25.11.2006, junge Welt
Lobbyisten genehmigen Genweizenanbau
Umweltinstitut München leitet rechtliche Schritte gegen Freisetzungsversuch in Sachsen-Anhalt ein
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat am Donnerstag einen Freisetzungsversuch mit genmanipuliertem Weizen in Gatersleben (Sachsen-Anhalt) genehmigt. Den Antrag für das Experiment hatte das Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) gestellt. Die gentechnisch veränderten Weizenpflanzen sind resistent gegen ein sogenanntes Totalherbizid des Bayer-Konzerns und die Antibiotika Ampicillin und Streptomycin. Gegen diesen Versuch hatte das Umweltinstitut München (UIM) dem BVL im September mehr als 30000 Einwendungen überreicht. Es wird nun Dienstaufsichtsbeschwerde gegen zwei Mitarbeiter des BVL einreichen. Das Institut wirft den beiden mit der Entscheidung befaßten Spitzenbeamten Befangenheit vor. Dies ergäbe sich aus deren langjähriger öffentlicher Parteinahme für die Agrogentechnik, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung des Instituts.
So sind der Leiter der Abteilung Gentechnik im BVL, Hans-Jörg Bukh, und sein Stellvertreter, Detlef Bartsch in einem PR-Film der Gentechnikindustrie aufgetreten, der unter anderem von den Konzernen Monsanto und Syngenta finanziert wurde. In diesem Film, der in Ausschnitten in dem Politmagazin »Report Mainz« gezeigt wurde, plädiert Bukh für den Anbau von Genmais. »Von solchen Beamten sind keine abwägenden Entscheidungen bei einem so heiklen Thema wie der Freisetzung genmanipulierter Pflanzen zu erwarten«, kritisierte Harald Nestler, Vorstand beim UIM. Nestler fordert, daß Bukh und Bartsch von ihren Aufgaben entbunden und alle unter ihrer Leitung getroffenen Entscheidungen überprüft werden.
Der Genweizen soll in Gatersleben in unmittelbarer Nähe der Anbauflächen einer der weltgrößten Getreide-Genbanken freigesetzt werden. Dort lagern mehr als 60000 Getreidesorten, die zu ihrer Erhaltung regelmäßig im Freiland angebaut werden müssen. Die Möglichkeit von Auskreuzungen in die Saatgutbestände wird durch die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen keineswegs ausgeschlossen. Eine Verunreinigung dieser Pflanzen durch genmanipulierten Weizen wäre ein unersetzlicher Verlust für zukünftige Züchtungsbemühungen und die Ernährungssicherheit folgender Generationen. »Die Genehmigung zum Anbau von Genweizen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Genbank in Gatersleben ist bezeichnend für die Behörde«, so der Agrarwissenschaftler Andreas Bauer vom UIM.
Seit dem Regierungswechsel agiere das BVL »völlig enthemmt« und öffne durch die kritiklose Genehmigung riskanter Freisetzungsexperimente der Agrogentechnik Tür und Tor, so Bauer. Allein in diesem Jahr wurden vom BVL mehrere höchst kontrovers diskutierte Genehmigungen für solche Versuche mit Genpflanzen durchgewinkt. Dazu gehören die Freisetzung von Genraps und von transgenen Kartoffeln zur Produktion von Impfstoffen gegen Cholera und ein Kaninchenvirus. Dabei setzte sich das BVL über schwerwiegende wissenschaftliche Bedenken anderer Behörden, wie des Bundesamts für Naturschutz (BfN), hinweg.
Gen-Weizen von BAYER: Schon 27.000 Einwendungen gegen Freisetzungsversuch