Auch im Jahr 2025 sah sich BAYER auf der Hauptversammlung wieder mit Konzernkritik im virtuellen und im realen Raum konfrontiert.
Von Peer Clausen
Am 25. April fand die Aktionärsversammlung des BAYER-Konzerns statt – wiederum virtuell. Dieses digitale Format, das im Windschatten der Corona-Pandemie eingeführt und einfach beibehalten wurde, stößt auf massive Ablehnung. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und der DACHVERBAND KRITISCHE AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE sehen in ihm einen bequemen Weg, sich nicht länger direkt mit Konzern-Kritik konfrontieren zu müssen. Aber auch unorganisierte AktionärInnen stoßen sich an den Online-Hauptversammlungen. Sie geißeln diese als undemokratisches Kosteneinsparungsmodell und stellen auch die hohen technischen Hürden heraus, die gerade ältere Personen oft nicht überwinden könnten.
Die Kundgebung
Die CBG aber hielt dagegen und organisierte Protest in Präsenz. Ab 9 Uhr morgens standen Aktivistinnen und Aktivisten vor der BAYER-Zentrale auf der Kaiser-Wilhelm-Allee in Leverkusen, während AnzugträgerInnen auffällig unauffällig Fotos von ihnen machten. Von derart billigen Einschüchterungsstrategien ließen die ProtestlerInnen sich jedoch nicht einschüchtern, sie kennen die Chose ja schon einige Jahre.
Die KonzernkritikerInnen nahmen den ganzen Vorplatz in Beschlag – Belagerungszustand. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) war mit zwei Treckern vorgefahren, deren Schaufeln sie zu Transparenthaltern umfunktioniert hatten. „Patente und Gentechnik stoppen“ und „Unser Saatgut ist in Gefahr – Neue Gentechnik und Patente stoppen“ war darauf zu lesen. Die beiden Banner der Coordination thematisierten die Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden und globalem Handel. „Parkinson für die Bauern – Profite für BAYER & Co. und „Welt in (Liefer-)ketten – BAYER muss haften!“ stand auf ihnen. Sogar Dreidimensionales bot die CBG auf: eine riesige Weltkugel im Würgegriff des Global Players.
All das und noch viel mehr fand sich auch in den Wortbeiträgen wieder, die Sibylle Arians und ihre Schwester Maria musikalisch umrahmten. Annemarie Volling von der AbL referierte über die Saatgutstrategie des Agro-Riesen und die Patentierungen, die Kleinbauern und -bäuerinnen in dessen Abhängigkeit treiben. „Vor allem die großen Konzerne wie BAYER oder CORTEVA sind die Treiber und melden immer mehr Patente auf Pflanzen und Tiere an“, erläuterte sie und malte ein beängstigendes Bild von der Macht des Agro-Business. „2018 hat BAYER MONSANTO für 60 Mrd. US-Dollar aufgekauft und ist damit zum größten Saatgutkonzern geworden. Die AbL war die einzige landwirtschaftliche Organisation, die bei dieser Mega-Fusion Widerspruch eingelegt hat.“, machte sie noch mal auf die relativ singuläre Position der AbL unter den landwirtschaftlichen Vertretungen aufmerksam.
Brigitte Hincha-Weisel, Vorstandsmitglied der CBG, zeigte am Beispiel der Frage der Lieferketten, die ein thematischer Schwerpunkt der diesjährigen CBG-Aktivitäten zur HV waren, dass BAYER für die Steigerung der Profite die systematische Verletzung von Menschenrechten, Sozial-, Gesundheits- und Arbeitsschutzstandards in Kauf zu nehmen bereit ist. Lars-Ulla Krajewski von der CBG sprach zu Parkinson als Berufskrankheit bei LandwirtInnen und Uwe Friedrichs zu PFAS-Pestiziden. Rolf Brombach nahm sich in einem Schnelldurchlauf BAYER im Ganzen vor und Bernward Geier sorgte für das nötige Kontrastprogramm: Er widmete sich der ökologischen Landwirtschaft als Alternative zum von BAYER & Co. forcierten agro-industriellen Modell.
Die virtuelle HV
Jan Pehrke von der Coordination verlängerte den Protest dann in die Online-Hauptversammlung hinein, die bis zu 2.600 Menschen an ihren Monitoren verfolgten. „Heute Morgen fand vor der BAYER-Zentrale in Leverkusen eine Kundgebung der Coordination gegen BAYER-Gefahren statt, an der Landwirte, Gentechnik-Gegner und Pestizid-Kritiker teilnahmen. Und einige Themen, die die Aktivisten auf die Tagesordnung setzten, möchte auch ich jetzt ansprechen wie z. B. BAYERs prekäre Lieferketten“, sagte er. So verwies Pehrke auf eine Saatgutanlage in Sambia, deren Zuliefer-Betriebe 15.000 SaisonarbeiterInnen beschäftigen. „Wie will BAYER bei diesen 15.000 beschäftigten Saisonarbeitern sicherstellen, dass da keine Kinder dabei sind?“, fragte er.
IG FARBEN & heute
Hans van Scharen vom Corporate Europe Observatory sprach über den Extrem-Lobbyismus des Global Players in den USA für Gesetze, die Glyphosat Straffreiheit gewähren (inklusive der Teilnahme an der Amtseinführung Donald Trumps). Er holte dafür aber weiter aus: „Doch ich möchte zunächst der Vergangenheit eine Stimme geben, weit über Ihre Quartalszahlen hinausgehend, weil die Geschichte beeinflusst, wer wir sind und wie wir heute handeln. Mein Großvater Karel van Scharen wurde 1942 von den Nazis aus Antwerpen, Belgien, nach Auschwitz deportiert, um dort Zwangsarbeit in den Fabriken der IG FARBEN zu verrichten, einem Konzern, der aus drei deutschen Chemieunternehmen bestand, einer davon BAYER, und der offiziell erst vor 22 Jahren aufgelöst wurde.“
Aus solchen historischen Ereignissen gelte es zu lernen, aber eben diese Prüfung hat der Leverkusener Multi van Scharen zufolge nicht bestanden. „Leider sehen wir heute, wie BAYER als großes europäisches Unternehmen sich einer neuen und schockierenden Diktatur anbiedert, die sich direkt vor unseren Augen entwickelt: der von Donald Trump in Washington. Sie mögen diese Vergleiche vielleicht für unangemessen halten, aber ich bin nicht der Einzige. Der Vizepräsident der USA, Al Gore, hat gestern dasselbe getan“, so van Scharen.
Um die „undemokratischen Bemühungen von BAYER, Gesetze abzuändern, die dazu bestimmt waren, die Völker und den Planeten schützen“ zu konterkarieren, hat das Corporate Europe Observatory einen offenen Brief initiiert, den über 100 Organisationen aus der ganzen Welt unterzeichnet haben. Klar ist: Unterschriften allein werden den Kurs des BAYER-Konzerns nicht ändern, doch sind sie ein wichtiges Zeichen für Widerstand gegen die rücksichtslose Durchsetzung seiner Profitinteressen.
Immer wieder Pestizide
Einen Schwerpunkt der weiteren Beiträge bildete das Pestizid-Geschäft des Chemieriesen. Dabei gelang es der CBG sogar, den AktionärInnen eine Stimme aus dem fernen Afrika zu Gehör zu bringen. Harun Warui von der Heinrich-Böll-Stiftung in Nairobi kritisierte den Export von innerhalb der EU wegen ihres Gefährdungspotenzials nicht (mehr) zugelassenen Ackergiften. Seit Neuestem geht Kenia gegen diese doppelten Standards vor. So hat das Land laut Warui Ende des letzten Jahres acht als „Highly Hazardous Pesticides“ (HHPs) klassifizierte Ackergifte – darunter auch BAYERs Thiacloprid – aus dem Verkehr gezogen. Diesen Schritt begrüßte er als Maßnahme zur Unterstützung der Kleinbauern und -bäuerinnen, die den Großteil der afrikanischen landwirtschaftlichen ErzeugerInnen stellen. Damit gehe Kenia einen Schritt, den bereits zahlreiche andere Staaten gegangen seien, was Ausdruck einer grundsätzlichen Umkehr sei. Angesichts der mit zweierlei Maß messenden Geschäftspraxis stellte er BAYERs Leitmaxime in Frage: „Was bedeutet ‚Science For A Better Life‘, wenn es nur selektiv Anwendung findet, abhängig von der Geografie, dem regulatorischen Umfeld und dem Wachsamkeitsgrad der Öffentlichkeit?“
Gleich mehrere RednerInnen sprachen zu „Parkinson durch Pestizide“, das bei LandwirtInnen seit dem letzten Jahr als Berufskrankheit anerkannt ist. „Mit bestem Wissen und Gewissen haben die Bäuerinnen und Bauern die betreffenden Pestizide entsprechend der Angaben der Hersteller und Zulassungsbehörden zur gesundheitlichen Sicherheit angewendet. Ein Hinweis auf mögliche Gefahren für eine Parkinson-Krankheit hat es nicht gegeben, und heute findet man diesen immer noch nicht“, warf AbL-Vizegeschäftsführer Bernd Schmitz dem Agro-Riesen vor. Die Berufsgenossenschaft der LandwirtInnen belasten die erwarteten Behandlungskosten enorm, weshalb sie die Beträge drastisch erhöht hat. Für Schmitz ein unhaltbarer Zustand: „Bauern und Bäuerinnen kommen heute allein für die Kosten von Parkinson als Berufskrankheit mit ihren Beiträgen zur Berufsgenossenschaft auf. Pharma-Konzerne haben ihre Gewinne eingestrichen, entziehen sich aber jetzt ihrer Verantwortung für die Folgen. Ich fordere BAYER hiermit auf, sich mit einem Fonds an den Folge-Kosten für eine berufliche Pestizid-Exposition und der Entstehung der Parkinson-Erkrankung zu beteiligen.“
Jan Pehrke verlangte angesichts des von der „Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau“ geschätzten Parkinson-Mehrbedarfs von 270 Millionen Euro pro Jahr ebenfalls eine Kostenbeteiligung. Hans van Scharen befasste sich indessen grundsätzlicher mit dem Nervenleiden, das sich rasant ausbreitet. In den letzten 20 Jahren haben sich die Parkinson-Zahlen mehr als verdoppelt und übertreffen damit Schlaganfälle und Multiple Sklerose, so der CEO-Aktivist. Zur Erklärung der Ursachen dafür zitierte er den Wissenschaftler und Neurologen Bas Bloem: „Parkinson war bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine sehr seltene Krankheit. Mit der landwirtschaftlichen Revolution, der chemischen Revolution und dem explosionsartigen Anstieg des Pestizideinsatzes begannen die Erkrankungsraten zu steigen.” Angesichts dessen konnte van Scharen es nur als zynisch empfinden, dass der Leverkusener Multi sich auch noch als Heilsbringer in der Sache inszeniert, weil seine Pharma-Abteilung an Behandlungsmethoden für Parkinson forscht.
Nicole van Gemert von der niederländischen FOODWATCH-Sektion machte da gleich einen praktischen Therapie-Vorschlag: „Ich schätze die Bemühungen von BAYER, ein Heilmittel für Parkinson zu finden, aber könnten Sie dieses Geld nicht einsparen, wenn Sie die Produktion von Glyphosat einstellen würden?“ Aus der Perspektive einer Organisation, die für ein gesundes Essen streitet, widmete sie sich den Pestiziden im Allgemeinen und den doppelten Standards im Besonderen, landen die hierzulande nicht (mehr) genehmigten, in ferne Länder exportierten Ackergifte über Lebensmittelimporte doch wieder auf den hiesigen Tellern.
Dr. Gottfried Arnold sprach von der Warte eines ehemaligen Kinderarztes aus und schilderte die Gefahren, die ErdenbürgerInnen in spe schon im Mutterleib drohen. „Die erste Pestizid-Dosis, die ungeborene Kinder in dieser frühen und empfindlichen Phase abbekommen, nennen Kinderkrebs-Ärzte den ‚1. Schlag‘“, erläuterte er. Der 2. Schlag folge dann draußen in der Welt durch die Schadstoff-Expositionen in der Luft, so Arnold. Am häufigsten entwickeln die Neugeborenen ihm zufolge eine Leukämie. Dazu zitierte er eine Studie von WissenschaftlerInnen, die in diesem Zusammenhang von einer „vermeidbaren Erkrankung“ sprechen, weil die Entstehungsgeschichte so klar vor Augen liegt und Handlungsoptionen eröffnet.
Peter Clausing, promovierter Toxikologe vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), beschäftigte sich mit denjenigen Pestiziden, die Mensch, Tier und Umwelt besonders zusetzen, weil sie zu den Ewigkeitschemikalien zählen. Allein sieben, die bei ihrer Zersetzung den PFAS-Stoff Tetraflouracetat (TFA) bilden, hat BAYER im Programm. „Auch wenn es noch andere Emissionsquellen für TFA gibt, sind PFAS-Pestizide die vorherrschende Quelle für die Kontamination von Grund- und Trinkwasser mit TFA. Laut Europäischer Chemikalien-Agentur werden in der EU pro Jahr knapp 5.500 Tonnen PFAS-Pestizide ausgebracht. Und aus dem Bericht des Umweltbundesamts von 2023 geht hervor, dass in Deutschland das Potenzial besteht, dass durch die ausgebrachten PFAS-Pestizide jährlich bis zu 521 Tonnen TFA gebildet werden“, führte er aus. „Wie hoch ist der Anteil des BAYER-Konzerns an den nach offizieller Schätzung knapp 5.000 Tonnen PFAS-Wirkstoffen, die jährlich in der EU ausgebracht werden?“, wollte er unter anderem vom Vorstand wissen.
Gentechnik & Co.
Judith Düesberg vom Gen-ethischen Netzwerk widmete sich der neuesten Schöpfung aus den BAYER-Laboren: einem Hybrid aus Pestizid und Gentechnik auf der Basis von doppelsträngiger Ribonukleinsäure (dsRNA). Damit bestückt, sollen die Mittel dem Maiswurzelbohrer zu Leibe rücken. Die Molekül-Kette zieht nämlich Enzyme im Magen des Insekts an und spaltet diese in siRNA auf, was dann ein für das Tier überlebenswichtiges Protein blockiert. Als Alternative zur Agro-Chemie preisen die Konzerne diese Entwicklung an, Düesberg aber äußerte Zweifel am Sicherheitsprofil der Technologie, die in einem Gen-Mais des Global Players bereits zur Anwendung kommt. Zu einem anderen erst jüngst erschlossenen Anwendungsgebiet der Gentechnik, der Kreation von Boden-Bakterien, stellten sich ihr ebenfalls drängende Fragen. Das nicht zuletzt deshalb, weil sich die Versprechungen, die BAYER & Co. bei der Einführung der ersten Gentech-Pflanzen gemacht haben – wie zum Beispiel eine Reduktion der Giftspritzereien auf den Feldern durch passgenau auf die Ackerfrüchte abgestimmte Pestizide – nicht erfüllt haben.
Damit blieb an diesem Tag keine Gentech-Hervorbringung BAYERs unter dem Radar der AktivistInnen, denn zuvor schon hatte Bernd Schmitz sich in seiner Rede der Gentechnik 2.0 angenommen und den Umgang des Leverkusener Multis mit dieser Risiko-Technologie scharf kritisiert. „[I]n der Debatte um die Anwendung der neuen Gentechnik CRISPR-Cas bei Saatgut lehnt BAYER jede Haftung und Verantwortung ab. Auch eine Rückverfolgbarkeit und eine durchgehende Kennzeichnung in der Lebensmittel-Kette wird von Ihrem Konzern bekämpft. Das ist alles andere, als Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen!“, konstatierte er.
CO2 & Co.
Auch der Klimawandel kam zur Sprache, trägt der Leverkusener Multi doch mit einem Treibhausgas-Ausstoß von rund drei Millionen Tonnen pro Jahr nicht unwesentlich dazu bei. „Wie stark die Extremwetter in Zukunft noch zunehmen werden, ist abhängig von den Entscheidungen, die heute in den Chefetagen der Unternehmen wie der BAYER AG getroffen werden. Werden die planetaren Grenzen weiterhin negiert und nicht eingepreist, werden sich die Krisen in absehbarer Zukunft überschlagen“, prophezeite Alice Werner von den Leverkusener PARENTS FOR FUTURE. Darum erkundigte sie sich danach, was der Global Player tut, um so schnell wie möglich aus der fossilen Energie-Gewinnung auszusteigen. Auch zu weiteren Maßnahmen zur Eindämmung der Erderwärmung erbat sie Informationen. Eigentlich wollte sich die Aktiengesellschaft auf der Hauptversammlung dazu groß in Szene setzen und ihren Klimaplan zur Abstimmung stellen. Aber das verschwand schnell wieder von der Tagesordnung – Mächtige AktionärInnen hatten interveniert. „Ich hätte jetzt gerne die Namen der Großinvestoren erfahren, die ihr Veto eingelegt haben“, bat Jan Pehrke deshalb.
Mit Günter Wulf ergriff schließlich ein ehemaliges Heimkind das Wort, das in Kinder- und Jugendpsychiatrien als Versuchskaninchen für Arzneien von BAYER und anderen Firmen herhalten musste. „Bei jahrelangen Misshandlungen und unter 8-jähriger Dauermedikation, bei der die Pharma-Unternehmen unvorstellbar hohe Gewinne einstreichen konnten, da ihnen ja ‚günstige Probanden‘ für ihre Medikamententests zur Verfügung standen, nämlich wir Heim- und Psychiatrie-Kinder, bin ich heute dankbar dafür, dass ich diese medikamentöse Vergewaltigung, die überhaupt keinen therapeutischen Nutzen hatte, tatsächlich überstanden habe, wenngleich Nervenschäden nicht ausblieben“, berichtete er.
Von 1964 bis 1972 war Wulf dieser Tortur ausgesetzt. Erst mit dem neuen Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Schleswig-Hesterberg – Hermann Meyerhoff, der Vater des bekannten Schauspielers und Autors Joachim Meyerhoff – endeten seine Qualen. Darum forderte Günter Wulf den Leverkusener Multi auf, Verantwortung zu übernehmen.
Nur Ausflüchte von BAYER
Das lehnte das Unternehmen jedoch ab. „Herr Wulf – Sie hatten gefragt, wann sich die BAYER AG dazu bereiterklärt, für die an Heimkindern angeblich begangene Körperverletzung einzustehen“, hob Pharma-Chef Stefan Oelrich in seiner Antwort an, um Günter Wulf dann zu bescheiden: „Die Forderung nach einer finanziellen Beteiligung lehnen wir ab, da wir weder für die Zustände in den damaligen Heimen noch für die Handlungen der Mitarbeiter Verantwortung übernehmen können.“ Die Untersuchungen selbst wurden damals „auf der Grundlage der damals geltenden rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen und unter den Voraussetzungen der entsprechenden Indikationsstellung durchgeführt“, behauptete Oelrich. Und überdies wurden Kinder und Jugendliche nur „in geringem Umfang eingebunden“ und das auch nur, „wenn der medizinische Bedarf oder die Indikationsstellung gegeben war“, wiegelte er weiter ab.
Auch wollte das Unternehmen nicht damit rausrücken, welche Großinvestoren genau darauf gedrungen hatten, den Klimaplan nicht zur Abstimmung zu stellen. BAYER-Chef Anderson äußerte sich nur ganz allgemein dazu. „Die Entscheidung, die Abstimmung über ein ‚Say on Climate‘ nicht zur Abstimmung zu stellen, wurde auf der Basis einer gründlichen Analyse der Erwartungen unserer Investoren getroffen“, erläuterte er. Diese hätten dem Vorstand „aufgrund ihrer internen Diskussionen signalisiert, dass der momentane Zeitpunkt für einen ‚Say on Climate‘ nicht der richtige ist“, so der Ober-BAYER weiter. Aber heute ist nicht alle Tage. „Wir prüfen das Thema weiterhin“, versuchte Anderson Trost zu spenden.
Judith Düesberg erhielt ebenfalls keine Antwort auf ihre Frage, wie viel Geld BAYER in die Entwicklung von gentechnisch veränderten Mikroorganismen steckt – Geschäftsgeheimnis. Auch zur Erforschung der Risiken von RNAI-Pestiziden hielt sich das Unternehmen bedeckt. Nur Lobby-Aktivitäten bezüglich deren Regulierung räumte es ein, prägen doch „Gesetzgebung und Politik die Rahmenbedingungen unseres Geschäfts“. „Als global agierendes Unternehmen haben wir die gesamtgesellschaftliche Verantwortung, aktiv unsere Fähigkeiten und Kenntnisse zur Verfügung zu stellen und politische Entscheidungsprozesse zu begleiten“, meinte BAYERs Agrar-Chef Rodrigo Santos. „Deshalb haben wir zu diesem Themen-Komplex zahlreiche Gespräche unter anderem mit der EU-Kommission und dem europäischen Parlament geführt“, führte er aus. Und natürlich pflegt der Global Player die politische Landschaft nicht nur in Brüssel. „Selbstverständlich tauschen wir uns auch mit der US-Regierung über den Nutzen unserer Produkte aus“, erklärte Finanz-Vorstand Wolfgang Nickl: „Tragfähige Beziehungen zu Regierungen überall sind für uns sehr wichtig, das ist unabhängig von bestimmten Personen.“
Am Vorstandsvorsitzenden Bill Anderson war es dann dieses Mal, die Wahlkampf-Spenden des Konzerns an Trump herunterzuspielen und als reine Privatangelegenheiten der Beschäftigten darzustellen. Er bekannte sich bei der Gelegenheit beherzt zu den Geschäften in den USA, trotz der Schadensersatz-Prozesse in Sachen „Glyphosat“ und „PCB“. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen und BAYER wieder auf einen profitablen Wachstumskurs zu bringen. Dabei machen wir sehr gute Fortschritte, es ist aber auch noch sehr viel zu tun.“
Auf die Zollpolitik der Trump-Admini-stration versucht sich der Agro-Riese derweil einzustellen. „Wir beobachten die Entwicklungen in den USA fortwährend genau und analysieren die potenziellen Auswirkungen auf unsere Lieferketten, Kunden und auch unsere Geschäftsbeziehungen“, sagte Finanz-Vorstand Wolfgang Nickl. Ein ganzes Netzwerk von ExpertInnen-Teams hat der Leverkusener Multi darauf angesetzt. „Diese Aktivitäten verstärken unsere ohnehin bestehende kontinuierliche Arbeit, die geopolitische Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaft und unserer Geschäfte zu stärken z. B. durch ein vielfältiges Beschaffungsnetzwerk oder das Management von Lagerbeständen“, so Nickl.
Genauere Angaben darüber, wie BAYER mit dem Druck von Trump & Co. auf die Konzerne umgeht, ihre Programme für Vielfalt, Gleichberechtigung und Diversität einzustellen, machte die Vorstandsriege nicht. Unter anderem Jan Pehrke hatte darüber Auskünfte verlangt. Er zitierte dazu Statements von ehemaligen Beschäftigten, die sich um Angehörige von Minderheiten innerhalb der Belegschaft sorgten und aus dieser Perspektive die Teilnahme Bill Anderson und BAYERs US-Chef Sebastian Guth an der Amtseinführung Trumps kritisiert hatten. Personalvorständin Heike Prinz flüchtete sich zunächst in Allgemeinplätze. „Wir setzen uns weiterhin für Vielfalt ein“, bekundete sie. Die konkreteren Ausführungen ließen daran jedoch großen Zweifel aufkommen. „Dieses Versprechen setzen wir unter Einhaltung aller jeweils geltenden staatlichen Gesetze und Vorschriften um“, erläuterte Prinz. Die rechtliche Situation in den USA sei weiterhin in Bewegung und BAYER in Habacht-Stellung. „Wir beobachten die sich in den USA entwickelnde Situation sehr aufmerksam, um die möglichen Auswirkungen auf unser Geschäft besser einschätzen zu können. Dabei handeln wir proaktiv, um unser Unternehmen voranzubringen und gleichzeitig unseren Werten treu zu bleiben“, so die Managerin.
Wie schlecht es um diese Werte bestellt ist, zeigte der von Jan Pehrke zur Sprache gebrachte Lieferkettenbericht, der zahlreiche Verstöße gegen soziale und ethische Standards ausweist. Genauere Auskunft zum dort dokumentierten Fall von Kinderarbeit verweigerte der Leverkusener Multi. Ein neues Einfallstor für die Ausbeutung von Minderjährigen könnte BAYERs neue Maissaatgut-Anlage in Sambia darstellen, denn nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen ist die Landwirtschaft ein Hot Spot von Kinderarbeit. Und bei der Fertigungsstätte in Kabwe ist das Risiko besonders groß. Die Vertragsfirmen, die für diese Fabrik das Saatgut vermehren, beschäftigen nämlich nicht weniger als 15.000 Saisonkräfte. Der Agro-Riese aber sieht da keine Gefahr. Die Zulieferer wären an BAYERs Human Rights Policy gebunden, die sich wiederum an den allgemeinen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Vereinten Nationen orientiert, versicherte Rodrigo Santos Jan Pehrke: „Zudem gelten die arbeitsrechtlichen Bedingungen in Sambia“. Etwas konkreter fielen die anderen Antworten zu diesem Thema aus. Die Behinderungen gewerkschaftlicher Betätigung fanden in Mexiko und in Indien statt. In dem lateinamerikanischen Land verzögerte sich die Umsetzung von Bestimmungen zur Versammlungsfreiheit, und in dem südostasiatischen Land behinderte eine Vertragsfirma von BAYER die Gründung eines Betriebsrats. Der Lohnraub wiederum ereignete sich in China, Indien und Saudi-Arabien. Es handelte sich in allen elf Fällen um verspätete Bezahlung, erklärte Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann.
Der Pestizid-Komplex
Die Risiken und Nebenwirkungen der BAYER-Pestizide verleugnete Agrar-Chef Rodrigo Santos samt und sonders. Die Ewigkeitschemikalie TFA als Abbau-Stoff von Ackergiften – kein Problem! „Nach den Ergebnissen der jüngsten wissenschaftlichen Studien zu TFA – einschließlich relevanter Überwachungsdaten – ist es wichtig zu sagen: Es gibt keine Hinweise für ein Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt, das mit der ordnungsgemäßen Verwendung unserer Produkte verbunden ist“, meinte er. Für Parkinson gilt das ihm zufolge natürlich auch. „Die Entstehung des Parkinson-Syndroms ist komplex und in der medizinischen Forschung nicht vollständig geklärt“, eröffnete er Bernd Schmitz von der AbL, klar ist nur das: „Im Rahmen der Zulassungs- und Wiederzulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel überprüfen und bewerten die Zulassungsbehörden umfangreiche Daten aus Studien (…) Keine Zulassungsprüfung kam jemals zu dem Schluss, dass die Verwendung eines unserer registrierten Produkte oder Wirkstoffe mit der Parkinson-Krankheit in Zusammenhang steht.“
Selbst innerhalb der Europäischen Union nicht (mehr) zugelassenen, von BAYER aber weiter in andere Länder exportierte Mitteln stellte der Brasilianer eine Unbedenklichkeitserklärung aus, die der Konzern in ganz ähnlicher Form bereits bei der Hauptversammlung von 2023 zur Anwendung brachte. „Allein die Tatsache, dass ein Pflanzenschutzmittel nicht in der EU zugelassen ist, sagt nichts über seine Sicherheit aus. Auch viele andere Zulassungsbehörden aus der ganzen Welt verfügen über robuste und hochentwickelte Regulierungssysteme zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt“, erklärte der Agrar-Manager. BAYER hat sich da kurzerhand ganz eigene Regeln zugelegt. Nach „Das Unternehmen vertreibt keine Pestizide, die nicht in mindestens einem OECD-Staat eine Genehmigung haben“ ein Komma setzen und schreiben: „und meint damit den Gleichbehandlungsansprüchen zu genügen.“ Seinen Leit-Slogan „Science For A Better Life“ wollte es dann auch keineswegs nur selektiv verstanden wissen. „Unsere Strategie bezüglich der Landwirte steht im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen und wird in unsere regionale Wirtschaftsstrategie eingegliedert“, versicherte Santos Harun Warui. Aber es gebe nun einmal spezifische lokale Bedürfnisse, meinte er nach der Devise „andere Länder, andere Sitten“.
Die Antworten fielen also wieder einmal dürftig aus. Es gab von Seiten des Managements kein ernsthaftes Interesse, sich mit den von den AktivistInnen vorgebrachten Problematiken auseinanderzusetzen. Darum lautete das Resümee des CBG-Vorstandsmitglieds Jan Pehrke: „Die Themen-Komplexe, die ich und die anderen Konzern-Kritiker bisher angesprochen haben, zeigen, dass BAYER ohne Rücksicht auf Verluste für Mensch, Tier und Umwelt den Profiten nachjagt. Um dem in Zukunft Einhalt zu gebieten, muss der Konzern unter gesellschaftliche Kontrolle gestellt werden.“ ⎜