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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

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CBG Redaktion
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[Leverkusen] Steuerflucht

CBG Redaktion

3. November 2015

Steuerflucht der BAYER AG

Leverkusen: pro Kopf nur 10% der Gewerbesteuern von Düsseldorf

Im Leverkusener Stadtrat beschrieb der Stadtkämmerer Frank Stein gestern die schwierige Finanzlage der Stadt. Ziel bleibe der Haushaltsausgleich im Jahr 2018. Bis 2021 müsse das Land jedoch über 70 Millionen Euro zuschießen.

Hauptproblem bleiben die „nur noch homöopathischen Gewerbesteuereinnahmen“ der Stadt, wie Stein es ausdrückte. Nach dem desaströsen Einbruch dieser vormaligen Haupteinnahmequelle in den vergangenen drei Jahren, in denen die bekannten Großunternehmen Standortentscheidungen gegen Leverkusen trafen und legale Steueroptimierungsinstrumente exzessiv nutzten, liegen die Gewerbesteuereinnahmen der vormals prosperierenden Großstadt auf dem Niveau einer mittleren kreisangehörigen Gemeinde.

Im Ergebnis nimmt Leverkusen pro Kopf nur ein Zehntel (!) der Gewerbesteuern von Düsseldorf ein. Selbst die klamme Millionenstadt Köln nimmt pro Einwohner den achtfachen Betrag ein (siehe Grafik). Nach Angaben von Stein führt die Stadt Leverkusen gegenwärtig Gespräche mit „verschiedenen relevanten Steuerzahlern“ – gemeint sind wohl in erster Linie BAYER, LANXESS und COVESTRO.

Besserung ist jedoch nicht in Sicht. Im Fall von BAYER etwa besitzen holländische und belgische Briefkasten-Firmen wie BAYER WOLRD INVESTMENTS Anteile an rund einem Fünftel aller 350 Gesellschaften des Unternehmens und senken dadurch die Steuerlast. Auch Kreditgeschäfte werden über Benelux geführt: allein BAYER-Antwerpen gewährte im vergangenen Jahr anderen Konzerntöchtern Kredite in Höhe von 13,4 Milliarden Euro. Die hierauf berechneten Zinsen mindern in Ländern wie Deutschland oder den USA die Steuern, werden in Belgien jedoch nur minimal versteuert.

Leverkusen, immerhin Stammsitz des wertvollsten DAX-Konzerns, darbt dank solcher Tricks schon seit zwei Dekaden. Mehrere Jahre lang musste die Kommune mit Nothaushalten über die Runden kommen, weil BAYER weniger Gewerbesteuern überwies und manchmal – wie 1999, 2001, 2003 und 2004 – auch gar keine.

Die letzte Hiobsbotschaft erreichte Leverkusen im Zusammenhang mit der Übernahme der Sparte für nicht-verschreibungspflichtige Produkte vom US-Unternehmen MERCK. „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen“, verlautbarte der Konzern bei der Bekanntgabe des Deals. Im September 2014 gab die Firma dem Stadtkämmerer Frank Stein die genaue Größe bekannt. Stein musste als Synergie-Defekt nicht nur „Einbrüche im zweistelligen Millionen-Bereich“ hinnehmen, sondern für die beiden letzten Jahre auch noch Gewerbesteuer-Einnahmen rückerstatten. Gerade einmal 60 Millionen Euro Gewerbesteuer wird die Kommune in diesem Jahr einnehmen, 1990 war es noch mehr als doppelt so viel.

weitere Informationen:
=> Steuerflucht aus Leverkusen
=> Artikel „Im Steuer-Paradies“

[ZDF] Antibaby-Pillen

CBG Redaktion

Frontal 21, ZDF, ab 21 Uhr

Riskante Verhütung: Antibabypillen unter Verdacht

Das ZDF berichtet heute Abend ab 21 Uhr über Antibabypillen von BAYER, die das Hormon Drospirenon enthalten. Der Beitrag enthält u. a. ein Interview mit Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Auch die Selbsthilfegruppe Drospirenon-Geschädigter kommt zu Wort: http://www.zdf.de/frontal-21/riskante-verhuetung-antibabypillen-unter-verdacht-40808790.html

Die Einnahme neuerer Kontrazeptiva wie Yaz, Yasminelle und Yasmin ist mit einem vergrößerten Thrombose- und Embolie-Risiko verbunden. Immer wieder kommt es zu schweren Zwischenfällen und Todesfällen. In den Werbekampagnen von BAYER werden die Risiken jedoch mit keinem Wort erwähnt. Das Marketing zielt speziell auf Anwendungen wie Akne-Behandlung und Gewichtsregulierung ab.

BAYER machte im vergangenen Geschäftsjahr mit der Produktgruppe einen Umsatz von 768 Millionen Euro. In den USA hat der Konzern bereits 2 Milliarden Dollar Entschädigungen an Geschädigte geleistet; dort sind noch Tausende von Klagen anhängig.

Am 17. Dezember wird am Landgericht Waldshut-Tiengen der erste deutsche Prozess gegen BAYER eröffnet. Klägerin ist Felicitas Rohrer aus Bad Säckingen, die nach der Einnahme des Präparats Yasminelle eine schwere Lungenembolie erlitt und nur dank glücklicher Umstände überlebte.

Infos zur Kampagne der Coordination

National Geographic

CBG Redaktion

Presse Info vom 29. Oktober 2015
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Online-Spiel gemeinsam vorgestellt:

„Kooperation mit BAYER gefährdet Glaubwürdigkeit von National Geographic“

In einem Offenen Brief an den Präsidenten der National Geographic Society in Washington, Gary Knell, fordert die Coordination gegen BAYER-Gefahren eine Beendigung der Kooperation mit dem BAYER-Konzern. Durch die Zusammenarbeit mit einem Umweltzerstörer werde die Glaubwürdigkeit von National Geographic beschädigt. Die Organisation hatte in der vergangenen Woche zusammen mit BAYER CropScience das Online-Spiel Top Crop präsentiert, das sich mit den „komplexen Problemen beim Anbau von Nahrungsmitteln für eine wachsende Weltbevölkerung“ befasst.

Jan Pehrke vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „BAYER ist der zweitgrößte Hersteller von Pestiziden und einer der zentralen Anbieter von gentechnischem Saatgut. Die von BAYER propagierte Landwirtschaft, die auf dem intensiven Einsatz von Agrochemikalien und Dünger basiert, schädigt Böden und Biodiversität irreversibel und gefährdet dadurch die Ernährungssicherheit. National Geographic sollte sich nicht dafür hergeben, Geld aus der Portokasse von BAYER anzunehmen und damit zum „Greenwashing“ des Konzerns beizutragen.“

In dem Schreiben erinnert die CBG daran, dass die Lobbyist/innen von BAYER fast alle Umweltschutzinitiativen bekämpften – vom Kyoto-Protokoll über die EU-Pestizidgesetzgebung bis hin zum europäischen Chemikalienrecht REACH. Gerade die Agrar-Sparte von BAYER führt zu zahlreichen Umweltproblemen: Pestizide aus der Substanzklasse der Neonicotinoide sind für das weltweite Bienensterben mitverantwortlich. Der massenhafte Einsatz von Herbiziden wie Glufosinat und Glyphosat, die in Kombination mit genverändertem Saatgut eingesetzt werden, kann zu schweren Gesundheitsschäden führen. Hochgefährliche Insektizide verursachen immer wieder – oftmals tödliche – Vergiftungen.

BAYER initiierte in den vergangenen Jahren Dutzende von Kooperationen mit Umweltorganisationen und Fachgesellschaften – insbesondere in Bereichen, in denen der Konzern in der Kritik steht. Bereits vor zehn Jahren war die deutsche Sektion von National Geographic wegen der Zusammenarbeit mit dem Leverkusener Unternehmen in die Kritik geraten.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren führt derzeit eine Kampagne für ein Verbot von GenSoja. BAYER hatte im vergangenen Jahr unter dem Namen „Credenz“ eine Soja-Produktlinie vorgestellt, die gegen die Herbizide Glyphosat und Glufosinat immun ist. Durch die riesigen Plantagen werden Wälder, Brachflächen und kleinbäuerliche Betriebe verdrängt, vor allem in Südamerika. Die Ernte dient jedoch nicht der Versorgung der örtlichen Bevölkerung, sondern wird fast vollständig exportiert. Grund hierfür ist die große Soja-Nachfrage der Massentierhalter in Europa und den USA.

weitere Informationen:
=> der Brief an National Geographic im Wortlaut
=> Schreiben von Umweltverbänden aus dem Jahr 2005
=> Kampagne zu GenSoja

[Klimaschutz] „Schmerzpunkt“ BAYER-Werk

CBG Redaktion

Pilgerweg für Klimagerechtigkeit macht Halt in Leverkusen

Der Ökumenische Pilgerweg für Klimagerechtigkeit startete am 13. September in Flensburg und wird am 28. November Paris erreichen. Bei der Abschluss-Veranstaltung während der Klimakonferenz in Paris kommen Pilger und Aktivisten aus der ganzen Welt zusammen.

Auf den 1.470 Kilometern werden positive Beispiele für Klimagerechtigkeit besucht, z.B. ein Gemeindehaus im Passivhaus-Standard. Auch sogenannte Schmerzpunkte, wo „weitere intensive Bemühungen zum Klimaschutz nötig sind“, werden angesteuert. Durch Workshops und politische Aktionen entlang des Weges soll ein Bewusstsein für Klimagerechtigkeit geschaffen werden.

Am heutigen Mittwoch machte der Pilgerweg Halt am Leverkusener BAYER-Werk. Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren informierte die rund 80 Pilgerinnen und Pilger über den Treibhausgas-Ausstoß des Konzerns.

Zwar äußert BAYER auf seiner homepage, dass „im Mittelpunkt unserer Umweltpolitik derzeit das Engagement für den Klimaschutz steht“. Tatsächlich aber liegen die CO2-Emissionen des Konzerns bei über 8 Millionen Tonnen und bleiben seit Jahren fast unverändert. Weiterhin basiert die Produktion zum größten Teil auf fossilen Rohstoffen. In der jüngsten Hauptversammlung musste der Konzern gar einräumen, dass bei der selbst erzeugten Energie der regenerative Anteil bei weniger als einem Prozent liegt.

Mimkes erläuterte in dem Beitrag, dass BAYER über seine Lobby-Verbände sowohl das Verbot von FCKW als auch das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz bekämpfte. Zudem wurde der Handel mit Emissionsrechten durch das Lobbying von BASF, BAYER und VCI (Verband der Chemischen Industrie) derart verwässert, dass das Instrument vollkommen wirkungslos blieb. Jahrelang plante BAYER den Bau neuer Kohlekraftwerke in den Werken Krefeld, Brunsbüttel und Antwerpen; diese wurden nur wegen des Siegeszugs erneuerbarer Energien nicht realisiert.

Mimkes abschließend: „Die Erfolge im Klimaschutz mussten mühsam gegen den Widerstand der Industrie erkämpft werden. Den Versprechen und Selbstverpflichtungserklärungen der Unternehmen sollten wir daher nicht trauen. Stattdessen müssen wir weiter öffentlichen Druck für mehr Klimagerechtigkeit ausüben!“. Die Pilgerinnen und Pilger erreichten am Nachmittag die Kölner Innenstadt.

weitere Informationen zum Klima-Ausstoß von BAYER

Preisabsprachen

CBG Redaktion

Presse Information vom 27. Oktober 2015
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Monopolkommission schlägt bis zu 5 Jahren Gefängnis vor

Kartelle: Haftstrafen für Manager notwendig

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) begrüßt den Vorschlag der Monopolkommission, bei schwerwiegenden Preisabsprachen Gefängnisstrafen einzuführen. Nach einer Reihe aufgeflogener Kartelle hatte die CBG vor einigen Jahren Strafanzeige gegen den damaligen BAYER-Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning gestellt. Das Netzwerk veröffentlichte zudem eine Liste der Kartelle mit BAYER-Beteiligung.

Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Bei internationalen Kartellen werden Marktanteile und Preise bis ins kleinste Detail festgelegt, oftmals geht es dabei um Summen in dreistelliger Millionenhöhe. Trotz teils hoher Geldstrafen haben sich solche Absprachen für die Unternehmen jedoch bislang gelohnt. Von einem abschreckenden Effekt kann daher erst ausgegangen werden, wenn die verantwortlichen Manager Gefängnisstrafen fürchten müssen.“

Daniel Zimmer, Vorsitzender der Monopolkommission, bestätigte gegenüber der FAZ diese Sichtweise: „Die Androhung von Freiheitsstrafen gegenüber den unmittelbar Verantwortlichen ist der wirksamste Weg, um die Abschreckungswirkung zu erhöhen“. Nach Auffassung von Zimmer sei die Aufdeckungswahrscheinlichkeit bislang gering. Die Monopolkommission fordert daher bis zu fünf Jahren Haft für Manager, die sogenannte „Hardcore-Kartelle“ zu verantworten haben, also Absprachen über Preise, Geschäftsbedingungen, Verkaufsmengen oder die Aufteilung von Märkten.

Die Staatsanwaltschaft Köln hatte nach der Strafanzeige der Coordination gegen BAYER-Gefahren die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens abgelehnt - mit geradezu grotesken Begründungen. So hieß es in dem Ablehnungs-Bescheid, dass „bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen ist, dass ein weltweit agierender Konzern wie die Bayer AG letztlich durch Kartellabsprachen größere Gewinne erzielt, als wenn sie auf solche verzichten würde. (...) Es ist in Anbetracht des Umstandes, dass viele namhafte Unternehmen an den Absprachen beteiligt waren davon auszugehen, dass diese Vereinbarungen lediglich in der Absicht einer sicheren Gewinnmaximierung getroffen wurden.“ Nach Meinung der CBG werden große Unternehmen durch eine solche Argumentation geradezu zu illegalen Handlungen ermutigt. Die Argumentation, wonach ein Rechtsverstoß gerechtfertigt sei, wenn er der Gewinnmaximierung diene, läuft dem Rechtsempfinden vollkommen zuwider. Zustimmung hatte die CBG seinerzeit nur von der EU-Wettbewerbsbehörde erhalten, die die Strafanzeige als „hilfreich“ und „sinnvoll“ bezeichnete.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel arbeitet derzeit an einer Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung. Auch die Justizminister der Länder wollen sich bei ihrer Herbsttagung mit einer „Fortentwicklung des Sanktionsrechts“ bei Kartellabsprachen befassen. Bisher werden Kartellvergehen lediglich als Ordnungswidrigkeiten behandelt.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert darüber hinaus – gerade auch im Hinblick auf die Vorgänge bei VW – die Einführung eines Unternehmensstrafrechts. „Bei gravierenden Rechtsverstößen ist es mit einem Austausch von ein paar Managern nicht getan“, so Mimkes weiter.

weitere Informationen finden sich hier

[Uni Köln] Hochschulkooperationen

CBG Redaktion

Presse Information vom 20. Oktober 2015

Uni Köln hält Beendigung der Kooperation mit BAYER geheim

NRW: Neues Hochschulgesetz bringt keine Transparenz

Wegen angeblicher Betriebsgeheimnisse weigert sich die Universität Köln, auch nach Beendigung ihrer Forschungskooperation mit dem BAYER-Konzern Fragen zu der Zusammenarbeit zu beantworten, obwohl das im Herbst 2014 verabschiedete NRW-Hochschulgesetz eigentlich eine solche Auskunftspflicht vorschreibt. Nach Ansicht der Coordination gegen BAYER-Gefahren zeigt sich dadurch die Unzulänglichkeit des Paragraphen-Werks. In einem Schreiben der Hochschule heißt es, die Bewertung der Zusammenarbeit unterläge einer Geheimhaltungsvereinbarung und könne daher nicht veröffentlicht werden.

Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Seit sieben Jahren bemühen wir uns, Informationen über die Zusammenarbeit der Kölner Universitätsklinik mit BAYER zu erhalten. Bis heute sind wir keinen Schritt vorangekommen. Nach wie vor ist unklar, ob die Forschungs- und Publikationsfreiheit hinter den Interessen des Geldgebers zurückstehen muss.“ Mimkes kritisiert, dass das Versprechen der NRW-Landesregierung, mit der Überarbeitung des Hochschulgesetzes für mehr Transparenz zu sorgen, gebrochen wurde: „Das Gesetz hat gleich die erste Bewährungsprobe nicht bestanden. Mit dem Totschlag-Argument „Betriebsgeheimnis“, das noch nicht einmal von unabhängiger Seite aus kontrolliert wird, kann auch künftig jegliche Transparenz unterbunden werden.“

Zwar heißt es im NRW-Hochschulgesetz, dass die Universitäten „in geeigneter Weise über abgeschlossene Forschungsvorhaben“ informieren müssten. Die Vorschrift enthält jedoch eine Ausnahmegenehmigung, sofern Geschäftsgeheimnisse betroffen sind. Vor der Verabschiedung hatte eine breite Koalition von Initiativen, Gewerkschaften und Studenten-Verbänden das Einknicken der Landesregierung vor den Drohungen der Wirtschaftsverbände kritisiert. Der ursprüngliche Entwurf des Gesetzes hatte vorgesehen, zumindest die Inhalte, den finanziellen Umfang und die an den Drittmittelprojekten beteiligten Akteure vorab offenzulegen. Die Landesregierung gab jedoch dem Druck der Industrie nach und schwächte den entsprechenden Passus ab: Die Öffentlichkeit wird nun erst im Nachhinein informiert; Art und Umfang der Offenlegung bleiben im Ermessen von Hochschulen und Unternehmen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren befürchtet eine Ausrichtung der pharmakologischen Forschung öffentlicher Einrichtungen nach rein wirtschaftlichen Kriterien. Der Verband versuchte daher, auf juristischem Weg eine Einsichtnahme in den Kooperationsvertrag zu erlangen. Zahlreiche Verbände unterstützten die Forderung nach Offenlegung, darunter Transparency International, der Ärzte-Verband IPPNW, medico international und der Deutsche Hochschulverband. Auch der Informationsfreiheitsbeauftragte des Landes NRW befürwortete nach Prüfung des Vertrags eine Einsichtnahme. BAYER und die Uni Köln hatten sich jedoch über das Votum hinweggesetzt. Anfang August - kurz vor der Verhandlung des Oberverwaltungsgerichts Münster - hatte die Universität überraschend bekannt gegeben, dass die Zusammenarbeit mit dem Konzern Ende 2014 ausgelaufen sei.

ausführliche Informationen finden sich hier

Covestro

CBG Redaktion

Presse Information vom 16. Oktober 2015

Zeitungsanzeige zum COVESTRO-Börsengang:

„Greenwashing der übelsten Sorte“

Au weia: der BAYER-Konzern investierte Millionen, um in den überregionalen Tageszeitungen Anzeigen zum Börsengang seiner Kunststoff-Sparte COVESTRO zu schalten. Doch offenbar war keine Zeit mehr zum Korrekturlesen, so dass in der Hektik leider ein Verb verloren ging. Nun heißt es: „Deshalb haben wir (…) einen Optimismus, der auf mutigen Innovationen und einem standhaften Glauben in die Kraft der Nachhaltigkeit.“ Ja, was? Aufbaut, basiert, fußt?

Die Sprache sperrte sich offenbar gegen die orwellschen Verdrehungen, die COVESTRO zu einem blitzblanken ersten Auftritt auf dem Börsen-Parkett verhelfen sollten. Mit der Überschrift „Für eine lebenswerte Welt“ und mit Sätzen wie „Die Welt braucht Hoffnung“ will der Konzern augenscheinlich überdecken, dass er große Mengen problematischer Chemikalien produziert und enorme Ressourcen verbraucht.

Einige Hintergründe zum Geschäftsfeld des neuen Konzerns:
=> COVESTRO ist für einen Großteil der mehr als acht Millionen Tonnen Kohlendioxid verantwortlich, die BAYER jährlich emittiert.
=> In der Produktion von Polycarbonat und Polyurethan setzt COVESTRO hunderttausende Tonnen des einstigen Kampfgases Phosgen ein. Weitere hochgefährliche Chemikalien, die in großen Mengen zum Einsatz kommen, sind TDI, Kohlenmonoxid und Chlor.
=> Die Firma gehört zu den größten Herstellern der hormonaktiven Substanz Bisphenol A, die trotz jahrzehntelanger Warnungen weiterhin in Lebensmittelverpackungen, Spielzeug und Kassenbons verwendet wird.
=> COVESTRO hat den Umstieg auf nachwachsende Rohstoffe verschlafen. Die Produktion basiert fast vollständig auf Öl, Gas und Kohle. Im aktuellen Geschäftsbericht muss die Firma einräumen: „Der Einsatz nachwachsender Rohstoffe spielt noch eine untergeordnete Rolle.“ Der Anteil erneuerbarer Energien liegt bei unter einem Prozent.
=> COVESTRO betreibt die umstrittenen CO-Pipelines zwischen Leverkusen, Dormagen und Krefeld, durch die Tausende Anwohner/innen gefährdet werden.
=> Die Firma hat kaum biologisch abbaubare Kunststoffe im Angebot. Unter dem Produktnamen BAYCUSAN bietet das Unternehmen sogar Mikroplastik an. COVESTRO ist daher mitverantwortlich für die wachsende Verschmutzung der Ozeane mit Plastikmüll.

Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die Produktion bei COVESTRO basiert auf klassischer Chlorchemie: mit hochgefährlichen Chemikalien und unter hohem Energieeinsatz werden biologisch nicht abbaubare Produkte hergestellt. Doch anstatt den Umbau auf nachhaltige Produktionsmethoden zu forcieren, betreiben BAYER und COVESTRO Greenwashing der übelsten Sorte.“ Mimkes fordert - parallel zur Energiewende - eine Chemiewende. Schon heute könnten Dämmstoffe, Polymere, Lacke oder Textilfasern aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Dies sei aus Gründen des Klimaschutzes und wegen schwindender Ressourcen dringend erforderlich.

weitere Informationen finden Sie hier

Leverkusen

CBG Redaktion

13. Oktober 2015

Leverkusen: schwermetallhaltige Altlast bleibt im Boden

Schlechte Grundwasserqualität / langjährige Kampagne zur Leverkusener Dhünnaue

Die alten BAYER-Gipsteiche in Wiesdorf, eine große Altlast südlich des Rudolf-Mann-Platzes, werden nicht grundlegend saniert. An vielen Stellen bricht die Asphaltdecke der seit Jahren abgesperrten ehemaligen Parkplätze ein. An einer Stelle verschwindet zusehends ein Gully; an mehreren Vertiefungen läuft das Regenwasser nicht mehr in die Kanalisation, sondern es verschwindet in den Löchern und im sichtbar porösen Untergrund.

Nach Angaben der Stadtverwaltung sollen die schwermetallhaltigen Stoffe jedoch nicht ausgebaggert werden. Stattdessen soll die bis zu zehn Meter dicke Abfall-Lagerstätte abgedichtet werden, wodurch ein weiteres Auswaschen durch Regenwasser verhindert werden soll. Das große rechtsrheinische Grundwasserreservoir ist laut Umweltministerium insgesamt in chemisch schlechtem Zustand.

Auf dem Gelände stand bis 1953 eine Grundschule, die so genannte Bayer-Schule. Der Untergrund gab stark nach. Als sich in den Wänden armdicke Risse zeigten, wurde abgebrochen und an der Fontanestraße entstand ein Ersatzbau für die „versunkene Schule“.

In den 20er-Jahren hatte BAYER eine große Senke mit dem mineralischen Material, das bei der Säurechemie anfällt, verfüllt. Die Teiche haben etwa die Größe eines Fußballplatzes. Bei Messungen im Frühjahr waren Schwermetalle gefunden worden.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert eine vollständige Sicherung aller Altlasten auf Kosten des BAYER-Konzerns. Hierfür ist eine Auskofferung des Areals und eine sichere Deponierung notwendig.

Die CBG hatte eine langjährige Kampagne zur Leverkusener Dhünnaue, der einstmals „größten bewohnten Giftmülldeponie Europas“, geführt. Auch dort waren die Giftstoffe im Boden geblieben und nur notdürftig gesichert worden. Da die Altlast nur zu den Seiten, nicht jedoch nach unten hin, abgedichtet wurde, gelangen Giftstoffe kontinuierlich in das Grundwasser und in den Rhein.

Kampagne zur Leverkusener Dhünnaue

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[Indien] Pestizide Indien

CBG Redaktion

Presse Info vom 13. Oktober 2015

ECCHR fordert Ermittlungen der FAO und der WHO

Pestizide von Bayer und Syngenta gefährden Zehntausende in Punjab (Indien)

“Die Firmen aus dem Ausland kommen mit ihren Pflanzenschutzmitteln hierher und sagen, damit werde sich die Ernte verdoppeln. An den Schaden für die Menschen auf dem Land denken sie dabei nicht”, berichtete ein Bauer bei dem Interview für eine Studie, die im März 2015 im Punjab (Indien) durchgeführt wurde. Die Aussage dieses Bauers ist Teil eines Videos, dass die rechtlichen Interventionsmöglichkeiten gegen den Vertrieb von hochgefährlichen Pflanzenschutzmitteln (highly hazardous pesticides, kurz: HHPs) darlegt und das heute erscheint.

Das Interview floss auch in einen Bericht (Monitoring Report), den das ECCHR am 6. Oktober 2015 beim Experten-Gremium zum Umgang mit Pestiziden (Panel of Experts on Pesticides Management) der Welternährungsorganisation (FAO) eingereicht hat und das derzeit in Peking (China) tagt. Den Bericht reichte das ECCHR gemeinsam mit den Organisationen Brot für die Welt (Deutschland), Erklärung von Bern (Schweiz) Pesticide Action Network Asia Pacific (Malaysia) and Kheti Virasat Mission, eine Organisation für Bio-Landwirtschaft aus dem Punjab (Indien) ein.

Der Bericht dokumentiert anhand der Aussagen von Bauern aus dem Punjab, dass Bayer und Syngenta hochgefährliche Pflanzenschutzmittel vertreiben, die Bauern aber weder über die Gefahren der Pestizide noch über die nötigen Schutzmaßnahmen ausreichend informieren. Nach Ansicht der fünf Organisationen aus Europa und Asien lässt der Bericht darauf schließen, dass die transnationalen Chemieriesen mit ihren Geschäftspraktiken in Indien gegen den Code of Conduct der FAO verstoßen.

Den International Code of Conduct on Pesticide Management führte die FAO 1985 ein, um die Risiken von Pestiziden weltweit regeln zu können. Die aktuelle Fassung des Code of Conduct (2013) wird auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell unterstützt. Das Risikomanagement wird darin als gemeinsame Verantwortung von Regierungen und Pestizid-Herstellern festgelegt. Bayer und Syngenta haben sich öffentlich zur Einhaltung des Codes bekannt.

Der Monitoring Report beleuchtet zwei Bereiche des Code of Conduct, die verletzt werden. Zum einen geht es um die angemessene Kennzeichnung (Labeling) der Produkte, zum anderen um die Maßnahmen für Schutzkleidung und die Schulung von Vertriebsmitarbeitern der Unternehmen. Darüber hinaus hinterfragt der Bericht auch, ob die Unternehmen ihre Geschäftspraktiken und die Auswirkungen von Pestiziden in der untersuchten Region ausreichend kontrollieren.

Das ECCHR und seine Partnerorganisation fordern einerseits Bayern und Syngenta auf, den Vertrieb hochgefährlicher Pestizide wie unter anderem Confidor und Nativo (Bayer) sowie Gramoxone und Matador (Syngenta) in Indien unverzüglich einzustellen. Gleichzeitig wird das Experten-Gremium der FAO aufgerufen, die Vorwürfe gegen Bayer und Syngenta gründlich und unabhängig zu untersuchen.

Dringend nötig ist auch eine Reaktion der Regierungen in Deutschland und der Schweiz. Sie haben die extraterritoriale Menschenrechtspflicht, Unternehmen, wie Bayern und Syngenta, die ihren Hauptsitz in Deutschland bzw. der Schweiz haben, anzuhalten bei Tätigkeiten im Ausland die Menschenrechte zu wahren. Deutschland muss im Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen auch im Ausland festschreiben, fordern die fünf Organisationen. Dazu gehört beispielweise eine genaue Kontrolle der Ausfuhrgenehmigungen für Pestizide.

mehr Infos:
Video: “Tackling the Accountability Gap“ – Legal tools to hold pesticides companies accountable http://www.youtube.com/watch?v=uPnViIQxzFA

Monitoring Report für die FAO (Englisch): http://www.evb.ch/fileadmin/files/documents/Syngenta/151009_Ad_Hoc_Monitoring_Report_Final.pdf

Case Report: Pestizide von Bayer und Syngenta in Punjab (Englisch): http://www.evb.ch/fileadmin/files/documents/Syngenta/BD_Pesticides-in-Punjab_Case-Summary_151004.pdf

Patente

CBG Redaktion

heise online, 12. Oktober 2015

Brisanter Vermerk: Europäisches Patentamt soll Großkunden wie Microsoft bevorzugen

Das Blog „Techrights“ hat ein internes Memo des Europäischen Patentamts veröffentlicht, wonach das Europäische Patentamt zunächst zehn großen Antragstellern in einem Pilotprojekt einen „besseren Service“ bieten will.

Das Europäische Patentamt (EPA) möchte bestimmte Partner mit einem besseren „Esprit de Service“ bevorzugt behandeln und so stärker an sich binden. Dies geht aus einem internen Aktenvermerk vom Februar hervor, den „Techrights“ am Montag im Wortlaut veröffentlicht hat. In einem Pilotprojekt sollen demnach zunächst zehn wichtige Antragsteller für ein Jahr von verbesserten Dienstleistungen profitieren.
Auf der Vorschlagsliste für die Konzerne, die für den Testlauf ab April auserkoren wurden, stehen Microsoft, Canon, Siemens Philips, Qualcomm, BASF, Bayer, Ericsson & Fujitsu. Ob auch der südkoreanische Konzern Samsung und der chinesische Netzausrüster Huawei einbezogen werden sollten, stand zunächst noch zur Diskussion.

Die größten Antragssteller
Die Unternehmen gehörten 2013 zu den größten Antragstellern aus verschiedenen technischen und geographischen Gebieten, heißt es zur Begründung. Die Spannbreite reiche von 600 Patentersuchen bei Microsoft bis zu 2833 durch Samsung. Viele der Unternehmen seien aufgrund der „Stärke der bestehenden Kontakte“ ausgewählt worden, was die „schnelle Umsetzung“ des Pilotvorhabens erleichtern werde. Geplant ist, das Projekt in der zweiten Hälfte 2016 um weitere Partner zu erweitern.
Von der verbesserten Kooperation erhofft sich die derzeit von mehreren Skandalen erschütterte Münchner Behörde einen effizienteren Ressourceneinsatz, technisches Training und eine höhere „Produktion“. Es solle auch möglich werden, gezielter auf Patentanträge zu reagieren mit speziellem Personal und den Arbeitsaufwand besser vorherzusagen. Insgesamt gehe es darum, sich besser zu koordinieren und abzusprechen.

VIP-Behandlung?
Dem Dokument zufolge kommt die Initiative aus dem Bereich des Patentamts, der für Informations- und Kommunikationstechnologien zuständig ist. Von dort sei zu hören gewesen, dass sich Microsoft über 450 Anträge beklagt habe, die offenbar auf Eis gelegen hätten und nicht weiter bearbeitet worden seien. Auch Canon habe auf eine vergleichbare Liste von Anmeldungen verwiesen, die als „deutlich verspätet“ eingeschätzt worden seien. Man habe dann begonnen, sich des Rückstaus anzunehmen und dabei auch spezielle Felder von Siemens etwa für Windturbinen und Unterseeverbindungen mit einbezogen.
Dem Techrights-Blogger Roy Schestowitz erscheint das Vorgehen in vielerlei Hinsicht mehr als fragwürdig. Zum einen verhalte sich das EPA mehr und mehr nicht wie eine zwischenstaatliche Behörde, die sich dem öffentlichen Dienst verschrieben hat, sondern wie ein Unternehmen. Zum anderen sei nicht nachvollziehbar, wieso gerade viele außereuropäische Konzerne von der „VIP-Behandlung“ profitieren sollten. Eine Stellungnahme der EPA auf Anfrage von heise online steht zur Stunde noch aus.

Update 13.10.2015
Ein Sprecher des Patentamts bestätigte gegenüber heise online am Dienstag die Echtheit der geleakten Gesprächsnotiz. Er betonte aber, dass das das nach einer Beschwerde von Microsoft vorgeschlagene und inzwischen probeweise umgesetzte Programm „im Rahmen der ganz normalen Amtspraxis“ erfolge und vom Grundsatz der Gleichbehandlung nicht abgewichen werde.
Seit Mitte 2014 stehe allen Antragstellern und sogar Dritten ein neues Verfahren mit dem Titel „Early Certainty from Search“ zur Verfügung, mit dem sie kostenlos Prioritäten festsetzen könnten, welche laufenden Anmeldungen zunächst beschleunigt begutachtet werden sollten. Die entsprechenden Abläufe würden insbesondere mit den zehn ausgewählten Konzernen getestet, da mit diesen bereits besonders enge Kontakte bestanden hätten. (axk)

[TTIP] Coordination gegen BAYER-Gefahren bei Groß-Kundgebung gegen TTIP am 10. Oktober

CBG Redaktion

Wahnsinn: mehr als 200.000 Demonstrant/innen in Berlin

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren gehörte zu den Organisationen, die zur großen TTIP-Demo in Berlin aufriefen. Zusammen mit über 200.000 Menschen zogen wir durch das Berliner Regierungsviertel bis zur Siegessäule.

In diesem Herbst gehen die Auseinandersetzungen um die Handels- und Investitionsabkommen TTIP und CETA in die heiße Phase. Beide Abkommen drohen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu untergraben. Umwelt- und Arbeitsschutz sollen als Handelshemmnisse diskreditiert werden. Beidseits des Atlantiks droht ein massiver Abbau ökologischer und sozialer Standards.

Hinter der Kundgebung stand ein breites Bündnis, wie es das schon lange nicht mehr gab: Zahlreiche Umwelt- und Sozialverbände, entwicklungspolitische Organisationen und der DGB mit all seinen Mitgliedsgewerkschaften rufen auf. Jetzt kommt es auf Dich an. Trage Deinen Protest gegen die Konzernabkommen auf die Straße – und sei bei einer der größten Demos des Jahrzehnts dabei!

Die Pharma- und Agroindustrie setzt hinter den Kulissen alle Hebel in Bewegung, damit TTIP noch vor der nächsten Präsidentenwahl in den USA verabschiedet wird. BAYER und BASF haben es dabei besonders auf die europäische Pestizidgesetzgebung abgesehen: die EU hat eine Reihe von Wirkstoffen als embryonenschädigend klassifiziert, darunter den Bestseller Glufosinat von BAYER. Mehrere Pestizide sollen verboten werden, weitere erhalten scharfe Grenzwerte. Der von BAYER und BASF mitgegründete US-Lobbyverband CropLife bezeichnete die EU-Gesetze prompt als „illegal“, da amerikanische Landwirte die Grenzwerte nicht einhalten könnten und hierdurch „diskriminiert“ würden.

Auch versucht die Chemieindustrie, das in der EU-Chemikalienverordnung REACH festgeschriebene Vorsorgeprinzip auszuhebeln. Mittels TTIP könnten Gesetze zum Schutz vor gefährlichen Stoffen als Handelshemmnisse ausgelegt werden. Ebenfalls hohe Erwartungen an TTIP hat die Pharma-Industrie: die Branche möchte Studiendaten noch geheimer halten, mehr Einfluss bei Preisfindung und Kostenerstattung erhalten und für patentgeschützte Mittel längere Exklusivrechte durchsetzen.

Industrielobbyisten waren von Beginn an eng in die Verhandlungen eingebunden. Gewerkschaften und Umweltverbände hingegen bleiben außen vor. Laut Recherchen des Corporate Europe Observatory (CEO) haben sich Pharmalobbyisten seit Beginn der Verhandlungen mindestens 29 Mal mit den zuständigen Abteilungen der EU-Kommission hinter verschlossenen Türen getroffen.

Wenn wir uns jetzt nicht gegen TTIP wehren, werden wir den ökologischen Fortschritt der letzten Jahrzehnte verspielen und künftige Verbesserungen unmöglich machen. Mehr Macht für die Industrie im Tausch gegen Bürgerrechte darf es nicht geben.

weitere Informationen:
=> alles zur Demo in Berlin: http://ttip-demo.de/home
=> Flugblatt der CBG zur Rolle der Chemie-Industrie in den TTIP-Verhandlungen

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GenSoja

CBG Redaktion

Informationsdienst Gentechnik, 5. Januar 2016

Giftcocktails auf Sojabohnen

Kommende Woche stimmen die EU-Mitgliedstaaten über den Import weiterer Gentechnik-Pflanzen ab. Dabei geht es auch um zwei Sojavarianten, die je gegen zwei Herbizide resistent sind. Doch dieser Gift-Doppelpack kann das Risiko für Verbraucher und Tiere, die mit dem Soja gefüttert werden, vergrößern, meint ein Freiburger Toxikologe. Die Behörden untersuchten das aber nicht.
Die Sojapflanzen stammen von den Agrarkonzernen Monsanto und Bayer Cropscience. Ihre Gemeinsamkeit: beide sind gegen Unkrautvernichter mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat immun. Die Monsanto-Soja (MON87708 x MON89788) ist dank der im Labor eingebauten DNA zudem gegen Dicamba, einen weiteren Herbizidwirkstoff, resistent. Bayers Bohnen (FG72) können neben Glyphosat auch mit Isoxaflutol besprüht werden.
Der Toxikologe Wolfgang Reuter hält das für bedenklich. Denn die Giftmischungen könnten als Rückstände an den Sojabohnen haften bleiben – und so im Futtertrog von Tieren oder auch auf den Tellern von Verbrauchern landen. Kombinierte Effekte können laut Reuter auftreten, wenn Chemikalien dasselbe Organ schädigen, beispielsweise die Leber, oder sie denselben Wirkmechanismus haben. Sie können sich auch gegenseitig beeinflussen und so neue Effekte hervorrufen, die zuvor unbekannt waren.
Im Auftrag des Vereins Testbiotech aus München hat Reuter wissenschaftliche Untersuchungen zu den Herbiziden sowie Behördenpapiere ausgewertet. Gestern wurde das Gutachten veröffentlicht. Das Ergebnis: Dicamba und Isoxaflutol weisen Ähnlichkeiten zu Glyphosat auf, die ein gegenseitiges Hochschaukeln der Giftigkeit befürchten lassen. So gebe es sowohl für Dicamba als auch Glyphosat wissenschaftliche Hinweise auf eine erbgutschädigende Wirkung, auf Totgeburten bei Versuchstieren und auf eine Beeinflussung des Thymus. Dieses Organ ist wichtig für das Immunsystem.
Auch in den Studien zu Glyphosat und Isoxaflutol wurde Reuter fündig: beide Herbizide griffen die Leber von Versuchstieren an und führten zu Tumoren des Organs. Insgesamt gebe es zu Isoxaflutol aber nur wenige veröffentlichte Studien, die zudem überwiegend von der Industrie selbst durchgeführt worden seien.
Auf solchen Industrie-Untersuchungen beruhen häufig auch die Einschätzungen von Behörden wie der EFSA, die in der EU für die Risikobewertung von Pestiziden und gentechnisch veränderten Pflanzen zuständig ist. Kritiker monieren, dass kombinierte Effekte mehrerer Wirkstoffe dabei bislang keine Rolle spielen. „Die EU-Kommission hat uns mehrfach schriftlich versichert, dass die Herbizide, die bei den Sojabohnen eingesetzt werden, auf alle relevanten Risiken geprüft wurden“, kommentierte Testbiotech-Geschäftsführer Christoph Then, der Reuter beauftragt hatte. „Wir sind daher nicht nur über das Ergebnis des toxikologischen Gutachtens besorgt, sondern auch schockiert von der Art und Weise, wie die EU-Kommission mit diesen Gesundheitsrisiken umgeht.“
„Es sieht so aus, als ob die Stellungnahmen der EU-Kommission der gezielten Desinformation dienen sollten“, so Then. Er forderte, den Gentechnik-Sojapflanzen von Monsanto und Bayer, die gegen zwei Herbizidwirkstoffe resistent sind, die Genehmigung zu verweigern. „Sowohl Verbraucher als auch Nutztiere können der Kombination dieser giftigen Rückstände ausgesetzt sein, weil man annehmen muss, dass diese auch in der Ernte vorhanden sind“, schrieb Testbiotech in einer Pressemitteilung.
Die Abstimmung kommende Woche ist bereits die zweite über die gentechnisch veränderten Sojapflanzen. Im November hatten die Vertreter der EU-Mitgliedstaaten schon einmal abgestimmt, dabei kam es allerdings nicht zur nötigen qualifizierten Mehrheit für eine verbindliche Entscheidung. Gibt es auch beim zweiten Durchgang ein Patt, kann die EU-Kommission dem Import der Gentechnik-Soja grünes Licht geben.

9. Oktober 2015, Testbiotech

Soja von MONSANTO und BAYER gegen mehrere Spritzmittel resistent

Trotz Verdacht auf krebserregende Glyphosat-Rückstände: EU-Kommission will weitere Gentechnik-Soja zulassen

Die EU-Kommission sieht laut einem aktuellen Schreiben keinen Bedarf für eine detaillierte Untersuchung von gentechnisch veränderten Pflanzen, die einen Mix von wahrscheinlich krebserregenden Rückständen enthalten. Die Gentechnik-Soja MON 87708 × MON 89788 der Firma Monsanto ist gegen die Unkrautvernichtungs¬mittel Glyphosat und Dicamba resistent. Die Rückstände beider Spritzmittel stehen im Verdacht, krebserregend zu sein.

Im Juli 2015 hatte Testbiotech eine Online-Aktion gegen die Importzulassung gestartet, vor kurzem hat die EU-Kommission schriftlich auf die Aktion reagiert. Aus der Antwort muss geschlossen werden, dass die Gentechnik-Soja zugelassen werden soll, ohne zuvor die spezifischen Wechselwirkungen von Rückständen der Unkrautvernichtungsmittel zu untersuchen.

Das Herbizid Glyphosat wurde jüngst von einer internationalen Arbeitsgruppe der Weltgesundheitsorganisation WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Dicamba wird in den Pflanzen u. a. zu Stoffen wie Formaldehyd abgebaut, das bereits seit Jahren als krebserregend gilt. Der Import der gentechnisch veränderten Sojabohnen würde die Nahrungskette mit einer speziellen Kombination dieser möglicherweise krebserregendeN Rückstände belasten. Eine genaue Untersuchung der gesundheitlichen Auswirkungen der Kombination dieser giftigen Rückstände erscheint daher unverzichtbar. In Kombination könnten die Rückstände wesentlich giftiger sein, als es die Bewertung der einzelnen Stoffe erwarten lässt.

Jüngst hat die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA auch für die Gentechnik-Soja FG72 der Firma Bayer grünes Licht gegeben, die die gleiche Problematik aufwirft: Diese Soja wurde gegen Glyphosat und Isoxaflutol resistent gemacht. Auch Rückstände von Isoxaflutolen sind als wahrscheinlich krebserregend für Menschen klassifiziert. Auch in diesem Falle hat die EFSA die Wechselwirkungen der Rückstände der Unkrautvernichtungsmittel nicht überprüft.

„Es ist Aufgabe der EU-Kommission, für eine Risikoprüfung zu sorgen, die den Anforderungen der EU-Gesetze genügt. Diese basieren auf dem Vorsorgeprinzip und fordern hohe wissenschaftliche Standards. Die Risikobewertung muss daher auch die gesundheitlichen Auswirkungen von speziellen Mischungen von Spritzmittelrückständen einbeziehen“, sagt Christoph Then für Testbiotech.

weitere Infos:
=> GenSoja von BAYER
=> Bewertung der GenSoja-Sorte FG72 von BAYER

[TK] Antibaby-Pillen

CBG Redaktion

Die Techniker Krankenkasse kritisiert in ihrem heute veröffentlichten „Pillenreport“ das verantwortungslose Marketing für Antibaby-Pillen mit erhöhtem Thromboserisiko. Auch Präparate von BAYER und der Tochterfirma Jenapharm werden behandelt. Der vollständige Report findet sich hier.
Ausführliche Infos zu Präparaten von BAYER.

TK: Antibabypillen sind kein Lifestyle-Produkt - Hohe Verordnungszahlen auch aufgrund von Pharmamarketing?

Hamburg, 9. Oktober 2015. Die Techniker Krankenkasse (TK) weist auf die steigenden Verordnungen von modernen Antibabypillen bei jungen Frauen hin. Präparate der sogenannten 3. und 4. Generation haben häufig ein wesentlich größeres Risiko für die Bildung von Thrombosen (Blutgerinnseln) als die Pillen der 2. Generation. Trotzdem werden die moderneren Pillen als vermeintlich besser angesehen und wesentlich häufiger verschrieben. „Alle derzeit verfügbaren Antibabypillen sind zuverlässige Verhütungsmittel, aber die verschiedenen Präparate haben unterschiedliche Risiken und Nebenwirkungen“ so Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. „Derzeit sehen wir die Informationshoheit eindeutig bei der pharmazeutischen Industrie und engagieren uns deswegen dafür, dass sich junge Frauen besser über Risiken und Nebenwirkungen informieren. Denn: Es handelt sich um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel und nicht um ein Lifestyle-Produkt.“

„Sie haben eine Zulassung, also werden sie verschrieben. Vor allem bei jungen Frauen, die nicht rauchen und kein Übergewicht haben, spricht auf den ersten Blick auch nichts gegen die neuen Präparate“, so Professor Gerd Glaeske von der Universität Bremen. „Aber neu ist nicht immer gleich besser, im Gegenteil: Die Pillen der früheren Generationen schützen genauso gut vor einer ungewollten Schwangerschaft und haben ein geringeres Thromboserisiko.“

Die häufig als modern und niedrig dosiert beschriebenen Pillen sind zudem häufig gar nicht mehr so neu. Professor Petra Thürmann, Direktorin des Philipp-Klee-Instituts für klinische Pharmakologie: „Als Professorin habe ich Schwierigkeiten, meine jungen Medizinstudentinnen überhaupt für das Thema Pille zu sensibilisieren, weil viele sie selber seit Jahren bedenkenlos nehmen.“

Pharmamarketing im Internet verantwortungslos

Die Entscheidung für eine Pille wird häufig im Teenageralter getroffen. Meist bleiben die Anwenderinnen dann über viele Jahre beim gleichen Präparat und, bis zur Vollendung des 20. Lebensjahrs ist die Pille auch zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnungsfähig. Gründe, weswegen die Pharmaindustrie gezielt junge Frauen umwirbt.

In Deutschland ist die Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verbrauchern durch das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verboten. Aber über Internetportale wie zum Beispiel www.pille.de (MSD) oder www.schoen-sicher.de (Dr. Kade Pharma) kann ganz allgemein über Verhütung und die Pille informiert werden. „Es muss hinterfragt werden, ob nicht zwischen Beauty- und Lifestyletipps in Wahrheit ein ungefilterter Informationsfluss der Marketing- und Werbebotschaften der Pharmaindustrie an die Teenager stattfindet“, so Glaeske. Auch auf Facebook-Seiten, wie zum Beispiel LiebeSLeben (Jenapharm) und YouTube sind pharmazeutische Unternehmen aktiv. Zwar wird bei den Angeboten auch auf das Thromboserisiko hingewiesen, aber im Vordergrund stehen neben der Verhütung meist die vermeintlich positiven Nebenwirkungen auf Haut oder Haare. Dass ein Pharmaunternehmen die Inhalte verantwortet, steht oft nur im Impressum oder ist durch ein Logo gekennzeichnet. Ob die jungen Menschen alle Logos der Pharmaindustrie kennen, ist jedoch fraglich.

„Die Hersteller von Pillen haben offensichtlich herausgefunden, wie man gerade für die Zielgruppe der jungen Frauen neue Medien nutzt, um diese spezifisch und mit ihrer Sprache zu erreichen“, so Thürmann. „Die Warnhinweise hingegen sowohl von Behörden als auch die Stimmen kritischer Ärzte und Wissenschaftler verhallen offenbar im Raum.“

Die Pille hat seit ihrer Einführung maßgeblich zur sexuellen Befreiung der Frauen beigetragen. In den Achtzigerjahren gehörte sie zum selbstbestimmten Leben einer Frau. „Jetzt beobachten wir, dass sie gezielt weiterentwickelt wird, um bestimmten Schönheitsidealen näherzukommen und zu einem Lifestylepräparat wird“, so Thürmann. „Mit Selbstbestimmung und Unabhängigkeit hat das nichts mehr zu tun.“

Glaeske ergänzt: „Auch bei den Namen, wie z.B. Yasmin und Yasminelle und den Verpackungen besteht ein großer Unterschied zu anderen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.“

TK schafft Informationsangebot für Ärzte und junge Frauen

Der nun vorgestellte „Pillenreport“, widmet sich der Frage, ob die neuen und modernen Pillen der 3. und 4. Generation wirklich ein medizinischer Fortschritt sind. Er geht auf Nutzen und Risiken der neueren Gestagene ein und untersucht Verordnungscharakteristika genauer. Er ist ein Ableger des diesjährigen Innovationsreports von der TK und dem SOCIUM, Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik, an der Universität Bremen.

Für junge Frauen steht ab sofort die Seite pille.tk.de zur Verfügung. Die Seite bietet eine Übersicht der verschiedenen Präparate und soll bei der Wahl der richtigen Pille helfen. Zudem hat die TK einen Film produziert, der als Informationsangebot auf YouTube und Facebook für das Thema sensibilisieren soll.

Thürmann: „Letztendlich sind hier verantwortungsbewusste Ärztinnen und Ärzte und deren Fachgesellschaften gefordert, in ihren Leitlinien Stellung zu beziehen.“

„Wenn sich Frauen für die Pille entscheiden, sollten sie gemeinsam mit den Ärzten hinter die Marketingbotschaften der Pharmaindustrie schauen und eine sorgfältige Wahl für die Pille treffen, die für sie am besten geeignet ist“, so Baas.

Hinweis an die Redaktion

Das Bundesministerium für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat schon im März 2014 verkündet, dass in den Fachinformationen für einige Pillen der 3. und 4. Generation auf das höhere Thromboserisiko hingewiesen werden muss. Gleichzeitig forderte es weitere Studien von den Herstellern für Produkte, bei denen das Risiko unklar ist. Am Verordnungsverhalten hat sich trotz dieser Warnung nichts geändert.

Die Digitale Pressemappe mit dem Pillenreport und dem Film ist auf tk.de unter dem Webcode 770816 verfügbar.

Junge Frauen können sich auf www.pille.tk.de zu dem Thema informieren.

Der Pillenreport ist eine Auskoppelung aus dem diesjährigen Innovationsreport, den TK jährlich mit der Universität Bremen erstellt, um die Arzneimittelinnovationen eines Jahrgangs zu bewerten. Der Innovationsreport 2015 ist auf tk.de unter dem Webcode 747512 verfügbar.

Duogynon

CBG Redaktion

Die tageszeitung berichtet heute über den möglichen Zusammenhang von der Einnahme hormoneller Schwangerschafts-Tests und Fehlbildungen von Babys. Mitarbeiter von Schering hatten frühzeitig vor den Risiken gewarnt. Die Coordination unterstützt seit Jahren die Betroffenen (mehr Infos).

Fehlbildungen bei Babys

Ein Test und seine Folgen

Wusste ein deutscher Pharmakonzern frühzeitig von der schädigenden Wirkung seines Präparats? Die Bayer AG streitet alle Vorwürfe ab.

7. Oktober 2015 -- Über Jahre glaubte Marie Lyon, es liege an ihr, ihr und ihren Genen, dass ihre Tochter Sarah im Oktober 1970 mit nur einem halben linken Arm zur Welt gekommen war – Sarahs Finger wuchsen am Ellbogen heraus, der Unterarm und die Hand fehlten. „Es waren schreckliche Vorwürfe, die ich mir gemacht habe“, erinnert sich die heute 69 Jahre alte Engländerin.
Sie sitzt in einem Berliner Hotelzimmer, eine blond gefärbte, elegant gekleidete Frau, deren Stimme auch dann unaufgeregt bleibt, wenn es um sehr persönliche Fragen geht. Fragen, auf deren Beantwortung sie seit Jahrzehnten vergeblich wartet: Warum mein Kind? Und vor allem: Warum übernimmt bis heute niemand Verantwortung?
Es ist ein sonniger Tag in der deutschen Hauptstadt, vor Marie Lyon steht ein Aktenordner. Darin: Kopien vergilbter Schriftwechsel aus den 60er Jahren zwischen Mitarbeitern des ehemaligen Pharmaherstellers Schering aus Berlin und britischen Wissenschaftlern – sowie Protokolle über tierexperimentelle Prüfungen, ebenfalls bald 50 Jahre alt.
Es geht um die Risiken eines einzigen Medikaments, genauer gesagt eines hormonellen Schwangerschaftstests: Der hieß in Deutschland Duogynon und in England Primodos, und Marie Lyon gibt ihm heute die Schuld für das Leid ihrer Tochter: „Den durchschlagenden Beweis haben wir noch nicht gefunden“, sagt sie. „Aber wir haben auch noch 20 Ordner unausgewerteter Akten vor uns.“
Deswegen ist sie mit ihrem Mann Michael Lyon nach Berlin gereist. In die Stadt also, in der der – längst vom Markt genommene – Hormontest seinerzeit von der Firma Schering erfunden wurde. Beim Berliner Landesarchiv hat Marie Lyon – als Mutter eines mutmaßlich medikamentengeschädigten Kindes – erfolgreich „Antrag auf Benutzung von fristgeschütztem Archivgut“ gestellt.
Das Material, das sie, ihr Mann und Mitglieder einer Duogynon-Selbsthilfegruppe aus Deutschland dieser Tage sichten, stammt hauptsächlich aus einem 1980 in Berlin eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Pharmakonzern; für die allgemeine Öffentlichkeit ist es noch unzugänglich.

Tausende Babys mit Fehlbildungen
Die Lyons und ihre Mitstreiter sind guter Dinge, Indizien zu finden. Indizien, die darauf hinweisen könnten, dass Pharmahersteller, Forscher und Gesundheitsbehörden in Deutschland wie in Großbritannien bereits in den 60er Jahren wussten von den gesundheitlichen Risiken und von der fruchtschädigenden Wirkung, die von dem Medikament ausgingen – und es dennoch weitere Jahre am Markt ließen.
Marie Lyon war, als ihre Tochter Sarah 1970 geboren wurde, nicht die Einzige, die rätselte, weshalb sie ein Kind mit Missbildungen bekommen hatte –mehrere Tausend Babys wurden in Großbritannien, Deutschland und anderen europäischen Ländern mit körperlichen Fehlbildungen in den 60er und 70er Jahren geboren. Offene Rücken, Herzschäden, missgebildete innere Organe, Hirnschädigungen – die Beeinträchtigungen waren erheblich.
Acht Jahre nach der Geburt ihrer Tochter erfuhr Marie Lyon immerhin durch den Telefonanruf einer Selbsthilfegruppe, dass sie und viele andere Frauen mit geschädigten Kindern, mit denen sie sich inzwischen vernetzt hatte, eine Gemeinsamkeit hatten: Alle hatten zu Beginn ihrer Schwangerschaft von ihren Ärzten das Hormonpräparat Primodos bekommen – als oralen Schwangerschaftstest. Alle sagten, dass sie vor der Einnahme keine Hinweise auf etwaige Risiken für die Ungeborenen erhielten.
Der ungeheuerliche Verdacht, der sich seither gegen die Firma Schering beziehungsweise die Bayer AG als deren Nachfolgerin richtet, hat ab Anfang der 1980er Jahre in Deutschland wie in Großbritannien zu strafrechtlichen Ermittlungen und Zivilprozessen geführt – alle jedoch wurden eingestellt oder von den Klägern aus Gründen der Verjährung verloren. In Deutschland hatte zuletzt ab 2010 der bayerische Grundschullehrer André Sommer, der 1976 mit schweren Missbildungen geboren wurde und dessen Mutter in der Schwangerschaft Duogynon eingenommen hatte, auf Akteneinsicht geklagt – erfolglos.
Jetzt aber gibt es neue Hoffnung: Der britische Premierminister David Cameron hat zugesagt, den Fall Primodos/Duogynon ganz neu untersuchen zu lassen. Am 7. Oktober werden die Repräsentanten der britischen Arzneimittelbehörde Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) und die Mitglieder des parlamentarischen Gesundheitsausschusses ihre Arbeit offiziell aufnehmen.

Zusammenhang untersuchen
Konkret sollen die Experten die medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Einnahme von Primodos und die seinerzeit diskutierten embryonalen Missbildungen überprüfen. Daneben soll der Ausschuss Hinweise zu einem möglichen Zusammenhang zwischen Hormontests während der Schwangerschaft und angeborenen Missbildungen bei Kindern untersuchen. Und schließlich soll das Gremium bewerten, ob sich die Ergebnisse dieser Überprüfungen auf derzeit zugelassene medizinische Produkte in Großbritannien und anderswo auswirken könnten.
Die Arzneimittelbehörde hat dazu – neben der pharmazeutischen Industrie – medizinisches Fachpersonal, Wissenschaftler sowie Frauen, die Hormon-Schwangerschaftstests verwendet haben, aufgerufen, etwaige Nachweise einzureichen. Ein Durchbruch. Der auch international Auswirkungen haben könnte: Denn in Deutschland etwa hat das Parlament es bislang abgelehnt, die Geschichte von Duogynon – auch unter dem Aspekt der politischen Verantwortung – aufzuarbeiten.
„Alle Fakten werden auf den Tisch kommen“, sagt Marie Lyon. Sie klingt zufrieden. Dass sich die britischen Parlamentarier nach Jahrzehnten des Wegschauens nun immerhin mit den möglicherweise schädigenden Folgen des Medikaments befassen wollen, ist auch ihr Verdienst.
Marie Lyon, inzwischen Präsidentin der britischen Selbsthilfeorganisation Association for children damaged by hormone pregnancy tests, war in den vergangenen zwei Jahren bei zahlreichen britischen Parlamentariern vorstellig geworden. Mitunter harrte sie über Stunden vor ihren Büros aus, um ihr Anliegen persönlich vorzubringen: „Uns, die inzwischen alternden Eltern der geschädigten Kinder, treibt die Sorge um, dass viele dieser Kinder völlig hilflos dastehen werden, wenn wir eines Tages nicht mehr leben“, sagt sie.
Viele könnten nicht allein für sich und ihren Lebensunterhalt sorgen. „Es geht uns nicht um horrende Entschädigungssummen“, betont sie. „Es geht darum, dass Unternehmen, Behörden und Regierung endlich zu ihrer Verantwortung stehen.“ Dazu könne auch gehören, sagt Lyon, dass ein Staats- oder Stiftungsfonds eingerichtet werde, aus dem die Geschädigten dann Geld bekommen könnten – ähnlich wie es das in Deutschland für Contergan-Geschädigte gibt.

Kenntnis, Schuld, Verantwortung
Doch dazu, sie weiß das, müssten tatsächlich zunächst Fragen von Kenntnis, Schuld und Verantwortung geklärt werden.
Die Bayer AG beteuert, mit all dem nichts zu tun zu haben: „Die von Ihnen übermittelten Fragen beruhen auf der Unterstellung, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen embryonalen Missbildungen und Primodos bestehe“, schreibt ein Sprecher der taz. „Diese unterstellte Arbeitsthese ist jedoch unzutreffend. Nach wie vor ist Primodos als Ursache für embryonale Missbildungen auszuschließen.“
Bereits in den 1970er und 1980er Jahren seien „umfangreiche Untersuchungen und Gutachten namhafter Experten zur Aufklärung möglicher Ursachen“, unter anderem in Deutschland, England und in den USA, durchgeführt worden. Hinweise auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Primodos und den damals gemeldeten Fällen hätten sich nie ergeben, schreibt der Firmensprecher.
Dennoch stehe Bayer mit der britischen Arzneimittelbehörde in Kontakt. Allerdings, auch das stellt der Sprecher klar: „Weder die Bayer Pharma AG noch ein anderes Unternehmen der Bayer-Gruppe hat in Großbritannien oder irgendeinem anderen Land im Zusammenhang mit Primodos Vergleiche abgeschlossen oder Zahlungen geleistet. Für derartige Zahlungen gibt es weiterhin keinen Anlass.“
Marie Lyon lässt sich von derlei Aussagen weder einschüchtern noch von ihrem Vorhaben abbringen. Wichtig sei zunächst, sagt sie in ihrem Berliner Hotelzimmer, „dass alle Dokumente von damals ausgewertet werden“. Deswegen hat sie Kopien sämtlicher Akten aus dem Berliner Landesarchiv beantragt. Die Arbeit, die vor ihr liegt, könnte Jahre dauern. „Was soll‘s“, sagt Marie Lyon, „die Wahrheit muss ans Licht.“ Nicht nur in Großbritannien und Deutschland – als nächsten Schritt plant Marie Lyon, die Abgeordneten des Europäischen Parlaments mit Primodos und Duogynon zu beschäftigen. Von Heike Haarhoff

[Uni Köln] Hochschulkooperationen

CBG Redaktion

Presse Info vom 6. Oktober 2015
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

verweigerte Einsichtnahme in Vertrag zwischen Uni Köln und BAYER

Kooperation bleibt geheim

Die Rahmenbedingungen der Kooperation zwischen der Kölner Universitätsklinik und dem BAYER-Konzern bleiben im Dunkeln. Nachdem das Oberverwaltungsgericht Münster am 18. August eine Einsichtnahme in den Vertrag verweigert hatte, kündigte die Coordination gegen BAYER-Gefahren heute an, wegen der hohen Kosten keine weiteren Rechtsmittel einzulegen. Für die ersten beiden Instanzen waren bereits Ausgaben im fünfstelligen Bereich angefallen. Da das OVG keine Berufung zugelassen hatte, stand lediglich der Weg einer Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht offen.

Philipp Mimkes, Kläger und Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Auch nach einer siebenjährigen Auseinandersetzung bleibt unklar, welche Rechte die Universität Köln an die Firma BAYER abgetreten hat: Haben die Arbeitsgruppen noch freie Hand bei der Auswahl der Forschungsgebiete? Kann die Firma BAYER die Veröffentlichung unliebsamer Ergebnisse verhindern? Wer profitiert von den Patenten? Gerade in einem sensiblen Bereich wie der Pharmaforschung muss die Öffentlichkeit solche Fragen diskutieren können. Privatpersonen und ehrenamtlich arbeitenden Initiativen können den Kampf für mehr Transparenz jedoch nicht alleine führen.“

Um eine Ausrichtung der universitären Forschung nach rein wirtschaftlichen Vorgaben zu verhindern, fordert Mimkes eine Überarbeitung der Informationsfreiheitsgesetze (IFG). So müsse die generelle Ausnahme des Hochschulbereichs im IFG durch eine differenzierte Regelung ersetzt werden. Notwendig sei die Veröffentlichung aller Vertragsinhalte, die keine unmittelbaren Forschungsanliegen tangieren, zum Beispiel Regelungen zu Verwertungsrechten und zur Publikationsfreiheit. Diese Position wird auch vom Informationsfreiheitsbeauftragten des Landes NRW gestützt, der nach Prüfung des Vertrags eine Offenlegung empfohlen hatte.

Der Vertrag zwischen dem Kölner Universitätsklinikum und BAYER war im Frühjahr 2008 geschlossen worden und umfasste eine Zusammenarbeit in den Bereichen Onkologie, Neurologie und Kardiologie. Der damalige Wissenschaftsministers Andreas Pinkwart bezeichnete den Vertrag als die „weitest reichende Kooperation, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“. Kurz darauf wurde der Einfluss des Konzerns durch die Ernennung des langjährigen BAYER-Vorstandsmitglied Richard Pott zum Vorsitzenden des Kölner Hochschulrats weiter vergrößert.

Da sich die Universität und das Unternehmen über die Entscheidung des Landesbeauftragten, wonach der Vertrag dem Informationsfreiheitsgesetz unterliege, hinweggesetzt hatten, reichte die CBG im Jahr 2010 trotz der unwägbaren Kosten Klage ein. Zahlreiche Verbände unterstützten die Forderung nach Offenlegung des Vertrags, darunter Transparency International, der Ärzte-Verband IPPNW, medico international, der AStA der Uni Köln sowie der Deutsche Hochschulverband.

Anfang August gab die Universität überraschend bekannt, dass die Kooperation mit BAYER ausgelaufen sei. Auf der website der Uni heißt es jedoch bis heute, dass „Klinische Studien der Universität zu Köln (…) von der Bayer AG unterstützt“ werden. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat daher Ende August die folgenden, bislang unbeantworteten Fragen an die Universität gerichtet:

=> Könnten Sie bitte die Hintergründe der Entscheidung erläutern, die Kooperation zu beenden?
=> Nach § 71a des NRW Hochschulgesetzes soll die Öffentlichkeit über abgeschlossene Forschungsvorhaben informiert werden. An welcher Stelle hat die Universität über die Inhalte der Kooperation, deren Ergebnisse und über das Ende der Zusammenarbeit berichtet?
=> Wie viele Präparate wurden untersucht, und in wie vielen Fällen kam es zu Patentierungen?
=> Wie wurden die Rechte an Patenten aufgeteilt? Ist die Universität Miteigentümerin?
=> In welcher Form unterstützt die Bayer AG weitere Klinische Studien?

alle Informationen zum Prozess

[Editorial] STICHWORT BAYER 04/2015

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

zur Abwechslung einmal eine gute Nachricht: Das Stichwort BAYER (SWB) hat den Ticker wieder mit an Bord. Im letzten Jahr hatten wir uns aus Kostengründen schweren Herzens dazu entschlossen, ihn nicht länger in gedruckter Form, sondern nur noch digital erscheinen zu lassen. Auf diese Weise konnte er zwar weiterhin als Chronik der laufenden BAYER-Ereignisse dienen und damit seiner wichtigen Archiv-Funktion nachkommen, aber es war trotzdem längst nicht dasselbe. Wenn eine solche Text-Menge für die LeserInnen nicht ansprechend aufbereitet ist, dann findet sie kaum Beachtung. Und sich von Anfang bis Ende durch ein solches Konvolut zu scrollen, artet wirklich schon in Bildschirm-Arbeit aus. Sogar für uns selbst schien sich der Ticker irgendwie in den endlosen Weiten des Internets verloren zu haben.

Darum haben wir alles daran gesetzt, wieder einen Ticker zum Anfassen zu produzieren und schafften es schließlich auch. Nicht zuletzt die erfreuliche Entwicklung unseres „Stichwort BAYER“-Förderkreises ermutigte uns dazu, es noch einmal zu wagen. Die Beilage ist jedoch noch etwas schwach auf der Brust und hat noch nicht wieder die alte Seiten-Stärke erreicht. Um das zweite Leben des Tickers auf eine solidere Basis zu stellen, muss sich der Förderkreis also noch erweitern, wenn Sie also speziell den publizistischen Arm der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN stärken wollen ...

Eine Unterstützung der sonstigen CBG-Arbeit käme uns natürlich auch gelegen. Vielleicht möchten Sie dabei der Aufforderung des bekannten Kabarettisten Wilfried Schmickler auf der Seite 36 folgen. Da hat er sich nämlich in den Dienst der Coordination gestellt und wirbt um Fördermitgliedschaften und Spenden. Ganz in der Nähe von BAYERs Stammsitz Leverkusen aufgewachsen, hat Schmickler nämlich so seine eigenen Erfahrungen mit dem Konzern.

Gegenwärtig spielt das Unternehmen der Stadt übel mit: Die Kommune, die das zurzeit wertvollste DAX-Unternehmen beherbergt, nagt am Hungertuch und muss beim „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ Unterschlupf suchen. Wie das zusammenpasst, erläutert Stichwort BAYER in diesem Heft. Der Global Player spekuliert derweil darauf, durch das Freihandelsabkommen TTIP noch ein wenig wertvoller zu werden. Mit Umsatz-Zuwächsen in dreistelliger Millionen-Höhe rechnet er, unter anderem durch Zoll-Senkungen und die Vereinheitlichung von Vorschriften. Zu den Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie bitte unseren Artikel zum Thema. Die Verhandlungen über die „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ laufen hinter geschlossen Türen ab, die nur den LobbyistInnen von BAYER & Co. offenstehen. Genauso geheim will der Pharma-Riese auch den Forschungsvertrag halten, den er mit der Kölner Universität abgeschlossen hat. Die Coordination hat deshalb auf Einsichtnahme geklagt; näheres zum Urteil findet sich in dieser Ausgabe.

Zudem berichtet das SWB über Entwicklungshilfe à la BAYER, die nach dem Motto „Verhütungsmittel für die Welt“ verfährt und damit de facto Bevölkerungspolitik betreibt. Und dann haben wir in diesem Quartal noch einen Text über alles andere als amtliche, nämlich von den Unternehmen selbst festgelegte Pestizid-Grenzwerte im Angebot. Also ganz interessanter Lesestoff für die länger werdenden Herbst-Abende, hofft

Jan Pehrke

[Steuerflucht] STICHWORT BAYER 04/2015

CBG Redaktion

BAYERs Steuer-Oasen

Belgische Spezialitäten

Auf seinen Hauptversammlungen zeigt sich der Leverkusener Chemie-Multi nie besonders auskunftsfreudig. Zu seiner Steuerspar-Praxis gab er der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN am 27. Mai 2015 in der Kölner Messehalle jedoch einige Hinweise, die mehr Einblick in die Trick-Kiste ermöglichen. Gegenwärtig laufen zwar auf internationaler Ebene Bestrebungen, deren Arsenal ein wenig zu reduzieren, konkrete Resultate können die PolitikerInnen allerdings noch nicht vorweisen.

Auf der diesjährigen Hauptversammlung des Leverkusener Multis machte sich der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers gar nicht erst die Mühe, die sinkenden Steuerzahlungen des Unternehmens abzustreiten, welche Städten mit BAYER-Niederlassungen das Leben so schwer macht. In seiner Entgegnung auf einen kritischen Rede-Beitrag der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bekannte er mit bemerkenswerter Offenheit: „Die Strukturen des heutigen globalen Konzerns sind mit denen von BAYER aus den 80er und 90er Jahren nicht mehr vergleichbar.“ Wie unvergleichbar aber genau, mochte er lieber nicht beziffern. Die Frage, wieviel Gewerbesteuer der Stammsitz Leverkusen 2014 erhielt, beantwortete der Holländer nicht. Dafür gab der Chemiker einige Auskünfte über die steuer-mindernden „Strukturen des heutigen globalen Konzerns“.

Steueroase Belgien
Der Global Player verdankt seine Steuerersparnisse nämlich nicht nur den Abgabe-Senkungen, die sein ehemaliger Finanzchef Heribert Zitzelsberger ab 1999 als Staatssekretär im Finanzministerium auf den Weg brachte, sondern auch neuen Organisationsformen, die das konsequente Ausnutzen der sich einer großen, weitverzweigten Aktien-Gesellschaft in der großen, weiten Welt so bietenden Spar-Möglichkeiten gestatten.
Praktischerweise wurde BAYER dabei gleich in unmittelbarer Nachbarschaft fündig: in Belgien und in Holland. Die Flamen und Wallonen bringen es im Schattenfinanzplatz-Index des TAX JUSTICE NETWORK auf Platz 9, während die Niederlande dort Rang 15 belegen. Und Brüssel wirbt sogar ganz offen mit der dunklen Seite des Landes: „Verschiedene Steuer-Anreize im Bereich der Personen- und Unternehmenssteuer machen Belgien zu einem der attraktivsten Standorte für ein Unternehmen.“
Als „eine der innovativsten Maßnahmen“ preist das Finanzministerium dabei die „Notional Interest Deduction“ (NID) an. Sie erlaubt es, fiktive Zinsen steuerlich geltend zu machen. Was wie ein neues Kapitel aus dem neoliberalen Märchenbuch der wundersamen Geld-Vermehrung anmutet, begründet die Behörde ganz rational. Ein Unternehmen, das genug Eigenkapital besitzt, um seine Geschäfte zu tätigen, darf gegenüber einem Unternehmen, das sich dafür Geld leihen muss und die Zinszahlungen von der Steuer absetzen kann, nicht benachteiligt werden, meint sie. Der „Föderale Öffentliche Dienst Finanzen“ beruft sich dabei auf den von allen Staaten, die der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) angehören, akzeptierten Fremdvergleichsgrundsatz („arm’s length principle“), wonach für firmen-interne Transaktionen mit Waren, Dienstleistungen, Lizenzen oder Krediten dieselben Standards zu gelten haben wie für firmen-externe.
Also zieht der belgische Staat vom Gewinn vor Steuern die fiktiven Zinsen ab, die der Konzern für das Eigenkapital zahlen müsste, wenn es Fremdkapital wäre, und senkt so den Steuersatz von rund 34 Prozent auf bis zu 4,2 Prozent ab. Und auch, wenn Konzern-Mütter ihren Tochter-Gesellschaften Geld leihen und dafür – kaum minder fiktive – Zinsen berechnen, kommt die „Notional Interest Deduction“ zum Einsatz. Wie genau, das illustriert ein Rechenexempel: Ein Unternehmen hat einer Zweigstelle 100.000 Euro geliehen und dafür einen Zinssatz von 4 Prozent berechnet. Der Gewinn vor Steuern beträgt 4.000 Euro, und davon darf es jetzt 3.000 Euro fiktive Eigenkapital-Verzinsung nach dem NID-Faktor von drei Prozent abziehen und reduziert so den Steuersatz von 34 Prozent auf 8,5 Prozent. Den Sinn der NID-Übung nennt das Ministerium im Übrigen ganz offen: „Internationalen Unternehmen eröffnet es Möglichkeiten, Aktivitäten wie firmen-interne Finanzierung, das Beschaffungswesen oder das Factoring (das Zusammenführen von Außenständen, Anm. SWB) einer belgischen Tochter-Gesellschaft zu übertragen.“
Der Leverkusener Multi nahm die Einladung dankend an. 2011 verdoppelte er die Mittel seiner in Antwerpen ansässigen Niederlassung auf acht Milliarden Euro und konnte seinen Gewinn von 254,8 Millionen Euro fast komplett wieder mit nach Hause nehmen. Lediglich 10,8 Millionen Euro musste er dort lassen – das entspricht einer Steuerquote von 4,3 Prozent. „BAYER nutzt wie einige andere Unternehmen das günstige makrowirtschaftliche Klima in Belgien, das durch den Abzug für Risikokapital geschaffen wurde“, erklärte ein Unternehmenssprecher dazu und fand nichts Anstößiges daran: „Gegen den Vorwurf der Steuertrickserei verwahren wir uns ausdrücklich.“ Der Abzug von Eigenkapital-Zinsen in Belgien stelle kein Steuerschlupfloch dar, sondern trage dem Grundsatz der Steuer-Neutralität der Unternehmensfinanzierung Rechnung – führte der Öffentlichkeitsarbeiter laut Welt aus.
Auch das firmen-interne Bank-Wesen konzentrierte der Pharma-Riese in Belgien, um in den Genuss der Sonder-Konditionen zu kommen. In welchem immensen Umfang die Konzern-Kasse Geld verleiht, beantwortete Marijn Dekkers der CBG im Mai auf der Hauptversammlung: 2014 hat allein BAYER Antwerpen anderen Töchtern des Global Players Kredite in einem Volumen von 13,4 Milliarden Euro gewährt. Eine Win-win-Situation: Während Belgien kaum Abgaben auf die Gewinne aus den Finanz-Geschäften erhebt, stehen die 13,4 Milliarden bei den kredit-nehmenden BAYER-Gesellschaften als steuerminderndes Minus in den Büchern.
Darüber hinaus hält die vom Finanzministerium eifrig beworbene „belgische Steuer-Landschaft“ noch so manches andere Schmankerl bereit. Sie lädt explizit zu Steuer-Absprachen mit den Finanzämtern ein, erhebt gar keine Abgaben auf Dividenden-Einkünfte, kaum welche auf solche, die aus Zahlungen für die Nutzung von Patenten und Marken-Rechten erwachsen und verweist zudem noch auf beste Beziehungen zu Steuer-Oasen wie etwa Mauritius.
Im nachbarlichen Holland gibt es ebenfalls blühende Steuerlandschaften mit steuerfreien Dividenden-Einkünften, kaum belasteten Zins-, Markenrechts- und Patentlizenz-Einkünften, speziellen Angeboten für den konzern-internen Handel und der Möglichkeit von einvernehmlichen Abgabe-Agreements. Das alles sorgt für einen regen Geschäftsverkehr. Die 23.000 niederländischen Briefkasten-Firmen, die Unternehmen in dem Staat gegründet haben, brachten es allein 2011 auf Transaktionen im Wert von acht Billionen Euro. Natürlich darf BAYER da nicht fehlen. BAYER WORLD INVESTMENTS, BAYER GLOBAL INVESTMENTS und BAYER CAPITAL CORPORATION haben ihren Sitz in der Heimat des BAYER-Chefs. Zusammen mit ihren belgischen Pendants halten sie Anteile an rund einem Fünftel aller 350 Tochter-Gesellschaften des Multis und schaffen damit die Voraussetzung für die BAYER-internen Geschäfte.

Leverkusen darbt
Diese „Strukturen des heutigen globalen Konzerns“ sorgen zusammen mit den firmen-freundlichen Steuerstrukturen des heutigen neoliberalen Staats für ständig sinkende Unternehmenssteuer-Einnahmen. Auf diese Weise steigt der Pharma-Multi zur wertvollsten deutschen Aktien-Gesellschaft auf – und sein Stammsitz Leverkusen zum Armenhaus ab. Die Stadt befindet sich in der Haushaltssicherung und muss deshalb strenge Spar-Vorgaben des Landes Nordrhein-Westfalen erfüllen. Zudem gehört die Kommune dem „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ an, der sie – wiederum gegen Auflagen – mit dringend benötigten finanziellen Mitteln versorgt. Diese Notlage trieb Leverkusener KommunalpolitikerInnen auch dazu, am 24. Februar 2015 nach Berlin zu fahren, um dort gemeinsam mit ihren KollegInnen aus Bochum, Gelsenkirchen und fast 30 weiteren Städten von den Spitzen-PolitikerInnen mehr Unterstützung zu verlangen. „Wird den notleidenden Kommunen nicht konkret geholfen, ist der soziale Frieden in Gefahr“, warnten die Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD) aus Oberhausen und Peter Jung (CDU) aus Wuppertal – ebenfalls eine darbende Stadt mit BAYER-Standort – laut Rheinischer Post, die ihren Artikel zum Thema mit „Bürgermeister betteln bei Gabriel“ überschrieb.
Im letzten Jahr forderte BAYER von der Kommune sogar noch 28 Millionen Euro Gewerbesteuer-Vorauszahlungen zurück. Der Global Player hatte zwischendurch nämlich für rund zehn Milliarden Euro eine Sparte des US-Unternehmens MERCK gekauft, und das lässt sich natürlich absetzen. Als Konsequenz daraus musste Stadtkämmerer Frank Stein seinen Haushaltsentwurf ebenso dem Schredder überantworten wie sein Entschuldungskonzept.
Dementsprechend geriet seine Haushaltsrede zur Trauerrede. „Die für Städte im Allgemeinen und die Stadt Leverkusen im Besonderen verhängnisvollen Defizite des Steuersystems sind Ergebnis einer seit gut 25 Jahren fortgesetzten verfehlten Steuergesetzgebung“, klagte Stein über das Wirken von Zitzelsberger & Co., bevor er ins Detail ging: „Die Gewerbesteuer ist durch den Gesetzgeber so verhunzt worden, das sie schon seit Langem kein praktikables Instrument für kommunale Finanzpolitik ist.“ Mit unter 30 Millionen Euro vermeldete der Kassenwart ein „Allzeittief“ bei diesem Einnahme-Posten und gab auch keine Aussicht auf Besserung. Eine „deutlich erkennbar nicht konjunkturell, sondern strukturell bedingte und damit nachhaltige Reduzierung“ machte er aus.
Diese Entwicklung treffe zwar alle Städte, hätte aber „spezifische Leverkusener Aspekte“, so Stein. In einem Exkurs zur kommunalen Wirtschaftsgeschichte ging er näher darauf ein. „Erst kam das Werk, dann kam die Stadt“, hob der Kassenwart an, unterstrich dann aber auch den Anteil, den die Kommune am Gedeihen des BAYER-Konzerns hatte, indem sie ihm einen Großteil der technischen, sozialen und kulturellen Infrastruktur bereitstellte. Es entstand „manches in privater Regie, aber letztlich das meiste in kommunaler Trägerschaft und Finanzierungsverantwortung“, rückte Frank Stein die Dimensionen zurecht. Und lange war dies auch ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, das Leverkusen eine beachtliche Steuerstärke eintrug. Irgendwann jedoch profitierte nur noch einer. „Den industriellen Kern (...) gibt es nach wie vor, und er ist nach wie vor ein Ort großer Wertschöpfung. Aber aus betriebswirtschaftlichen und steuersystematischen Gründen, die im Einzelnen detailliert zu erörtern einen Verstoß gegen das Steuergeheimnis bedeuten würde, korrespondiert diese Wertschöpfung nicht mehr mit einer entsprechenden Steuerstärke der Stadt“, führte Stein aus und brachte damit das Dilemma Leverkusens auf den Punkt.
Dieses Missverhältnis empört – quer durch die Parteien – auch viele KommunalpolitikerInnen. Von einem CBG-Mitglied um einen Kommentar zu BAYERs Steuer-Enthaltsamkeit gebeten, antwortete der Christdemokrat Thomas Eimermacher: „Tatsache ist, dass unsere Stadt heutzutage nur noch einen Bruchteil der Gewerbesteuer-Einnahmen erzielt wie vor 20 Jahren und davor, bei deutlichst gestiegenen Kosten und breiterem Aufgaben-Spektrum. Diese Rechnung kann natürlich nicht aufgehen.“ Der sozialdemokratische Ratsherr Dr. Hans Klose stimmte in das Klagelied ein. „Ich halte die steuerliche Behandlung der Wirtschaft z. Z. für völlig verfehlt,“ konstatierte Klose. Und der sozialdemokratische Bürgermeister Uwe Richrath ging BAYER im Wahlkampf sogar frontal an. Die Weltfirma beteilige sich in Leverkusen „sehr wenig“ am lokalen Gewerbesteuer-Aufkommen, sagte er laut Leverkusener Anzeiger. Später ruderte der Sozialdemokrat allerdings zurück: „Ich wollte BAYER nicht angreifen.“ NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans, der Richrath begleitet hatte, sah hingegen keine Veranlassung, seine Kritik am Global Player zurückzunehmen. Dass eine Stadt wie Leverkusen „mit der Weltmarke BAYER aus dem Stärkungspakt gestützt werden muss – das glaubt erst mal keiner“, hatte Walter-Borjans bei dem Lokaltermin festgestellt und den Konzern in die Pflicht genommen: „Ich erwarte schon, dass ein Unternehmen sich seiner Standort-Verantwortung bewusst ist.“ Und in seinem Antwort-Schreiben an das CBG-Mitglied schlug der Minister noch deutlichere Töne an. „Erst recht in Zeiten schwieriger Haushaltslagen können wir es uns nicht leisten, dass sich Unternehmen systematisch davor drücken, ihren Anteil an der Finanzierung des Gemeinwesens zu leisten“, so der Sozialdemokrat. „Nordrhein-Westfalen ist nicht bereit, so ein Verhalten noch länger hinzunehmen“, hielt er fest und nannte als Beispiele Initiativen des Landes auf nationaler und internationaler Ebene zur Verhinderung von Steuerumgehung und zur Schaffung von mehr Transparenz.

Politische Reaktionen
Die Leverkusener SPD-Vorsitzende Eva Lux setzt in ihrem Brief an den CBG-Aktivisten auf die gemeinsame Initiative der OECD-Länder, die Steuervermeidungsstrategien von BAYER & Co. zu durchkreuzen. Daran arbeitet die OECD allerdings schon seit geraumer Zeit, ohne bisher konkrete Ergebnisse vorweisen zu können. Bereits im Juli 2013 hatte sie 15 zentrale Baustellen benannt wie etwa Maßnahmen gegen Steuertricks mit Krediten, Zinsen, Patenten, Markenrechten und firmen-internen Geschäften. Darüber hinaus nahm sie sich vor, gegen solche Doppelbesteuerungsabkommen vorzugehen, die zu einer doppelten Nichtbesteuerung führen statt lediglich eine doppelte Belastung zu unterbinden. Zudem will die Organisation strengere Transparenz-Vorschriften erlassen.
Bisher besteht unter den Staaten jedoch noch bei acht dieser 15 Punkte Diskussionsbedarf; zu einer Einigung über ein abgestimmtes Vorgehen kam es erst bei sieben. Beispielsweise gelang es noch nicht, zu einer Übereinkunft bezüglich der sogenannten Patent-Boxen zu kommen, zu deren Einrichtung manche Länder mit unschlagbar niedrigen Körperschaftssteuern auf Lizenz-Erträge locken. Deshalb zeichnet sich jetzt die umgekehrte Entwicklung ab: Immer mehr Nationen machen selbst ein solches unmoralisches Angebot. Zuletzt gaben die USA entsprechende Pläne bekannt. Überdies sperren sich die Vereinigten Staaten vehement gegen allzu umfassende steuerliche Offenlegungspflichten. Nachrichten wie diese sähen Zweifel am Gelingen des OECD-Vorhabens. Die Faz etwa mahnt: „Niemand sollte sich zu viel davon versprechen“. Allenfalls „die eine oder Ungereimtheit im internationalen Steuerrecht“ könnte der Zeitung zufolge am Ende des Tages auf dem Müllhaufen der Geschichte landen.
Auch die Europäische Union unternimmt Anstrengungen, BAYER & Co. an der kreativen Steuer-Gestaltung zu hindern. Wie die OECD hat sie sich vorgenommen, den Konzernen die firmen-internen Deals mit materiellen und immateriellen Gütern zu Lasten der Finanzämter zu erschweren und die Firmen zu mehr Transparenz in Sachen „Abgaben“ zu veranlassen. Zudem plant Brüssel, innerhalb der EU ein einheitliches System zur Körperschaftssteuer-Bemessung einzuführen. Allerdings laufen die entsprechenden Diskussionen und Verhandlungen schon ziemlich lange. Und während dabei schon so manches wie etwa verpflichtende Mindeststeuer-Sätze auf der Strecke geblieben ist, gibt es noch immer keine konkreten Resultate.
Ob solche bei einem Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, der 18 Jahre lang der Steueroase Luxemburg als Premierminister vorstand, überhaupt zu erwarten sind, daran bestehen so einige Zweifel. Aber auch die Bundesregierung zeichnet sich nicht gerade durch konstruktive Mitarbeit aus. So wartete der Sonderausschuss des Europäischen Parlaments vergeblich auf Unterlagen zu den bundesdeutschen Steuer-Praktiken. Finanzminister Wolfgang Schäuble sah das Steuergeheimnis bedroht und wollte lediglich mündlich Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus hat die Große Koalition dem Vorstoß der EU-ParlamentarierInnen, BAYER & Co. zu länder-spezifischen Steuer-Auskünften zu zwingen, um so dem auf die Spur zu kommen, was der Leverkusener Multi „tax planning“ nennt, im Ministerrat die Unterstützung verweigert.
Damit stellte sie sich unverhohlen in den Dienst des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“ (BDI), der ein solches „country-by-country-reporting“ als „systemfremd“ ablehnt. Auch gegen eine einheitliche Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage wendet sich der Verband. Das gehe „in die falsche Richtung“, erklärte der BDI. Die Lobby-Organisation warnte davor, „grenzüberschreitend tätige Unternehmen im internationalen Wettbewerb“ zu benachteiligen und das Augenmerk nur auf die Steuermissbrauchsvermeidung zu legen. Stattdessen plädiert der Bundesverband für den Erhalt der ruinösen Länder-Konkurrenz um die Multis bzw. für einen „fairen Steuerwettbewerb in der EU“.
In EU-Gremien versucht die Industrie ebenfalls, ihren Einfluss geltend zu machen. Der Leverkusener Multi hat etwa den Chef der Stelle für konzern-interne Verrechnungspreise, die sich natürlich in der Abteilung für „Global Tax Projects“ befindet, in das Beratungsgremium EU JOINT TRANSFER PRICING FORUM beordert. Dort widmet er sich gemeinsam mit seinen KollegInnen von PRICEWATERHOUSECOOPER, VOLVO und DELOITTE unter anderem der Aufgabe, Brüssel davon zu überzeugen, „Steuerhindernisse zu beseitigen, welche die ökonomischen Transaktionen zwischen EU-Ländern einschränken“.
Angesichts dieser Lobby-Aktivitäten und der Bereitschaft vieler Regierungen, den Bedenken der Multis Rechnung zu tragen, stehen die Chancen für das EU-Projekt nicht gut. Dabei müsste eigentlich noch viel Grundsätzlicheres auf den Verhandlungstisch kommen wie etwa das „arm’s length principle“ bzw. der Fremdvergleichsgrundsatz. Dieser generiert nämlich ein riesiges Potenzial an steuerlich absetzbaren Posten, indem er Transaktionen innerhalb großer Unternehmensverbünde mit Geschäften zwischen rechtlich eigenständigen Firmen gleichstellt. So können sich dann die Konzerne nach Lust und Laune steuersparend in Gläubiger und Schuldner, Käufer und Verkäufer, Lizenznehmer und Lizenzgeber aufspalten. Und diese Beschäftigung mit sich selbst erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Nach Auskunft der Deutschen Bundesbank hatten bereits 1999 allein firmen-interne Kredite einen Anteil von 25 Prozent an allen bundesdeutschen Direktinvestitionen im Ausland.
Und hierzulande wäre eine Rückabwicklung der Unternehmenssteuer-„Reform“ vonnöten, die der BAYER-Mann Heribert Zitzelsberger eingefädelt hat mit ihrer Senkung des Körperschaftssteuersatzes von 40 auf 25 Prozent und der Streichung von Abgaben auf Gewinne aus dem Verkauf von Betriebsteilen. Nach DGB-Berechnungen bescherte dieses Paragrafen-Werk zusammen mit einigen danach erfolgten „Nachbesserungen“ dem Fiskus allein 2013 Mindereinnahmen in Höhe von 45 Milliarden Euro. Aber zu einer Reform der Reform wird es nicht kommen. Und so muss sich Leverkusens Kämmerer Frank Stein weiter Gedanken darum machen, wie er die steigenden Soziallasten und Personalkosten stemmt ohne einen völligen Kahlschlag bei kulturellen oder sozialen Einrichtungen vorzunehmen und in den Fatalismus zu verfallen, den er „die Vergeblichkeitsfalle“ nennt. Von Jan Pehrke

[TTIP] STICHWORT BAYER 04/2015

CBG Redaktion

Grenzenlosere Profite:

BAYER setzt auf TTIP

Mit der „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP) wollen die EU und die USA den Multis nicht nur Hindernisse wie Zölle aus dem Weg räumen, sondern auch solche „Handelshemmnisse“ wie strenge Pestizid-Grenzwerte und andere Maßnahmen des vorsorglichen Gesundheitsschutzes. BAYER erhofft sich durch das Freihandelsabkommen Einsparungen in dreistelliger Millionen-Höhe.

Die Konzerne müssen unentwegt daran arbeiten, die Kapitalverwertungsmöglichkeiten zu verbessern. So versuchen sie etwa, die überregionalen Rahmenbedingungen für den Warenaustausch zu ihren Gunsten zu verändern. Auf globaler Ebene kommt das nicht recht voran. Die letzten WTO-Verhandlungen scheiterten, weil die Industrieländer den „Entwicklungsländern“ nicht genug Zugeständnisse machen wollten. Darum setzen die reichen Staaten jetzt vermehrt auf bi- oder multilaterale Übereinkommen. Aktuell handelt die EU mit den USA ein solches aus. Das ist ganz im Sinne des Leverkusener Multis. „Die deutsche chemische Industrie fordert seit langem ein ambitioniertes Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten“, betont er. Die konkreten Gründe dafür nennt Dr. Utz Tillmann, der Hauptgeschäftsführer des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI). „Die Abschaffung von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen sowie eine bessere regulatorische Zusammenarbeit werden den Chemie-Handel dies- und jenseits des Atlantiks beflügeln“, meint der VCI-Mann.
Der Leverkusener Multi rechnet sich durch den Wegfall der Gebühren an den Grenzen so einiges aus. Bei ihm wie bei allen Global Playern fallen diese Abgaben vornehmlich bei Geschäften mit sich selbst an – allzu viel „Welt“ steckt nicht im Welthandel. Der Agro-Riese hat nämlich seine Wertschöpfungskette quer über die Kontinente verteilt. So erfolgt etwa die Herstellung von Vorprodukten ganz woanders als deren Verarbeitung. „Auch deshalb summiert sich der transatlantische Handel des BAYER-Konzerns jährlich auf einen Milliarden-Betrag, das meiste davon firmen-intern. Durch TTIP könnten wir also in erheblichem Umfang Zollgebühren sparen“, hält der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in der „Wir wollen TTIP“-Broschüre des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“ (BDI) fest. „Am meisten aber würde eine Annäherung von Regulierungen bringen“, schreibt der BAYER-Chef dort und zählt als Beispiele vereinheitlichte Kriterien für Arzneimittel-Zulassungen und Betriebsinspektionen auf. Den kompletten TTIP-Effekt für BAYER taxiert der Holländer auf einen dreistelligen Millionen-Betrag.
Damit dieser auch wirklich reinkommt, beschäftigt der Global Player in Brüssel eine ganze Armada von LobbyistInnen. 2,5 Millionen Euro ließ er sich das allein im Jahr 2014 kosten. Dazu kommen noch deutsche, europäische und US-amerikanische Interessensvertretungen wie der BDI, der VCI, „CropLife America“, „BusinessEurope“, das „European Chemical Industry Council“ (CEFIC), die „American Chamber of Commerce“ und die „European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations“ (EFPIA). Gemeinsam sorgen sie dafür, dass die BAYER-Belange in puncto Landwirtschaft, Pharma und Chemie bei den UnterhändlerInnen angemessen Gehör finden, während diese Zugänge VertreterInnen der Zivilgesellschaft versperrt bleiben und selbst Abgeordnete keine Akten-Einsicht haben.
Nach Erhebungen des CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) kamen EmissärInnen der Agrarwirtschaft und der Lebensmittel-Industrie im Vorfeld der Verhandlungen auf die meisten Kontakte mit EU-Verantwortlichen. Mit 126 Treffen gewährten die Delegierten den VertreterInnen von BAYER & Co fast ein Viertel aller ihrer Lobby-Audienzen. 22 Mal klopften Chemie-AntichambriererInnen an die Tür und mussten dabei neben ihren super-aggressiven Agro-EinflüstererInnen nur noch ihren KollegInnen aus der IT-, Auto- und Maschinenbau-Branche den Vortritt lassen. Den neunten Platz der inoffiziellen Lobby-Hitparade nahm schließlich Big Pharma mit 17 Meetings ein. „Genauso wie andere Interessensgruppen versuchen wir den Verhandlungspartnern über unsere Verbände unsere Anliegen mitzugeben“, erklärt BAYER dazu knapp.

The worst of both worlds
Bei diesen Versuchen haben die Konzern-Beauftragten den Delegierten der Europäischen Union eine schier unendlich lange Liste von dem vorgelegt, was sie jenseits der Zollschranken so als Handelshemmnisse ansehen. Der Öffentlichkeit präsentiert die Industrie dabei propagandistisch immer wieder gerne das Beispiel unterschiedlicher Vorschriften für die Farbe von Auto-Blinkern, in Wirklichkeit geht es ihr aber um weit weniger harmlose Dinge wie zum Beispiel die Zulassungsregularien für Arzneien, Pestizide und Genpflanzen. In solchen und anderen Bereichen streben BAYER & Co. nun eine – sich jeweils am niedrigeren Schutz-Niveau orientierende –Vereinheitlichung an. „The worst of both worlds“ wollen sie erreichen.
Europa gerät dabei vor allem wegen seines Vorsorge-Prinzips unter Druck, das bereits bei Risiken für die Gesundheit der VerbraucherInnen Handlungsbedarf erkennt. Der Leverkusener Multi stört sich schon seit Längerem an dieser Maxime. So gehörte Marijn Dekkers im Oktober 2013 mit zu den Unternehmensbossen, die in der Sache einen Offenen Brief an die EU-Kommission schrieben. Die VerfasserInnen forderten darin, von dem prophylaktischen Ansatz abzurücken und stattdessen bei Genehmigungsverfahren auch das „Innovationsprinzip“ zu berücksichtigen. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass die Menschen aus Angst vor Risiken die Chancen gar nicht erst wahrnehmen wollen“, meint der Große Vorsitzende.
Die USA hingegen votieren im „Zweifel für den Angeklagten“. Die Behörden haben zweifelsfreie Nachweise zur Gefährlichkeit eines Produktes vorzulegen, ehe es vom Markt verschwinden kann. Diese Praxis möchte BAYERs US-amerikanischer Agro-Verband CropLife nun gerne in die EU importieren und an die Stelle des präventiven Ansatzes setzen. Er hat in den Brüsseler Pestizid-Grenzwerten nämlich ein Handelshemmnis für Ultragifte ausgemacht, das angeblich zu jährlichen Umsatz-Einbußen in Höhe von vier Milliarden Dollar führt. Auch bezeichnet CropLife den Schritt der EU, Agro-Chemikalien von BAYER, BASF und SYNGENTA wegen ihrer Bienengefährlichkeit mit einem befristeten Verkaufsbann zu belegen, als illegal. Deshalb tritt die Vereinigung, die mit Islam Siddiqui einen ihrer Ehemaligen als Chef-Unterhändler in der US-amerikanischen TTIP-Landwirtschaftsdelegation sitzen hat, für eine schnellstmögliche Freigabe der Mittel ein. „BusinessEurope“ wiederum reibt sich an der Befugnis der US-Gesundheitsbehörde FDA, kontaminierte Lebensmittel aus dem Verkehr ziehen zu dürfen. Als eines der „zentralen nicht handelsbezogenen Hindernisse für EU-Exporte in die USA“ wertet der Lobby-Club diese Berechtigung.
Im Gentechnik-Bereich stehen dem freien Waren-Verkehr nach Ansicht von BAYER & Co. die in Europa länger als in den USA dauernden Zulassungsverfahren für Labor-Pflanzen entgegen. Darum forderte die „Biotechnology Industry Organisation“ (BIO) in einer Stellungnahme zum geplanten Freihandelsabkommen: „TTIP sollte einen Mechanismus schaffen, um die Risiken von Handelsunterbrechungen zu reduzieren, die aus Unterschieden in der Genehmigungspraxis zwischen den EU-Ländern und den Vereinigten Staaten herrühren.“ Und der damalige EU-Handelskommissar Karel De Gucht schraubte auch daran. Er schlug ein Tauschgeschäft vor: Die Vereinigten Staaten erleichtern die Einfuhr von Äpfeln und Birnen, und dafür lässt die EU in Sachen Gentech-Verfahren mit sich reden. Ob seine Nachfolgerin Cecilia Malmström das allerdings weiterverfolgt und der Union damit einen Mahlstrom von genmanipulierte Pflanzen made in USA beschert, bleibt vorerst unklar.
Darüber hinaus streiten die Agro-Riesen dafür, nach US-amerikanischen Gepflogenheiten künftig Gentech-Rückstände in Lebensmitteln zu tolerieren und Kennzeichnungspflichten abzuschaffen. „BAYER und BASF agieren auf den Märkten in den USA und wollen nun in dem geheimen Handelsabkommen zwischen den USA und der EU das erreichen, was ihre Lobbyisten in Europa nicht geschafft haben“, kritisiert Jaydee Hanson vom CENTER FOR FOOD AND SAFETY deshalb.
Auf die Agenda im Pharma-Sektor gelangten nicht nur die BAYER so am Herzen liegende Vereinheitlichung der Kriterien für Arzneimittel-Zulassungen und Betriebsinspektionen. Auch über längere Patent-Laufzeiten und die Preisfestsetzungspraktiken für neue Medikamente sprachen die Delegationen. Dabei gab Big Pharma unverblümt die Richtung vor. So drohte etwa der Pillen-Riese ELI LILY dem Handelsdirektorium, Europa bei zukünftigen Investitionsentscheidungen zu übergehen, wenn es nicht zu konzern-konformen Ergebnissen komme. Zudem gelang es den Multis, die „data privacy“ auf die Tagesordnung zu setzen. Sie sehen sich nämlich einem zunehmenden Druck ausgesetzt, ihre Arznei-Tests öffentlich zugänglich zu machen und wollen sich gegen die Transparenz-Initiative besser mit dem Pochen auf angebliche Betriebsgeheimnisse wappnen.
Die „Plaste & Elaste“-Sparte des Leverkusener Multis erhofft sich von TTIP ebenfalls Zoll-Senkungen und einen Konvergenz-Schub bei den Regulationen. Überdies rechnet sich die energie-hungrige Branche Chancen aus, mehr von der US-amerikanischen „Schiefergas-Revolution“ durch die umstrittene Fracking-Methode zu profitieren. Sie spekuliert darauf, dass die Vereinigten Staaten, die Rohstoff-Exporte sonst sehr restriktiv handhaben, ihren EU-Partnern einen privilegierten Zugang zu dieser neuen Quelle gewähren.

Düstere Zukunft
BAYER & Co. betonen zwar bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, nicht die Absicht zu haben, durch TTIP bestehende Vorschriften wie etwa die Chemikalien-Verordnung REACH auszuhebeln, aber der betriebene Lobby-Aufwand sowie anderslautende Statements ihrer Interessensvertretungen säen Zweifel daran – und lassen besonders für die Zukunft schwarzsehen. So erklärte „BusinessEurope“: „Regulatorische Unterschiede müssen beseitigt werden. Und nicht nur die bestehenden. Wir müssen verhindern, dass neue überhaupt erst entstehen“ Das Mittel der Wahl hierzu soll ein transatlantischer Regulierungsrat sein, den die FAZ als ein „Frühwarn-System für neue Gesetze und Standards“ bezeichnet. So bestünde die Chance, dass Handelshürden erst gar nicht entstehen“, frohlockt der VCI.
Derzeit findet zum Thema „endokrin wirksame Substanzen“ ein Testlauf für ein solches Instrument statt. Seit Jahren schon plant die EU gegen diese Stoffe wie z. B. bestimmte Pestizide oder das von BAYER in Massen hergestellte Bisphenol A, die aufgrund ihres hormon-ähnlichen Aufbaus die Gesundheit gefährden, vorzugehen. Nicht zuletzt wegen TTIP verzögert sich aber jetzt der Prozess, und die konzertierte Aktion der Deregulierer könnte ihn schlussendlich ganz zu den Akten legen. Die USA sehen nämlich überhaupt keinen Handlungsbedarf. „Die Schaffung technischer Regulierungen auf der Grundlage risiko-gestützter Kriterien sind oft handelshemmender als notwendig, weil Risikominderungsmaßnahmen vorhanden sind. Und sie erfüllen kein legitimes Ziel, da sie nicht von wissenschaftlichen Beweisen unterstützt werden“, konstatieren ihre Vertreter.
Mit TTIP wollen die Konzerne sich auch die Möglichkeit verschaffen, gegen Länder vorzugehen, die sich bei Gesetzes-Vorhaben solch einer unwissenschaftlichen Vorgehensweise befleißigen. Dazu sieht das Abkommen die Einführung transnationaler Schiedsgerichte vor. „Es geht darum, sich in Sachen Gerichtsbarkeit auf neutralem Boden zu bewegen“, so „BusinessEurope“-Direktor Markus Beyrer zu dem, was der ehemalige Richter Jürgen Borchert in Thilo Bodes Buch „TTIP – die Freihandelslüge“ einen globalen Anlegerschutz vor demokratischen Risiken nennt. Und BAYER & Co. sammeln sogar schon mögliche Fälle für die über den Wolken schwebenden JuristInnen. Die Pharma-Riesen möchten beispielsweise gerne Staaten auf die Anklagebank setzen, deren Preisfestsetzungen für Medikamente ihnen nicht passen.
Und zu schlechter Letzt beabsichtigen die Konzerne, solche und andere Inhalte des Freihandelsabkommen dem Rest der Welt aufzuzwingen. Was der VCI mit den Worten ausdrückt: „Die Ergebnisse von TTIP sollten (...) auch anderen offenstehen“, meint in Wirklichkeit ein Diktat von Handelsbedingungen nach dem Motto „Friss oder stirb“. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) drückte das im Bundestag klar aus. „Haben wir die Chance, gemeinsam mit den Amerikanern Standards zu vereinbaren, denen sich andere anpassen müssen?“, fragte er und hatte dabei vor allem China im Blick. Für die von staatlichen Stellen finanzierte „Stiftung Wissenschaft und Politik“ kehrt mit dieser Abkehr von zwischen allen WTO-Ländern gemeinsam verhandelten globalen Abkommen die „Diskriminierung in die Handelspolitik zurück, was zu wachsenden Konflikten in der neuen multipolaren Weltordnung führen dürfte“.
All diese Implikationen des Deals zwischen der EU und den USA rufen viel Empörung hervor. Sogar die Gewerkschaften engagieren sich gegen das Freihandelsabkommen, wobei neben einigen Betriebsräten wieder einmal nur die Bosse-Buddies von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE ausscheren. Am 10. Oktober wird sich dieser Protest bei der Anti-TTIP-Demonstration in Berlin manifestieren. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gehört zu den Mitunterzeichnern des Aufrufs, und viele ihre Mitglieder haben ihr Kommen angesagt. Von Jan Pehrke

[OVG Münster] STICHWORT BAYER 04/2015

CBG Redaktion

CBG vs. BAYER & Uni Köln

Forschung bleibt geheim

In einem Berufungsverfahren wies das Oberlandesgericht Münster die Klage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf Einsichtnahme in den Forschungsvertrag ab, den BAYER mit der Universität Köln abgeschlossen hatte.

Von Jan Pehrke

In den Labors der Pillen-Riesen herrscht schon seit einiger Zeit kein Hochbetrieb mehr. Grundlagen-Forschung findet dort gar nicht mehr statt, und auch die Arbeit an neuen Medikamenten fahren die Konzerne zurück. Die Unternehmen scheuen die Investitionen. Lieber kaufen die Konzerne sich vielsprechende Projekte ein und entwickeln sie weiter oder setzen auf die Zusammenarbeit mit Universitäten oder wissenschaftlichen Einrichtungen. Auf über 800 solcher Partnerschaften, 326 allein im Pharma-Bereich, kann BAYER verweisen. Im Jahr 2008 vereinbarte die Aktien-Gesellschaft etwa eine Kooperation mit der Universität Köln. Der damalige NRW-Forschungsminister Andreas Pinkwart bezeichnete diese jubilierend als „die weitreichenste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“.
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) reagierte alarmiert. Was hatten der Leverkusener Multi und die Hochschule da genau ausgehandelt? Müssen sich die Kölner MedizinerInnen jetzt ökonomischen Vorgaben beugen und nach besonders profitträchtigen Arzneien forschen? Haben die WissenschaftlerInnen das Recht, die Forschungsergebnisse in jedem Falle zu publizieren? Wer kann die Neuentwicklungen schließlich als sein geistiges Eigentum verbuchen? Bei wem liegen die Verwertungsrechte? – solche Fragen stellte sich die CBG. Aber Antworten erhielt sie darauf nicht. Die Universität und der Pillen-Riese hatten sich darauf verständigt, das Thema „topsecret“ zu halten. Deshalb lehnte die Hochschule das Auskunftsbegehr mit Verweis auf das Betriebsgeheimnis ab. Die Coordination suchte sich daraufhin Verbündete und wandte sich unter Berufung auf das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz (IFG) noch einmal gemeinsam mit TRANSPARENCY INTERNATIONAL, dem ÄrztInnen-Verband IPPNW, MEDICO INTERNATIONAL, dem BUND DEMOKRATISCHER WISSENSCHAFTLERINNEN UND WISSENSCHAFTLER, der BUKO PHARMAKAMPAGNE und dem Kölner AStA an die Hochschule, um sie um eine Offenlegung des Vertrages zu ersuchen. Vergebens. Nicht einmal das Votum des NRW-Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, der eine Veröffentlichung empfahl, weil die Rahmen-Vereinbarung für ihn weder Betriebs- noch Forschungsgeheimnisse, vielmehr „im Wesentlichen organisatorische Regelungen“ enthielt, vermochte die Universitätsleitung umzustimmen.
So blieb der CBG nur der Klage-Weg. Bei der Verhandlung vor der 13. Kammer des Kölner Verwaltungsgerichts am 6. Dezember 2012 folgte der Vorsitzende Richter, Hans-Martin Niemeier, jedoch von Beginn an der Argumentation von BAYER und Universität. Er schlug den Vertrag dem Bereich „Forschung und Lehre“ zu, den das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz vom Transparenz-Gebot ausnimmt und betonte mit Berufung auf das Hochschul-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1973 das hohe Gut der Wissenschaftsfreiheit, hinter dem andere Ansprüche zurückzutreten hätten. Niemeier argumentierte dabei ohne echte Grundlage: Er hatte das Kooperationsabkommen gar nicht gelesen. Hätte das Gericht Einblick genommen, so wäre das Dokument nämlich zu den Akten gekommen – und damit auch zur CBG. Und das wollte der Richter verhindern. Sein Verweis auf das Hochschul-Urteil von anno dazumal verfing ebenfalls nicht, wog dieses doch die Wissenschaftsfreiheit keinesfalls gegen gegen Offenlegungspflichten ab, sondern gegen Mitbestimmungsrechte der Studierenden. Mit seiner Entscheidung schützte das BVG damals die ProfessorInnen vor den „Zumutungen“ einer demokratischen Universität, was viel Unmut hervorrief. Zwei RichterInnen gaben ein Minderheitsvotum ab und kritisierten, durch das Urteil würde die Wissenschaftsfreiheit „sinnwidrig in ein ständisches Gruppen-Privileg und Herrschaftsrecht umgemünzt“.

Der OVG-Prozess
Die 13. Kammer des Kölner Verwaltungsgerichts münzte das Grundgesetz-Gebot mit ihrem Richter-Spruch derweil in ein Konzern-Privileg um. Darum akzeptierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN diesen nicht und ging in Berufung. Die Verhandlung fand am 18. August 2015 vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster statt. Zu Beginn wollte der Anwalt der Kölner Hochschule dem Kläger Philipp Mimkes gleich grundsätzlich das Recht bestreiten, per Informationsfreiheitsgesetz eine Einsichtnahme zu fordern, da er diese angeblich nicht als Privatperson, sondern im Namen der CBG begehre. Damit kam der BAYER-Advokat jedoch nicht durch. Der Vorsitzende Richter Sebastian Beimesche zog die Berechtigung der Klage nicht in Zweifel. Im weiteren Verlauf versuchte Mimkes dann deutlich zu machen, dass die für die Coordination relevanten Teile der Rahmen-Vereinbarung wie Regelungen zu Patent- und Verwertungsfragen nicht unmittelbar dem Forschungsbereich angehören und somit veröffentlicht gehören. Beimesche jedoch legte den Ausnahme-Passus „Forschung und Lehre“ des NRW-Informationsfreiheitsgesetzes „weitreichend“, etwa auch die Forschungsplanung umfassend aus und urteilte über den Vertrag: „Das, was von Interesse ist, ist forschungsrelevant.“ Der Jurist tat das ebenso freihändig wie sein Kölner Kollege zweieinhalb Jahre zuvor. Er kannte den Inhalt nur vom Hörensagen und in einer nicht gerade objektiven Version: Die AnwältInnen von BAYER und Universität Köln hatten ihm eine Inhaltsangabe geliefert.
Für Mimkes’ Anwalt Harro Schultze verstieß das Informationsfreiheitsgesetz nordrhein-westfälischer Machart wegen seiner Einschränkungen schlicht gegen das in der Verfassung verbürgte Demokratie-Prinzip. „Kontrolle setzt Wissen voraus“, argumentierte der Rechtsanwalt, nur so könne eine qualifizierte Öffentlichkeit entstehen. Aber auch das ließ der Richter nicht gelten. Aus dem Demokratie-Prinzip sei ein Anspruch auf eine Einsichtnahme in die Quelle nicht herleitbar, befand er. Und Ausführungen zur wachsenden Ohnmacht dem Einfluss der Konzerne gegenüber, dem der § 2 Abs. 3 mit seiner Ausnahme-Regelung Vorschub leiste, kanzelte Beimesche als „rechtspolitische Erwägungen“ ab.
Folgerichtig lautete das Urteil dann: „Universität Köln muss Forschungsvereinbarung mit der BAYER PHARMA AG nicht offenlegen.“ Damit hat nach dem Kölner Verwaltungsgericht auch die nächsthöhere Instanz der Coordination ausgerechnet im Namen der Wissenschaftsfreiheit Einblick in einen Vertrag verwehrt, gegen den der dringende Tatverdacht besteht, die Wissenschaftsfreiheit den Interessen eines multinationalen Konzerns zu opfern.
So sprach die bei der TU Dortmund für Rechtsangelegenheiten in der Forschung zuständige Brigitte Timke bei einer Veranstaltung in Düsseldorf einmal von „diktierten“ Verträgen, was BAYERs Patent-Experte Dr. Dieter Linkenheil dort auch nur bestätigen konnte. In der Regel lege das Unternehmen einen von ihm entwickelten Vertragsentwurf vor, so Linkenheil. Ein damaliger Forscher des Leverkusener Multis wollte den Hochschulen bei der Diskussion noch nicht einmal eine „Bestseller-Klausel“ in den Kontrakten zugestehen, also eine Honorierung besonders erfolgreicher Entwicklungen. Schließlich trügen die Unternehmen doch auch das wirtschaftliche Risiko, argumentierte er. Und um solche Bestseller zu erhalten, schreiben die Konzerne dem Herz-Spezialisten Dr. Erland Erdmann zufolge bei Arznei-Tests zuweilen kräftig mit. „Bevor man als Wissenschaftler die Ergebnisse einer solchen klinischen Studie veröffentlichen könne, müsse man den zur Publikation vorgesehenen Bericht in der Regel erst dem Sponsor vorlegen. Marktschädliche Äußerungen könnten dabei dem Rotstift zum Opfer fallen“, gibt die Faz seine Worte wieder.
Das Oberwaltungsgericht Münster zementierte mit seiner Entscheidung diese Wissenschaftsunfreiheit. Für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN war die Konsequenz damit klar. „Das Urteil verdeutlicht, dass das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz (IFG) überarbeitet werden muss“, erklärte sie deshalb nach dem OVG-Votum vom 18. August: „Die generelle Ausklammerung des Hochschulbereichs von jeglicher Transparenz muss durch eine differenziertere Regelung ersetzt werden, sonst droht eine Ausrichtung der universitären Forschung auf rein wirtschaftliche Interessen.“

Reaktionen
Das Bündnis „NRW blickt durch“ pflichtete dem bei. „BAYER-Urteil schreit nach Transparenz-Gesetz“, befand das Netzwerk. Und die nordrhein-westfälischen Piraten, von denen ein Vertreter den Prozess in Münster verfolgt hatte, brachten gleich einen entsprechenden Antrag in den Landtag ein. Dieser forderte die Landesregierung auf, einen „Änderungsvorschlag für das Informationsfreiheitsgesetz NRW vorzulegen, so dass die Informationsfreiheit auch Anwendung in den Bereichen Forschung und Lehre findet, ohne dass der Kernbereich der Forschungsfreiheit verletzt wird.“ Zudem verlangte die Fraktion, die Veröffentlichungspflichten universitäre Forschung betreffend im § 71a des Hochschulzukunftsgesetzes präziser festzulegen. Das lehnte Rot-Grün jedoch ab.
Hochschul-Angehörige zeigten sich in einer Hörfunk-Diskussion, die der Deutschlandfunk aus gegebenem Anlass ins Programm genommen hatte, gleichfalls unzufrieden mit dem Urteil des Oberlandesgerichts. So brachte der Präsident der TU Braunschweig, Jürgen Hesselbach, sein Bedauern über den Richterspruch mit folgenden Worten zum Ausdruck: „Wir würden es bevorzugen, wenn man die Dinge wirklich alle offenlegen könnte. Ich glaube, dass die Gesellschaft einen Anspruch darauf hat, dass man erfährt: ‚Was passiert denn in den Hochschulen’. Übrigens muss das auch unser eigenes Interesse sein, weil wir sofort in den Verdacht geraten, wir machen in unseren Forschungskellern irgendwelche kruden Dinge.“ Professor Dieter Lenzen, Präsident der Hamburger Universität, kritisierte die Ausnahme-Regelungen in den Paragrafen-Werken ebenfalls: „Der Gesetzgeber in Hamburg hat beispielsweise auf Druck der Wirtschaft darauf verzichtet, in dem Transparenz-Gesetz die Wissenschaft mit einzubeziehen. Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee war.“
Unisono klagten die Professoren über die Unterfinanzierung der Hochschulen, welche die Abhängigkeit von der Wirtschaft erhöhe. Auch sorgten sie sich um die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit, wenn die ForscherInnen sich etwa zunehmend Produkt-Optimierungen widmeten oder sogar nur als bessere Dienstleister in Prüfreihen neue Industrie-Entwicklungen untersuchten. „Wenn wir immer mehr spezialisierte Hochschullehrer und -lehrerinnen haben, die immer weiter anwendungsorientiert arbeiten, gibt es am Ende niemanden mehr, der Grundlagen-Erkenntnis zumindest in Volluniversitäten sucht“, warnte Lenzen.
Bei der Universität Köln könnte davon in nächster Zeit wieder etwas mehr zu finden sein. Wie kurz vor dem Prozess bekannt wurde, verlängerten die Hochschule und der Leverkusener Multi ihren Vertrag nicht. Beide Seiten hätten daran kein Interesse gehabt, sagte Uni-Sprecher Patrick Honecker der Rheinischen Post. Die öffentliche Kritik, die beide im Zuge der Auseinandersetzung mit der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN um die Veröffentlichung der Vereinbarung einstecken mussten, dürfte an dem Ende der Zusammenarbeit in der bisherigen Form einen gehörigen Anteil gehabt haben. So ganz voneinander lassen mochten beide Parteien jedoch nicht. „Wir kooperieren weiter“, betonte ein BAYER-Anwalt in Münster.
Da das Hochschulzukunftsgesetz für abgeschlossene Projekte eine – freilich auch wieder an Auflagen gebundene – Publikationspflicht vorsieht, hat sich die CBG in einem Brief an die Universität umgehend nach einem solchen Bericht erkundigt und um Informationen zu den pharmakologischen Forschungsvorhaben, zu den patentrechtlichen Fragen und zu den Gründen für die Beendigung der Kooperation gebeten. Bis Redaktionsschluss lag eine Antwort jedoch noch nicht vor.
Zudem wartet die Coordination die Zustellung der schriftliche Urteilsbegründung ab, um anhand ihrer dann zu entscheiden, ob sie gegen den OVG-Entscheid, der eine Revision nicht zugelassen hat, Rechtsmittel einlegt.

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