o.), heizt das Landgrabbing an. Zu diesem Resultat kommt die Studie „Land grabbing and human rights“, die das Europäische Parlament in Auftrag gegeben hat. So verloren in Tansania mehr als 1.300 Bauern und Bäuerinnen ihr Land, weil das „Neue Allianz“-Mitglied ECOENERGY vom Staat 20.374 Hektar Ackerfläche erworben hat, um dort eine Zucker-Plantage anzulegen. Auch ganz allgemein fördern die Aktivitäten der Allianz der Untersuchung zufolge die Bodenspekulation und die Landkonzentration, denn die Devise von BAYER & Co. lautet: „Think Big“. Afrikanische FarmerInnen-Verbände kritisieren das Vorgehen der Multis deshalb massiv. Auch die AutorInnen der Untersuchung sehen nur negative Effekte. Aus diesem Grund fordern sie die EU-Mitgliedsländer unter den G8-Nationen auf, der „Neuen Allianz für Lebensmittelsicherheit und Ernährung“ die Unterstützung zu entziehen.

Patente: Ausnahmen nur bis 2033
Mit Patenten auf Pharmazeutika sichern sich BAYER & Co. Monopol-Profite. Dieses Vorgehen macht die Arzneien besonders für Menschen in armen Ländern unerschwinglich. Wenn diese Staaten trotzdem versuchen, sich den Zugang zu den benötigten Medikamenten zu sichern, indem sie sich – wie Südafrika im Jahr 2001– auf einen Ausnahme-Paragrafen des internationalen TRIPS-Patentschutzabkommens berufen, bemühen BAYER und die anderen Pillen-Riesen gern einmal die Gerichte (siehe SWB 2/01). Nur für die ärmsten der armen Nationen, die „least-developed countries“ (LDCs), galten bis zum Januar 2016 eigene Regelungen. Bei den neuen Verhandlungen um diesen Sonderstatus haben die VertreterInnen der LDCs eine unbefristete Verlängerung gefordert. Die Welthandelsorganisation WTO beugte sich allerdings dem Druck von Big Pharma und gewährte nur einen Aufschub bis 2033.

BAYER senkt JADELLE-Preis
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson. Zu diesen „wirksamen Investitionen“, die Entwicklungshilfe sparen helfen, gehört auch BAYERs Verhütungsmittel-Implantat JADELLE. Das Medizin-Produkt mit dem Wirkstoff Levonorgestrel ist für die BevölkerungskontrolleurInnen nämlich ziemlich praktisch, verrichtet es seine Dienste doch fünf Jahre lang. Für die Frauen allerdings weniger: Unter anderem klagen sie über Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Depressionen, Gewichtszunahme und Haarausfall. Großeinkäufern wie etwa der „Bill & Melinda Gates Foundation“ hat der Leverkusener Multi bisher schon große Rabatte eingeräumt. Anfang des Jahres hat er eine generelle Preis-Senkung für Entwicklungsländer verkündet. Statt rund 18 Dollar pro Implantat berechnet er jetzt nur noch die Hälfte.

POLITIK & EINFLUSS

BAYERs EU-Frühstücke
„Um Unternehmensvertreter über aktuelle Entwicklungen zu informieren“, organisiert die Lobby-Firma AMISA2 „monatlich Frühstücksdebatten mit Schlüssel-Persönlichkeiten der EU-Institutionen“. BAYER, GOOGLE, AIRBUS und 15 weitere Konzerne durften auf diese Weise schon einen „Blick in die Zukunft der Klimapolitik“ werfen – eröffnet von der damals als EU-Kommissarin für den Klimaschutz fungierenden Connie Hedegaard – oder mit der stellvertretenden Generalsekretärin der EU-Kommission, Marianne Klingbeil, zusammentreffen.

VCI spendet 128.000 Euro
Im Jahr 2015 hat der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) 128.000 Euro in Parteispenden investiert. Mit je 40.000 Euro erhielten CDU und FDP am meisten. Die SPD bedachte der Lobby-Club von BAYER & Co. mit 35.000 Euro, die Grünen konnten 13.000 Euro verbuchen. Nur die Partei „Die Linke“ ging leer aus. Dabei wird der VCI nicht nur proaktiv tätig. Es gibt auch direkte „Spenden-Anfragen der Schatzmeister oder Spitzenkandidaten der Parteien im Zusammenhang mit Bundestags-, Landtags- und Europawahlen“, wie der Verband mitteilt.

Kerins im USCC-Vorstand
Bei dem „U.S. Chamber of Commerce“ (USCC) handelt es sich um den größten Unternehmensverband der Welt. Und seit Dezember 2015 sitzt BAYERs oberster Öffentlichkeitsarbeiter in den USA, Raymond Kerins Jr., dort im Vorstand. Welche Auffassung er vom Verhältnis der Ökonomie zur Politik hat, machte der PR-Profi gleich bei seinem Amtsantritt deutlich. Da bezeichnete Kerins Jr. es als eine der Aufgaben des USCC, die MandatsträgerInnen darin zu unterweisen, wie sie das Wachstum der US-amerikanischen Wirtschaft am besten aufrechterhalten könnten.

BAYER sponsert Rohstoff-Behörde
Die „Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“ (BGR) berät nach eigener Auskunft „die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft in allen geowissenschaftlichen und rohstoff-wirtschaftlichen Fragen“. Da der Zugriff auf Bodenschätze für den Leverkusener Multi eine enorme Bedeutung hat, gehört er mit zu den Unternehmen, welche die BGR seit 1982 indirekt sponsern. Seit 1987 tun BAYER & Co. dies über die „Hans-Joachim-Martini-Stiftung“, welche die milden Gaben als Preisgelder oder als Forschungsförderung tarnt. Die Investition lohnt sich, denn die Ergebnisse der BGR-Expertisen fallen fast immer im Sinne der Industrie aus. So erteilte die Bundesanstalt dem Fracking eine Unbedenklichkeitserscheinung und leugnete in Studien weitgehend den Zusammenhang zwischen dem Kohlendioxid-Ausstoß der Konzerne und dem Klimawandel. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hatte in einer internen Revision zwar Anstoß an der Praxis der Stiftung genommen, zog aber bislang keine Konsequenzen. Die Partei Bündnis 90/Die Grünen nahm die Vorgänge zum Anlass, eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Diese sieht jedoch keinen Handlungsbedarf. „Die BGR ist eine eigenständige wissenschaftlich-technische Behörde, an deren Unabhängigkeit die Bundesregierung keinen Zweifel hat“, hielten Merkel & Co. fest.

Ökosteuer-Ausnahmen bleiben
Im Zuge der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wollte die Große Koalition ursprünglich den Strom, den die Konzerne mit ihren eigenen Kraftwerken produzieren, ökosteuerpflichtig machen. Sofort brach ein Sturm der Entrüstung los. „Auch wenn die überfällige EEG-Reform nun endlich auf dem Weg ist, die Mehrbelastung der Eigenstrom-Erzeugung ist ein unüberwindlicher Stolperstein und für unsere Branchen nicht hinnehmbar. Jene Unternehmen, die ihren Strom in eigenen Kraftwerken vor allem in Kraft-Wärme-Kopplung und sehr effizient herstellen, hätten dadurch Mehrkosten von insgesamt über 300 Millionen Euro im Jahr“, erklärte der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Und der Leverkusener Multi, der fast 60 Prozent seines Energie-Bedarfs selber deckt, warnte: „Unsere KWK-Anlagen würden sich, sollten diese Pläne umgesetzt werden, nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen, sowohl die bestehenden als auch die neuen.“ Und die Politik erhörte die Signale. Alte Anlagen blieben von der Umlage befreit, modernisierte müssen nur 20 Prozent und neue 40 Prozent des Satzes zahlen. Die EU legte allerdings ein Veto ein, denn sie sah in den gewährten Rabatten eine unerlaubte Beihilfe. Aber Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel konnte die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestagen im August 2016 „nach intensiven Gesprächen“ umstimmen und Bestandsschutz für die Ausnahme-Regelungen erwirken.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER zahlt ÄrztInnen 7,5 Millionen
Die Pillen-Produzenten investierten im letzten Jahr 575 Millionen Euro dafür, die medizinische Landschaft zu pflegen und die ÄrztInnen zum Verschreiben ihrer Medikamente zu bewegen. Rund 71.000 MedizinerInnen standen auf ihren Gehaltslisten. BAYER gab 2015 dafür 7,5 Millionen Euro aus. Damit spendierte der Konzern den Doktores unter anderem Fortbildungsveranstaltungen in netter Umgebung samt Kost & Logis sowie Begleitung. Rund 2.400 Personen kamen in den Genuss dieses Angebotes. Ca. 3.000 ÄrztInnen strichen zudem für ihre Tätigkeit als RednerInnen auf Kongressen, BeraterInnen oder DienstleisterInnen Geld ein. Für den offenen Umgang mit diesen Zahlen lobt sich der Konzern ausgiebig selbst. Zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell gehöre eben Transparenz, so BAYER-Manager Eberhard Schmuck. Allzu weit ist es mit dieser allerdings nicht her: Was der Global Player den MedizinerInnen nämlich für die sogenannten Anwendungsbeobachtungen zahlt, die nur den Zweck haben, die PatientInnen auf das getestete Präparat umzustellen, verschweigt er lieber. Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens sieht durch solche Zahlungen die Unabhängigkeit des Standes gefährdet. „Patienten müssen darauf vertrauen können, dass Ärzte ihnen ein Medikament verschreiben, weil sie von der Wirksamkeit überzeugt sind – und nicht, weil sie auf der Honorar-Liste der Hersteller stehen“, hielt die Grünen-Politikerin fest.

7,4 Millionen für Krankenhäuser
BAYER hält nicht nur die ÄrztInnen mit Zuwendungen bei Laune (s. o.), der Konzern bedenkt auch viele Institutionen des Gesundheitswesens, um die Absatz-Chancen für seine Pillen zu verbessern. Krankenhäusern, medizinischen Standesorganisationen, Instituten und medizinischen Gesellschaften wie z. B. der „Deutschen Parkinson Vereingung“ hat der Leverkusener Multi im Jahr 2015 rund 7,4 Millionen Euro zukommen lassen.

BAYER bildet ApothekerInnen weiter
Im Mittleren Osten unterhält BAYER bereits seit 2012 ein Programm zur Fortbildung von ApothekerInnen. Am diesjährigen Workshop nahmen rund 200 PharmazeutInnen aus Kuwait, Quatar, Oman, Barain und anderen Ländern teil. Obwohl der Leverkusener Multi diese Aktivitäten als Teil einer Initiative der Weltgesundheitsorganisation WHO darstellt, dient das Ganze der Absatz-Förderung eigener Präparate. So besteht ein Lernziel für die ApothekerInnen laut Konzern darin, die PatientInnen zur Selbstmedikation und zur Einnahme von Vitaminen und Medikamenten zur Vorbeugung von Krankheiten anzuhalten, um dadurch „dem Staat Lasten abzunehmen“.

BAYER sponsert Agrar-JournalistInnen
BAYER lässt sich die Pflege der Presselandschaft einiges kosten. So sponserte der Leverkusener Multi beispielsweise den Weltkongress der Agrar-JournalistInnen, der dieses Mal in Deutschland stattfand. Die Grüne Woche hatte ihn nach Berlin gelockt. Die Veranstaltung versuchte dann auch, seinem Geldgeber alle Ehre zu machen. Sie begab sich daran, ein idyllisches Bild der hiesigen Agrarwirtschaft zu malen. Die Konferenz wollte nichts weniger als zeigen, „wie Landwirte in Deutschland sich den Herausforderungen von heute stellen. Dazu zählen eine effiziente Wirtschaftsweise, der Schutz von Natur und Biodiversität sowie die Bereitstellung hochwertiger und bezahlbarer Lebensmittel“.

TIERE & ARZNEIEN

BAYTRIL-Gebrauch sinkt leicht
Ende Juli 2016 vermeldete das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) zunächst einen erhöhten Verbrauch von Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung. Dann korrigierte es seine Angaben. Demnach sanken die Gaben leicht von 12,3 auf 10,6 Tonnen. Aber auch die neuen Zahlen stimmen noch bedenklich, führt doch die häufige Verwendung dieser Mittel in den Ställen dazu, dass die Krankheitserreger sich zunehmend an die Substanzen gewöhnen. Gelangen diese dann über den Nahrungskreislauf oder andere Wege von den Ställen in den menschlichen Organismus, können sie Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist. Und bei den Fluorchinolonen ist das besonders bedenklich, da diese Substanzen in der Humanmedizin zu den Reserve-Antibiotika zählen, die nur zum Einsatz kommen, wenn andere Mittel bereits versagt haben (siehe auch AKTION & KRITIK).

BAYTRIL in Bio-Ställen
Auch die LieferantInnen von Bio-Fleisch setzen in ihren Ställen Antibiotika ein. So tragen auch diese ZüchterInnen mit dazu bei, dass immer mehr Krankheitserreger Resistenzen gegen diese Mittel entwickeln. Gelangen die Keime dann über den Nahrungskreislauf oder andere Wege in den menschlichen Organismus, können sie Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die dann nichts mehr hilft. Der Verband „Bioland“ hat seinen Mitgliedern deshalb zumindest verboten, Medikamente aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs BAYTRIL zu verwenden. Diese Substanzen zählen in der Humanmedizin nämlich zu den Notfall-Antibiotika, die bevorzugt zum Einsatz kommen, wenn andere Stoffe bereits versagt haben. Aber selbst zu diesen Fluorchinolonen greifen die Biobauern und –bäuerinnen. Allein im Jahr 2014 hat Bioland 35 Ausnahmegenehmigungen für BAYTRIL & Co. erteilt. Zudem geben nicht wenige LandwirtInnen ihren Tieren diese Mittel, ohne das formell zu beantragen.

Kooperation mit BIONTECH
BAYER hat eine Kooperation mit dem Unternehmen BIONTECH auf dem Gebiet der Tiermedizin vereinbart, in dessen Rahmen die Mainzer Firma für den Leverkusener Multi Immun-Therapeutika, Impfstoffe und andere Veterinär-Arzneien entwickeln soll.

DRUGS & PILLS

ESSURE führt zu mehr Komplikationen
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Medizinprodukt für eine dauerhafte Empfängnis-Verhütung, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich nach etwa drei Monaten die Eileiter verschließen. Eine Studie verglich ESSURE jetzt mit anderen Sterilisationsmethoden, die Zugriff auf die Eileiter nehmen. Das Ergebnis der im British Medical Journal veröffentlichten Untersuchung fiel verheerend für die Spirale des Leverkusener Multis aus. Sie erhöht für die Frauen das Risiko, sich nachträglichen Operationen unterziehen zu müssen, im Vergleich zu anderen Praktiken um mehr als das Zehnfache. Wegen seiner vielen Nebenwirkungen steht das Pharma-Produkt schon länger in der Kritik. Zu diesen zählen unter anderem Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien. Die Spirale bleibt zudem oft nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann.

Gesundheitsbehörden warnen vor ESSURE
Die vielen unerwünschten Arznei-Effekte von BAYERs Medizin-Produkt ESSURE (s. o.) haben die Gesundheitsbehörden in Kanada und den Vereinigten Staaten zum Handeln bewogen. „Health Canada“ informierte die ÄrztInnen in einem Brief über die zahlreichen Risiken und Nebenwirkungen des Präparats und setzte auch die Öffentlichkeit darüber in Kenntnis. Die US-amerikanische FDA verpflichtete BAYER derweil, die Spirale nur noch mit einem Warnhinweis der dringlichsten Stufe zu vertreiben und die Sicherheit von ESSURE in einer neuen Studie zu überprüfen. Den vielen Geschädigten in den USA ging das allerdings nicht weit genug. Sie hatten auf ein Verbot gehofft und kritisierten die FDA-Maßnahmen deshalb als unzureichend.

IBEROGAST schädigt die Leber
Auch Medikamente auf pflanzlicher Basis wie BAYERs Magenmittel IBEROGAST, das 2013 mit dem Kauf von STEIGERWALD in die Produktpalette des Pharma-Riesen gelangte, können es in sich haben. So schädigt der IBEROGAST-Inhaltsstoff Schöllkraut die Leber. Arzneien mit einer hohen Schöllkraut-Konzentration hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) deshalb schon aus dem Verkehr gezogen. Vom Leverkusener Multi verlangte es, diese Nebenwirkung auf dem Beipackzettel von IBEROGAST zu vermerken. Der Konzern weigert sich aber, dieser Aufforderung nachzukommen. Für ihn ist die „hohe Sicherheit“ des Präparates „durch eigene Daten vollständig belegt“. Darum zeigt er sich auch nicht bereit, den Widerspruch zurückzunehmen, den STEIGERWALD vor acht Jahren gegen die BfArM-Anordnung eingelegt hatte. Und so gibt es dann immer noch keine Warnhinweise auf den Faltblättern der Packungen. „Das ist genau die Situation, die wir immer wieder beklagen. Im Grunde genommen hat der Hersteller viele Möglichkeiten, das immer wieder herauszuzögern (...) Derzeit hat man den Eindruck an vielen Stellen, dass der Hersteller-Schutz vor dem Patienten-Schutz rangiert“, kritisiert der Pharmakologe Prof. Gerd Glaeske.

Verantwortlicher Umgang mit ASPIRIN?
BAYER bewirbt ASPIRIN erfolgreich als „Tausendsassa“. Darum findet es weite Verbreitung, obwohl das Präparat viele Nebenwirkungen wie etwa Magenbluten hat. So bezifferte der Mediziner Dr. Friedrich Hagenmüller 2012 die Zahl der Todesopfer allein in der Bundesrepublik auf jährlich 1.000 bis 5.000. Den Leverkusener Multi ficht das jedoch nicht an. Wenn JournalistInnen ihn auf das Gefährdungspotenzial von ASPIRIN durch einen zu sorglosen Umgang mit dem Mittel ansprechen, verweist der Konzern einfach auf eine von ihm selbst durchgeführte Studie, die angeblich eine verantwortungsvolle Handhabung belegt.

ASPIRIN: Größere Präventionswirkung?
Der verantwortungslose Umgang mit ASPIRIN birgt hohe Risiken (s. o.) Haben Menschen jedoch schon einmal einen Herzinfarkt erlitten, raten MedizinerInnen zur Verhinderung eines zweiten zu dem Mittel. Studien zufolge senkt das Medikament mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure das Risiko für eine nochmalige Attacke um 13 Prozent. Nur die ersten sechs Wochen nach dem ersten Infarkt betrachtet, liegt die Präventionswirkung einer neueren Untersuchung zufolge sogar noch höher. Wie Peter M. Rothwell und sein Team herausfanden, reduziert die Arznei die Wahrscheinlichkeit eines Wiederholungsfalles um 60 Prozent. Allerdings haben drei an der Studie beteiligte WissenschaftlerInnen schon einmal in Diensten BAYERs gestanden, was die Aussagekraft der Arbeit erheblich trübt.

CIPROBAY-Anwendungsbeschränkungen
BAYERs Antibiotikum CIPROBAY mit dem Wirkstoff Moxifloxacin, der zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch AKTION & KRITIK). Darum erließ die US-Gesundheitsbehörde FDA im Mai 2016 Anwendungsbeschränkungen für CIPROBAY und andere fluorchinolon-haltige Präparate. Bei Bronchitis, Sinusitis und einfachen Formen von Blasen-Entzündungen dürfen die MedizinerInnen diese Arzneien jetzt nur noch verordnen, wenn alle andere Mittel versagt haben.

Zahlreiche MIRENA-Nebenwirkungen
BAYERs Hormon-Spirale MIRENA ruft zahlreiche unerwünschte Arznei-Effekte hervor. „Insgesamt 3.607 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen“ hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) registriert, wie eine Anfrage des TV-Magazins Frontal21 ergab. Allein 44 Meldungen zu Brustkrebs, 153 zu Eileiter-Schwangerschaften und 328 zu Gebärmutter-Verletzungen erhielt das BfArM unter anderem.

Verhandlungen mit GOOGLE
Die GOOGLE-Tochter VERILY widmet sich medizinischen Forschungsprojekten auf Gebieten wie „Krebs“, „Diabetes“ und Herz/Kreislauf-Erkrankungen. Zudem entwickelt sie Operationsroboter und bioelektronische Systeme. Im Februar 2016 hat das Unternehmen Verhandlungen mit BAYER über mögliche Kooperationen aufgenommen.

16 Krebs-Wirkstoffe im Test
Krebs-Arzneien versprechen den Pharma-Riesen den größten Profit. Mittlerweile fressen sie – ohne die Lebenszeit der PatientInnen entscheidend verlängern zu können – schon rund ein Viertel des Medikamenten-Budgets der Krankenkassen. Folgerichtig setzt der Leverkusener Multi ganz auf dieses Segment. Mit NEXAVAR, STIVARGA und XOFIGO bietet er bereits drei Onkologie-Präparate an; zudem befinden sich 16 Wirkstoffe in der klinischen Erprobung.

Mehr Profit durch Direktvertrieb
Vom Hersteller über den Großhandel zu den Apotheken – so sieht eigentlich der Vertriebsweg für Medikamente aus. BAYER & Co. umgehen aber immer öfter den Großhandel und bestücken die Pharmazien selbst mit ihren Produkten. Auf diese Weise schalten sie einen Mitverdiener aus und erhöhen ihre Gewinnmarge. Zudem sieht die Branche dies als eine wirksame Methode an, die Zwischenhändler am Export der Arzneien in solche Länder zu hindern, in denen sie mit den Produkten zum Schaden der Pillen-Produzenten mehr Geld machen können. Also halten die Pharma-Firmen den Großhandel knapp und springen in die Bresche, wenn dieser nicht mehr liefern kann. Zu diesem Behufe hat BAYER gemeinsam mit BOEHRINGER, NOVARTIS und anderen Konzernen die PHARMA MALL GESELLSCHAFT FÜR ELECTRONIC COMMERCE gegründet. Den Unternehmen zufolge soll diese Gesellschaft der „Optimierung der Transaktionsprozesse zwischen Herstellern und Kunden“ dienen. In der Realität aber verkompliziert sich für die Apotheken durch die beiden nebeneinander herlaufenden Systeme die Beschaffung der Pharmazeutika, weshalb die PatientInnen oftmals länger auf ihre Mittel warten müssen. Überdies schrumpfen die Einnahmen der Pharmazien durch diesen Direktvertrieb, weil sie dadurch nicht mehr in den Genuss von Großhandelsrabatten kommen. Die Bundesregierung sieht bei alldem jedoch keinen Grund zum Eingreifen. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ verweist die Große Koalition auf die Zuständigkeit der Bundesländer.

Anfrage zu Beobachtungsstudien
Erkenntnisse werfen Anwendungsbeobachtungen (AWB) zu Medikamenten, die MedizinerInnen mit ihren PatientInnen durchführen, kaum ab. Dies ist aber auch gar nicht Sinn der Übung. Die Anwendungsuntersuchungen verfolgen einzig den Zweck, die Kranken auf das getestete Präparat umzustellen (siehe auch PROPAGANDA & MEDIEN). Im Jahr 2014 standen BAYER & Co. dafür 17.000 ÄrztInnen zu Diensten. Die Pharma-Riesen honorierten ihnen dies mit ca. 100 Millionen Euro. Nach Angaben des Recherche-Netzwerkes Correct!v fanden von 2009 bis 2014 in den Praxen 41 solcher „Studien“ mit BAYER-Medikamenten statt (Ticker 3/16). Die Bundesregierung nimmt an diesem Marketing-Instrument, das sich einen wissenschaftlichen Anstrich gibt, im Grundsatz keinen Anstoß. „Mit AWB können Erkenntnisse über die Anwendung zugelassener Arzneimittel in der Praxis gewonnen werden“, hält sie in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ fest. Im geplanten „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen“ will die Große Koalition lediglich die Vorschriften für die Schnelltests etwas verschärfen.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat-Zulassung verlängert
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist und in Kombination mit Gen-Pflanzen wie der Soja-Art BALANCE zum Einsatz kommt, gilt als gesundheitsgefährdend. So hat eine Krebsforschungseinrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Substanz als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Trotzdem hat sich die EU im Juni 2016 schlussendlich dem Druck der Industrie gebeugt und die Zulassung des Herbizids um 18 Monate verlängert.

Comeback für Glufosinat?
BAYERs Antiunkraut-Mittel Glufosinat, das unter anderem im Kombipack mit den Gen-Pflanzen der „LIBERTY LINK“-Baureihe zum Einsatz kommt, schädigt das Erbgut und kann Krebs auslösen. Deshalb hatte die EU die Zulassung des Pestizids nicht über den September 2017 hinaus verlängert. Jetzt droht Brüssel jedoch einen Rückzieher zu machen. Die „Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit“ (EFSA), deren MitarbeiterInnen mehr als einmal durch ihre Beziehungen zur Wirtschaft in die Schlagzeilen geraten waren, schlug nämlich Ausnahmeregeln für Glufosinat und andere Ackergifte vor, falls die LandwirtInnen keine Alternative hätten und eine „ernsthafte Gefahr für die Gesundheit der Pflanze“ bestehe. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) kritisierte diesen Vorstoß vehement.

Pestizid-Plage in Costa Rica
Costa Rica ist der weltgrößte Ananas-Produzent. Auf einer Fläche von 38.000 Hektar wächst dort die Frucht. Dabei kommen einer Studie von OXFAM zufolge immense Mengen an Agro-Chemikalien zum Einsatz. 30 bis 38 Kilogramm pro Hektar bringen die Plantagen-BesitzerInnen jährlich aus. Darunter befinden sich mit Glyphosat, Diuron, Mancozeb und Chlorpyrifos viele, die auch BAYER anbietet. Die Beschäftigten müssen schon bald nach den Sprühaktionen wieder auf die Felder und verfügen nicht immer über einen Arbeitsdress, der ihnen die Mittel in ausreichender Form vom Leibe hält. Dementsprechend erleiden viele der Belegschaftsangehörigen Gesundheitsschädigungen. „Ich war einen Monat lang im Krankenhaus wegen einer Vergiftung. Als ich wiederkam, musste ich wieder mit Pestiziden und ohne Schutzkleidung arbeiten“, erzählt einer von ihnen. Auch Krebs-Krankheiten, Magenleiden, Augen-Schädigungen und Hautausschläge zählen zu den Nebenwirkungen. Überdies verseuchen die Mittel das Trinkwasser in der Nähe der Ananas-Äcker.

Pestizid-Plage in Ecuador
Auf den Bananen-Plantagen in Ecuador herrschen OXFAM zufolge ähnlich verheerende Bedingungen wie auf den Ananas-Äckern in Costa Rica (s. o.) Hier sehen sich die LandarbeiterInnen ebenfalls ohne ausreichenden Schutz gefährlichen Pestiziden ausgesetzt. Oftmals dürfen sie die Felder nicht verlassen, wenn die Sprüh-Flugzeuge zum Einsatz kommen und Substanzen wie die auch von BAYER vermarkteten Stoffe Glyphosat und Mancozeb ausbringen. „Wir machen uns große Sorgen, weil wir unter dem Pestizid-Regen arbeiten müssen. Wir bekommen Hautausschläge. Aber wenn man sich beschwert, riskiert man, entlassen zu werden“, klagt etwa einer der Beschäftigten. Und es bleibt nicht bei Hautausschlägen. Zu den weiteren Leiden der Plantagen-ArbeiterInnen zählen Herz-Leiden, Magen-Erkrankungen, Augenbrennen, Schlafstörungen und Durchfall. Überdies erweisen sich die chemischen Keulen als erbgut-schädigend. „Angesichts besonders hoher Behinderungsraten der Kinder in den Bananen-Provinzen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es hier einen Zusammenhang gibt“, sagt etwa Beatriz Garcia Pluas, die Direktorin einer Schule für Gehandicapte.

PilotInnen als Pestizid-Opfer
Nicht nur die LandarbeiterInnen oder die AnwohnerInnen der Plantagen leiden unter den Pestiziden, sondern auch die PilotInnen, welche die Agro-Chemikalien mit ihren Flugzeugen ausbringen. So berichtet der Ecuadorianer Jorge Acosta Orellana in dem Interview mit der taz über Leiden wie Herzrhythmus-Störungen, Schwindel und Augen-Trübungen. „Ich bin zum Arzt gegangen, aber der meinte, dass mein Herz in Ordnung sei und dass ich eine Vergiftung haben könnte. Ich habe dann mit anderen Piloten geredet und festgestellt: Die haben ähnliche Probleme. Bald waren wir überzeugt, dass das alles in Zusammenhang mit dem Fungizid Mancozeb (enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten ZETANIL und ACROBAT, Anm. Ticker) stehen könnte. Das haben wir auf den Plantagen nämlich zum Sprühen verwendet.“ Orellana zufolge kam es sogar schon zu Flugzeug-Abstürzen, weil die PilotInnen – benebelt von den chemischen Keulen – die Kontrolle über ihre Maschinen verloren.

ALDI bannt Bienenkiller
Der Lebensmittel-Discounter ALDI bannt acht bienengefährliche Agro-Chemikalien. Dazu zählen mit Chlorpyrifos, Clothianidin, Deltamethrin, Fipronil und Imidacloprid auch fünf Wirkstoffe, die BAYER anbietet. „Mit dem Ziel, den Bienenschutz in Deutschland aktiv zu fördern und weiterhin im Sinne der Verbraucher an einer Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden zu arbeiten, haben die beiden Unternehmensgruppen ALDI-NORD und ALDI-SÜD im vergangenen Jahr neue Anforderungen an ihre Lieferanten gestellt“, erklärte der Konzern. Diese müssen nun garantieren, dass die landwirtschaftlichen Produkte, die sie ALDI verkaufen, keine Behandlung mit Chlorpyrifos & Co. erfahren haben.

Neues Erdnuss-Pestizid
Der Leverkusener Multi hat mit PROVOST OPTI ein neues Antipilz-Mittel für Erdnuss-Kulturen auf den Markt gebracht. Allerdings handelt es sich dabei um neuen Wein in alten Schläuchen. Die Inhaltsstoffe stimmen mit denen von PROVOST überein. Der Konzern änderte lediglich das Mischungsverhältnis von Prothioconazol und Tebuconazol.

PFLANZEN & SAATEN

Neues Weizenzucht-Zentrum in Kanada
Im Saatgut-Geschäft des Agro-Riesen bildet Weizen einen Schwerpunkt, weil die Ackerfrucht die weitverbreitetste Kulturpflanze der Welt ist. Bis 2020 will der Konzern 1,5 Milliarden Euro in Züchtungsprogramme investieren, um eine führende Rolle in diesem Markt-Segment einzunehmen. Nachdem der Agro-Riese gerade eben erst seine Weizenzucht-Station in Gatersleben erweitert hat, eröffnet er jetzt ein neues Zentrum im kanadischen Saskatchewan. Vor allem hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Gewächse will der Konzern dort entwickeln. Auf Qualität kommt es ihm dabei weniger an als auf den Output. „Wer erfolgreich eine wesentlich ertragreichere Weizen-Sorte entwickelt, wird ein lukratives Geschäft auftun“, prophezeit Liam Condon, der Chef von BAYER CROPSCIENCE.

GENE & KLONE

Blockbuster EYLEA
EYLEA, das BAYER-Präparat zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Einen Zusatznutzen mochten dem Gentech-Medikament deshalb weder das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) noch die Techniker Krankenkasse bescheinigen. Trotzdem entwickelt sich die Arznei dank BAYERs massivem Werbeaufwand zu einem Blockbuster, der LUCENTIS gehörig Konkurrenz macht: Im zurückliegenden Geschäftsjahr betrug der EYLEA-Umsatz 1,2 Milliarden Euro.

EU lässt BAYERs Gen-Soja zu
Ende Juli 2016 hat die EU BAYERs Gen-Soja mit dem Produktnamen BALANCE eine Einfuhrgenehmigung erteilt (siehe auch SWB 4/16). Die Laborfrucht ist gentechnisch darauf geeicht, auf den Feldern Sprühattacken mit den Herbizid-Wirkstoffen Glyphosat und Isoxaflutol standzuhalten. Da die Menschen darauf nicht „geeicht“ sind, stellen die Rückstände der beiden als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Pestizide in den Pflanzen für sie eine ernstzunehmende Gesundheitsgefahr dar. Damit nicht genug, potenzieren sich die unerwünschten Effekte im Zusammenspiel noch einmal: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte die Zulassung deshalb.

Lizenz-Abkommen mit ERS
BAYER setzt weiter auf die „Synthetische Biologie“, zum Beispiel auf Gen-Scheren, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können. Nachdem der Konzern Ende 2015 ein Joint Venture mit dem US-Unternehmen CRISPR THERAPEUTICS eingegangen ist (siehe STANDORTE & PRODUKTION), schloss er im Mai 2016 eine Lizenzvereinbarung mit der irischen Firma ERS GENOMICS ab. Diese sichert dem Pharma-Riesen den Zugriff auf mehrere Patente, die ERS auf die Anwendung der Schnippel-Technik CRISPR-Cas9 hält.

Gentech lost in Europe
BAYERs Innovationsvorstand Kemal Malik sieht die Zukunft der „grünen Gentechnik“ in Europa düster. „Wir haben die Auseinandersetzung über Gen-Pflanzen in Europa verloren. Ich glaube nicht, dass es noch genug politischen Willen gibt, um den Bann aufzuheben oder wieder in die Debatte einzusteigen“, sagte er der Zeitung The Australian im Marz 2016. Zum Teil gibt er dafür auch der Industrie selber die Schuld: „Wir haben nicht genug Anstrengungen unternommen, um die Technologie zu erklären und die Öffentlichkeit und die Entscheidungsträger mitzunehmen.“

WASSER, BODEN & LUFT

Anhörung zum A1-Ausbau
Das Land Nordrhein-Westfalen plant, die Bundesautobahn A1 auszubauen und im Zuge dessen auch eine neue Brücke über den Rhein zu errichten. Das stößt jedoch auf viel Widerstand, vor allem weil Straßen.NRW dafür Teile der Dhünnaue-Deponie BAYERs wieder öffnen will. Der Landesbetrieb beabsichtigt, den Müll bis zu einer Tiefe von zwei Metern abzutragen und die Grube mit einer Polsterschicht für das Fundament der Straße aufzufüllen. 268 Einwendungen gegen das Projekt erhielt die Bezirksregierung, darunter auch eine der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Anfang Juli 2016 fand dazu in der Stadthalle Köln-Mülheim der Erörterungstermin statt (siehe auch SWB 4/16). Zweifel an dem Vorhaben konnten die Straßenbau-BeamtInnen dort allerdings nicht ausräumen, zumal sie selber das Risiko nur vorsichtig „vertretbar“ nannten. Einer ihrer Ingenieure bezeichnete die Auskofferung des ganzen Giftgrabes sogar ganz offen als die eigentlich „optimale Gründung“ für die A1. Auf Altlasten baut es sich nämlich schlecht. Der organische Anteil des Mülls zersetzt sich, weshalb das Volumen abnimmt und mit Bodenabsenkungen zu rechnen ist. Das tut auch Straßen.NRW. „Eine ggf. erforderliche vorzeitige Instandsetzung des Oberbaus ist berücksichtigt“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des Landesbetriebs zur Einwendung der CBG. Und so gewann dann die von der Coordination und vielen anderen Initiativen vorgeschlagene Alternative, die Hände ganz von der Dhünnaue zu lassen und den Verkehr stattdessen unterirdisch durch einen langen Tunnel zu führen, durch den Erörterungstermin noch mehr an Überzeugungskraft.

Neues Fracking-Gesetz
US-Unternehmen profitieren von den neuen Öl- und Erdgas-Fördertechniken. Das ebenso brachiale wie umweltschädliche Fracking, das mit Hilfe von Chemikalien Risse in unterirdischen Gesteinsschichten erzeugt, um so Vorkommen zu erschließen, hat für einen Boom gesorgt und den Konzernen so zu billiger Energie verholfen. „Die damit günstigeren Produktionskosten in den USA verschärfen natürlich in einigen Bereichen den Konkurrenzdruck“, konstatierte etwa der ehemalige BAYER-Chef Marijn Dekkers. Darum setzte er sich vehement dafür ein, diese Methode auch in der Bundesrepublik zuzulassen: „Fracking wäre für Deutschland eine Alternative.“ Manchmal müsste man auch etwas wagen, um zu gewinnen, so der Niederländer. Darauf wollte sich die Bundesregierung so aber nicht einlassen. Sie verhängte zwar kein generelles Verbot des Frackings, schränkte dieses aber weitgehend ein. Bohrungen in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflöz-Gestein verbietet das neue Fracking-Gesetz. Lediglich Probe-Bohrungen zur wissenschaftlichen Auswertung erlaubte die Große Koalition und erfüllte damit die Mindestanforderung Dekkers’. Mit Hilfe der auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse soll der Bundestag die Regelungen im Jahr 2021 dann noch einmal überprüfen. Sogenanntes konventionelles Fracking im poröseren und deshalb leichter aufzuspaltenden Sandstein können die Energie-Multis jedoch nach wie vor betreiben. Nur müssen nun Umweltverträglichkeitsprüfungen die Unbedenklichkeit erweisen.

Ausgelaugte Böden
Die industrielle Landwirtschaft setzt den Ackerflächen enorm zu. So sorgen schwere Landmaschinen für eine Verdichtung des Grundes, die dessen Fruchtbarkeit mindert. Nach Angaben der Bundesregierung beobachten WissenschaftlerInnen dieses Phänomen bereits auf 10 bis 20 Prozent der deutschen Äcker. Die inzwischen schon 1,4 Millionen Hektar in Anspruch nehmende Kultivierung von Mais als Energiepflanze fördert zudem die Bodenerosion, weil dieses Süßgras sehr langsam wächst und die Erde somit länger Wind und Wetter preisgibt. Die schwache Rückhalte-Wirkung der Feldfrucht sorgte im Frühjahr 2016 auch mit für die immensen Überschwemmungsschäden vor allem in Bayern. Rückstände der Pillen von BAYER und anderen Herstellern im Dünger oder die Düngemittel selber tragen ein Übriges zur Schadensbilanz bei. Wegen dieser beunruhigenden Entwicklung wollte die Europäische Union schon 2010 eine Bodenschutz-Richtlinie auf den Weg bringen. Aber die Landwirtschaftsverbände und BAYER & Co. wehrten sich vehement gegen eine solche Regelung, weil sie strengere Auflagen befürchteten. Sie hatten damit Erfolg: Die Bundesrepublik legte zusammen mit vier anderen Ländern ein Veto ein und blockierte damit das Paragrafen-Werk; 2014 legte es Brüssel endgültig zu den Akten.

Proteste gegen Pipeline-Ausbesserung
Die Gas-Fernleitung zwischen Duisburg und Köln, die unter anderem BAYER, HENKEL und diverse Stadtwerke mit Gas versorgt, stammt aus dem Jahr 1930. Darum ersetzen die Betreiber THYSSENGAS und OPEN GRID EUROPE derzeit die Rohre und führen Ausbesserungsmaßnahmen durch. Unter anderem verbreitern sie den Schutzstreifen auf das seit einiger Zeit gesetzlich vorgeschriebene Maß von 5,70 m. Da die beiden Unternehmen dafür rund 500 Bäume fällen müssen, kam es zu Protesten von NaturschützerInnen und LokalpolitikerInnen. Diese forderten einen anderen Trassen-Verlauf und kritisierten, dass es vor Beginn der Arbeiten kein Planfeststellungsverfahren gab, bei dem Alternativen hätten geprüft werden können.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Merkel & Co. gegen Bisphenol-Verbot
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A (BPA). Drei Prozent davon kommen in Verpackungen von Nahrungsmitteln wie etwa Konservendosen zum Einsatz. Die Substanz ähnelt in ihrem chemischen Aufbau Hormonen, was zu Stoffwechsel-Irritationen und so zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe auch SWB 4/16). Die EU hat deshalb bereits deren Verwendung in Babyflaschen untersagt und für 2019 das BPA-Aus in Thermopapieren wie etwa Kassenzetteln verkündet. Auch hat sie schärfere Grenzwerte erlassen. Frankreich verbot den Stoff in Lebensmittel-Verpackungen sogar grundsätzlich. Die Bundesregierung will diesem Beispiel jedoch nicht folgen. Es gäbe wegen EU-Initiativen zu Bisphenol A „derzeit keinen Spielraum für nationale Regelungen“, erklärte sie in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“. Aber selbst wenn die Große Koalition könnte, würde sie nichts machen: „Für ein generelles Verbot von Bisphenol A in Lebensmittel-Kontaktmaterialien liegt nach Einschätzung der Bundesregierung zudem keine wissenschaftliche Grundlage vor.“

STANDORTE & PRODUKTION

Erste CRISPR-Standorte
Ende 2015 ist der BAYER-Konzern mit dem US-Unternehmen CRISPR THERAPEUTICS ein Joint Venture eingegangen und hat sich damit den verstärkten Zugriff auf eine neue Gentechnologie gesichert. CRISPR arbeitet auf dem Gebiet der „Synthetischen Biologie“ und hat so genannte Gen-Scheren entwickelt, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können. Der Leverkusener Multi beabsichtigt, mit Hilfe dieses „gene editings“ Therapien für Blut-, Herz- und Augenkrankheiten zu entwickeln. Auch im Genpflanzen-Bereich beabsichtigt der Agro-Riese, Gen-Scherereien zu machen. Ende August 2016 konkretisierte er diese Pläne. Der Global Player gab mit CASEBIA den Namen der neuen Gesellschaft bekannt und kündigte für das Jahr 2017 die Aufnahme von Forschungstätigkeiten an drei Standorten an. Den größten Betrieb errichtet BAYER im US-amerikanischen Cambridge, kleinere Niederlassungen in San Francisco und in Köln. KritikerInnen trauen den Versprechungen der Gentechnik 2.0 indes nicht, denn so geschliffen wie prophezeit schnippeln die Gen-Scheren dann doch nicht am Erbgut herum. So kam es etwa bei einem Experiment chinesischer ForscherInnen mit Embryonen einerseits an unbeabsichtigten Orten zu den beabsichtigten Mutationen und andererseits an den beabsichtigten Orten zu unbeabsichtigten Mutationen. Sogar Gentech-Befürworter wie Christof von Kalle, der Präsident der „Deutschen Gesellschaft für Gentherapie“, warnen vor übertriebenen Erwartungen. „Für die Anwendung in der Gentherapie bei Menschen wäre es jedoch Voraussetzung, die Effizienz und Verlässlichkeit des Systems noch einmal deutlich nach oben zu treiben. Nur wenn reproduzierbar gezielt Reparatur-Sequenzen von außen an die entsprechende Stelle geschrieben werden können, kann von einem echten Editieren die Rede sein, und dies ist nach heutigem Stand eben noch nicht effizient erreicht“, schreibt der Mediziner in der Faz.

Fabrik-Eröffnung in China
Im Jahr 2014 hatte BAYER das chinesische Unternehmen DIHON erworben. Kurz darauf gab der Konzern den Bau einer neuen Anlage in Majinpu bekannt, um die Produktion der freiverkäuflichen DIHON-Pharmazeutika, wozu sowohl Mittel auf chemischer als auch solche auf Basis der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) gehören, zu steigern. Mit der Fertigungsstätte will der Konzern die Herstellung von TCM-Produkten verdreifachen. Auch freiverkäufliche BAYER-Arzneien beabsichtigt der Pillen-Riese an diesem Standort zu fabrizieren. Anfang 2016 nahm er einen ersten Teilabschnitt in Betrieb; der Abschluss der gesamten Arbeiten ist für 2020 vorgesehen.

RECHT & UNBILLIG

DUOGYNON: Anklage „Mord“
Der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Bisherige Gerichtsverfahren um Entschädigung oder die Herausgabe von Firmen-Unterlagen zu diesem Medikament scheiterten. Die Ansprüche seien verjährt, entschieden die RichterInnen. Das können die JuristInnen im Prozess, den Gisela Clerc jetzt in Berlin angestrengen will, jedoch nicht zur Entlastung der Beschuldigten anführen. Die Rentnerin hat nämlich eine Klage gegen Unbekannt wegen Mordes eingereicht. Und für diese Straftat gibt es keine Verjährungsfrist. Clerc bezichtigt die damaligen Beschäftigten von SCHERING, für den Tod ihrer Tochter verantwortlich zu sein, die im Januar 2016 mit nur 47 Jahren an den DUOGYNON-Spätfolgen verstarb. Bei der juristischen Auseinandersetzung stützt sich die 74-Jährige auf neue Dokumente aus dem Berliner Landesarchiv, die belegen, dass die ManagerInnen schon sehr früh Informationen über die fatalen Risiken und Nebenwirkungen des Präparates hatten (Ticker 2/16). Der Leverkusener Multi streitet „einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Einnahme von DUOGYNON und den seinerzeit gemeldeten Fällen“ trotzdem immer noch ab.

ESSURE-Sammelklage in Kanada
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Medizin-Produkt für eine dauerhafte Empfängnis-Verhütung, hat zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch DRUGS & PILLS). „Starke, stechende Becken-Schmerzen, Unterleibsschmerzen“, nennt etwa Susan Hill. Zudem litt die 38-jährige Kanadierin an blutenden Ausschlägen, bis sie sich dazu entschloss, die Spirale entfernen zu lassen. Dafür beansprucht Hill jetzt Schmerzensgeld: Sie zählt zu den 184 Frauen in ihrem Heimatland, die eine Sammelklage gegen BAYER eingereicht haben. Auch in den USA zogen bereits dutzende ESSURE-Geschädigte vor Gericht.

Neue YASMIN-Klage
In den USA sieht sich der Leverkusener Multi wegen der Nebenwirkungen seiner Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie Tausenden von Prozessen gegenüber, was ihn bereits 1,9 Milliarden Dollar Schadensersatz kostete. In Europa hat BAYER von den Gerichten in Sachen „VerbraucherInnenschutz“ weniger zu befürchten. Aber auch hier häufen sich die juristischen Auseinandersetzungen. Allein 80 Klagen gibt es in Frankreich. In der Bundesrepublik tut sich ebenfalls etwas. Neben Felicitas Rohrer hat nun auch Christian Schock, der seine Frau durch YASMIN verlor, rechtliche Schritte gegen den Pharma-Riesen eingeleitet.

BELT bleibt verboten
Im Jahr 2009 hatte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA BAYERs Pestizid-Wirkstoff Flubendiamid eine vorläufige Genehmigung erteilt. Sie machte es dem Leverkusener Multi dabei zur Auflage, noch Studien zu den Effekten der Substanz auf Wasser-Organismen nachzureichen. Das tat der Konzern jedoch bis heute nicht, während die EPA Belege für die Gefährdung aquatischen Lebens durch Flubendiamid fand. Deshalb entzog die Behörde dem Agro-Riesen die Zulassung für den Stoff, den er z. B. unter den Produktnamen BELT und FAME vertreibt. BAYER legte umgehend Widerspruch gegen die Entscheidung ein. Die Beschwerdekammer der EPA erkannte diesen allerdings nicht an, was für BELT & Co. das Aus auf dem US-Markt bedeutet.

FORSCHUNG & LEHRE

Subventionen für Pflanzen-Forschung
„Gemeinsam zu den Pflanzen der Zukunft“ lautet die Losung von Plant 2030. Das vom Bund großzügig geförderte Projekt setzt auf eine „enge Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft“ und verkündet: „Neue Forschungsergebnisse fließen auf kürzestem Weg in die Entwicklung neuer Sorten ein“. Bei einer solchen konzertierten Aktion macht BAYER natürlich gerne mit. Für ein Vorhaben zur „Verbesserung der Stress-Resistenz, Ressourcen-Nutzung und Produktivität von Nutzpflanzen“ holte sich der Agro-Riese einen Zuschuss von 1,34 Millionen Euro ab. Und für Forschungen zu Pflanzen-Hormonen, die Einfluss auf das Wachstum haben („Bioregulatoren“), strich er sogar knapp 1,9 Millionen Euro ein.

Neue Pflanzenforschungskooperation
BAYER hat mit dem Forschungszentrum Jülich eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pflanzenforschung vereinbart. Nach Angaben des Leverkusener Multis wollen sich die Kooperationspartner dabei auf die Wurzeln von Ackerfrüchten konzentrieren. „Die Kultur-Pflanzen der Zukunft müssen Höchstleistungen erbringen. Und die Ertragsleistung hängt mit der Funktionsweise der Wurzeln zusammen. Wir können stärkere Wurzel-Systeme züchten, wenn wir die Wurzel-Phänotypen und die sie steuernden Gene verstehen“, so der BAYER-Manager Raphael Dumain.

[PM Übernahme] BAYERs MONSANTO-Übernahme

CBG Redaktion

Presse Information vom 14.09.2016

Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

BAYERs MONSANTO-Übernahme

Ein schwarzer Tag für die Welternährung

Der Worst Case ist eingetreten: BAYER übernimmt für 66 Milliarden Dollar MONSANTO. Damit entsteht der mit Abstand größte Agro-Konzern der Welt. Die Geschäftszahlen von 2015 zugrunde gelegt, kommen beide Unternehmen zusammen auf einen Umsatz von 23,1 Milliarden Dollar. Damit kann niemand aus der Branche mithalten. Die frisch vermählten Paare SYNGENTA/ChemChina und DUPONT/DOW folgen mit weitem Abstand (14,8 bzw. 14,6 Milliarden), und auf Rang vier landet abgeschlagen BASF mit 5,8 Milliarden.

Bei den Pestiziden erreichen BAYER und MONSANTO zusammen einen Marktanteil von rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte und konventionelle Ackerfrüchte einen von rund 30 Prozent. Allein die Gen-Pflanzen betrachtet, erreichen die beiden Gesellschaften vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine klare Monopol-Stellung.

„Mit der Übernahme von MONSANTO durch BAYER erreicht die Konzentration auf dem Agro-Markt einen neuen Höhepunkt. Schlüsselelemente der Nahrungsmittelkette liegen nun in der Hand eines einzigen Konzerns. Die LandwirtInnen müssen sich nun auf höhere Preise einstellen und haben überdies weniger Auswahl. Zudem dürfte sich der Innovationsstau der Branche, vor allem bei den Herbiziden, noch einmal zuspitzen“, kritisiert Toni Michelmann von der Geschäftsstelle der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Auch die Verbraucherschutzorganisation SumOfUs spricht sich gegen den MONSANTO-Kauf aus. „Die Übernahme ist eine Bedrohung für unsere Lebensmittelversorgung und für alle Bauern und Bäuerinnen auf der Welt“, so Anne Isakowitsch. „Es sei daher kein Wunder, dass über 500.000 unserer Mitglieder eine Petition gegen die Übernahme unterzeichneten. Umso empörender, dass die Übernahme entgegen aller Verbraucherinteressen nun in trockenen Tüchern scheint.“

Michelmann kündigte an, die CBG würde das im Oktober in Den Haag stattfindende MONSANTO-Tribunal nutzen, um sich mit den verschiedenen MONSANTO-Initiativen kurzzuschließen und den konzern-kritischen Widerstand nun mit dem Fokus auf BAYER neu auszurichten. Erste gemeinsame Aktionen plant die Coordination bei der nächsten Hauptversammlung des Leverkusener Multis am 28. April 2017 in den Kölner Messehallen. „Die Rednerliste dürfte kaum an einem Tag abzuarbeiten zu sein. BAYER kann vorsichtshalber schon mal den 29. April mitreservieren“, rät Michelmann dem Global Player. Auch einen „March against BAYER“ mit dem Zielpunkt Leverkusen stellte er in Aussicht.

„Der Konzern kann sich auf einiges gefasst machen. Der Druck auf eine Geschäftspolitik, die vorgibt, den Hunger zu bekämpfen, aber vornehmlich auf Soja- und Mais-Monokulturen für die Futtertröge der Massentierhaltung setzt und mit seinen Pestiziden zudem wichtige Bestäuber für Acker-Pflanzen wie Bienen gefährdet, auf eine Geschäftspolitik, die auf Risikotechnologien wie Gen-Manipulationen setzt, und auf eine Geschäftspolitik, die immer mehr Gifte auf die Felder bringt, statt nach Alternativen Ausschau zu halten, wird größer werden“, hält der Chemiker fest.

Nach Ansicht der Coordination muss auch die Politik handeln. Und dabei darf es keinesfalls bei einigen kosmetischen Eingriffen von Seiten der EU-Wettbewerbskommission bleiben. Mit ein paar kleinen Auflagen wie etwas solchen, sich vom Baumwoll-Geschäft zu trennen oder einige Pestizide abzustoßen, ist es nicht getan, zumal BASF schon nach solchen Zukäufen lechzst. Auch die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und die Steuerzahlungen hat die Politik zu berücksichtigen. Es darf keinesfalls dazu kommen, dass BAYER die Akquisition von der Steuer absetzt und Standort-Städte wie Leverkusen so noch stärker in die Miesen geraten. Etwaige Versuche des Unternehmens, die mit dem Deal verbundenen Schulden durch Arbeitsplatzvernichtungen oder Rationalisierungsmaßnahmen abzubauen, gilt es ebenfalls von vornherein auszuschließen.

Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG abschließend: „Das aus reiner Profit-Gier betriebene zynische Poker-Spiel um MONSANTO zeigt einmal mehr, dass die Welternährung eine zu ernste Sache ist, um sie den Agro-Riesen zu überlassen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN tritt deshalb dafür ein, die Konzerne unter gesellschaftliche Kontrolle zu stellen.“

[BAYTRIL] Besorgniserregende Zahlen

CBG Redaktion

Presse Information vom 08.08.2016

Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

Mehr BAYER-Antibiotika in den Tierställen

Besorgniserregende Zahlen

Die Gabe von Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone in der Tiermast erhöhte sich im Jahr 2015 drastisch. Von 12,3 auf 14,9 Tonnen stiegen die Zahlen für BAYERs BAYTRIL und andere Produkte aus dieser Substanz-Klasse im Vergleich zum Vorjahr, während die Gesamtmenge der verordneten Mittel in dem Zeitraum von 1238 auf 837 Tonnen sank. Das gab das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) Ende vergangener Woche bekannt.

Fluorchinolone sind laut BVL „für die Therapie beim Menschen von besonderer Bedeutung“, denn sie zählen zu den Reserve-Antibiotika, die nur zum Einsatz kommen, wenn andere Mittel bereits versagt haben. Darum gibt die neue Erhebung Anlass zu große Sorge. Die massenhafte Verwendung der Fluorchinolone in der Veterinärmedizin führt nämlich dazu, dass diese Präparate in der Humanmedizin ihre Wirkkraft mehr und mehr verlieren, weil sich die Bakterien zunehmend an die Substanzen gewöhnen. Gelangen die Krankheitserreger dann über den Nahrungskreislauf oder andere Wege von den Ställen in den menschlichen Organismus, können sie Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist.

„Der BAYER-Konzern hat einen großen Anteil an dieser bedrohlichen Lage, weil er auf beiden Märkten aktiv ist. Er verdient mit seinem Antibiotikum BAYTRIL nicht nur Unsummen an der Massentierhaltung, er bietet mit CIPROBAY, AVELOX & Co. zudem auch noch selber Fluorchinolone für den humanmedizinischen Bereich an“, kritisiert Toni Michelmann von der Geschäftsstelle der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG).

Der Pharma-Riese versucht dabei gar nicht erst, den Zusammenhang zwischen industrieller Fleisch-Produktion und flächendeckender Verabreichung von Tier-Arzneien zu verschleiern. „Unter den gegenwärtigen landwirtschaftlichen Bedingungen ist die Anzahl der Tiere pro Stall sehr hoch. Deshalb ist die Behandlung der gesamten Herde und nicht die individuelle Medikation das Mittel der Wahl, um den Infektionsdruck zu mildern und die Ansteckungsgefahr zu senken“, lautet die Behandlungsanweisung seiner veterinärmedizinischen Abteilung.

Nur folgerichtig, dass da CIPROBAY die PatientInnen immer weniger schützen kann. Die Zahl der gegen dieses Medikament und andere Fluorchinolone resistenten „Staphylococcus aureus“-Erreger wuchs nach Angaben des „German Network for Antimicrobial Resistance Surveillance“ von 1990 sechs Prozent auf über 26 Prozent im Jahr 2006. Anderen Studien zufolgen trotzen mittlerweile bis zu 70 Prozent der „Staphylococcus epidermides“-Keime, bis zu 90 Prozent der „Enterococcus faecium“-Erreger, 76,3 Prozent der „Staphylococcus haemolyticus“-Erreger und knapp 40 Prozent der „Enterococcus faecalis“-Erreger den Mitteln. Nach Angaben des Max-Planck-Institutes erliegen in der Bundesrepublik alljährlich ca. 15.000 Menschen Infektionen, da alle Arzneien versagen.

Für Michelmann lässt dieser Befund nur eine Schlussfolgerung zu: „Wir brauchen eine Tierzucht ohne Antibiotika. Letztlich ist dies nur möglich, wenn der auf Maximal-Profite ausgerichtete agrar-industrielle Komplex, der den exzessiven Einsatz von Bakteriziden erst notwendig macht, durch eine bäuerliche und ökologisch nachhaltige Landwirtschaft ersetzt wird, die Mensch und Natur wieder in Einklang bringt“.

Im Gegensatz zum Bundesamt für Verbraucherschutz sieht die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Landwirtschaft keineswegs auf dem Weg der Besserung. Das BVL betont zwar die Gefahren durch die Zunahme der Fluorchinolone-Gaben, hebt aber ansonsten mit Verweis auf die insgesamt zurückgehenden Antibiotika-Mengen in den Zucht-Betrieben die positive Entwicklung hervor. Die CBG bemisst den reinen Zahlen jedoch keine große Aussagekraft zu, weil die Wirkstärke der Pharmazeutika zugenommen hat: Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, vermögen die LandwirtInnen mit einer Tonne von BAYERs BAYTRIL 2,2 Millionen Tiere zu versorgen. Die Coordination fordert das BVL daher auf, realistischere Kriterien zur Beurteilung der Antibiotika-Verwendung in der Massentierhaltung zu entwickeln.

weitere Informationen: Für eine antibiotikafreie Tierzucht

[BayerTor1] Protest vor BAYER-Werk in Leverkusen

CBG Redaktion

Presse Information vom 08.08.2016
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

Protest vor BAYER-Werk in Leverkusen

BAYERs MONSANTO Übernahme stoppen!

Erstmals seit vielen Jahren gab es direkt vor dem zentralen BAYER-Werk am Tor 1 in Leverkusen Proteste. GegnerInnen der geplanten BAYER-MONSANTO-Fusion hatten sich vergangenen Donnerstag versammelt. Mit einer Kundgebung wandten sie sich an die Arbeiter des Werks, Passanten und an die anwesende Presse.

Das Bündnis aus Umweltgewerkschaft, Coordination gegen BAYER-Gefahren sowie weiteren Organisationen und Einzelpersonen warnte Entlassungen und einer Steigerung des Arbeitsdrucks durch die drohende Übernahme. „Allein im Pharmabereich haben die 15 größten Fusionen der vergangenen 15 Jahre 500.000 Menschen auf die Straßen gesetzt.“ so die Coordination gegen BAYER-Gefahren. Angesichts solcher Zahlen scheinen die Arbeitsplatzgarantien, die von Betriebsrat und Management in Aussicht gestellt werden, äußerst unglaubwürdig. Michelmann erläuterte weiter, dass ein Großteil der viel beschworenen profitablen „Synergieeffekte“ auf diese Weise zustande kommen.

Zentrales Anliegen der Kundgebung war es auch, auf die gemeinsamen Anliegen der Menschen in und außerhalb des Werkes aufmerksam zu machen. Das Verschwinden der Artenvielfalt, das Bienensterben und eine mit Glyphosat kontaminierte Bevölkerung in Deutschland wären längst deutliche Warn-Signale, die ein „weiter wie bisher“ im Agro-Business zu einer gefährlichen Option machten, mahnte eine Teilnehmerin. Die Ernährung der Menschheit könne auf diese Weise nicht sichergestellt werden, sondern würde im Gegenteil gefährdet.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren vertritt deshalb die Position, dass dauerhafter Umweltschutz, eine sichere Ernährung und sichere Arbeitsplätze für jeden nur in einer Gesellschaft realisiert werden können, die nicht auf Profite ausgerichtet ist.

Weitere Informationen zum MONSANTO-Deal.

Artikel im Kölner Stadtanzeiger:Protest vor den Toren des Bayer-Konzerns.

Artikel in RP-online: Magerer Protest.

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[EU GenSoja] Fatale Entscheidung

CBG Redaktion

Presse Information vom 26.07.2016

Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

CBG kritisiert Import-Genehmigung für BAYER-Gensoja

Fatale Entscheidung

Am vergangenen Freitag hat die EU neben Gen-Soja von MONSANTO auch der BAYER-Sorte FG 72 eine Import-Genehmigung erteilt. Die Zulassung der gegen die Herbizide Glyphosat und Isoxaflutol resistenten Sorte, gilt für vorerst zehn Jahre. Die EU-Kommission erteilte einen positiven Bescheid für die Verwendung als Futtermittel oder Lebensmittel-Rohstoff, obwohl die Mitgliedsländer diese bisher nicht befürworten und sowohl der Umweltausschuss als auch das EU-Parlament sich gegen eine Einfuhr-Erlaubnis ausgesprochen hatten.

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisiert die Entscheidung. „Die EU kann offenbar gar nicht genug von Glyphosat bekommen. Wenige Wochen nach der Zulassungsverlängerung für das Mittel gibt sie nun auch noch grünes Licht für die Einfuhr von Gen-Pflanzen, die mit diesem gesundheitsgefährdenden Herbizid behandelt wurden“, moniert Toni Michelmann von der Geschäftsstelle der CBG.

Michelmann verweist in diesem Zusammenhang auf eine Studie von Testbiotest, die in argentinischem Soja hohe Glyphosat-Rückstände festgestellt hatte. Bei sieben der elf Proben lagen diese über dem Grenzwert von 20 mg/kg; auf bis zu 100 mg/kg schraubten sich die Zahlen. Grund für die starke Belastung: Immer mehr Wildpflanzen bilden Resistenzen gegen das Herbizid aus, weshalb die LandwirtInnen mehr spritzen müssen.

Zudem erinnert Michelmann an die Anfang 2016 veröffentlichten Ergebnisse einer Feldstudie zur Glyphosat-Belastung der bundesdeutschen Bevölkerung: „Im Urin von 99.6 % aller Testpersonen ließ sich Glyphosat nachweisen. Bei 79 % der Probanden lag die Belastung um das Fünf- bis Zweiundvierzigfache über dem Rückstandshöchstwert für Pestizide im Trinkwasser. Das ist ein äußerst alarmierendes Ergebnis, gerade weil zahlreiche Studien die krebserzeugende Wirkung von Glyphosat belegen!“

Und bei dem BAYER-Soja mit dem Produktnamen „Balance“ gehen nicht nur von Glyphosat, sondern auch von dem zweiten Inhaltsstoff Isoxaflutol Gefahren aus. Als „wahrscheinlich krebserregend“ bezeichnet die US-amerikanische Umweltbehörde EPA die Substanz. Überdies ist das Gift-Ganze mehr als die Summe seiner Teile: Die Effekte potenzieren sich. Diese Kombinationswirkung von Glyphosat und Isoxaflutol aber hat die Europäische Union bei der Prüfung von FG 72 unberücksichtigt gelassen. Michelmann resümiert: „Wieder einmal hat Brüssel nicht im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes gehandelt, sondern im Sinne der großen Konzerne und ihrer Profit-Interessen.“

Weitere Informationen:
=> Gen-Soja: www.cbgnetwork.org/6218.html
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[BayerArgum] Monsanto Übernahme

CBG Redaktion

Presseinformation vom 14.07.2016

Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. (CBG)

MONSANTO-Übernahme

BAYERs Argumente überzeugen nicht

Anfang Juni hatten die OrganisatorInnen des MONSANTO-Tribunals einen Offenen Brief an den BAYER-Konzern verfasst. Darin stellten unter anderem die indische Aktivistin Dr. Vandana Shiva und die Grünen-Politikerin Renate Künast Fragen zum Kauf des US-amerikanischen Agro-Multis MONSANTO, den das Unternehmen plant. Die Antworten des Global Players darauf fallen jedoch äußerst dürftig aus. So schweigt die Aktien-Gesellschaft sich dazu aus, ob sie für alle von MONSANTO angerichteten Schäden und Altlasten aufkommen will. Auch über mögliche Sondervergütungen für die ManagerInnen-Riege im Falle einer gelungenen Übernahme will die Firma lieber nicht reden. Stattdessen wiederholt sie die zuvor schon in der Öffentlichkeit immer wieder gebetsmühlenartig präsentierte Formel, der Deal habe vorrangig das Ziel, bessere Antworten auf das Problem der Welternährung zu finden. „Gemeinsam könnten wir in Zukunft noch schneller neue Lösungen für die Landwirtschaft entwickeln“, stellt BAYER in Aussicht. Toni Michelmann von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) weist das als pure Rhetorik zurück: „Es gibt einen riesigen Innovationsstau in der Landwirtschaftsbranche. Und der Erwerb von MONSANTO erlaubt es BAYER, trotz fehlender Neuentwicklungen weiter Milliarden einzufahren, weil die Monopol-Stellung sichere Gewinne garantiert.“

Michelmann verweist in diesem Zusammenhang auf eine jüngst erschienene Studie des Düsseldorfer Institutes für Wettbewerbsökonomik, wonach Fusion und Übernahmen die Forschung lähmen. Die Untersuchung, die sich Transaktionen im Pharma-Sektor widmete, stellte ein Schrumpfen der entsprechenden Etats um ca. 20 Prozent fest. Zudem registrierten die WirtschaftswissenschaftlerInnen auch Auswirkungen auf die Mitbewerber. Diese steckten den ForscherInnen zufolge wegen des nachlassenden Innovationsdrucks ebenfalls weniger Geld in ihre Labore, so dass die gesamte Branche an Dynamik verlor.

Noch nicht einmal an den guten Willen des Konzerns mag der CBGler glauben. „Schon ein Blick auf die Produkt-Palette von BAYER und MONSANTO zeigt, dass die Agro-Riesen sich herzlich wenig für die Versorgung der Menschen mit Grundnahrungsmitteln interessieren. Sie haben mit Soja und Mais nämlich vorzugsweise Futtermittel für die globale Fleisch-Industrie im Angebot.“

Überdies verdrängten die riesigen Anbau-Flächen für diese Pflanzen immer mehr solche für wirklich wichtige Güter des täglichen Bedarfs, so Michelmann mit Blick auf die aktuelle Lage in Brasilien. Dort erhöhte sich der Preis für Bohnen, mit denen sich gerade die Ärmsten der Armen ernähren, drastisch, hauptsächlich, weil es kaum noch Felder gibt, auf denen sie wachsen. Die für den Weltmarkt produzierten „Cash fruits“ haben die Hülsenfrüchte nämlich von den Äckern vertrieben. Um die „Bohnen-Krise“ zu lösen, erwägt die brasilianische Regierung deshalb jetzt, die Gemüse-Sorte aus China zu importieren.

Die Agro-Riesen sind also viel eher Teil des Problems als Teil der Lösung. Vandana Shiva drückte es jüngst in Berlin am Rande einer von der CBG mitveranstalteten Pressekonferenz folgendermaßen aus: „Unternehmen wie BAYER und MONSANTO stellen eine wachsende Bedrohung für die Artenvielfalt und die Fruchtbarkeit der Böden dar, was die Menschheit und den ganzen Planeten gefährdet.“

Und Im Doppelpack potenziert sich diese Gefahr noch einmal. Die EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager kündigte zwar an, BAYERs MONSANTO-Übernahme genau zu prüfen und ihre Auswirkungen auf die Preise, die Artenvielfalt und die Innovationstätigkeit in den Blick zu nehmen, aber die Coordination erwartet sich kaum etwas davon. „Außer vielleicht ein paar Auflagen hat BAYER von der EU nicht viel zu befürchten“, konstatiert CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura. Der Diplom-Kaufmann plädiert daher für einschneidendere Maßnahmen: „BAYER, MONSANTO, Dow & Co. spielen nun bereits seit Jahren ein zynisches Monopol-Spiel mit den Ernährungsgrundlagen der Menschheit als Einsatz und dem einzigen Ziel, die Renditen für ihre AnteilseignerInnen zu steigern. Das zeigt, dass die Konzerne ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. Darum fordern wir, sie unter gesellschaftliche Kontrolle zu stellen.“

[BadUgly] STICHWORT BAYER 3/2016

CBG Redaktion

Imperium & Weltmacht

BAYER will MONSANTO schlucken

The Bad & the Ugly

BAYER setzt dazu an, ein Monopol über die globalen Agro-Märkte zu errichten und damit die Kontrolle über wichtige Glieder der Nahrungsmittel-Kette zu erlangen. Auf entsprechend großen Widerstand stößt das Vorhaben.

Von Jan Pehrke

„Wir sind seit Langem von MONSANTO beeindruckt und teilen die Überzeugung, dass durch ein integriertes Geschäft erheblicher Wert für die Aktionäre beider Unternehmen entstehen würde“, mit diesen Worten begründete BAYER-Chef Werner Baumann die Übernahme-Pläne. 62 Milliarden Dollar bietet der Leverkusener Multi aktuell für die US-Gesellschaft.

Eine Akquisition dieser Dimension hat ein bundesdeutsches Unternehmen bisher noch nie bewerkstelligt – und in diesem Jahr weltweit noch keine andere Firma. Gelänge der Coup, würde der mit Abstand größte Agro-Konzern der Erde entstehen. Einen „bedeutend größeren Fußabdruck auf dem Globus“ würden die zusammengelegten Geschäfte der beiden Firmen hinterlassen, frohlockt der Leverkusener Multi. In seinen Werbe-Broschüren zum Übernahme-Plan errechnet er auf Basis der 2015er Zahlen stolz einen gemeinsamen Umsatz von 23,1 Milliarden Dollar. Damit kann niemand aus der Branche mithalten. Die frisch vermählten Paare SYNGENTA/ChemChina und DUPONT/DOW folgen mit weitem Abstand (14,8 bzw. 14,6 Milliarden), und auf Rang vier landet abgeschlagen BASF mit 5,8 Milliarden.

Bei den Pestiziden kommen BAYER und MONSANTO zusammen auf einen Marktanteil von rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte und konventionelle Ackerfrüchte auf einen von rund 30 Prozent. Allein die Gen-Pflanzen betrachtet, erreichen die beiden Konzerne vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine klar dominierende Position. Entsprechend besorgt reagierte die Coordination gegen BAYER-Gefahren. „Wir schlagen Alarm: ‚Wer das Saatgut kontrolliert, beherrscht die Welt’, hat Henry Kissinger einmal gesagt. Durch die Übernahme droht ein weltweites Lebensmittel-Monopol. Die Welternährung gerät in ernste Gefahr“, so Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG.

Und das umso mehr, als sich da wirklich The Bad & the Ugly vermählen würden. Was dem US-Unternehmen sein Glyphosat, das ist dem Leverkusener Multi sein Glufosinat, was dem US-amerikanischen Agro-Riesen seine Gen-Pflanzen der Produktreihe „ROUND UP“, das sind seinem deutschen Pendant die LIBERTY-LINK-Ackerfrüchte. Gesundheitsschädliche Chemikalien wie Polychlorierte Biphenyle (PCB) und vietnamkriegstaugliche Agrochemikalien produzierten beide. Und BAYER war im Gegensatz zu MONSANTO sogar schon 1914-1918 und 1939-1945 Kriegsteilnehmer. Trotzdem tischen viele Zeitungen bei ihrer Berichterstattung über den geplanten Deal die Mär vom Umweltengel aus Leverkusen auf, der sich auf einen Pakt mit dem Teufel einlassen will.

Das aktuell auf 55 Milliarden Euro bezifferte Gebot des deutschen Global Players, „der sich in den vergangenen Jahren viel Mühe gegeben hat, als sauberes Unternehmen dazustehen“ (Rheinische Post), markiert den vorerst letzten Zug in einem makabren Monopoly-Spiel um eines der wichtigsten Güter der Menschheit: der Nahrung. Eröffnet hatte es MONSANTO selber, mit dem Begehr, SYNGENTA zu übernehmen. Die Schweizer aber bevorzugten ChemChina als neuen Partner, und plötzlich mochten auch Dupont und Dow nicht mehr auf eigenen Füßen stehen – sie fusionierten. Mit dieser Entwicklung beschleunigte sich der Konzentrationsprozess im Agro-Business noch einmal, der vor rund 20 Jahren begann. Im Saatgut-Bereich etwa hatten sich 1985 noch keine oligopolartigen Strukturen herausgebildet. Die zehn größten Anbieter kamen bloß auf einen Marktanteil von ca. 12,5 Prozent. 2011 sah das jedoch schon ganz anders aus, da teilte die damalige Top 10 bereits 75,3 Prozent des Geschäfts unter sich auf. Einen wesentlichen Antrieb für die neue Übersichtlichkeit stellte dabei die Gentechnik dar. Sie verlangte nämlich nach einer vertikalen Integration. „Ein neues Gen ist nutzlos ohne einen hochwertigen Grundstock von Saatgut, in das es eingebaut werden kann, und eine Infrastruktur, die solches bereitstellt“, wie es ein Finanz-Analyst einmal formulierte.

Käme BAYER bei MONSANTO zum Zuge, so erlangte der Leverkusener Multi aber nicht nur die Hoheit über die Esstische. Der Deal hätte noch weitere negative Folgen. Die LandwirtInnen etwa müssten sich auf höhere Betriebskosten einstellen, denn diese steigen verlässlich in Korrelation zum Monopolisierungsgrad der Branche. Allein die Preise für Mais- und Baumwoll-Saatgut haben sich in den vergangenen 20 Jahren nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums vervierfacht.

Überdies hätten die LandwirtInnen noch weniger Auswahl. Die oligopol-artigen Strukturen haben jetzt schon einen riesigen Innovationsstau mit sich gebracht. An eine Landwirtschaft ohne Gifte verschwenden die Konzerne keinen Gedanken, sie schaffen es noch nicht einmal, Ersatz für ihre Uralt-Mittel zu finden. BAYERs Glufosinat oder MONSANTOs Glyphosat haben schon über 40 Jahre auf dem Buckel. Deshalb trotzen immer mehr Unkräuter diesen Substanzen. Den FarmerInnen bleibt nichts anderes übrig, als die Gift-Dosis zu erhöhen. Und der Leverkusener Multi leugnet diesen Tatbestand keineswegs. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächenkulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, so der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler.

Die bei Transaktionen dieser Art immer gerne beschworenen „Synergie-Effekte“ schließlich lassen ebenfalls Böses ahnen. Der bundesdeutsche Agro-Riese konnte diese sogar schon genau beziffern: mit 1,5 Milliarden Dollar zusätzlicher Einnahmen nach drei Jahren Baysanto rechnet er. Dazu dürfte die Arbeitsplatz-Vernichtung durch Beseitigung von Doppel-Strukturen einiges beitragen. Einen Job-Abbau – sei es zur Reduzierung der durch den Deal anfallenden Schulden oder im Zuge der Zusammenführung der Unternehmen – hat der Global Player ausdrücklich nur hierzulande ausgeschlossen. „Rationalisierungsmaßnahmen zur Finanzierung der Akquisition werden in Deutschland nicht stattfinden“, heißt es in einer mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossenen Vereinbarung. Über die Grenzen schauen die Gewerkschaftler also offenbar nicht – ein Tief der internationalen Solidarität.

Die Standort-Städte müssen sich ebenfalls auf so einiges gefasst machen. Ihnen ist die letzte Einkaufstour des Multis noch in denkbar schlechter Erinnerung. Unmittelbar nach dem Kauf der Merck-Sparte mit den nicht rezeptpflichtigen Arzneien hatte der Konzern nämlich verkündet: „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen.“ Und prompt hat er die Akquisition dann auch von der Steuer abgesetzt und damit vor allem seinen Stammsitz Leverkusen noch tiefer in die Verschuldung getrieben.

Den Grünen der Stadt schwant deshalb wieder Schlimmes. „Die Übernahme von MONSANTO ist teuer. Dies dürfte zur Folge haben, dass die Gewerbesteuer-Einnahmen der Stadt Leverkusen weiter sinken“, erklärte die Partei. Auch der grüne Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter kritisiert das Vorhaben des Unternehmens: „Die BAYER-Bosse folgen reiner Gewinn-Maximierung. Der geplante Deal würde die Welt nicht besser machen, sondern schlechter.“ Die SPD-Bundestagsabgeordnete Elvira Drobinski-Weiß bewertete das BAYER-Ansinnen unterdessen als „sehr problematisch“, weil die Gentechnik damit in der Bundesrepublik zu einem Wirtschaftsfaktor aufstiege und ergo mit mehr Macht auf die Äcker drängen würde. Die „Arbeitsgemeinschaft für bäuerliche Landwirtschaft (AbL) spricht sich ebenfalls gegen Baysanto aus. „Durch die Fusion würde der Saatgut- und Pestizidmarkt noch weiter monopolisiert“, erklärte der Verband. Die US-amerikanische „National Farmers Union“ teilt im Gegensatz zur – von BAYER großzügig gesponserten „American Farm Bureau Federation“ – die Befürchtungen. „Das wird todsicher zu weniger Wettbewerb führen, und als direktes Resultat davon werden die Farmer höhere Preise zahlen, als sie es sonst müssten“, so NFU-Präsident Roger Johnson.

Ein Mitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) schrieb in der Sache deshalb einen Brief an das Bundeskartellamt. „Wir versichern Ihnen, dass wir bei unseren Fusionsprüfungen sehr gewissenhaft die Märkte betrachten und dies auch künftig so handhaben werden, um den Wettbewerb zu schützen“, antwortete die Behörde. Auch die EU-Wettbewerbskommission, bei welcher der Fall wegen seiner großen Tragweite wohl landen wird, erhielt ein Schreiben. Die Coordination verlässt sich allerdings nicht auf die Reaktionen der politischen Institutionen. Sie organisiert gemeinsam mit Partnern wie Sum Of Us und Campact einen breiten Widerstand gegen die Übernahme. Anfang Juni hat die CBG etwa zum Düsseldorfer „March against MONSANTO“ bzw. „Terra Viva March“ mobilisiert und dort auch gesprochen.

Der Faz graut indessen schon vor der nächsten Hauptversammlung des Leverkusener Multis. „Wenn sich heute schon das überwiegende Gros der Hauptversammlungsredner zu Themen äußert, die nicht viel mit Bilanzen zu tun haben, möchte man sich die Diskussionsinhalte künftiger BAYER-Aktionärstreffen lieber nicht ausmalen“, schreibt die Zeitung. Ängstlich schaut sie darauf, was sich da gegen den nach noch mehr Größe strebenden Konzern zusammenbraut und wirft ihm vor, „diese von breiten Bevölkerungsschichten getragene gesellschaftliche Stimmung gegen aggressive Agrochemie-Konzerne und ihre Patente“ zu ignorieren und „nur noch auf Zahlen“ zu schauen.

Und in der Tat ist es diese Rendite-Fixierung von BAYER & Co., die das zynische Monopoly-Spiel um die Welternährung und ähnliche Entwicklungen in anderen Wirtschaftsbereichen anheizt. Für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN dokumentiert dies einmal mehr die Dringlichkeit, die Multis unter gesellschaftliche Kontrolle zu stellen. Waren es laut einer Studie der ETH Zürich 2011 noch 147 Konzerne, die den gesamten Weltmarkt beherrschten, so dürfte ihre Zahl bis heute noch einmal deutlich gesunken sein. Allein 2015 belief sich der Wert der Fusionen auf rund fünf Billionen Dollar. Und das Jahr 2016 könnte diese Summe dank Baysanto noch übertreffen. Die Welt steuert also – mit freundlicher Unterstützung von Freihandelsabkommen wie TTIP, die staatliche Rechte auf Unternehmen übertragen – auf eine Diktatur der Konzerne zu, hinter denen wiederum eine Gruppe weniger Ultra-Reicher steht.

Damit ist es höchste Zeit, die Eigentumsfrage zu stellen und in den sozialen Bewegungen verstärkt über die Alternativen und deren Umsetzungsmöglichkeiten zu diskutieren. Die CBG fordert:

>Die Fusion der beiden Konzerne muss gestoppt werden!
>Die Konzerne vergesellschaften und unter demokratische Kontrolle stellen (wie es etwa die Landesverfassung von NRW vorsieht)!
>Das Profitprinzip muss fallen und einem Solidarprinzip weichen!

[Edit] STICHWORT BAYER 3/2016

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

jetzt will der BAYER-Konzern also auch noch MONSANTO übernehmen und damit die weltweiten Nahrungsmittel-Märkte unter seine Kontrolle bringen! Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat das in den letzten Wochen kaum Ruhe gelassen. Es galt, mit einer Presseerklärung schnell auf den geplanten Coup zu reagieren, Hintergrund-Material zusammenzustellen, rund um die Uhr auf JournalistInnen-Anfragen zu reagieren – und nicht zuletzt gemeinsam mit Bündnispartnern wie CAMPACT und SUM OF US Gegenwehr zu organisieren. Die Redaktion von Stichwort BAYER (SWB) war da natürlich auch gefragt. Sie hat für viele Zeitungen und Zeitschriften Artikel zum Mega-Deal produziert – und den ausführlichsten selbstredend für die vorliegende SWB-Ausgabe erstellt. Damit nicht genug, hat unser Grafiker zur Unterstützung der „Baysanto“-Kampagne überdies noch eine Anzeige für die letzte Umschlagseite entworfen. Die Verhinderung von BAYERs Versuch, ein neues Agro-Monopol zu begründen, macht nämlich nicht nur viel Arbeit, sie ist noch dazu leider nicht umsonst zu haben.
Die neueste Volte des Pharma-Riesen traf uns zudem noch in dem ungünstigen Moment, da unser alter Geschäftsführer nicht mehr und sein Nachfolger noch nicht bei uns war. Philipp Mimkes, der zur Menschenrechtsorganisation FIAN wechselt, wird auch dem Stichwort sehr fehlen. Viele Artikel hat er im Laufe der Jahre für unser Magazin verfasst. Sein Abschiedstext in dieser Nummer beschäftigt sich mit der alles andere als traumhaften „Dream Production“ des Leverkusener Multis, der Nutzung von Kohlendioxid zur Herstellung von Kunststoffen.
Die Nutzung der Universität Köln zur Herstellung von Arznei-Stoffen – dieses Ansinnen stand hinter dem Kooperationsvertrag, den der Pharma-Riese mit der Hochschule geschlossen hatte. Die Coordination klagte vergeblich um Einsichtnahme, aber die Auseinandersetzung um Transparenz in der Drittmittel-Forschung geht weiter. So initiierte die nordrhein-westfälische Piraten-Partei eine Anhörung zum Thema im Düsseldorfer Landtag, zu der sie auch einen Vertreter der CBG eingeladen hatte. Und das SWB war selbstverständlich vor Ort.
Darüber hinaus verfolgt das Stichwort BAYER die Auseinandersetzung in Leverkusen um den Ausbau der Autobahn A1 weiter. „Straßen.NRW“ will nämlich einen Teil der Strecke über BAYERs ehemalige Giftmüll-Deponie führen und dafür trotz massiven Widerstands das Chemie-Grab wieder öffnen.
Auch die neue Gentechniken bleiben unter Beobachtung. Christoph Then von der Initiative TESTBIOTECH besuchte das Europäische Patentamt in München und schaute nach, wie viele Patent-Anträge auf Verfahren, bei denen neue Techniken wie Gen-Scheren zum Einsatz kommen, die Multis schon gestellt haben. Then fand eine ganze Menge, und BAYER war natürlich wieder mit vorneweg. Sollte der Global Player wirklich MONSANTO schlucken, dann droht in diesem Bereich ebenfalls eine bedenkliche Markt-Konzentration, warnt der Gentechnik-Experte.
Und last but not least darf natürlich in keiner Sommer-Ausgabe des SWB die ausführliche Berichterstattung über die Hauptversammlung fehlen: alle 24 Gegen-RednerInnen, alle 24 Nicht-Antworten des Vorstandsvorsitzenden und noch vieles mehr. Eine auf- und anregende Lektüre wünscht also

Jan Pehrke

[24Reden] STICHWORT BAYER 3/2016

CBG Redaktion

Aktion & Kritik

Von Arbeitsplatzvernichtung bis XARELTO

24 Einsprüche

Der Faz gefallen die AktionärInnen-Treffen von BAYER nicht. Die Zeitung klagte jüngst über das Gros der HauptversammlungsrednerInnen, das sich „zu Themen äußert, die nicht viel mit Bilanzen zu tun haben“. Und in der Tat wartete die Journalistin des Blattes am 29. April in den Beiträgen der 24 Konzern-KritikerInnen vergeblich auf Zahlen. Stattdessen bekam sie so einiges über Bienensterben, Gentechnik, üble Marketing-Praktiken, gefährliche Giftgas-Leitungen, Steuertricks, Altlasten und die Lage der Beschäftigten zu hören.

Von Jan Pehrke

Das größte Kapitel im „Schwarzbuch BAYER“ nahm auch bei der diesjährigen Hauptversammlung wieder das Thema „Bienensterben“ ein. Gleich sechs Beiträge befassten sich mit dieser Nebenwirkung von Ackergiften aus dem Hause des Leverkusener Multis. Die Imkerin Heike Holzum erinnerte noch einmal an das Jahr 2008, als die bisher größte Bienen-Vergiftung durch die legale Anwendung eines Pestizids geschah: Am Oberrhein erlagen 12.500 Bienenvölker BAYERs Saatgut-Beize PONCHO. Dazu hätte es Holzum zufolge nicht kommen müssen, denn bereits seit 1994 lagen Erkenntnisse über die verheerenden Effekte der zur Gruppe der Neonicotinoide gehörenden Agro-Chemikalien auf Bienen vor. Der Global Player hat diese jedoch nicht beachtet und macht bis heute andere Gründe für das Sterben der Tiere überall auf der Welt geltend. Vor allem die Varroa-Milbe nennt er immer wieder als Ursache. „Wie lange wollen Sie uns dieses Märchen noch erzählen“, fragte Holzum den Vorstand deshalb.
Auch Michael Slaby von der Initiative MELLIFERA warf dem Konzern vor, das Vorsorge-Prinzip missachtet zu haben. „Erklären Sie uns mal bitte, wie die ‚vorsorgende Haltung’ Ihres Unternehmens aussieht gegenüber den sich verdichtenden Studien, die von einer hirnschädigenden Wirkung der Neonicotinoide nicht nur bei Insekten, sondern auch bei uns Menschen und insbesondere bei Föten und Säuglingen warnen“.
Für den präventiven Gesundheitsschutz müssen stattdessen andere sorgen wie etwa die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA). Diese untersuchte die Ackergifte und bescheinigte ihnen, die Gesundheit von Bienen anzugreifen. Daraufhin entzog die Europäische Kommission den BAYER-Mitteln PONCHO und GAUCHO sowie dem SYNGENTA-Produkt CRUISER vorläufig die Zulassung. Der Leverkusener Multi aber hatte nichts Besseres zu tun, als gegen diese Entscheidung gerichtlich vorzugehen, monierte die Imkerin Annette Seehaus-Arnold.
Ihr Kollege Christoph Koch vom Erwerbsimkerbund sowie Anne Isakowitsch von der Initiative SUM OF US kritisierten dieses Vorgehen ebenfalls. Isakowitsch verlangte vom Agro-Riesen, die Klage zurückzuziehen und wusste sich darin mit 1.392.625 Menschen einig – so viele Unterschriften zur Unterstützung ihrer Forderung übergab sie dem Vorstand um BAYER-Chef Marijn Dekkers. Corinna Hölzel vom BUND appellierte ebenfalls an den Konzern, die juristische Auseinandersetzung zu beenden. Darüber hinaus lenkte sie die Aufmerksamkeit noch auf einen Neonicotinoid-Wirkstoff von BAYER, den die EU verschont hat: Thiacloprid. Für den HobbygärtnerInnen-Bereich bietet der Global Player die Substanz zwar nicht mehr an, die LandwirtInnen können ihn jedoch nach wie vor erwerben. So findet sich der Stoff dann nicht nur in den Bienen wieder, sondern auch in ihrem Produkt, dem Honig. Und seit Kurzem darf es sogar wieder ein wenig mehr sein: Als die EFSA den Grenzwert für Thiacloprid im Februar 2016 von 0,2 auf 0,05 mg/kg senkte, schrieb der Konzern einen Brandbrief nach Brüssel und bekam prompt „geliefert“ – die Lebensmittelbehörde machte den Beschluss rückgängig. „Ist BAYER tatsächlich der Meinung, dass sich ein Grenzwert für Lebensmittel am Absatz eines Pestizids und nicht an der Gefahr für die menschliche Gesundheit orientieren soll?“, fragte Hölzel eindringlich. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers ging darauf nicht näher ein und bekräftigte stattdessen: „BAYER ist davon überzeugt, dass der ursprüngliche Grenzwert für Verbraucher sicher ist und dass dieser Honig bedenkenlos verkauft werden kann. Die Rückstände, die im Honig gefunden werden, sind auch weit unterhalb einer Konzentration, die für Bienen problematisch sein könnte.“ Und selbstredend war der Konzern auch generell „ … davon überzeugt, dass unsere Neonicotinoide sicher sind für die Umwelt, wenn sie sachgerecht eingesetzt werden“.

Doppelte Standards
Christian Schliemann vom EUROPEAN CENTER FOR CONSTITUTIONAL AND HUMAN RIGHTS (ECCHR) widmete sich mit LARVIN, NATIVO, CONFIDOR und REGENT weiteren Pestiziden.

Hatte BAYER kurz zuvor in einem Werbe-Video noch glückliche LandwirtInnen präsentiert, die von den Segnungen der Agro-Chemie kündeten, so berichtete Schliemann von ganz anderen Bildern. Seine Organisation hatte nämlich vor Ort auf indischen Feldern einen Film aufgenommen, der ein Kontrastprogramm zu dem PR-Clip bietet. Die ECCHR-Aufnahmen zeigen FarmerInnen, die ihre Gesundheit riskieren, weil sie – noch dazu ohne Schutzkleidung – Pestizide ausbringen, die in Europa wegen ihrer Gefährlichkeit zum Teil längst nicht mehr erhältlich sind und keine ausreichenden Sicherheitshinweise bieten.
Die indische Rechtsanwältin Mani Prakash hatte dies der Hauptversammlung bereits zu Gehör gebracht (siehe S. X). Schliemann konzentrierte sich deshalb auf einen anderen Aspekt. Er interessierte sich dafür, wo beim Unternehmen die Verantwortung für diese Politik der doppelten Standards liegt. Er wollte zum Beispiel wissen, welche Kenntnisse Vorstand und Aufsichtsrat von den Anwendungsbedingungen für LARVIN & Co. in Indien haben und wie sie die Einhaltung der Pestizid-Exportvorschriften überwachen. Dekkers bekundete, der Konzern würde Berichten über etwaige Verstöße gegen Gebrauchsvorschriften immer „intensiv“ nachgehen, selbstverständlich die Bestimmungen über die Ausfuhren von Ackergiften einhalten und auch den Verhaltenskodex der FAO respektieren. Wie es dann aber zu den indischen Verhältnissen kommen konnte, darüber blieb er eine Erklärung schuldig.
Christoph Then von der Initiative TESTBIOTECH wandte sich einem weiteren risikoreichen Produkt aus BAYERs Landwirtschaftsabteilung zu, dem Gen-Soja FG72. Die ForscherInnen des Konzerns haben die Pflanze mit Namen BALANCE, für die der Global Player bei der EU eine Import-Zulassung beantragt hat, gleich mit zwei Resistenzen gegen Pestizide ausgestattet. Sie ist sowohl gegen Glyphosat immun, über dessen karzinogenen Effekte die ExpertInnen noch streiten, als auch gegen Isoxaflutol, das laut Then bereits offiziell als „wahrscheinlich krebserregend“ klassifiziert ist. Besonders auf Glyphosat haben sich die Unkräuter schon relativ gut eingestellt, weshalb die LandwirtInnen immer größere Mengen verwenden müssen. Von einem regelrechten „Wettrüsten auf dem Acker“ sprach der Gentech-Kritiker deshalb. Im Falle von FG72 ist das ihm zufolge besonders verheerend, denn die Behörden haben der Labor-Frucht eine Genehmigung erteilt, ohne die möglichen Effekte der Kombinationswirkung von Glyphosat und Isoxaflutol geprüft zu haben. Kein Problem, wiegelte der BAYER-Chef in seiner Antwort auf Then ab: „Risiko-Bewertungen werden üblicherweise auf der Basis von Einzelstoffen durchgeführt. Für Mischungen in Produkten gibt es jedoch umfangreiche Regulierungen.“ Trotzdem würde der Konzern, „die Bemühungen der EU, praktikable und effiziente Methoden für eine kumulative Risiko-Bewertung zu finden“ unterstützen, gab Dekkers den Märchen-Onkel. Zudem versicherte er: „Wir beschäftigen uns intensiv mit den Auswirkungen des Soja-Anbaus auf die Umwelt.“
Mit den Auswirkungen von BAYERs hemmungslosem Pharma-Marketing auf die Gesundheit beschäftigte sich der Mediziner Dr. Jan Salzmann von der ÄrztInnen-Initiative MEIN ESSEN ZAHL ICH SELBER (MEZIS). „Wir Ärzte erwarten von einem Pharmazie-Unternehmen, dass es Medikamente für die Krankheiten entwickelt, an denen unsere Patienten leiden. BAYER macht es manchmal umgekehrt. Da werden Krankheiten für Medikamente entwickelt“, erklärte Salzmann. So hat der Konzern ihm zufolge die „Wechseljahre des Mannes“ kreiert, um den Verkauf seiner Hormon-Präparate anzukurbeln, und eine Marketing-Firma damit beauftragt, diese Diagnose an den Mann zu bringen. Nebenwirkungen der Testosteron-Gaben wie erhöhtes Herzinfarkt- und erhöhtes Krebs-Risiko nahm das Unternehmen bei dem Coup billigend in Kauf, kritisierte der Mediziner.
Das alles wies der „Ober-BAYER“ natürlich weit von sich. Der Konzern sehe sich einem verantwortungsvollen Marketing gemäß internationalen Standards verpflichtet und suche für seine Produkte auch keine Anwendungsgebiete jenseits der von den Aufsichtsbehörden genehmigten, so Dekkers. Und bei den „männlichen Wechseljahren“ handelte es sich seiner Meinung nach um ein veritables klinisches Syndrom. Er zauberte dafür sogar eine standesgemäße lateinische Fachbezeichnung aus dem Hut: Hypogonadismus. Den gibt es zwar tatsächlich, allerdings ist er längst nicht so verbreitet, als dass er dem Pharma-Riesen ein einträgliches Geschäft verspräche. Also arbeitet er hart an einer „Ausweitung der Krankheitszone“.

BAYERs Steuertricks
CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes befasste sich mit einer anderen Marketing-Aktivität. Der Leverkusener Chemie-Multi hatte in Kindergärten sogenannte Wimmelbücher verteilen lassen, die das Leben auf den Firmen-Arealen in den buntesten Farben malen und zu einer Art Disneyland mit Schornsteinen verklären. Paradiesische Zustände gibt es für den Pillen-Riesen Mimkes zufolge aber auch im wirklichen Leben - steuerparadiesische. In Holland und Belgien beispielsweise: Dort hat der Konzern seine großen Finanzgesellschaften angesiedelt. Sie treten nominell als Eigentümer von BAYER-Tochtergesellschaften auf, was konzern-interne Geschäfte zu Lasten des bundesdeutschen Fiskus ermöglicht. Auch gewähren diese Briefkasten-Firmen anderen Unternehmensniederlassungen Kredite und streichen dafür Zins-Zahlungen ein, auf die kaum Abgaben anfallen. Als Folge dieser Vermeidungspraxis darbt der Stammsitz des Chemie-Multis, den dieser zu allem Übel auch noch zusätzlich mit dem Umzug seiner Patent-Abteilung nach Monheim gestraft hat. „Die Weltfirma BAYER beteiligt sich in Leverkusen sehr wenig am Gewerbesteuer-Aufkommen“, zitierte Mimkes den Bürgermeister der Stadt, Uwe Richrath.
Und das dürfte sich in nächster Zeit laut Dekkers auch nicht ändern. Die Gewerbesteuer-Zahlungen an allen deutschen Standorten zusammen würden gegenwärtig „im ein- bis zweistelligen Millionen-Bereich“ liegen, offenbarte der BAYER-Chef dem CBGler. Früher betrugen sie ein Vielfaches dessen. Allein der Abzug der Patentsparte in die nordrhein-westfälische Steuer-Oase Monheim kostet Leverkusen einen Millionen-Betrag. Trotzdem will der Niederländer diese Standort-Verlagerung nicht als Steuerspar-Projekt verstanden wissen: Sie diente angeblich lediglich der „Optimierung der Organisationsstruktur“.
Damit nicht genug, setzt der Agro-Multi seinen Stammsitz auch noch der Gefahr einer Kohlenmonoxid-Leitung aus. Seit 15 Jahren bereits transportiert er das Giftgas damit von Dormagen nach Leverkusen. „Ohne ein Wimpernzucken muten Sie den Anwohnern teilweise eine Halbierung der Rohrwände durch Rost zu“, warf Gottfried Arnold dem Aufsichtsratschef Werner Wenning vor. Des CO-Röhrenwerks, das von Krefeld nach Dormagen führt, aber wegen einer Klage glücklicherweise noch auf eine Betriebsgenehmigung wartet, nahm sich Dieter Donner an. Einmal mehr beschwor der Presse-Koordinator der verschiedenen Anti-Pipeline-Initiativen die Gefährlichkeit des Kohlenmonoxids herauf, von dem schon ein Hauch, die „Menge eines Weinglases – das sind 100 Milliliter“ reiche, um einen Menschen zu töten. Die Warnsysteme entlang der Strecke können nach Ansicht Donners einen „Worst Case“ nicht verhindern, dafür aber etwas anderes, ein: „Zurück zum ehernen Grundsatz der Chemie, Giftstoffe nur innerhalb der Werke erzeugen und dort unmittelbar zu verarbeiten.“
Dazu war Marijn Dekkers jedoch nicht zu bewegen. Er erklärte die Pipeline für notwendig, um einen „standort-übergreifenden Rohstoff-Verbund für die Kunststoff-Produktion zu schaffen“ – und selbstredend für „sicher“. Dieses Prädikat verlieh er auch der Leitung, die zwischen Dormagen und Leverkusen verläuft. Dass der TÜV bei dieser in dem Teil, der unter dem Rhein verläuft, „gravierende externe Materialverluste“ ausgemacht und ihm noch eine Restlebensdauer von zwei Jahren gegeben hatte, unterschlug der Vorstandsvorsitzende geflissentlich. Den notwendig gewordenen Bau einer neuen Unterquerung widmete er kurzerhand zu einer reinen „Instandhaltungsmaßnahme“ um.
Ein Bau ganz anderer Art sorgt derzeit für heftige Kontroversen in Leverkusen. Und wieder steht BAYER im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Das Land Nordrhein-Westfalen will – nicht zuletzt auf Druck des Global Players hin – eine neue Rheinbrücke bauen und im Zuge dessen auch die Autobahn A1 auf bis zu 12 Spuren verbreitern. Der neue Streckenverlauf soll teilweise über die berüchtigte Dhünnaue, BAYERs ehemalige Giftmüll-Deponie führen. Und dazu müssen die ArbeiterInnen das Gift-Grab öffnen. „Die Gefahren, die von einem Eingriff in die Deponie ausgehen, werden von der Straßenbau-Verwaltung als extrem hoch angegeben“, warnte der Diplom-Ingenieur Helmut Hesse auf der Hauptversammlung. Deshalb forderte er den Konzern auf, sich für die Tunnel-Alternative einzusetzen, wie es etwa Leverkusener Initiativen tun. Das lehnte der Multi jedoch ab. BAYER sei dafür nicht der richtige Ansprechpartner, beschied Dekkers dem Ingenieur und verwies ihn auf Straßen NRW als „Vorhabenträger“. Im gleichen Atemzug offenbarte er jedoch, dass das Unternehmen an dem ganzen Prozess keinesfalls unbeteiligt ist. So brachte der Konzern seine Vorstellungen in das Planfeststellungsverfahren ein. Er schrieb etwa eine Einwendung und machte seinen Standpunkt bei einer Anhörung deutlich – Umweltschutz-Belange dürfte dabei kaum eine Rolle gespielt haben.

Die feinen Unterschiede
Der Verfasser dieser Zeilen thematisierte die Lage der Beschäftigten bei BAYER und kam dabei vor allem auf die feinen Unterschiede zu sprechen, welche die Aktiengesellschaft bei der Behandlung von Belegschaftsangehörigen macht. So kommen beispielsweise längst nicht alle bundesdeutschen BAYER-WerkerInnen in den Genuss der Standortsicherungsvereinbarung, die unter anderem betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Und dann tun sich noch einmal Gräben zwischen Deutschland und dem Rest der Welt auf: Während etwa die bundesdeutschen Belegschaften 2015 eine Lohn-Erhöhung von 2,8 Prozent erhielten, mussten sich die französischen KollegInnen jüngst mit einem Prozent zufriedengeben. Besonders weit aber geht die Schere in puncto „Tarifverträge“ auseinander. „Nur für etwas mehr als die Hälfte aller Belegschaftsmitglieder weltweit hat BAYER mit Gewerkschaften Tarifvereinbarungen abgeschlossen. Besonders düster sieht es in den USA aus. Dort gelten laut Geschäftsbericht nur für fünf Prozent der Beschäftigen Tarifverträge oder ähnliche Bestimmungen – Tendenz fallend“, kritisierte das CBG-Vorstandsmitglied und machte dafür Druck von oben verantwortlich.
Das stritt Marijn Dekkers natürlich ab: Beschäftigten-VertreterInnen hätten bei BAYER keine Nachteile zu befürchten, und überhaupt lege dem Konzern das Wohl der Belegschaft sehr am Herzen. Für die „feinen Unterschiede“ im Wohlergehen fand der Vorstandsvorsitzende mehrere Erklärungen. „Praktische Gründe“ führte er dafür an, dass eine Niederlassung wie die in Grenzach bei der Standortsicherungsvereinbarung außen vor bleiben muss. Sie habe schlicht nicht die kritische Größe, um genug Alternativen jenseits von Entlassungen bieten zu können, wenn das Unternehmen sich mal wieder zu Rationalisierungsmaßnahmen veranlasst sehe, meinte er. Und die Differenzen bei den Entgelt-Steigerungen zwischen Deutschland und Frankreich begründete der Manager mit den voneinander abweichenden Rahmenbedingungen in beiden Staaten. Ein Gerechtigkeitsproblem trete dabei jedoch nicht auf: „Eine Ungleichbehandlung ist darin nicht zu erkennen“.
Die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen sprach Andrea Rupp an. So erfüllt BAYER immer noch nicht die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Quote von einem mindestens 30-prozentigen Frauen-Anteil im Aufsichtsrat. Selbst mit der bei der Hauptversammlung neu in das Gremium gewählten Johanna W. Farber kommt der Konzern gerade einmal auf 25 Prozent. Und auf den Management-Ebenen darunter sieht es auch nicht besser aus. Trotzdem stellte Dekkers das Unternehmen in seiner Antwort auf den Beitrag Rupps als Hort der Emanzipation dar.
Das Schlusswort der Konzern-KritikerInnen formulierte dann am frühen Abend Sibylle Arians: „Nach allem, was ich heute hier gehört habe, bin ich erschüttert. Erschüttert und empört! Letztes Jahr war ich erstmals auf der BAYER-HV. Ich war in vielerlei Hinsicht beeindruckt, aber nicht wirklich überrascht davon, dass die Unternehmenstätigkeit orientiert ist am finanziellen Erfolg um nahezu jeden Preis. Die Behauptung, Verbrauchersicherheit stünde an oberster Stelle, das Unternehmen würde sich an Verhaltenskodizes und nationale Gesetze halten, spricht dem Leid derer Hohn, die hier über ihr Schicksal berichtet haben.“

[Patente] STICHWORT BAYER 3/2016

CBG Redaktion

Gene & Klone

Zahlreiche Anmeldungen für neue Gentech-Verfahren

BAYERs Patent-Pipeline

Neue Gentechnik-Verfahren wie der Einsatz der DNA-Scheren (Nukleasen) werden in der EU kontrovers diskutiert. Ein von den Befürworten häufig vorgebrachtes Argument ist, dass diese Verfahren dank geringerer Kosten kleineren Unternehmen Zugang zum Geschäft mit Gentechnik-Pflanzen ermöglichen können. Doch sieht man sich die Entwicklung genauer an, stellt man fest, dass altbekannte Konzerne wie BAYER, MONSANTO und DUPONT/DOW sich längst in Stellung gebracht haben, um ihre Marktposition durch Patent-Anmeldungen auch in diesem Bereich systematisch auszubauen. Und durch die geplanten Fusionen der Seed Giants wird sich die Siuation noch einmal dramatisch zuspitzen.

Von Christoph Then (TESTBIOTECH )

Seit einigen Jahren wird über eine Reihe von neuen Gentechnik-Verfahren diskutiert, die als „Genom-Editing“ oder als „Synthetische Gentechnik“ und von einigen Protagonisten auch als „Neue Züchtungsverfahren“ bezeichnet werden. Diese sollen auch im Rahmen der Züchtung von Nutz-Tieren und – Pflanzen eingesetzt werden. Dabei geht es u. a. um folgende technische Anwendungen:
• die künstliche Synthese von DNA
• der Einbau von synthetischer DNA in das Erbgut von Pflanzen und Tieren mithilfe von Nukleasen (DNA-Scheren) wie CRISPR-Cas.
• Eingriffe in die Genregulierung.

Die neuen Methoden unterscheiden sich erheblich von dem, was bisher unter dem Begriff Gentechnik verstanden wurde:
• Die Struktur der DNA ist nicht mehr abhängig von natürlichen Vorlagen, sondern kann am Computer umgeschrieben und im Labor synthetisiert werden.
• Mit den neuen Verfahren sind auch radikale Veränderungen im Erbgut möglich, wie die Einfügung von Erbmaterial, für das es keine natürliche Entsprechung gibt.
• Nicht nur die Struktur des Erbguts, sondern auch die Häufigkeit der Vererbung kann verändert werden: Sogenannte Gene-Drives ermöglichen es, dass sich die neuen Gene in den nachfolgenden Generationen wesentlich schneller ausbreiten.

Häufig wird die Ansicht geäußert, dass die neuen Verfahren wie CRISPR-Cas die Herstellung von Gentechnik-Pflanzen erheblich beschleunigen können: Sie sollen nicht nur gezielter, sondern auch wesentlich billiger sein. Tatsächlich wenden viele Forschungseinrichtungen diese neuen Verfahren bereits an, die Materialkosten sind auf der Ebene des Labors gering. Jedoch sind die Verfahren keineswegs so zielgenau, wie oft behauptet wird. Es ist deswegen eine ganze Reihe von zum Teil aufwändigen technischen Schritten nötig, um tatsächlich Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften zu erhalten. Es muss insgesamt bezweifelt werden, dass die neuen Gentechnik-Verfahren tatsächlich wesentlicher billiger oder sicherer sind als die bisherigen Methoden (siehe Then, 2016a).

Die Monopolisten bleiben
Es kann dagegen kein Zweifel daran bestehen, dass die Konzerne, die schon jetzt als „Seed Giants“ gelten, auch den Einsatz der neuen Gentechnik-Verfahren an Nutzpflanzen ganz wesentlich beeinflussen werden. Die aktuelle Entwicklung folgt dabei ganz der bisherigen Strategie der Konzerne. Mit dem Einzug der Gentechnik in den 1980er Jahren ging eine erhebliche Umwälzung der Saatgutbranche einher. Unternehmen wie MONSANTO und DUPONT weiteten ihr Geschäftsmodell, das auf Patenten beruht, auf die Pflanzenzucht aus. Inzwischen ist die Firma MONSANTO mit einem Marktanteil von rund 25 Prozent weltweit der größte Anbieter von Saatgut. Auch für BAYER markiert die Gentechnik einen Wendepunkt: Der Leverkusener Multi übernahm das Geschäft mit den Gentechnik-Saaten von Firmen wie HOECHST, AGREVO und PLANT GENETIC SYSTEMS und ist derzeit neben MONSANTO, DUPONT, SYNGENTA und DOW einer der größten Anbieter von patentiertem Gentechnik-Saatgut. BAYERs Spezialität sind – ähnlich wie bei MONSANTO – herbizid-resistente Pflanzen, die zusammen mit dem passenden Spritzmittel im Doppelpack verkauft werden können.
Im Zusammenhang mit den neuen Gentechnik-Verfahren ist davon auszugehen, dass sich die Entwicklung fortsetzt: Entsprechende Verfahren werden, ebenso wie damit manipulierte Pflanzen und Tiere, systematisch zum Patent angemeldet. Auf absehbare Zeit wird der Einsatz der neuen Techniken dazu führen, dass der Konzentrationsprozess in der Branche weiter fortschreitet, weil die Großen kleinere Firmen aufkaufen oder vom Markt verdrängen
Durch die Einführung der neuen Gentechnik-Verfahren könnte die Dominanz von BAYER & Co. nicht nur im Bereich der Pflanzenzucht erheblich verschärft werden: Falls es zu einem Einsatz der neuen Gentechnik-Verfahren im Bereich der landwirtschaftlichen Tierzucht kommen würde, ist ein Bereich betroffen, der, anders als die Pflanzenzucht, von Patenten bisher weitgehend verschont geblieben ist. Es gibt bereits Firmen, die sich auf diesen Bereich spezialisiert haben und reihenweise Patente auf Nutztiere anmelden, die mit Hilfe der synthetischen Gentechnik manipuliert werden (Then, 2016b). Diese Entwicklung kann erhebliche strukturelle Verschiebungen verursachen: Die Patentierung würde beispielsweise auch LandwirtInnen betreffen, die, wie bisher üblich, ihre Milchkühe selber züchten und diese auch verkaufen. Diese FarmerInnen dürften in Zukunft zwar ihre Kühe noch melken, aber ohne Zustimmung der Patentinhaber nicht mehr zur Zucht verkaufen.

Aktuelle Patentrecherche
Eine Patentrecherche von TESTBIOTECH, deren Ergebnis 2016 veröffentlicht wurde (Then, 2016a) zeigt, dass BAYER neben DOW und DUPONT zu den Konzernen gehört, die im Bereich der Pflanzenzucht die meisten Patente auf den Einsatz der neuen Gentechnik-Methoden anmelden.
Bei der Recherche berücksichtigt wurden Patent-Anmeldungen der großen Saatgutkonzerne wie MONSANTO, SYNGENTA, DUPONT und BAYER und ihre Kooperationspartner. Gesucht wurde nach Patentanträgen der letzten Jahre betreffend
• Anwendungen von Nukleasen (CRISPR-Cas).
• Einsatz von kurzen synthetischen DNA-Abschnitten (Oligonukleotiden)
• Methoden der RNA-Interferenz (RNAi) zur Beeinflussung der Gen-Aktivität.

Demnach sind Patentanmeldungen auf Nukleasen (33) am häufigsten, gefolgt von Anträgen auf RNAi-Anwendungen (20) und die Verwendung von Oligonukleotiden (12). DUPONT und DOW sowie BAYER sind die Konzerne, die am meisten Patent-Anträge eingereicht haben. Das ist im Hinblick auf die weitere Entwicklung brisant, denn DUPONT und DOW sind dabei zu fusionieren, und dieser Zusammenschluss würde ihre Stellung in diesem Bereich noch einmal erheblich verstärken. Berücksichtigt man zudem noch die Kooperationspartner, so hat sich DUPONT einen weiteren Vorteil verschafft: Das Unternehmen hat einen Vertrag mit der Firma CARIBOU abgeschlossen, einer Ausgründung der University of California, die bei der Entwicklung von CRISPR-Cas eine Pionier-Rolle spielte und auf diesem Gebiet umfassende Patente angemeldet hat.
Auch BAYER hat in diesem Bereich nicht nur eine relativ hohe Anzahl an Patenten angemeldet, sondern mit den Firmen CALYXT (ehem. CELLECTIS) und KEYGENE auch spezialisierte Kooperationspartner mit entsprechenden Schutzrechten. Und zu diesem Kreis stieß jüngst noch CRISPR THERAPEUTICS hinzu. Werden im Rahmen dieser Zusammenarbeit neue Verfahren entwickelt, die in der Landwirtschaft nutzbar sind, gehen die Rechte an den Leverkusener Multi. Dagegen ist – derzeit – die Position von MONSANTO und SYNGENTA relativ schwächer. Das Bild könnte sich dramatisch verändern, wenn es zu einer Übernahme von MONSANTO durch BAYER käme, wie derzeit diskutiert: Dann würde die Marktführerschaft bei Gentechnik-Saatgut und bei den Patenten in einem Konzern vereinigt.
Eine relativ große Anzahl der aktuellen Patent-Anträge von BAYER zielt auf Anwendungen, die auch schon bisher verfolgt wurden, nämlich die Entwicklung von herbizid-resistenten Pflanzen. Dies ist für den Konzern nicht überraschend. Er will sich in den letzten Jahren zwar zu einem Life-Science-Unternehmen gewandelt haben, ist aber nach wie vor einer der Marktführer beim Geschäft mit der Agrochemie. Der Global Player setzt dabei - ähnlich wie MONSANTO - auf den Verkauf von Spritzmitteln und patentiertem Saatgut im Doppelpack. Da sein Spritzmittel Glufosinat, das er unter Namen wie BASTA ODER LIBERTY vertreibt, im Jahr 2017 seine EU-Zulassung verlieren soll, setzt der Agro-Riese jetzt unter anderem auf sogenannte ALS-Inhibitoren. Das sind Herbizide, die schon seit vielen Jahren eingesetzt werden und gegen die zahlreiche Unkräuter bereits Resistenzen entwickelt haben. Ob diese Strategie erfolgversprechend ist, bleibt abzuwarten. Andere Patent-Anträge von BAYER & Co. zielen auf das Entfernen von natürlichen DNA-Abschnitten, um beispielsweise die Öl-Zusammensetzung von Soja zu verändern – auch dies ist keine wirklich neue Idee.
Durch die Kooperation mit der Firma CALYXT könnte BAYER sein Geschäftsfeld aber erweitern: Mehrere der Patent-Anträge dieser Firma erstrecken sich auf Tiere. Im Patentantrag WO2005105989 werden beispielsweise alle Pflanzen und Tiere als Erfindung beansprucht, die mit bestimmten Nukleasen manipuliert werden. Auch die Kooperation mit der Firma CRISPR THERAPEUTICS dürfte in diese Richtung gehen. Vielleicht verkauft BAYER ja demnächst ja auch Antbiotika und Schweine im Doppelpack. Weitere Informationen finden sich hier:

Then, C. (2016a) Synthetic gene technologies applied in plants and animals used for food production Overview on patent applications on new techniques for genetic engineering and risks associated with these methods, Testbiotech, www. testbiotech. org/node/1543

Then, C. (2016b) Gentechnik-Tiere: Risiko für Mensch und Umwelt, Studie im Auftrag der Grünen im Deutschen Bundestag, Testbiotech, www. testbiotech. org/node/1568

[HV-Bericht] STICHWORT BAYER 3/2016

CBG Redaktion

Aktion & Kritik

Turbulente BAYER-Hauptversammlung

Profite & Proteste

Die diesjährige BAYER-Hauptversammlung sollte eine rauschende Abschiedsparty für den scheidenden Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers werden, denn der Niederländer hatte die Erträge des Leverkusener Multis noch einmal beträchtlich steigern können. Doch dazu ließen es ImkerInnen, Medikamenten-Geschädigte, Pipeline-GegnerInnen und andere Konzern-KritikerInnen nicht kommen. Sie zogen nämlich eine ganz andere Bilanz der Ära Dekkers.

Von Jan Pehrke

Schon früh am Morgen der BAYER-Hauptversammlung war die Polizei mit drei Mannschaftswagen vor dem Kölner Messegelände aufgefahren. Ihr schwante offenbar Böses. Und gut wurde es im Folgenden wirklich nicht für den Leverkusener Multi. Bald nämlich schon füllte sich der Vorplatz mit einem bunten Völkchen, das mit Dividenden so gar nichts im Sinn hatte. ImkerInnen streiften ihre weißen Schutzanzüge über, warfen ihre Rauchbläser an und errichteten einen Bienenfriedhof, um gegen die tödlichen Pestizide made by BAYER zu protestieren, die ihre Tiere elendig verenden lassen. Unterstützung erhielten sie dabei von den fleißigen Bienen des BUND und der Initiative SUM OF US, die überall herumschwirrten und Flugblätter verteilten. Auch GegnerInnen des Ausbaus der Autobahn A1 hatten sich eingefunden, soll doch die neue Strecke teilweise über die Dhünnaue-Deponie des Multis führen, was eine Öffnung des Gift-Grabes notwendig macht. Mit ihrem Chemie-kotzenden Haus aus den alten Zeiten des Protestes gegen die Müll-Lagerstatt führten die Leverkusener den AktionärInnen die Gefahren des Vorhabens plastisch vor Augen. Neben ihnen hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen kleinen Kindergarten aufgebaut. Mittendrin injizierte ein Arzt den Kindern mit einer riesigen Spritze BAYER-Stoff – eine drastische Illustration des Angriffs auf die Köpfe der Kleinsten, den der Global Player mit der Verteilung seiner Wimmelbücher in den Horten gestartet hat.

Zu noch extremeren Mitteln griffen aus gegebenem Anlass die vielen Medikamenten-Geschädigten bzw. deren Angehörige. Mitglieder von RISIKO PILLE hatten zum Gedenken an die Frauen, die durch Verhütungspräparate des Pharma-Riesen umkamen, eine Reihe von Kreuzen aufgestellt. „Tina 22 – Pille: YASMIN – Lungenembolie mit Todesfolge“ war darauf beispielsweise zu lesen. Diesen Anblick wollten die Polizei und BAYER dem HV-Publikum möglichst ersparen. Die Ordnungshüter gaben immer wieder rote Linien vor, die der Protest nicht überschreiten dürfe, weil er sonst den AktionärInnen zu nahe gerückt wäre. Sogar Anordnungsstrafen drohten sie an. Das Unternehmen indessen ließ die Busse, welche die Aktien-HalterInnen vom Bahnhof zur Messe kutschierten, nicht etwa direkt vor dem Eingang, sondern weit ab vom Schuss halten. Aber den Konzern-KritikerInnen gelang es trotzdem, die Kontaktsperre zu unterlaufen und die BesucherInnen mit Informationen zu versorgen.

In der Halle selber tat sich denen dann ein völlig andere Welt auf. Hatte der Global Player draußen noch „low profile“ gezeigt und alle optischen Hinweise auf sich selber und seine Hauptversammlung getilgt, um nicht zusammen mit den AktivistInnen auf einem Presse-Foto zu erscheinen, so zeigte er im „geschützten Raum“ vollen Einsatz. Kaum ein Quadratzentimeter Wand blieb als BAYER-Werbefläche ungenutzt. Und hatte es vor den Toren auf einem CBG-Transparent noch geheißen: „Opgepast Marijn Dekkers, Profit is niet lekkers!!“, so fanden Aufsichtsrat und Aktionärs-Vertreter in der Messehalle gerade daran Geschmack. „Sie haben die vom Aufsichtsrat in Sie gesteckten Erwartungen mehr als erfüllt, BAYER hervorragend weiterentwickelt und entscheidende Weichen gestellt“, bedankte sich Aufsichtsratschef Werner Wenning bei dem Niederländer, hatte der die Aktien-Gesellschaft doch zwischenzeitlich sogar zum wertvollsten Konzern Deutschlands gemacht. Marc Tüngler von der „Schutzvereinigung für Wertpapier-Besitz“ mochte da nicht hintanstehen und schwärmte von einer „extrem beeindruckenden Performance“.

Aber nach diesen Ausführungen und der Rede von Marijn Dekkers himself war es mit der Profit-Herrlichkeit auch schon wieder vorbei. Die KritikerInnen übernahmen das Wort und sollten es bis zum Ende der Veranstaltung nicht mehr abgeben. 24 Einsprüche gegen die Logik des Kapitals formulierten sie und setzten dabei Themen wie Nebenwirkungen von Medikamenten, Bienensterben und andere Pestizid-Folgen, Gentechnik, die Kohlenmonoxid-Pipeline, Steuertricks, Konzern-Propaganda und die Lage der Beschäftigten auf die Tagesordnung. So mancher von ihnen nahm dafür eine weite Anreise in Kauf. Mani Prakash etwa war extra aus Indien nach Deutschland geflogen, um darzulegen, was BAYER-Pestizide in ihrem Land anrichten. Allerdings durfte sie es nicht selber tun: Obwohl der Konzern sich immer viel auf seine Internationalität zugute hält, besteht er bei seinen Hauptversammlungen auf „Deutsch“ als Amtssprache. So sprang Carolijn Terwindt vom EUROPEAN CENTER FOR CONSTITUTIONAL AND HUMAN RIGHTS der Inderin bei und verlas die Übersetzung des Beitrags. „Ich bin eine Anwältin aus Bombay. Vor Kurzem habe ich mehrere Dörfer in Indien besucht, um mir selbst ein Bild zu machen von den Vorteilen der Pestizid-Nutzung durch die örtlichen Bauern. Zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass BAYER in diesen Dörfern erhebliche Verletzungen nationaler und internationaler Gesetze und Standards vorgeworfen werden kann“, bekamen die AktionärInnen so zu hören. Der Agro-Riese informiert nämlich Prakash zufolge weder HändlerInnen noch LandwirtInnen in ausreichendem Maße über die Gefahren der Ackergifte und verstößt damit gegen die Richtlinien der UN-Welternährungsorganisation FAO. Überdies hält er kaum Schulungen ab und verteilt auch keine Schutzkleidung. Zudem fehlen auf den Packungen in verständlicher Form angebrachte Sicherheitshinweise. Als Folge davon klagen viele FarmerInnen über Hautreizungen, Kopfschmerzen, Übelkeit und Fieber. „Besonders problematisch ist, dass viele Kinder auf den Äckern und auch beim Sprühen von Pestiziden helfen. Auch sie leiden dann unter brennenden Augen und Haut-Problemen“, klagte die Juristin aus Bombay an.

Gemma López kam aus Spanien nach Köln. ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, hatte sie dazu veranlasst. Eine schier unendliche Krankengeschichte hatte sie im Gepäck. Und da diese möglichst wenig AktionärInnen zu Gehör kommen sollte, hat die Hauptversammlungsregie López – ebenso wie die anderen Medikamenten-Geschädigten – erst spät am Nachmittag vor das Mikrofon treten lassen. Von Unterleibsbeschwerden, Uterus-Kontraktionen, chronische Erschöpfung, schmerzvollem Geschlechtsverkehr und Organ-Schädigungen berichtete die Spanierin. „Die Schmerzen waren manchmal unerträglich, und unser Leben verwandelte sich in einen Alptraum“, so López. Fünf Jahre dauert das Martyrium nun schon an, und ein Ende ist immer noch nicht abzusehen. Nachdem die ÄrztInnen der Frau schon die Eileiter entfernen mussten, steht demnächst die Extraktion der Gebärmutter an. In fast perfektem Deutsch warnte sie den Vorstand: „Seien Sie sich eines bewusst: Die betroffenen Frauen in Europa sowie in den Vereinigten Staaten mobilisieren sich, damit die Gesundheitsämter in dieser Sachlage eingreifen!“

López engagiert sich dafür in der Assoziation der spanischen ESSURE-Geschädigten. Angélica del Valle steht dieser Organisation vor. Die 33-Jährige stellte deshalb in der Messe-Halle von Anfang an klar, dass sie nicht nur für sich selbst spricht. Gleich nachdem sie dem Saal ihren Namen genannt hatte, ergänzte sie: „Auch heiße ich Gemma und Elena“ und fuhr dann nach einer Weile fort: „Ich bin auch Angie – 5.300 betroffene Frauen in den Vereinigten Staaten, bin Marielle – 1.550 Frauen in Frankreich.“ In Österreich endete schließlich ihre Vorstellungstour.

Die Mitglieder von RISIKO PILLE – INITIATIVE THROMBOSE-GESCHÄDIGTER griffen zu einer anderen Methode, um sich nicht als bedauerliche Einzelfälle abspeisen zu lassen: Sie schritten gleich in Mannschaftsstärke vor das Mikrofon. Christin Berndt sprach für die Gruppe und konfrontierte den Saal zu Beginn mit acht Schicksalen von Frauen, denen die BAYER-Verhütungsmittel wegen ihres besonders hohen Thrombose-Risikos zum Verhängnis wurden. „Luisa wurde nur 17 Jahre alt. Sie starb nach dreistündigen Wiederbelebungsmaßnahmen an einer Lungenembolie. Tina brach auf dem Bürgersteig zusammen, wurde vergeblich eine Dreiviertelstunde reanimiert und starb mit nur 22 Jahren an einer Lungenembolie“, hob sie an und schloss ihre Aufzählung mit der 23-jährigen Nina, während Susan Tabbach die Portraits der Verstorbenen hochhielt. „Diese acht Frauen, Herr Dr. Dekkers, sind Teil ihrer Bilanz“, resümierte Berndt und hielt fest: „Sie stehen stellvertretend für die hunderten von toten und zehntausenden von geschädigten Frauen weltweit, die nach Einnahme ihrer Produkte schwere gesundheitliche Schäden erlitten haben oder verstorben sind.“
Auch Stephan Schickentanz erhob Einspruch gegen die verharmlosende Rede von den Einzelfällen und widerlegte sie mathematisch. Es stützte sein Rechen-Exempel auf die rund zwei Milliarden Dollar, welche der Pharma-Riese in den USA bisher schon als Entschädigungen gezahlt hat und fragte den Vorstand: „Entschuldigung, Milliarden-Beiträge für Einzelfälle? Wie viel Geld hat eine geschädigte Frau denn bekommen? 20 Millionen oder 50 Millionen Euro??? Nein, liebe Aktionäre, keine Frau hat 20 Millionen bekommen, sondern nur einen minimalen Bruchteil davon.“

Und damit endeten die Beiträge zu den bitteren Pillen aus dem Hause BAYER noch lange nicht. Andre Sommer ergriff zu dem Schwangerschaftstest DUOGYNON das Wort, den der 2006 vom Leverkusener Multi geschluckte SCHERING-Konzern bis in die 1970er Jahre hinein vermarktet hatte – mit verheerenden Folgen. Tausende Mütter brachten Kinder mit Geburtsfehlern wie Herzstörungen, offenen Rücken, deformierten Gliedmaßen und/oder Organ-Schädigungen zur Welt. Auch Sommer hat bereits zahllose Operationen hinter sich. In Köln berichtete der Lehrer von seinen neuen Archiv-Funden. Diese belegten einmal mehr, dass SCHERING schon sehr früh von den verheerenden Wirkungen des Mittels wusste – und alles tat, um nichts tun zu müssen.
Angesichts der erdrückenden Belege riet ein Experte SCHERING den Dokumenten zufolge, in den Schadensersatz-Prozessen bei der Kausalitätsfrage anzusetzen und systematisch Zweifel an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Medikament und den unerwünschten Arznei-Effekten zu säen. Zudem eruierte der Konzern die politische Stimmung im Unterhaus und ließ PolitikerInnen-Dossiers anfertigen. Über einen Mandatsträger hieß es darin beispielsweise: „Ein führender linker Flügelspieler, unnachgiebig, sehr klug, ein gewaltiger Gegner, vollkommen unbestechlich“. Auch mit Wissenschaftlern schloss der Konzern sich kurz. Ein Mitarbeiter der englischen Gesundheitsbehörde traf sich auf den Bermudas mit UnternehmensvertreterInnen und sicherte ihnen zu, eine DUOGYNON-kritische Untersuchung zu vernichten. Ein Mediziner sandte SCHERING sogar seine Studie vor der Veröffentlichung zu und fragte servil an: „Haben Sie wichtige Vorschläge für Text-Änderungen?“ Damit nicht genug, machte er überdies das Angebot: „Falls größere, gravierendere Passagen geändert werden müssten, könnte ich evtl. auch das Manuskript vom Verlag zurückerbitten, bevor es in Druck geht.“ „Sieht so für den BAYER-Konzern unabhängige Wissenschaft aus? Ist das die gängige Art?“, fragte Andre Sommer bohrend.

Marijn Dekkers gab die Antwort darauf en passant. Ungerührt verwies er Sommer und anderen Medikamenten-Geschädigten gegenüber auf genau solche Expertisen, um die Arzneien des Pharma-Riesen zu exkulpieren. „Das Nutzen/Risiko-Profil von ESSURE ist in über 100 Studien dokumentiert“, beschied er etwa Gemma López. Und „kein ursächlicher Zusammenhang“ bestehe zwischen DUOGYNON und den beschriebenen Gesundheitsschädigungen, konstatierte der Ober-BAYER. Die Betroffenen treffen solche Worte bis ins Mark. Sie können nicht verstehen, wie jemand so nonchalant über konkretes Leid hinweggehen kann und brauchen entsprechend lange, um die Hauptversammlung „ wegzustecken“. Umso mehr Respekt verlangt einem ihre Bereitschaft ab, sich dieser Belastung auszusetzen.
Margret-Rose Pyka, die DUOGYNON nutzte und deshalb ein behindertes Kind zur Welt brachte, kannte die formelhaften Ausführungen Dekkers’ schon aus früheren Hauptversammlungen. „Ich stelle keine Fragen, weil ich die Antworten nicht ertragen kann“, entschied sie deshalb. Andere versuchten stattdessen, die Worthülsen-Produktion zum Erliegen zu bringen, indem sie auf den „menschlichen Faktor“ bauten. Sie sprachen die BAYER-Vorstände als „Familien-Väter“ an, die als solche doch Anteil nehmen müssten etwa an dem Schicksal der Kontrazeptiva-Geschädigten, die ihre Töchter hätten sein können.

Aber es war nichts zu machen. Den Managern blieb alles Menschliche fremd. Und das musste es auch, denn „es handelt sich hier um Personen nur, soweit sie die Personifikation ökonomischer Kategorien sind“, wie Karl Marx im „Kapital“ schrieb. Und als solche Personifikationen gehen sie auch über Leichen, wenn’s der Geldvermehrung dient. Axel Köhler Schnura vom Vorstand der CBG sagte das dem BAYER-Chef auf den Kopf zu: „Sie haben für die Profite rücksichtslos Menschenleben, soziale Rechte und die Umwelt geopfert.“ Entsprechend zog der Diplom-Kaufmann eine ganz andere Bilanz der Ära Dekkers als der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning. Er machte das an drei Beispielen fest und nannte die durch BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO und die Verhütungsmittel der YASMIN-Reihe verursachten Todesfälle sowie die Arbeitsplatzvernichtung innerhalb des Konzerns durch die Trennung vom Kunststoff-Geschäft. Davon zeugte dann auch das Abschiedsgeschenk, das Köhler-Schnura für den Vorstandsvorsitzenden vorbereitet hatte: drei T-Shirts, die unter dem BAYER-Logo von den YASMIN- und XARELTO-Opfern sowie von den Stellen-Streichungen kündeten.

Während der Konzern für Profite über Leichen geht, hat er auch noch die Chuzpe, seinerseits die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN anzuklagen. „Die Haltung der Coordination steht nicht immer mit den Grundwerten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Einklang. So hat die CBG beispielsweise zum Ziel, BAYER ‚unter gesellschaftliche Kontrolle’ zu stellen“ – mit dieser Begründung lehnt das Unternehmen einen Dialog mit der Coordination ab. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes griff dieses Statement in seiner Rede auf und erteilte dem Vorstand politischen Nachhilfe-Unterricht. Er zitierte aus der nordrhein-westfälischen Landesverfassung Paragrafen, die vorsehen, Großbetriebe in Gemeineigentum zu überführen, wenn sie eine monopolartige Stellung erlangen, und Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, mit einem Verbot zu belegen. „Unsere Forderung, BAYER unter gesellschaftliche Kontrolle zu stellen, geht also viel weniger weit als der Verfassungstext“, schlussfolgerte Mimkes.

Bis in die frühen Abendstunden zogen sich die Beiträge der Konzern-KritikerInnen. Von dem kleinen Intermezzo zu Beginn der Hauptversammlung abgesehen, hatten sie die Veranstaltung dominiert. Aber obwohl vielen von ihnen in ihren Reden sogar noch explizit dazu aufgefordert hatten, bei der abschließenden Abstimmung Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu entlasten, spiegelte sich das in den Ergebnissen nicht wieder. Diese prägen nämlich Banken, Investment-Fonds und andere Großaktionäre. Immerhin jedoch erzielte die CBG Achtungserfolge mit 1,6 Prozent Nein-Stimmen bei der Entlastung des Vorstands und 4,3 Prozent Nein-Stimmen bei der Entlastung des Aufsichtsrats.
Nicht in solchen Zahlen bemisst sich für die Coordination jedoch der Lohn ihrer Arbeit. Der CBG kommt es vielmehr darauf an, mit ihren HV-Aktionen ein Bewusstsein für die Risiken und Nebenwirkungen der Profit-Jagd zu schaffen. Und dies gelang. Im Saal selber spendeten viele Aktien-HalterInnen den Gegen-RednerInnen Beifall, und nach außen drang ihr Engagement auch. Bis in indische Zeitungen hinein gelangte beispielsweise die Kunde von den 1,4 Millionen Unterschriften zum Stop von Bienenkiller-Pestiziden, die AktivistInnen von SUM OF US dem Vorstand an diesem 29. April überreicht hatten.

Inhalt zum erfolgreichen Protest:
1.: Applaus bei vielen der rEden
2. Vorstand ganz bewusst Reden von Betroffenen durch Pharma-Schäden ans Ende der Veranstaltung als Saal leer: Viele der Anwesenden sind normale Leute.
3.: Abstimmung am Ende: Der Saal war leer (noch max. hundert Leute da) dennoch waren über 50% aller BAYER Aktien vertreten, nur ca. 0.2% weniger als zu dem Zeitpunkt als der Saal noch voll war. D.h. Stimmergebnis um so beeindruckender für uns.

KASTEN

  • 1

Schamlose Profite
Eine BAYER-Aktie hat einen Anteil am Kapital des Konzerns von 2,56 Euro. Auf jede Aktie wurde eine Dividende von 2,50 Euro ausgeschüttet. Das entspricht einer Kapital-Rendite von sage und schreibe 98,0 Prozent. Um diese Schamlosigkeit in der Öffentlichkeit zu verschleiern, wählt der Global Player als Berechnungsgrundlage jedoch den aktuellen Kurs-Wert seiner Aktie, der sich gegenwärtig auf etwa 108 Euro beläuft. Damit fällt die Dividende – Hokuspokus – auf lediglich 2,3 Prozent.

Kasten

  • 2

Abstimmungsergebnisse
Die Abstimmungen auf den AktionärInnen-Hauptversammlungen der Konzerne dominieren wenige GroßaktionärInnen (Ultrareiche, Investmentfonds, Banken etc.) Sie sorgen für sichere Mehrheiten von 90 Prozent + x. Die vielen hunderttausend KleinaktionärInnen besitzen zusammen lediglich fünf bis zehn Prozent der Aktien. Entsprechend beachtlich sind die Abstimmungsergebnisse für Kritischen AktionärInnen bei BAYER. (Da das Unternehmen die Anzahl der Enthaltungen nicht nennt, ergeben sich im Verhältnis der absoluten Zahlen zu den Prozent-Angaben Schwankungen.)

Gewinn-Verwendung
Nein-Stimmen: 892.410 (0,2 Prozent); Vorjahr: 0,3 Prozent

Entlastung Vorstand
Nein-Stimmen: 7.646.422 (1,6 Prozent); Vorjahr: 1,5 Prozent

Entlastung Aufsichtsrat
Nein-Stimmen: 20.356.571 (4,3 Prozent); Vorjahr: 3,1 Prozent

Vergütungssystem Vorstand
Nein-Stimmen: 91.596.999 (18,9 Prozent)

[Dhünnaue] STICHWORT BAYER 03/2016

CBG Redaktion

Wasser, Boden & Luft

Augen zu und durch die Dhünnaue===

„Können Gefahren ausschließen“===

Das Land Nordrhein-Westfalen will die Autobahn A1 ausbauen und dazu auch Hand an eine ehemalige Giftmüll-Deponie BAYERs legen. Nichts kann Kraft & Co. davon abhalten, die Büchse der Pandora zu öffnen.

Von Jan Pehrke

Auch ein Rekord: Mit der Dhünnaue bescherte der BAYER-Konzern seinem Stammsitz die größte Müll-Deponie Europas. 6,5 Millionen Tonnen Abfälle nahm die Erde unter Leverkusen von 1923 bis 1965 auf, davon fast eine Million Tonnen gefährliche Rückstände aus der Chemie-Produktion wie Quecksilber, Arsen, Chrom und Blei. Erst 1995 begannen die Arbeiten zur Sicherung der Altlasten, die geschlagene acht Jahre in Anspruch nahmen (siehe SWB 3/04).
Und jetzt, kaum dass die Dhünnaue – einigermaßen – abgedichtet ist, gibt es Bestrebungen, die Büchse der Pandora wieder zu öffnen. Das Land will nämlich eine neue Autobahn-Brücke errichten sowie die Autobahn A1 erweitern und dafür Teile der Deponie als Baugrund in Beschlag nehmen. Für diese Infrastruktur-Maßnahme, die nicht zuletzt der Pharma-Riese immer wieder eingefordert hat, muss Straßen.NRW als Vorhaben-Träger nun aber wieder ran ans verseuchte Erdreich. Der Landesbetrieb hält das wider Erwarten für ungefährlich. „Wir wissen, was dort liegt, und können unkalkulierbare Risiken ausschließen“, erklärt die Sachverständige Ingrid Obernosterer.

Dort unten fände sich zwar eine wilde Mischung von Substanzen, die Stoff-Konzentrationen seien jedoch nicht besorgniserregend, wiegelt sie ab. Und der Chemie„park“-Betreiber CURRENTA, eine 60-prozentige BAYER-Tochter, erteilt dem Projekt selbstverständlich ebenfalls eine Unbedenklichkeitsbescheinigung.
Viele LeverkusenerInnen beurteilen die Lage allerdings anders. So protestierten am 13. Februar 2016 rund 1.500 BürgerInnen gegen die Pläne, und 300 AnwohnerInnen bzw. Initiativen – darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN – erhoben bei der Bezirksregierung schriftlich Einspruch gegen das Vorhaben. Der Diplom-Ingenieur Helmut Hesse, den die Stadt im Rahmen ihres Dialog-Forums mit der Ausarbeitung einer Alternative zur Stelzen-Autobahn beauftragt hatte, befürchtet etwa Boden-Absenkungen, denn im Gift-Grab rumort es noch. Die organischen Anteile des Mülls zersetzen sich und lassen das Volumen schrumpfen. Der Landesbetrieb will deshalb zwar Teile der Deponie abtragen, aber nach Hesses Meinung reicht der avisierte Aushub nicht, obwohl die Landes-IngenieurInnen die Menge schon von 34.000 m3 auf über 200.000 m3 aufstockten. Der Ingenieur beruft sich dazu den Straßen.NRW-Baugrundsachverständigen selber, der für einen vollständigen Bodenaustausch eintritt, dies aber wegen der hohen Kosten als unrealistisch ansieht.
Helmut Hesse hält eine solche Komplett-Reinigung für unabdingbar, sollte das Land wirklich bei seinen Plänen bleiben. Er selber jedoch tritt dafür ein, die Deponie lieber in Frieden zu lassen. Der Experte plädiert deshalb für „Tunnel statt Stelze“ und weiß sich darin mit vielen Menschen einig. Auf dem Erörterungstermin der Bezirksregierung Köln, der für den Sommer angesetzt ist, werden die LeverkusenerInnen für diese Alternative werben. Und im Herbst entscheidet sich dann, ob die Behörde sich auf die Argumente einlässt oder aber Straßen.NRW eine Baugenehmigung für Brücke und Autobahn erteilt.

[Anhoerung] STICHWORT BAYER 03/2016

CBG Redaktion

Aktion & Kritik

CBG im NRW-Landtag

Die Anhörung

Im August 2015 verweigerte das Oberverwaltungsgericht Münster der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Einsichtnahme in den Kooperationsvertrag zur medizinischen Forschung, den BAYER mit der Universität Köln abgeschlossen hatte. Die Auseinandersetzung um Transparenz in der Drittmittel-Forschung, welche die Coordination mit ihrer Klage angestoßen hatte, geht aber trotzdem weiter.

Von Jan Pehrke

„Universität Köln muss Forschungsvereinbarung mit der BAYER PHARMA AG nicht offenlegen“, dieses Urteil verkündete das Oberverwaltungsgericht Münster am 18. August 2015. Der Richter Sebastian Beimesche hatte die Paragraphen des Informationsfreiheitsgesetzes und des Hochschulzukunftsgesetzes, die Forschung & Lehre von der Transparenz-Pflicht ausnehmen, „weitreichend“ – etwa auch die Forschungsplanung betreffend – ausgelegt und der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Einsichtnahme in den Vertrag verwehrt. So kann die Coordination bis auf Weiteres keine Antworten auf Fragen zur finanziellen Ausgestaltung der Kooperation, zu den Verwertungsrechten, zu den Forschungsvorgaben des Leverkusener Multis und zum Umgang mit negativen Forschungsergebnissen beanspruchen.

„Das Urteil verdeutlicht, dass das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz (IFG) überarbeitet werden muss“, erklärte die Coordination deshalb nach dem OVG-Votum: „Die generelle Ausklammerung des Hochschulbereichs von jeglicher Transparenz muss durch eine differenziertere Regelung ersetzt werden, sonst droht eine Ausrichtung der universitären Forschung auf rein wirtschaftliche Interessen.“ Die nordrhein-westfälische Piratenpartei schloss sich dieser Einschätzung an und startete im Landtag eine Reihe von Initiativen. So lud sie am 28. April 2016 zu einer öffentlichen Anhörung zum Thema, an der die NRW-Datenschutzbeauftragte, VertreterInnen von Unternehmensverbänden, Hochschulen und TRANSPARENCY INTERNATIONAL und für die CBG der Verfasser dieser Zeilen teilnahmen.

Dieser stellte vor dem Innenausschuss noch einmal dar, aus welchen Motiven heraus die Coordination so vehement dafür streitet, den umstrittenen Forschungsvertrag sichten zu dürfen. Jan Pehrke schilderte, welche Dimensionen der Einfluss eines Konzernes wie BAYER auf den Bildungssektor mittlerweile angenommen hat und wie systematisch der Konzern dabei vorgeht. Vom Kindergarten über Schulen bis hin zu Universitäten erstreckt sich das Engagement des Leverkusener Multis. Laut Pehrke kommt das Unternehmen auf über 800 Projekte mit Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen. Und um Kooperationen auf Augenhöhe handle es sich bei solchen Joint Ventures zwischen Unternehmen und Bildungseinrichtungen keineswegs, so der CBGler mit Verweis auf eine Beschäftigte der TU Dortmund, die von „diktierten Verträgen“ sprach. Aus all diesen Gründen hielt er es für das Mindeste, der Gesellschaft Einblick in diese Art von „Forschungspolitik“ zu gewähren.

Die NRW-Datenschutzbeauftragte Helga Block trat ebenfalls für einen verbesserten Zugang zu solchen Informationen ein. Sie rief noch einmal die Auseinandersetzungen um den Transparenz-Paragraphen im Hochschulzukunftsgesetz in Erinnerung und verhehlte dabei nicht, dass ihr Vorgänger und sie selber sich damals eine weitergehende Regelung gewünscht hätten. „Das hat sich so nicht durchgesetzt, und das OVG hat dann ja durch seine Entscheidung im August 2015 deutlich gemacht, dass auch auf der Basis des jetzt in Kraft getretenen § 71a des Hochschulgesetzes NRW die vom Kläger verlangte Veröffentlichung des Rahmenvertrags nicht möglich war“, hielt sie fest. „Wenn der Gesetzgeber da mehr wollte, dann müsste er sich vielleicht noch mal mit dieser Thematik befassen“, folgerte Block.

Für die Juristin zeigt das Urteil noch aus einem anderen Grund, warum „der Weg zu einer geeigneten und hinreichenden Transparenz-Regelung noch nicht abgeschlossen sein kann“, wie sie in ihrer schriftlichen Stellungnahme formulierte. Da das Gericht die Geheimniskrämerei um den Forschungsvertrag mit Verweis auf die grundgesetzlich geschützte Forschungsfreiheit absegnete, sieht Helga Block im Umkehrschluss jede Transparenz-Anstrengung dem Vorwurf ausgesetzt, gegen die Verfassung zu verstoßen. Selbst die Rektorate der Hochschulen könnten deshalb Schwierigkeiten bekommen, wenn sie einen offenen Umgang mit den Kooperationen anstrebten. „Diese Überlegungen unterstreichen und bestärken nachdrücklich die Forderung, gesetzlich verbindlich, klar und bestimmt festzuschreiben, welche konkreten Informationen zu Kooperationsverträgen, Drittmitteln und Forschungsvorhaben ohne Zustimmung der Betroffenen zu veröffentlichen sind“, resümierte sie. Die Mindestanforderungen dafür müssten aus ihrer Sicht Angaben zur Identität des Drittmittel-Gebers, zur Fördersumme, zur Zielsetzung des Projekts und zur Laufzeit sein.
Dagegen wehrten sich die UnternehmensvertreterInnen vehement. Erweiterte Transparenz-Pflichten gefährdeten ihrer Meinung nach die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Hochschulen. Klaus Appelt von der Industrie- und Handelskammer Nordrhein-Westfalen verwies auf eine Umfrage seines Hauses, wonach strengere Veröffentlichungsauflagen 86 Prozent der Firmen von solchen Kooperationen abhalten würden. Und das hätte dem Verband „Unternehmer NRW“ zufolge für den Standort Nordrhein-Westfalen einschneidende Folgen. „Informationsfreiheit muss dort an seine Grenzen stoßen, wo die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährdet ist“, meint deshalb die IHK. Sie beansprucht damit unverhohlen einen Ökonomie-Vorbehalt für Grundrechte.
Aber diese Haltung gerät zurzeit in die Defensive. So hat der Journalist Thomas Leif auf Einsichtnahme in einen vom Pharma-Riesen BOEHRINGER mit der Universität Mainz geschlossenen Vertrag geklagt und in erster Instanz Recht bekommen. Für die Hochschule als Behörde bestehe Medien-VertreterInnen gegenüber Auskunftspflicht, urteilte das Mainzer Verwaltungsgericht, diese könne sich nicht generell auf den Schutz der Wissenschaftsfreiheit berufen, um auf der Geheimhaltung des Kooperationsvertrages zu bestehen. Vielmehr sei hier zwischen der Wissenschafts- und der Pressefreiheit abzuwägen, so die RichterInnen.

Genau das haben die JuristInnen dann auch getan. Dabei kamen sie zu dem Schluss: „Vorliegend überwiegt das Informationsinteresse des Klägers am Zugang zu den streitgegenständlichen Verträgen.“ Und zwar „selbst dann, wenn die streitgegenständlichen Verträge den grundgesetzlich geschützten Bereich der Forschung und Lehre tangieren sollten“, führten sie aus. Zur Begründung verwies das Gericht darauf, dass die Universität das Kooperationsabkommen im Zuge der Auseinandersetzung mit Leif schon einmal einigen JournalistInnen vorgelegt habe. Von den Ausnahme-Regelungen des rheinland-pfälzischen Transparenz-Gesetzes die Forschung betreffend ließ es sich ebenfalls nicht blenden: „Die Ausschluss-Tatbestände des Transparenz-Gesetzes sind (...) weder unmittelbar noch analog auf den medienrechtlichen Auskunftsanspruch anwendbar.“
Ein weiteres Verfahren in dieser Sache steht noch vor der Entscheidung, während in Fachzeitschriften Rechtswissenschaftlerinnen wie Dr. Christine Goth schon massiv Kritik am Urteil des OVG Münster gegen die Coordination üben. Das Land Niedersachsen hat derweil eigene Schlussfolgerungen aus den juristischen Auseinandersetzungen um die Transparenz-Vorschriften gezogen.

„Wissenschaftsfreiheit und schützenswerte Interessen Dritter machen gesetzliche Regelungen zu einem stumpfen Schwert“, sagt die dortige Wissenschaftsministerin Dr. Gabriele Heinen-Kljajić. Deshalb hat sie mit den Universitäten des Landes Leitlinien zur Transparenz vereinbart, die Veröffentlichungspflichten umfassen. Einige Bildungseinrichtungen versuchen zwar nach Kräften, wichtige Angaben für sich zu behalten, aber die Ministerin versprach in einem Taz-Interview, Druck zu machen. Und Nordrhein-Westfalen? Hier verweist die Landesregierung auf „Abstimmungsgespräche im politischen Raum zur Weiterentwicklung des IFG (Informationsfreiheitsgesetz, Anm. SWB) zu einem Transparenz-Gesetz“. Da hält es die CBG einstweilen doch lieber mit Goethe: „Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2016

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG beim „Terra Viva March“
Der Düsseldorfer „March against MONSANTO“ hieß diesmal „Terra Viva March“, „March against BAYER“ wäre vielleicht aber der passende Namenswechsel gewesen, schickt der Leverkusener Multi sich doch gerade an, seinen US-amerikanischen Konkurrenten zu übernehmen. Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) war die Teilnahme aus gegebenem Anlass diesmal ein noch wichtigeres Anliegen. Der neue CBG-Geschäftsführer Toni Michelmann malte den DemonstrantInnen in seinem Rede-Beitrag plastisch aus, was es bedeutet, wenn BAYER der Coup gelingen und das Unternehmen damit ein Monopol über die globalen Nahrungsmittel-Märkte erlangen sollte.

Anhörung im Landtag
Am 18. August 2015 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster die Klage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) abgelehnt und ihr die Einsichtnahme in den Vertrag verwehrt, den BAYER mit der Universität Köln im Bereich medizinischer Forschungen abgeschlossen hatte. Für die Piraten-Partei zeigte dieses Urteil, wie dringlich eine gesetzliche Neuregelung der Transparenz-Vorschriften in den Landesgesetzen Nordrhein-Westfalens ist. Deshalb startete sie verschiedene Initiativen. Dazu gehörte unter anderem eine öffentliche Anhörung zum Thema im Landtag, die am 28. April 2016 stattfand. Zu den Eingeladenen gehörte auch ein Vertreter der CBG. Dieser legte dem Innenausschuss noch einmal dar, welch einen enormen Einfluss ein Konzern wie BAYER mittlerweile nicht nur auf Hochschulen, sondern auf den gesamten Bildungssektor hat, weshalb dieses Treiben nicht im Verborgenen stattfinden dürfe. Christopher Bohlens von TRANSPARENCY INTERNATIONAL und die NRW-Datenschutzbeauftragte Helga Block traten ebenfalls für erweiterte Informationspflichten bei Kooperationen zwischen Wirtschaft und Universitäten ein. Die EmissärInnen der Unternehmensverbände wollten indessen die Geheimniskrämerei fortführen. „Informationsfreiheit muss dort an seine Grenzen stoßen, wo die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährdet ist“, meinte etwa die nordrhein-westfälische Industrie- und Handelskammer in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur Anhörung.

Proteste gegen GAUCHO & Co.
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Die EU hat diese Stoffe deshalb ebenso wie andere Ackergifte dieser Substanz-Klasse bereits mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt.
Und nicht nur bei seinen Hauptversammlungen sieht sich der Leverkusener Multi mit direkter Kritik in Sachen „GAUCHO & Co.“ konfrontiert. So initiierte die Organisation FRIENDS OF THE EARTH im April 2016 Demonstrationen vor Konzern-Niederlassungen im US-amerikanischen Washington, im kanadischen Montreal und im englischen Newbury.

Kritik an „Neuer Allianz“
Im Jahr 2012 gründeten BAYER, MONSANTO, CARGILL, DUPONT und andere Agro-Riesen gemeinsam mit den führenden Industrie-Staaten am Rande eines G8-Treffens die „Neue Allianz für Ernährungssicherheit“. Die „Public Private Partnership“ will Entwicklungshilfe nach Konzern-Gusto machen und strebt deshalb unter anderem an, die „Verteilung von frei verfügbarem und nicht verbessertem Saatgut systematisch zu beenden“. Dafür akquiriert die Allianz nicht zu knapp öffentliche Gelder. Allein die Bundesrepublik stellte ihr in den Jahren bis 2014 über 50 Millionen Euro zur Verfügung. Luis Muchanga vom UNAC, dem mosambikanischen Verband für Kleinbauern und -bäuerinnen, kritisiert das Treiben der Multis scharf. „Die Neue Allianz beunruhigt uns und die mosambikanischen Kleinbauern sehr. Wir sind gegen das Modell einer industrialisierten Landwirtschaft, das die Neue Allianz propagiert. Ernährungssicherheit, wie sie der Neuen Allianz vorschwebt, ist etwas völlig anderes als die Ernährungssouveränität, für die wir eintreten“, so Muchanga.

Manipulierte Glyphosat-Studien
Ein ehemaliger Mitarbeiter der US-amerikanischen Umweltbehörde „Environmental Protection Agency“ (EPA) erhebt schwere Vorwürfe gegen seine einstige Arbeitsstelle. William Sanjour bezichtigt die EPA in seinem Buch „Poison Spring“, die Zulassung von Pestiziden nicht widerrufen zu haben, obwohl sich die zur Genehmigung vorgelegten Studien als manipuliert erwiesen hatten. Die Behörde hätte stattdessen von den Herstellern einfach nur neue Untersuchungen eingefordert, so Sanjour. Auch bei dem umstrittenen Ackergift Glyphosat, das unter anderem MONSANTO und BAYER produzieren, ging die Agency dem Whistleblower zufolge so vor.

Habeck für Pestizid-Steuer
Dänemark, Frankreich und Schweden erheben eine Steuer auf Pestizide, um einen Anreiz zu setzen, die Ausbringung der Ackergifte zu reduzieren. Die Einführung einer solchen Maßnahme schlägt in einer Studie, die der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister Robert Habeck von Bündnis 90/die Grünen in Auftrag gab, jetzt auch das „Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung“ vor. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) fordert eine solche Abgabe bereits seit Längerem.

Leserbrief zu Menschenversuchen
Die vom VEREIN DEMOKRATISCHER ÄRZTINNEN UND ÄRZTE herausgegebene Zeitschrift Gesundheit braucht Politik hatte in ihrer Ausgabe 4/15 einen Text über den BAYER-Forscher Gerhard Domagk veröffentlicht, der 1935 die antibakterielle Wirkung eines Sulfonamid-Farbstoffes entdeckt hatte und dafür später den Nobelpreis erhielt. Mit eben diesem Sulfonamid unternahm die vom Leverkusener Multi mitgegründete IG FARBEN in Konzentrationslagern Menschenversuche. Da der Artikel diesen Sachverhalt bestritt und stattdessen behauptete, die IG FARBEN hätte die Sulfonamid-Lieferungen in die KZs eingestellt, nachdem sie von den dortigen Experimenten erfahren hatte, schrieb die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen Leserbrief. Darin wies die CBG auch auf eine SWB-Veröffentlichung zum Thema hin, die mit Zitaten aus dem Beweis-Material zu den Nürnberger Prozessen eindeutige Belege für dieses Kriegsverbrechen des Großkonzerns anführte. „Medikamente sind von der IG unmittelbar an Konzentrationslager in solchen Mengen versandt worden, dass schon hieraus die Verwendung dieser Medikamente zu unzulässigen Zwecken hätte gefolgert werden müssen“, hieß es in den Dokumenten unter anderem.

ÄrztInnen gegen CO-Pipeline
Nicht nur die zwischen den BAYER-Werken Dormagen und Krefeld verlegte Kohlenmonoxid-Pipeline wirft Sicherheitsfragen auf. Auch die in den 1960er Jahren zwischen Dormagen und Leverkusen gebaute und schon genutzte Verbindung birgt hohe Risiken. Eine ÄrztInnen-Initiative forderte die nordrhein-westfälische Landesregierung deshalb in einem Brief auf, dem Röhren-Verbund die Betriebserlaubnis zu entziehen. Unter anderem begründeten die MedizinerInnen dies mit den unzureichenden Katastrophenschutz-Maßnahmen. „Die bestehenden Leckerkennungssysteme schlagen erst an, wenn bereits 100 Kubikmeter CO ausgetreten sind. Dabei können schon ein oder zwei Atemzüge ausreichen, um einen Menschen zu töten. Ein Vollbruch der Leitung könnte eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes zur Folge haben“, heißt es in dem Schreiben.

KAPITAL & ARBEIT

US-Werke ohne GewerkschaftlerInnen
In den USA haben die Gewerkschaften traditionell eine schweren Stand, bei BAYER allerdings einen noch schwereren: Während der Organisationsgrad in den Betrieben durchschnittlich bei 6,7 Prozent liegt, beträgt er in den US-Niederlassungen des Leverkusener Multis nur 5,5 Prozent. Diesen „Erfolg“ können sich die dortigen ManagerInnen gutschreiben, denn sie versuchen mit allen Mitteln, die Gründung von Beschäftigten-Vertretungen zu hintertreiben. So schüren sie etwa die Angst, Betriebszellen würden den jeweiligen Standort und damit auch die Jobs gefährden. In Emeryville hat der Konzern GewerkschaftlerInnen vor den Beschäftigten sogar als Schmarotzer diffamiert, die es nur auf die Mitgliedsbeiträge abgesehen hätten. Und schließlich müssen organisierte Belegschaftsmitglieder bei Entlassungen immer auch als erste dran glauben.

Erneute Effizienz-Offensive
Im Zuge der Trennung von seiner Kunststoff-Sparte hat der Leverkusener Multi die Holding-Struktur mit den vormals selbstständig agierenden Teil-Bereichen aufgegeben. „Wir sind überzeugt davon, dass die stärkere Verzahnung von strategischen und operativen Aufgaben BAYER voranbringen wird“, sagte Aufsichtsratschef Werner Wenning zur Begründung. Und der Konzern verbindet mit der Veränderung auch ein neues Rationalisierungsprogramm. „Es gibt einige Bereiche, wo unsere Mitbewerber effizienter arbeiten“, mit diesen Worten stimmte der Manager Markus Arnold die Beschäftigten auf die Maßnahme ein. Unter anderem will er Doppelarbeiten, nicht reibungslos funktionierende Herstellungsprozesse und Probleme bei den Zuständigkeitsregelungen ausgemacht haben.

Ausgliederung im Lager-Bereich
BAYER hat am Standort Dormagen die Pestizid-Produktion beträchtlich gesteigert. Deshalb reichen die Lager-Kapazitäten nicht mehr aus. Nun hat der Leverkusener Multi aber nicht etwa mit einem Erweiterungsbau begonnen, sondern einfach bei einem externen Dienstleister in Düsseldorf 20.000 Paletten-Plätze angemietet. Bleibt nur zu hoffen, dass der Anbieter auch die für die Unterbringung von Chemikalien nötigen Sicherheitsmaßnahmen getroffen hat.

24 Millionen für den Vorstand
Der BAYER-Vorstand konnte sich auch 2015 wieder über eine saftige Gehaltserhöhung freuen. Die Gesamtbezüge stiegen gegenüber dem Vorjahr von 22,2 Millionen auf 23,8 Millionen Euro. Und darüber hinaus
musste der Konzern noch 2,3 Millionen Euro für die späteren Pensionen der ManagerInnen zurücklegen.

BAYER stößt Haushaltsgifte-Sparte ab
Der Leverkusener Multi trennt sich von seinen Haushaltsgiften. Das Unternehmen verkaufte die Sparte mit den Pestiziden für den Haus- und Gartenbereich, mit der es zuletzt einen Umsatz von rund 240 Millionen Euro machte, an das französische Unternehmen SBM. Alle 250 Arbeitsplätze dürften diese Transaktion wohl kaum überleben.

ERSTE & DRITTE WELT

Marketing-Instrument „Health Camps“
Der indische Staat hat – vornehmlich in der Nähe von Slums – Gesundheitscamps eingerichtet, um wenigstens für eine notdürftige medizinische Versorgung der Armen zu sorgen. Auch BAYER, ROCHE und andere große Pharma-Firmen sind in den „Health Camps“ präsent. Entwicklungshilfe leisten sie dort allerdings nicht, auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag. Die Konzerne stellen den in den Camps praktizierenden ÄrztInnen Personal und Apparaturen zur Diagnose von Krankheiten zur Verfügung, erwarten aber eine kleine Gegenleistung: Das Verschreiben ihrer Medikamente. „Die Förderung des Arznei-Umsatzes durch Screening-Programme, welche den Anschein von Wohltätigkeit verbreiten, ist eine gängige Praxis in Indien“, kritisiert das British Medical Journal. Das Fachblatt sieht darin einen klaren Verstoß gegen die Grundsätze eines verantwortungsvollen Marketings, zu denen sich BAYER & Co. immer gerne bekennen. Auch der holländische Mediziner Hans Hogerzeil geißelt das Treiben der Pillen-Riesen: „Ich würde das eine Markt-Penetration unter dem Label der Corporate Social Responsibility nennen.“

KONZERN & VERGANGENHEIT

Merkel spricht Chemie-Verbrechen an
2013 konnte der BAYER-Konzern zu seinem 150-jährigen Betriebsjubiläum Bundeskanzlerin Angela Merkel als Festrednerin gewinnen. Im Vorfeld hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Christdemokratin in einem Offenen Brief aufgefordert, in Leverkusen auch die dunklen Kapitel der Vergangenheit des Unternehmens wie etwa Giftgas-Produktion, ZwangsarbeiterInnen und Menschenversuche in den KZs anzusprechen. Das tat Merkel jedoch nicht. Drei Jahre später bei der BASF jedoch zeigte sie mehr Geschichtsbewusstsein. Bei den Feierlichkeiten zu „100 Jahre Leuna“ verschwieg die Politikerin die Chemie-Verbrechen nicht länger. „Es bleibt unsere Pflicht, daran zu erinnern“, mahnte sie.

BAYERs „Max Planck“-Connection
2015 war ein trauriges Jubiläum zu begehen: „25 Jahre Freiland-Versuche in Deutschland“. 1990 hatte das Kölner „Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung“ gentechnisch veränderte Petunien ausgesetzt. Der Leverkusener Multi war frühzeitig in das Projekt involviert. Er unterstützte die Experimente finanziell und sicherte sich so Zugriff auf die Ergebnisse. Dem Gen-ethischen Informationsdienst (GID) berichtete der damalige Forschungsleiter Dr. Heinz Saedler, dass „die Mitarbeiter der Firma BAYER (...) an unser Institut gekommen waren, um die Methodik und das Know-how kennenzulernen, um beides dann zu Hause auf ihre Projekte anwenden zu können.“ Und genauso hatte es sich die bundesdeutsche Forschungspolitik auch gedacht. Sie war Saedler zufolge nämlich darauf aus, „die Grundlagen-Forschung so zu entwickeln, dass sie in Anwendungsnähe kommt“.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER setzt EFSA unter Druck
BAYERs Pestizid Thiacloprid hat die EU im Gegensatz zu den anderen beiden bienengefährlichen Neonicotinoiden Imidacloprid und Clothianidin von ihrem vorläufigen Verbot verschont. So findet sich der Stoff dann nicht nur in den Bienen selber wieder, sondern auch in ihrem Produkt, dem Honig. Und seit Kurzem darf es sogar wieder ein wenig mehr sein: Als die Europäische Behörde für Lebensmittel (EFSA) den Grenzwert für Thiacloprid im Februar 2016 von 0,2 auf 0,05 mg/kg senkte, schrieb der Konzern nämlich einen Brandbrief nach Brüssel und bekam prompt „geliefert“ – die EFSA machte den Beschluss rückgängig.

Gekaufte Glyphosat-Wissenschaft
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz kommt, aber auch in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, gilt als gesundheitsgefährdend. So hat eine Krebsforschungseinrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Substanz im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Just vor der Sitzung eines EU-Gremiums, das sich mit der Frage eines Verbotes dieser Agro-Chemikalie befasste, legte eine aus WissenschaftlerInnen der Welternährungsorganisation FAO und der WHO gebildete Kommission jedoch eine entlastende Studie vor. „Die Experten sind nach eingehender Analyse aller vorliegenden Daten zu dem Schluss gekommen, dass für den Verbraucher von den Glyphosat-Rückständen in Lebensmitteln kein Gesundheitsrisiko ausgeht“, erklärte eine WHO-Sprecherin. Was sie jedoch nicht erklärte: Sowohl der Vorsitzende des „Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues“ als auch sein Stellvertreter gehören dem „International Life Science Institute“ an, das schon Spenden von rund 500.000 Dollar von MONSANTO und Croplife – dem Lobbyverband von MONSANTO, BAYER & Co. – erhielt.

Merkel kaut BAYER-PR nach
Die Agro-Riesen gerieren sich beim Verkauf ihrer Pestizide und Gen-Pflanzen gerne als bessere EntwicklungshelferInnen, denen es nur darum gehe, alle Menschen satt zu machen. Und so will BAYER dann auch MONSANTO selbstverständlich nur schlucken, um „die weltweite Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung mit gesunden, sicheren und bezahlbaren Lebensmitteln zu ermöglichen“. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel verbreitet diese PR-Lügen. In einer Rede lobte sie BAYER & Co. dafür, „bei der Bekämpfung des Hungers eine zentrale Rolle“ zu spielen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte diese Äußerung scharf. „Das von BASF, BAYER und Co. propagierte Modell der industriellen Landwirtschaft ist gescheitert. Es führt zu einem erhöhten Ausstoß von Klimagasen, dem Verlust fruchtbarer Böden sowie zu einer verringerten Biodiversität. Hunger ist in den meisten Fällen eine Folge von Armut und sozialer Ungerechtigkeit. Die Kanzlerin sollte an dieser Stelle nicht die gebrochenen Versprechungen der Konzerne nachbeten“, erklärte CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes.

Schäuble zu BAYER-Diensten
Die Konzerne nutzen alle Steuersparmodelle, die sich ihnen so bieten. BAYER tut sich hierzu vor allem in Belgien und in den Niederlanden um. Dort haben etwa BAYER WORLD INVESTMENTS, BAYER GLOBAL INVESTMENTS, BAYER CAPITAL CORPORATION und BAYER ANTWERPEN ihren Sitz (siehe auch ÖKONOMIE & PROFIT). Weil den Finanzämtern durch solche Briefkasten-Firmen Milliarden entgehen, plant die Europäische Kommission Maßnahmen gegen das Vorgehen der Groß-Unternehmen. Dazu zählt beispielsweise, die Gesellschaften zur Offenlegung der Abgaben zu veranlassen, die sie in den jeweiligen Staaten leisten. Und die Zahlen dieses „Country-by-Country-Reportings“ sollten nach Ansicht der EU nicht nur den FinanzbeamtInnen zur Verfügung stehen, sondern allen, die sich dafür interessieren. Dagegen wehrt sich der Leverkusener Multi jedoch vehement. „Diese Form der Transparenz ist wenig hilfreich“, meint BAYERs Steuer-Chef Bernd-Peter Bier und sieht gleich den ganzen Standort Europa in Gefahr. „Drittstaaten – aber im Übrigen auch Wettbewerber – können so an die Kennziffern der europäischen Unternehmen gelangen, ohne dass sie dafür die Daten der eigenen Unternehmen preisgeben müssen“, warnt er. Darum appelliert er an die Politik: „Wir erwarten ein Signal, dass Deutschland seine Unternehmen schützt.“ Und von Finanzminister Wolfgang Schäuble kam ein solches Signal dann auch prompt. „Fachleute wissen, dass der Informationsaustausch sehr viel weniger effizient sein wird, wenn er öffentlich sein wird“, hielt er fest und setzte sich in Brüssel für die „effiziente“ Lösung ein. Damit nicht genug, drang der Finanzminister zusätzlich noch darauf, die Tochter-Firmen der Aktien-Gesellschaften von der Berichtspflicht zu entbinden. Das wollten seine KollegInnen aus den anderen Mitgliedsstaaten jedoch nicht mitmachen. „Wir wurden hierbei von keinem MS (Mitgliedsstaat, Anm. Ticker) unterstützt, klagt sein Ministerium. Nicht einmal in Deutschland selber hat Schäuble für seine Beistandspolitik ausreichend Rückendeckung. Sowohl Justizminister Heiko Maas (SPD) als auch die meisten Ministerpräsidenten der Länder, denen durch die ganz legalen Steuertricks der Konzerne viele Einnahmen entgehen, treten einstweilen für das Recht der Öffentlichkeit ein, mehr über das Finanz-Gebaren von BAYER & Co. zu erfahren.

Preis für Chlor-Fertigungsstätte
Mit einer Chlor-Produktion von über einer Million Tonnen gehört BAYER europa-weit zu den größten Anbietern der Substanz. Dennoch sperrte sich der Leverkusener Multi lange gegen eine umweltschonendere Fertigung dieser gefährlichen Chemikalie. Während viele mittelständische Betriebe ihre Chlor-Herstellung schon lange auf das Membran-Verfahren umgestellt hatten, bei dem kein giftiges Quecksilber als Produktionsrückstand mehr anfällt, hielt der Konzern noch eisern am Unbewährten fest. Erst als Subventionen in Höhe von sechs Millionen Euro aus dem Forschungsministerium lockten, zeigte er sich zu Veränderungen bereit. Gemeinsam mit dem Anlagenbauer UHDE und der RWTH Aachen entwickelte das Unternehmen das Membran-System bei dieser Gelegenheit gleich so weiter, dass zur Einspeisung des zur Elektrolyse benötigten Sauerstoffs weniger Energie erforderlich ist als bisher. Und genau dafür erhielt der Global Player nun vom Land Nordrhein-Westfalen einen Klimaschutz-Preis, obwohl seine gesamten Kohlendioxid-Emissionen im Jahr 2015 stiegen (siehe WASSER, BODEN & LUFT).

BAYERs Nachwuchsarbeit gefällt Obama
Seit Jahr und Tag bemüht sich der Leverkusener Multi, die Naturwissenschaften von ihrem schlechten Image zu befreien und Nachwuchsarbeit zu betreiben. An kritischen WissenschaftlerInnen hat er dabei natürlich kein Interesse, außer Gentechnik und Agro-Chemie steht nicht viel auf dem Lehrplan. „Making Science Make Sense“ heißt das betreffende Programm in den USA. Und dem Konzern gelang es sogar, US-Präsident Barack Obama dafür einzunehmen. „BAYER setzt sich dafür ein, 100.000 amerikanische Eltern und ihre Kinder zusammenzubringen, um gemeinsam im Rahmen von Wissenschafts- und Techologie-Projekten zu arbeiten“, lobte er etwas unkonkret.

Prizker bei BAYER
Im letzten Herbst besuchte die US-amerikanische Handelsministerin Penny Prizker die Berliner BAYER-Niederlassung. Im Beisein von Thorben Albrecht, Staatssekretär im „Bundesministerium für Arbeit und Soziales“, informierte sie sich dem Leverkusener Multi zufolge über die Berufsausbildung in Deutschland und die Frage, wie sich die Unternehmen hierzulande auf den technologischen Wandel durch die Digitalisierung einstellen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Einweihung der „Dream Production“
Am 17. Juni 2016 nahm die BAYER-Tochter COVESTRO ihre „Dream Production“ offiziell in Betrieb. „CO2, das unpopuläre Treibhaus-Gas – so ist gemeinhin die Wahrnehmung. Doch das ist eigentlich nur die halbe Wahrheit. Denn wie im Theater sich der vermeintliche Bösewicht häufig als Held erweist, so hat auch Kohlendioxid sozusagen zwei Gesichter. Es ist nämlich gleichzeitig ein nützlicher Helfer“, mit diesen Worten pries COVESTRO-Chef Patrick W. Thomas die neue Rolle des CO2 als Grundstoff zur Herstellung von Kunststoffen in Dormagen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zweifelt allerdings an den dem Kohlendioxid nun zugesprochenen Star-Qualitäten. Für sie ist die „Dream Production“ alles andere als eine Traumfabrik. Das gesamte Verfahren erfordert nämlich selber viel Energie, bei deren Erzeugung als Nebenwirkung Kohlendioxid entsteht. So schlägt etwa die Herstellung von Katalysatoren, die das reaktionsträge CO2 aktivieren, in der Klimabilanz als Negativposten zu Buche. Als „bestenfalls marginal“ bezeichnete die CBG in ihrer Presseerklärung deshalb die Verbesserung des CO2-Footprints für den gesamten Prozess. Auf rund zehn Prozent beläuft sich die Einsparung, während die gesamten BAYER-Emissionen weiter zunehmen (siehe WASSER, BODEN & LUFT). An der COVESTRO ging diese bereits im Frühjahr 2016 erstmals geübte Kritik nicht spurlos vorüber. Sie versucht jetzt nicht mehr mit einer guten Klima-Bilanz durch die CO2-Kunststoffe zu punkten, sondern betont die Schonung natürlicher Ressourcen durch die Verwendung von Kohlendioxid statt Öl. Und wenn die Gesellschaft im Vorfeld schon eine Medien-Agentur engagiert hatte, um sich mittels der „Dream Production“ als Umweltengel in Szene zu setzen, so zeigte sie zur Eröffnung „low profile“. Nicht einmal eine Pressemitteilung veröffentlichte das Unternehmen zur Einweihung der Fertigungsstätte.

BAYERs Innovationsapotheke
Die ApothekerInnen beraten die KundInnen, und BAYER berät die ApothekerInnen – was dabei herauskommt, ist klar: BAYER-Produkte in den Taschen der KundInnen. Der Leverkusener Multi hat zur Sicherung dieses Mechanismus’ in Köln eine „Innovationsakademie Deutscher Apotheken“ (IDA) aufgebaut, die angeblich schon mit über 1.000 Pharmazien zusammenarbeitet. In der IDA hat er sogar die Möglichkeit, den PharmazeutInnen ganz praktischen Unterricht zu geben. Zur Ausstattung gehört nämlich eine Muster-Apotheke, die auf dem neuesten technischen Stand ist. So verfügt sie etwa über eine Kamera, welche die Laufwege von KundInnen aufnimmt, um Aufschlüsse darüber zu gewinnen, wie die ApothekerInnen ihnen möglichst viele Waren vor die Nase setzen können. Ganz oben auf dem Lehrplan der Akademie steht für BAYER dann auch „die Frage, wie sich durch die richtige Präsentation der Verkauf von OTC-Produkten steigern lässt. Dabei steht ‚OTC’ für nicht verschreibungspflichtige Medikamente“. Und das kommt nicht von ungefähr. „Gerade dieser Bereich wird für Apotheker immer wichtiger. Denn er bietet viel Potenzial, um Impulskäufe zu generieren“, hält der Konzern fest, ohne zu erwähnen, dass dieser Bereich deshalb auch für ihn immer wichtiger wird. Er tut jedoch alles dafür, ASPIRIN & Co. auf diesem Gebiet die besten Ausgangspositionen zu verschaffen. Der Konzern gibt etwa Regal-Systeme und andere Einrichtungsgegenstände kostenlos ab; lediglich eine kleine Gegenleistung verlangt er: „BAYER-Produkte erhalten dafür in der Apotheke die prominentesten Plätze.“

Chemie-Tag mit TU Dortmund
Der Leverkusener Multi veranstaltet regelmäßig „Tage der Chemie“, um zu versuchen, das Image dieser nicht eben gut beleumundeten Naturwissenschaft aufzupolieren. Dabei setzt das Unternehmen traditionell schon bei den Jüngsten an. Im Bergkamener Werk beispielsweise veranstaltete es einen SchülerInnen-Wettbewerb, um das Interesse der Youngster zu wecken. Aber auch um die Älteren kümmerte der Konzern sich zu diesem Anlass. So bewegte er die ihm seit langer Zeit in Freundschaft verbundene TU Dortmund dazu, an dem BAYER-Standort über ihre Studiengänge zu informieren, damit die Bildungsstätte ihm auch weiterhin passgenauen, unkrititischen Nachwuchs liefert.

VFA im Kontrollwahn
Die Multis investieren viel Zeit und Geld in das sogenannte Reputationsmanagement. Und zuweilen drohen sie auch mit Anzeigen-Entzug oder bemühen Gerichte, um eine konzern-freundliche Berichterstattung durchzusetzen. Besonders doll trieb es jetzt der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“. Er hielt eine Presse-Konferenz ab und verlangte anschließend von den JournalistInnen, ihm die Artikel vor Erscheinen noch einmal zur Freigabe der wörtlichen Zitate vorzulegen. „Es herrscht ein Kontrollwahn“, empörte sich Klaus Max Smolka in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über diese Gängelung. Ein mutiger Schritt, denn wer sich den Gepflogenheiten der Konzerne nicht fügt, riskiert berufliche Nachteile wie etwa den, keine Einladungen zu Hintergrund-Gesprächen mehr zu erhalten.

Tomaten-PR in der Rheinischen Post
BAYER zählt in Europa zu den größten Züchtern von Tomaten-Saatgut (siehe auch PFLANZEN & SAATEN). Und obwohl sich das in der Angebotspalette neben Pestiziden, Gen-Pflanzen und Medikamenten nicht gerade gut macht, steht der Leverkusener Multi zu dem Produkt-Segment und sucht seit einiger Zeit verstärkt die Öffentlichkeit. So gewann er die Rheinische Post dazu, Reklame für CALIFORNICATION, ROTATION und andere „High-Tech-Tomaten“ zu machen. Auf einer ganzen Seite, dekoriert von Rezeptvorschlägen, breitete die Zeitung die Story vom Gemüse-Bauern BAYER aus.

Marketing-Ausgaben steigen weiter
BAYER gibt immer mehr Geld für Marketing und Vertrieb aus. 2015 stiegen die Zahlen gegenüber dem Vorjahr um 15,9 Prozent auf 12,36 Milliarden Euro. Obwohl das mehr als einem Viertel des Gesamtumsatzes entspricht, verweigert der Konzern der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den Hauptversammlungen seit Jahren eine genauere Aufschlüsselung dieser Ausgaben.

DRUGS & PILLS

BAYER stoppt STIVARGA-Vertrieb
Nach dem Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 müssen neue Medikamente eine Kosten/Nutzen-Prüfung durchlaufen. Schaffen die Arzneien es dann in diesem Prozess, ihre Überlegenheit gegenüber den gängigen Pharmazeutika unter Beweis zu stellen, können die Hersteller in den Verhandlungen mit den Krankenkassen einen besonders hohen Preis für die Präparate verlangen. Dem BAYER-Mittel STIVARGA (Wirkstoff: Regorafenib) gelang dies für das Anwendungsgebiet „fortgeschrittener Darmkrebs“ jedoch nicht (siehe Ticker 2/16). Einen Zusatznutzen vermochte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von MedizinerInnen, Krankenhäusern und Krankenkassen bei dieser Indikation nicht auszumachen. Er folgte damit der Bewertung, die das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG) vorgelegt hatte. Demnach verlängerte STIVARGA zwar das Leben der PatientInnen um rund 45 Tage, die stärkeren Nebenwirkungen wie z. B. Durchfall heben diesen positiven Effekt nach Ansicht des IQWiG jedoch wieder auf. Auch zweifelte das Institut die Ergebnisse der STIVARGA-Tests, die zur Zulassung der Arznei geführt hatten, wegen nicht eingehaltener Studien-Standards an. Der Konzern reagierte schroff auf das Votum. Er bezeichnete die Entscheidung als „nicht nachvollziehbar“ und entschied kurzerhand, das Pharmazeutikum in Deutschland vom Markt zu nehmen.

Neue ASPIRIN-Studie
Mit Verweis auf eine Studie der TU München versucht BAYER, den Verkauf des Schmerzmittels ASPIRIN weiter anzukurbeln. Die ForscherInnen um Markus Ploner hatten herausgefunden, dass sich körperlicher Schmerz binnen kurzem in der Psyche niederschlägt. „Es ist grundsätzlich richtig, jede Art von Schmerz ernstzunehmen und die Schmerz-Weiterleitung frühzeitig und ausreichend zu unterbinden, um eine Chronifizierung (...) zu unterbinden“, meint deshalb Prof. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel. Und von diesem Statement ist es dann nicht mehr weit bis zur Produkt-Empfehlung des Leverkusener Multis: „Hier punktet die weiterentwickelte ASPIRIN-Tablette: Eine erste spürbare Schmerz-Linderung tritt bereits 16 Minuten nach der Einnahme ein.“ Bis zu den ersten Nebenwirkungen dauert es hingegen ein wenig länger, dafür kommen sie gewaltig – Magenblutungen zählen zu den gravierensten.

LAIF-Lieferengpass
Kein Johanneskraut-Mittel verschreiben die MedizinerInnen so oft wie BAYERs LAIF. Für 30 Millionen Tagesdosen des Präparats, das bei leichten bis mittelschweren Depressionen Anwendung findet, erstellten die ÄrztInnen 2014 Rezepte. In diesem Jahr dürften es jedoch weniger sein. Der Leverkusener Multi kann nämlich nicht liefern, und die PatientInnen stehen auf dem Schlauch. Über die Gründe macht der Konzern nur ungenaue Angaben. Teile der neuen Ernte hätten die hohen Qualitätsstandards nicht in allen Punkten erfüllt, verlautet aus der Unternehmenszentrale. Darüber, ob die Probleme mit neuen Auflagen des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) bezüglich der Rückstände von Pyrrolizidinalkaloiden zusammenhängen, schweigt sich der Pharma-Riese aus. Fragen zur Belastung seiner LAIF-Pflanzen mit diesen von Kräutern zur Insektenabwehr gebildeten Giften ließ er unbeantwortet.

Neue Hormon-Spirale
BAYERs Hormon-Spiralen haben beträchtliche Nebenwirkungen. Bei MIRENA etwa reichen sie von nächtlichen Schweißausbrüchen, Herzrasen und Unruhe über Schlaflosigkeit und Bauchkrämpfe bis hin zu Oberbauchschmerzen. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA erhielt bereits über 45.000 Meldungen zu solchen unerwünschten Arznei-Effekten. Trotzdem will der Leverkusener Multi seine Produkt-Palette in diesem Bereich noch einmal erweitern. Er hat in den USA und in der EU einen Zulassungsantrag für die Spirale LCS-16 gestellt und stellt als besonderen Vorteil die geringe Konzentration des Wirkstoffes Levonorgestrel heraus. Als „hocheffektiv und gleichzeitig gut verträglich“ bezeichnet der Konzern seine neueste Errungenschaft. Aber das sagt er in seinen Hauptversammlungen ja auch immer über MIRENA, wenn Geschädigte ihn mit ihren Krankengeschichten konfrontieren.

41 Anwendungsbeobachtungen
Erkenntnisse werfen die Beobachtungsstudien zu Arzneien, die MedizinerInnen mit ihren PatientInnen durchführen, kaum ab. Das ist aber auch gar nicht Sinn der Übung. Die Anwendungsuntersuchungen verfolgen einzig den Zweck, die Kranken auf das getestete Präparat umzustellen. Dafür zahlen die Pharma-Riesen den ÄrztInnen jährlich ca. 100 Millionen Euro. Rund 700 Euro erhalten diese pro TeilnehmerIn. „Fangprämien“ nannte ein ehemaliger Vorsitzender der „Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein“ diese Zuwendungen einst. 41 solcher „Studien“ mit BAYER-Medikamenten fanden nach Angaben des Recherche-Netzwerkes Correct!v von 2009 bis 2014 in den Praxen statt. Unter anderem testeten die MedizinerInnen für den Konzern das Antibiotikum AVALOX, das MS-Präparat BETAFERON, das Kontrastmittel GADOVIST, das Blutprodukt KOGENATE und die Krebs-Arznei NEXAVAR.

BAYERs DDR-Arzneitests korrekt?
Im Jahr 2013 berichtete der Spiegel über großflächige Arznei-Tests bundesdeutscher Pharma-Firmen in der ehemaligen DDR. Von 1961 bis 1990 fanden dort ca. 600 Arznei-Versuche mit ungefähr 50.000 ProbandInnen statt. Auch BAYER war mit von der Partie. Der Pharma-Riese erprobte im anderen Deutschland unter anderem das Antibiotikum CIPROBAY, das Diabetikum GLUCOBAY, das die Gehirn-Durchblutung fördernde Mittel NIMOTOP und das zur Blutstillung nach Bypass-Operationen zum Einsatz kommende TRASYLOL, das wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen von 2007 bis Anfang 2012 verboten war. Der Spiegel-Bericht warf Fragen danach auf, ob die Medikamenten-Prüfungen gängigen Standards entsprachen. Darum beauftragte die damalige Bundesregierung eine Kommission mit einer genaueren Untersuchung. Drei Jahre später stellte diese erste Ergebnisse vor. Die ForscherInnen um den Medizin-Historiker Volker Hess fanden nach Auskunft der Ostbeauftragten der Großen Koalition, Iris Gleicke, „keine Hinweise darauf, dass ethische Standards verletzt worden wären“. Systematische Verstöße gab es den ExpertInnen zufolge nicht. Die Grünen meldeten jedoch Zweifel an den Resultaten an. Sie bemängelten unter anderem, dass Hess und sein Team nur einen Bruchteil der Firmen-Unterlagen gesichtet haben und dass BAYER & Co. dieses Material obendrein noch vorselektieren durften. Auch gebe es Hinweise auf medizinische Grundsätze verletzende Tests mit nicht einwilligungsfähigen Menschen, so die Partei. Die Informationen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN über die einstigen Versuche des Leverkusener Multis bestätigen das skeptische Urteil von Bündnis 90/Die Grünen über die wissenschaftliche Arbeit. So verabreichte der Pharma-Riese sein NIMOTOP damals etwa AlkoholikerInnen in akutem Delirium. „Ich bin psychisch absolut weggedampft“, berichtete ein früheres Versuchskaninchen. Und da hatte er noch Glück. „Es hätte auch Tote geben können“, meint der Mediziner Ulrich Moebius. Bei TRASYLOL, das der Pharma-Riese im Osten auch als Mittel zur Konservierung von Organen, die für eine Transplantation vorgesehen waren, erprobte, wies er den verantwortlichen Arzt Dr. Horpacsy an, Stillschweigen über negative Resultate zu bewahren (siehe SWB 3/13). Darum verschwieg dieser in einem späteren Aufsatz den völligen Verlust der Vital-Funktionen der Nieren unter TRASYLOL. Er vermeldete lediglich, die Gabe des Pharmazeutikums hätte nicht zu einer Verbesserung des Transplantat-Überlebens geführt; dafür hätte der Stoff jedoch einen positiven Effekt auf die Enzym-Werte des Organs gehabt. Der Global Player weist in Sachen „DDR-Tests“ allerdings alle Schuld von sich. „Sofern im Auftrag unseres Unternehmens klinische Studien in der ehemaligen DDR durchgeführt worden sind, gehen wir davon aus, dass diese entsprechend der Deklaration von Helsinki sowie den Vorschriften des Arzneimittel-Gesetzes der ehemaligen DDR erfolgte“, erklärte er.

Testosteron bei Fettleibigkeit?
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und Hormon-Präparaten wie NEBIDO oder TESTOGEL neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ bzw. „männliche Wechseljahresstörungen“ erfunden. Aber dabei soll es nicht bleiben. BAYER will die Mittel auch bei fettleibigen Männern in Anschlag bringen. „Epidemiologische Studien zeigen mit großer Übereinstimmung, dass zwischen Adipositas und Testosteron-Mangel (Hypogonadismus) ein enger Zusammenhang besteht“, behauptet der Konzern. Er erweitert diesen Zusammenhang sogar noch um Diabetes – und weiß sogleich Abhilfe. Der Multi präsentiert in einem Artikel, den er in der Zeitschrift Diabetes, Stoffwechsel und Herz platzieren konnte, Untersuchungen, welche die positiven Effekte von NEBIDO & Co. auf das Gewicht und den Blutzucker-Spiegel der Probanden belegen. Allerdings handelt es sich dabei lediglich um kleine, den Anforderungen von Zulassungsstudien nicht genügende Test-Reihen mit unter hundert Teilnehmern. MedizinerInnen warnen indessen vor den Hormon-Gaben. Als Nebenwirkungen zählen sie unter anderem Herzinfarkt, Harntrakt-Schädigungen, Brust-Wachstum, Bluthochdruck, Ödeme und Leberschäden auf. Zudem beobachteten die WissenschaftlerInnen Schrumpfungen des Hodengewebes und Samenzellen-Missbildungen.

BAYER testet Finerenone
Der Leverkusener Multi erprobt zur Zeit den Wirkstoff Finerenone. Er will die Substanz zur Behandlung von Herz-Insuffizienz einsetzen und spekuliert darauf, Präparaten wie dem PFIZER-Mittel INSPRA Markt-Anteile wegnehmen zu können. Angeblich hat das Pharmazeutikum nämlich weniger Nebenwirkungen als andere Arzneien dieser Medikamenten-Gruppe, die häufig die Blutkalium-Konzentrationen in bedenkliche Höhe treiben und deshalb das Herz schädigen können. Zudem testet der Konzern Finerenone noch zur Therapie von solchen Nierenschädigungen, die in Folge einer Diabetes entstehen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Neonicotinoid-Verbot in Frankreich
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Sie sorgen unter anderem für schrumpfende Populationen, indem sie im Futtersaft der Ammen-Bienen die Bildung des Botenstoffes Acetylcholin hemmen, der bei der Aufzucht der Larven eine wichtige Rolle spielt. Die EU hat Imidacloprid und Clothianidin wegen ihrer desaströsen Wirkung auf Bienen gemeinsam mit der Substanz Thiamethoxam bereits vorläufig aus dem Verkehr gezogen. Die Französische Nationalversammlung ging im März 2016 jedoch noch einen Schritt weiter. Sie erließ ein komplettes Neonicotinoid-Verbot, das 2018 in Kraft tritt. Der Leverkusener Multi protestierte vehement gegen diese Entscheidung. Er sieht die LandwirtInnen nun mit „veritablen Engpässen beim Schutz ihrer Pflanzen“ konfrontiert und prophezeite Ernte-Einbußen von 15 bis 40 Prozent.

UN-Gremium warnt vor GAUCHO & Co.
Auch die Vereinten Nationen hatten die Berichte über das zunehmende Bienensterben alarmiert. Darum setzte sie mit dem Welt-Biodiversitätsrat (IPBES) ein Gremium ein, um eine Bestandsaufnahme zur Lage von Bienen und anderen anderen Bestäuber-Insekten zu erhalten und Aufschluss die Gefährdung der Bestände zu gewinnen. Die WissenschaftlerInnen kamen – wie schon viele ihrer KollegInnen vor ihnen – zu dem Ergebnis, dass Ackergifte eine Mitschuld am Rückgang der Populationen tragen. „Das Gutachten ermittelte, dass Pestizide, inklusive Insektizide aus der Gruppe der Neonicotinoide, für Bestäuber weltweit eine Bedrohung darstellen“, hält der IPBES fest. Das Pikante dabei: Unter den am Bericht beteiligten ForscherInnen befand sich auch Christian Maus von BAYERs Bienenforschungszentrum in Monheim. Das wirbelte in Leverkusen gehörig Staub auf. Die Presseabteilung des Konzerns griff Maus umgehend dafür an, sich nicht von der Neonicotinoid-Kritik des Reports distanziert zu haben und tat das stellvertretend für ihn: „Diese Aussage können wir nicht nachvollziehen.“

Zahlreiche Bienen-Arten gefährdet
Besonders Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO und PONCHO tragen eine Mitschuld am Bienensterben (s. o.). Welches Ausmaß der Rückgang der Populationen in der Bundesrepublik bereits angenommen hat, machte jetzt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen deutlich. Von insgesamt 560 Wildbienen-Arten schätzte die Große Koalition 40,9 Prozent als gefährdet ein. 39 Spezies sind bereits ausgestorben. Nicht viel besser sieht es bei den Schmetterlingen aus: 69 Arten drohen bald vom Planeten zu verschwinden. BAYER jedoch leugnet den Zusammenhang zwischen den Agro-Chemikalien und dem Artensterben. Auf der Hauptversammlung am 29. April 2016 zeigte sich der Konzern „ … davon überzeugt, dass unsere Neonicotinoide sicher sind für die Umwelt, wenn sie sachgerecht eingesetzt werden“.

Neues Bio-Pestizid
BAYER hat die Zulassung für das Pestizid REQUIEM erhalten, dessen Wirk-Mechanismus auf einem biologischen statt auf einem chemischen Prinzip beruht. Der Inhaltsstoff Terpenoid ist einer Substanz nachgebildet, mit der sich die Pflanze Epazote, bekannt auch als Mexikanischer Drüsengänsefuß, gegen Insekten wehrt. Damit erweitert der Konzern seine Produkt-Palette im Bereich der Bio-Pestizide. So bietet er in diesem Segment bereits das Anti-Wurmmittel BIBACT und das Anti-Pilzmittel CONTANS an. Zudem kaufte der Global Player bereits im Jahr 2014 das argentinische Unternehmen BIAGRO, das biologische Saatgutbehandlungsmittel auf der Basis von Mikro-Organismen und Pilzen sowie Mittel zur Stärkung des Pflanzen-Wachstums produziert. Der Leverkusener Multi will wegen REQUIEM & Co. jedoch seinen Agrogift-Schrank nicht gleich entsorgen; „best of both worlds“ lautet die Devise. „Wir setzen auf integrierte Angebote für Nutzpflanzen. Also auf die Auswahl des passenden Saatguts und die beste Kombination aus chemischen und biologischen Produkten“, so BAYER-Manager Ashish Malik.

PFLANZEN & SAATEN

Tomaten made by BAYER
Von keiner Gemüse-Art produziert die europäische Landwirtschaft mehr als von der Tomate. Entsprechend stark konzentrieren sich die Agro-Multis auf diese Nachtschatten-Gewächse – BAYER, SYNGENTA, MONSANTO & Co. dominieren den EU-Handel mit Tomaten-Saatgut. Der Studie „Concentration of Market Power in the EU Seed Market“ zufolge stammten 2013 45 Prozent aller Saaten aus den Gewächshäusern dieser Konzerne. Der Marktanteil der BAYER-Tochter NUNHEMS belief sich 2014 auf 3,7 Prozent. Inzwischen dürfte dieser gestiegen sein, denn in den letzten zwölf Monaten brachte das Unternehmen viele neue Sorten heraus. Die „hochtechnologischen Tomaten“ versprechen laut NUNHEMS gute Ernten, zuweilen gar „Ertragsrekorde“ und „Einheitlichkeit“, was diese „zu einer rentablen Wahl für den Erzeuger macht“. Geschmacksfragen stellen sich der Firma hingegen nicht.

BAYER erweitert Weizenzucht-Zentrum
Im Saatgut-Geschäft des Agro-Riesen bildet Weizen einen Schwerpunkt, weil die Ackerfrucht die weitverbreiteste Kulturpflanze der Welt ist. Bis 2020 will der Konzern 1,5 Milliarden Euro in Züchtungsprogramme investieren, um eine führende Rolle in diesem Markt-Segment zu einzunehmen. Dazu kooperiert er mit vielen Weizenforschungsinstituten und unterhält eigene Zuchtstationen. Sieben solcher Einrichtungen hat der Multi bisher schon aufgebaut. In Gatersleben, wo der Global Player seit 2012 ein solches Zentrum – nicht von ungefähr in unmittelbarer Nähe des „Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzen-Forschung“ – betreibt, plant er jetzt eine Erweiterung. Das Unternehmen kündigte an, dort die Acker-Flächen auf 80 Hektar zu verdoppeln.

GENE & KLONE

BAYERs Gen-Soja entert Brasilien
Brasilien hatte es Gen-Pflanzen made by BAYER jahrelang sehr schwer gemacht. So verbot das Land gentechnisch veränderten Mais der Produktreihe LIBERTYLINK und entzog der Sorte T25 die Genehmigung. Jetzt aber scheint der Widerstand gebrochen. Ab diesem Jahr vermarktet der Leverkusener Multi in dem südamerikanischen Staat LIBERTYLINK-Soja. Dabei handelt es sich um eine Laborfrucht, die immun gegen das extrem gesundheitsschädliche und in Europa deshalb nur noch bis 2017 erlaubte Pestizid Glufosinat ist. Gleich 2.000 LandwirtInnen wollen es nach Aussage des Global Players trotzdem mit dem LL-Soja versuchen.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYER-Altlast unter Kleingarten
Viele Duisburger KleingärtnerInnen sorgen sich um ihre Grundstücke, denn unter der Grasnarbe schlummern Altlasten von BAYER, KRUPP oder MANNESMANN. Boden-Untersuchungen des Bielefelder Instituts IFUA PROJEKT ergaben in vielen Fällen bedenkliche Werte für Cadmium, Zink, Arsen, Benzo(a)pyren und Blei. Auf dem Gelände des Kleingarten-Vereins „Borgsche Hütte“ in Rumeln, wo der Leverkusener Multi um 1958 Giftstoffe verklappt hat, gab es hingegen keine Überschreitungen der zulässigen Limits. Das Chemie-Grab liege zu tief, als dass von ihm noch Gefahren ausgehen könnten, versichert Wolfgang Ibels vom Duisburger Umweltamt. Mögliche Verunreinigungen des Grundwassers durch die Hinterlassenschaften des Leverkusener Multis ignorierte er dabei jedoch.

Kaum Energie-Ersparnis
BAYERs Energie-Einsatz sank 2015 gegenüber dem Vorjahr von 85.317 auf 83.182 Terajoule. Die Reduktion verdankt sich jedoch mitnichten einer ressourcen-schonenderen Produktionsweise, sondern hauptsächlich der im letzten Jahr erfolgten Stillegung der Fertigungsstätte im brasilianischen Belford Roxo.

Mehr Kohlendioxid-Emissionen
BAYERs Emissionen des klima-schädlichen Kohlendioxids stiegen 2015 gegenüber dem Vorjahr um 160.000 Tonnen auf 9,71 Millionen Tonnen. Ein Grund dafür ist, dass der Konzern bei der Energie, die er selbst erzeugt, mehr auf die besonders klima-schädliche Kohle setzt. Deren Quantum am Energie-Mix wuchs gegenüber 2014 von 12.611 auf 12.755 Terajoule. Für den Löwenanteil an den CO2-Emissionen des Unternehmens sorgt die Kunststoff-Tochter COVESTRO mit 6,41 Millionen Tonnen, dahinter folgt die CURRENTA als Betreiber der Chemie- „Parks“ mit 1,47 Millionen Tonnen, die Agro-Sparte mit einer Million Tonnen und der Pharma-Bereich mit 0,57 Millionen Tonnen.

BAYER schädigt Ozonschicht
Seit Jahren schon sorgt hauptsächlich ein einziges Werk des Leverkusener Multis für den ganzen Ausstoß an ozon-abbauenden Substanzen: die Niederlassung der Agro-Sparte im indischen Vapi. Und seit Jahren schon schraubt der Konzern auch ein bisschen an der Fertigungsstätte rum, so dass die Werte immer ein bisschen sinken. Aber 2015 summierten sie sich trotzdem noch auf 11,7 Tonnen (2014: 14,8).

1.610 Tonnen flüchtige Substanzen
Auch BAYERs flüchtige organische Substanzen entstammen hauptsächlich dem Werk im indischen Vapi. Im Zuge der „Work in Progress“-Sanierung ging der Ausstoß ebenso wie derjenige der ozon-abbauenden Stoffe (s. o.) 2015 etwas zurück. Von 2.120 auf 1.610 Tonnen sank der Wert.

Kaum weniger Stickstoff & Co.
Der Ausstoß von Stickstoffoxiden, Schwefeloxiden, Staub und Kohlenmonoxid hat sich bei BAYER 2015 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Die Emissionen von Stickstoffoxiden stiegen von 2.360 Tonnen auf 2.420 Tonnen, während diejenigen von Schwefeloxiden leicht von 1.220 Tonnen auf 1.170 Tonnen zurückgingen. Auch etwas weniger Staub wirbelte der Konzern auf: 250 gegenüber 230 Tonnen. Dafür erhöhte sich jedoch der Kohlenmonoxid-Ausstoß um 20 auf 930 Tonnen.

BAYERs großer Durst
Der Leverkusener Multi hat einen enormen Wasser-Durst. Auf 346 Millionen Kubikmeter bezifferte er seinen Konsum im Jahr 2014, in den zwölf Monaten zuvor waren es sogar 350 Millionen gewesen. Zum Vergleich: Das ist mehr als das Dreifache dessen, was die ganze Stadt Köln verbraucht. Drei Viertel des Wassers gehen als Kühlwasser drauf, ein Viertel verwendet der Konzern in der Produktion. Und erschwerend kommt noch hinzu, dass die Wiederaufbereitungsquote verschwindend gering ist: Gerade einmal 10,4 Millionen Liter recycelte das Unternehmen.

BAYER Abwasser-Frachten
2015 produzierte der Leverkusener Multi mit 61 Millionen Kubikmetern fünf Millionen Liter weniger Abwässer als 2014, aber nicht, weil er etwa „grüner“ produzierte, sondern nur, weil er überhaupt weniger produzierte. Und trotzdem schaffte es der Konzern noch, von einzelnen Stoffen mehr einzuleiten als im Vorjahr. Bei den anorganischen Salzen stieg die Menge von 845.000 Tonnen auf 927.000 Tonnen. Bei den Schwermetallen, die das Unternehmen nicht mehr einzeln aufführt, um besonders gefährliche Stoffe wie Quecksilber nicht nennen zu müssen, wuchs sie von 63 auf 64 Kilogramm. Der Phosphor-Eintrag blieb hingegen konstant bei 100 Tonnen, und der Stickstoff-Wert sank von 760 auf 560 Tonnen. Auch organischer Kohlenstoff fand sich etwas weniger im Wasser wieder: Das Volumen reduzierte sich um 40 Tonnen auf 1.160.

BAYER produziert mehr Müll
Im Jahr 2015 produzierte BAYER mehr Müll als 2014. Von 896.000 auf 940.000 Tonnen stieg die Menge. Auch bei gefährlichen Abfällen erhöhte sich der Wert; er legte von 487.000 auf 541.000 Tonnen zu. Als Grund dafür nennt der Leverkusener Multi neben Produktionssteigerungen „eine neue abfallrechtliche Bewertung der Wirbelschicht-Asche aus dem Kraftwerk im Chem-‚Park’ Leverkusen“.

CO & CO.

„Risiko nicht ausgeschlossen“
Während BAYERs zwischen Dormagen und Krefeld geplante Kohlenmonoxid-Pipeline wegen einer Klage noch immer keine Betriebsgenehmigung hat, zeigt deren zwischen Dormagen und Leverkusen verlaufendes Pendant schon bedenkliche Alterserscheinungen. Besonders dort, wo die Leitung den Rhein unterquert, zeigen sich Korrosionsschäden, also Abnutzungserscheinungen an den Bau-Bestandteilen. So treten an diesem Düker nach einem Bericht des TÜV Rheinland „gravierende externe Materialverluste“ auf. Eine „Restlebensdauer von 2 Jahren, bis die rechnerisch geforderte Mindestrohrwandstärke von 3,6 mm erreicht wird“, errechnete der Technische Überwachungsverein. Nachdem die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN diesen Befund publik gemacht hatte, blieb dem Leverkusener Multi nichts anderes übrig, als Maßnahmen einzuleiten: Er kündigte den Bau eines neuen Dükers an. Dieser nimmt noch einmal größere Dimensionen als der alte an und bietet zusätzlich zu den zehn Leitungen noch Platz für fünf Reserve-Pipelines. Weil der Pharma-Riese deshalb in die unter Naturschutz stehende Uferlandschaft eingreifen muss, hat er später Kompensationsleistungen zu erbringen. Absolute Sicherheit mochte der Konzern auch nach der Fertigstellung des neuen Tunnel-Systems nicht garantieren. Lediglich als „unwahrscheinlich“ bezeichnete das Unternehmen das Risiko einer Explosion im Düker, es könne aber „nicht 100-prozentig ausgeschlossen werden“. Und die Folgen wären BAYER zufolge „wegen der engen räumlichen Nähe der Rohrleitungen und dem zu erwartenden Totalversagen auch der CO-Leitung als katastrophal einzuschätzen“. Trotzdem rechnet der Multi fest mit einer Betriebsgenehmigung durch die Bezirksregierung. Anfang 2017 will er den Düker dann nutzen – und ansonsten wohl bei der Pipeline, die immerhin schon rund 50 Jahre auf dem Buckel hat, alles beim Alten lassen. Lediglich ein paar kleine Eingriffe stehen möglicherweise an.

STANDORTE & PRODUKTION

Neues Haus für Insektizid-Forschung
BAYER will am Standort Monheim ein Gewächshaus für die Insektizid-Forschung errichten, das „weltweit neue Maßstäbe“ setzt. 43,5 Millionen Euro investiert der Leverkusener Multi zu diesem Behufe.

Leverkusen: Neue Pack-Anlage
BAYER errichtet in Leverkusen für rund 150 Millionen Euro eine neue Anlage für Medikamenten-Verpackungen. Zudem kündigte der Konzern den Bau einer Fertigungstätte für Arznei-Formulierungen an.

Millionen-Investition in Bitterfeld
Der Leverkusener Multi plant am Standort Bitterfeld, wo er vor allem das Schmerzmittel ASPIRIN produziert, 20 bis 30 Millionen Euro zu investieren. Das Geld will er unter anderem für einen Ausbau der Automation, für neue Filteranlagen und für mehr Informationstechnologie.

ÖKONOMIE & PROFIT

Die BAYER-Bank in Belgien
Der Leverkusener Multi unterhält viele Niederlassungen im Steuer-Paradies Belgien. BAYER ANTWERPEN etwa wirkt als konzern-interne Bank, die den Teilgesellschaften Geld für Investitionen leiht. Für den Global Player entsteht so eine Win-win-Situation: Während die Tochter-Firmen die Zins-Zahlungen von der Steuer absetzen können, muss BAYER ANTWERPEN für die Zins-Erträge kaum Abgaben zahlen. Und bei den 11,8 Milliarden Euro an Krediten, die im Jahr 2015 von Belgien aus auf die Reise gingen, kommen da schon ganz hübsche Summen zusammen.

BAYERs globale Steuer-Praxis
Der Leverkusener Multi hat Niederlassungen auf der ganzen Welt. Nur profitiert steuerlich nicht die ganze Welt gleichermaßen von den Erträgen. Die BAYER-Töchter müssen einen Großteil ihrer Gewinne an die Mutter-Gesellschaft in Leverkusen abführen. In der Heimat fällt deshalb auch der Löwenanteil der Abgaben an, welche der Konzern leistet, nachdem er sich durch Nutzung diverser Steuersparmodelle arm gerechnet hat. Der Global Player gibt an, 50 Prozent seiner Ertragssteuern in Deutschland zu zahlen, obwohl er hierzulande nur rund elf Prozent seines Gesamtumsatzes erzielt und nur 31 Prozent seiner Belegschaftsangehörigen beschäftigt. Mit Imperialismus hat das alles aber dem Unternehmen zufolge nichts zu tun. Der Pharma-Riese betrachtet die ungleiche Verteilung vielmehr als angemessen und führt dazu eine recht abenteuerliche Begründung an: Da er hauptsächlich an den deutschen Standorten forsche und das mit viel kosten-intensivem „Trial and Error“ einher gehe, sei auch das unternehmerische Risiko vornehmlich zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen angesiedelt. Sorgen bereiten ihm in diesem Zusammenhang nun die Pläne der EU, die Multis zur Veröffentlichung ihrer Steuer-Zahlungen in den einzelnen Ländern zu zwingen (siehe POLITIK & EINFLUSS) So warnt BAYERs Steuer-Chef Bernd-Peter Bier, das sogenannte Country-by-Country-Reporting „führt gerade vor dem Hintergrund der deutschen Export-Stärke dazu, dass die Regierungen unserer ausländischen Absatzmärkte (sic!) künftig mehr vom deutschen Anteil am Steuer-Kuchen abhaben wollen“. Deshalb sperrt er sich vehement gegen weitergehende Transparenz-Verpflichtungen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Salzsäure tritt aus
Am 15.1.2015 meldete die BAYER-Tochter COVESTRO am US-amerikanischen Standort Illinois einen Stoff-Austritt: Ein Tankwagen, der Salzsäure transportierte, verlor 7.600 Liter seiner Ladung.

Polyisocyanat tritt aus
Am 18.1.2015 meldete die BAYER-Tochter COVESTRO am indischen Standort Hubli einen Transport-Unfall, bei dem 1.200 Kilo des Gefahrguts Polyisocyanat ins Freie gelangten.

TDI tritt aus
Am 7.2.2015 liefen in einem kalifornischen Werk der BAYER-Tochter COVESTRO an einer Abfüll-Station 1.150 Liter des Kunststoffes TDI aus, weil ein Tankwagen zu voll gepumpt wurde.

MDI tritt aus
Am 31.5.2015 meldete die BAYER-Tochter COVESTRO am US-amerikanischen Standort Ward Creek einen Transport-Unfall. Ein Sattelzug stürzte auf der Straße um, und 1.500 Liter des Kunststoffes MDI liefen aus.

BAYHYDROL tritt aus
Am 4.6.15 kam es in Helsinki zur Beschädigung eines Containers der BAYER-Tochter COVESTRO, in dem sich das Lackharz BAYHYDROL befand. Die Flüssigkeit trat aus, und 12 Personen, die mit ihr in Berührung gerieten, mussten sich zur Untersuchung in ein Krankenhaus begeben. Ein stationärer Aufenthalt blieb ihnen aber erspart.

DESMOPHEN-Tank platzte
Am 18.8.15 platzte am Antwerpener Standort der BAYER-Tochter COVESTRO bei einem Umfüll-Vorgang ein Tank, in dem sich der Lack-Grundstoff DESMOPHEN befand. Rund 6.000 Kilogramm des Stoffes gelangten so an die Luft. Der Leverkusener Multi gab jedoch sogleich Entwarnung: „Es kam weder zu Verletzungen noch zu Gefährdungen.“

Salpetersäure tritt aus
Am 3.9.15 kam es am Dormagener Standort der BAYER-Tochter COVESTRO beim Entladen von Salpetersäure zu einem Unfall. In der Folge liefen 150 Liter des Stickstoffs aus, der auf Haut, Atemwege und Schleimhäute stark reizend wirkt und Verätzungen hervorrufen kann. Ein Beschäftigter geriet mit der Substanz in Berührung und kam in ein Krankenhaus. Er konnte jedoch zum Glück bald schon wieder entlassen werden.

DESMODUR tritt aus
Am 28.9.15 durchbohrte am US-amerikanischen Standort Laredo der BAYER-Tochter COVESTRO ein Gabelstabler die Wand eines Fasses, in dem sich das Kunststoff-Produkt DESMODUR befand. In der Folge liefen 150 Liter der Substanz aus.

Salzsäure tritt aus

  • 2


Am 30.9.15 trat an einem Kesselwagen der DEUTSCHEN BAHN, der Salzsäure der BAYER-Tochter COVESTRO beförderte, eine Leckage auf. 100 Liter der Substanz flossen auf diese Weise aus.

DESMODUR tritt aus

  • 2


Wie zuvor in Laredo (s. o.) durchbohrte am 28.10.15 auch in Köln ein Gabelstabler ein Fass, in dem sich DESMODUR der BAYER-Tochter COVESTRO befand. Und wieder flossen 150 Liter der Substanz aus.

DESMODUR tritt aus

  • 3


Das Werk der BAYER-Tochter COVESTRO am US-amerikanischen Standort Martinsburg schickte am 9.12.15 ein undichtes DESMODUR-Fass auf Reisen. Der LKW-Fahrer bemerkte den Austritt des Kunststoff-Produkts jedoch nach einiger Zeit und alarmierte die Feuerwehr. Diese sog die Substanz mit Bindemitteln auf und konnte den Schaden so in Grenzen halten.

Polyalkohol tritt aus
Am 16.12.15 informierte die BAYER-Tochter COVESTRO am US-amerikanischen Standort Charleston die Behörden über einen Verkehrsunfall, in dessen Folge ein LKW aus einem Tank 1.900 Liter Polyalkohol verlor.

RECHT & UNBILLIG

4.300 XARELTO-Klagen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen. So erhielt das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) 2015 von ÄrztInnen 173 Benachrichtigungen über Todesfälle, von denen 137 auf Blutungen zurückgingen. Insgesamt erfolgten 1.792 Meldungen wegen unerwünschter Pharma-Effekte. In den USA, wo PatientInnen bzw. deren Hinterbliebene leichter Schadensersatz-Ansprüche geltend machen können, beschäftigt sich deshalb bereits die Justiz mit XARELTO. Bis zum 25.1.2016 lagen 4.300 Klagen vor. Bei kanadischen Gerichten belief sich die Zahl auf acht.

Patent-Klage gegen AUROBINDO et. al.
Der Leverkusener Multi verklagt routinemäßig Pharma-Hersteller, die nach Ablauf der Patentfrist Nachahmer-Produkte seiner Pillen auf den Markt bringen wollen, wegen Verletzung seines geistigen Eigentums. So hofft der Konzern sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe halten zu können. Deshalb ging er auch gegen AUROBINDO und sieben weitere Unternehmen vor, die Generika-Versionen seines umstrittenen Gerinnungshemmers XARELTO (s. o.) vorbereiten.

Patent-Klage gegen MYLAN
BAYER will generische Versionen seines Krebsmittel NEXAVAR möglichst lange vom Markt fernhalten. Aus diesem Grund ging der Pharma-Riese jetzt gerichtlich gegen die Firma MYLAN vor, die bei den US-Behörden Zulassungsanträge für ein solches Präparat eingereicht hatte, und verklagte das Unternehmen wegen Patent-Verletzung.

BAYER-Patente ungültig
BAYER hatte das Unternehmen WATSON LABORATORIES, das beabsichtigt, Generika-Versionen der gefährlichen drospirenon-haltigen Verhütungsmittel BEYAZ und SAFYRAL herzustellen, schon vor längerer Zeit wegen Patent-Verletzung verklagt. In erster Instanz bekam der Pharma-Riese auch Recht, aber WATSON focht die Entscheidung an. Und in dem Revisionsverfahren erklärte das Gericht die BAYER-Patente dann für ungültig. Als Begründung führten die RichterInnen an, dass MERCK als ursprünglicher Inhaber der BEYAZ- und SAFYRAL-Schutzrechte schon vor Erhalt des Patents einzelne Komponenten der Kontrazeptiva zum Verkauf angeboten hatte. Ob der Global Player plant, gegen diesen Beschluss vorzugehen, stand bis Redaktionsschluss nicht fest. Auch der Rechtsstreit mit LUPIN in der gleichen Sache könnte durch das Urteil jetzt eine andere Wendung nehmen.

EU-Klage wg. Dünger
Laut nordrhein-westfälischem Umweltministerium befindet sich das rechtsrheinische Grundwasser-Reservoir in einem chemisch so schlechten Zustand, dass es sich nicht zur Trinkwasser-Gewinnung eignet. BAYER trägt dazu unter anderem durch den Dünger bei, der auf den landwirtschaftlichen Versuchsfeldern in Monheim zum Einsatz kommt und so für Nitrat-Einträge sorgt. Die Europäische Kommission hatte die Bundesrepublik in der Vergangenheit mehrfach aufgefordert, die Dünge-Praxis strenger zu reglementieren, aber es geschah nichts. Deshalb hat die EU nun vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg eine Klage eingereicht. Nicht einmal der Verweis auf eine in Arbeit befindliche Gesetzes-Novelle konnte Juncker & Co. davon abhalten. Diese enthalte zu viele Ausnahme-Regelungen und sei deshalb nicht geeignet, eine bessere Wasser-Qualität zu garantieren, hieß es aus Brüssel.

FORSCHUNG & LEHRE

Pharmazie-Studierende bei BAYER
Früh übt sich, wer ein/e Pharmazeut/in ganz im Sinne der Pharma-Industrie werden will, deshalb bietet der Leverkusener Multi viele Übungsmöglichkeiten an. So unterhält er bereits seit 2008 eine Kooperation mit der Kieler Christian-Albrechts-Universität, in deren Rahmen die BAYER-Tochter KVP PHARMA + VETERINÄR zweimal im Jahr Pharmazie-Studierende empfängt. Im Werk erfahren diese dann unter anderem, wie mustergültig der Pillen-Riese angeblich Qualitätssicherung betreibt und die regulatorischen Rahmenbedingungen umsetzt. Und die Lehrenden spielen das Spiel mit. Die Privatdozentin Dr. Regina Scherließ bezeichnet es dem Global Player zufolge nachgerade als Glücksfall, mit dem BAYER-Standort in Kiel ein international aufgestelltes Pharma-Unternehmen zu haben, das den Studierenden einen solchen Einblick bietet.

BAYER forciert Digital-Medizin
Der Leverkusener Multi bereitet sich auf den Eintritt in den Markt der digitalen Medizin vor und fördert im Rahmen seiner „Grants4Apps-Accelerator“-Initiative Start-ups, die Apps oder andere Anwendungen entwickeln. So erhielt VIOMEDO im Jahr 2015 Geld für ein Internet-Projekt, das den Pharma-Riesen mehr ProbandInnen für seine Klinischen Studien zuführen soll. SERONA bekam Unterstützung für das Vorhaben, die personalisierte Medizin auf dem Gebiet der Hormon-Therapien mittels Daten-Analysen voranzutreiben und VITAMETER für die Konstruktion eines Gerätes zur Bestimmung des Vitamin-Gehaltes im Blut.

[CO2 Dream] STICHWORT BAYER 03/2016

CBG Redaktion

Start der „Dream Production“ in Dormagen

CO2-Recycling keine Lösung für Umweltprobleme

Am 17. Juni 2016 eröffnete die BAYER-Tochterfirma COVESTRO im Werk Dormagen ihre sogenannte „Dream Production“. In der Anlage wird Polyurethan hergestellt, welches unter anderem in Matratzen und Autopolstern verwendet wird. Da in der Herstellung das Treibhausgas Kohlendioxid zum Einsatz kommt, nennt BAYER das Verfahren einen „ganzheitlichen Ansatz zur Nachhaltigkeit“. Umweltschützer bezeichnen das Projekt hingegen als Greenwashing ohne ökologischen Nutzen.

von Philipp Mimkes

Im Monatstakt erschienen jüngst Jubel-Meldungen zur „Dream Production“ der BAYER-Tochter COVESTRO. So berichtete der Spiegel unter der Überschrift „Vom Klimakiller zum Rohstoff“, die Deutsche Welle verspricht „Plastik und Treibstoff aus CO2“. Dem ansonsten eher nüchternen Handelsblatt wurde gar lyrisch zumute: zu Bildern einer leicht bekleideten, schlafenden Frau titelte das Blatt „Die weiche Seite eines Klimakillers“.
Aufhänger für die Berichte ist die neue Produktionsanlage für Polyurethan im BAYER-Werk Dormagen. In der Anlage werden rund 20 % des Vorprodukts Polyol nicht mehr aus Erdöl gewonnen, sondern aus dem Treibhausgas CO2. Die Fabrik wurde Mitte Juni mit einem Festakt eröffnet.
Nicht nur die Medien sind begeistert, auch die Politik jubelt in den höchsten Tönen: So bezeichnet das NRW-Wissenschaftsministerium das Projekt als „Vorreiter für den Klimaschutz“ und als „Unterstützer bei der Energiewende“. Forschungsministerin Johanna Wanka traut der Technologie „einen wichtigen Beitrag zur Energiewende“ zu. Und Lothar Mennicken, zuständiger Referent im Bundesforschungsministerium, trägt bei Konferenzen gar einen Button mit der Aufschrift „I love CO2“.

Greenwashing
Für den Medien-Hype gibt es eine einfache Erklärung: BAYER hatte 2012 die Agentur KETCHUM PLEON mit einer Marketing-Kampagne für die Dream Production beauftragt. In einer Präsentation der PR Agentur heißt es unverblümt, dass die Anlage „gegenüber der Politik, Geschäftspartnern, Mitarbeitern und Öffentlichkeit als Musterbeispiel für ein nachhaltiges Projekt kommuniziert werden“ solle. Die Agentur organisierte Veranstaltungen, lud JournalistInnen zur Besichtigung ein und verfasste sogar eigene Artikel für Publikums- und Fachzeitschriften. Mit dem Ergebnis zeigte sich KETCHUM PLEON höchst zufrieden. In einer Auswertung heißt es: „Über das Projekt wurde in nahezu allen großen deutschen Zeitungen, Magazinen, Fernseh- und Radiosendungen auffallend berichtet“. Mehr als zehn Millionen Personen seien erreicht worden.
Unabhängige Experten hingegen sehen in dem Verfahren keinen ökologischen Fortschritt. In der Kritik steht insbesondere der extreme Energie-Aufwand zur Aktivierung von Kohlendioxid. Die Versprechungen von BAYER seien daher ein „Öko-Schwindel“. So urteilt der Chemiker Dr. Hermann Fischer, Präsidiumsmitglied vom Naturschutzbund (NABU) und Gründer der Auro AG für ökologische Farbstoffe: „Man kann sich kaum eine katastrophalere Strategie ausdenken, als ausgerechnet das auf dem niedrigsten Energielevel ruhende Molekül CO2 zum Aufbau energiereicher Verbindungen nutzen zu wollen. Die Physik kann man nicht überlisten – der riesige energetische Abstand zwischen CO2 und komplexen Kohlenstoff-Verbindungen ist eben nur mit ebenso hohem Energieaufwand zu überwinden.“
Dass man ausgerechnet das reaktionsträge Kohlendioxid als Synthesegrundlage propagiert, hat laut Fischer mit Greenwashing zu tun: „Es macht sich einfach gut, mit einem Verfahren zu prahlen, welches das „böse“ CO2 in nützliche Verbindungen umwandelt. Die PR-Strategen der Industrie haben daher Kohlendioxid zum neuen Lieblings-Spielzeug erwählt. Man baut darauf, dass die Öffentlichkeit den Irrsinn hinter dieser Aktion nicht hinterfragt.“ Fischer fordert stattdessen den Einsatz pflanzlicher Rohstoffe, für deren Verwendung weit weniger Energie benötigt wird.

Klimaeffekt marginal
Auch Prof. Jürgen Rochlitz, Chemiker und langjähriges Mitglied der Deutschen Störfallkommission, ist skeptisch: „Die Nutzung von CO2 in der Kunststoff-Produktion spielt angesichts der um Zehnerpotenzen größeren Mengen energetischer Verbrennungsprozesse eine zu vernachlässigende Rolle. Dies zeigt schon ein Blick auf die Zahlen: BAYER will 5.000 Tonnen Polyol auf CO2-Basis herstellen und hierbei 1.000 Tonnen Kohlendioxid einsetzen. Das ist nicht einmal ein Tausendstel des jährlichen CO2-Ausstoßes von BAYER.“
In dieselbe Kerbe schlägt Manuel Fernández vom Bund für Umwelt und Naturschutz: „Der Einsatz von Kohlendioxid bei der Produktion von Polyurethan stellt aus Sicht des BUND keinen echten Fortschritt in Sachen Klimaschutz dar. Wenn BAYER im Zusammenhang mit diesem neuen Verfahren von einem „ganzheitlichen Ansatz zur Nachhaltigkeit“ spricht, muss sich die Konzernleitung nicht über den Vorwurf wundern, Öko-PR zu betreiben. Der Nutzen eines solchen Verfahrens ist schon angesichts des benötigten Energieaufwands fragwürdig.“ Fernández fordert stattdessen eine drastische Reduzierung der Kunststoffproduktion sowie des Einsatzes fossiler Brennstoffe.

öffentliche Förderung
Der Chemie-Industrie ist es in den letzten Jahren gelungen, das Recycling von Kohlendioxid als Musterbeispiel für eine „grüne Chemie“ zu etablieren. Dutzende Projekte wurden mit öffentlicher Unterstützung gestartet. So kooperierte BAYER bei der Entwicklung der Dream Production mit der Technischen Hochschule Aachen und der Technischen Universität Berlin und erhielt hierfür Zuschüsse in Höhe von 4,5 Mio Euro.
Eine Broschüre des Bundesforschungsministeriums (BMBF) mit dem Titel „Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Chemie-Industrie? CO2 macht´s möglich“ zeigt ein Werbefoto von BAYER direkt auf dem Cover. Thomas Rachel, Staatssekretär im BMBF, reiste am 17. Juni eigens zur Eröffnung der Anlage an.
Insgesamt bewilligte das Ministerium im Rahmen seiner „Hightech Strategie 2020“ rund einhundert Millionen Euro für Verfahren auf Basis von Kohlendioxid. Es steht zu befürchten, dass durch die massive Förderung des CO2-Recyclings wichtige Weichen falsch gestellt werden. Denn wirklich nachhaltige Verfahren auf Basis pflanzlicher Rohstoffe erhalten keine vergleichbare Unterstützung. Dabei könnten Kunststoffe aus Algen, Holzresten oder Stroh – Biomasse, die nicht in Konkurrenz zur Nahrungsproduktion steht - ganz ohne fossile Rohstoffe auskommen.

Chemie-Wende verschlafen
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) forderte in einem Schreiben an das BMBF eine Beendigung der Kooperation mit BAYER: „Die schönfärberisch benannte Dream Production ist allenfalls minimal besser als der Status Quo, aber in keiner Weise nachhaltig. Staatliche Fördergelder sollten jedoch nicht die Chemie-Industrie subventionieren, sondern einen wirklichen ökologischen Fortschritt unterstützen“, heißt es in dem Schreiben. Die CBG fordert stattdessen Programme für eine drastische Reduzierung des Kunststoffverbrauchs sowie wirksame Schritte zur Vermeidung von Plastikmüll.
BAYER hat die Umstellung auf regenerative Rohstoffe und biologisch abbaubare Endprodukte bislang verschlafen. Im Geschäftsbericht des Unternehmens heißt es lapidar: „Der Einsatz nachwachsender Rohstoffe spielt bei Bayer noch eine untergeordnete Rolle.“ Zudem stammt gerade mal ein Prozent der vom Konzern erzeugten Energie aus regenerativen Quellen. Die Aktivierung des reaktionsträgen Kohlendioxids würde aber allenfalls dann Sinn machen, wenn hierfür regenerativ erzeugte und überschüssige Energie verwendet wird.
Die Etablierung des CO2-Recyclings hat denn auch weniger etwas mit ökologischen Gründen zu tun. Vielmehr dürfte sie ein Versuch der Industrie sein, auch in Zeiten schwindender Ressourcen großtechnische Anlagen mit Kapazitäten von mehreren hunderttausend Jahrestonnen zu betreiben. Die Alternative hierzu - kleine, dezentrale Verfahren auf Basis von Biomasse – könnten zwar dem ländlichen Raum neue Perspektiven eröffnen. Ebenso wie bei der Energie-Wende, von der tausende kleine Erzeuger profitieren, stehen die großen Chemie-Firmen bei einer solchen Transformation jedoch nicht auf der Gewinner-Seite. Wie auch bei der Einführung regenerativer Energien, die von der Industrie jahrzehntelang verzögert wurde, ist daher auch mit ausdauerndem Widerstand gegen die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft in der Chemie-Produktion zu rechnen.

[PE Berl] Einladung Pressekonferenz

CBG Redaktion

Einladung zur Pressekonferenz

Neue GVO Technologien – alte illusionäre Heilsversprechungen

Was das internationale Monsanto Tribunal erreichen will und warum die Bayer-Monsanto-Fusion verhindert werden muss

Berlin, 22. Juni 2016 – Ein Bündnis von NABU, Navdanya International, dem weltweiten Dachverband für biologischen Landbau IFOAM - Organics International und der Coordination gegen BAYER-Gefahren lädt zu einer Pressekonferenz ein, die am Montag, den 27. Juni 2016 von 12 bis 13 Uhr in der NABU-Bundesgeschäftsstelle, Charitéstraße 3, in Berlin-Mitte stattfindet.

Die Podiumsteilnehmer sind:

• die weltweit bekannte Aktivistin und Öko-Feministin sowie Trägerin des alternativen Nobelpreises, Dr. Vandana Shiva (Indien)
• der Dipl. Chemiker und neue Geschäftsführer der Coordination gegen BAYER-Gefahren Antonius Michelmann
• die Köchin sowie Food - und Landwirtschaftsaktivistin Sarah Wiener

Moderation: Bernward Geier

Aktuellster Anlass für die Pressekonferenz ist die geplante Fusion von Bayer und Monsanto. Antonius Michelmann wird zu den Hintergründen und den möglichen Folgen der Fusion sprechen, Vandana Shiva wird u.a. auf die schädlichen Nebenwirkungen auch der neuen gentechnischen Verfahren eingehen und aktuelle Informationen zum internationalen Monsanto Tribunal geben, das vom 13. - 15. Oktober in Amsterdam stattfindet. Sarah Wiener wird zu Notwendigkeit und Perspektiven eines intensivierten Kampfes für eine Gentechnik freie Landwirtschaft sprechen.
Nach den drei Kurzreferaten der Podiumsgäste gibt es ausreichend Zeit für Fragen. Auch ist die Möglichkeit für Interviews und O-Töne nach der Veranstaltung gegeben. Interesse hierfür bitte bis spätestens 24.06. bei b.geier@colabora-together.de anmelden.

Über Ihre Teilnahme würden sich die Veranstalter sehr freuen. Anmeldungen bitte an Kathrin.Klinkusch@NABU.de

Für den Gastgeber und die Veranstalter:

Leif Miller (NABU-Bundesgeschäftsführer)
Bernward Geier COLABORA & IFOAM Ambassador)

PS: Gerne laden wir Sie nach der PK noch zu einem Imbiss und persönlichen Begegnungsmöglichkeiten mit den Podiumsgästen ein.

-- Zur Finazierung sind wir leider auf Ihre Spenden angewiesen! Vielen Dank! [gallery]

[Demo] Übernahme MONSANTO

CBG Redaktion

Bitte helfen Sie mit einer Spende. Jetzt.

Der drohende BAYER / MONSANTO-Deal fordert den Einsatz der Coordination gegen BAYER-Gefahren in besonderem Maß und auf lange Sicht. Wir brauchen daher Unterstützung und Hilfe.

Fusion verhindern! Forderung hier unterstützen

Heraus zur Demonstration

Düsseldorf, Essen, Duisburg, Krefeld, Mönchengladbach, Köln, Leverkusen, Solingen, Wuppertal und Umgebung

=> Samstag, 04. Juni 2016, 12.00 Uhr bis 15.00 Uhr
=> Düsseldorf, Graf-Adolf-Platz

Wir bitten um Unterstützung

Helft am 04.06.2016 mit bei Infostand, Transparenten und Flyer-Verteilung.
Kommt um 12 Uhr zum Infostand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) auf dem Graf-Adolf-Platz.

Wir schlagen Alarm
Axel Köhler-Schnura/Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gerfahren (CBG): „Wir schlagen Alarm: ‚Wer das Saatgut kontrolliert, beherrscht die Welt’, hat Henry Kissinger einmal gesagt. Durch die Übernahme von MONSANTO durch BAYER entsteht ein weltweites Lebensmittel-Monopol. Die Welternährung gerät in ernste Gefahr. Lebensmittel werden ausschließlich vom Profit eines einzigen Konzerns bestimmt.“

Wir fordern:
=> Die Fusion der beiden Konzerne muss gestoppt werden!
=> Die Konzerne vergesellschaften und unter demokratische Kontrolle stellen (wie es etwa die Landesverfassung von NRW vorsieht)!
=> Das Profitprinzip muss fallen und einem Solidarprinzip weichen!