11. Juni 2006, Sonntags TV, ZDF
Schule statt schuften
Initiativen gegen Kinderarbeit
250 Millionen Kinder weltweit arbeiten. Allein in Indien gehen nach Schätzungen von Unicef rund 80 Millionen Jungen und Mädchen nicht zur Schule, sondern schuften in Steinbrüchen oder auf dem Feld. Und das obwohl Kinderarbeit auch in Indien seit Jahren offiziell verboten ist.
In Indien arbeiteten früher viele der Kinder in der Bekleidungsindustrie, doch auf Druck internationaler Organisationen sind hier die Zahlen zurückgegangen. Nun arbeiten sie in Zulieferbetrieben, zum Beispiel in der Zucht von Baumwollsaatgut. Diese Herstellung ist sehr zeitaufwendig: Meist sind es junge Mädchen, die die hybriden Pflanzen von Hand bestäuben.
Kinder als billige Arbeitskräfte
„Ich bin 10 Jahre alt und arbeite von 9 Uhr morgens bis 6 Uhr abends für 30 Rupees am Tag. Natürlich würde ich gerne zur Schule gehen, aber meine Eltern müssen Schulden zurückzahlen“, erzählt ein Mädchen. 30 Rupees am Tag, das sind gerade mal 60 Cent. Friedel Hütz-Adams kennt diese Zahlen. Er arbeitet seit Jahren für den entwicklungspolitischen Verein Südwind.
Kinderarbeit hat ihm zufolge mehrere Ursachen: „Das Problem ist sozial fundiert, es ist traditionsbedingt, es liegt zum Teil an der Diskriminierung von Bevölkerungsschichten und es liegt auch daran, dass Arbeitgeber lieber billige Kinder als teure Erwachsene einstellen. Die Familie hat dann die Wahl, entweder arbeitet das Kind oder es arbeitet niemand.“
Teure Importware
Häufig arbeiten die Kinder in Steinbrüchen und Kalköfen. Im indischen Madhya Pradesh etwa schleppen Kinder 12 Stunden am Tag Steine. Natürlich ist das nicht legal, doch die Kontrollen sind selten. Viele der Steinbrüche sind nicht registriert und werden illegal betrieben. Arbeitsschutz und das Verbot von Kinderarbeit sind hier Fremdworte. Zur Schule geht hier niemand, stattdessen verdienen diese Jungen oft das Familieneinkommen. Ihre Arbeitskraft ist billiger als die der Erwachsenen, also erhalten sie den Zuschlag.
Friedel Hütz-Adams weist darauf hin, dass in Deutschland mehr und mehr Steine aus Indien, unter anderem auch Granitblöcke und Grabsteine importiert würden. „Also auch eher hochwertige und teure Dinge, bei denen man erst mal denken würde: Da arbeiten keine Kinder mit. Wenn man aber vor Ort in die Minen reinschaut, stößt man auf verheerende Arbeitsbedingungen, große Umweltbelastungen und eben überall auf Kinder.“
Bildung verleiht Würde
Die 12-jährige Lakshmi musste noch vor kurzem wie viele andere Mädchen zwölf Stunden am Tag schuften. Jetzt kann sie die Schule besuchen und hat schon das ganze Alphabet gelernt. Zeit zum Spielen bleibt ihr sogar auch: „Ich spiele mit meinen Freundinnen, das ist ganz toll, das kannte ich vorher gar nicht. Da blieb ja gar keine Zeit übrig, aber jetzt haben wir Zeit für uns. Das ist wirklich toll. Ich bin froh, dass ich hier bin.“
Die Kampagne „Stopp Kinderarbeit – Schule ist der beste Arbeitsplatz“ hat die Deutsche Welthungerhilfe ein Bildungsprojekt ins Leben gerufen, um arbeitenden Kindern in Entwicklungsländern kostenlose staatliche Grundbildung zu ermöglichen. „Bildung macht den Menschen zum Bürger, versetzt ihn in die Lage, seine Rechte wahrzunehmen, selbst wenn am Ende nicht unbedingt ein Arbeitsplatz steht“, sagt Antje Paulsen von der Welthungerhilfe.
Wie viele andere Eltern war auch die Mutter von Lakshmi zunächst gegen den Schulbesuch ihrer Tochter, doch jetzt ist sie stolz auf sie. Im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh gehen mittlerweile fast alle Kinder zur Schule.
mit Material von epd