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[Diskussionsbeitrag] Christliche Globalisierungskritik

CBG Redaktion

Diskussionsbeitrag von Kai Müller-Horn (Düsseldorf), e-mail: Kai.mh@t-online.de

betr.: „Globalisierungskritik aus christlicher Sicht“

Liebe Mitstreiter,

es gibt ohne Zweifel eine Reihe hochaktueller Berührungspunkte von religiös und politisch motiviertem Engagement gegen die negativen Auswirkungen der sogenannten Globalisierung. Ich nenne nur die Hartz Gesetze im Rahmen der Agenda 2010 (hier besonders Hartz IV), die Ostermarschbewegung mit der konkreten Kritik am US Amerikanischen Krieg im Irak und die Kritik an den diesen und andere, sich in Vorbereitung befindende Kriege flankierenden Maßnahmen der Schröder/Fischer Regierung, dem antifaschistischen Kampf usw. Wichtig ist mir dabei im Zusammenhang mit dem gestellten Thema zu betonen, das dieser Widerstand seine Wirkung nur dann voll entfalten und so auch letztlich nur zum Erfolg führen kann, wenn er wirklich eine weltanschauliche Vielfalt in seinen Reihen vereinen kann. Dieses hohe Ziel aber kann selbstredend nur dann erreicht werden, wenn es gelingt eine Streitkultur zur Entfaltung zu bringen, die unvoreingenommen, gleichberechtigt und im gegenseitigem Respekt vor den weltanschaulichen Unterschieden getragen ist. Von vorne herein selbst disqualifiziert haben sich in diesem Kontext meiner Ansicht nach lediglich faschistische und religiös-fundamentalistische Ideologien.

„Der Glaube an den freien Markt ist eine fundamentalistische Religion. Argumente braucht man nicht mehr. … Alle wirklichen Probleme des Planeten bleiben ungelöst, weil sie sich mit dem Prinzip “Gier„ eben nicht lösen lassen.“ schreibt P. Bürger.

Mit seiner Kritik an der Methode und ihrer Auswirkung kann ich mich uneingeschränkt einverstanden erklären. Andrerseits, das impliziert dieser Satz, wird lediglich ein anderer Glaube als der an den freien Markt und ein Appell an die Moral der Verantwortlichen nicht gierig zu sein keine wirkliche Lösung der Probleme des Planeten bringen. Diese bleibt meiner Ansicht nach einer wissenschaftlich begründeten Weltanschauung vorbehalten.
Der religiös motivierte Widerstand entwickelt keine wirklich tiefgehende Kritik sowohl an der Methode wie an den Inhalten des Neoliberalismus. Er bleibt an der Oberfläche und somit in der Wirkung äusserst beschränkt.

P. Bürger scheint das zu ahnen und versucht sich der Unterstützung durch den Marxismus, durch Karl Marx, den Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus zu vergewissern: „… Karl Marx. Er wollte sich – in bester jüdisch-christlicher Gesellschaft – nicht mit Verhältnissen abfinden, in denen der Mensch ein verachtetes und geknechtetes Wesen ist. Osswald von Nell Breuning … meinte, nur in Gefolge dieses Mannes könne man die moderne Wirtschaft richtig bewerten.“
Karl Marx jedoch, dessen bin ich mir sicher, würde sich im Grabe umdrehen von dergleichen Vereinnahmung und Unterordnung unter beste jüdisch-christliche Gesellschaft. Der Leser möge sich ein eigenes Bild machen durch das vollständige Zitat:

„Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waffen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muß gestürzt werden durch die materielle Gewalt, allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift. Die Theorie ist fähig, die Massen zu ergreifen, sobald sie ad hominem (am Menschen) demonstriert, und sie demonstriert ad hominem, sobald sie radikal wird. Radikal sein ist die Sache bei der Wurzel fassen. Die Wurzel für den Menschen ist aber der Mensch selbst. Der evidente Beweis für den Radikalismus der deutschen Theorie, also für ihre praktische Energie, ist ihr Ausgang von der entschiedenen positiven Aufhebung der Religion. Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist, Verhältnisse, die man nicht besser schildern kann als durch den Ausruf eines Franzosen bei einer projektierten Hundesteuer: Arme Hunde! Man will euch wie Menschen behandeln!“ (Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. In: Marx/Engels: Werke, Band 1, Seite 385)

Zugleich ist dieses Zitat auch die marxistische Antwort auf die unzähligen Verbesserungsvorschläge an der Globalisierung die alle mehr oder weniger den Eindruck erwecken als könne es die Freiheit des Kapitals ohne die Unfreiheit der Ausgebeuteten und Unterdrückten geben, als könne man also das Kapital, in irgendeiner Weise zügeln, demokratisch kontrollieren, seine gewaltigen und gewalttätigen Ströme in soziale Kanäle lenken, seine Protagonisten von der ökonomischen Unsinnigkeit oder auch der gotteslästerlichen Schlechtigkeit ihres Tuns überzeugen. Tatsächlich aber muß die Macht des internationalen Finanzkapitals gestürzt und die Transnationalen Konzerne enteignet werden um den Weg dafür frei zu machen das die durch die internationalisierte Produktion enorm gesteigerten Produktivkräfte zur Lösung der wirklichen Probleme des Planeten durch die Produzenten (die internationale Arbeiterklasse und der mit ihr Verbündeten Massen) genutzt werden können.

In den vielen gemeinsamen Anliegen, die religiös, politisch und anders motivierte Gegner der negativen Auswirkungen der Globalisierung im Tageskampf zusammenführt geht es also wie selbstverständlich auch um die Frage wie die Vorbereitungen vorangetrieben werden müssen um die „Götzen“, um im Bild von P. Bürger zu bleiben, vom Sockel zu holen.

Zur weiterführenden Literatur empfehle ich Stefan Engel: „Götterdämmerung über der >neuen Weltordnung<“, VNW – Verlag neuer Weg, e-mail: neuerweg@neuerweg.de, Tel.: 0201/25915, (auch als Taschenbuch erhältlich!)