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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

[Störfall] Kohlenmonoxid Pipeline

CBG Redaktion

19.08.2008 – Rheinische Post
Nach Gasunfall in Mönchengladbach

Steinbrück fordert CO-Gipfel

Nach dem Gasunfall in Mönchengladbach am Wochenende wird die Kritik an der geplanten CO-Pipeline wird lauter. Wie sicher ist die Leitung? Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) fordert eine Neubewertung des Gefährdungspotenzials.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD), der in Mettmann für den Bundestag kandidiert, fordert nach dem schweren Gas-Störfall von Mönchengladbach Konsequenzen für die Planung der Kohlenmonoxid(CO)-Pipeline am Niederrhein. „Der Unfall zeigt, wie ernst die Kritik an der CO-Pipeline zu nehmen ist“, sagte Steinbrück unserer Redaktion. „Ich fordere Landes- und Bezirksregierung auf, mit allen Beteiligten das Gespräch zu suchen und die Sicherheitsmaßnahmen noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Die Sicherheit der Menschen muss für uns die höchste Priorität haben.“ Die im Bau befindliche CO-Pipeline des Bayer-Konzerns soll die Standorte Dormagen und Krefeld-Uerdingen verbinden.
In Mönchengladbach waren am Wochenende nach einem Unfall in einer Lackfabrik 107 Menschen durch Kohlendioxid vergiftet worden, eine Frau lag gestern noch im Krankenhaus. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen.
Kohlenmonoxid ist ebenfalls geruch- und farblos, aber gefährlicher als Kohlendioxid. Grünen-Fraktionsvize Remmel verlangte nach der „Beinahe-Katastrophe“ eine Neubewertung des Pipeline-Baus. „Wir fordern Ministerpräsident Rüttgers auf, einen CO-Gipfel einzuberufen“, so Remmel. „Mit allen Bürgermeistern, Bayer und Bürger-Initiativen muss endlich der gordische Knoten durchschlagen werden, um die Hängepartie für die Menschen zu beenden.“
Von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) war dazu keine Stellungnahme zu erhalten. Wie berichtet, war er vom Monheimer Bürgermeister Dünchheim (CDU) aufgefordert worden, das Pipeline-Projekt zur Chefsache zu erklären und zu stoppen. Diese Forderung wurde in Düsseldorfer Regierungskreisen als naiv bezeichnet. „Selbst wenn man es wollte, könnte das Projekt gar nicht gestoppt werden“, hieß es. Das NRW-Wirtschaftsministerium verwies derweil auf das Planfeststellungsverfahren, bei dem es noch Ergänzungen geben werde. Außerdem werde weiter an dem Gefahrenabwehr-Plan gearbeitet. Das Ministerium sei bereit, mit Bürgermeistern noch einmal zu sprechen. „Es wird alles getan, um die Bevölkerung aufzuklären.“
Im Gegensatz zu Steinbrück wollte sich die Spitze der Landes-SPD nicht zum Thema CO-Pipeline äußern. Ein Sprecher verwies auf einen Parteitagsbeschluss von 2007. Darin werden „höchst mögliche Sicherheitsstandards und Katastrophenschutzpläne“ für alle Standorte gefordert. VON MICHAEL BRÖCKER, DETLEV HÜWEL UND GERHARD VOOGT

18.08.2008, Rheinische Post

Bürgermeister: Rüttgers muss CO-Pipeline stoppen

Kritiker der geplanten langen Kohlenmonoxid-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld sehen sich nach dem Gas-Unfall von Mönchengladbach in ihren Sicherheitsbedenken bestätigt.
„Der Vorfall zeigt, welche Gefahren von geruchlosem Gas ausgehen“, erklärte der Langenfelder Bürgermeister Magnus Staehlers im Gespräch mit unserer Zeitung. „Ein vergleichbarer Austritt von Kohlenmonoxid hätte verheerende Folgen gehabt. Ich hoffe, dass der Unfall die letzten Befürworter der CO-Pipeline aufgerüttelt hat.“
Die geplante CO-Pipeline ist 67 Kilometer lang und verbindet zwei Chemie-Standorte des Chemie-Konzerns Bayer. Die Leitung unterquert zweimal den Rhein und soll im Rechtsrheinischen entlang der Autobahn A3 verlaufen. Trassen-Anlieger wollen das Projekt gerichtlich stoppen. Ein Gutachten der Stadt Mettmann kam zu dem Ergebnis, dass bei einem Leck in der Pipeline mehr als 143000 Menschen in einem Umkreis von 1,5 Kilometern durch das hochgefährliche Atemgift CO gefährdet würden.
Thomas Dünchheim, Bürgermeister der Stadt Monheim, forderte die Landesregierung auf, aus dem Unfall von Mönchengladbach Konsequenzen zu ziehen. „Ministerpräsident Jürgen Rüttgers muss die Angelegenheit jetzt zur Chefsache machen und die CO-Pipeline stoppen“, sagte der CDU-Politiker. Bislang sei die Staatskanzlei jedoch „beratungsresistent“ gewesen.
VON GERHARD VOOGT

[Strafanzeige] Strafanzeige gegen BAYER

CBG Redaktion

Presse Information vom 13. August 2008
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Bienensterben: Strafanzeige gegen BAYER-Vorstand

„Risiken von Pestiziden seit langem bekannt“ / CBG kooperiert mit betroffenen Imkern

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hat heute bei der Staatsanwaltschaft Freiburg Strafanzeige gegen den Vorstandsvorsitzenden der BAYER AG, Werner Wenning, eingereicht. Der Verband wirft dem BAYER-Konzern vor, über Jahre hinweg gefährliche Pestizide verkauft und dadurch verheerende Bienensterben in aller Welt in Kauf genommen zu haben. Die CBG kooperiert mit Imkern, deren Bienen im Frühjahr durch das BAYER-Pestizid Poncho vergiftet wurden.

Der Beginn der Vermarktung der BAYER-Pestizide Gaucho (Wirkstoff Imidacloprid) und Poncho (Wirkstoff Clothianidin) fällt mit dem Auftreten großer Bienensterben u.a. in Italien, der Schweiz, Deutschland, Österreich, England, Slowenien und den USA zusammen. Allein in Frankreich starben innerhalb von zehn Jahren rund 90 Milliarden Bienen, die Honigproduktion sank um bis zu 60%. Da Honigbienen außerdem den größten Teil der Blütenbestäubungen erbringen, gingen auch die Erträge von Äpfeln, Birnen und Raps zurück.

Harro Schultze, Rechtsanwalt der CBG: „Die Staatsanwaltschaft muss dringend klären, welche Bemühungen der BAYER-Konzern unternommen hat, um ein drohendes Verbot der von ihm produzierten Pflanzenschutzmittel auf dem deutschen Markt zu verhindern, nachdem in Frankreich der Verkauf längst gestoppt worden war. Es ist davon auszugehen, dass die von BAYER bei den Zulassungsbehörden eingereichten Studien derart angelegt wurden, dass die Bienengefährlichkeit der Wirkstoffe möglichst gering erschien und Pestizid-Rückstände in behandelten Pflanzen verharmlost wurden.“ Wegen der Gefährlichkeit für den Bienenbestand hatte die französische Regierung schon 1999 den Einsatz von Imidacloprid zur Saatgutbeizung von Sonnenblumen verboten. Die Zulassung des Wirkstoffs als Beizmittel von Mais wurde 2004 aufgehoben. Auch das Nachfolgeprodukt Clothianidin erhielt in Frankreich keine Zulassung.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Der Vorstandsvorsitzende von BAYER trägt persönlich eine Mit-Verantwortung für die Bienensterben in aller Welt, da die Risiken der Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren bekannt sind. Weitere Bienensterben können nur verhindert werden, wenn der Verkauf gefährlicher Pestizide wie Gaucho und Poncho gestoppt wird.“ BAYER hat im vergangenen Jahr mit Imidacloprid und Clothianidin fast 800 Millionen Euro umgesetzt. „In den hohen Umsatzzahlen ist der Grund zu sehen, weswegen sich das Unternehmen trotz der gravierenden Umweltschäden mit aller Macht gegen Anwendungsverbote wehrt“, so Mimkes weiter.

Die CBG stellt die Strafanzeige gemeinsam mit dem Imker Fritz Hug, dessen Bienen im Frühjahr durch Clothianidin getötet wurden.

Informationen zur Strafanzeige finden Sie online: http://www.cbgnetwork.de/2561.html

Für Rückfragen:
Rechtsanwalt Harro Schultze: Tel 0221 - / 25 21 75, E-Mail: RA_Schultze@freenet.de

Das Verfahren wird bei der Staatsanwaltschaft Freiburg (Telefon: 0761 2050) unter dem Aktenzeichen 520 UJs 1649/08 geführt

Die Kampagne wird gefördert von der Stiftung Menschwürde und Arbeitswelt (Berlin) und dem Ökofonds der Grünen NRW.

Zwangsarbeit

CBG Redaktion

11. August 2008, FAZ

BAYER: Zwangsarbeit schon im 1. Weltkrieg

Katastrophale Lebensbedingungen

„Öffnen Sie das große Menschenbassin Belgien“, rief Carl Duisberg, Generaldirektor der Bayer-Werke in Leverkusen, dem preußischen Kriegsminister im September 1916 zu. Duisberg und andere prominente deutsche Industrielle wie Stinnes, Krupp und Rathenau wollten durchsetzen, dass belgische Arbeiter nach Deutschland deportiert und den Unternehmen der Kriegswirtschaft als dringend benötigte Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt würden. In dieser Forderung waren sie sich einig mit der seit August 1916 amtierenden Obersten Heeresleitung Hindenburg/Ludendorff, die zu einer tendenziell totalen Kriegführung überging. Wenige Wochen vor der Sitzung im preußischen Kriegsministerium, in der vom „Menschenbassin Belgien“ gesprochen wurde, fiel die Entscheidung. Gegen den Widerstand der Zivilverwaltung im Generalgouvernement Belgien und das anfängliche Zögern der Reichsleitung wurde unter dem Druck der Heeresleitung beschlossen, arbeitslose Belgier ins Deutsche Reich zu verbringen, um sie dort zur Zwangsarbeit einzusetzen, vor allem bei Unternehmen im rheinisch-westfälischen Industriegebiet. Man glaubte, auf diese Weise mehrere hunderttausend Arbeitskräfte gewinnen zu können. Mit den seit Ende Oktober 1916 in Belgien durchgeführten Zwangsaushebungen begann ein besonders unrühmliches Kapitel der deutschen Kriegspolitik.
Die Deportationen aus Belgien gediehen für Deutschland zu einem gewaltigen Debakel, einem doppelten Fiasko. Zum einen wurde das angestrebte Ziel, massenhaft Arbeiter für die deutsche Kriegswirtschaft rekrutieren zu können, deutlich verfehlt. Zum anderen lieferte die völkerrechtlich höchst umstrittene, wenn nicht gar völkerrechtswidrige Aktion den Mächten der Entente begehrte Waffen für den Propagandakampf gegen das Deutsche Reich. Die Regierungen Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und Russlands protestierten sofort offiziell und klagten Deutschland an, internationale Abkommen, die Menschenrechte und die Grundsätze der Humanität zu verletzen. In der Presse wurde die „Versklavung der belgischen Zivilbevölkerung“ aufs schärfste angeprangert. Um die barbarische Dimension der Deportationen anschaulich zu machen, bemühte man auch Vergleiche mit angeblichen historischen Vorbildern wie den arabischen Sklavenjagden in Afrika oder dem Vorgehen der Hunnen Attilas. Besonders gravierend für Deutschland wirkten sich die Reaktionen in den Vereinigten Staaten aus, deren Neutralität zu diesem Zeitpunkt auf des Messers Schneide stand. Die Befürworter eines Kriegseintritts auf Seiten der Alliierten nutzten die Gelegenheit und geißelten die Aktion der Deutschen als moderne Sklaverei. Die Deportationen verstärkten die vorhandenen antideutschen Ressentiments und Stimmungen. Der deutsche Botschafter in Washington, Graf Bernstorff, sprach von allgemeiner, tiefgehender und aufrichtiger Empörung und meinte, um die Jahreswende 1916/17 habe Deutschland das „Ringen um die amerikanische Seele“ verloren.
Als die Deportationen im Februar 1917 eingestellt wurden, war dies nicht ausschließlich, aber auch auf die internationalen Proteste zurückzuführen. Entscheidender freilich war die Enttäuschung darüber, dass die Aktion nicht zu der erwarteten massenhaften Rekrutierung einsatzfähiger Arbeitskräfte führte. Etwa 60 000 überwiegend arbeitslose Belgier wurden zwischen Ende Oktober 1916 und Februar 1917 nach Deutschland transportiert. Fast ein Drittel entließ man - aus unterschiedlichen Gründen - wieder nach Belgien. Nur etwa ein Viertel der Deportierten gelangte überhaupt in Unternehmen der Kriegswirtschaft, wo man mit ihren Arbeitsleistungen oft sehr unzufrieden war. Die Übrigen hausten in Sammellagern unter meist katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen, etwa 12 000 der Deportierten starben in Deutschland. Diese traurige Bilanz verdeutlicht das Ausmaß des Misserfolgs der von Oberster Heeresleitung und deutschen Großindustriellen durchgesetzten Aktion einer Zwangsrekrutierung belgischer Arbeiter.
Über den gesamten Problemkomplex der Deportationen aus Belgien im Ersten Weltkrieg informiert jetzt eingehend und zuverlässig eine umfängliche, aber dank klarer schnörkelloser Diktion gut lesbare Untersuchung. Jens Thiel bietet nicht nur eine genaue Nachzeichnung des Entscheidungsprozesses, der in den Deportationsbeschluss mündete, sowie eine Schilderung von Vorbereitung, Ablauf und Ende der Deportationen, sondern er bettet seine Darstellung der Zwangsrekrutierung belgischer Arbeiter in einen umfassenden Kontext ein. Ausführlich behandelt er die deutsche Arbeitskräftepolitik gegenüber Belgien vor und nach den Deportationen, die - überwiegend kritischen - Stellungnahmen deutscher Politiker zu den Zwangsmaßnahmen gegen belgische Arbeiter, die (Feind-)Wahrnehmung des belgischen Arbeiters bei vielen Deutschen und in der Publizistik, schließlich die langwierigen Auseinandersetzungen nach Kriegsende und Friedensvertrag um belgische Entschädigungsforderungen und die (unterbleibende) Strafverfolgung der für die Deportationen Verantwortlichen.
Keine Untersuchung über Zwangsarbeit im Ersten Weltkrieg kann auskommen ohne einen Blick auf die Zwangsarbeiterbeschäftigung im Zweiten Weltkrieg: Hat die zwangsweise Rekrutierung und Beschäftigung belgischer und anderer ausländischer Arbeiter ein Vorbild für die brutale Ausbeutung von Zwangsarbeitern durch das nationalsozialistische Deutschland abgegeben? Thiel stellt sich abschließend dieser Frage und kommt zu einer differenzierten Antwort. Mit anderen Forschern ist er sich darin einig, dass die Zwangsmaßnahmen im Ersten Weltkrieg eine gewisse Vorbildwirkung für die Ausformung des nationalsozialistischen Zwangsarbeitersystems besaßen, er sieht aber auch die Gefahr, „die spezifischen Ausgangsbedingungen, Hintergründe und Determinanten der Arbeitskräftebeschaffung im Ersten Weltkrieg zu vernachlässigen und die zweifelsohne vorhandenen Kontinuitätslinien einseitig zu betonen“. Dass Thiel die Arbeitskräftepolitik während des Ersten Weltkriegs als eigenständiges historisches Phänomen behandelt, ebendas macht die hohe Qualität seiner Studie aus. EBERHARD KOLB

Jens Thiel: „Menschenbassin Belgien“. Anwerbung, Deportation und Zwangsarbeit im Ersten Weltkrieg. Klartext Verlag, Essen 2007. 426 S., 39,90 Euro.

[Brunsbüttel] Klimakiller

CBG Redaktion

auf dem Gelände von Bayer Brunsbüttel sollen zwei Kohle- und ein Müllkraftwerk errichtet werden

8. August 2008, Wilstersche Zeitung

Müll- und Kohlekraftwerke: Beschwerde in Brüssel erhoben

Kraftwerkspläne und die Einspeisung des Offshore-Windstroms wurden von der Bürgerinitiative beraten.

„Die Landesregierung tut alles, um den Bau von Kohlekraftwerken an der Unterelbe baurechtlich abzusichern.“ Diese Meinung vertrat Dr. Karsten Hinrichsen auf einem Treffen der Bürgerinitiative Gesundheit und Klimaschutz Unterelbe im Sportlerheim in Flethsee.

Aktuell diskutierte die Bürgerinitiative den Entwurf des Landesentwicklungsplanes, mit dem Brunsbüttel bis zum Jahr 2025 zu einem Standort von Großkraftwerken gemacht werden soll. Deshalb habe - so Dr. Hinrichsen - der Bauausschuss der Stadt Brunsbüttel einen Antrag beschlossen, den künftigen Offshore-Windstrom nicht am Knotenpunkt Brunsbüttel, sondern am Schaltwerk bei Wilster ins Netz einzuspeisen. „Dadurch würde der Netzknoten Brunsbüttel für die geplanten Steinkohlekraftwerke freigehalten“, sieht Hinrichsen einen Grund für die Brunsbütteler Planungen.

Beides schwächt nach seiner Meinung die Position der Bürgerinitiative und der umliegenden Gemeinden, die die Umweltbelastungen zu tragen haben. Dr. Hinrichsen rief die Gemeinden dazu auf, sich ablehnend gegen die Vorschläge der Stadt Brunsbüttel zu äußern. Die BI selbst werde ihre Position informell der Landesentwicklungsbehörde zur Kenntnis bringen.

Die Planungen der Energieversorger gehen in die gleiche Richtung. So soll schon 2010 im Industriepark auf dem Bayer-Gelände das Industrieheizkraftwerk mit 140 Megawatt in Betrieb gehen. 2010/11 soll das 800-MW-Kohlekraftwerk von Electrabel auf dem Bayer-Areal folgen. 2012 soll das Doppelblock-Kohlekraftwerk der Südweststrom mit zwei 800 bis 900 MW starken Kraftwerksblöcken ans Netz gehen, ehe 2014 das Getec-Kohlekraftwerk auf Bütteler Gemeindegebiet folgen soll. Gesamtinvestition: mehr als fünf Milliarden Euro. „Und wenn Moorburg fällt, kommt Vattenfall auch noch“, übt sich Dr. Hinrichsen in Schwarzmalerei.

Getec, so erinnerte er noch einmal, habe das erforderliche Grundstück von Bayer im Rahmen eines Erbbauvertrages erworben. Die Getec-Planer gehen davon aus, dass sie das Kohlekraftwerk ohne Kühltürme werden betreiben können. „Der Vertrag ist aber strengstens geheim“, bedauert Hinrichsen die Geheimniskrämerei.

Nach Ansicht des in Brokdorf lebenden Meteorologen werden mit den Brunsbütteler Kraftwerken zwar die Grenzwerte der Emissionen eingehalten, aber nicht alle technischen Möglichkeiten ausgenutzt, um die Belastungen noch weiter zu drücken. Beim Industrieheizkraftwerk werden sogar die EU-Vorgaben nicht eingehalten. Ein Grund mehr, dass die Bürgerinitiative mit ihrem Pinneberger Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Mecklenburg inzwischen Beschwerde bei der EU-Kommission in Brunsbüttel eingereicht hat.

In diesem Zusammenhang begrüßt Dr. Hinrichsen die vom Kieler Landwirtschafts- und Umweltministerium erlassenen neuen Leitlinien, mit denen die bisherigen Grenzwerte weiter gesenkt werden sollen. Das Ministerium ist überzeugt, dass Anlagen moderner Technik in der Lage sind, die Emmissionsgrenzwerte teilweise sehr deutlich zu unterschreiten. Mit einer Reduzierung der Grenzwerte könnte eine „Akzeptanzerhöhung der Vorhaben“ in der Bevölkerung erreicht werden.
Von Jochen Schwarck

[Presse Konferenz] Neonicotinoide

CBG Redaktion

Die tageszeitung, 18. Juli 2008

Das große Bienensterben

Gift für Jungbienen

Zwei Pestizide haben mindestens 330 Millionen Bienen getötet. Daran verdient hat die Bayer AG. Jetzt werden die Imker böse. VON SVENJA BERGT

Imker und Umweltschützer haben ein Verbot von Bienen gefährdenden Pestiziden gefordert. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), das Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) und der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund beziehen sich mit ihrer Forderung vor allem auf die Insektengifte Imidacloprid und seinen Nachfolger Clothianidin. Letzteres ist auch der Wirkstoff des Pestizids Poncho, das allein in der ersten Jahreshälfte zum Tod mehrerer tausend Bienenvölker in der Rheinebene und der Region um Freiburg geführt hat. Umweltschützer gehen sogar von zehntausenden toten Bienenvölkern aus.

„In Deutschland muss immer erst alles richtig kaputt sein, bevor man reagiert“, kritisierte Manfred Hederer, Präsident des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbunds. Das Bienensterben sei nicht nur eine „dramatische Entwicklung im Naturhaushalt“, es entstehe auch ein volkswirtschaftlicher Schaden. Angesichts dessen, dass 80 Prozent aller Nutzpflanzen von Bienen bestäubt würden, bezifferte er den Nutzen von Bienen auf über 400 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der Chemiekonzern Bayer hat nach eigenen Angaben 2007 mit den beiden Pestiziden einen Umsatz von 793 Millionen Euro erzielt.

Kritik übten Imker und Umweltschützer nicht nur an Agrarminister Horst Seehofer (CSU), sondern auch am Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Das hatte die Zulassung von Beizmitteln mit Clothianidin und Imidacloprid zunächst ausgesetzt, nachdem das Bienensterben in Süddeutschland bekannt wurde. Seit Ende Juni ist der Einsatz der beiden Wirkstoffe jedoch wieder erlaubt - zumindest beim Raps. Daher fordern die Imker neben der Verschärfung auch transparentere Zulassungsverfahren für die Wirkstoffe. „Momentan laufen die Versuche bei der Zulassung nur mit ausgewachsenen Bienen“, kritisiert Hederer. Problematisch seien die Gifte aber vor allem für Jungbienen, deren Immunsystem noch schwächer sei.

Die freiwillige Entschädigungszahlung von insgesamt zwei Millionen Euro, die Bayer den Imkern versprochen hat, sei „ein Witz“. Er erwartet, dass viele Imker die mit der Entschädigung verbundene Bürokratie angesichts des Missverhältnisses zwischen tatsächlichem Wert eines Bienenvolks und der Zahlung, scheuen werden.

Gemeinsame Pressemitteilung des Pestizid-Aktions-Netzwerks (PAN), des Deutschen Berufs- und Erwerbs-Imkerbunds (DBIB) und des BUND vom 17. Juli 2008

BUND, PAN und Berufsimker fordern Verbot Bienen tötender Pestizide

Berlin: Das Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN), der Deutsche Berufs- und Erwerbs-Imkerbund (DBIB) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderten heute Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer auf, alle Pestizide mit den Bienen gefährdenden Insektengiften Clothianidin und Imidacloprid der Firma Bayer CropScience umgehend zu verbieten. Seehofer müsse zudem dafür sorgen, dass Bienen gefährdenden Pestiziden in Deutschland und der EU die Zulassung entzogen wird. Wenn Ende August mit Clothianidin und Imidacloprid gebeizter Raps ausgesät werde, drohe ein ähnliches Bienensterben wie im Frühjahr, als mit Clothianidin-haltigen Pestiziden gebeizter Mais in Baden-Württemberg zehntausende von Honigbienen-Völkern tötete.

Nachdem zunächst die Zulassung von Clothianidin- und Imidacloprid-haltigen Beizmitteln ausgesetzt worden war, hatte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) Ende Juni die Zulassung einiger dieser Mittel für die Anwendung bei Raps wieder in Kraft gesetzt. Die genannten Wirkstoffe werden meist in Beizmitteln für Mais, Karotten, Rüben, Raps und Kartoffeln eingesetzt.

„Die Folgen des Bienensterbens sind nicht nur für uns Imker verheerend. Bienen sind auch für die Bestäubung vieler Kulturpflanzen in der Landwirtschaft extrem wichtig“, sagte Manfred Hederer, Präsident der Berufsimker. „Das Gift, das jetzt auf die Felder kommt, kann erneut große Schäden anrichten, auch wenn der Beize mehr Haftmittel beigemengt werden soll. Clothianidin und Imidacloprid bleiben auf dem Acker und jede neue Aussaat bringt mehr davon in die Umwelt.“

Mit Produkten, die die Wirkstoffe Clothianidin und Imidacloprid enthalten, machte Bayer CropScience im vergangenen Jahr weltweit einen Umsatz von 793 Millionen Euro. Susan Haffmans von PAN wies auf mögliche Umweltschäden auch in anderen Ländern hin. „Wenn schon der hohe technische Standard hierzulande keinen ausreichenden Schutz vor Vergiftungen bietet, dann ist es höchst zweifelhaft, dass Tierwelt und Natur in den Exportländern unversehrt bleiben. Statt gebetsmühlenhaft beschworener `technischer Lösungen` dürfen Bienen gefährdende Pestizide gar nicht erst zugelassen werden. Erforderlich ist die konsequente Umsetzung praxiserprobter Alternativverfahren. Dazu zählt insbesondere eine dreigliedrige Fruchtfolge, bei der auf einem Acker nur alle drei Jahre die gleiche Kultur angebaut wird.“

Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND: „Landwirtschaftsminister Seehofer muss sich auf EU-Ebene für einen besseren Schutz der Bienen und der biologischen Vielfalt insgesamt einsetzen. Für den Menschen und für die Natur gefährliche Pestizide müssen endlich verboten werden. Die naturnahe Landwirtschaft braucht diese Agrargifte nicht, deshalb ist auch die entschlossene Förderung des Ökolandbaus ein entscheidender Schritt bei der Zurückdrängung der Risiken.“

Ein Hintergrundpapier über die Bedrohung (speziell der Bienen) durch Pestizide finden Sie im Internet unter:
http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/chemie/20080716_chemie_bienen_hintergrund.pdf

Pressekontakt: Katja Vaupel (BUND), Tel. 030-27586422, Susan Haffmans (PAN), Tel. 040–399191025, Manfred Hederer (DBIB), Tel. 0172–8206459 bzw. Rüdiger Rosenthal, BUND-Pressestelle, Tel. 030-27586-425/489, Fax: -440, E-Mail: presse@bund.net

Antibiotika

CBG Redaktion

AP, 09.07.2008

Warnhinweis bei Antibiotikum Cipro angeordnet

Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat die Hersteller des Antibiotikums Cipro und ähnlicher Mittel angewiesen, auf der Packung vor möglichen Risiken zu warnen. Dabei geht es um die Gefahr möglicher Sehnenrisse. Die FDA reagierte mit ihrer Anordnung auf einen Vorstoß der Verbraucherschutzorganisation Public Citizen. Cipro wird von Bayer hergestellt, das ähnliche Antibiotikum Levaquin von Ortho-McNeil. Das Mittel wird unter anderem zur Behandlung von Infektionen der Harnwege verschrieben.

weitere Informationen zu Nebenwirkungen von Antibiotika

Bienensterben

CBG Redaktion

7. Juli 2008 ka-news

Chlotianidin soll verboten werden

Karlsruhe/Stuttgart - Der NABU Baden-Württemberg hat zusammen mit dem Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund und dem Landesverband badischer Imker eine Petition vor dem Landtag eingereicht, in der das sofortige Verbot des Insektizides Chlotianidin gefordert wird. Zudem fordern die Naturschützer auch die deutliche Reduzierung von Pestizideinsätzen in der Landwirtschaft generell.
„Wir fordern das Land auf, das für das Bienensterben verantwortliche Insektengift sofort aus der Landwirtschaft zu verbannen (ka-news berichtete). Solche Nervengifte gehören in den fest verschlossenen Giftschrank und nicht auf unsere Äcker.“ Mit diesen Worten reichten vergangenen Freitag die Petenten ihre Beschwerde ein. Die Petition fällt zusammen mit dem „Tag der deutschen Imkerei“ am 5. Juli.
330 Millionen Bienen seien nach Schätzungen der Imker vergiftet worden. Von amtlicher Seite wurden im Frühsommer 11.500 geschädigte Bienenvölker gemeldet. Außerdem seien über 350 Wildbienenarten und andere bedrohte Insekten betroffen, unter anderem die artverwandte Ameise.

Wie groß ist der Schaden für die Umwelt?
Für Natur und Landwirtschaft sei vor allem der Mangel an bestäubenden Insekten gravierend, weil Kulturpflanzen wie Obstbäume und Erdbeeren zur Fortpflanzung auf Bestäuber angewiesen sind. Auch gefährdete Wildpflanzen seien von der Problematik betroffen. Der Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim, Dr. Peter Rosenkranz spricht von der „größten Vergiftungskatastrophe Deutschlands“.
„Diese Tatsachen sollten für Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) Grund genug sein, für ein Verbot von Clothianidin zu sorgen“, so die Beschwerdeführenden. Das Bienensterben ist in ihren Augen die Quittung für die jahrelange Untätigkeit seitens der Landesregierung im Bezug auf ein Verbot schädlicher Pestizide.

Wie konnte es soweit kommen?
Das Bundesamt für Verbraucherschutz hatte im Mai den Verkauf gestoppt (ka-news berichtete). Laut Cynthia Böhm vom Deutschen Imkerbund habe es zwar Informationen gegeben, die den Landwirten von der Benutzung des Mittels abriet. Jedoch hätten die meisten das Mittel schon gekauft gehabt. Da der Hersteller-Konzern Bayer keine Entschädigung zahlte, seien die Bauern aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen gewesen, Chlotianidin-behaftetes Saatgut auszustreuen.
Die Samen werden mit pneumatischen Maschinen in die Erde gebracht. Zu wenig Klebemittel, mit dem das Pestizid am Saatgut haften soll, sei der Grund, weshalb bei der maschinellen Aussaat Clothianidin auch in die umliegende Landschaft gelangt sei. Von Seiten der Clothianidin-Gegner wird vermehrt die Anwendung von Fruchtfolgen gefordert, mit Hinweis auf Erfahrungen aus dem Ausland. Große Monokulturen ohne jährlichen Wechsel seien eine Einladung an Schädlinge zur schnellen Ausbreitung.

Steht das nächste Bienensterben schon kurz bevor?
„Wenn Clothianidin weiter ausgebracht werden darf, ist das nächste Insekten-Massensterben nicht mehr weit“, sagen sie weiter. Unterstützt wird die Petition auch von der SPD-Landtagsfraktion. Deren naturschutzpolitischer Sprecher Christoph Bayer fordert Minister Hauk auf, seine laut Bayer „althergebrachte“ Pestizidpolitik zu ändern.
Das Verbot sei die einzig mögliche Reaktion auf die Politik des „Weiter so“ von Hauk. Man fordere, das Mittel solange nicht mehr einzusetzen, bis sichergestellt sei, dass sich ein Desaster wie das diesjährige Bienensterben nicht mehr wiederhole.
Dass die Landesregierung das Mittel bereits wieder einsetzen wolle, obwohl sie noch nicht einmal genau wisse, welche Umweltschäden durch das Mittel entstanden seien, könne der Umweltpolitiker nicht verstehen. „Das enthüllt altes Denken, welches nur die chemische Keule kennt“, sagt er weiter. Manchem Imker seien nur noch „eine Hand voll“ Bienen geblieben, so Böhm. (tjb)

Bienensterben

CBG Redaktion

6. Juli 2008

Der Erfolg liegt vor den Fluglöchern

2003 besuchte uns eine Gruppe von französischen Imkern und Wissenschaftlern in Donaueschingen. Sie berichteten uns von den Bienenverlusten mit neuartigen Symptomen dort. Sie erklärten uns, dass mit Hilfe einiger engagierter Wissenschaftler die Wirkstoffe Imidacloprid von Bayer und Fipronil von BASF als Hauptursache ermittelt worden waren.
Unsere französischen Imkerkollegen versuchten daraufhin ein Verbot dieser Produkte als Pflanzenschutzmittel für Bienenweidepflanzen zu erreichen und zogen dafür vor Gericht. Sie versuchten gleichzeitig, uns in Deutschland auf die Gefahren dieser Produkte aufmerksam zu machen und hofften auch, dass wir bei den deutschen Konzernen etwas bewegen könnten.
Die deutschen Bienenwissenschaftler vertraten die Auffassung, dass diese Produkte vor der Zulassung sorgfältig getestet wurden und zeigten wenig Verständnis für die französischen Probleme damit.
Im Dezember 2003 veröffentlichten sie eine Stellungnahme, in der darauf verwiesen wurde, dass seit 1998 an mehreren deutschen Bieneninstituten, umfangreiche und z.T. mehrjährige Untersuchungen der Bienengefährlichkeit der fraglichen Wirkstoffe durchgeführt wurden, ohne dass sich dabei Hinweise auf Bienenschäden ergeben hätten. Jeglichen Verdacht einer Nähe zur chemischen Industrie wies man weit von sich.
In unserer damaligen Naivität setzten wir uns für ein Treffen der französischen und deutschen Fachleute ein, in der Hoffnung, dass unsere Wissenschaftler die Ergebnisse ihrer französischen Kollegen dadurch besser verstehen würden und man sich dann für die Interessen der Imker stärker einsetzen würde.
Dieses Treffen fand am 28.01. 2004 statt und war ein Fiasko. Man konnte sich nicht einmal auf ein gemeinsames Protokoll einigen. Die deutschen Wissenschaftler erklärten, dass die französischen Ergebnisse nicht glaubwürdig seien, und dies obwohl die Arbeiten in den angesehensten internationalen Fachmagazinen „peer reviewed“ veröffentlicht worden waren und später auch vor Gericht Bestand hatten.
Die Hersteller Bayer und BASF waren offensichtlich über unsere Kontakte nach Frankreich informiert und mussten nun befürchten, dass wir in Deutschland auch auf Verbote ihrer Produkte drängen würden.
Eine von den europäischen Imkervertretern anberaumte Sondersitzung der Arbeitsgruppe Honig zum Thema „Verbote von Planzenschutzmitteln in Frankreich“ lies die Chemieindustrie einfach durch die COPA kurzfristig absagen.
Man griff nun zu den bewährten Methoden, um auf Zeit zu spielen. Hier war der deutsche Bauernverband gerne behilflich und betätigte sich von nun an als Gastgeber für einen „Runden Tisch“, der einen Dialog von Imkern, Wissenschaftlern, Landwirten und Behörden ermöglichen sollte.
Zudem fanden sich bei Bayer, BASF und Syngenta nun plötzlich beträchtliche Summen, um durch ein möglichst lang angelegtes Projekt eine umfassende Ursachenforschung zu finanzieren. Die Bienenwissenschaftler waren sofort begeistert von der Idee und auch die Imkerverbände meinten, sich so einer Großzügigkeit nicht entziehen zu können.
Tatsächlich zeigte sich schon in der Planungsphase die eigentliche Zielrichtung des Projekts:
Das Budget für die Untersuchungen auf Pflanzenschutzmittelrückstände war genau Null.
In den Folgejahren funktionierte das Projekt trotz gelegentlichen Aufbegehrens rebellischer Berufsimkervertreter im großen und ganzen wie von den Geldgebern gewünscht. Die Öffentlichkeit und die Politik versetzte man in den Glauben, dass das Problem des Bienensterbens in besten wissenschaftlichen Händen sei. Die Bienenwissenschaftler waren langfristig an die Leine gelegt, obwohl dies nach der bisherigen Erfahrung vermutlich gar nicht notwendig war.
Die Industrie hatte die Vergabe der Mittel natürlich so organisiert, dass der Geldhahn jederzeit bei unbequemem Verlauf des Projekts zugedreht werden konnte. Man brauchte, wenn notwendig, nur darauf hinzuweisen, dass man eine weitere Finanzierung möglicherweise intern nicht weiter vertreten könne.
Der besondere Erfolg des Bienenmonitorings bestand darin, in Deutschland ähnliche Verbote wie in Frankreich zu verhindern und auch durch gebetsmühlenartiges Wiederholen der These „Varroa + X“ das Zulassungsklima für neue Pflanzenschutzmittel freundlich gestimmt zu halten.
Während die Gerichtsverfahren der Imker in Frankreich erhebliche Mängel in den dortigen Zulassungsverfahren offen legten und dazu führten, dass neue Mittel nun deutlich sorgfältiger geprüft werden, zog man in Deutschland aus den Erfahrungen im Nachbarland keinerlei Lehren.
Dies lässt sich sehr schön aus einem Beispiel aus dem vergangen Jahr belegen:
In Frankreich und Deutschland wurde die Zulassung eines neuen Wirkstoffes unter Vorlage der gleichen Untersuchgsergebnisse zur Bienengefährlichkeit beantragt.
Die französische Zulassungsbehörde AFSSA verwarf die dem Antrag beigefügten Daten als unzureichend und verweigerte die Zulassung. Daraufhin reichte Bayer ausgerechnet die Ergebnisse des deutschen Bienenmonitorings nach, um die Behörde von der Unbedenklichkeit des Mittels für Bienen zu überzeugen.
Die AFSSA fällte ein vernichtendes Urteil über die wissenschaftliche Qualität dieses Materials und verweigerte wiederum die Zulassung.
Ganz anders in Deutschland, wo man ohne Probleme die Zulassungshürden passierte.
So kam es, dass ein Produkt, welches in Frankreich aus Gründen des Bienenschutzes nicht genehmigungsfähig war, in Deutschland nicht nur zugelassen, sondern in einigen Regionen wie dem Rheingraben sogar als Quarantänemaßnahme gegen den Maiswurzelbohrer vorgeschrieben wurde.
Der Wirkstoff in unserem Beispiel ist Clothianidin für die Anwendung als Beizmittel beim Mais unter den Marken PONCHO bzw. PONCHO PRO.
Das deutsche Bienenmonitoring war also ein voller Erfolg für die Industrie - ein Erfolg, der jetzt tausendfach vor den Fluglöchern unserer Bienenstöcke liegt.

Autor: Walter Haefeker, Präsident der European Professional Beekeepers Association (Europäischer Berufsimkerbund) und Vorstandsmitglied im Deutschen Berufsimkerbund
http://www.umweltruf.de/news/111/new...3?nummer=14407

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CBG Redaktion

3. Juli 2008

Offener Brief an Bernd Siggelkow, Kinderhilfswerk Arche

Sehr geehrter Pastor Siggelkow,

sogar hier in Köln ist Ihre Arbeit bekannt und wir beglückwünschen Sie zu Ihren Erfolgen im Kampf gegen Kinderarmut, Verwahrlosung und Hunger!
Dennoch sehen wir es kritisch, dass Sie mit dem Leverkusener Bayer-Konzern eine Kooperation eingegangen sind.
Ich denke, es ist unstrittig, dass es Unternehmen bei solchen Kooperationen nicht um soziales Engagement geht, sondern um ein verbessertes Image, also um Werbung. Dies spricht die Firma Bayer auch offen aus: Gegenüber Studenten einer Fotografie-Klasse, die ursprünglich ebenfalls für die Kampagne gewonnen werden sollten, wurde die geplante Kooperation als „Teil einer Social Marketing Kampagne“ bezeichnet, die die Öffentlichkeitsarbeit der Firma unterstützen solle. Die Studenten lehnten das Angebot trotz guter finanzieller Dotierung ab, da sie sich nicht von Bayer instrumentalisieren lassen wollten.
Der Bayer-Konzern steht seit Jahrzehnten wegen seiner oftmals verantwortungslosen Geschäftspolitik in der Kritik. Lobbyisten des Konzerns bekämpfen nahezu sämtliche Anstrengungen zum Umweltschutz. Bayer produziert zahlreiche hochgefährliche Produkte und emittiert große Mengen von Schadstoffen und Treibhausgasen. Und sogar im Bereich Kinderarmut ist Bayer nicht „unschuldig“: im indischen Saatgut-Anbau arbeiteten Tausende von 6-14jährigen Kindern für minimale Löhne bei Zulieferern des Unternehmens. Diese Praxis änderte sich erst, als indische und deutsche Organisationen öffentlich auf die Mißstände hinwiesen.
Bayer ist weltweit der größte Pestizid-Hersteller. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO erleiden jährlich mehrere Millionen Menschen schwere Pestizid-Vergiftungen, bis zu 200.000 Fälle verlaufen tödlich. Die Welternährungsorganisation FAO spricht von einer ”Umwelttragödie”. Viele der gefährlichsten Wirkstoffe kommen von Bayer.
Bayer ist größter Produzent der hormonaktiven Chemikalie Bisphenol A, die leider auch in Babyflaschen, Kinderspielzeug, Konservendosen, etc eingesetzt wird. Hierdurch werden insbesondere Kinder gefährdet. Umweltverbände und auch das Umweltbundesamt fordern seit vielen Jahren, risikoreiche Anwendungen von BPA zu verbieten – können sich aber nicht gegen die Industrielobby durchsetzen.
Besonders problematisch ist der Pharma-Bereich des Konzerns, zu dem auch Bayer Vital gehört (Bayer Vital ist verantwortlich für die Bepanthen-Kinderförderung). Ganz aktuell ist der Fall Trasylol: erst im vergangenen Herbst nahm Bayer Trasylol vom Markt, obwohl die Risiken des Präparats (Nierenversagen, Herzinfarkt, Schlaganfall) seit langem bekannt waren und ungefährlichere Alternativen verfügbar sind. Nach Schätzungen des US-Mediziners Dennis Mangano, dessen Studien zum Aus von Trasylol führten, hätten durch einen früheren Rückzug von Trasylol allein in den vergangenen zwei Jahren 22.000 Todesfälle verhindert werden können.
Es gibt zahlreiche weitere Beispiele – von der Erfindung und jahrzehntelangen Vermarktung des „Hustenmittels“ Heroin (dieses wurde von Bayer 1898 gemeinsam mit Aspirin auf den Markt gebracht), den zahlreichen Todesfällen durch „Lipobay“ bis hin zur Infektion Tausender Bluter mit HIV durch Blutprodukte von Bayer. Ausführliche Informationen zu Dutzenden weiterer Beispiele finden Sie unter www.CBGnetwork.org .
Die Arche ist nicht der einzige Partner von Bayer im Sozial-Bereich. Das Unternehmen ging Dutzende von Kooperationen mit Umweltgruppen, medizinischen Fachgesellschaften, Selbsthilfegruppen und sogar den Vereinten Nationen ein. Besonders wertvoll für Bayer sind hierbei „glaubwürdige Partner“ wie eben die Arche. Reale Veränderungen der Geschäftspolitik von Bayer resultieren aus diesen Projekten jedoch nicht.
Sie können einwenden, dass Sie mit dem Geld von Bayer etwas Sinnvolles anstellen, und natürlich stellen wir dies nicht in Zweifel. Sie werden aber durch diese Kooperation ein Teil des Bayer-Marketings, mit dessen Hilfe das Unternehmen Probleme in anderen Bereichen überdecken will.
Die Firma nutzt diese Kooperationen in ihrer Außendarstellung weidlich - z.B. auf ihrer homepage, dem Geschäftsbericht und zahllosen Werbebroschüren. Kritische Anfragen von Journalisten oder engagierten Privatpersonen kontert Bayer routinemäßig mit Verweisen auf eben solche Kooperationen. Hieran zeigt sich noch einmal, dass das vorgebliche Engagement nichts weiter ist als ein Bestandteil des Konzern-Marketings.
Uns ist bewusst, dass die Ablehnung von Fördergeldern schmerzlich ist. Trotzdem möchten wir Sie bitten, die Kooperation mit Bayer noch einmal zu überdenken. Gerne stehen wir für Rückfragen zu Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,

Philipp Mimkes
Coordination gegen BAYER-Gefahren
www.CBGnetwork.org
Tel 0211-333 911, Fax 0211-333 940

[Endosulfan] Pestizide

CBG Redaktion

Presse Information vom 2. Juli 2008
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Fähr-Unglück auf den Philippinen: Bayer-Pestizide an Bord

Tamaron als „hochgefährlich“ eingestuft / Pestizid-Transport auf Fähren verboten

Sprecher von Bayer Philippines haben erstmals eingeräumt, dass sich an Bord der gesunkenen Fähre Princess of the Stars Pestizide von Bayer befanden. Der Transport gefährlicher Agrochemikalien auf Fährschiffen ist in den Philippinen untersagt. Das Unglück am 16. Juni hatte über 800 Menschenleben gefordert.

Die Bergung des gekenterten Schiffs war in der vergangenen Woche unterbrochen worden, nachdem bekannt geworden war, dass sich rund 10 Tonnen des hochgefährlichen Pestizids Endosulfan an Bord befinden. Die Behörden fürchten eine großräumige Meeres-Verseuchung und eine Gefährdung der Taucher. Bayer bietet Endosulfan in zahlreichen Ländern unter dem Handelsnamen Thiodan an. Unklar ist bislang, ob das Endosulfan an Bord der Princess of the Stars von Bayer verkauft wurde. Das Pestizid sollte an Ananas-Plantagen von Del Monte geliefert werden.

Gestern wurde bekannt, dass sich zusätzlich rund 500 kg der Bayer-Pestizide Tamaron, Antracol, Trap und Fuerza an Bord befanden. Besonders risikoreich ist der Wirkstoff von Tamaron (Methamidophos), der von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „hoch gefährlich“ eingestuft wird. Bayer war nach Angaben des philippinischen Senders ABS-CBN Auftraggeber des Transports.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die Begleitumstände des schrecklichen Unglücks auf den Philippinen werfen zahlreiche Fragen auf: Wer wusste davon, dass hochgefährliche Pestizide auf Fährschiffen transportiert werden? War den Pestizid-Herstellern diese illegale Praxis bekannt? Wer ist der Hersteller des an Bord befindlichen Endosulfans? Werden sich die Produzenten an den Bergungskosten beteiligen?“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert den Bayer-Konzern seit langem auf, Ultragifte wie Methamidophos und Endosulfan vom Markt zu nehmen. Bayer hatte bereits im Jahr 1995 angekündigt, alle Wirkstoffe der WHO-Gefahrenklasse I bis zum Jahr 2000 vom Markt zu nehmen, dieses Versprechen jedoch gebrochen. „Eine gefahrlose Anwendung von Pestiziden der höchsten Gefahrenklasse ist in Südostasien prinzipiell nicht möglich. Armut, Analphabetismus und tropisches Klima, das den Einsatz von Schutz-Anzügen nicht erlaubt, tragen dazu bei, dass rund 99% aller Pestizid-Vergiftungen in Entwicklungsländern auftreten“, so Mimkes weiter.

Endosulfan ist in der Bundesrepublik wegen seiner Gefährlichkeit verboten. Unter Auflagen darf ihn der Leverkusener Multi jedoch noch in Länder der „Dritten Welt“ exportieren. Im Juli 2007 hat sich die Europäische Kommission dafür ausgesprochen, das Mittel auf die Liste der Stockholmer Konvention für besonders giftige Substanzen zu setzen und damit sein Verschwinden von allen internationalen Märkten einzuleiten. „Wegen des Potenzials dieser Chemikalien zum weiträumigen Transport in die Umwelt kann ein hohes Schutzniveau für die Umwelt und die menschliche Gesundheit nicht allein durch Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedsstaaten oder der Gemeinschaft gewährleistet werden“, hieß es aus Brüssel zur Begründung.

weitere Informationen:
=> Bericht von ABS-CBN (engl)
=> Kampagne zum Verbot von Klasse I-Pestiziden
=> Pestizid-Vergiftungen auf den Philippinen

[Editorial] STICHWORT BAYER 03/2008

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

„Ökonomie, Ökologie und gesellschaftliches Engagement haben bei allen Aktivitäten von BAYER den gleichen hohen Stellenwert. Zentrale Werte für uns sind der Respekt gegenüber Mensch und Natur sowie die Nachhaltigkeit unseres Handelns.“ Und die Erde ist eine Scheibe, die sich um die selbstlosen Helfer aus Leverkusen dreht....

Wer den Versprechungen des BAYER-Konzerns nicht Glauben schenken mag, hat seit 30 Jahren eine Anlaufstelle: 1978 gründete sich nach Störfällen in den BAYER-Werken Wuppertal und Dormagen eine Bürgerinitiative, aus der Anfang der 80er Jahre die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hervorging. Mit dem Anspruch, weltweit alle Probleme „rund um BAYER“ zu dokumentieren und gemeinsam mit Betroffenen, Anwohnern und Umweltschützern für deren Beseitigung zu kämpfen.

Hundertfach gelang es der COORDINATION seitdem, die Schattenseiten der BAYER-Geschäftspolitik aufzuzeigen: Dünnsäure-Verklappung, HIV-Infektion von Blutern, Kinderarbeit bei Zulieferern, Pestizidvergiftungen, illegale Kartelle, die düstere IG Farben-Geschichte, usw. Vor dem Bundesverfassungsgericht gewannen wir einen Prozess, den BAYER gegen uns angezettelt hatte, um uns mundtot zu machen. In Taiwan verhinderten wir zusammen mit lokalen Initiativen den Bau eines hochgefährlichen Werks in unmittelbarer Nähe zur Wohnbevölkerung. Im vergangenen Jahr wurde die Verbrennung von australischem Giftmüll bei BAYER gestoppt. Und seit 25 Jahren prangern wir kontinuierlich die größten Probleme in der BAYER-Hauptversammlung an.

Oft, wenn auch nicht oft genug, konnte der Konzern zum Handeln gezwungen werden. Unsere Publikationen erscheinen mittlerweile in fünf Sprachen und werden weltweit gestreut. Vom Spiegel bis zum Wall Street Journal gab es Berichte über unsere Arbeit. Und bis heute ist unser Beispiel einzigartig: Vergleichbare Netzwerke zu anderen Konzernen haben sich bislang – leider – nicht gebildet. Ein Grund mehr für uns, konzernkritische Initiativen wie den BBU, den Dachverband Kritischer Aktionäre oder attac mit aufzubauen.

Nach wie vor erhalten wir aufgrund des Drucks von BAYER keinerlei öffentliche oder kirchliche Unterstützung. Zwar schafft dies Freiheit – kein Geldgeber kann uns den Hahn zudrehen. Gleichzeitig hängt die Existenz unseres Netzwerks stets am seidenen Faden: Druckkosten, Büromiete, EDV, Porto und Telefon müssen regelmäßig bezahlt werden, die Einnahmen hingegen sind von Monat zu Monat ungesichert.

Einmal mehr müssen wir daher darauf hinweisen, dass wir nur in dem Umfang arbeiten können, wie wir von unseren Förderern unterstützt werden. Zahlreiche Ideen bleiben wegen Geldmangel unverwirklicht. Im dreißigsten Jahr des Bestehens ist unsere Arbeit zudem akut gefährdet: immer mehr Förderer haben materielle Probleme, trotz steigender Mitgliedszahlen gehen unsere Spenden-Einnahmen seit drei Jahren kontinuierlich zurück. Die Kosten können wir nicht weiter reduzieren, da die Arbeit schon jetzt fast vollständig ehrenamtlich geleistet wird.

Trotz der positiven Bilanz von 30 Jahren BAYER-Kritik müssen wir daher unser Jubiläum erneut mit einer Bitte um Unterstützung verbinden. Konzernkritik ist unabdingbar, wir bauen auf Ihre Hilfe! Leisten Sie eine Spende oder werden Sie Mitglied, damit wir dem BAYER-Konzern weiter Paroli bieten können.

Herzliche Grüße,

Ihr Philipp Mimkes

Philipp Mimkes, 41, ist Physiker und Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren

[LL Cotton] STICHWORT BAYER 03/2008

CBG Redaktion

Am 28. Oktober 2008 hat die EU eine Importgenehmigung für gentechnisch veränderte Baumwolle erteilt. Die von Bayer CropScience angebotene Sorte LLCotton25 ist resistent gegen das hauseigene Herbizid Liberty Link. Die Zulassung gilt für den Bereich Nahrungs- und Futtermittel.

Wachsende Risiken: Gentech-Baumwolle von BAYER

BAYER ist weltweit der zweitgrößte Hersteller von Baumwoll-Saatgut und drängt auf immer mehr Märkte. Vor allem für die kleinen Baumwoll-FarmerInnen in der „Dritten Welt“ hat das fatale Folgen. Aber den Leverkusener Multi stört das nicht. Er will die Länder jetzt auch noch mit seinem „letzten Schrei“, gentechnisch manipulierter Baumwolle, beglücken. Das arme Südafrika hat er zum Versuchsfeld für seine neuesten Labor-Kreationen auserkoren.

Das Geschäft mit der „grünen Gentechnik“ beschränkt sich weitgehend auf Mais, Raps, Soja, Reis und Baumwolle. Nur diese fünf Pflanzen versprechen den Agro-Multis Maximal-Profite. BAYER hat sie alle im Angebot, baut aber besonders das Segment mit gentechnisch manipulierter Baumwolle aus, denn dieses verspricht die höchsten Wachstumsraten. In den USA, wo sich Gentech-Sorten schon auf 80 Prozent aller Baumwollfelder breit machen, erstand der Konzern 2006 die Unternehmen CALIFORNIA PLANTING COTTON SEED DISTRIBUTORS und RELIANCE GENETICS. Im letzten Jahr erwarb er dann für 310 Millionen Dollar die Baumwoll-Sparte von STONEVILLE - die teuerste Akquisition der Landwirtschaftsabteilung seit dem Erwerb von AVENTIS CROPSCIENCE. Der Global Player stieg so zum weltweit zweitgrößten Anbieter des Malvengewächses auf und arbeitet unermüdlich daran, ihm neue Absatzgebiete zu erschließen.

Armut kultivieren
Geht bereits in 28 Ländern die Gensaat auf, was der „Zukunftstechnologie“ einen Marktanteil von 13 Prozent beschert, so dürften sich die Zahlen nicht zuletzt durch die Aktivitäten des Leverkusener Multis bald noch erhöhen. Er hat jüngst eine Anbau-Zusage aus Kanada erhalten und Anträge auf Import-Genehmigungen in Europa, Indien, Australien und Südafrika gestellt. Besonders in Südafrika stößt das Engagement des Konzerns auf massive Kritik, weil Risiken und Nebenwirkungen hier nicht nur auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, sondern auch auf den einheimischen Agrarsektor zuzukommen drohen. „Wir lehnen BAYERs Antrag aus sozio-ökonomischen Gründen vehement ab“, erklärte das AFRICAN CENTRE FOR BIOSAFETY (ACFB), „Nach einer Bewilligung werden große Mengen subventionierter und daher billiger Gen-Baumwolle auf den südafrikanischen Markt drängen. Das wird die Lebensgrundlage von Millionen Afrikanern in der Region zerstören.“ Südafrika importiert 84 Prozent seines Baumwollbedarfs aus Nachbarländern wie Zimbabwe, Sambia oder Mozambique, mit denen es sich in der Zollfreiheit garantierenden Wirtschaftsgemeinschaft „Southern African Development Community“ (SADC) zusammengeschlossen hat. Die USA haben im Moment gerade mal einen Importanteil von einem Prozent, was sich nach einer Zulassung von BAYERs mit einer Resistenz gegen das Herbizid LIBERTY ausgestatteten LL25-Baumwolle aber ändern dürfte. Die US-Regierung unterstützt ihre LandwirtInnen nämlich mit jährlich 3,9 Milliarden Dollar - fast die Hälfte des Bruttoinlandprodukts von Sambia - und verschafft ihnen damit immense Wettbewerbsvorteile. Die entsprechenden Wettbewerbsnachteile für den afrikanischen Baumwoll-Binnenmarkt, von dem zehn Millionen Menschen abhängen, hat die Hilfsorganisation OXFAM errechnet: 310 Millionen Dollar an Einnahmen kosteten diese Subventionen die FarmerInnen bereits in der Saison 2001/2002. „Cultivating Poverty“ - das ist OXFAM zufolge die bittere Ernte dieser Landwirtschaftspolitik.

Risiken kultivieren
Daneben kultiviert der Import der LIBERTY-LINK-Baumwolle nach Meinung der ForscherInnen vom AFRICAN CENTRE FOR BIOSAFETY noch jede Menge Risiken, nicht zuletzt für die menschliche Gesundheit. Der Mensch kommt mit gentechnisch manipulierter Baumwolle nämlich nicht nur rein äußerlich durch Kleidungsstücke in Berührung, die Laborfrüchte finden auch den Weg nach innen - entweder als Öle oder über den Umweg „Tiernahrung“. Besonders der im Vergleich zu konventionellen Arten höhere Gossypol-Gehalt von gentechnisch manipulierter Baumwolle stellt dabei ein Gefährdungspotenzial dar. 0,5 Prozent beträgt der Anteil dieser giftigen chemischen Verbindung bei BAYERs LL25-Sorte und liegt damit beträchtlich über dem für Tierfutter noch als unbedenklich geltenden Wert von 0,05 - 0,01 Prozent. Überschreitet die Nahrung dieses Limit, so steigt für das Vieh die Gefahr, Durchfall, Atemschwierigkeiten oder Schwächeanfälle zu bekommen. Sogar Fälle von Unfruchtbarkeit, Herzinfarkte, Leberschäden und Todesfälle haben die WissenschaftlerInnen beobachtet. Das aus Baumwolle gewonnene Öl - 50 Prozent der US-amerikanischen Ernte landet in dieser Wertschöpfungskette - muss wegen dieser Gefahren extra durch Raffinierungsverfahren vom Gossypol befreit werden.
Was die BAYER-Baumwolle mehr an Giften enthält, enthält sie weniger an gesunden Ingredenzien. Ihr Vitamin-E-Gehalt liegt um mehr als die Hälfte unter dem von konventionellen Pflanzen, was LL25 zu Tierfutter minderer Qualität macht.
Das ACFB betrachtet darüber hinaus die von den Konzern-ForscherInnen an der Baumwolle vorgenommenen gentechnischen Veränderungen als störungsanfällig. Sie bilden sich nicht in jeder Pflanze gleich aus und zeigen sich zudem äußerst kommunikativ, was die halbe Natur zu einem Gentechnik-Labor zu machen droht, da viele Bakterien genetisch fast baugleich mit den LL25-Zutaten Antibiotika- und Herbizid-Resistenz sind. Gelangen diese dann durch die Ausscheidungen der mit der BAYER-Baumwolle gefütterten Tiere in die Umwelt, so können viele neue Arten entstehen, gegen die als Krankheitserreger kein Kraut mehr gewachsen ist. Auch neues LL25 vermag aus den Exkrementen des Viehs zu erblühen, denn es ist durch die Verdauungsorgane kaum klein zu kriegen. 14 ähnliche Sorten hätte er dann in Afrika zur Wahl, um auszukreuzen oder als Unkraut sein Unwesen zu treiben. Die Baumwollpflanze zählt zwar zu den Selbstbestäubern, was das Auswildern erschwert, aber Bienen und andere Insekten als Pollenträger sind durchaus in der Lage, „Wachstum zu generieren“.

Versuchsfeld Südafrika
Aber Südafrika blüht noch mehr. BAYER hat nämlich nicht nur einen Importantrag für seine LL25-Kreation gestellt, sondern will das Land zusätzlich noch als Versuchsfeld für weitere Baumwollarten nutzen, wobei die geringeren Auflagen für die Tests als Standortvorteil gelockt haben dürften.
Bei den Sorten handelt es sich um GHB 119 und T304-30, die beide gegen den Herbizidwirkstoff Phosphinotricin resistent sind und den für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis (Bt) enthalten, das gegen das Anti-Unkrautmittel Glyphosate resistente GHB 614 sowie die Kombipacks GHB 614xGHB 119, GHB119xT304-40 und Mon15985xLL25. Mit der „Mon“-Pflanze und den Bt-Kreationen erprobt BAYER damit erstmals Baumwoll-Varietäten, die Frucht eines mit MONSANTO vereinbarten Technologie-Austauschprogrammes sind. Zu diesem die Produktpalette etwas abwechslungsreicher gestaltenden „Nimm 2“-Joint Venture sahen sich die Multis gezwungen, weil Wildpflanzen und Schadinsekten von dem Gentechnik-Oligopol profitierten und immer besser mit Glyphosate und den anderen den gen-manipulierten Ackerfrüchten beigegebenen Einzel-Wirkstoffen leben konnten. So musste etwa der MONSANTOS ROUND-UP-READY-Soja mit eingebauter Glyphosate-Resistenz in Argentinien bereits auf einer Fläche von 120.000 Hektar vor dem Johnson-Gras kapitulieren.
BAYER & Co. pressiert es also, mit neuen Produktlinien aufzuwarten. Wer aber jetzt vielleicht geglaubt hätte, die Freisetzungsversuche in der südafrikanischen Provinz Limpopo hätten zum Ziel, ihren Risiken und Nebenwirkungen nachzuspüren, sieht sich getäuscht. Sie dienen allein dem Zweck, die genetisch veränderten Organismen auf ihre kommerzielle Verwertbarkeit hin zu durchleuchten. Weder die Auskreuzungsgefahr oder die Auswirkungen auf die Artenvielfalt noch Tests zur Stabilität der vererbten Eigenschaften oder zu den möglichen Langzeitfolgen zählen zum Untersuchungsprogramm.
Nach Meinung der Gen-GegnerInnen vom AFRICAN CENTRE FOR BIODIVERSITY hätte für ein solches Monitoring nicht nur die von ihnen bereits examinierte LL25-Pflanze genügend Anlass geboten. Die anderen Laborfrüchte weisen nämlich ein ähnliches Gefährdungsprofil auf, was wegen der bedenklichen Nähe des Freisetzungsackers zu wild bewachsenen Flächen eine besondere Bedrohung darstellt. Auch GHB 614 & Co. können explosive Mischungen mit Bakterien bilden, zu Unkraut mutieren oder auskreuzen. Die MON15985-Sorte enthält beispielsweise ein aus dem Enzym Glucuronidase bestehendes Marker-Gen, das fast „baugleich“ mit der Darmbakterie E. coli ist. Dadurch steigt die Gefahr eines horizontalen Gentransfers, der aus der Bakterie eine Glucuronidase-Brutstätte zu machen droht - mit unabsehbaren Folgen für die Gesundheit. So haben die Wissenschaftler Gaffney, Buttenshaw und Diplock in einem Aufsatz, der bereits 1986 in der Fachzeitschrift Lancet erschienen ist, Gelbsucht-Erkrankungen von Säuglingen auf einen erhöhten Glucuronidase-Anteil in der Muttermilch zurückgeführt.

Bauernsterben
Den Praxistest haben bisher weder die Bt-Baumwolle noch die gegen Pestizid-Wirkstoffe resistenten Produktreihen bestanden, wie die von FRIENDS OF THE EARTH herausgegebene Studie „Who benefits from GM crops“ darlegt. Entgegen den Versprechungen MONSANTOs haben die FarmerInnen mit den Gentech-Saaten ihre Erträge nicht steigern können; sie erlitten teilweise sogar erhebliche Verluste. Allzu oft versagte der Bacillus thuringiensis gegen den Bollwurm. In Indien verlor nach und nach ein Viertel der Bt-Baumwolle ihre giftige Wirkung, was nicht wirklich überrascht. Die US-ForscherInnen konzipierten sie nämlich für die einheimische Anbau-Saison, die wesentlich kürzer ist als die indische. Und selbst wenn die Bt-Baumwolle ihrer Bestimmung nachkam und dem Bollwurm trotzte, nützte das oft wenig, weil sie von Hause aus nichts gegen dessen Artgenossen auszurichten vermag. Deshalb mussten die LandwirtInnen auf dem Subkontinent mit zusätzlichen Pestiziden arbeiten. Diese Mehrausgaben, verbunden mit den hohen Anschaffungskosten für die Bt-Saaten, den mageren Ernten und den fallenden Weltmarktpreisen führten zu einer so desaströsen Einnahme-Situation, dass Indien von einer wahren Suizid-Welle unter Baumwoll-PflanzerInnen heimgesucht wurde: In den ersten zehn Monaten des Jahres des Jahres 2007 töteten sich über 900 Bauern und Bäuerinnen.
MONSANTOs ROUND-UP-READY-Produktlinie bringt dagegen LandwirtInnen in den USA zur Verzweiflung. Im Jahr 2006 entschlossen sich 90 von ihnen sogar zu einer Klage gegen MONSANTO sowie BAYER und DELTA & PINE als Mithersteller und Anbieter der Sorte. Damit wollten sie ihrer „langanhaltenden Enttäuschung“ Ausdruck verleihen und Schadensersatz erstreiten, denn auf zahlreichen Feldern war die Baumwolle vom Typ ROUND-UP-READY fix und fertig. Die Umstände auf den Plantagen bestimmten den Charakter der Pflanzen stärker als die in den Laboren ausgeklügelte Vererbungslehre. Hitze und Trockenheit ließen die Glyphosate-Resistenz im Genpool verkümmern, weshalb die Gewächse dem Glyphosate-Großeinsatz nicht gewachsen waren und en masse eingingen. Der Bauer Alan Stasney, dem die genetische Instabilität der RR-Baumwolle einen Verlust von 250.000 Dollar bescherte, klagte: „Es ist wirklich eine traurige Situation. Viele Menschen sind deshalb am Boden zerstört“.
Nach den bisherigen Erfahrungen hat die gentechnisch veränderte Baumwolle weder die Erträge gesteigert noch den Ackergift-Verbrauch gemindert. Auch die Situation der Kleinbauern und -bäuerinnen hat diese nicht verbessert. In Südafrika fiel ihre Zahl von 3688 in der Saison 2001/02 auf 2305 in der Saison 2006/07, was die FRIENDS OF THE EARTH-Studie neben den sich verschlechternden ökonomischen Rahmenbedingungen für Baumwolle auch der Einführung der Bt-Sorten zuschreibt. Im südafrikanischen Baumwollgürtel Kwazulu Natal, wo die Makhatini Flats als Bt-Vorzeigeregion galten, setzte in dem Zeitraum ein besonders großes Bauernsterben ein. Von 3229 LandwirtInnen blieben schließlich nur noch 853 übrig. „Gentechnisch veränderte Baumwolle ist keine Lösung für Kleinbauern in Afrika“ lautet deshalb das Resümee von FRIENDS OF THE EARTH. Und das AFRICAN CENTRE FOR BIOSAFETY kommt zu einem ähnlich vernichtenden Urteil: „Wir lehnen diese Anwendungen ab, welche die Integration unseres Agrarsystems in die kapitalistische Ökonomie vorantreiben und Kleinbauern im Regen stehen lassen. Zudem stellen diese Pflanzen ein Risiko für Mensch und Umwelt dar“, so das ACFB. Ihr Appell „Afrika ruft zu Widerstand auf“, der sich auch darüber empört, dass Südafrika BAYER & Co. als willkommenes Versuchsfeld dient, schließt mit den Worten: „Eine neue Landwirtschaft wartet darauf, das Licht der Welt zu erblicken“.
Von Jan Pehrke

[Uni Köln] STICHWORT BAYER 03/2008

CBG Redaktion

Standort-Forschung

Die Uni-Kooperationen der BAYER AG

Im Frühjahr vereinbarte der Leverkusener BAYER-Konzern mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. Auch andere Universitäten und Forschungseinrichtungen zeigen sich offen für eine Zusammenarbeit mit dem Leverkusener Multi. Von der Politik massiv gefördert, hat der Konzern bereits über 800 solcher Allianzen geschmiedet. „Standort-Forschung“ heißt die Devise, und das Produkt ist das Ziel. Was die Welt im Innersten zusammenhält, interessiert in den Laboren immer weniger.

„Der Informationsaustausch auf höchstem wissenschaftlichen Niveau und der breite Zugang zu Wissen ist gerade für ein Unternehmen wie BAYER - mit dem größten Forschungsbudget unserer Branche in Deutschland - eine entscheidende Voraussetzung für Innovationen“, konstatiert der im Konzern-Vorstand für Forschung zuständige Wolfgang Plischke. Einen neuen großen Zugang zu Wissen verschaffte sich der Leverkusener Multi im Frühjahr 2008. Er vereinbarte mit der Kölner Hochschule eine Zusammenarbeit. „Sie ist die weitreichendste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“, begeisterte sich Innovationsminister Andreas Pinkwart auf einer Pressekonferenz. Die Allianz, der bereits ein gemeinsames pharmakologisches Wirken an 30 Therapeutika vorausging, umfasst Arzneistoff-Forschungen zu Krebs, Herz/Kreislauf-Erkrankungen und Störungen des Zentralen Nervensystems. Wenn die TeamworkerInnen dann aussichtsreiche Wirkstoff-Kandidaten entdeckt haben, so können sie diese gleich um die Ecke testen - im nagelneuen „Zentrum für Klinische Studien“ der Universität. Und damit das Projekt auch den passenden Nachwuchs bekommt, hat der Pillen-Riese ein Graduierten-Kolleg für DoktorandInnen initiiert. „Die Uni-Klinik hat die Grundlagen-Forschung und die Nähe zum Patienten. Wir haben Methoden, um aus einer Idee oder einem Erfolg versprechenden Ansatz die Herstellung eines Arzneimittels zu beschleunigen“, so beschreibt Wolfgang Plischke die Synergie-Effekte. BAYER bringt in die neue Beziehung jährlich „einen soliden sechsstelligen Betrag“ ein - eine lohnende Investition, erwartet der Multi von der „bevorzugten Partnerschaft“ doch „deutliche Vorteile bei der Positionierung im internationalen Wettbewerb“.

800 Kooperationen
800 Kooperationen dieser Art unterhält der Global Player mit Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen im In- und Ausland. Sie reichen von Forschungen zu Alzheimer und zur Kombinatorischen Chemie über die Beteiligung an Protein-, Katalyse- und Werkstoff-Exellenzclustern bis hin zu wissenschaftlichen Kooperationen in den Bereichen „Unternehmensstrategien und Personalmanagement“, „Photovoltaik“ und „Veterinärmedizinische Dermatopharmakologie“. Die Bundesregierung fördert dieses Teamwork massiv. So hat das „Bundesministerium für Bildung und Forschung“ (BMBF) eine „Forschungsunion Wirtschaft-Wissenschaft“ ins Leben gerufen. Sie zählt unter anderem die ehemalige BAYER-Forscherin Helga-Rübsamen-Waigmann zu ihren Mitgliedern, an deren Unternehmen AICURIS der Leverkusener Multi einen Geschäftsanteil von zehn Prozent hält. Die Bewilligung von Fördergeldern macht das BMBF sogar von der Bildung von Netzwerken zwischen Unternehmen und Universitäten abhängig. Den „Wissenstransfer“ von den Hochschulen zur Industrie zu fördern, gilt ihm als wichtiges Instrument der Standort-Politik. Auf 17 „Zukunftsfeldern“ will das BMBF diesen im Rahmen ihrer Hightech-Strategie beschleunigen, „um unser Land an die Weltspitze der wichtigsten Zukunftsmärkte zu führen“. Die „Pharma-Initiative für Deutschland“ hat sich beispielsweise vorgenommen, die Bundesrepublik wieder zur „größten Apotheke der Welt“ machen. Dafür unterstützt sie Projekte „zur Kommerzialisierung wissenschaftlicher Ideen“ und veranstaltet den „Biopharma“-Strategie-Wettbewerb. Dieser „ruft unternehmerisch geführte Konsortien auf, sich mit den besten langfristigen Konzepten für eine effiziente Gestaltung der biopharmzeutischen Wertschöpfungskette zu bewerben“. BAYER hat den Ruf sogleich erhört und flugs mit der Berliner Charité, der Universität Köln und den Firmen Magforce Nanotechnologies und Kinaxo Biotechnologies ein solches Konsortium gebildet. Mit dem Vorhaben, Therapie-Verfahren zur Tumorbehandlung zu entwickeln, hat es auch gute Chancen, zu den fünf Biopharmern zu gehören, die sich die ausgelobten 100 Millionen Euro teilen dürfen: Die Runde der letzten Zehn hat das Netzwerk bereits erreicht. Mit ähnlichen Verbünden zur Katalyse, Genomforschung, zur molekularen Bildgebung, zur Kohlendioxid-Reduktion in der Chemie-Produktion, zum Medikamententransport in der Leber, zu Nierenerkrankungen, zur Individualisierung von Arzneimittel-Therapien, zur Gefährlichkeit der Nanotechnik und zur Verfahrenstechnik konnte der Leverkusener Multi in der Vergangenheit bereits BMBF-Gelder einstreichen.

Netzwerker BAYER
Daneben hat der Pillen-Riese noch zahlreiche andere Möglichkeiten gefunden, WissenschaftlerInnen und Wissenschaftseinrichtungen an sich zu binden und auf diese Weise seinen Wissensdurst zu stillen. So vergibt er Forschungspreise, lobt Stipendien aus, stiftet Lehrstühle und stellt eigenes Personal als Honorar-Professoren ab. Im Herbst 2007 hat der Konzern ein DozentInnen-Treffen veranstaltet, das laut Wolfgang Plischke dazu diente, ein lebendiges Netzwerk mit jungen Habilitanden und Professoren aufzubauen. „Eine langfristige Zusammenarbeit dieser besten Köpfe innerhalb- und außerhalb unseres Unternehmens wird für beide Seiten von großem Nutzen sein“, prophezeite BAYERs Forschungschef. Als Gastredner bei dem Treffen konnte er den Vizepräsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Dr. Ferdi Schüth, verpflichten, denn zu dieser Institution hat der Global Player von jeher die besten Beziehungen. So sitzt der frühere DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker, der mittlerweile als Generalsekretär des Europäischen Forschungsrats über einen Förderetat von einer Milliarde Euro gebietet, im Aufsichtsrat des Unternehmens. Aber der Chemie-Multi hat auch direkten Einfluss auf die Forschungspolitik im Lande: Der BAYER-Chef Werner Wenning gehört Angela Merkels „Rat für Innovation und Wachstum“ an. Und für die Umsetzung des dort Erarbeiteten vor Ort kann der Agro-Riese auch selbst sorgen, denn er hat in so manchen Hochschulgremien ein Wörtchen mitzureden.

Hochschulrat BAYER
Um aus den hehren Bildungstempeln Umschlagplätze für Wissen zu machen, welches profanes Profitstreben dann zu Produkten weiterverarbeitet, mussten die Parteien die Hochschulpolitik einer grundsätzlichen Revision unterziehen. „Genau solche Vorhaben erhoffen wir uns vom Hochschulmedizingesetz, das Anfang des Jahres in Kraft getreten ist“, lobte NRW-Minister Andreas Pinkwart die unheilige Allianz zwischen BAYER und der Universität Köln, „Das neue Gesetz gibt den nordrhein-westfälischen Universitätskliniken mehr Autonomie und mehr Gestaltungsspielräume und verbessert auch die Bedingungen für Kooperationen mit privaten Unternehmen“. Entstanden ist das Hochschulmedizingesetz mit freundlicher Unterstützung der Unternehmensberatung Roland Berger. Für den großen Bruder dieses Paragrafenwerkes, das Hochschulfreiheitsgesetz, hat wiederum das Bertelsmann-eigene „Centrum für Hochschulentwicklung“ nicht nur den Namen, sondern auch viele Inhalte geliefert. Von welcher Beschaffenheit die Freiheit ist, die sie meinen, hat der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge analysiert. „Die Freiheit, von der da die Rede ist, bedeutet in Wirklichkeit Marktabhängigkeit. Statt ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, müssen sich die Hochschulen demnächst um die wirtschaftliche Verwertbarkeit ihres Wissens kümmern. Freiheit in Forschung und Lehre heißt ja gerade auch frei zu sein von den Zwängen eines marktorientierten Wirtschaftsunternehmens. Aber genau dazu werden die Hochschulen dann gemacht“, so Butterwegge.
Und das besorgt vor allem der Hochschulrat, weshalb neben Bertelsmann auch die Unternehmensvereinigung „Stifterverband für die deutsche Wissenschaft“, in dessen Kuratorium BAYERs Aufsichtsratschef Manfred Schneider sitzt, leidenschaftlich für ein solches Gremium stritt. An dieses Organ tritt der Staat seine Aufsichtspflichten ab. Nicht mehr der Minister, der Hochschulrat ist nunmehr oberster Dienstherr der Bildungseinrichtung. Er bestimmt über die strategische Ausrichtung der Universität, beaufsichtigt die Geschäftsführung, muss die Zustimmung zum Hochschulentwicklungsplan, zum Wirtschaftsplan und zur „unternehmerischen Hochschultätigkeit“ geben und wählt den Rektor. Mindestens die Hälfte seiner Mitglieder müssen Externe aus den Bereichen Wissenschaft, Kultur oder Wirtschaft sein. Sie sollten „auf Grund ihrer hervorragenden Kenntnisse und Erfahrungen einen Beitrag zur Erreichung der Ziele und Aufgaben der Hochschule leisten können“, so will es das Gesetz.
KünstlerInnen oder SchriftstellerInnen haben es bislang aber kaum zu Hochschulräten gebracht, dafür tummeln sich unter ihnen auffällig viele Wirtschaftsvertreter. Der Leverkusener Multi darf da natürlich nicht fehlen. BAYER-Vorstand Richard Pott sitzt im Hochschulrat der Universität Köln. Während beispielsweise die RWTH Aachen Wert darauf legt, keine/n VertreterIn von Unternehmen, die in Kooperation mit der Hochschule auf dem Campus forschen, mit einem Hochschulratsmandat zu betrauen, kann Pott in Köln nach Herzenslust selber die neue Medikamentenschmiede des Konzerns beaufsichtigen. Unterstützung erfährt er dabei von Dr. Andreas Radbruch, der 1988 bis 89 eine von BAYER bezahlte Dozentur am universitätseigenen Institut für Genetik wahrnahm und jetzt eine Professur an der Berliner Charité innehat. Potts Kollegin Ilka von Braun bestimmt derweil die Geschicke der in Saarbrückeen ansässigen „Deutsch-Französischen Hochschule“ mit, Helga Rübsamen-Waigmann gehörte schon in ihrer BAYER-Zeit dem Hochschulrat der Universität Wien an und nimmt das Amt noch bis mindestens 2013 wahr, während Fred-Robert Heiker diese Aufgabe lange an der Universität Hohenheim versah.

„Hochschul(-ver)rat“
Die Studierenden protestierten überall gegen die Einführung der Hochschulräte, am schärfsten aber in Köln. „Damit wird die studentische Mitbestimmung weiter abgebaut und die (...) kapitalistische Verwertungslogik weiter bedient“, erklärten dort die StudentInnen und setzten sich zur Wehr. Sie hielten Kundgebungen auf dem Campus ab, veranstalteten Aktions- und Infocamps und besetzten das Rektoriat, bis die Polizei mit 100 Einsatzkräften das Gebäude stürmte. Zur konstituierenden Sitzung des Hochschulrates riefen verschiedene Gruppen zu einem großen „Reclaim the Uni“-Event auf, „um die LobbyistInnen von BAYER, IBM, Deutscher Bank usw. ins Exil nach Liechtenstein zu schicken“, so dass das Gremium schließlich unter Polizeischutz tagen musste.
Der Kölner Herz-Spezialist Prof. Erland Erdmann dürfte sich ebenfalls nicht allzu sehr über die BAYER-Präsenz an seiner Universität freuen. Noch im November 2007 hatte er nämlich über die zunehmende Abhängigkeit der Pharma-Forschung von der Industrie geklagt. Seit sich der Staat aus der Finanzierung von Arznei-Studien weitgehend zurückgezogen hat, stehen Erdmann zufolge als Geldgeber nur noch die Pillen-Riesen zur Verfügung. Und die verlangen Gegenleistungen: „Bevor man als Wissenschaftler die Ergebnisse einer solchen klinischen Studie veröffentlichen könne, müsse man den zur Publikation vorgesehenen Bericht in der Regel erst dem Sponsor vorlegen. Marktschädliche Äußerungen könnten dabei dem Rotstift zum Opfer fallen“, gibt die Faz seine Worte wieder.
Ob der Arzt dabei von Erfahrungen berichtet, welche die Kölner MedizinerInnen bei den 30 schon länger gemeinsam mit BAYER betriebenen Arzneimittel-Projekten gesammelt haben? Möglich wär‘s, denn der wissenschaftlichen Wahrheit fühlen sich die Medikamenten-Tests des Leverkusener Multis oftmals nicht verpflichtet. So erprobte der Pharma-Riese im Jahr 2000 sein Antibiotikum CIPROXIN an 650 britischen Krankenhaus-PatientInnen, ohne auf andere Expertisen zu verweisen, nach denen CIPROXIN im Zusammenspiel mit anderen Pharmazeutika seine Wirksamkeit verlieren kann. Mindestens einen Patienten brachte eine Infektion auf diese Weise in Lebensgefahr. Der an den Untersuchungen beteiligte Chirurg Stephen Karran hatte vergeblich versucht, dies zu verhindern. „Obwohl ich zu Beginn der Tests auf die Probleme hingewiesen habe, wurde die Studie im ganzen Land unverändert durchgeführt“, so Karran, der BAYER mit dieser Kritik auf der Hauptversammlung von 2001 auch direkt konfrontierte.
Wie Arzneimittel-Tests made by BAYER immer das gewünschte Ergebnis erzielen, enthüllte das arzneimittel-telegramm im Jahr 2003 am Beispiel des Diabetikums GLUCOBAY (Wirkstoff: Acarbose). Was zu beweisen war, das war die segensreiche Wirkung des Präparates auf den Blutdruck und das Herz/Kreislaufsystem der Zuckerkranken. Und das gelang dem Leverkusener Multi durch verschiedene Operationen. Zunächst einmal redeten die werkseigenen PharmakologInnen ein gehöriges Wörtchen bei der Konzeption der Studie mit. Dann schlossen die WissenschaftlerInnen 61 TeilnehmerInnen aus, die sich als therapie-resistent zu erweisen drohten. Anschließend betrieb der Konzern bei den Angaben zu den Risiken und Nebenwirkungen der klinischen Erprobung ein Verwirrspiel; sie schwankten je nach Veröffentlichungsort. Mal hatten 15 GLUCOBAY-PatientInnen unter Herz/Kreislaufproblemen zu leiden und 32 Placebo-ProbandInnen, dann wieder 33 bzw. 39. Eine ähnliche Variationsbreite wiesen die Informationen zum Gewichtsverlust der TeilnehmerInnen auf. Und zu schlechter Letzt erschließt sich der Sinn der Übung, den blutdrucksenkenden Effekt des Mittels zu demonstrieren, kaum, weil BAYER sich nicht darauf festlegen mochte, ob nun 46 Prozent der ProbandInnen mit Bluthochdruck in den Test gingen oder 51 Prozent. Das arzneimittel-telegramm zieht deshalb das folgende Fazit: „Ein Nutzen von Acarbose (GLUCOBAY) zur Senkung des Risikos kardiovaskulärer Erkrankungen bei PatientInnen mit erhöhtem Blutzucker ist nicht belegt. Der jetzt publizierte angebliche Nutzen-Nachweis durch die STOP-NIDDM-Studie beruht auf Daten-Manipulation zu Gunsten von Acarbose. Die behauptete Senkung des Hypertonie-Risikos durch Acarbose lässt sich wegen eklatanter Differenzen in den Ausgangsdaten zum Bluthochdruck nicht beurteilen. Die Publikationen der STOP-NIDDM-Studie enthalten eine Fülle weiterer grober Ungereimtheiten, die nicht nur Zweifel an der Seriosität, sondern auch Verdacht auf gezielte Eingriffe aufkommen lassen“.
Während der Chef der „Europäischen Arzneimittel-Zulassungsbehörde“, Thomas Lönngren, angesichts dieser von BAYER und anderen Pharma-Unternehmen geübten Praxis fordert: „Wir brauchen mehr unabhängige Studien, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden“, geht die Uniklinik Köln den umgekehrten Weg. Ihr Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. med. Eugen Schömig sieht da keinerlei Probleme. „Durch strenge wissenschaftliche Regularien bei den Studien und intensiven regelmäßigen Austausch bleibt die Unabhängigkeit wissenschaftlicher Forschung gewahrt“, beteuert er.

Diktierte Verträge
Dabei ist diese Unabhängigkeit der Forschung nicht nur durch die Kreativität der Konzerne bei der Gestaltung von klinischen Arznei-Tests bedroht, denn die Kooperationsabkommen haben es in sich. Sie stiften eher eine Zwangsehe als eine mehr oder weniger „bevorzugte Partnerschaft“. Von „diktierten“ Verträgen sprach die bei der TU Dortmund für Forschungsangelegenheiten zuständige Brigitte Trimpe deshalb auf einer Veranstaltung, welche das „Zentrum für Gewerblichen Rechtsschutz“ der Universität Düsseldorf initiiert hatte, um ihren mit Hilfe von BAYER und anderen Unternehmen erarbeiteten Mustervertrag zur Debatte zu stellen. Auch der Leverkusener Multi kennt da kein Pardon, wie BAYER HEALTH CAREs Patent-Experte Dr. Dieter Linkenheil bei dem Treffen freimütig einräumte. In der Regel lege das Unternehmen einen von ihm entwickelten Vertragsentwurf vor, so Linkenheil. Und so sehen die Vereinbarungen auch aus. Die Universitäten verpflichten sich darin zumeist, auf eine „negative Publikationsfreiheit“ zu verzichten, d. h. über fehlgeschlagene Experimente den Mantel des Schweigens zu hüllen. Auch vorher schon haben sich die WissenschaftlerInnen Beschränkungen aufzuerlegen. Übten sie früher den freien akademischen Austausch, so gilt heutzutage das, was in den Laboren geschieht, als „Betriebsgeheimnis“. Zudem verlangen die Multis von ihren Partnern, schon im Frühstadium der Zusammenarbeit alle Rechte an den Erfindungen abzutreten. In Düsseldorf traten Linkenheil, Dr. Elmar Bramer-Weger von BAYER MATERIAL SCIENCE sowie alle anderen KonzernvertreterInnen für eine Vorausabtretung der Rechte an den Forschungsergebnissen ein. Diese Firmen-Strategie sorgt für den meisten Streit in den Beziehungen zwischen den Firmen und den Universitäten. Erweist sich nämlich ein Projekt am Markt als besonders profitabel, haben die Hochschulen das Nachsehen. Hannes Lehmann von TU Dresden machte darum den Vorschlag zur Güte, in die Kontrakte wenigstens eine „Bestseller-Klausel“ einzubauen, die Erfolgsprämien ermöglicht. Darüber war aber mit den Konzern-Emissären nicht zu reden. Schließlich trügen die Unternehmen doch auch das wirtschaftliche Risiko, entgegnete Dr. Bramer-Weger dem Dresdener Forschungsbeauftragten. Deshalb dürfte die „Bestseller-Klausel“ auch in dem zwischen BAYER und der Universitätsklinik Köln getroffenen Agreement fehlen. Genaueres dazu konnte Stichwort BAYER nicht in Erfahrung bringen. „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir zum Inhalt bestehender Verträge aus rechtlichen Gründen keine Auskunft geben“, antwortete die Uniklinik-Pressesprecherin Sina Vogt auf eine entsprechende Nachfrage.
So sieht sie also aus, die „freie und wettbewerbsorientierte Wissensgesellschaft“, die Forschungsministerin Annette Schavan bei der Vorstellung der „Hightech-Strategie für Deutschland“ beschwor. BAYER hätte alles gerne noch ein wenig freier und wettbewerbsorientierter - und ruft nach dem Staat, um seine Pillen-Produktion an Profit-Höchstgrenzen zu treiben. „Wie müssen darstellen, wie die Politik ordnungspolitisch dazu beitragen kann, Wachstums- und Innovationspotenziale dieser Industrie stärker zu fördern. Das erfordert ein Zusammenwirken der Forschungs-, Wirtschafts- und Gesundheitpolitik“, drängt Forschungsvorstand Wolfgang Plischke.
Von Jan Pehrke

BAYERs Wissenschaftssallianzen
Der Leverkusener Multi unterhält über 800 Forschungskooperationen mit Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen. Hier einige Beispiele:

· Helmholtzzentrum für Infektionsforschung: Krebsbehandlung
· Universität Kiel, IONGATE, CELL CULTURE SERVICES GmbH: Medikamententransport in die Leber
· Universität Dortmund: Preise für beste Abschlüsse im Bio- und Chemie-Ingenieurswesen
· RWTH Aachen: Katalyse-Forschung
· Max-Planck-Gesellschaft: Chemical Genomics Centre
· FAU Erlangen: Exzellenzcluster zur Materialforschung
· Universität München: Exzellenzcluster zur Proteinforschung
· Universität Halle: Stipendien
· Freie Universität Berlin: Stipendien, Tierimpfstoff-Datenbank
· Freie Universität Berlin, Humboldt-Uni, TU Berlin, Universität Potsdam, Max-Planck-Gesellschaft: Exzellenzcluster „Katalyse“
· Ruhr-Universität Bochum: Werkstoff-Forschung
· Universität Leipzig: Kombinatorische Chemie
· Universitäten Karlsruhe und Gießen: Finanz- und Steuerportal
· Universität Marburg: Kunststoff-Forschung
· Universität Münster: Arteriosklerose-Forschung
· Universität Gießen: Betablocker für Hunde
· Universität Rostock: Förderung des Forschungsverbundes zur Knochenregeneration, neue chemische Verfahren
· Bergische Universität Wuppertal: Unternehmensstrategien und Personalmanagement
· Berliner Charité: Anschubfinanzierung für die Arzneimitteltest-GmbH
· Tierärztliche Hochschule Hannover: Stiftungsprofessur „Veterinärmedizinische Dermatopharmakologie“
· Fachhochschule Köln: Forschung an sichereren Analyse-Verfahren für Chemikalien
· Fraunhofer-Institut: Software zur Arznei-Entwicklung, Datenspeicher-Technologie für Sicherheitsanwendungen
· Forschungszentrum Jülich: Photovoltaik, Biokatalyse, Neurowissenschaften und Biophysik
· Universität Navarra (Spanien): Lymphdrüsenkrebs
· Universität Stanford: Molekulare Bildgebung
· Universität Tomsk (Russland): Klinische Studien mit einem Antibiotikum
· Universität Tongji (China): BAYER-Lehrstuhl für Umweltpolitik und Nachhaltige Entwicklung
· Universität Melbourne: Alzheimer
· Texas Tech Universität: BAYER-Lehrstuhl „Molekulargenetik von Baumwolle“
· China Europe International Business School: Zentrum für Gesundheitspolitik, BAYER-Lehrstuhl „Marketing“, Kongress-Veranstaltungen, Kooperation bei der Weiterentwicklung der chemischen und pharmazeutischen Industrie Chinas

[Patentraub] STICHWORT BAYER 03/2008

CBG Redaktion

Neue Beweise im Fall „Süllhöfer“

Ein BAYER-Mann packt aus

Der Patentstreit zwischen Heinz Süllhöfer und dem Leverkusener Multi um die Erfindung einer Maschine zur Herstellung von Kunststoffplatten beschäftigt die Gerichte bereits 41 Jahre. Jetzt dürfte neue Arbeit auf sie zukommen: Süllhöfer erhielt ein anonymes Schreiben eines BAYER-Ehemaligen mit geheimen Unterlagen, die weitere Beweise für BAYERs Patentklau liefern.

Von Jan Pehrke

„Ich habe gelesen, dass Sie wieder gegen BAYER prozessieren. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, denn ich bin sicher, dass man Ihnen Unrecht getan hat“ - mit diesen Worten beginnt ein seine Identität nicht preisgebender Ehemaliger des Leverkusener Multis sein Schreiben an den Düsseldorfer Erfinder Heinz Süllhöfer. In der Anlage: Zahlreiche geheime Unterlagen über die Unrechtshandlungen des Konzerns im Zusammenhang mit dem Patentstreit um eine Maschine zur Herstellung von Kunststoffplatten.
Im Jahre 1965 hatte der Düsseldorfer Erfinder Heinz Süllhöfer eine solche Apparatur zum Patent angemeldet. Der Chemie-Riese, dessen Tochterfirma HENNECKE eine ähnliche, technisch aber unterlegene Maschine vertrieb, befürchtete Millionenverluste durch wegbrechende Verkäufe und Lizenz-Einnahmen. Deshalb entschloss er sich, die drohende Konkurrenz auszuschalten. Der Konzern reklamierte die Erfindung kurzerhand für sich und zog zum Beweis eine Konstruktionszeichnung nebst dazu passender Anlage aus dem Hut. Mit ihrer Hilfe machte der Konzern dann ein Vornutzungsrecht geltend und focht das Patent an. Und damit nahm die bisher längste gerichtliche Auseinandersetzung in der bundesdeutschen Justiz-Geschichte ihren Anfang.
Mit welch schmutzigen Tricks BAYER den heute 82-Jährigen im Laufe der Verfahren um die Früchte seiner Arbeit brachte, zeigen die neuen Dokumente. So befinden sich unter ihnen Angebotslisten mit detaillierten Beschreibungen der Machinen, die HENNECKE ab 1964 an verschiedene Firmen im In- und Ausland geliefert hat. Und diese Machinen entsprechen weder der Konstruktionszeichnung noch sind sie baugleich mit der Süllhöfer-Erfindung. Wo dessen Entwicklung am Rand einen Spalt aufwies, um zu verhindern, dass das die Kunststoffplatten umgebende Kaschiermaterial während des Herstellungsprozesses Falten wirft, weisen die HENNECKE-Apparaturen eine geschlossene Seitenabdichtung auf. Der Spalt stand also nur auf dem Papier, auf der Werkstattzeichnung 13/465.02, was nur einen Schluss zulässt: Er wurde nachträglich eingefügt, um die Anlage der Süllhöfer-Konstruktion anzugleichen und so vor Gericht die Vornutzung zu beweisen. „Der zeichnerisch mit arglistiger Täuschung einer Vorbenutzung dargestellte Spalt in der manipulierten Werkstattzeichnung 13/465.02 vom 2. 6. 1965 ist von 1967 bis heute ein durchgehender Prozessbetrug“, konstatiert Süllhöfer deshalb in seiner Presseerklärung.
Dem Global Player selbst erschien die Sache schließlich auch zu heikel. Darum machte der Konzern für die Zeichnung bei späteren Gerichtsterminen eine neue Maschine passend - die kleinere Maße aufweisende 63er DTG-Anlage. BAYERs Patentanwalt Joachim Strauss hatte den Unterlagen zufolge allerdings arge Bedenken, ob sich diese Beweisführung als gerichtsfest erweisen würde. „Die informatorische Anhörung der ggf. als Zeugen zu benennenden HENNECKE-Mitarbeiter erweckt bei mir Zweifel, ob der Umbau der 63er DTG-Anlage wirklich entspr. der für mich nicht eindeutig zuordenbaren Werkstattzeichnungen erfolgt ist“, schreibt er in einem Memo mit „vertraulich“-Vermerk. Abschließend resümiert der Jurist: „Die weitere Befragung/Vorbereitung unserer Zeugen auf Basis der Werkstattzeichnungen halte ich für äußerst riskant“. Er sieht sich deshalb zu der „dringenden Empfehlung“ veranlasst, eine andere Prozess-Strategie zu wählen. Aber die Chef-Etage befolgte seinen Rat nicht, weshalb Strauss Zweifel Zweifel sein ließ und die HENNECKE-Beschäftigten doch auf Basis der Konstruktionszeichnungen „vorbereitete“. Mit Erfolg, denn die Zeugen überzeugten das Gericht 1984, aber nicht mit rechten Dingen, das zeigt jetzt die Aktenlage. Für Süllhöfer steht nach der Lektüre der geheimen Aufzeichnungen fest, „dass Strauss für den BAYER-Konzern einen Meineid initiierte“. Einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Gelingen des Unterfangen dürften dabei auch die gutnachbarschaftlichen Beziehungen geleistet haben, die Strauss zu dem von 1981 bis 2004 mit dem Fall „Süllhöfer“ befassten Richter Gisbert Steinacker unterhielt.

„So was haben die mit mir gemacht“, entfährt es Heinz Süllhöfer einmal kopfschüttelnd beim Studium der brisanten Dokumente in seinem Düsseldorfer Bungalow. Aber er hält nicht lange inne, obwohl er allen Grund hätte zu resignieren, denn der Konflikt mit BAYER hat ihn sein gesamtes Vermögen und einen Gutteil seiner Gesundheit gekostet. Nach kurzer Zeit vertieft er sich wieder unverdrossen in die Akten-Berge, die sich während der 89 Prozesse in 41 Jahren aufgetürmt haben. Er bereitet nämlich gerade den Prozess Nr. 90 vor. Und das war offensichtlich auch das Anliegen des unbekannten Absenders. „Hoffentlich bekommen Sie endlich ihr Recht“, schließt sein Anschreiben. Und der Anonymus hat dafür nicht nur durch seine Post einige Vorarbeit geleistet, er ist so etwas wie ein lebendiger Beweis für die Richtigkeit von Süllhöfers Position. Bessere Zeugen als solche von BAYER selber kann es dafür nämlich nicht geben.

BAYER gegen Erfinder II
Heinz Süllhöfer ist kein Einzelfall. Dem Oerlinghausener Erfinder Iradj Hessabi hat der Leverkusener Multi die Rechte auf sein ökologisches Pflegemittel EXNA PETGUARD ebenfalls streitig gemacht. Und auch für das Verfahren, Tabakpflanzen zu Arzneifabriken umzuwandeln, mit dem BAYER sich in der Presse als innovatives Unternehmen feiern lässt, hat sich im September mit dem Ingenieur Günter M. Pruss jemand gemeldet, der Anspruch auf die Urheberschaft erhebt. Pruss hatte bereits 1999 eine Prozedur zur Veredelung von Kaffeepflanzen und eine Methode entwickelt, die Tabakpflanzen mit Hilfe von injizierten Vitaminen zur Produktion von weniger gefährlichem Nikotin anhält. „Beide Verfahren sind technisch mit dem von BAYER identisch“, sagte Pruss der Schleswig Holsteiner Zeitung.

[Portugal] STICHWORT BAYER 03/2008

CBG Redaktion

Tausendmal geschmiert und nix passiert

„BAYER gilt in Portugal als ‚untouchable'“

1997 packte der portugiesische BAYER-Beschäftigte Alfredo Pequito aus und informierte die Öffentlichkeit über die Bestechung von ÄrztInnen und gefährliche Arzneitests mit tödlichen Folgen. Als „BAYERGATE“ machte der Fall fortan Schlagzeilen (siehe auch SWB 4/97 u. SWB 4/01). Stichwort BAYER hat mit dem ehemaligen Pharma-Referenten über das immer noch schwebende Verfahren gesprochen.

Herr Pequito, von wann bis wann und in welcher Funktion arbeiteten Sie bei BAYER?

Erlauben Sie mir zunächst, der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN für ihr Interesse an dem Fall, der als „BAYERGATE“ bekannt geworden ist, zu danken. Dieses Interesse hätten die portugiesischen Gesundheits- und Justizbehörden auch haben sollen.
Ich kam am 2. Dezember 1992 als Pharma-Referent, der für die beiden Regionen Évora und Portalegre verantwortlich ist, zu BAYER. Es war eigentlich meine Aufgabe, auf korrekte Art BAYER-Produkte in diesen Gebieten zu vertreiben, aber das war nicht das, was BAYER vorschwebte. Am 2. Februar 1996 wurde ich nach einem ganz normalen Meeting überraschend aufgefordert, mich in der Personalabteilung zu melden. Dort wartete bereits der Personaldirektor. Er hielt mir vor: „Sie kaufen keine Ärzte, sie akzeptieren diese Strategie nicht - also dienen Sie dem Unternehmen nicht“. BAYER hatte zu dieser Zeit - und hat es immer noch - große Summen für Flugreisen, Informationsmaterial, goldene Füllhalter und andere teure Dinge zur Verfügung. Dabei fungierten die Reisebüros als eine Art Bank. BAYER hinterlegte dort mit den Medizinern ausgehandelte Summen für Flüge zu Ärzte-Kongressen, und die Doktoren konnten dann dorthin reisen oder aber gleich das Geld nehmen. Das ist schlicht Korruption. Zur Beruhigung meines Gewissens kann ich sagen, nie Teil eines solchen Systems gewesen zu sein.

Was hatte es mit den Arznei-Tests auf sich? Würden Sie Portugal als Hinterhof von BAYER und anderen Pharma-Konzernen bezeichnen, in dem die Unternehmen gefährliche klinische Studien durchführen konnten?

Die Regeln, nach denen Arznei-Tests abzulaufen haben, wurden nicht eingehalten. Es gab keine von qualifiziertem Personal vorgenommenen Inspektionen. Ein gutes Beispiel dafür ist die mit Kindern als Versuchspersonen durchgeführte klinische Erprobung des Antibiotikums CIPROXIN (identisch mit CIPROBAY, Anm. SWB). Die Aufsichtsbehörden wurden darüber nicht ordnungsgemäß in Kenntnis gesetzt. Es gab keine Informationen über die genaue Anzahl der Kinder, und bei einem der beteiligten Wissenschaftler handelte es sich um einen Psychiater, der gleichzeitig Direktor von BAYERs medizinischer Abteilung war.

Wie war die Reaktion auf Ihre Enthüllungen? Erhielten Sie Unterstützung von Medizin-Verbänden und der Regierung?

Die ersten Reaktionen waren ermutigend. Ich dachte wie viele andere auch, diese Enthüllungen würden die Regierung dazu veranlassen, wieder etwas Ordnung in diesen Sektor zu bringen, der schon lange im Gerede ist, dessen Gepflogenheiten aber niemals so offen kritisiert worden waren wie von mir. Die Erwartungen trogen jedoch; nicht einmal die Regierung zeigte Interesse. Es gab mehrere Treffen mit dem Gesundheitsminister, und auch die Parteien empfingen mich, es kam jedoch nichts dabei heraus. Nur die Arznei-Verkäufe gingen als Reaktion auf meine Enthüllungen um bis zu 45 Prozent zurück.

Sie haben der Öffentlichkeit auch Dokumente über Tests mit dem Herzmittel ECADOTRIL präsentiert. Nach einem Bericht der Zeitung Expresso starben bei oder unmittelbar nach den Versuchen acht der 279 ProbandInnen. Haben sich die Gerichte mit diesem Fall befasst?

Trotz der Toten kam es nicht zu Ermittlungen.

Wie sah es ansonsten mit der juristischen Aufarbeitung aus?

Den Prozessen ging eine schlampige Ermittlungsarbeit voraus, und als Zeugen traten nicht nur zu meiner Überraschung einzig BAYER-Beschäftigte auf. So blieb es bei Geldbußen und Verurteilungen zu gemeinnütziger Arbeit. 1999 verkündete der Präsident der Republik dann eine Generalamnestie für die Pharma-Industrie. Der Justizminister, der die Vorlage erarbeitet hatte, gehört zur der Kanzlei Jardim, Sampaio, Caldas und Partner, die BAYER vertrat. Was für ein Zufall! BAYER gilt in Portugal als „untouchable“, weil der Konzern die deutsche Macht repräsentiert: Alles, was schlecht für Deutschland ist, ist auch schlecht für die EU und deshalb schlecht für Portugal. Solch ein Satz wurde auch vor Gericht geäußert und ist aktenkundig.

Gingen die Bestechungen weiter oder fanden die Pharma-Firmen neue Methoden?

Nach der Amnestie betrachteten die Unternehmen - und besonders BAYER - Portugal als „verlorenes Paradies“, in dem sie machen konnten, was sie wollten. Jetzt ist noch mehr Geld involviert, das über die schon erwähnten Kanäle fließt.

BAYER hat Sie wegen Verleumdung verklagt. Was kam dabei heraus?

BAYER hat mich zweimal verklagt. Beim ersten Mal hatte ich Zugang zu Daten von elf klinischen Tests. Das Gericht war daran jedoch nicht interessiert. Es zog meine Beweise in Zweifel und schenkte dem BAYER-Anwalt Glauben. Beim zweiten Prozess gab es eine Richterin. Sie empfahl BAYER, die Klage zurückzuziehen.

Haben Sie nach 1997 Unterstützung von KollegInnen erhalten?

Alle BAYER-Beschäftigten erhielten die klare Order, mich nicht zu kontaktieren. Das galt aber nicht nur für Belegschaftsangehörige, sondern für alle Beschäftigten in der portugiesischen Pharma-Branche. Ich vermute, das lief über die Apifarma, den Verband der Pharmazeutischen Industrie. Ich hatte jedoch das Gück, zwei, drei Kollegen mit Zivilcourage zu haben, die sich nicht daran hielten.

Änderte sich Ihre Situation nach Ihrem Treffen mit dem neuen Generalstaatsanwalt Dr. Pinto Monteiro im Dezember 2007?

Leider ist bis jetzt nichts Substanzielles passiert. Wie dem auch sei, gesetzlich ist der Staatsanwalt zum Handeln verpflichtet. Soviel ich weiß, gab es einen Versuch, alles unter den Teppich zu kehren und zur Verschlusssache zu erklären. Nur dank BAYERs Verleumdungsklage kamen die Fakten wieder ans Tageslicht. Ich präsentierte dem Generalstaatsanwalt Dr. Pinto Monteiro am 3. Dezember einen Report über BAYERs Tests. Ich hoffe, er hält das mir gegenüber gemachte Versprechen, jetzt ohne weitere Verzögerungen mit den Ermittlungen zu beginnen.

Es wurden mehrere Anschläge auf Sie verübt. Hat es da sorgfältige Ermittlungen gegeben und haben diese zu Erkenntnissen über die Drahtzieher geführt?

Nein. Die zuständigen Behörden verharmlosen die Sache - in der Öffentlichkeit jedenfalls. Hinter vorgehaltener Hand klingt das ganz anders. Ich selber habe keinen Zweifel daran, dass diese Menschen extrem gefährlich sind. Seit den Enthüllungen bin ich großer Gefahr ausgesetzt. Momentan habe ich keinerlei Schutz. Der Staat Portugal ist für alles, was mir vielleicht noch zustoßen wird, verantwortlich. Was das betrifft, würde ich mich lieber jeglichen Kommentars enthalten.

Was kann getan werden, um Sie zu unterstützen und das Verhalten der Pharma-Industrie zu verändern?

Großer internationaler Druck würde helfen.

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2008 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG schreibt Offenen Brief
In Nordrhein-Westfalen ereigneten sich in diesem Jahr zahlreiche Chemie-Unfälle. In Wülfrath traten aus einem Werk 300 Liter Dicyclopentadien aus und bildeten eine Giftgas-Wolke, in Mönchengladbach entwich aus dem Leck einer Feuerlöschanlage Kohlendioxid, und auch bei BAYER kam es zu einigen Störfällen. In Wuppertal wurde Ammoniak freigesetzt, in Bergkamen gelangte Thionylchlorid ins Freie und in Leverkusen drang aus einer undichten Leitung Chlor. Diese Störfälle haben das Bewusstein für die Gefährlichkeit der vom Chemie-Multi geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline noch einmal geschärft und veranlassten den Landtag, das Thema „Chemie-Unfälle häufen sich - welche Konsequenzen zieht die Landesregierung“ auf ihre Agenda zu setzen. Zu diesem Anlass verfasste die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen Offenen Brief, den sie auch an die TeilnehmerInnen der Ausschuss-Sitzung verteilte. In diesem forderte die CBG unter anderem, den Betrieb der CO-Pipeline nicht zu genehmigen, BAYER zum Verzicht auf die Verwendung von Phosgen bei der Kunststoff-Produktion zu veranlassen, Chemie-Werke nicht länger in der Nähe von dicht besiedelten Gebieten zu dulden und das Personal zur Kontrolle der Anlagensicherheit aufzustocken.

Steinbrück gegen CO-Pipeline
Finanzminister Peer Steinbrück, der bei der nächsten Bundestagswahl im Kreis Mettmann kandidiert, mausert sich zum prominentesten Kritiker der von BAYER geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline. „Dabei geht es nicht um Anti-Industriepolitik, sondern um die Sorge vor dem Umgang mit einem hochgiftigen Stoff. Das darf man nicht einfach arrogant vom Tisch wischen“, sagte der SPD-Politiker. Dafür zog er sich den Groll seiner NRW-GenossInnen und des DGB zu, während der BAYER-Betriebsrat in einem Offenen Brief „größtes Unbehagen“ über seine Position zum Ausdruck brachte. Ende August 2008 kam es in der Sache dann zu einem Gipfeltreffen zwischen BAYER-Chef Werner Wenning und Steinbrück. „Das Gespräch war offen und freundlich, aber ergebnislos“, stellte die SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese fest, „die entscheidenden Fragen nach der Sicherheit, der Gefahrenabwehr und dem Trassenverlauf konnten von BAYER nicht befriedigend beantwortet werden.“

BAYER vs. Menschenrechte

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Die rücksichtslose Vermarktung von gentechnisch manipuliertem Saatgut durch BAYER & Co. in Indien ist ein Fall für den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen geworden. Nach Erhalt eines Berichtes über die Lage der FarmerInnen in dem Land, den die bekannte Gentechik-Gegnerin Vandana Shiva gemeinsam mit Christiane Lüst von GEN-KLAGE verfasst hatte, kam das Gremium zu einem harschen Urteil. „Das Komitee ist (...) besorgt, dass die extreme Armut unter den Kleinbauern, verursacht durch Mangel an Land, Zugang zu Krediten und adäquaten ländlichen Infrastrukturen, durch die Einführung von gentechnisch verändertem Saatgut durch multinationale Konzerne und die dadurch verursachte Preis-Eskalation bei Saatgut, Dünger und Pestiziden (...) verschlimmert wurde“, heißt es in der Stellungnahme des Ausschusses.

BAYER vs. Menschenrechte

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Zum EU-Lateinamerika-Gipfel im peruanischen Lima fanden viele Gegenveranstaltungen statt. In deren Rahmen tagte unter anderem ein von MenschenrechtsaktivistInnen gebildetes Volkstribunal, das die Geschäftspraktiken von BAYER und 23 anderen europäischen Unternehmen verurteilte. Dem Leverkusener Multi machte das Komitee den Prozess, weil der Konzern in Lateinamerika Pestizide vermarktet, ohne auf die vielen AnalphabetInnen Rücksicht zu nehmen, welche die Warnhinweise nicht lesen können. Im Jahre 1999 hatte das in einer Schule zur Verwechslung von Agrochemikalien mit Milchpulver geführt, die 24 Kinder das Leben kostete.

ImkerInnen demonstrieren
Im Frühjahr hat BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO ein massives Bienensterben in Südbaden verursacht. Trotzdem ließ es das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) auf Anraten des Julius-Kühn-Institutes im Juli für Raps und andere Kulturen wieder zu. Aus Protest gegen diese Entscheidung demonstrierten 100 ImkerInnen am 18. Juli 2008 vor den Toren des zum BVL gehörenden Institutes in Braunschweig. Am 14. September 2008 zogen die BienenzüchterInnen dann vor das Minsterium selber.

ImkerInnen: „Entschädigung zu gering!“
BAYER hat den 700 ImkerInnen, deren 11.500 Bienenvölker durch das Saatgutbehandlungsmittel PONCHO erhebliche Verluste erlitten hatten, eine Entschädigung von zwei Millionen Euro angeboten. Der Konzern knüpfte dies aber nach alter Gewohnheit an die Bedingung, auf alle weiteren Ansprüche zu verzichten. Als „Versuch der Erpressung“ wertete das der BIOLAND-Agrarexperte Gerald Wehde. Der „Berufs- und Erwerbsimkerbund bezeichnete die Offerte überdies als zu gering, um den wirtschaftlichen Schaden der BienenzüchterInnen zu kompensieren. Für gerade einmal ein Drittel der Verluste würden die Zahlungen aufkommen, rechnete ein Imker der Frankfurter Rundschau vor. Sollte der Leverkusener Multi es dabei belassen, sieht er für sich keine Zukunft mehr: „Dann bin ich insolvent“.

EU-Debatte zum Bienensterben
Das vom BAYER-Pestizid PONCHO und anderen Ackergiften verursachte Bienensterben hat längst EU-weite Dimensionen angenommen. Darum hat die Luxemburgerische Europa-Abgeordnete Astrid Lulling, die ständige Berichterstatterin über die Lage der Bienenzucht in der Gemeinschaft ist, beantragt, das Thema auf die Tagesordnung des Europäischen Parlamentes zu setzen.

Leserbrief zu Lohnkürzungen
In einem Brief an die Westdeutsche Zeitung machte ein BAYER-Beschäftigter seinem Ärger über die sich permanent verschlechternden Arbeitsbedingungen bei permanent besseren Geschäftszahlen Luft. Er schrieb: „2001 wurde ich (sowie ca. 1.200 Mitarbeiter) in die CHEMION LOGISTIK GmbH ausgegliedert. Bei meist gleicher Tätigkeit (jetzt allerdings als Dienstleister für die BAYER AG) wurde unser Gehalt immer mehr gekürzt. Ich habe 2007 so viel brutto verdient wie zuletzt 1997, und für die nächsten Jahre wurde unser Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen. Da ja bekanntlich alles billiger geworden ist, bin ich stolz darauf, zum erfolgreichsten Jahr der BAYER AG meinen Beitrag geleistet zu haben“.

BUND für Nanotechnik-Kontrolle
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Veränderung von Werkstoffen auf der Mikro-Ebene. BAYER erwartet von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze und entwickelte bisher spezielle Duftkapseln, Folien, Eishockeyschläger und die BAYTUBE-Kohlenstoffröhrchen. Allerdings steckt auch der Teufel im Detail. „Bei vielen unlöslichen Nanomaterialien ist derzeit nicht auszuschließen, dass die inhalative Aufnahme dieser besonders kleinen Partikel am Arbeitsplatz zu Gefährdungen führen kann“, heißt es in dem vom „Verband der Chemischen Industrie“ gemeinsam mit der „Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“ herausgegebenen „Leitfaden für Tätigkeiten mit Nanomaterialien am Arbeitsplatz“. Wegen der Gefahren, die von der Nanotechnik nicht nur für die damit am Arbeitsplatz in Kontakt Kommenden ausgehen, fordert der BUND FÜR UMWELT- UND NATURSCHUTZ DEUTSCHLAND (BUND) gemeinsam mit anderen Verbänden eine wirksamere Kontrolle. „Es ist gut, dass viele Firmen freiwillig etwas tun wollen. Allerdings zeigen Erfahrungen der Vergangenheit, dass freiwillige Vereinbarungen allein nicht reichen (...) Wir brauchen deshalb verpflichtende Sicherheitstests für Nano-Produkte“, heißt es in einer Erklärung der Initiativen.

Unabhängige Risiko-Forschung gefordert
Das GEN-ETHISCHE NETZWERK sieht die EU-Zulassungsverfahren für Genpflanzen als unzureichend an und tritt für grundsätzliche Veränderungen ein. Die Organisation fordert eine Besetzung der Entscheidungsgremien auch mit ExpertInnen von Umweltverbänden und einen von BAYER & Co. finanzierten Topf für eine unabhängige Forschung zum Gefährdungspotenzial der Risikotechnologie. Zudem plädiert die Initiative für eine Beweislast-Umkehr: In Zukunft sollen die Genmultis Belege für die Unbedenklichkeit ihrer Laborfrüchte beibringen statt sich daran abzuarbeiten, Risiko-Studien zu widerlegen.

Gentech-Protest in Indien
In Indien haben 150 LandwirtInnen auf den Spuren von Mahatma Gandhi einen 4.000 Kilometer langen Protestmarsch gegen die Gentechnik durchgeführt, zu deren OrganisatorInnen auch die bekannte Aktivistin Vandana Shiva gehörte.

BUKO gegen mehr Werbefreiheit
„Werbung heißt jetzt Information“, mit dieser Umwidmung wollen BAYER & Co. auf EU-Ebene das Reklameverbot für verschreibungspflichtige Medikamente aufweichen, das den Geschäften nicht eben zuträglich ist. „Dass Patienten in der heutigen Informationsgesellschaft mehr Informationen haben wollen“, macht für Wolfgang Plischke, BAYER-Vorstand und Vorsitzender des „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“, die Aufhebung des Werbeverbotes unumgänglich. Die BUKO-PHARMAKAMPAGNE befürchtet dagegen ein Ansteigen unnötigen Pillen-Konsums und hat eine Initiative für den Erhalt des Werbeverbotes gestartet. „VerbraucherInnen benötigen gerade aufgrund der unübersichtlichen Zahl von Gesundheitsinformationen in den Medien (und besonders im Internet) eine klare Unterscheidung von Werbung und Information. Um eine rationale Entscheidung für die eigene Gesundheit treffen zu können, brauchen sowohl PatientInnen als auch die Öffentlichkeit unabhängige, vergleichende Informationen zum Für und Wider aller Behandlungsmethoden (...) Pharma-Firmen und von ihnen finanzierte Partner können das nicht leisten“, heißt es in einer Stellungnahme von BUKO und anderen Gruppen.

Skater-Tour 2.0
Auch in diesem Jahr unternahmen Adrian Löffler und Dennis Schmid auf ihren Skatebordbrettern wieder eine große Tour gegen Arbeitsplatzvernichtung und Jugendarbeitslosigkeit bei BAYER und anderswo. Los ging es am 25. Juli am Stammsitz des Multis in Leverkusen. In 12 Etappen führte der Trip bis nach Berlin, wo sie dem Bundestagsdirektor Dr. Hans-Joachim Stelzl die unterwegs gesammelten Protest-Unterschriften übergaben.

Bisphenol-Entscheidung kritisiert
Unlängst hat die kanadische Regierung die Chemikalie Bisphenol A als „gefährliche Substanz“ klassifiziert und risikoreiche Anwendungen wie z. B. in Babyflaschen verboten (SWB 2/08). Die Entscheidung erfolgte auf der Grundlage der Auswertung von 150 Studien. Diese wiesen eine hormon-ähnliche Wirkung des Stoffes nach, was zu Unfruchtbarkeit, Sexualstörungen, Nervenschäden und Krebs führen kann. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) focht das allerdings nicht an. Sie veröffentlichte ein neues Gutachten, wonach Bisphenol A keine Gesundheitsschäden verursacht, weil der Organismus es schnell abbaut. Diese Expertise stieß jedoch in der wissenschaftlichen Gemeinschaft sogleich auf Kritik. „Die Grundannahme der Behörde ist schlicht falsch. Die Substanz wird von der Schwangeren ans Kind weitergegeben“, sagt der Toxikologe Gilbert Schönfelder. Gemeinsam mit Andreas Gies vom Umweltbundesamt und Ibrahim Chahoud von der Berliner Charité schrieb er deshalb einen Brief an die EFSA mit der Aufforderung, ihre Bisphenol-Einschätzung zu überprüfen.

KAPITAL & ARBEIT

Technische Dienste ausgegliedert
Im April 2008 machte der Leverkusener Multi seine Ankündigung wahr und gliederte im Zuge der Umstrukturierungen bei BAYER INDUSTRY SERVICES die Technischen Dienste aus. Diese firmieren nunmehr unter dem Namen TECTRION als formal eigenständiges Unternehmen. Ein Verkauf steht - vorerst - nicht an, dafür mussten die Beschäftigten aber Lohneinbußen und schlechtere Arbeitsbedingungen hinnehmen.

Verschlechterungen bei BTS
BAYER tritt seinen ausgegliederten Tochter-Gesellschaften gegenüber wie eine Fremdfirma auf, die Forderungen stellt. Dieser Druck wirkt sich auch auf die Arbeitsbedingungen aus. So hat BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS) 2005 die 40-Stunden-Woche wieder eingeführt und zahlt seither auch unter Tarif - Öffnungsklauseln machen ‘s möglich. Und weil das Finanzergebnis immer „noch nicht die Verpflichtungen der Gesellschaft gegenüber dem Konzern“ abdeckt, wie der Betriebsrat es formulierte, überstanden die Sonderregelungen auch die letzte Tarifrunde.

Nur noch 800 Ausbildungsplätze
Die Zahl der Ausbildungsplätze beim Leverkusener Multi ist in den letzten 18 Jahren um die Hälfte zurückgegangen. Gab es 1990 in den Werken der BAYER AG noch 1.600 neue Lehrlinge, so will der Konzern ihre Anzahl in diesem Jahr auf 800 reduzieren. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE spricht sogar von lediglich 630 Stellen. Als kleines Trostpflaster finanziert das Unternehmen bei der auf Sparkurs gesetzten Tochter CURRENTA, an der es 60 Prozent der Anteile hält, 60 Lehrstellen. Damit gehen bei der einstigen BAYER INDUSTRY SERVICES (BIS) „nur noch“ 40 Stellen verloren.

Billige MitarbeiterInnen-Ideen
Der Leverkusener Multi bedient sich recht unverschämt am Wissenspool seiner MitarbeiterInnen. Die 9.249 Verbesserungsvorschläge aus deren Reihen sparten dem Konzern allein im ersten Jahr ihrer Realisierung Kosten in Höhe von 8,1 Millionen Euro ein - an Prämien für die Ideen schüttete BAYER jedoch nur 2,4 Millionen Euro aus.

BAYER löst „interne Transporte“ auf
BAYER SCHERING strukturiert im Bergkamener Werk heftig um. 879 der ursprünglich 2.229 Arbeitsplätze hat der Konzern seit 2004 bereits vernichtet, aber die Rationalisierungsmaßnahmen gehen immer noch weiter. Nach Meinung des BAYER-Managers Franz-Josef Renneke muss nämlich weiter an einer verbesserten Stellung des Unternehmens auf dem Weltmarkt gearbeitet werden. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese nun die Abteilung „interne Transporte“ aufgelöst und die Aufgaben einer Fremdfirma übertragen. Den bislang dort Beschäftigten hat BAYER andere Stellen im Unternehmen angeboten.

BAYER liest mit
Der Leverkusener Multi hat 2005 die Nutzung des Internets für private Zwecke untersagt. Zur Kontrolle protokolliert der Konzern alle E-Mails seiner Beschäftigten und wertet diese stichprobenartig aus. Einem Belegschaftsangehörigen präsentierte das Unternehmen nach Aussage des Betriebsrats unlängst belastenden Schriftverkehr, der bis ins Jahr 2001 zurückreichte.

Weniger Sterbegeld
Die BAYER-Beistandskasse hat Kürzungen beim Sterbegeld, das durchschnittlich ca. 6.000 Euro beträgt, vorgenommen. Die Abschläge können bis zu 2.000 Euro - also ein Drittel der Summe - betragen. Noch dazu fällte die Mitgliederversammlung diesen Beschluss faktisch ohne die Mitglieder, diese setzte der Vorstand nämlich nicht über den brisanten Tagesordnungspunkt in Kenntnis. So nahmen nur 26 Personen an der einstündigen Sitzung teil, die für die rund 90.000 Versicherten den Gewinnzuschlag in Höhe von 25 Prozent strich. „Bei diesem Vorgehen liegt der Verdacht schon nahe, dass es sich um Kalkül und nicht nur um eine Unbedachtsamkeit handelte“, kommentierte der Kölner Stadtanzeiger. Dem Vorstandsvorsitzenden Lutz Cardinal von Widdern zufolge hat die Kasse wegen der geringeren Erlöse auf dem Kapitalmarkt, der Notwendigkeit zu einer verstärkten Risikovorsorge und der zurückgehenden Beiträge aufgrund der überalterten Mitgliederstruktur keine andere Wahl. Die Betroffenen reagierten empört. Sie sammelten Protestunterschriften und stellten zur Mitgliederversammlung zahllose Gegenanträge. Nahmen daran sonst immer nur 30 bis 40 Personen teil, so wollten diesmal 1.000 Menschen dabei sein - zu viel für den Leverkusener Bürgersaal. Die Beistandskasse musste die Zusammenkunft abbrechen und nach einem Versammlungsort mit größerem Fassungsvermögen Ausschau halten. Sie wich schließlich auf die Rheinparkhallen der Kölner Messe aus. Dorthin strömten am 20. 8. 08 über 2.000 Menschen. „Der - verglichen mit der sonst beschaulichen Abnick-Veranstaltung - geradezu dramatische Ablauf der Veranstaltung“, wie der Leverkusener Anzeiger schrieb, wurde von den wütenden Mitgliedern bestimmt. So reichten diese 237 Änderungsanträge ein. Aber die Vorständler blieben bei ihrer Entscheidung. Zur Begründung führte Finanzchef Stefan Nellshen aus, dass die Leistungen der Beistandskasse „ein Versicherungsprodukt sind und kein Sparbuch“. Allerdings erreichten die ProtestlerInnen Satzungsänderungen. Künftig hat der Vorstand die Mitglieder detaillierter über seine Politik zu informieren und bei Versammlungen auch VertreterInnen der Mitglieder zu akzeptieren.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYERs Familienplanung
Mächtige Institutionen wie das „Population Council“ von John Rockefeller III haben nach dem Zweiten Weltkrieg viel Geld in die Entwicklung von Verhütungsmitteln investiert. Sie verfolgten damit weniger das Ziel, die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen zu stärken, als vielmehr Bevölkerungspolitik zu betreiben. „Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson. BAYER SCHERING PHARMA profitiert von dieser Politik. Der Konzern engagiert sich seit jeher stark im „gigantischen Fruchtbarkeitsmarkt“ Dritte Welt und kann das lukrative Geschäft zudem als Entwicklungshilfe deklarieren. „Bewusste Familienplanung ist ein wichtiger Faktor bei der Förderung sozialen und ökonomischen Fortschrittes“, bekundete der Pharma-Multi anlässig des letzten Deals. Er lieferte der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID im August 2008 Pillen für acht Millionen Frauen und gab dabei netterweise etwas Mengenrabatt.

POLITIK & EINFLUSS

BAYERs Kriegsplanungen
BAYER & Co. bereitet die Energieversorgung bei knapper werdenden Ressourcen große Sorgen. Zur Sicherung des Zugriffs auf Gas und Öl sind sie nach Informationen von german-foreign-policy.com sogar bereit, bis zum Äußersten zu gehen. So haben VertreterInnen des Leverkusener Multis gemeinsam mit Emissären von EADS, und DEUTSCHER BAHN AG sowie Bundeswehr-Angehörigen und MitarbeiterInnen des Bundeskriminalamts unter der Ägide der „Bundeakademie für Sicherheitspolitik“ (BAKS) einen „Handlungskatalog“ für die Bundesregierung erstellt, der eine „drohende bewaffnete Auseinandersetzung“ mit Russland und China um deren Reserven herbeischreibt. Bei der Arbeit ließen sich die „fachlich kompetente(n) Führungskräfte“ von ExpertInnen inspirieren, die sich bei der BAKS über „zu viel Frieden in Deutschland“ beklagten und „den letzten Schritt zur Normalisierung“ einforderten - und zwar „bei einsatzbereitem vollem Instrumentarium einer souveränen Nation“.

Büssow bei BAYER
Trotz einer umfassenden Reduzierung der Sportförderung unterstützt der Agro-Riese den exquisiten „Luftsportclub BAYER Leverkusen“ weiterhin. Dieser konnte kürzlich ein prominenten Gast begrüßen: den Regierungspräsidenten Jürgen Büssow. Zum Dank für sein beherztes Engagement in Sachen „Kohlenmonoxid-Pipeline“ durfte BAYER-Büttel Büssow einen kleinen Rundflug im Segelflugzeug unternehmen.

Pinkwart bei BAYER
Zu den politischen Hauptzielen von NRWs „Innovationsminister“ Andreas Pinkwart (FDP) gehört es, Wirtschaft und Wissenschaft noch enger miteinander zu verzahnen, weshalb er auch die neue Kooperation zwischen BAYER und der Kölner Universitätsklinik (SWB 3/08) als „großen Gewinn für die Arzneimittelforschung in Nordrhein-Westfalen“ pries. Ende Juni 2008 unternahm der FDP-Politiker mit bundesdeutschen HochschulvertreterInnen im Schlepptau eine Bildungsreise ins Nordrhein-Westfalen durch ein Partnerschaftsabkommen verbundene Pennsylvania, um dort Feldstudien in Sachen „Profitforschung“ zu betreiben. Dabei war natürlich die BAYER-Niederlassung in Pittsburgh ein dankbares Untersuchungsobjekt.

Böhmer bei BAYER
Zur feierlichen Inbetriebnahme der BAYER-Pilotanlage zur Produktion von Pharma-Stoffen mit Hilfe von Tabakpflanzen (siehe DRUGS & PILLS) kam auch der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) nach Halle und geriet ins Schwärmen. „Ich finde das wirklich beeindruckend. So etwas hätte ich mir nicht ausmalen können. Das könnte eine Technologie sein, die weltweit wichtig wird“, sagte er, obwohl sich erst in ca. zehn Jahren herausstellen dürfte, ob aus dem Tabak eine therapeutisch sinnvolle Arznei ohne Risiken und Nebenwirkungen erwachsen ist.

FDP bei BAYER
Der Vorstand des FDP-Kreisverbandes Unna stattete dem Bergkamer Werk des Pharma-Riesen einen Besuch ab und zeigte sich laut Westfälischer Rundschau erfreut über die hohe Auslastung und die wichtige Rolle, welche die ehemalige SCHERING-Niederlassung auch für den Neubesitzer BAYER spiele. Etwas mehr Wissen hätte die heitere Miene der Liberalen allerdings verdunkeln können, denn der Leverkusener Multi vernichtete in Bergkamen bereits 700 Arbeitsplätze und führt zudem noch weitere Rationalisierungsmaßnahmen durch (siehe KAPITAL & ARBEIT).

Diehl neuer FNL-Vorsitzender
Der BAYER-CROPSCIENCE-Manager Hans-Josef Diehl hat den Vorsitz der „Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft“ (FNL) übernommen. Der Lobbyclub desinformiert „über die vielfältigen Leistungen der Landwirtschaft von heute“ im Allgemeinen und über „die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft“ im Besonderen.

Neuer Aufsichtsratsposten für Wenning
BAYER-Chef Werner Wenning eifert seinem Vorgänger Manfred Schneider bei der Jagd nach Aufsichtsratsposten nach. Bislang ist Schneider mit sechs Mandaten (BAYER, ALLIANZ, LINDE, DAIMLER, RWE und TUI) noch ungekrönter König der Deutschland AG, aber Wenning holt auf. Neben seinen Aufsichtsratsmitgliedschaften bei HENKEL, EON und EVONIK hat er jüngst noch eine bei der DEUTSCHEN BANK ergattert, deren Beraterkreis er seit langem vorsitzt.

Neue Pipeline-Strategie
Die Kritik an der von BAYER geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline wächst nicht zuletzt durch die vielen Chemie-Unfälle in Nordrhein-Westfalen beständig. Der Leverkusener Multi will sich das Projekt deshalb noch einmal offiziell durch den Landtag absegnen lassen. „Wir gehen davon aus, dass sich die Parteien und die Fraktionen des Landtages anschließend noch einmal mit dem Vorhaben befassen. Das parlamentarische Votum wird dann für uns den weiteren Weg weisen“, so ein Konzern-Sprecher.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYERs brennpunkt-gesundheitswesen.de
brennpunkt-gesundheitswesen.de heißt die Website ganz unverfänglich, auf der ein Hauptverantwortlicher der Ärzte-Zeitung seine Meinung zu Gemeinschaftspraxen kundtut. Nur im Kleingedruckten steht: „Brennpunkt-Gesundheitswesen ist ein Service der BAYER VITAL GmbH“. Und der dient offensichtlich dazu, sich die Zielgruppe „MedizinerInnen“ noch besser zu erschließen und die Beziehung zu derem einflussreichen Fachorgan Ärzte-Zeitung zu optimieren. Viel lässt diese nicht mehr zu wünschen übrig. So pries das Blatt die Test-Ergebnisse von BAYERs Parkinson-Mittel SPHERAMINE in den höchsten Tönen und lehnte es ab, einen Leserbrief der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zu den Zwischenfällen bei der klinischen Erprobung der Präparats zu veröffentlichen, dessen Entwicklung der Pharma-Multi kürzlich stoppte (siehe DRUGS & PILLS).

Heiner Springer in Rente
BAYERs Propagandaminister Heiner Springer ist in den unverdienten Ruhestand gegangen und hat seinen Posten an Michael Schade abgetreten. 22 Jahre lang übte er beflissen sein Amt als oberster Schönfärber aus. „Man muss erkennen, dass die Funktion eine dienende ist“, so seine Berufsauffassung. Zu seinem Job gehörte es auch, sich die Konzern-Kritik der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN vorzuknöpfen. So schrieb er in der Konzern-Postille direkt unter der Überschrift „Nur meckern ist einfach zu wenig“: „Wenn wir sehen, wie eine Gruppe namens ‚COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN‘ gegen das Unternehmen agitiert - und das seit fast 30 Jahren - , dann muss man sich die Frage stellen: Was ist das wirkliche Ziel dieser Menschen, die ja mit Aktien unseres Unternehmens ausgestattet sind. Dividende wird also kassiert ... Klar ist für mich: Sie sind gegen unser Gesellschaftssystem, gegen das so genannte ‚Groß-Kapital‘“.

BAYER gibt Berlin „Denkanstöße“
„Denkanstöße für Berlin“ meint BAYER SCHERING PHARMA geben zu können und veranstaltete unter diesem Label eine Podiumsdiskussion zum Thema „Kinder in Berlin - Frust, Last oder Lust?“. Aber der Konzern schwang sich nicht nur zum Politikberater auf, er tat auch was, denn der Multi hat das „social sponsoring“ für sich entdeckt: Zum Abschluss der Veranstaltung gab es eine milde Gabe für das Kinderhilfsprojekt „Arche“.

Spendable Bildungsstiftung
Den Leverkusener Multi kommt seine Spendentätigkeit jetzt noch billiger, denn das im letzten Jahr verabschiedete Gesetz zur Stärkung bürgerschaftlichen Engagements lockt mit erheblichen Steuernachlässen. Also hat der Konzern für sein Engagement im Bildungsbereich flugs die 10 Millionen Euro schwere Stiftung „BAYER Science & Education Foundation“ gegründet, die in letzter Zeit 21 Schulen von Berlin über Krefeld, Köln, Neuzelle, Leichlingen und Solingen bis Kromsdorf förderte. Dabei beschränkte der Konzern sich jeweils auf den naturwissenschaftlichen Bereich, „denn ein Land, das das wie Deutschland über keine reichen Bodenschätze verfügt, ist in seiner wirtschaftlichen Entwicklung vordringlich auf die geistige Kreativität angewiesen“, so BAYERs Oberkommunikator Michael Schade zur nicht gerade uneigennützigen Motivation der Bildungsoffensive des Unternehmens.

BAYER fördert Ehrenämter
Im Zuge der Steuererleichterungen für bürgerschaftliches Engagement (s. o.) hat BAYER mit der „BAYER Cares Foundation“ eine weitere Stiftung gegründet, die Ehrenamtsprojekte fördert. So schließt sich dann der Kreis der neoliberalen Sozialpolitik: Private Unternehmen sponsoren private Initiativen.

BAYER zeigt Pillen-Ausstellung
Der Leverkusener Multi klinkte sich in die Berliner „Science Tunnel“-Ausstellung der Max-Planck-Gesellschaft ein und absolvierte dort mit der Sonderschau „Vom Molekül zum Medikament“ einen Werbeauftritt.

BAYER erhält BDI-Umweltpreis
Chlor ist eine der gefährlichsten Chemikalien überhaupt. Das stört BAYER jedoch nicht. Der Konzern unternimmt keine Anstrengungen, chlorfreie Produktionsverfahren zu entwickeln und investiert auch nicht ausreichend in die Sicherheit seiner Anlagen - erst im April trat am Standort Leverkusen Chlor aus (siehe UNFÄLLE & KATASTROPHEN). Den Leverkusener Multi behagt am Chlor nur eines nicht: die energie-intensive Herstellung, die für 40 Prozent der Stromkosten des Unternehmens verantwortlich ist. Deshalb forschte der Agro-Riese nach Alternativen und ersann eine stromsparendere Fertigung. Dafür erhielt BAYER jetzt den Umweltpreis des „Bundesverbandes der Deutschen Industrie“ (BDI).

Wenning kriegt den Moralischen
BAYER-Chef Werner Wenning hat im Juni 2008 den „John J. McCloy Award“ für „seine Leistungen zur Förderung transatlantischer Synergien im Allgemeinen und seine innovativen Ansätze zur Lösung weltweiter Gesundheitsfragen im Besonderen“, wie es in der Begründung der Jury heißt, verliehen bekommen. Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher vergab die Auszeichnung; Henry Kissinger und „mehr als 500 führende Persönlichkeiten der deutschen und amerikanischen Politik und Wirtschaft“ (direkt) zählten zu den Gästen. Denen bot Wenning in seiner Dankesrede Besinnliches. Er widmete sich darin der „Good Corporate Citizenship“ und erläuterte: „Damit ist ein ganzheitliches Verantwortungsbewusstsein gemeint, das über die Erwirtschaftung angemessener Renditen hinausgeht“, bevor er dann mit Ethik, Moral, Nachhaltigkeit etc. pp noch tiefer in die praktische Unternehmensphilosophie einstieg.

Neuer Kinderdiabetes-Preis
BAYER hat sich etwas Neues ausgedacht, um sich die PatientInnen-Gruppe der JungdiabetikerInnen besser zu erschließen. Das Unternehmen stiftet den Preis „Fine Star“. Diesen können alle erringen, die in irgendeiner Form mit der Betreuung von kleinen Blutzuckerkranken befasst sind und eine ausreichend große Zielgruppe aufbieten: Kliniken, Schulen, OrganisatorInnen von Ferienfreizeiten oder FamilienbetreuerInnen. „Machen auch Sie mit - den Kindern zuliebe!“, fordert der Pharma-Riese in der Ausschreibung auf.

DRUGS & PILLS

337 AVELOX-Tote
Die Gefährlichkeit von Antibiotika, die zur Gruppe der Fluoroquinolone gehören, hat Geschädigte in den USA zur Gründung der Selbsthilfegruppe FLUOROQUINOLONE TOXICITY RESEARCH FOUNDATION bewogen. Die Gruppe wälzte die medizinischen Unterlagen und dokumentierte unter anderem die Risiken und Nebenwirkungen des BAYER-Präparats AVELOX von November 1997 bis Juni 2007. Das Resultat ist erschreckend: In dem untersuchten Zeitraum kam es zu 337 Todesfällen durch AVELOX und zu über 30.000 Gegenanzeigen.

Anwendungsbeschränkung für AVELOX
Die Nebenwirkung „Leberschädigung“ des BAYER-Antibiotikums AVELOX (Wirkstoff: Moxifloxacin) hat die Europäische Arzneimittelbehörde EMEA bewogen, eine Anwendungsbeschränkung zu empfehlen. Nach Meinung der ExpertInnen sollten die MedizinerInnen das Mittel bei den Indikationen „Bronchitis“, „Lungenentzündung“ und „Nebenhöhlenentzündung“ nur noch verschreiben, wenn andere Antibiotika versagen.

Sehnenschäden durch CIPROBAY
BAYERs CIPROBAY, das nur geringfügig veränderte Nachfolge-Präparat AVELOX und andere Antibiotika auf Fluorchinolone-Basis können Sehnenschäden verursachen. In dem Zeitraum von 1997 bis 2005 meldeten MedizinerInnen der US-Gesundheitsbehörde FDA 262 Fälle von Sehnenrissen. Trotzdem musste die Gesundheitsinitiative PUBLIC CITIZEN der FDA erst mit einer Klage drohen, bis diese sich zum Handeln entschloss. Sie verpflichtete BAYER & Co., auf den Packungen wegen der „Archillesferse“ der Präparate so genannte „black-box“-Hinweise - Warnungen der höchsten Dringlichkeitsstufe - anzubringen.

Tod durch YASMIN
BAYER vermarktet seine Antibaby-Pillen auch als Lifestyle-Präparat zur Behandlung von Pickeln und Hautunreinheiten. Dies wurde der 24-jährigen Australierin Tanja Hayes zum Verhängnis. Sie litt stark unter Akne und behandelte diese mit dem Medikament ROACCUTANE. Da bei Schwangerschaften von ROACCUTANE-Patientinnen das Risiko steigt, Kinder mit Missbildungen zu gebären, erhielt Tanja Hayes den Rat, Verhütungsmittel einzunehmen, die sich zudem auch positiv auf ihre Hautkrankheit auswirken würden. Dreieinhalb Monate lang verwendete die Studentin dann BAYERs YASMIN, bevor sie unter Atemnot zu leiden begann und einen trockenen Husten bekam. Zwei Wochen später brach sie auf einem Parkplatz tot zusammen. Die Diagnose lautete Lungenembolie durch verdicktes Blut, „verursacht durch Faktoren, die mit der Einnahme von Verhütungsmitteln zusammenhängen“, wie der Notfall-Mediziner Graeme Thomson konstatierte. „Atemlosigkeit“ zählt zu den auf den YASMIN-Packungsbeilagen aufgezählten Gegenanzeigen, weshalb eine BAYER-Sprecherin dann auch zusagte, die Umstände des Todes von Tanja Hayes umgehend genauer zu untersuchen. Bislang gingen den australischen Gesundheitsbehörden seit 2003 56 Meldungen über schwere Nebenwirkungen durch YASMIN ein, das gemeinsam mit den ebenfalls zur Produktfamilie gehörenden Verhütungsmitteln YAZ und YASMINELLE BAYERs Bestseller auf dem Pharma-Markt ist. Über eine Milliarde Euro Umsatz brachten YASMIN & Co. im Geschäftsjahr 2007 ein.

AUS für SPHERAMINE
Im Jahr 2005 kam es bei der Erprobung des Parkinson-Präparats SPHERAMINE zu schweren Zwischenfällen (SWB 1/08). Die per gehirnchirugischem Eingriff implantierten Zellen zur Dopamin-Produktion verursachten bei den ProbandInnen Verwirrtheitszustände, Depressionen bis zu Selbsttötungsversuchen, Lähmungserscheinungen, Sprachausfälle, epileptische Anfälle, Hirnblutungen, Asthma und andere körperliche oder geistige Beeinträchtigungen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) setzte das Thema deshalb auf die Tagesordnung der letzten Hauptversammlung und forderte einen Stopp der Versuche. Aber BAYER wollte von den Gefahren nichts wissen. „Es ist nicht erwiesen, ob die bei den Patienten beobachteten Symptome in Zusammenhang mit SPHERAMINE stehen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning und pries „Verbesserungen um 50 Prozent“ bei den Krankheitsverläufen. Fünf Wochen später sah das alles jedoch etwas anders aus. Nach einer erneuten Testreihe, welche die TeilnehmerInnen wieder einigen „Risiken und Nebenwirkungen“ ausgesetzt haben dürfte, brach der Pharma-Riese alle Studien mit dem Präparat ab.

Zulassungserweiterung für ZEVALIN
Die Europäische Arzneimittelbehörde EMEA hat das Anwendungsspektrum für das BAYER-Medikament ZEVALIN erweitert. Durften MedizinerInnen das Mittel bislang nur zur Behandlung des Lymphdrüsen-Krebses einsetzen, wenn die Chemotherapie versagt hatte, so können diese es nun auch nach einer erfolgreichen Bestrahlung verschreiben.

RIVAROXABAN im Hintertreffen
Bei der Entwicklung neuer Medikamente zur Thrombose-Behandlung lieferte sich BAYER ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit BOEHRINGER - und zog den Kürzeren. Bevor der Leverkusener Multi sein Produkt RIVAROXABAN, von dem er einen Umsatz von zwei Milliarden Euro im Jahr erwartet, auf den Markt werfen konnte, erhielt BOEHRINGER die Zulassung für PRADAXA.

Noch ‘ne LEVITRA-Studie
Unermüdlich wirft BAYER Studien auf den Markt, welche die „Erektile Dysfunktion“ als Krankheit etablieren sollen, die sich immer stärker ausbreitet, um den Absatz des hauseigenen Potenzmittel LEVITRA zu steigern. Nach der neuesten Expertise leiden angeblich bereits 50 Prozent aller Männer zwischen 40 und 70 an den Symptomen. Als neuen Auslöser haben die AuftragsforscherInnen nun Stress bei der Arbeit ausgemacht, der angeblich bei 20 Prozent des „starken Geschlechts“ zu Störungen der Sexualfunktionen führt.

ZETIA erhöht Krebsgefahr
Seit Juni 2007 vermarktet BAYER den Cholesterinsenker ZETIA (Wirkstoff: Ezetimib) gemeinsam mit SCHERING-PLOUGH in Japan. Das Mittel hat es allerdings in sich. Es schädigt nicht nur die Leber (Ticker 1/08), das Präparat erhöht auch das Krebsrisiko. Das hat jetzt eine neue Studie ergeben, die das Fachorgan New England Journal of Medicine veröffentlichte. 11,1 Prozent der ProbantInnen in der Ezetimib-Gruppe erkrankten an Krebs, während die Zahl in der Kontrollgruppe bei nur 7,5 Prozent lag. Zudem hat die Arznei die Verkalkung des Herzventils nicht verhindern können. Die Faz resümiert deshalb: „Nicht nur die Sicherheit, auch der Nutzen von Ezetimib steht weiterhin in den Sternen. Zumindest gibt es bislang keine überzeugenden Belege, dass die Anwendung des neuen Cholesterinsenkers dem Patienten einen nennenswerten gesundheitlichen Vorteil bringt“.

NEXAVAR zu teuer
Das britische Pendant zum bundesdeutschen „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“, die Sondergesundheitsbehörde NICE, hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs zur Behandlung von fortgeschrittenem Nierenkrebs zugelassener Arznei NEXAVAR vorgenommen und kam zu einem negativen Ergebnis. Die Kosten ständen nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen, urteilte das NICE und riet von einer Verwendung ab.

Plischke für Beobachtungsstudien
ExpertInnen halten 80 Prozent der in ÄrztInnen-Praxen durchgeführten Beobachtungsstudien mit Arzneien für wertlos. Sie dienen dann auch weniger wissenschaftlichen als vielmehr Vermarktungszwecken. Die Pharma-Multis zahlen den MedizinerInnen Geld, wenn diese ihre PatientInnen auf ein firmen-eigenes Medikament umstellen und dazu pro forma einige Angaben zur Verträglichkeit machen. Für die ÄrztInnen lohnt sich das Ausfüllen der Fragebögen allerdings sehr. So war BAYER einst das Akquirieren von fünf neuen KundInnen für den als Mittel zweiter Wahl geltenden Blutdrucksenker BAYOTENSIN schon mal 375 Euro wert, denn diese Investition zahlt sich auf lange Sicht aus. Kein Wunder, dass BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke, der im Nebenberuf auch Vorsitzender des vom Leverkusener Multi gegründeten Lobby-Clubs „Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller“ ist, das Vorgehen der Pillen-Produzenten verteidigt. „Ich halte Anwendungsbeobachtungen allerdings für sinnvoll, da sie uns Langzeitdaten über die Wirkung von Medikamenten in die Hand geben, die wir aus den Zulassungsstudien nicht bekommen“, teilte er der Wirtschaftswoche mit.

Selbsthilfegruppen: Wer bekommt was?
Der Leverkusener Multi hat sich entschlossen, seine Geldzuwendungen an Selbsthilfegruppen transparent zu machen. So erhält die „Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft“ 2008 für Forschungsaktivitäten 115.000 Euro und zur Unterstützung bei der Erstellung eines MS-Registers 70.000 Euro. Die „Deutsche Leukämie- und Lymphom-Hilfe bekommt 10 - 12.000 Euro. Das „Lebenshaus Nierenkrebs“ kann sich über 50.000 Euro für seinen PatientInnen-Ratgeber und seine Infobriefe freuen. Die „Deutsche Hämophilie-Gesellschaft“ ist durch BAYER um 35.000 Euro reicher. Die „Interessengemeinschaft Hämophiler“ streicht 27.000 Euro ein und der Verein „Pulmonale Hypertonie“ 180.000 Euro. Dabei schlägt allein die Mitfinanzierung von Ambulanz-Schwestern an Zentren zur Behandlung dieser speziellen Lungenkrankheit mit 120.000 Euro zu Buche.

Kaum Verhütungsmittelforschung
Die auf der Basis von Hormonen hergestellten Verhütungsmittel haben zahlreiche Nebenwirkungen. Diese reichen von Thrombosen und Embolien über Schlaganfälle und Herzinfarkte bis zu Depressionen und Krebs. Trotzdem läuft die Suche nach Alternativen bei BAYER auf Sparflamme. „Wir werden die laufenden Forschungsprojekte voranbringen, aber wir wollen nicht mehr nach komplett neuen Mechanismen suchen“, so der BAYER-SCHERING-Forschungschef Andreas Busch.

„Prädiabetes“ macht Fortschritte
Es gibt doch noch BAYER-Schöpfungen, die ihren Weg machen wie etwa „Prädiabetes“. Von dieser Krankheit, die der Leverkusener Multi erst im letzten Jahr erfunden hat, sind allein in Sachsen bereits 500.000 Personen befallen. Dies ist jedenfalls die - bestimmt nicht ganz kostenfreie - Meinung des an der Dresdener Universitätsklinik tätigen Dr. Peter Schwarz. Zum Glück hält der Pharma-Riese für die neue Menschheitsplage auch schon das passende Medikament bereit: das gute, alte GLUCOBAY mit dem Wirkstoff Acarbose. Laut BAYER report ist das Mittel, das nicht einmal bei richtigen DiabetikerInnen seinen Dienst tut, weshalb der Pharmakologe Gerd Glaeske es „gerade mal so wirksam wie Müsli“ nennt, bereits in 25 Ländern zur Behandlung der ominösen Vorstufe der Blutzucker-Krankheit zugelassen.

„BioPharm-America“ trifft sich
In Atlanta fand vom 9. bis zum 10. September 2008 die „BioPharm-America“-Konferenz statt, an der auch VertreterInnen von BAYER teilnahmen. Neben der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen zwischen den Pharma-Multis und kleineren Biotech-Firmen standen unter anderem Themen wie „Arznei-Forschung mit Hilfe von Private Equity-Kapital“ und „Das ABC des Lizenzerwerbs“ auf dem Programm.

BAYER investiert in Krebs-Arzneien
Der Leverkusener Multi baut seine ONKOLOGIE-Sparte aus. Für 52 Millionen Euro hat er die Krebsforschungssparte des Pharma-Konzerns NYCOMED gekauft.

Arzneien aus Tabakpflanzen
Vor zwei Jahren hat der Leverkusener Multi das Münchner Biotech-Unternehmen ICON GENETICS erworben, das eine Technik zur Umwandlung von Tabakpflanzen in kleine Arzneistoff-Fabriken entwickelt hatte. Jetzt nahm der Konzern die Pilotanlage in Betrieb. Bei dem Verfahren zur Herstellung eines Antikörper-Impfstoffes zur Behandlung eines Lymphsystem-Krebses tauchen die PharmakologInnen die Tabakpflanzen in ein Bakterien-Bad, wodurch sich das Antikörper-Erbgut überträgt und seine Arbeit in der Botanik aufnimmt. „Die Pflanzen produzieren innerhalb kürzester Zeit die gewünschten Wirkstoffe“, frohlockt BAYER-Manager Yuri Gleba. Ob diese vielleicht auch noch Unerwünschteres produzieren, ob der Pharmastoff wirklich rein ist und bei den PatientInnen anschlägt, all das stellt sich allerdings erst in ca. zehn Jahren heraus. Überdies erhebt der Ingenieur Günter M. Pruss Anspruch auf die Erfindung (siehe RECHT & UNBILLIG).

BAYER entwickelt Alzheimer-Marker
Die Universität von Nagasaki hat ein Verfahren entwickelt, das Eiweißablagerungen im Gehirn mittels eines radioaktiven Markers visuell darstellen und so angeblich zur Früherkennung von Alzheimer dienen kann. BAYER hat sich durch einen Vertrag mit der japanischen Hochschule die Exklusivrechte an dieser Technologie gesichert.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

PONCHO wieder im Handel
BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin hat im Frühjahr zu einem großen Bienensterben geführt. 11.500 Bienenvölker von 700 ImkerInnen rund um die südbadischen Maisfelder waren betroffen. Nach einigem Hin und Her entschloss sich das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ deshalb, das Mittel vom Markt zu nehmen. Aber Ende Juli 2008 war es wieder da: Die Seehofer-Behörde gab grünes Licht für PONCHO-Raps und übernahm zur Begründung die BAYER-Argumentation, nicht das Gift an sich hätte zum Tod der Bienen geführt, sondern Saatgut-Produktionsfehler sowie Sämaschinen mit zu hohen Streuverlusten. „Eine Bundesbehörde darf vor dem massiven Lobbydruck der Hersteller nicht einknicken“, kritisierte der NATURSCHUTZSCHUTZBUND-Geschäftsführer Leif Müller die Entscheidung, „Wenn nun das Gift wieder ausgebracht werden darf, dürfte das nächste Massensterben nur eine Frage der Zeit sein“. BAYER ficht das nicht an. Der Konzern will seinen Mega-Seller komplett rehabilitieren. „Wir arbeiten daran, die Zulassung zur nächsten Maisaussaat wieder zu erhalten“, sagte BAYER-CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer auf der Bilanz-Pressekonferenz am 4. 9. 08.

Immer mehr Pestizide
BAYER & Co. bringen immer mehr Pestizide in Umlauf. In der Bundesrepublik stieg die abgesetzte Menge von 28.510 Tonnen im Jahr 2005 auf 32.213 Tonnen im Jahr 2007. Die Summe der Ausfuhren erhöhte sich im gleichen Zeitraum von 84.635 auf 101.565 Tonnen.

Frankreich verbietet 30 Wirkstoffe
Die französische Regierung hat zum 1. 2. 08 dreißig Pestizidwirkstoffe verboten, die in 1.500 Mitteln Anwendung fanden. Davon betroffen waren auch Substanzen aus dem BAYER-Sortiment wie z. B. Procymidon, das in SUMISCLEX WG enthalten ist.

Pestizide im Wein
Mit einem Pestizid-Einsatz von 21,4 Kilogramm pro Hektar zählt der Anbau von Wein zu den gift-intensivsten landwirtschaftlichen Unternehmungen. In einer vom PESTICIDES ACTION NETWORK EUROPE durchgeführten Studie fanden sich folglich in allen 34 untersuchten Flaschen Spuren der Agrochemikalien. Bei 25 Wein-Proben stießen die WissenschaftlerInnen auf Pyrimethanil, das auch in den BAYER-Produkten CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI enthalten ist. Zudem verseuchte der Stoff sogar einen Biowein. PROCYMIDON, unter anderem Wirksubstanz von BAYERs SUMISCLEX WG und in Frankreich gerade aus dem Verkehr gezogen (s. o.), war in elf der edlen Tropfen enthalten (siehe auch KURZ VOR SCHLUSS).

Benin verbietet Endosulfan
Der vor allem auf Baumwollfeldern zum Einsatz kommende Pestizid-Wirkstoff Endosulfan, enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten MALIX, PHASER und THIODAN, ist für zahlreiche Todesfälle verantwortlich. Allein im afrikanischen Benin starben in der Vergangenheit jährlich bis zu 30 Menschen an Endosulfan-Vergiftungen (Ticker 3/06), im letzten Jahr waren es 20. Darum hat sich die Regierung des Landes jetzt entschlossen, die zur Gruppe der Organochlor-Verbindungen zählende Agrochemikalie zu verbieten. Staaten wie Mali, Burkina Faso und die Elfenbeinküste planen, es Benin gleichzutun. Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN), das mit seinen Aufklärungskampagnen viel zu dieser neuen Pestizidspolitik beigetragen hat, will jetzt sogar für einen weltweiten Bann sorgen. So ganz zufrieden mit dem bisher Erreichten ist die Initiative jedoch nicht. Zum einen dürfen die LandwirtInnen die nicht unbeträchtlichen Endosulfan-Restbestände noch aufbrauchen, und zum anderen ist das von BAYER als Endosulfan-Nachfolger auserkorene TIHAN mit den Wirkstoffen Imidacloprid, Thiacloprid, Deltamethrin und Flubendiamid auch nicht ohne. Deltamethrin gehört nämlich der höchsten Pestizid-Gefahrenklasse an, Imidacloprid und Thiacloprid der zweithöchsten, wobei Thiacloprid zusätzlich noch als krebserregend gilt. „Es stellt sich somit die Frage, ob hier nicht der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben werden soll“, so die PAN-Aktivistin Alexandra Perschau.

Chlorpyrifos im Hausstaub
Das Bundesumweltamt hat Hausstaub nach Pestizid-Rückständen untersucht und dabei zahlreiche Giftstoffe nachgewiesen. Neben schon längst verbotenen Stoffen wie DDT und Lindan stießen die WissenschaftlerInnen auch auf Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind wie Propoxur (BAYGON) und Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER). Propoxur fand sich in sechs Prozent der Proben und Chlorpyrifos in 32 Prozent.

90.000 Vergiftungsfälle
Die Aufstellung der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA über Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden stand lange unter Verschluss. Das weckte Begehrlichkeiten: Nach Aussage des „Center for Democracy and Technology“ gehörten die Akten zu den zehn begehrtesten Regierungsdokumenten. Unter Berufung auf den „Freedom of Information Act“ gelang es dem „Center for Public Integrity“ schließlich, das EPA zu einer Veröffentlichung zu veranlassen. Und die Unterlagen haben es wirklich in sich. Sie halten für die letzten zehn Jahre 90.000 Vergiftungsfälle durch Pestizide fest. Mehr als ein Viertel verursachten Produkte aus der Gruppe der Pyrethroide wie BAYERs Insektizide BAYTHROID und BULLDOCK oder das Hunde-Antiflohmittel ADVANTIX. Im Zeitraum von 2003 bis 2007 starben 20 Menschen an BAYTHROID & Co., 6.000 Personen erlitten Gesundheitsstörungen. Die EPA wollte die Gefährlichkeit dieser Substanzklasse ursprünglich erst im Jahr 2010 untersuchen, kündigte nach der Publikation der alarmierenden Befunde jedoch an, sich schneller ans Werk zu machen.

GENE & KLONE

EU-Zulassung für BAYERs Gensoja
Nachdem die EU-LandwirtschaftsministerInnen sich nicht darauf einigen konnten, BAYERs Gensoja eine Importgenehmigung zu erteilen, landete die Entscheidung bei der traditionell gentechnik-freundlichen Brüsseler Kommission. Sie gab dann auch prompt grünes Licht für die gegen das Herbizid LIBERTY mit dem Wirkstoff Glufosinat resistente Sorte. Dass BAYER-Reis der gleichen Bauart vor zwei Jahren für den größten Gen-GAU der jüngeren Geschichte gesorgt hatte und sich - obwohl noch gar nicht zugelassen - in Proben von Supermarkt-Reis wiederfand, hat die PolitikerInnen dabei ebenso wenig gestört wie die niedrigeren Erträge von gentechnisch manipuliertem Soja (s. u.). Die bei LIBERTY-Mais und -Raps beobachteten Einkreuzungen in konventionell angebaute Pflanzen stellten für die EU-Kommission ebenfalls keinen Hinderungsgrund dar.

Gen-Soja unfruchtbarer
Nach einer Studie der Universität Kansas liegen die Ernte-Ergebnisse von Gen-Soja um zehn Prozent unter denen von konventionellen Pflanzen. Nach Ansicht des Wissenschaftlers Barney Gordon behindert der gentechnische Umbau der Ackerfrucht die Aufnahme von Nährstoffen aus dem Boden. Erst nachdem sein Team die genmanipulierten Versuchspflanzen mit einer Extradosis Mangan versorgt hatte, glichen sich die Resultate an. Bereits vorher hatten ForscherInnen der Universität Nebraska den Laborfrüchten von BAYER & Co. Ertragsschwäche bescheinigt.

Versuchsfeld Südafrika
BAYER hat Südafrika zum Versuchsfeld für seine Gentech-Pflanzen auserkoren. Der Agro-Multi will dort sechs neue Laborfrüchte testen (siehe SWB 3/08), die den für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis (Bt) enthalten und/oder gegen die Pestizide Glufosinat, Glyphosate oder Phosphinotricin resistent sind. Der Leverkusener Multi beabsichtigt damit erstmals Sorten zu testen, die auch auf MONSANTO-Technologie beruhen - Frucht eines Kooperationsabkommens beider Konzerne zur Stärkung der erlahmenden Widerstandskräfte ihrer genmanipulierten Ackerfrüchte. Das AFRICAN CENTRE FOR BIOSAFETY stellte sich gegen den Antrag. „Wir lehnen diese Anwendungen ab, welche die Integration unseres Agrarsystems in die kapitalistische Ökonomie vorantreiben und Kleinbauern im Regen stehen lassen. Zudem stellen diese Pflanzen ein Risiko für Mensch und Umwelt dar“, heißt es in ihrer Erklärung.

BAYER erreicht „Biopharma“-Endrunde
Der Staat fördert offensiv die Entwicklung medizinisch-industrieller Komplexe. So knüpft er die Vergabe von Subventionen an die Bildung von Konsortien aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Auch an dem vom Bundesforschungsministerium ausgeschriebenen Strategie-Wettbewerb „BioPharma“ dürfen nur solche Verbünde teilnehmen. Deshalb hat BAYER mit MAGFORCE NANOTECHNOLOGIES, KINAXO BIOTECHNOLOGIES, der Berliner Charité und der Universität Köln ein solches Konsortium gebildet, das sich zum Ziel gesetzt hat, neue Therapie-Verfahren zur Behandlung von Tumoren zu erforschen. Und die Chancen, sich dafür mit vier weiteren Kandidaten die Fördersumme von 100 Millionen Euro zu teilen, stehen gut, denn BAYER & Co. haben die Runde der letzten Zehn erreicht.

Bundestag ändert Stammzellen-Gesetz
„Die Möglichkeiten sind grenzenlos“, schwärmte schon im Jahr 2001 BAYERs damaliger Chef-Pharmazeut Wolfgang Hartwig über die Möglichkeiten der Stammzellforschung. Seit 2008 sind diese noch ein wenig grenzenloser, denn der Bundestag änderte das Stammzell-Gesetz. Als er es 2002 verabschiedete, legte das Gremium als Stichtag für die zur Forschung freigegebenen Zelllinien den 1. 1. 02 fest, weil es keine neuen Tötungen von Embryonen verantworten wollte. Im April 2008 hat das Parlament diese Hemmungen abgelegt und den Stichtag auf den 1. 5. 07 verschoben. Es kapitulierte damit vor der Lobbyarbeit der Industrie, bei der sich besonders der BAYER-Aufsichtsrat und Gentech-Multifunktionär Ernst-Ludwig Winnacker hervorgetan hatte.

NEXAVAR bei anderen Krebsarten?
Als „Meilenstein im Kampf gegen Krebs“ feiert BAYER sein Gentech-Medikament NEXAVAR. Der Leverkusener Multi erweckt damit den falschen Eindruck, ein neues Wundermittel gegen die Krankheit gefunden zu haben, wo das Präparat hingegen lediglich die Lebenserwartungen der PatientInnen um bis zu drei Monaten verlängert. Es kommt bisher bei der Behandlung von Nieren- und Leberkrebs zum Einsatz. Obwohl Indikationserweiterungen auf Lungen-, Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs scheiterten, versucht der Konzern weiter unentwegt, der Arznei neue Märkte zu erschließen. Auf einem Onkologie-Kongress in Chicago präsentierte das Unternehmen Ende Mai 2008 Studien mit angeblich hoffnungsvollen Resultaten bei der Theapie von Krebsarten, die den Verdauungstrakt, die Schilddrüse oder die Eierstöcke befallen. Sogar bei Lungenkrebs wartete der Pharma-Riese diesmal wundersamerweise mit positiven Daten auf - bei den letzten Tests hatte der NEXAVAR-Wirkstoff Sorafenib nicht nur nicht geholfen, sondern den Sterbeprozess sogar noch beschleunigt.

PFLANZEN & SAATEN

Kooperation mit EURALIS
BAYER hat eine Zusammenarbeit mit der französischen Landwirtschaftskooperative EURALIS vereinbart. Die Kooperation konzentriert sich auf hybride - also nicht für die Wiederaussaat bestimmte - Winterraps-Sorten. Der Agro-Riese erhält mit dem Deal die Rechte auf bestimmte Zuchtmaterialien und Produkte von EURALIS und kann die Versuchsfelder nutzen.

PARAGON gekauft
Das Saatgut-Geschäft des Leverkusener Multis wächst beständig. Nun hat BAYERs Saatgut-Tochter NUNHEMS auch noch das auf Salate spezialisierte US-Unternehmen PARAGON aufgekauft.

WASSER, BODEN & LUFT

Brunsbüttel: Kohlekraftwerk kommt
Auf den Himmel über Brunsbüttel kommt in nächster Zeit einiges zu, und BAYER hat daran gehörigen Anteil. Der Konzern plant am Standort nämlich nicht nur ein Müll-, sondern auch ein 800-Megawatt-Kohlekraftwerk. Für dieses unterzeichnete der Multi Ende Juli 2008 die Verträge. Die Dreckschleuder kommt bloß auf einen Wirkungsgrad von 46 Prozent, 54 Prozent der eingesetzten Energie werden also nicht in Strom umgewandelt. Zum Vergleich: Eine Kraft/Wärme-Koppelungsanlage hat einen Wirkungsgrad von 80 bis 90 Prozent! Aber der Brunsbütteler Klimakiller bleibt sogar noch unter den Werten des im Krefelder Chemiepark geplanten Kraftwerks, das dank der Nutzung des Dampfes einen Wirkungsgrad von 51 Prozent erreicht und 4,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid emittiert. In Brunsbüttel dürften es deshalb ein paar hunderttausend Tonnen C02 mehr werden. Entsprechend erbost reagieren die UmweltschützerInnen vor Ort. „Wir wollen keine Dinosaurier-Technologie“, sagte etwa Jürgen Ruge von den Grünen in einer aktuellen Stunde des Kreistags, während vor dem Sitzungssaal Bürgerinitiativen ihren Unmut kundtaten.

Krefeld: Kohlekraftwerk kommt nicht?
Die Haltung der Krefelder Parteien zu dem im BAYER-Chemiepark geplanten Kohlekraftwerk ist unübersichtlich. Die SPD befürwortet wie der CDU-Oberbürgermeister Gregor Kathstede den Bau, dessen Partei lehnt das Vorhaben jedoch bislang ebenso ab wie die Grünen. Auf der Ratssitzung am 5. 9. 08 setzten Christdemokraten und Grüne eine so genannte Veränderungssperre durch, mit der die beiden Fraktionen alle bisher noch nicht genehmigten Projekte mitsamt des Klimakillers vorerst für zwei Jahre auf Eis legte. Länger allerdings nicht. Zudem ließ sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Wilfrid Fabel ein Hintertürchen offen. Laut Rheinischer Post erklärte er, dass die CDUlerInnen durchaus noch grünes Licht für die Dreckschleuder geben könnten.

BAYER stinkt zum Himmel
AnwohnerInnen des Bergkamener Werkes von BAYER SCHERING klagen seit Jahren über Gestank, der von der Einrichtung zur Abwasserbehandlung ausgeht. Im April 2008 haben nun endlich Umbau-Maßnahmen begonnen. „Im Interesse der Anwohner muss es jetzt vor allem darum gehen, die Geruchsbelästigungen der Anlage zu verringern“, so der zuständige BAYER-Manager Helmut Bennemann.

EU fördert Müllgeschäfte
Der Leverkusener Multi macht schon seit geraumer Zeit aus Dreck Geld. Seine Sondermüllverbrennungsanlagen laufen auf Hochtouren. Und neuerdings will er mit dem Abfall auch noch Kraftwerke befeuern, da Energie dann nichts mehr kostet, sondern sogar noch Geld einbringt: derzeit etwa 80 Euro pro Reststoff-Tonne. Aber nach BAYER-Ansicht könnte es um die Erträge noch besser gestellt sein, wenn Brüssel ein paar Weichenstellungen zu Gunsten der Konzerne vornähme. So mahnte Wolfgang Große Entrup, Vorsteher des BAYER-Stabes „Politik und Umwelt“ und beim CDU-Wirtschaftsrat Leiter der Umweltkommission, schon vor einiger Zeit eine „Entbürokratisierung“ der EU-Abfallrahmenrichtlinie an. Der mit VertreterInnen von BAYER und anderer Unternehmen bestückte „Dialog Wirtschaft und Umwelt NRW“ machte dazu gleich einige konkrete Vorschläge. Das Gremium, mit dem das Land Nordrhein-Westfalen seine Umweltpolitik quasi ausgegliedert hat, forderte die Europäische Union auf, die Gleichwertigkeit der stofflichen und energetischen Verwertung von Abfall sicherzustellen und - besonders entlarvend - auf Programme zur Müllvermeidung zu verzichten. Dem kam die EU in ihrer Revision der Richtlinie jetzt nach. „Müllverbrennung wird so noch mehr zum lukrativen Geschäft“, kommentierte die grüne EU-Parlamentarierin Hiltrud Breyer und warnte: „Es droht die Gefahr, dass Recycling zum Mauerblümchen der Abfallwirtschaft wird und der Müllexport zunimmt“.

Müllskandal zu BAYERs Gunsten
Der Leverkusener Multi profitiert vom italienischen Müllskandal. Ein gehöriger Anteil der 54.000 Tonnen aus dem Nachbarland landet nämlich in den „Rückstandsverbrennungsanlagen“ des Konzerns, wo ihn das Unternehmen für 200 Euro pro Tonne unter Produktion von Dioxin, Furanen und Schwermetallen entsorgt. Lediglich die radioaktiv verseuchten Chargen mussten wieder zurück zum Absender. Der BUND kritisiert das von BAYER & Co. nicht nur in diesem Fall betriebene Geschäft mit dem Abfall scharf. „Damit wird ein Müllsog unausweichlich. Alle Anstrengungen zur ökologisch erwünschten Abfallvermeidung bleiben auf der Strecke“, so NRW-Geschäftsführer Dirk Jansen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Neuer Gefahrgut-Terminal in Dormagen
BAYERs Dormagener Chemiepark gehört zu den 10 größten Umschlagplätzen für Gefahrgut-Container in der Bundesrepublik. Um diese Stellung zu halten, hat der Konzern einen neuen Terminal errichtet, der die Lagerung von 360 Containern erlaubt. Für die Sicherheit glaubt das Unternehmen mit einer Folien-Wannenkonstruktion nebst Brand-Früherkennungssystem und halbstationärer Schaumlöschanlage genug getan zu haben.

ATOM & WAFFEN

Libyen erhält Plutonium-Pläne
Libyen hat bis zum Jahr 2003 ein illegales Atomwaffen-Programm betrieben. Dazu besaß das Land auch Pläne zum Bau von Wiederaufbereitungsanlagen für Uran-Kernbrennstoffe. Nach Mitteilungen der „Internationalen Atomenergie-Agentur“ (IAEA) entspricht die darin beschriebene Technologie derjenigen der Karlsruher Wiederaufbereitungsanlage, deren Betreiber BAYER, HOECHST und andere Chemiekonzerne in Tateinheit mit der Energiewirtschaft waren, bis sich BAYER & Co. 1975 wegen zweifelhafter Erfolgsaussichten aus dem Atomgeschäft zurückzogen. Die Konstruktionszeichnungen haben bundesdeutsche IngenieurInnen unter Geheimhaltungsgebot 1986 erstellt. Ihr Auftrag lautete, eine Anlage zu entwerfen, die auch unter klimatischen Bedingungen wie extremer Hitze oder Trockenheit funktioniert. Angaben zum genauen Bestimmungsort erhielten sie nicht. Den Deal wickelte schließlich ein Mittelsmann ab, der Gaddafi bereits in Sachen „Chemie-Waffen“ gute Dienste erwiesen hatte.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Berufskrankheiten: Fehlanzeige
Lösemittel wie Benzol oder Styrol sind äußerst gefährliche Substanzen. Offenbar aber können sie den bei BAYER & Co. Beschäftigten nichts anhaben. Anerkannte Berufskrankheiten gibt es in diesem Bereich nämlich kaum. Gerade einmal 18 Fälle wurden im Jahr 2000 aktenkundig, 2001 15 Fälle und 2002 10 Fälle. Allerdings steht diesen Zahlen eine Unmenge von Anträgen entgegen, welche die Verantwortlichen jeweils abschlägig beschieden haben. Darum fordern ExpertInnen wie der Umweltmediziner Wolfgang Huber einschneidende Veränderungen bei den Verfahren wie die Berücksichtigung von Kombinationswirkungen und Erleichterungen der Beweisführung bis zur Beweislastumkehr.

STANDORTE & PRODUKTION

Berufskolleg macht weiter
Ursprünglich wollte der Pharma-Riese sein Berufskolleg abwickeln und es ganz oder teilweise der Regie der Stadt Leverkusen unterstellen. Jetzt entschied der Konzern jedoch, die Weiterbildungseinrichtung selber weiterzubetreiben.

BAYER schrumpft in Dormagen
In den BAYER-Chemieparks gibt es immer mehr Lichtungen (SWB 4/07). Der Konzern trennte sich von Geschäftsbereichen wie der „Chemie“, und neuere Fertigungsstätten, sofern überhaupt an den alten Standorten errichtet, brauchten weniger Raum. Auch die Anwerbung von Fremdfirmen konnte die Lücken nicht schließen. In Dormagen hat der Konzern sich deshalb dazu entschlossen, eine 33.000 Quadratmeter große Fläche an die Stadt zu verkaufen.

Leverkusen-Project 2020
Die Umstrukturierungen bei BAYER stellen die Stadt Leverkusen vor große Probleme. Das Arbeitsplatz-Angebot sank binnen 10 Jahren um 15 Prozent: die Gewerbesteuer-Einnahmen reduzierten sich sogar um 40 Prozent. Jetzt soll das „Leverkusen-Project 2020“ Abhilfe schaffen. Unter diesem Titel erarbeitet die städtische Wirtschaftsförderung ein Konzept für eine BAYER-losere Zukunft. Das bisher Angedachte klingt jedoch nach alten Rezepten. Da ist von der Erarbeitung eines wirtschaftlichen Leitbildes die Rede, von einer besseren Verschränkung schon vorhandener Strukturen und von der Ansiedlung innovativer Branchen.

Rheinblick: BAYER blockt
Uerdingen streitet um das Projekt „Rheinblick“. InvestorInnen wollen direkt am Rhein in der Nähe des BAYER-Chemieparks ein neues Wohn- und Gewerbegebiet errichten. In der Bevölkerung stößt das Vorhaben auf große Zustimmung, dem Chemie-Multi behagt das Ganze jedoch nicht. Er duldet keine neuen Nachbarn in der Nähe seiner Anlagen und hoffte auf ein abschlägiges TÜV-Gutachten. Nachdem die Expertise aber Sicherheitsbedenken zerstreut hatte, machte das Unternehmen einfach Nägel mit Köpfen. Es kaufte im großen Umfang Flächen am Rhein auf. „Die Flächen dienen der Ausweitung der angrenzenden Chemiepark-Flächen, so dass eine weitere infrastruktuelle Entwicklung des Standortes möglich wird“, hieß es zur Begründung. Dies könnte beispielsweise durch einen Container-Umschlagsplatz geschehen. Der CDU-Fraktionschef Wilfrid Fabel sieht dadurch die Hafen-Planungen gefährdet: „Abgesehen davon, dass dazu eine Änderung des Bebauungsplanes 677 erforderlich wäre, würde dies auf jeden Fall schädlich für die Hafenentwicklung sein, die damit durch BAYER torpediert würde“. Die Grünen vermuten noch andere Motive hinter dem Grundstückskauf. Nach Meinung der Partei soll das Gelände entweder dem Kohle-Transport vom Hafen zum geplanten Kraftwerk dienen, oder aber es ist ein Faustpfand im Streit um die umstrittene Dreckschleuder, das der Stadt bedeutet: „Machst Du mein Kraftwerk kaputt, mach‘ ich Dir den Rheinblick platt“.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER kauft PARAGON
Die BAYER-Tochter NUNHEMS hat den US-amerikanischen Gemüsesaatgut-Hersteller PARAGON gekauft (siehe auch PFLANZEN & SAATEN).

BAYER kauft NYCOMED-Sparte
Der Leverkusener Multi hat für 52 Millionen Euro die Krebsforschungssparte des Pharma-Konzerns NYCOMED erworben.

ÖKONOMIE & PROFIT

Wenning hat nichts gemerkt
BAYER-Chef Werner Wenning ist Aufsichtsratsmitglied und Vorsitzender des Beraterkreises der DEUTSCHEN BANK, die im Zuge der Finanzmarktkrise wegen riskanter Transaktionen bisher rund 2,5 Milliarden Euro abschreiben musste. Deshalb fragte ihn die Zeitschrift Capital: „War Ihnen angesichts der gigantischen Deals nie unbehaglich zumute?“. Aber Wenning wollte sich keine Verletzung der Aufsichtspflicht nachsagen lassen und antwortete ausweichend. „Sofern Investoren einen nachhaltigen Ansatz verfolgen, ist nichts dagegen einzuwenden. Das ist unser unternehmerisches Verständnis. BAYER ist seit fast 150 Jahren auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit ausgelegt“, so Wenning.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Explosion tötet Arbeiter
Am 28. 8. 08 ereignete sich am US-amerikanischen BAYER-Standort Institute eine Explosion, die das Leben eines Arbeiters forderte. Ein Kollege erlitt schwere Verbrennungen. Der Störfall ereignete sich in einer Produktionsanlage des hochgiftigen Pestizids Methomyl. Nach Angaben von BAYER waren daran die Vorprodukte Dimethyldisulfid, Hexan und Methylisobutylketon (MIC) beteiligt. Bei MIC handelt es sich um die Chemikalie, welche die Katastrophe von Bhopal auslöste, weshalb die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi seit langem auffordert, kein MIC mehr auf dem Gelände zu lagern, zumal Unfälle in Institute beinahe schon zur Tagesordnung gehören. Binnen der letzten zwölf Monate kam es bereits zu drei Zwischenfällen. Die Störungsanfälligkeit der Anlagen bemängelte nach dem großen Knall vom 28. August dann auch die US-Arbeitsschutzbehörde „Occupational Safety and Health Administration“ (OSHA). „Signifikante Mängel der Sicherheitsabläufe“ stellte die OSHA bei einer ersten Untersuchung fest.

Chlor tritt aus
Am 19.4.08 ereignete sich im Leverkusener Chemiepark ein Unfall. In der Chlor-Produktionsstätte von BAYER MATERIAL SCIENCE entstand in einer Leitung aus bislang ungeklärter Ursache ein Leck, aus dem die Chemikalie austrat. Chlor gehört zu den gefährlichsten Substanzen überhaupt. „In einer Chlorwolke ist man auch mit Maske in zwei Minuten tot“, hatte der BAYER-Verfahrenstechniker Andreas Bulan einem Zeit-Journalisten drei Wochen vor dem Störfall bei einer Werksführung anvertraut und ihn gleich damit beruhigt, dass seit Jahrzehnten nichts mehr passiert sei.

Gerüstbauer stürzt ab
Am 23.1.08 ereignete sich im Uerdinger Chemiepark ein Unfall: Beim Aufbau eines Gerüstes stürzte ein Arbeiter ab und zog sich lebensgefährliche Verletzungen zu.

Rauch aus dem Fahrstuhl-Maschinenraum
Am 18. 8. 08 drang Rauch aus dem Fahrstuhl-Maschinenraum des Wuppertaler BAYER-Werks, so dass die Feuerwehr anrücken musste. Eine Gefahr für die unmittelbare Umgebung bestand nach ihren Angaben nicht.

Die Pest an Bord
Am 21. 6. 08 geriet das philippinische Schiff „Princess of the Stars“ in den Wirbelsturm „Frank“ und sank.

[CO-Pipeline] BAYER-Pipeline

CBG Redaktion

27.06.2008 , Rheinische Post

CO-Unfall: Feuerwehr machtlos

Sollte aus der umstrittenen Kohlenmonoxid-Leitung durch ein Leck Gas austreten, kann die Feuerwehr nur die Unfallstelle absperren. Sirenengeheul soll die Bevölkerung warnen. Ein Gefahren-Abwehrplan existiert noch nicht.

KREIS METTMANN Was passiert, wenn ein Baggerfahrer die CO-Leitung beschädigt und tödliches Gas an die Luft strömt? „Die Feuerwehren im Kreis Mettmann können nicht sicher und eindeutig den Schutz der Bevölkerung gewährleisten“, sagte Kreisbrandmeister Friedrich-Ernst Martin nun im Erkrather Planungsausschuss.
Klartext: Die Feuerwehr kann nichts tun, außer die Unfallstelle abzusperren und zu verhindern, dass sich noch mehr Menschen in die Gefahrenzone begeben und mit dem tödlichen Gas in Kontakt geraten. „Wir würden das Leck auch nicht reparieren oder abdichten, das ist nicht unsere Aufgabe“, sagte Martin deutlich. Er geht allerdings nicht davon aus, dass Unfälle im Zusammenhang mit der 67 Kilometer langen Rohr-Fernleitung von Dormagen nach Krefeld „an der Tagesordnung“ seien.

Chaos auf den Straßen
Die Bevölkerung werde nach den jüngsten Plänen der Bezirksregierung mit lautem Sirenengeheul gewarnt. Dazu kommen Durchsagen im Radio, die innerhalb von 30 Sekunden auf den Sendern zu hören sind. „Das würde im Ernstfall zu einem absoluten Chaos führen“, sagte Bernhard Osterwind von den „Bürgern mit Umweltverantwortung“ (BmU). Osterwind ist sich sicher, dass ein Sirenenalarm innerhalb kürzester Zeit zu einem absoluten Verkehrschaos führen würde. Wer Sirene und Radio gehört habe, werde wahrscheinlich, so schnell es eben geht, mit den Auto flüchten – Folge wären innerhalb kürzester Zeit verstopfte Straßen.
Osterwind ist sich aber sicher, dass es auch viele Menschen gäbe, die versuchen, etwa ihre Kinder aus dem Gefahrengebiet zu retten. Folge: Auch dort wären die Straßen wieder verstopft. Kreisbrandmeister Martin kann die Bedenken der BmU zumindest nachvollziehen.
Nach wie vor gebe es immer noch keinen bis ins Detail ausgearbeiteten Allgemeinen Gefahren- und Abwehrschutzplan. Für Unfälle an der CO-Leitung müsse ein Sonderschutzplan ausgearbeitet werden. Die Feuerwehren hatten sich gemeinsam mit dem Kreis immer wieder dafür eingesetzt, dass der Abstand der Schieberstationen, die im Schadensfall die Menge des austretenden Gases entscheidend verringern, erhöht wird. Bislang sind an der 67 Kilometer langen Leitung sechs Schieberstationen geplant. Im Kreis Mettmann könne nicht jede Feuerwehr für sich am Gefahrenabwehrplan mitarbeiten, sondern nur alle gemeinsam. „Nur der Landtag kann die Pipeline noch verhindern, indem das Enteignungsgesetz zurück genommen wird“, sagte Peter Knitsch von den Grünen. Er warnte davor, dass anhängige Gerichtsverfahren den Betrieb der Leitung nicht dauerhaft aufhalten können. Mit einem nachgebesserten Planfeststellungsbeschluss könnte die Leitung kurzfristig an den Start gehen. Bayer baue ja auch munter weiter an der Pipeline. VON OLIVER WIEGAND

Westdeutsche Zeitung, 27. Juni 2008

Wirksame Abwehr ist Fehlanzeige

Kreisbrandmeister Martin skizzierte im Ausschuss die Gefahren eines Lecks. Die Fraktionen einigten sich auf eine Resolution.

„AGAP“ war das Wort, das im Ausschuss für Planung, Umwelt und Verkehr für nahezu zwei Stunden die Gemüter erregte. Der Alarm- und Gefahrenabwehrplan (AGAP) für den Schadensfall an der CO-Leitung war der zentrale Tagesordnungspunkt der Sitzung am Donnerstag, zu der auch viele Bürger und Vertreter von Bürgerinitiativen gekommen waren.
Was Kreisbrandmeister Friedrich-Ernst Martin dazu kundtat, durfte kaum für Entspannung unter den Anwesenden gesorgt haben. „Die Feuerwehren sind nicht in der Lage, bei einem Schadensereignis wirksame Gefahrenabwehr zu leisten. Die Bürger können nicht davon ausgehen, dass wir die Lage beherrschen“, skizzierte er das Szenario im Falle eines Lecks an der von Bayer betriebenen CO-Pipline.
Daran ändere nach Ansicht des Kreisbrandmeisters auch der Gefahrenabwehrplan nichts, der von den Feuerwehren der betroffenen Städte aufgestellt werden muss.

Im Katastrophenfall steht die Wehr vor einer großen Herausforderung
Martin ließ keinen Zweifel daran, dass die Einsatzkräfte im Katastrophenfall vor erhebliche Herausforderungen gestellt werden würden. So sieht der AGAP eine Alarmierung über Sirenen vor. „Das ist aber ein System, mit dem heute niemand mehr etwas anfangen kann.“ Hinzu komme, dass die Bürger spätestens dann selbst wissen müssten, was sie zu tun haben.
Weiterer Baustein für den Ernstfall seien Radiomeldungen. Martin: „Das geht in ein paar Sekunden über den Äther.“ Allerdings könne auch so irrationales Verhalten kaum verhindert werden. Dass Menschen aus Sorge um ihre Angehörigen in das Gefahrengebiet eindringen, könnte zu einem von vielen Problemen werden. Peter Knitsch (Grüne) sprach gar von einem Szenario wie bei der Havarie eines Atomkraftwerkes: „Es gibt keine Möglichkeiten, den Schaden zu verhindern. Grundsätzlich kann man ein solches Großschadensereignis nicht ausschließen.“

Mit Bildmaterial wurde der Zustand der Rohre dokumentiert
Wolfgang Küppers (BmU) skizzierte erneut, dass es bereits beim Pipeline-Bau zu Mängeln gekommen sei. Mit Bildmaterial dokumentierte er den Zustand angelieferter Rohre, die bereits vor dem Einbau verrostet seien. Auch die über den Rohren verlegten Geogrid-Schutzmatten verhinderten angeblich nicht, dass schweres Baugerät mit der Leitung in Berührung kommen könne.
An dieser Stelle meldeten sich auch Bürger zu Wort, denen Unregelmäßigkeiten aufgefallen waren. „Ich fahre die Pipeline regelmäßig ab und habe die Mängel auf Fotos dokumentiert und mehrmals an den Regierungspräsidenten geschickt. Warum kommt er seiner Bauaufsichtspflicht nicht nach?“, wollte Wolfgang Zöllner aus Unterfeldhaus wissen. Darauf konnte auch der Ausschuss keine Antwort geben.
Eine Antwort parat hatten die Fraktionen, als es darum ging, eine Resolution auf den Weg zu bringen. Einstimmig stellten sie fest, dass der AGAP nicht geeignet sei, die Risiken, die von der Pipeline ausgehen, zu minimieren. Von daher lehne man das gesamte Projekt ab und forderte zudem den Landtag auf, das Eigentumsgesetz entlang der Trasse zurückzunehmen.
Zudem wurde die Verwaltung aufgefordert, die von den CO-Gegnern dokumentierten Mängel während der Baumaßnahme zu sammeln und in mögliche Gerichtsverfahren einzubringen. von Sabine Maguire

Bienensterben

CBG Redaktion

26.06.2008, BAYERISCHER LANDTAG, ABGEORDNETER EIKE HALLITKY

Poncho Pro ist schuld am Tod der Bienen

Institut weist hochtoxisches Nervengift in toten Bienen nach

Bereits vor Wochen hatte MdL Hallitzky die Befürchtung geäußert, dass für das Bienensterben im südlichen Landkreis Passau das Pestizid Poncho Pro bzw. dessen Wirkstoff Clothianidin verantwortlich ist. Bei einer Untersuchung von insgesamt 14 aus dem Raum Passau eingesendeten Bienenproben durch das im Julius Kühn-Institut, wurde bei allen der Wirkstoff Clothianidin nachgewiesen. Zugleich wurde von den Wissenschaftlern festgestellt, dass das Bienensterben nicht mit dem Auftreten von Bienenkrankheiten zusammenhängt. Hallitzky stellt klar: „Die Ergebnisse des Julius Kühn-Instituts als Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen sind absolut eindeutig.“
Die Untersuchung hat auch die Vermutung Hallitzkys bestätigt, dass die Verbreitung des hochtoxischen Poncho Pro durch den Abrieb des Saatgutes erfolgt: „Die Bienen sammelten die kontaminierten Pollen von Raps, Löwenzahn, Ahorn und anderen Pflanzen, deren Blühzeitpunkt gleichzeitig mit der Aussaat von Mais liegt und tragen die tödliche Fracht in ihre Bienenstöcke.“

Was Bienen umbringt, ist auch für Menschen nicht gesund
Hallitzky kritisiert erneut das Verhalten vom Bayerischen Bauernverband und Landwirtschaftsminister Miller, die versucht hatten, das Problem zu verharmlosen. „Bienen sind ein anerkannt guter Anzeiger dafür, wie wir mit der Natur umgehen.“ Auch bei den Menschen erzeuge der allzu lässige Umgang mit unserer Natur mehr und mehr Probleme, so eine drastische Zunahme von Allergikern.
„Es ist klar, dass es für Poncho Pro keinen Einsatz mehr in der Landwirtschaft geben darf.“ Als umweltschonende Alternative fordert Hallitzky eine Rückkehr zum Fruchtwechsel, zumindest in den vom Maiswurzelbohrer befallenen Mais-Anbaugebieten. „Darüber hinaus müssen wir und unsere Landwirte aber auch insgesamt unsere Einstellung zum Einsatz von Pestiziden ernsthaft auf den Prüfstand stellen.“