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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

IG Farben

CBG Redaktion

27. Januar 2012

BAYER Vorstandsvorsitzender:

10. Todestag von ex-Nazi Kurt Hansen

Gestern jährte sich der 10. Todestag des ehemaligen BAYER-Vorstandsvorsitzenden Kurt Hansen. Als Ehren-Vorsitzender des Aufsichtsrates hatte Hansen noch bis ins hohe Alter (er wurde 91) ein Büro im Leverkusener BAYER-Hochhaus. Hansen repräsentierte in seiner Person den bruchlosen Übergang IG FARBEN => BAYER. Er trat schon frühzeitig, nämlich 1931, in die NSDAP ein und war bei der IG FARBEN für die kriegswichtige Aufgabe der Rohstoff-Beschaffung und Verteilung zuständig. Wegen seiner Verantwortung für Kriegsverbrechen verhafteten und internierten ihn die Alliierten im Jahr 1945. Von alldem war in den Nachrufen natürlich nichts zu lesen.
Selbstverständlich stellte die unrühmliche Vergangenheit Hansens in der Bundesrepublik auch keinen Hinderungsgrund dar, ihn mit Auszeichnungen zu überhäufen. So war er Ehrenbürger der Stadt Leverkusen und erhielt gleich von mehreren Universitäten Ehrendoktor-Würden verliehen.

Phosgen

CBG Redaktion

Presse Information vom 24. Januar 2012
Coordination gegen BAYER-Gefahren

geplante TDI-Anlage im BAYER-Werk Dormagen:

Betonhülle zum Schutz vor Giftgas gefordert

Die BASF gab am Freitag bekannt, in Ludwigshafen eine neue TDI-Anlage zu bauen. Die Fabrik soll mit 300.000 Jahrestonnen die selbe Kapazität erhalten wie die von der BAYER MaterialScience AG geplante Anlage in Dormagen.

Die beiden Projekte unterscheiden sich jedoch in einem wichtigen Punkt: die BASF will die gefährlichsten Anlagenteile mit einer Betonhülle umgeben. Umweltverbände hatten ebendies im Erörterungstermin für die BAYER-Anlage im vergangenen Oktober gefordert. Auch eine entsprechende Anlage von Dow Chemicals in Stade ist mit einer Betonkuppel versehen. Die Fabrik in Dormagen hingegen soll nur mit einer Blechhülle geschützt werden; der Standort befindet sich lediglich 300m von der Werksgrenze entfernt.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Wir sind nach wie vor gegen die Genehmigung einer Anlage, die über Jahrzehnte hinweg die Herstellung von Phosgen zementiert. Sollte es dennoch zu einer Genehmigung kommen, so muss zumindest der Einsatz der bestmöglichen Sicherheitstechnik gewährleistet sein. Eine Einhausung aus Beton bietet in jedem Fall einen höheren Schutz gegen Feuer, Explosionen oder eine Beschädigung von außen als die von BAYER geplante Blechhülle.“

In der Dormagener TDI-Produktion sollen als Zwischenprodukt jährlich rund 360.000 Tonnen Phosgen eingesetzt werden; die Chemikalie wurde im 1. Weltkrieg als Kampfgas verwendet. Gegen die Genehmigung des Antrags von BAYER hatten die CBG, der BUND, die Grünen sowie rund 60 Einzelpersonen Einwendungen eingereicht. Hauptpunkte der Kritik sind neben dem Einsatz hochgefährlicher Chemikalien der hohe Energie- und Ressourcen-Einsatz sowie das Fehlen von worst case-Szenarien. Die Bezirksregierung Köln hat über eine Genehmigung des Antrags noch nicht entschieden.

Der Werksleiter der BASF in Ludwigshafen, Bernhard Nick, hatte am Freitag gegenüber der Presse geäußert: „Die eigentliche TDI-Produktion findet in einer kompletten Einhausung in einem hermetisch verschlossenen Betongebäude statt, das sicherstellt, dass keine toxikologischen Stoffe in die Umwelt gelangen“.

weitere Informationen zur TDI-Kampagne

[Bienensterben] [[4231|Neue Studie zu globalen Bienensterben]]

CBG Redaktion

Eine neue Studie amerikanischer Bienenforschungs-Institute kommt zu dem Ergebnis, dass der Befall mit Milben (den BAYER für die weltweiten Bienensterben mitverantwortlich macht), bei imidacloprid-belasteten Bienen stark zunimmt. Die Erkrankungen sind also eine Folge der Pestizidbelastung.

Die Studie endet mit dem Satz „We believe that subtle interactions between pesticides and pathogens could be a major contributor to increased mortality of honey bee colonies worldwide.“

alle Infos zur Kampagne

Werbung

CBG Redaktion

Pervers: Berge in den Alpen dienen als Werbefläche. Was wollen die Konzerne denn noch alles beanspruchen - patentierte Gene reichen wohl noch nicht?

Blick (Schweiz), 20. Januar 2012

«Ein Berg ist kein Werbeobjekt!»

Multis rauben Jungfrau die Unschuld

LAUTERBRUNNEN - Der Lichtkünstler Gerry Hofstetter projizierte das Schweizerkreuz an die Nordflanke der Jungfrau. Unter anderem auch das Logo des Pharmamultis Bayer. Das sorgt für Unmut.

Zum 100-Jahre-Jubiläum der Jungfraubahnen überlegte sich das Unternehmen etwas ganz spezielles: Ein riesiges Schweizerkreuz sollte die Jungfrau beleuchten. Lichtkünstler Gerry Hofstetter setzte das Vorhaben um: Das weisse Kreuz auf rotem Grund beleuchtete die Flanke. Nicht nur das: Pharma-Multi Bayer, Uhrenmarke Tissot und die Bekleidungsfirma Mammut liessen mit ihrem Logo den Berg erleuchten.

«Ein Berg ist doch kein Werbeobjekt!» Geschäftsführerin Katharina Conradin von Mountain Wilderness zu Blick.ch: «Das stösst uns sauer auf.» Das Gebiet Jungfrau-Aletsch – übrigens ein Unesco-Welterbe – als Werbefläche zu missbrauchen, missfällt nicht nur ihrer Organisation.

Die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz bläst ins gleiche Horn. Gegenüber dem «Bund» sagt eine Sprecherin: «Es tut weh zu sehen, wie multinationale Konzerne die grandiose Berglandschaft zur Werbeleinwand degradieren.»

Mountain Wilderness kritisiert nicht nur die Werbung, die an den Berg projiziert wurde, sondern auch die 18 Heliflüge, die notwendig waren, um die Ausrüstung für die Lichtinstallation auf den Berg zu bringen. «Diese Lärmbelästigung hätte vermieden werden können», sagt Conradin.
Ohne Sponsoring nicht möglich

Die Jungfraubahnen weisen daraufhin, dass die Aktion ohne Sponsoring nicht hätte finanziert werden können. Und Künstler Gerry Hofstetter verteidigt sich: Im Fussball oder Eishockey seien Sponsoren und Werbung viel präsenter und aufdringlicher.

Zum «Bund» sagt er: «Wir haben das dezent gemacht.» Aber er könne verstehen, wenn dies nicht allen Leuten gefalle.

Eine der Firmen, deren Logo grossflächig leuchtete, ist die Bekleidungsfirma Mammut. Einen Image-Schaden befürchtet die Firma durch die Aktion nicht. «Es handelt sich hier um eine einmalige Aktion im Rahmen des Jubiläums», sagt Sprecher Dominik Ryser zu Blick.ch. Die Reaktionen seien zudem durchwegs positiv gewesen. «Dass Berge in Zukunft als Werbefläche gebraucht werden, ist nicht abzusehen.» (num)

Werbung auf Berge projiziert

Kommentar von Marcus Knill, 20. Januar 2012

Grossflächtig leuchtete nachts an der Jungfrauwand ein Schweizerkreuz. Der Lichtkünstler Gerry Hofstetter hatte es an die Nordflanke der Jungfrau projiziert. Nun ist auch das Logo des Pharmamultis Bayer zu sehen. Auch die Uhrenmarke Tissot und die Bekleidungsfirma Mammut liessen jetzt ihr Logo am Berg erleuchten.

Das Ganze war als besonderes Projekt zum 100-Jahre-Jubiläum der Jungfraubahnen gedacht. Die Werbung stiess vielen sauer auf. “Das ist der Gipfel” war zu hören bis: “Ein Berg ist doch kein Werbeobjekt!”
Folgende Frage scheint mir berechtigt: Dürfen im Jungfrau-Aletsch-Gebiet (übrigens ein Unesco-Welterbe) die Berge als Werbefläche missbraucht werden?
Die Sprecherin der Stiftung Landschaftsschutz sagte gegenüber dem “Bund”: “Es tut weh zu sehen, wie multinationale Konzerne die grandiose Berglandschaft zur Werbeleinwand degradieren.”
Auch 18 Heliflüge, die notwendig waren, um die Ausrüstung für die Lichtinstallation auf den Berg zu bringen, wurden kritisiert: “Diese Lärmbelästigung hätte vermieden werden können”.
Künstler Gerry Hofstetter verteidigt sich: Im Fussball oder Eishockey wären die Sponsoren und die Werbung viel präsenter.
Mein Eindruck: Dass so ein Event nicht ohne Sponsoring möglich ist, leuchtet ein. Doch müssten solche Aktionen nur mit einer Sonderbewilligung möglich sein. Wenn nicht, besteht tatsächlich die Gefahr, dass die Berge zu
Werbeflächen verkommen könnten. Die Werbeflächen bei Sportveranstaltungen können übrigens nicht mit dieser Aktion verglichen werden. Werbung ja, aber in geregeltem Rahmen.

Tierantibiotika

CBG Redaktion

Presse Info vom 19. Januar 2012
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Baytril: BAYER profitiert von Massentierhaltung

60% aller Antibiotika landen im Tierstall / immer mehr resistente Keime / Demonstration am Samstag in Berlin

Mehr als die Hälfte der weltweiten Antibiotika-Produktion landet im Viehstall. In der Folge entstehen massenhaft resistente Keime, die nach der Schlachtung im Schweine-, Rinder- oder Hähnchenfleisch nachweisbar sind. Eine mitunter tödliche Gefahr.

Zu den großen Profiteuren der Massentierhaltung gehört der Leverkusener BAYER-Konzern. Allein mit dem Tierantibiotikum Baytril machte BAYER im Jahr 2010 einen Umsatz von 166 Mio Euro, elf Prozent mehr als im Vorjahr. BAYER ist weltweit das viertgrößte Unternehmen im Bereich Veterinärmedizin.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Ohne die Produkte von BAYER & Co. wäre die Haltung Tausender Tiere auf engstem Raum gar nicht möglich. BAYER profitiert von den katastrophalen Zuständen in der Massentierhaltung, bei der ständig neue Krankheiten auftreten, und ist daher für die Entstehung antibiotika-resistenter Keime mitverantwortlich.„

In vielen Zuchtbetrieben gehören Baytril-Spritzen zum Alltag. Das Präparat wird seit 1995 in großem Umfang zur Behandlung von Infektionskrankheiten von Hühnern, Kälbern, Rindern, Puten und Schweinen eingesetzt. Der Wirkstoff von Baytril (Enrofloxacin) gehört zu den Fluochinolonen - wie auch die von BAYER vertriebenen Humanantibiotika CIPROBAY (Ciprofloxacin) und AVALOX (Moxifloxacin). Der großflächige Einsatz von Baytril führt dazu, dass gängige Humanantibiotika immer häufiger unwirksam werden.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert:
=> ein Verbot der quälerischen Massentierhaltung, die den exzessiven Einsatz von Bakteriziden erst notwendig macht;
=> eine lückenlose Dokumentation aller Antibiotika-Anwendungen im Tierstall (mit Mengenangaben);
=> ein Verbot der routinemäßigen Beigabe von Antibiotika in Tierfutter und diesbezügliche Kontrollen und Strafen;
=> Verwendung von Antibiotika nur unter strengster Indikation und nur durch Tierärzte/innen; Ziel muss eine antibiotikafreie Tierzucht sein;
=> Verbot der routinemäßigen Behandlung ganzer Tierbestände.
Die Coordination kritisiert zudem die zunehmende Belastung des Grundwassers durch Veterinärprodukte.

Jüngste Studien des BUND belegen, dass Hähnchenfleisch in deutschen Supermärkten größtenteils mit antibiotikaresistenten Keimen belastet ist. Die Verbraucher/innen können im Falle einer späteren Infektion nicht mehr mit gängigen Antibiotika behandelt werden. Im November hatte das Verbraucherministerium NRW eine Studie veröffentlicht, wonach 96 Prozent der Masthähnchen mit Antibiotika behandelt werden.

Auch eine Studie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) war im Herbst zu dem Ergebnis gekommen, dass der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast die Gefahr erhöht, dass diese bei Menschen nicht mehr wirken. Die Weltgesundheitsorganisation WHO fordert daher seit Jahren ein Verbot des massenhaften Einsatzes von Antibiotika in der Tierzucht. In der EU wurde der präventive Antitbiotika-Einsatz schon vor Jahren verboten, ohne dass die verwendeten Mengen dadurch sanken.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren ruft zusammen mit 90 weiteren Organisationen zur Teilnahme an einer Demonstration am Samstag in Berlin auf. Die Kundgebung, die um 11.30 Uhr am Berliner Hauptbahnhof beginnt, steht unter dem Motto “Wir haben es satt! Bauernhöfe statt Agrarindustrie".

weitere Infos:
=> die Süddeutsche greift unsere Forderungen auf
=> US-Behörden verbieten Tierantibiotikum von Bayer
=> Gesundheitsrisiko Veterinär-Medizin

El Salvador

CBG Redaktion

17. Januar 2012&

  • 8201;– IPS

==El Salvador: Nierenschäden durch Herbizide&

  • 8201;– Viele Bauern in Küstenregion krank==

Im Schatten eines Baumes beobachtet Francisco Sosa, wie sein Sohn den Acker für die Aussaat vorbereitet, indem er mit einem Herbizid gegen das wuchernde Unkraut vorgeht. Der 60-Jährige würde gern mithelfen, darf aber aus Gesundheitsgründen nicht. Der jahrelange Kontakt mit den Pflanzengiften hat ihn wie viele andere Bauern in seinem Ort im Südosten von El Salvador krank gemacht.
Sosa leidet an einer Niereninsuffizienz, einer chronischen Krankheit, die in ihrer akuten Phase sogar zum Tod führen kann. »Die Ärzte haben mir gesagt, dass ich kein Gift mehr versprühen soll. Das könnte meine Krankheit weiter verschlimmern«, erklärt er IPS. In der Region Bajo Lempa, in der sich auch Nueva Esperanza befindet, berichten Menschen und Medien seit Jahren über eine alarmierende Zunahme von Nierenleiden. Dort wurde mehr als ein Jahrhundert lang teils unter intensivem Einsatz von Chemikalien Baumwolle angebaut.
Seit den siebziger Jahren sind die Farmer zwar auf Mais, Bohnen und andere Getreide– und Gemüsesorten umgestiegen, Herbizide und Pestizide kommen aber weiterhin reichlich zum Einsatz. In einigen Gemeinden von Bajo Lempa wie Ciudad Romero leiden 20,7 Prozent der Bevölkerung an chronischen Nierenerkrankungen.

Alarmierende Zahlen
In anderen Ländern hingegen seien nur 1,4 bis 6,3 Prozent der Menschen von einer Niereninsuffizienz betroffen, so die vorläufigen Ergebnisse einer Studie des salvadorianischen Gesundheitsministeriums. Begonnen wurde die Untersuchung 2009, als mit Mauricio Funes ein Vertreter der moderaten Linken das Präsidentenamt übernahm. Funes hatte im Bürgerkrieg von 1980 bis 1992 auf Seiten der linken Rebellen der Nationalen Befreiungsfront Farabundí Martí (FMLN) gekämpft, die sich heute als reguläre Partei etabliert hat.
Die Studie, deren endgültige Ergebnisse im kommenden Oktober vorliegen sollen, liefert zwar keine Bestätigung dafür, dass Agrochemikalien der eigentliche Auslöser für die gehäuft auftretenden Beschwerden sind. Immerhin enthält sie deutliche Hinweise, die die Warnungen von Bauern und Umweltschützern untermauern.
Dass mehr als 82 Prozent aller Männer in der Region mit Herbiziden und Pestiziden hantieren, hebt der Bericht als wichtigen Risikofaktor hervor. »Die Krankheit hängt mit den chemischen Substanzen zusammen, die vor allem in der Landwirtschaft in den Küstengebieten verwendet werden«, sagte Gesundheitsministerin Maria Isabel Rodríguez. »Wir haben skandalöse Zahlen, die es sonst in keinem Teil der Welt gibt.« Die Erkrankten seien in der Mehrzahl Bauern im Alter von 18 bis 60 Jahren.
Mauricio Sermeño von der Umweltorganisation ‘Unidad Ecológica Salvadoreña’ verwies auf den massiven Einsatz von Pestiziden und Herbiziden während des Baumwollbooms. Damals wurde vielfach DDT verwendet. Wegen der gesundheitsschädigenden Wirkung wurde DDT schließlich verboten.
In El Salvador seien aber nach wie vor hochtoxische Agrochemikalien wie Gramoxon des Agromultis Syngenta und Hedonal von Bayer auf dem Markt, erklärte der Experte. Sermeño macht diese Erzeugnisse für einen erheblichen Teil der Krankheitsfälle verantwortlich. Auf Nachfragen von IPS hat die Bayer-Niederlassung in dem zentralamerikanischen Land nicht reagiert.
In Bajo Lempa gibt es nach Angaben von Umweltaktivisten mittlerweile kaum einen Einwohner, der nicht einen Verwandten oder Freund durch Nierenversagen verloren hätte.

Todkranke Patienten nach Hause entlassen
Das auf die Krankheit spezialisierte Hospital am Ort bietet Behandlungen während der verschiedenen Stadien der Krankheit an. In der letzten Phase werden die Patienten nach Hause entlassen, wo sie selbst die Dialyse durchführen müssen. Längst nicht alle Betroffenen können gerettet werden. »In 95 Prozent aller Gräber auf dem Friedhof von Nueva Esperanza liegen Menschen, die an Nierenproblemen gestorben sind«, sagt Rosa María Colindres, die als Krankenschwester in der ersten staatlichen Nierenklinik in dieser Zone arbeitet.
»Wenn ich nicht selbst die Dialyse machen würde, wäre ich längst tot«, meint der Bauer Wilfredo Ordoño. Er erinnert sich daran, dass früher aus dem Rucksacksprayer oft Flüssigkeit ausgetreten sei, die sich über seine Schultern verteilt habe. »Ich denke, dass mich das erledigt hat.«
Bajo Lempa ist ein Küstengebiet, in dem der gleichnamige Fluss in den Pazifik mündet. Jedes Jahr kommt es dort zu Überschwemmungen, die Ernten vernichten. Seit dem Ende des Bürgerkriegs 1992 wurden die früher Großgrundbesitzern gehörenden Ländereien aufgeteilt und zur Bewirtschaftung an ehemalige Rebellen vergeben, die wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden sollten.
Die politisch überwiegend links orientierten Bewohner der Region werfen den früheren Regierungen unter Führung der konservativen Arena-Partei vor, nicht an einer Eindämmung der Krankheitswelle interessiert gewesen zu sein. So gebe es bis heute keine effizienten gesetzlichen Regelungen für den Handel und Umgang mit Agrochemikalien. Ein 2004 geschlossenes Übereinkommen sei praktisch nicht befolgt worden. Von Edgar Ayala&

  • 8201;— Nueva Esperanza in El Salvador

[attac] Bespitzelung von attac

CBG Redaktion

16. Januar 2012

Bespitzelung durch Nestlé: Solidarität mit attac!

Liebe Mitglieder von Attac-Schweiz

Ich bin als Gründungsmitglied und Aktivist bei der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG / www.CBGnetwork.org), bei ethecon www.ethecon.org) und beim Dachverband der Kritischen AktionärInnen (www.kritische-aktionaere.de) seit Jahrzehnten aktiv gegen multinationale Konzerne. Ich weiß, wie es sich anfühlt von Konzernen diffamiert, bespitzelt, bedroht, kriminalisiert, unter Druck gesetzt und auch in die Terroristenecke gedrängt zu werden.

Im Jahr 2007 haben wir bei ethecon den Internationalen ethecon Black Planet Award an Peter Brabeck-Letmathe und Liliane de Bettencourt, den Vorstandsvorsitzenden und die Großaktionärin des NESTLÉ-Konzerns verliehen, weil sie, und mit ihnen das verantwortliche Management und die hinter diesen stehenden Großaktionäre, Ethik und Moral mit Füßen treten und durch den Ruin von Gesellschaft, Mensch und Natur die Gefahr eines Schwarzen Planeten heraufbeschwören.

Ich wünsche euch viel Erfolg im Prozess gegen Nestlé wegen illegaler Überwachung und Persönlichkeitsverletzung. Auf dass Gerechtigkeit siege!

Wenn wir bei CBG und ethecon etwas für Euch tun können, dann meldet Euch.

Solidarische Grüsse
Axel Köhler-Schnura

Nestlé vor Gericht wegen Überwachung von Attac

Am 24. und 25. Januar 2012 stehen der Nahrungsmittelkonzern Nestlé und die Schweizer Sicherheitsfirma Securitas in Lausanne (Schweiz) wegen Bespitzelung der globalisierungskritischen Bewegung Attac vor Gericht. Mit dem Prozess, der lange auf sich hat warten lassen, wird endlich der Schleier der Verschwiegenheit gelüftet, der sich über den Bespitzelungsskandal gelegt hat.

Nestlé und Securitas sind angeklagt wegen illegaler Überwachung und Persönlichkeitsverletzung von Attac und deren Mitgliedern. Die Anzeigen erfolgten, nachdem das Westschweizer Fernsehen TSR am 12. Juni 2008 publik gemacht hatte, dass eine Gruppe von Attac-Vaud, die an einem Buch über die Nestlépolitik arbeitete, von einer Securitasmitarbeiterin im Auftrag von Nestlé infiltriert und ausspioniert worden war. Die Frau war 2003 unter der falschen Identität „Sara Meylan“ der Attac-Gruppe beigetreten, hatte Arbeitssitzungen besucht (teilweise bei den Mitgliedern zuhause) und darüber detaillierte Berichte zuhanden von Nestlé erstellt. Als Mitglied der Gruppe hatte sie Zugang zu internen Informationen und Zugriff auf sämtliche Recherchen der Autor/-innen, auf ihre Quellen und Kontakte sowohl in der Schweiz als auch im Ausland.

Spioninnen während Jahren aktiv
Am 26. September 2008 haben die Kläger/-innen beim Untersuchungsrichter eine weitere Securitas-Spionin angezeigt, die unter ihrem richtigen Namen 2008 noch immer aktiv bei Attac war. Nestlé und Securitas hatten zunächst behauptet, dass die Bespitzelung mit dem Abgang von „Sara Meylan“ im Juni 2004 beendet worden sei. Als dann diese zweite Agentin entdeckt wurde, haben die Firmen erklärt, diese Agentin hätte nach 2005 keine vertraulichen Berichte mehr für Securitas/Nestlé verfasst.
Das Strafverfahren wurde nach einer mangelhaften Untersuchung am 29. Juli 2009 eingestellt. Der damalige kantonale Untersuchungsrichter übernahm die Darstellungen von Nestlé und Securitas und begründete die Einstellung des Verfahrens u.a. mit der dreijährigen Verjährungsfrist des Datenschutzgesetzes. Dies, obwohl die zweite Nestlé-Securitas-Agentin noch 2008 aktiv bei Attac war!

Nun kommt es am 24. und 25. Januar 2012 zur Verhandlung im Zivilverfahren. Der Prozess ist öffentlich und es ist somit eine einmalige Chance, dass Transparenz über das Handeln von Nestlé und Securitas hergestellt werden kann.

Der Prozess findet im Tribunal d’arrondissement de Lausanne im Palais de justice de Montbenon am Dienstag und Mittwoch, 24 und 25. Januar von 9 bis 17 Uhr statt.

Infos: http://www.multiwatch.ch/de/p97000084.html

Carbendazim

CBG Redaktion

13. Januar 2012

USA: Orangensaft mit BAYER-Pestizid Carbendazim belastet

Amerikanische Orangensäfte sind mit einem verbotenen Schädlingsbekämpfungsmittel belastet. In Europa wird der Wirkstoff Carbendazim wegen drohender Gesundheitsgefahren vom Markt genommen.

„Giftig für Wasserorganismen“, „Kann das Kind im Mutterleib schädigen“, „Kann vererbbare Schäden verursachen“ – so lauten einige Warnhinweise für das Fungizid Carbendazim. Die Chemikalie gehört zu den 23 besonders gefährlichen Stoffen, die wegen erwiesener Gesundheitsrisiken in der EU keine erneute Genehmigung erhalten dürfen. Auf der schwarzen Liste der EU befinden sich insgesamt sechs Inhaltsstoffe von BAYER-Produkten: Glufosinat, Carbendazim, Mancozeb, Tebuconazole, Bifenthrin und Thiacloprid.

Der US-Getränkekonzern Coca-Cola hat nun bei Orangensäften aus eigener Herstellung sowie bei Produkten der Konkurrenz eine Belastung mit dem Agrogift festgestellt. Es seien niedrige Werte von Carbendazim gemessen worden, teilte Coca Cola vorgestern mit. Die US-Gesundheitsbehörde FDA hatte bereits am Montag mitgeteilt, sie sei von einem Unternehmen über den Fund informiert worden. Das Fungizid wird von der Firma BAYER CropScience unter dem Markennamen Derosal vertrieben.

Der Wirkstoff ist für die Verwendung auf Zitrusfrüchten in den USA nicht zugelassen. Allerdings kommt er in Brasilien zum Einsatz, das Land exportiert Orangensaft in die USA. Jedes Unternehmen, das Orangensaft aus Brasilien verwendet, sei betroffen, sagte ein Sprecher von Coca-Cola.

Die US-Gesundheitsbehörde teilte zwar mit, es sei ungefährlich Orangensaft zu trinken. Nach Ansicht der Coordination gegen BAYER-Gefahren gibt es für Carbendazim jedoch keinen Grenzwert, der als ungefährlich zu betrachten ist. Das Netzwerk fordert BAYER auf, alle Wirkstoffe auf der „Schwarzen Liste“ der EU vom Markt zu nehmen.

[SWB] Stichwort BAYER

CBG Redaktion

11. Januar 2013

Für 2013 eine gute Nachricht:

30 Jahre Stichwort BAYER

Das einzige Magazin, das einem Konzern kontinuierlich die Stirn bietet, erscheint Dank der Solidarität der konzern- und globalisierungskritischen Öffentlichkeit nun schon seit 30 Jahren. Das ist den Konzernen ein Dorn im Auge.

Stichwort BAYER - ein starkes Stück Gegenmacht
Aktuell hat Stichwort BAYER (SWB) eine Auflage von 6.300 Exemplaren. Damit ist SWB ein starkes Stück Gegenöffentlichkeit.
Das Magazin enthüllt spannend, aktuell und faktenreich, was hinter den Konzernmauern geschieht und sonst nie an die Öffentlichkeit dringt. Stets beispielhaft für Konzernwillkür und Unternehmensverbrechen allgemein.

SWB - konzernkritischer Journalismus
SWB erhält keine finanzielle Unterstützung. Der Herausgeber, die Coordination gegen BAYER-Gefahren, muss sich selbst aus Spenden und Förderbeiträgen finanzieren.
Auch wenn Stichwort BAYER weitgehend ehrenamtlich erstellt wird, kostet konzernkritischer Journalismus Geld. Eine Deckung der Kosten über die Abo-Gebühren ist nicht möglich. Sie betragen 30 Euro jährlich (höhere freiwillige Abo-Gebühren sind gern gesehen).

Lesen auch Sie konzernkritisch
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Herzliche Soli-Grüße
Jan Pehrke
(Redakteur von SWB)

Soeben ist die aktuelle Ausgabe von Stichwort BAYER erschienen - hier einer der darin enthaltenen Beiträge:

USA: BAYER nimmt „Baby-Aspirin“ vom Markt

[Yasmin] Antibabypillen

CBG Redaktion

11. Januar 2012

FDA-Entscheidung zu Yasmin in der Kritik

Das Wall Street Journal berichtet heute unter der Überschrift “FDA-Empfehlung für Bayer-Mittel verliert an Glaubwürdigkeit“ über die Sitzung der US-Gesundheitsbehörde am 8. Dezember zur Sicherheit von Antibaby-Pillen. Das WSJ weist nach, dass mindestens drei Experten enge Verbindungen zu Bayer hatten. Ein kritischer Pharma-Experte, der keinerlei Geld von der Industrie erhalten hatte, war hingegen wegen angeblicher „Interessenkonflikte“ von der Sitzung ausgeschlossen worden.

Nach Beratungen zur Sicherheit der betreffenden Kontrazeptiva (Yaz, Yasmin) war der Ausschuss mit einem Abstimmungsergebnis von 15 zu 11 zu dem Schluss gekommen, dass die Vorteile der Medikamente höher einzuschätzen seien als die Risiken. Die drei in Frage stehenden Mitglieder stimmten mit der Mehrheit, wenn sich auch zwei von ihnen später für verschärfte Warnhinweise auf den Verpackungen aussprachen. Dass es Risiken gibt, legen Studien der FDA nahe. Studien des Bayer-Konzerns selbst waren zu dem Ergebnis gekommen, dass keine größeren Risiken vorhanden seien.

Die Ausschuss-Anhörung im Dezember soll sehr emotional gewesen sein. Joan Cummings berichtete vom Tod ihrer 18 Jahre alten Tochter im Jahr 2010. Die Yaz-Patientin war kollabiert und an einem Herzstillstand gestorben, verursacht durch ein Blutgerinnsel in der Lunge. Der Rechtsstreit der Familie gegen Bayer ist noch nicht entschieden.

Das WSJ berichtet weiter:

Das Verschweigen der erhobenen Informationen stößt jedoch auf Kritik. Finanzielle Verbindungen zu Pharmakonzernen können bei den Mitgliedern zu Befangenheit führen, warnt Steven Nissen, ein berühmter Kardiologe aus Cleveland und regelmäßiges Mitglied in FDA-Ausschüssen. Die fehlende Veröffentlichung der Angaben unterminiere die Glaubwürdigkeit der Kommitees und beschädige das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Fairness der regulatorischen Vorgänge.

So geht es in Bayer-Dokumenten, die dem Gericht vorliegen, um Paula Hillard, einer Professorin für Geburtshilfe an der kalifornischen Stanford University, die im Ausschuss zugunsten der Bayer-Produkte gestimmt hat. In einem Dokument heißt es, durch Hillards Präsenz in Stanford habe man einen Fürsprecher für Yasmin im Norden Kaliforniens, was sehr nützlich sein werde.
Per E-mail teilte Hillard dem Wall Street Journal mit, sie habe 2010 an zwei Bayer-Meetings teilgenommen. Sie habe für ihre Tätigkeit für Bayer 2010 weniger als 10.000 US-Dollar erhalten. Weitere Fragen wollte sie nicht beantworten.

Ein weiteres Ausschussmitglied, Anne E. Burke, Professorin für Gynäkologie und Geburtshilfe in Baltimore, hatte in Publikationen erklärt, dass sie Forschungsförderung von Bayer erhalten hat. Bayer beschreibt die Ärztin in einem der Dokumente als „Bayers Kontrazeptiva-Expertin“.

Das dritte der betroffenen Ausschussmitglieder und gleichzeitig seinerzeit Vorsitzende des Kommitees ist Julia V. Johnson, Professorin für Geburtshilfe von der Massachusetts Medical School. Sie teilte dem Wall Street Journal per E-mail mit, sie habe bei vier Studien der Bayer-Einheit Berlex mitgearbeitet. Die letzte Studie sei 2008 gewesen, und sie habe keine Forschungsfinanzierung erhalten. Die Mitarbeit an den Studien ohne den Erhalt von Forschungsfinanzierung könne nicht als Konflikt angesehen werden.

Während die drei Ärztinnen im Kommitee abstimmen durften, wurden einem weiteren Mitglied die Stimmrechte von der FDA entzogen. Sydney M. Wolfe hatte die Sicherheit der Verhütungsmittel öffentlich kritisiert. Von THOMAS M. BURTON

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Uni Köln

CBG Redaktion

10. Januar 2012
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

Einsichtnahme in den Kooperationsvertrag mit BAYER

Uniklinik Köln: Berufung eingelegt

Philipp Mimkes, Vorstandsmitglied der „Coordination gegen BAYER-Gefahren“, hat in der Auseinandersetzung um die Einsichtnahme in den Kooperationsvertrag zwischen der Kölner Uniklinik und der Bayer AG Berufung eingelegt.

Das Kölner Verwaltungsgericht hatte sich in seiner Entscheidung vom 6. Dezember über das Votum des NRW-Landesbeauftragten für Informationsfreiheit hinweg gesetzt, der eine Einsichtnahme befürwortet hatte. Anders als das Gericht hatte der Landesbeauftragte den Vertrag eingesehen und darin keine Inhalte, die einer Veröffentlichung entgegen stehen, gefunden.

Philipp Mimkes: „Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf zu erfahren, welche Rechte eine aus Steuergeldern finanzierte Einrichtung an ein privatwirtschaftliches Unternehmen abtritt. Wer legt künftige Forschungsinhalte fest? Wer profitiert von den Patenten? Können Betriebsgeheimnisse die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen verhindern? All diese Fragen können nur mit Kenntnis der Vertragsinhalte beantwortet werden.“

Auch der Deutsche Hochschulverband, die Berufsvertretung der Universitätsprofessoren, hat sich jüngst für eine Einsichtnahme ausgesprochen. Gegenüber der Frankfurter Rundschau (28. Dezember) erklärte Verbandssprecher Matthias Jaroch: „Für uns zielen das Gerichtsurteil und die bestätigte Position der Universität Köln hochschulpolitisch in die falsche Richtung. Wir empfehlen, den fraglichen Vertrag offen zu legen.“

Der Fall wird nun am Oberverwaltungsgericht in Münster verhandelt. Der Prozess wird wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung bundesweit mit Aufmerksamkeit verfolgt.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat zu Spenden aufgerufen, um das weitere Verfahren zu finanzieren. Zu den Unterstützern der Klage gehören Transparency International, IPPNW, medico international, der AStA der Uni Köln und der Verband demokratischer Ärztinnen und Ärzte.

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Janis Schmelzer

CBG Redaktion

10. Januar 2013

Konzernkritiker und Antifaschist

Coordination gegen BAYER-Gefahren trauert um Dr. Janis Schmelzer

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) trauert um Dr. Janis Schmelzer. Der Historiker, seit 1999 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Coordination, starb am 28. Dezember im Alter von 85 Jahren.

Janis Schmelzer war ein exzellenter Kenner der politischen Geschichte deutscher Konzerne, insbesondere der IG Farben. Seine Spezialgebiete waren Faschismus, Zwangsarbeit, Konzentrationslager sowie der Aufstieg der IG Farben zum größten europäischen Konzern. In seinen Veröffentlichungen beleuchtete Schmelzer die Machtfülle der IG Farben in verschiedenen Staatsformen (Kaiserreich, Weimarer Republik, Drittes Reich) und deren Entwicklung zum NS-Musterbetrieb. Auch für die Entschädigung überlebender Zwangsarbeiter sowie für die Auflösung der bis zum vergangenen Jahr (!) existierenden IG Farben (in Abwicklung) setzte sich Schmelzer bis zuletzt ein.

Dr. Janis Schmelzer lehrte u. a. an der Universität Halle-Wittenberg. Zu den von ihm veröffentlichten Büchern gehören „IG Farben. Vom Rat der Götter“, „Devisen für den Endsieg“, „IG Farben, Auschwitz, Massenmord“ sowie die Untersuchung „Die Herren Generale“, in der die Unterstützung der deutschen Chemie-Industrie für das Franco-Regime beleuchtet wird. Nach der Angliederung der DDR erhielt er aufgrund der von der Bundesregierung betriebenen „Säuberung“ von Universitäten, Schulen und Behörden, wie tausende mit ihm, de facto Berufsverbot und musste den Rest seines Lebens - immerhin 22 Jahre - zusammen mit seiner Frau Ilse in Berlin unter kargen Umständen leben.

Einer seiner besonderen Verdienste um den Antifaschismus liegt schon länger zurück: Er war maßgeblich an dem Gutachten beteiligt, das in den 50er Jahren das drohende Verbot der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) verhinderte. Janis Schmelzer sorgte auch dafür, dass die Firmenarchive der IG Farben und anderer für die faschistischen Verbrechen mitverantwortlicher Konzerne nach 1989/90 nicht heimlich, still und leise „entsorgt“ werden konnten. Die Konzerne wollten nur allzu gerne die Akten ihrer ehemaligen Betriebe auf dem Gebiet der DDR abtransportieren und verschwinden lassen. Auch Dank des Engagements von Janis Schmelzer landete das Material im Bundesarchiv (wie es dort gehandhabt wird, ist allerdings ebenfalls nicht befriedigend).

Regelmäßig schrieb Janis Schmelzer für „Stichwort BAYER“, die Zeitschrift der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Für die Stiftung ethecon - Ethik & Ökonomie betreute er seit deren Gründung im Jahr 2004 ehrenamtlich die Geschäftsstelle in Berlin.

Die CBG verliert mit Janis Schmelzer einen wichtigen Ratgeber zur Geschichte der deutschen Chemie-Industrie. Wir werden sein Andenken in Ehren halten und sein konzernkritisches und antifaschistisches Werk fortführen.

(Urnenbeisetzung am Freitag, 25. Januar 2013 um 11.30 Uhr auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde/Gudrunstraße in Berlin).

Xarelto

CBG Redaktion

blitz-a-t (arznei telegramm), 10. Januar 2012

RIVAROXABAN (XARELTO): NEUARTIGE DRÜCKER-METHODE?

Heute kam der Paketbote und gab an, er müsse den Empfang eines Paketes von mir persönlich abzeichnen lassen. Das Päckchen war in der Farbe der berühmten Schokoladenkuh gehalten und sollte laut Aufschrift Neuigkeiten zu Rivaroxaban (XARELTO) enthalten. Der angebliche Quittungszettel entpuppte sich als Musteranforderung, weshalb ich die Annahme verweigerte. Ist ein solches Vorgehen von Seiten der Firma Bayer rechtens?

Dr. med. F. SCHUMACHER (Facharzt für Allgemeinmedizin)
D-90429 Nürnberg
Interessenkonflikt: keiner

Auch ein weiterer Kollege berichtet uns von dieser Methode. Als Mitglied von MEZIS(1) ärgert ihn besonders, dass er erst im Nachhinein bemerkt hat, dass ihm mit dem Päckchen als „Neuigkeit“ ein XARELTO-Muster untergeschoben worden ist. Pharmahersteller dürfen laut Arzneimittelgesetz Muster nur auf schriftliche Anforderung abgeben. Bei der Bayer-Methode liegt diese bis zum Zeitpunkt der Lieferung nicht vor. Eine Muster-„Anforderung” per Quittungszettel bei Lieferung erachten wir als untergeschobene Anforderung, die nicht vom Arzt initiiert wurde. Nach unserer Einschätzung wird hier versucht, die rechtlichen Vorgaben zu unterlaufen. Wir haben den Vorgang bei der zuständigen Landesbehörde angezeigt. Bayer geht allerdings kein besonderes Risiko ein. Allenfalls droht ein Bußgeld, das Firmen hierzulande üblicherweise aus der Portokasse bezahlen können.

(1) MEZIS = Mein Essen zahl ich selbst (http:www.mezis.de)

Redaktion arznei-telegramm

PS Eine Bewertung von Rivaroxaban (XARELTO) in den neu zugelassenen Indikationen Vorhofflimmern sowie Behandlung und Rezidivprophylaxe tiefer Venenthrombosen folgt in Kürze im arznei-telegramm.

A.T.I. Arzneimittelinformation Berlin GmbH
Bergstr. 38 A, Wasserturm, D-12169 Berlin, Fax: +49 30-79 49 02-20
http:
www.arznei-telegramm.de, E-Mail: redaktion@arznei-telegramm.de
Handelsregister: 10570 Amtsgericht Berlin-Charlottenburg
Geschäftsführer: Wolfgang BECKER-BRÜSER

[SWB] STICHWORT BAYER

CBG Redaktion

6. Januar 2012

Stichwort BAYER: Ausgabe 1/2012 erschienen

Heute erscheint die Ausgabe 1/2012 des Magazins „Stichwort BAYER“: 32 Seiten spannende Berichte über die Kehrseiten der BAYER-Geschäftspolitik (plus die 16-seitige Beilage „Ticker“ mit Kurzmeldungen).

Probeheft anfordern unter CBGnetwork(at)aol.com

[Editorial] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

Nachdem gentechnisch veränderte Pflanzen in vielen Fällen nicht das gebracht haben, was die Betreiber sich ursprünglich versprochen hatten, setzen Konzerne wie MONSANTO, SYNGENTA, DUPONT und auch BAYER immer stärker auf konventionelle Züchtung. Damit soll ihr Geschäftsmodell noch weiter in den Bereich der Pflanzenzüchtung ausgeweitet werden. Um hier ihre Ziele zu erreichen, setzen sie auf Patente: Ähnlich wie schon bei der Gentechnik sollen die Wettbewerber so vom Markt gedrängt und die genetischen Ressourcen weitgehend monopolisiert werden.

So wird mit dem Segen des Europäischen Patenamtes aus konventionell gezüchteten Pflanzen und Tieren eine Erfindung. Brokkoli, der mit Wildsorten gekreuzt wird, ist ebenso davon betroffen wie Tomaten, die einen reduzierten Wassergehalt aufweisen. Im Ergebnis ein glatter Missbrauch des Patentrechtes: Aus dem Schutz von Erfindungen wird ein Instrument zur Aneignung der allgemeinen Lebensgrundlagen.

Zwar darf man in Europa konventionelle Züchtung (im Patentrecht wird das als „im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung“ bezeichnet) gar nicht patentieren. Das hatte erst im Dezember 2010 auch das Europäische Patentamt noch einmal bestätigt. Doch das Patentamt legt das Verbot bisher so aus, dass zwar die Züchtungsverfahren nicht patentiert werden können, sehr wohl aber die Pflanzen selbst, deren Saatgut und Ernte. Zudem genügen nach Ansicht des Amtes schon kleine technische Garnierungen, wie die Nutzung von natürlicherweise auftretenden Mutationen, um auch Züchtungsverfahren patentieren zu können.

Im Ergebnis wird das Verbot der Patentierung von konventioneller Züchtung komplett ausgehebelt. Bereits 1999 hatte man das im Patentgesetz vorgesehene Verbot der Patentierung von Pflanzensorten durch ähnliche Spitzfindigkeiten und rechtliche Tricks für unwirksam erklärt. Freie Bahn also für die Monopolisten, sich das anzueignen, was ZüchterInnen und LandwirtInnen über Jahrhunderte entwickelt haben. Auch BAYER ist mit von der Partie. Im Juli 2011 wurde dem Konzern ein Patent auf die Züchtung von Pflanzen mit einer erhöhten Stress-Resistenz erteilt (EP1616013). Dabei wurde nicht nur die gentechnische Manipulation patentiert. Das Patent von BAYER umfasst auch die Züchtung von Pflanzen auf der Grundlage natürlicher Erbanlagen. Im November folgte ein Patent auf Gurken mit einer verbesserten Resistenz gegen Mehltau (EP1433378).

Seit Jahren gibt es heftige Kritik von allen im Bundestag vertretenen Parteien gegen Patente auf Pflanzen und Tiere, bisher hat die Politik aber nichts unternommen, um diese Patente zu stoppen. Deswegen fordert das internationale Bündnis KEINE PATENTE AUF SAATGUT!, die gesetzlichen Verbote so im Patentrecht zu schärfen, dass sie nicht mehr umgangen werden können. Gesammelt werden unter anderem Unterschriften für einen Brief an das Europäische Parlament und die Europäische Kommission (www.no-patents-on-seeds.org).

Christoph Then
Kampagne KEINE PATENTE AUF SAATGUT!

[Pharmatests] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

138 BAYER-ProbandInnen sterben

Test the Death

Von 2007 bis 2010 starben in Indien 138 Menschen bei der Klinischen Erprobung von BAYER-Arzneien. Insgesamt kamen bei den Tests von Big Pharma in dem Zeitraum 1.600 ProbandInnen ums Leben. Während die Öffentlichkeit sich alarmiert zeigt, bestreiten die Pillen-Multis in den meisten Fällen den direkten Zusammenhang zwischen Medikament und Tod.

Im letzten Jahr hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) das Thema „Medikamenten-Tests in der ‚Dritten Welt‘“ auf die Tagesordnung der BAYER-Hauptversammlung gesetzt. Sie kritisierte die zunehmende Verlagerung von Arznei-Erprobungen in Staaten, die als „Standortvorteil“ ein unerschöpfliches Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht bieten. Die CBG sah durch diese Bedingungen das Leben der VersuchsteilnehmerInnen gefährdet. Aber der damalige Vorstandsvorsitzende Werner Wenning wiegelte ab. Nicht ein einziges Pharmazeutikum habe je einer Person Schaden zugefügt, antwortete er der Coordination, der Konzern halte sich stets an die Auflagen der Behörden und führe im Übrigen „eigenständige Qualitätskontrollen“ durch.

An dieser Aussage bestanden angesichts der vielen Zwischenfälle bei anderen Arznei-Tests schon damals viele Zweifel. Endgültig als Lüge erwiesen hat sie sich im Mai 2011. In diesem Monat gab das indische Gesundheitsministerium die Zahl der Personen bekannt, die von 2007 bis 2010 während der Erprobung von BAYER-Produkten starben. 138 Menschen überlebten die Prozedur nicht. Insgesamt fanden bei den Pillen-Prüfungen von Big Pharma 1.600 Menschen den Tod. BAYER & Co. meldeten diese Zahlen selber den Aufsichtsbehörden, allerdings ohne damit ein generelles Schuld-Eingeständnis zu verbinden. Ihrer Ansicht nach haben zumeist nicht die Medikamente, sondern Vorerkrankungen wie Krebs zum Ableben der ProbandInnen geführt. Die amtlichen Stellen machen ebenfalls nicht die Pharmazeutika im Allgemeinen verantwortlich. Von den 668 Sterbefällen im Jahr 2010 schreiben sie 22 der direkten Einwirkung der getesteten Substanzen zu; bei einer nicht weiter bezifferten Menge gibt es zumindest Indizien für einen Zusammenhang.

Aber nicht nur deshalb dürfte die wirkliche Zahl der Pharma-Opfer höher sein. Wenn Tests nicht ausdrücklich Krebskranke oder Menschen mit Herz/Kreislauf-Problemen erfordern, schließen die Unternehmen Personen mit Vorbelastungen gezielt aus. Alle TeilnehmerInnen müssen sich vor Beginn der Experimente einem peniblen Gesundheitscheck unterziehen, weil unerkannte oder verschwiegene Krankheiten einen negativen Einfluss auf das Ergebnis haben können. So stehen die Konzerne dann auch eher in Verdacht, zu gesunde als zu kranke ProbandInnen zu verpflichten. Darüber hinaus besteht in Indien keine Pflicht, die Klinischen Prüfungen registrieren zu lassen, was die Aufsicht erschwert - und den Verdacht auf mehr Tote nährt.

Lebensgefährliches XARELTO
Von den für 2010 zweifelsfrei geklärten 22 Todesfällen gehen die meisten auf ein einziges BAYER-Erzeugnis zurück: XARELTO. Vier InderInnen kamen durch die Arznei mit dem Wirkstoff Rivaroxaban um, die der Konzern als Mittel gegen Thrombosen testete. Bloß 5.250 Dollar zahlte der Konzern den Hinterbliebenen jeweils als Entschädigung und lag damit noch über den Beträgen von SANOFI, PFIZER & Co. Diese Summen sowie die Tatsache, dass die Familien der von 2007 bis 2009 Gestorbenen noch überhaupt kein Geld erhalten haben, veranlasste einen Leser der Publikation moneylife zu dem bitteren Kommentar: „Life is very cheap in India“. Andere sprechen von einem neuen Kolonialismus.

Der Zulassungsprozess für XARELTO gestaltet sich wegen der vielen Risiken und Nebenwirkungen seit längerem schwierig. In Europa dürfen MedizinerInnen das Therapeutikum bislang nur zur Thrombose-Vorbeugung nach schweren orthopädischen Operationen einsetzen. Die US-Gesundheitsbehörde FDA tat sich aufgrund von Meldungen über Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie der ungeklärten Langzeitwirkung sogar bei dieser eingeschränkten Indikation lange Zeit schwer. BAYER aber hat noch Größeres mit dem Pharmazeutikum vor. Das Unternehmen will es als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe vermarkten, obwohl XARELTO dafür selbst nach eigener Aussage „kein konsistent positives Nutzen-Risiko-Profil“ aufweist. Der Multi erhofft sich Milliarden-Erlöse von der Substanz und der Finanzmarkt ebenfalls - in den gegenwärtigen Kurs der Aktie ist das Blockbuster-Potenzial des Produkts schon eingepreist. Deshalb reagiert sie auch äußerst empfindlich auf jede Negativ-Meldung zu XARELTO. Die letzte gab es im Anfang September 2011: Zeitungen berichteten von hochrangigen FDA-MitarbeiterInnen, die angesichts unerklärter Herzinfarkt- und Blutungsrisiken von einer Genehmigung abrieten. Aber ein paar Wochen später war die Börsen-Welt wieder in Ordnung. Das 12-köpfige BeraterInnen-Gremium der Behörde hatte sich bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung doch noch zu einer positiven Empfehlung durchgerungen. Die Vorkommnisse in Indien, über welche die CBG die FDA in Kenntnis setzte, führten auch nicht zu einem Umdenken. Der Behörde waren derartige Zwischenfälle bekannt: „Die Ärzte-Information führt Tod als mögliche Nebenwirkung auf, die während der Klinischen Tests mit XARELTO auftrat“. Bei Zulassungen gelte es immer, zwischen Wirksamkeit und Sicherheit eines Medikamentes abzuwägen, antwortete sie der Coordination.

Verstoß gegen Ethik-Regeln
Kritik am bisherigen Vorgehen der FDA in Sachen „XARELTO“ hat die US-Initiative PUBLIC CITIZEN geübt. Sie hat gravierende Mängel bei den Klinischen Prüfungen festgestellt. Bei Vergleichstests mit Warfarin haben die ProbandInnen, welche die Konkurrenz-Substanz bekamen, nicht die optimale Dosis erhalten, moniert die Organisation. „Es ist besonders besorgniserregend, dass es die schlechtesten Warfarin-Therapien bei den ausländischen Firmen gab“, so PUBLIC CITIZEN. Und am besorgniserregendsten war es bei den indischen Test-Unternehmen. Sie versorgten nur 36 Prozent ihrer PatientInnen angemessen mit Warfarin und setzten sie so einer erhöhten Gefahr aus, einen Schlaganfall zu erleiden. Auch haben die ÄrztInnen den TeilnehmerInnen, obwohl Warfarin seine Wirksamkeit erst nach einiger Zeit entfaltet, kein zusätzliches Mittel zur Blutverflüssigung verordnet. Zudem ereigneten sich unmittelbar nach dem Absetzen von XARELTO viele Zwischenfälle, für die BAYER die Erklärung schuldig blieb. Darüber hinaus rügt die Gruppe die Darreichungsform. Die ProbandInnen mussten die ganze Dosis auf einmal einnehmen, was mit höheren Risiken verbunden ist als eine Spreizung. Einzig marketing-technische Erwägungen vermutet PUBLIC CITIZEN hinter dieser Wahl. In einem Brief an die FDA haben die GesundheitsaktivistInnen diese Verstöße gegen medizinische und ethische Standards aufgelistet und die Behörde aufgefordert, die Arznei einstweilen nicht als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe zuzulassen. Aber es half alles nichts. Am 4. November 2011 gab die Behörde grünes Licht für XARELTO.

MIRENA & Co.
BAYERs Pillen-Abteilung erprobt auf dem Subkontinent jedoch nicht nur XARELTO. „Sie lässt dort bereits sechs neue Medikamente testen. Das bringt deutliche Ersparnisse und ein schnelleres Entwicklungstempo“, berichtete das Handelsblatt vor vier Jahren und resümierte: „Auch als Ressource wird Indien für die Pharma-Sparte interessant“. Inzwischen ist der Staat als Ressource noch interessanter geworden. Momentan laufen Test-Reihen mit der Krebs-Arznei NEXAVAR, dem Augen-Präparat VEGF und dem Bluter-Medikament KOGENATE. Gerade abgeschlossen hat BAYER Versuche mit dem Potenzmittel LEVITRA, dem Diabetikum GLUCOBAY, der Hormon-Spirale MIRENA und den Röntgen-Kontrastmitteln GADOVIST und ULTRAVIST. Und neue ProbandInnen sucht der Konzern für weitere Erprobungen von XARELTO, GLUCOBAY, GADOVIST, KOGENATE, NEXAVAR und VEGF sowie von dem Antibiotikum AVELOX und dem von der BUKO PHARMA-KAMPAGNE als irrational eingestuften Bluthochdruck-Präparat XIRTAM.

Größtenteils handelt es sich dabei um altbekannte Pharmazeutika, für die der Leverkusener Multi bloß neue Verwendungsmöglichkeiten sucht. Ähnlich verhält es sich bei der Konkurrenz. Die wachsende Anzahl von Klinischen Tests rund um den Globus - das US-amerikanische „National Institute of Health“ hat gegenwärtig über 115.000 registriert - entspricht keinesfalls dem wachsenden Erfindungsreichtum von BAYER & Co. Das macht die wachsende Anzahl von Opfern zu einem noch größeren Skandal.

Eine Milliarden-Industrie
Die indische Test-Branche setzte 2010 nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO eine Milliarde Dollar um; rund 2.000 Arznei-Experimente fanden statt. Nachdem das Land 2005 dem Drängen von Big Pharma nach einer Verschärfung des Patentrechts nachgegeben hatte, boomte dieser Wirtschaftszweig kontinuierlich. Die „Contract Reseach Organisations“ (CROs), welche die Versuche zumeist für BAYER & Co. durchführen, haben nichts anderes im Sinn, als ihren Auftraggebern möglichst schnell möglichst gute Resultate zu liefern. Den Anforderungen an eine gute klinische Praxis genügen von den ca. 150 in Indien operierenden CROs gerade einmal 201. Ein Bericht des „National Institute of Medical Statistics“ kritisiert vor allem das Fehlen oder die mangelhafte Arbeit von Ethik-Kommissionen. Die eigentlich vorgeschriebene „informierte Einwilligung“ der ProbandInnen besteht in einem Land mit einer so hohen Analphabetismus-Rate ebenfalls oft nur auf dem Papier. Doch selbst, wenn die TeilnehmerInnen wissen, was sie tun, lässt die Armut ihnen nicht selten keine andere Wahl, als so waghalsige Unternehmungen zu riskieren. Anders als an ihren Stammsitzen geht den Konzernen deshalb der Nachschub nie aus - und sie nutzen dieses Reservoir zu einem Schnäppchen-Preis. Auswärtige Kontrollen haben sie auch nicht zu befürchten. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMEA reist zu gerade mal 40 Inspektionen pro Jahr in fernere Gefilde. Ihr US-amerikanisches Pendant überprüft in diesem Zeitraum nicht einmal ein Prozent der ausländischen Arzneitest-Firmen. Die FDA will ihr Pensum allerdings erhöhen. Der Test-Export bereitet ihr zunehmend Unbehagen, da eine Vielzahl der Versuche nicht den US-Standards entspricht und die gelieferten Datensätze mit den Ergebnissen oft unvollständig und nur schwer zu analysieren sind.

Allzuviel verändern dürfte das in Indien und anderswo allerdings nicht. Trotz solch günstiger Aussichten hadern die Firmen in jüngster Zeit jedoch mit dem Subkontinent. Den Pillen-Riesen geht es dort nicht schnell genug. Während die USA einen Klinischen Test innerhalb eines Monats genehmigen, müssten sie in dem südostasiatischen Staat 12 bis 16 Wochen auf grünes Licht warten, klagen die Hersteller. „Das ist ein großer Zeitverlust, denn die Patent-Uhr für dein Produkt tickt bereits“, so die Vertreterin eines Arznei-Riesen. Auch die Weigerung der Behörden, die für die ProbandInnen besonders gefährlichen Ersterprobungen der Phase I zu gestatten, wenn die entsprechenden Medikamente nicht für den Heimatmarkt vorgesehen sind, passt den Konzernen nicht. Darüber wächst die Kritik an den Versuchen, was bereits zu einer strengeren Reglementierung geführt hat. Darum zieht die Karawane weiter. Im Moment bietet ihr China die meisten Standort-Vorteile. 64 gerade abgeschlossene, noch laufende oder geplante BAYER-Studien im Reich der Mitte verzeichnet das „National Institute of Health“ gegenwärtig - Tendenz steigend.

Der Offene Brief
Die CBG hat die erschreckenden Nachrichten aus Indien zum Anlass genommen, um vom Leverkusener Multi Aufklärung zu fordern. In einem Offenen Brief an den Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers verlangte die Coordination detaillierte Informationen über die untersuchten Pharmazeutika, die Häufigkeit von Sterbefällen und sonstigen schwerwiegenden Gegenanzeigen und die geleisteten oder nicht geleisteten Entschädigungszahlungen. Darüber hinaus wollte sie wissen, wie das Unternehmen Todesopfer bei Arznei-Prüfungen in Zukunft verhindern will. Die bisherigen Reaktionen BAYERs gleichen denjenigen auf der Hauptversammlung von 2010. Der Multi beteuert, stets nach Recht und Gesetz gehandelt zu haben. Aber anders als vor anderthalb Jahren bekennt er sich jetzt eindeutig zur „Deklaration von Helsinki“, mit welcher der Weltärztebund 1964 weltweit verbindliche ethische Standards für die pharmazeutische Wissenschaft formulierte. Nach ihr haben die ProbandInnen nach Ablauf der Versuche etwa einen Anspruch darauf, die Arzneien weiter zu erhalten - wie das ganze Land. Als bloßes Labor dürfen die Konzerne es der Deklaration zufolge nicht missbrauchen. In ihrer ursprünglichen Fassung lehnte diese sogar die Verwendung von Placebos strikt ab, weil das bedeutet, kranken Menschen ohne ihr Wissen dringend benötigte Medizin vorzuenthalten. Aber die Pharma-Riesen intervenierten und erreichten eine Revision. Es blieb nicht die einzige: Die heute gültige Fassung weicht beträchtlich von der ursprünglichen ab. Wie nicht nur die Toten von Indien zeigen, gelingt es dem Leverkusener Multi trotzdem nicht, ihren Ansprüchen gerecht zu werden. „In der medizinischen Forschung am Menschen muss das Wohlergehen der einzelnen Versuchsperson Vorrang vor allen anderen Interessen haben“ - dieses Gebot gilt für BAYER nicht. Von Jan Pehrke

alle Infos zur Kampagne

Anmerkung

1 J. S. Srivastava; Need for ethical oversight of clinical trials in India; in: Current Science, Vol 99, No. 11

[Pestizide] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

Breites Bündnis angestrebt

Kampagne gegen hochgefährliche Pestizide

Jährlich erleiden Millionen von Menschen Pestizid-Vergiftungen. Die internationale Politik zieht für die Reduktion der Pestizid-Risiken inzwischen auch ein fortschreitendes Verbot hochgefährlicher Pestizide in Betracht (FAO 2010). Allerdings haben bisher zu wenige Akteure diesen Gedanken aufgegriffen. Darum gilt es, Branchen wie die Lebensmittel-Industrie für solch ein Ziel zu gewinnen.

Von Carina Weber, Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany)

Ein großer Anteil der weltweit verwendeten Pestizide von BAYER & Co. ist nicht nur problematisch, sondern sogar hochgefährlich für Menschen und/oder die Umwelt. Der „PAN International“-Liste zufolge1 ist etwa die Hälfte aller Ackergifte auf dem Weltmarkt in beträchtlichem Maß gesundheitsgefährdend. Das sind immerhin rund 400 Pestizid-Wirkstoffe.

Unter Vergiftungen durch diese Substanzen können Menschen aller Generationen leiden. Sie sind jedoch, abhängig vom Alter und ihrer allgemeinen Situation, unterschiedlich anfällig für die giftigen Wirkungen von Pestiziden. Die Lebensbedingungen, die Ernährung und die körperliche Verfassung haben einen erheblichen Einfluss darauf, welche Folgen der Kontakt eines Menschen mit einem gefährlichen Pestizid hat. Wie in der Studie „Pestizide & Kinder“ von TERRE DES HOMMES und PAN Germany2 ausgeführt, sind Embryos, Säuglinge und kleine Kinder den Pestizid-Gefahren besonders ausgesetzt. So konstatierte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) 2009 zur Gefährdung von jungen Menschen durch Chemikalien: „Geht es um Risiken, die von chemischen Stoffen ausgehen können, müssen Risikobewerter berücksichtigen, dass Kinder im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht eine größere Hautoberfläche haben, mehr Nahrung aufnehmen und häufiger atmen als Erwachsene. Sie haben eine, vom Lebensalter abhängig, erhöhte Stoffwechselrate, der Körper nimmt über den Magen-Darm-Trakt bestimmte Stoffe schneller und in größeren Mengen auf. Schadstoffe, die nur langsam abgebaut werden, können über einen längeren Zeitraum einwirken“3. Gleichwohl ist die Erfassung des Vergiftungsgeschehens für Kinder ebenso wie für Erwachsene völlig unzureichend – nicht nur in Entwicklungsländern, sondern sogar auch in Deutschland, wie aus einer BfR-Publikation erkennbar ist4. Dies hat mindestens zwei Gründe: Zum einen werden erkannte Vergiftungen nicht dokumentiert und zum anderen werden Vergiftungen nicht erkannt. Letzteres macht u. a. die von PAN International 2010 veröffentlichte Studie „Communities in Peril“ deutlich5. Die im Rahmen dieser Untersuchung interviewten über 2.000 Pestizid-AnwenderInnen benannten eine ganze Reihe akuter Vergiftungssymptome von Pestiziden. Deren Langzeitwirkungen wie etwa eine gestörte Fortpflanzungsfähigkeit, Geburtsschäden oder Störungen des Nervensystems waren ihnen jedoch kaum bewusst. Wenn allerdings weder die AnwenderInnen selbst noch die ÄrztInnen solche Symptome den Ackergiften zuordnen, dann erscheint das Problem deutlich kleiner, als es tatsächlich ist. Detail-Untersuchungen dokumentieren denn auch eine gewaltige Dunkelziffer. Ein Beispiel ist Zentralamerika. Dort kam eine Auswertung von Vergiftungsvorkommnissen zu dem Ergebnis, dass 98 Prozent der Fälle nicht erfasst werden6.

Trotz derartiger Mängel in der Wahrnehmung und Erfassung der Agrochemie-Vergiftungen ist in der Politik eine Tendenz hin zur Abkehr von hochgefährlichen Pestiziden erkennbar. Diese Tendenz folgt der Beurteilung, daß die diversen nationalen Gesetzgebungen und internationalen Regelungen sowie die vielen Ausbildungs- und Trainingsprogramme der vergangenen rund drei Dekaden nicht geeignet waren, die Anzahl der Vergiftungen in ausreichendem Maße zu reduzieren. So hielt die FAO, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, 2010 in einer Leitlinie fest, dass die Wirkung von Trainings zur sicheren Anwendung von Pestiziden weiterhin in Frage gestellt wird und nicht als Lösung für die mit dem Pestizid-Einsatz verbundenen Probleme betrachtet werden sollte7. Allerdings ist hinreichend bekannt, wie zäh sich die Umsetzung von Politik gestalten kann, wenn ihr nicht der notwendige Nachdruck verliehen wird. Deshalb müssen mehr Akteure aktiv werden.

Eine wichtige Akteursgruppe sind Firmen des Lebensmittel-Sektors. Die Nahrungsmittel-Branche wurde 2002 neu in den Internationalen Pestizid-Verhaltenskodex aufgenommen, weil sie erheblich dazu beitragen kann, Pestizid-Probleme einzudämmen. In der Öffentlichkeit, auch in der pestizidkritischen Öffentlichkeit, wird diese Akteursgruppe jedoch bisher im Gegensatz zur Chemie-Industrie nur wenig als Zielgruppe für die Forderungen nach einer Beendigung der Nutzung hochgefährlicher Pestizide gesehen und genutzt. Dies sollte sich ändern. Schließlich haben die Firmen und Konzerne der Lebensmittel-Industrie ebenso wie ihre Zusammenschlüsse deutlich weniger Eigeninteresse an der Vermarktung von Ackergiften als Pestizid-Produzenten wie BAYER. Zudem werden in der Lebensmittel-Branche Standards entwickelt, die auch Pestizide betreffen. Sie kann deshalb potentiell ein kräftiger Hebel sein, um die Pestizid-Nachfrage zu schwächen und dadurch Vergiftungen von Mensch und Umwelt zu reduzieren.

Deshalb ruft PAN Germany dazu auf, sich mit Schreiben an Firmen des Lebensmittelsektors zu wenden und sie dazu aufzufordern, durch ein Programm bzw. konkrete Projekte zur schrittweisen Beendigung des Einsatzes hochgefährlicher Pestizide, wie sie in der „PAN International List of Highly Hazardous Pesticides“8 benannt sind, beizutragen. Wichtige Firmen des Lebensmittelsektors, an die solch ein Schreiben gerichtet werden sollte, sind z. B. ALDI NORD, ALDI SÜD, BÜNTING, EDEKA, GLOBUS, KAISER’S TENGELMANN, KAUFLAND, LIDL, METRO, NETTO, NORMA, REWE und TEEGUT.

Quellen:
1 PAN International (2011): PAN International List of Highly Hazardous Pesticides (PAN List of HHP), Hamburg, January 2011
2 TERRE DES HOMMES / PAN Germany (2011): Pestizide & Kinder – Die Gefahr von Umweltgiften für Kinder – Fakten, Fälle, Forderungen
3 Bundesinstitut für Risikobewertung (2009): Kinder sind keine kleinen Erwachsenen; Presseinformation 15/2009 vom 6.7.2009
4 Bundesinstitut für Risikobewertung (2009): Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen.
5 PAN International (2010): Communities in Peril: Global report on health impacts of pesticide use in agriculture
6 Murray D, Wesseling C, Keifer M, Corriols M, Henao S (2002): Surveillance of pesticide-related illness in the developing world: putting the data to work; Journal of International Occupational Environmental Health 8; S.243-248
7 Food and Agriculture Organisation of the United Nations (2010): Guidance on Pest and Pesticide Management Policy Development
8 siehe unter 1

[TDI] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

Erörterungstermin für TDI-Anlage

Umweltverbände lehnen Genehmigung ab

Der BAYER-Konzern will im Kölner Norden eine neue Kunststoff-Anlage bauen. Als Zwischenprodukt sollen Tausende Tonnen des einstigen Kampfgases Phosgen eingesetzt werden (siehe SWB 4/2011). Die Coordination gegen BAYER-Gefahren und der BUND erläuterten in dem von der Bezirksregierung Köln organisierten Erörterungstermin ihre Kritik. Auf viele wichtige Fragen gab es von BAYER keine Antworten.

von Philipp Mimkes

Mehr als 100 Personen drängten sich im Technischen Rathaus der Stadt Dormagen beim Erörterungstermin für die geplante Toluylendiisocyanat (TDI)-Anlage. Anwohner, Behörden und Medien waren bei der zweitägigen Diskussion zahlreich vertreten. Sechs EinwenderInnen brachten ihre Kritik vor, darunter Vertreter der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG), die Dormagener Grünen sowie Dieter Donner und Angelika Horster vom BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ (BUND). Angelika Horster ist Mitglied der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission für Anlagensicherheit, Donner gehört zu den Koordinatoren des Widerstands gegen die CO-Pipeline zwischen Dormagen und dem BAYER-Werk Krefeld.
Der BAYER-Konzern rückte gleich mit 30 Personen an. Vom Produktionsleiter, dem Chef der Feuerwehr und dem Pressesprecher bis hin zum Leiter der Müllverbrennungsanlage und dem Betriebsratsvorsitzenden waren alle wichtigen Repräsentanten des Standorts zugegen.
Bei der Bezirksregierung Köln waren zuvor 60 Einwendungen eingegangen, 52 stammten von UnterstützerInnen der CBG. Coordination und BUND hatten zuvor rund 1.500 Seiten aus den Antragsunterlagen ausgewertet, darunter die Umweltverträglichkeits-Untersuchung, das Brandschutzkonzept und die Störfall-Analyse. Dementsprechend lang war die Tagesordnung: Anlagensicherheit, Störfall-Szenarien, Luft-Emissionen, Wasserverschmutzung, Schallschutz, Müllentsorgung, uvm.

Ressourcen-Einsatz unklar
Auch nach der ausführlichen Diskussion halten die Umweltverbände an ihrer grundsätzlichen Kritik an dem Projekt fest. So machte BAYER trotz wiederholter Nachfrage keine genauen Angaben zum Ressourcen-Einsatz bei der Produktion von TDI. Ohne Kenntnis aller eingesetzten Rohstoff- und Energie-Mengen ist eine Analyse der Umweltauswirkungen jedoch unmöglich.
Knackpunkt der Genehmigung ist der Einsatz hochtoxischer Chemikalien wie Phosgen, Kohlenmonoxid, Orthodichlorbenzol und Chlor, von denen dauerhaft Gefahren für Mitarbeiter und Anwohner ausgehen. Angesichts einer Lebensdauer von bis zu 40 Jahren, würde eine Genehmigung der Anlage diese risikoreiche Produktion über Jahrzehnte hinweg zementieren.
Dieter Donner vom BUND bemängelt die fehlenden Angaben zu Auswirkungen eines großen Störfalls: „BAYER hat die fast alltäglichen Leckagen von Dichtungen und Flanschen zum größtmöglichen Unfall stilisiert. Welche Schäden durch die Verbreitung von Giftstoffen wie Kohlenmonoxid oder Phosgen bei einem Leitungscrash wie damals bei INEOS entstehen können, wurde gar nicht erst untersucht.“ Die Bezirksregierung kündigte immerhin an, solche worst case-Szenarien von BAYER nachzufordern. Auch kritisiert Donner die geplante Einhausung: „Die Anlage in Dormagen soll lediglich mit einer Blechhülle umschlossen werden. Bei der Firma DOW CHEMICALS hingegen musste eine ähnliche Anlage auf Anforderung der Behörden mit Beton umschlossen werden. Weder BAYER noch das Landesumweltamt konnten oder wollten sich dazu äußern, warum hier ein niedrigerer Standard verwendet wird.“
Manfred Puchelt von der DORMAGENER AGENDA 21 kritisiert die fehlenden Angaben zur Umwelthaftung: „Wenn es zu einer umfassenden Katastrophe durch Freisetzung von Phosgen, Kohlenmonoxid oder TDI kommt, wie ist dann die Haftung für die Bevölkerung geregelt? BAYER antwortete sinngemäß, die Frage stelle sich nicht, weil die Anlagen sicher sind. Aber nicht alle Risiken lassen sich mit mathematischer Wahrscheinlichkeits-Rechnung vorhersagen, siehe Fukushima.“ Vor einigen Jahren hatte die Bundesregierung feste Regelungen für eine Deckungsvorsorge angekündigt. Da es bis heute aber kein Gesetz gibt, wird die Höhe des Versicherungs-Schutzes vom Betreiber selbst festgelegt - und wird noch nicht einmal kontrolliert. Puchelt weiter: „Für die Bevölkerung bleibt die bange Ungewissheit, ob die als „geheim“ eingestufte Deckungssumme im Fall einer Katastrophe ausreichend ist. Merkwürdig, wo doch jeder Mopedfahrer eine garantierte Haftpflichtsumme nachweisen muss.“

Einhausung durchgesetzt
Trotz der grundsätzlichen Kritik an der Chlorchemie, für die die TDI-Produktion exemplarisch steht, begrüßt die Coordination gegen BAYER-Gefahren den Fortschritt bei der geplanten Sicherheitstechnik. Dieser sei auf beständigen Druck von außen zurück zu führen. So fordern Umweltverbände seit den 80er Jahren eine Einhausung, also eine feste Hülle um gefährliche Anlagen. Aus Kostengründen hatte die Industrie dies stets abgelehnt. BAYER will nun erstmals einen solchen Schutz bauen. Zudem soll eine automatische Abschalt-Vorrichtung installiert werden, die auch ohne Strom funktioniert. „Hinter den nun erreichten Sicherheits-Standard wird die Industrie zumindest in Deutschland nicht mehr zurückfallen können – ein wichtiger Erfolg für die Umweltbewegung insgesamt“, so Jan Pehrke von der CBG. BAYER-Werke in den USA hingegen verfügen über weit niedrigere Sicherheits-Technik als in Deutschland, dort kam es in den vergangenen Jahren zu mehreren schweren Störfällen.
Mit welch harten Bandagen gekämpft wird, wenn es um die Kosten für die Sicherheitstechnik geht, zeigen kürzlich bekannt gewordene Unterlagen der Firma DUPONT. Darin lehnt die Firma eine Einhausung phosgenführender Anlagen ab, um keinen Präzedenzfall zu schaffen. In dem internen Memo heißt es: „Wenn wir zwei Millionen Dollar ausgeben, werden wir in 10.000 Jahren statistisch 14 Leben retten. Das bedeutet, der Preis eines Menschenlebens plus öffentlicher Empörung liegt bei $143.000. Möglicherweise könnten wir uns zwei Millionen Dollar für eine Einhausung leisten. Aber können wir es uns leisten, eine solche Maßnahme durchzuführen, die einen Präzedenzfall für alle hochgefährlichen Chemikalien schafft?“.
Die nun von BAYER geplante Schutzhülle verhindert zwar den Austritt von Phosgen, würde einer Explosion oder einer Beschädigung von außen jedoch nicht standhalten. Die CBG forderte in der Erörterung daher ein kräftigeres Containment, das auch einen Schutz gegen Feuer oder erhöhten Druck liefert. Außerdem fordert die Coordination zusätzliche Schutzmaßnahmen für den Fall einer Explosion innerhalb der Einhausung. Ein solcher Schutz wäre z.B. durch Einsprühen von Ammoniak-Dampf zu erreichen, womit sich das hochtoxische Phosgen neutralisieren ließe.

geringe Abstände
Ein weiteres Thema in dem Erörterungstermin waren die geringen Abstände der TDI-Anlage zur Werksgrenze. So liegt eine Haltestelle der S-Bahn gerade einmal 300m entfernt. Zur Wohnbebauung sind es 1.000 Meter. Die Kommission für Anlagensicherheit hingegen empfiehlt für Phosgen-Anlagen einen Abstand zur Bevölkerung von 1,5 km. Da mehrere Studien zeigen, das bei einem massiven Phosgenaustritt auch in einem Abstand von 1.000m Gesundheitsgefahren drohen, sollte der Mindest-Abstand aus Sicht der CBG in keinem Fall unterschritten werden. BAYER hingegen argumentierte, dass die Empfehlung nur für die Bauleitplanung gelte, nicht aber bei der Genehmigung von Anlagen.
Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs spricht jedoch eine andere Sprache. Einem Gartenbaubetrieb war es untersagt worden, sich in einem Abstand von 250m von einer Chemie-Fabrik anzusiedeln. Begründet wurde das Mitte September ergangene Urteil damit, dass der in der Seveso-II-Richtlinie der EU geforderte Mindestabstand nicht eingehalten wird. Juristen gehen davon aus, dass die Entscheidung dazu führen wird, dass Bauprojekte mit hohem Publikumsverkehr in der Nähe von Industrieanlagen künftig häufiger untersagt werden. Auch werde es für Industrieunternehmen wohl schwerer, neue Standorte zu finden beziehungsweise Anlagen dicht an Siedlungen zu erweitern.
BAYER ist von der verschärften Auslegung der EU-Gesetze auch an einer anderen Stelle betroffen: in Leverkusen wollte der Konzern eine unmittelbar neben dem Werk gelegene Fläche an ein Sport-Kaufhaus verkaufen. Auf Drängen der Stadt wurde das Geschäft zunächst auf Eis gelegt, um das EU-Urteil zu prüfen.
Die Entscheidung der Bezirksregierung Köln zur Genehmigung der TDI-Anlage soll zum Jahreswechsel fallen.

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[IG Farben] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

NS-Verbrecher in BAYER-Diensten

Das Kap der letzten Hoffnung

Nach dem Krieg setzte sich der hohe Nazi Walther Rauff nach Südamerika ab. Aber er blieb Deutschland verbunden: Rauff war zeitweilig für BAYER tätig und arbeitete für den Bundesnachrichtendienst.

Walther Rauff hatte gute Gründe, sich nach dem Krieg dem Zugriff der Alliierten zu entziehen. Im „Dritten Reich“ unterstand ihm nämlich die Entwicklung der Gaswagen. Diese mobilen Tötungskammern markierten ein Zwischenstadium hin auf dem Weg zum industrialisierten Massenmord in den KZ. Die Nazis ersannen sie, weil „Erschießen doch nicht die humanste Art sei“, sich seiner Feinde zu entledigen, wie Himmler befand. Seine Sorge galt dabei allerdings nicht den Opfern, sondern den Tätern. Der SS- und Polizeichef hatte 1941 in Minsk Massentötungen beigewohnt und sie als zu belastend für die Ausführenden erlebt. Deshalb erließ er den Befehl, nach einer „humaneren Tötungsart“ zu suchen.

Und so entstanden unter der Ägide von Walter Rauff als Gruppenleiter im Reichssicherheitshauptamt die Gaswagen. Sie leiteten tödliches Kohlenmonoxid von den Auspuffen in den Laderaum und brachten so den dort hineingepferchten Menschen den Tod. Rund 97.000 Menschen kamen auf diese Weise um. Von Minsk bis zum Kaukasus reichte die Blutspur. Rauff lehnte später jede Verantwortung dafür ab. „Ich war niemals persönlich anwesend, wenn die Todeswagen in Tätigkeit gesetzt wurden und in ihnen Personen getötet wurden“, erklärte er bei einer Vernehmung kurz nach dem Krieg. Und 1962 gab der Kriegsverbrecher zu Protokoll, dass seine Arbeit nur „die technische Seite betraf und mit der Tötung von Menschen nichts zu tun hatte“. Das anonymisierte und arbeitsteilige Töten erlaubte es den Nazi-Schergen, sich jeglichen Gefühls persönlicher Schuld zu entledigen - und genau das hatte Himmler mit seinem Vorstoß auch bezweckt.

Die KZ perfektionierten den maschinellen Mord dann weiter und machten die mobilen Gaskammern überflüssig. Rauff ging als Leiter einer Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei nach Tunis. Dort verpflichtete er alle männlichen Juden zur Zwangsarbeit und stellte ihrer Gemeinde die Kosten für die durch die alliierten Luftangriffe entstandenen Schäden in Rechnung: 20 Millionen Francs. Nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Nordafrika wechselte der NS-Funktionär nach Italien. Als Leiter der Gruppe „Oberitalien West“ führte Rauff dort ein hartes Regiment. So gab er den Befehl, für jeden getöteten Deutschen zehn Italiener zu erschießen, und ging gegen Streikende und WiderstandskämpferInnen vor. Seine Vorgesetzten dankten ihm dafür, „dass die Unruhen im Keim erstickt wurden oder niedergeschlagen wurden“ und verliehen im noch Februar 1945 das Kriegsverdienstkreuz.

Dementsprechend heißt es in der Akte „Rauff“, die der US-Geheimdienst nach dem Krieg anlegte: „Die ‚Quelle‘ ist, wenn sie je freikäme, als Bedrohung zu betrachten. Sofern sie nicht ausgeschaltet wird, sollte man sie für lebenslange Einsperrung empfehlen“. Auf freiem Fuß blieb Walther Rauff dann auch nicht lange. Er landete im Lager Rimini, brach aber bald aus. Dank bester Verbindungen zum Vatikan fand er zunächst in Klöstern Unterschlupf. Später kam der SS-Standartenführer in Kontakt zu einem syrischen Militär, der ihm anbot, seine NS-Erfahrungen zu nutzen und in dem vorderasiatischen Staat den Geheimdienst mit aufzubauen. Rauff nahm die Offerte an. Nach einem Machtwechsel musste er das Land jedoch wieder verlassen und kehrte über Beirut nach Italien zurück, um von dort aus Ende 1949 nach Südamerika aufzubrechen.

In BAYER-Diensten
Seine erste Station auf dem Kontinent war Ecuador. Nach verschiedenen Tätigkeiten in Handelsvertretungen für MERCEDES BENZ, OPEL und US-amerikanische Pharma-Multis trat Rauff in die Dienste der deutsch-ecuadorianischen Firma Moeller-Martinez ein. Hier durfte er sich wahrhaft zu Hause fühlen, denn die Familie Moeller-Martinez zählte zu den glühensten Parteigängern Hitlers in dem Staat. Firmenchef Gustavo Moeller-Martinez gehörte den ecuadorianischen Ablegern der Wehrmacht und Waffen-SS an, kämpfte wie sein Sohn im Zweiten Weltkrieg und wurde nach 1945 von den Alliierten festgesetzt.

Sein Unternehmen fühlte sich ebenfalls der Heimat verbunden. Es nahm die Interessen des Leverkusener Multis und anderer bundesdeutscher Gesellschaften in Ecuador wahr. Als Prokurist und Verkaufsleiter kümmerte sich Walter Rauff dort unter anderem um die Angelegenheiten des Chemie-Multis. Die „Aufgeschlossenheit“ von BAYER, MERCEDES & Co. für NS-Täter kam nicht von ungefähr. „Die Vertretungen von Firmen wie BAYER, HOECHST und BASF hatten oft alte Kameraden in Europa und Übersee inne“, schreibt der Historiker Gerald Steinacher in seinem Buch „Nazis auf der Flucht“. Simon Wiesenthal bezeichnete derweil die Niederlassungen von SIEMENS, KRUPP und VW in Argentinien als „reine Nazi-Nester“. Bei MERCEDES bestand fast die gesamte Führungsebene aus Einwanderern, darunter Wehrmachtsangehörige, SS-Offiziere und andere Funktionsträger. Sogar die schlimmsten Nazis wie Adolf Eichmann, der Organisator der Massendeportationen von Juden und Jüdinnen, oder der Schlachtflieger Hans-Ulrich Rudel fanden ein Auskommen bei MERCEDES oder anderen bundesdeutschen Betrieben. Steinacher zufolge war dies aber nicht nur ideologischen Seilschaften zu verdanken, auch ganz praktische Erwägungen leiteten diese Personalpolitik: Die Migranten sprachen Deutsch, hatten in der Regel eine gute Ausbildung und gaben sich hoch motiviert.

Über die Zahlen der aus Deutschland, Österreich und anderen Ländern nach Südamerika geflüchteten Nationalsozialisten existieren unterschiedliche Angaben. Die Alliierten gingen von rund 50.000 Kriegsverbrechern aus. Der Historiker Holger M. Meding kommt in seinem Werk „Flucht vor Nürnberg?“ allein für Argentinien auf 19.000 EinwanderInnen. Dabei handelte es sich allerdings nicht nur um „Demokratie-Verfolgte“, wie sich die Faschisten selber nannten. Meding beziffert das Quantum der höheren NS-Funktionsträger unter den Neu-Argentiniern auf 300 bis 800 und das der gesuchten Kriegsverbrecher und Massenmörder auf 50. Gaby Weber spricht in „DAIMLER-BENZ und die Argentinien-Connection“ hingegen von „mindestens 300“ auf den Fahndungslisten stehenden Nazi-Größen.

Wie vielen davon BAYER Unterschlupf gewährte, darüber gibt es in der ohnehin spärlichen Literatur keine Informationen. Bekannt wurde nur noch ein weiterer Fall, der des Juan Felipe Darnand. Er gehörte zu der von den Nazis im besetzten Frankreich gegründeten französischen Miliz. Von Darnands Vater Joseph befehligt, machte die Truppe Jagd auf Resistance-KämpferInnen. Als sich die Vichy-Regierung nach der Landung der Alliierten auf das Schloss Sigmaringen zurückziehen musste, bildeten die Milizionäre zusammen mit ein paar hundert Soldaten ihre Leibgarde. Diese Nibelungentreue machte sie nach dem Krieg zu gesuchten Kollaborateuren. Joseph Darnand erhielt das Todesurteil und wurde erschossen. Seinem Sohn gelang unter dem Decknamen Felipe Foucachon die Flucht nach Argentinien, wo er dann unter anderem bei BAYER Arbeit fand.

Treu zu NS-Diensten
Die Seilschaften, die so etwas ermöglichten, hatten sich in den 1930er Jahren herausgebildet. Im September 1937 hielten die Manager der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN fest: „Es versteht sich dabei von selbst, dass keine Männer in unsere ausländischen Niederlassungen geschickt werden, die nicht der Deutschen Arbeitsfront angehören und die keine positive Haltung der neuen Ordnung gegenüber haben. Die dorthin beorderten Männer sollten es als ihre besondere Pflicht ansehen, das nationalsozialistische Deutschland zu repräsentieren“ (rückübersetzt aus dem Englischen, Anm. SWB).

Gemäß dieser Direktive leisteten die Angestellten BAYERs und anderer IG-Firmen wichtige Dienste für das faschistische Vaterland. Oft waren sie überdies direkt für Nazi-Organisationen tätig. So baute der BAYER-Manager und NSDAP-Funktionär Werner Siering den NS-Geheimdienst in Chile auf, während zwei seiner Kollegen in Venezuela für die Partei und den damaligen militärischen Abschirmdienst arbeiteten. In Mexiko war Baron von Humboldt in Personalunion Chef der dortigen IG-Niederlassung und der Gestapo. In Ecuador hatte L. E. Brueckmann, Leiter der zur IG FARBEN gehörenden Firma BRUECKMANN & Co., gleichzeitig das Amt eines Konsuls inne und wählte auch seine Konsulatsmitarbeiter teilweise aus Belegschaftskreisen aus. Darüber hinaus hatten zwei seiner Beschäftigten hohe Positionen in der ecuadorianischen Nazi-Partei inne. In Peru gehörten derweil zwei NS-Geheimdienstler zu den Führungskräften, und die BASF- und BAYER-Zentralen in Rio de Janeiro bezeichnete der für die Nürnberger Prozesse erstellte Untersuchungsbericht sogar als „Hauptzentren der Nazi-Aktivitäten in Brasilien“.

Darüber hinaus stellten die so genannten Verbindungsmänner der IG FARBEN in ihren monatlichen Bulletins wichtige politische, wirtschaftliche und militärische Informationen über die südamerikanischen Länder zusammen und verzeichneten beispielsweise Aufrüstungsbestrebungen oder Waffenlieferungen. „Natürlich verfügt ein Konzern wie die IG FARBEN (...) über Erfahrungen und Wissen, das von den Regierungsstellen nicht gesammelt werden kann (...) Darum ist es die Pflicht unseres Führungspersonals außerhalb Deutschlands, seine Kenntnisse allen staatlichen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen“, konstatierte IG-Direktor Max Ilgner 1936 nach einer Lateinamerika-Dienstreise.

Zudem gewährten die südamerikanischen IG-Gesellschaften vielen Nazi-Spionen Unterschlupf und arbeiteten eng mit dem „Aufklärungsausschuss“ zusammen, dem Auslandsableger von Goebbels‘ Propaganda-Ministerium. Auch spendeten sie eifrig für die NSDAP. Allein die brasilianischen BAYER-Niederlassungen brachten mehr als 3,6 Millionen Reichsmark für die Organisation auf.

BAYER & das Militär
Nach dem Krieg lebten diese Traditionen fort. Eine „Entnazifizierung“ hatten die Hitler-Getreuen in Lateinamerika noch weniger zu fürchten als ihre Kollegen daheim. Das politische Umfeld auf dem Kontinent mit seinen oftmals autokratischen oder diktatorischen Regimen kam ihnen dabei sehr entgegen. Die ideologische Wahlverwandtschaft ermöglichte ein enges Verhältnis zu den Machthabern. So klagte noch 1978 der brasilianische Gewerkschaftler Jose Ibrahim über die guten Beziehungen bundesdeutscher Unternehmen zu den Generälen: „Aus der Bundesrepublik Deutschland sind da insbesondere VW, DAIMLER-BENZ, MANNESMANN, KRUPP, BAYER, HOECHST, SIEMENS, BASF, VOIGT u. a. zu nennen. Man könnte die Liste beliebig fortsetzen, zu der etwa 50 große westdeutsche Konzerne gehören, die in Brasilien die Privilegien genießen, die ihnen die Militärdiktatur einräumt“. Und zu diesen Privilegien gehörte vor allem, mit den Beschäftigten nach Belieben umspringen zu können. „Bei allen ausländischen Multis herrscht Repression in den Fabrikhallen: Der Arbeiter, der seine berechtigten Forderung stellt, der reklamiert, der protestiert, wird gefeuert und sofort bei der Polizei denunziert“, so Ibrahim.

Argentinien hat der als „Nazi-Jäger“ berühmt gewordene Simon Wiesenthal wegen seines Wohlwollens gesuchten Nazi-Größen gegenüber einmal als „Kap der letzten Hoffnung“ für Kriegsverbrecher bezeichnet. Andere Länder standen dem Andenstaat jedoch kaum nach. Walther Rauff wählte schließlich Chile als Wahlheimat. Er verließ Ecuador 1958 und beendete damit auch seine Dienste für BAYER. Unter anderem im Bundesnachrichtendienst fand er - wiederum durch alte Seilschaften - einen neuen Arbeitgeber. Seine Überzeugungen änderte Rauff nie. Auslieferungs- und Ausweisungsgesuche, von Wiesenthal, Beate Klarsfeld und anderen betrieben, scheiterten immer wieder. So konnte seine Beerdigung 1984 zu einem Klassentreffen Rechtsextremer werden, mit „Sieg Heil“- und „Heil Hitler“-Rufen und Flugblättern, die den Holocaust leugneten.
Von Jan Pehrke

[Carl Duisberg] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

150. Geburtstag von Carl Duisberg

„Ein verbrecherisches Genie“

Am 29. September jährte sich zum 150. Mal der Geburtstag von Carl Duisberg, dem geistigen Vater der IG FARBEN. Der langjährige, streng nationalistische BAYER-Generaldirektor war im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von Zwangsarbeitern. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN forderte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen und Schulen, die nach Duisberg benannt sind, sowie den Entzug der Leverkusener Ehrenbürgerschaft.

Von Philipp Mimkes

Aufwendig ließ die BAYER AG Ende September die Grabstätte von Carl Duisberg in Leverkusen dekorieren. „Besonders sein Innovationsgeist unterschied ihn von anderen Managern seiner Zeit“, so eine Pressemitteilung der Firma zum Jubiläum, und weiter: „Duisberg erkannte schon früh die Notwendigkeit zur Erschließung neuer Geschäftsfelder„.
Zimperlichkeit kann man Duisberg bei dieser „Erschließung“ nicht vorwerfen. Ob es der Verkauf von Heroin als Hustenmittel, die Produktion von Giftgas und Sprengstoff im 1. Weltkrieg oder die Entwicklung giftiger Pestizide war - für Profite ging der eingefleischte Feind der Gewerkschaften buchstäblich über Leichen. „Revolutionär oder Ausbeuter?“ betitelte der Leverkusener Anzeiger denn auch seinen Artikel zum Geburtstag des Patriarchen.
1883 hatte Duisburg seine Arbeit bei den „Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co.“ mit Sitz in Wuppertal aufgenommen. Der Chemiker arbeitete zunächst an der Entwicklung neuer Farbstoffe. Bereits 1888 wurde Duisberg Prokurist und Leiter der Forschungsabteilung. Wenige Jahre später plante er den Umzug nach Leverkusen, wo eine der damals größten Chemie-Fabriken der Welt entstand. 1900 wurde Duisberg zum Vorstandsmitglied und 1912 zum Generaldirektor ernannt. Angeregt durch Reisen in die USA, wo er die riesigen Trusts wie Standard Oil kennen lernte, verfasste er 1904 die “Denkschrift über die Vereinigung der deutschen Farbenfabriken„. 20 Jahre lang blieb er die treibende Kraft des Zusammenschlusses, der schließlich 1925 erfolgte.

Aspirin und Heroin
Einer der Grundsteine für den Aufstieg der einstigen Farbenfabrik zu einem Weltkonzern war der Verkaufserfolg von Heroin und Aspirin. BAYER hatte das „gut verträgliche Hustenmittel“ Heroin im Jahr 1898 zusammen mit dem Schmerzmittel Aspirin auf den Markt gebracht. Im Jahr 1900 startete ein bis dahin nie da gewesener Werbefeldzug: auf dem ganzen Globus wurden Anzeigen geschaltet, Ärzte wurden erstmals flächendeckend mit Gratisproben versorgt, und Niederlassungen von Brasilien bis China brachten die Präparate bis in die entlegensten Gebiete. Heroin wurde für eine breite Palette von Krankheiten beworben, darunter Multiple Sklerose, Asthma, Magenkrebs, Epilepsie und Schizophrenie. Sogar bei Darmkoliken von Säuglingen sei Heroin wirksam.
Als Kritiker die Sicherheit des Tausendsassas in Frage stellten, forderte Carl Duisberg, die Querulanten “mundtot zu schlagen„. Und weiter: “Wir dürfen nicht dulden, dass in der Welt behauptet wird, wir hätten unvorsichtigerweise Präparate poussiert, die nicht sorgfältig probiert sind“. Obwohl sich rasch die Gefahr der Abhängigkeit herausstellte, führte der Konzern den gewinnbringenden Verkauf über Jahrzehnte hinweg fort.

Annexionen gefordert
Historisch wichtig ist Carl Duisbergs Rolle im ersten Weltkrieg, wo er sich in alle kriegswichtigen Belange einmischte. So trat Duisberg für den unbeschränkten U-Boot-Krieg, die (völkerrechtswidrige) Bombardierung Englands und die Annexion von Belgien und Nordfrankreich ein. Auch forderte er im besetzten Polen und Russland neuen „deutschen Lebensraum“. Mit der Obersten Heeresleitung unter Hindenburg und Ludendorff stand der BAYER-Chef in engem Kontakt und setzte sich erfolgreich für die Absetzung des angeblich zu nachgiebigen Kanzlers Bethmann-Hollweg ein.
Im Herbst 1916 beklagte Duisberg den Mangel an Arbeitskräften und forderte mit dem Ausspruch „Öffnen Sie das große Menschenbassin Belgien„ den Einsatz von Zwangsarbeitern. Das Reichsamt des Inneren griff den Vorschlag auf und ließ rund 60.000 Belgier deportieren, was international zu Protesten führte.
Das Vorhaben scheiterte zwar größtenteils, unter anderem wegen eines Streiks der Belgier. Die Deportation gilt aber als Vorläufer des ungleich größeren Zwangsarbeiter-Programms im 2. Weltkrieg. Duisberg hatte bis zuletzt dafür plädiert, die Arbeitsmöglichkeiten und die Lebensmittel in Belgien zu rationieren, um die “Arbeitslust„ der Belgier in Deutschland zu steigern.
1917 trat Duisberg in die Deutsche Vaterlandspartei ein. Der Historiker Prof. Hans Ulrich Wehler nennt die Vaterlandspartei eine „rechtsextreme Massenorganisation mit deutlich präfaschistischen Zügen“, die die „fanatisierten Anhänger eines Siegfriedens und exorbitanter Kriegsziele“ zusammenführte. Ihre Parolen waren, so Wehler, „eine „giftige Fusion aus Antisemitismus, Radikalnationalismus und Expansionismus“.

Giftgasforschung
Im Herbst 1914 wurde auf Vorschlag des Kriegsministeriums eine Kommission ins Leben gerufen, die sich mit der Nutzung der giftigen Abfallstoffe in der Farbenindustrie beschäftigen sollte. Diese unterstand der Leitung von Carl Duisberg und Walter Nernst (Chemieprofessor an der Universität Berlin). Fritz Haber, Direktor des Kaiser Wilhelm-Instituts für physikalische Chemie und Elektrochemie, schlug der Heeresleitung die Nutzung von Chlorgas für militärische Zwecke vor, wobei wissentlich gegen die Haager Landkriegsordnung verstoßen wurde.
Carl Duisberg war bei den ersten Chlorgasversuchen auf dem Kölner Truppenübungsplatz Wahn persönlich anwesend. Begeistert pries Duisberg den Chemie-Tod: „Die Gegner merken und wissen gar nicht, wenn Gelände damit bespritzt ist, in welcher Gefahr sie sich befinden und bleiben ruhig liegen, bis die Folgen eintreten.“ In Leverkusen wurde eigens eine Schule für den Gaskrieg eingerichtet.
Der erste Einsatz von Chlorgas durch das deutsche Heer erfolgte im belgischen Ypern. Unter Duisbergs Leitung wurden bei Bayer weitere Kampfstoffe entwickelt: Phosgen, das giftiger war als Chlorgas und mit farbig markierten Geschossen, sog. „Grünkreuz“-Granaten, verschossen wurde, und später Senfgas. Insgesamt geht die Forschung von insgesamt 60.000 Toten des von Deutschland begonnen Gaskrieges aus.
Zu Kriegsende befanden sich Duisberg und Haber auf den Auslieferungslisten der Alliierten und mussten eine Anklage als Kriegsverbrecher fürchten.

Lebenswerk IG Farben
Der größte persönliche Erfolg für Carl Duisberg war die 1925 erfolgte Gründung der IG FARBEN zum damals größten europäischen Konzern. Der Zusammenschluss umfasste BAYER, BASF, HOECHST und einige kleinere Firmen. Duisburg wurde erster Aufsichtsratsvorsitzender.
Der Weimarer Republik hatte Duisburg von Beginn an feindlich gegenüber gestanden. Er organisierte Spenden der Industrie an konservative und nationalistische Parteien und baute den Einfluss auf die Presse aus (so erwarben die IG Farben in einer geheimen Transaktion 49% der Frankfurter Zeitung, dem Vorläufer der FAZ).
1931 forderte Duisberg: „Fortwährend ruft das deutsche Volk nach einem Führer, der es aus seiner unerträglichen Lage befreit. Kommt nun ein Mann, der bewiesen hat, dass er keine Hemmungen hat, so muss diesem Mann unbedingt Folge geleistet werden.“ Im selben Jahr verlangte Duisberg in einer Rede vor der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf die Schaffung eines europäischen Wirtschaftsblocks unter deutscher Dominanz.
Spätestens ab 1930 leisteten die IG FARBEN direkte Spenden an die NSDAP und erhielten nach 1933 Absatzgarantien für synthetischen Treibstoff und Kautschuk. In der Folge kollaborierte kein anderes Unternehmen so eng mit dem Dritten Reich. Anlässlich seiner Pensionierung frohlockte Carl Duisberg denn auch: „Ich freue mich auf einen Lebensabend unter unserem Führer Adolf Hitler.“ Hitler wiederum kondolierte zum Tod Duisbergs 1935: „Die deutsche Chemie verliert in ihm einen ihrer ersten Pioniere und einen erfolgreichen Führer, die deutsche Wirtschaft einen ihrer großen Organisatoren. Sein Name wird in Deutschland in Ehren weiterleben.“

Umbenennungen gefordert
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN beschäftigt sich seit den 80er Jahren mit der Geschichte des BAYER-Konzerns und war u.a. Herausgeber des Buchs „Von Anilin bis Zwangsarbeit – Die Geschichte der IG Farben“. Zum 150. Geburtstag von Carl Duisberg startete die CBG nun eine Kampagne zur Umbenennung der nach Duisberg benannten Straßen, Schulen und Wohnheime.
In einem Aufruf der CBG heißt es: „Carl Duisberg war ein extremer Nationalist, eine Persönlichkeit von patriarchaler Herrschsucht und ein erbitterter Feind der Gewerkschaften. Man kann Duisberg nur als „verbrecherisches Genie“ bezeichnen, das Zeit seines Lebens die Moral dem Geschäftssinn unterordnete. Wegen seiner Verantwortung für den Einsatz von Giftgas, die Ausbeutung von Zwangsarbeitern und die enge Zusammenarbeit mit dem Nazi-Regime taugt der ehemalige BAYER-Generaldirektor nicht als Vorbild für künftige Generationen!“.
Die CBG fordert eine Umbenennung der nach Duisberg benannten Schulen (z.B. das Carl Duisberg Gymnasium in Wuppertal), Straßen (so in Bonn, Krefeld, Marl, Dormagen, Dortmund und Leverkusen) sowie der gemeinnützigen Carl Duisberg-Centren. In einem Brief an den Leverkusener Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn forderte das Netzwerk zudem die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde von Leverkusen; ein entsprechender Antrag wurde über die Fraktion der Linken auch in den Stadtrat eingebracht.

Diskussion geht weiter
Bereits in den 80er Jahren hatten die Wuppertaler Grünen erfolglos die Forderung nach einer Umbenennung von Duisberg-Schulen und -Straßen erhoben. Schüler des Gymnasiums hatten damals Zugang zum BAYER-Archiv erhalten und die Broschüre „Untersuchungen zu Carl Duisberg“ sowie eine kritische Dauerausstellung erstellt.
Damals wie heute berichten die Medien ausführlich. Die Verantwortlichen halten sich jedoch auch diesmal bedeckt. So antwortete die Leverkusener Stadtverwaltung, dass die Ehrenbürgerschaft Duisbergs ohnehin mit seinem Tod erloschen sei - ein nicht stichhaltiges Argument, da anderen belasteten Ehrenbürgern der Titel auch posthum aberkannt wurde. Eine Straßenumbenennung wird von der Verwaltung aus Kostengründen abgelehnt, auch bestehe hieran „kein öffentliches Interesse“.
Ähnlich ist die Entwicklung in Wuppertal. Zwar will die Stadt das Thema in der für Umbenennungen zuständigen „Kommission für eine Kultur des Erinnerns“ diskutieren. Auch wandten sich der Historiker-Verband „Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal“ sowie die Wuppertaler Grünen erneut an den Oberbürgermeister, was vor Ort zu zahlreichen Diskussionen sorgte. Doch bereits vor dem nächsten Treffen der Kommission äußerten Vertreter der Stadt, dem Gymnasium, das im September zufälliger Weise ebenfalls seinen 150. Geburtstag feierte, die Entscheidung über die Namensgebung selbst zu überlassen.
Die Schulleitung positioniert sich derweil eindeutig. Anfragen der CBG zum Namensgeber wurden nicht beantwortet. In der Festschrift zum Schuljubiläum findet sich zwar ein Kapitel zu Duisburg, dieses wurde jedoch von Rudolf Kespe verfasst - dem selben, mittlerweile pensionierten Geschichtslehrer, der eine Umbenennung vor 25 Jahren ablehnte.
„Wir haben den Eindruck, dass auf dilettantische Art und Weise an die Vergangenheit von Carl Duisberg herangegangen wird“, kommentiert Dr. Stephan Stracke vom Historiker-Verband. Marc Schulz, ehemaliger Schüler des Carl Duisberg-Gymnasiums und schulpolitischer Sprecher der Wuppertaler Grünen, ergänzt gegenüber der Berliner “tageszeitung„: “Vergleicht man die Festschrift von diesem Jahr mit der Festschrift zum 125-jährigen Bestehen, so hat sich der Blick und die kritische Haltung bedenklich verflacht und scheint um Jahre zurückgeworfen“. Vor diesem Hintergrund sei eine neue Diskussion über den Namen nötig. Auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird die Kampagne zu Duisberg fortführen.

Teile des Textes sind dem Offenen Brief „Für die Umbenennung des Carl Duisberg Gymnasiums in Wuppertal“ des Vereins zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal vom 23.9. 2011 entnommen

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